20 Jahre später von Weissquell (Die nächste Generation) ================================================================================ Kapitel 1: Der Toten gedenken... -------------------------------- "Ist es noch weit?", mault Itaru während er seinen beiden Freunden folgt. Längst haben sie den Bus verlassen und nach einem kurzen Fußmarsch haben sie fast ihr Ziel erreicht. "Nein, wir sind gleich da!", kommt die Antwort von Yami, "Es muss hier irgendwo sein." Suchend schaut er sich um, während sie einem schmalen, angelegten Sandweg folgen, der an mehreren grasbewachsenen Rasenflächen vorbeiführt. Über dem ganzen Ort liegt eine unheimliche Stille. "Mann, ich hasse Friedhöfe!", brummelt Itaru. Die drei jungen Leute kommen an unzähligen Grabstätten vorbei die mit Blumen, Steindenkmalen, Weihräucherstäbchenresten und Grabsteinen verziert sind. Schließlich haben sie gefunden was sie suchen. Ein schlichtes Fleckchen Rasen auf dem eine kleine Steinsäule steht in die der Name dessen eingraviert ist, der hier seine letzte Ruhe gefunden hat. "Sugoruko Muto" ist auf dem Stein zu lesen "Die Rolle, die er für seine Mitmenschen spielte, wird nie vergessen werden!" Still stehen die drei vor dem Grab. Schließlich fragt Keiko: "Was bedeutet dieser Satz? So was auf einen Grabstein zu schreiben ist nicht gerade üblich." "Ich weiß es nicht genau", meint Yami, "Meine Eltern erzählen nur wenig darüber, aber ich glaube, es hat etwas mit dem Freund meines Vaters zu tun, nach dem sie mich benannt haben." Keiko reißt die Augen auf: "Echt jetzt? Du meinst dieser Satz spielt auf diesen Yami an?" "Ich denke schon", nickt Yami, "Aber genau weiß ich es nicht. Papa redet nur selten von ihm, obwohl ich glaube, dass er ihm viel bedeutet hat." "Was ist aus ihm geworden?", fragt Keiko. Yami zuckt mit den Achseln: "Keine Ahnung! Aber nach dem was ich gehört habe, war es wohl Ur-Großvater, der die beiden miteinander bekannt gemacht hat." "Und deshalb musst du immer wieder hier an diesen schaurigen Ort kommen?", fragt Itaru und wirft einen unbehaglichen Blick in die Runde. "Sei doch nicht so eine Memme!", tadelt Keiko ihn ungerührt, "So ein paar Gräber sollten dich doch nun wirklich nicht aus der Ruhe bringen!" "Ich mag es trotzdem nicht!", patzt Itaru zurück, "Ich kriege hier ne Gänsehaut! Wie lange willst du denn hier noch bleiben, Yami?" Ruhig atmet Yami aus. "Ich komme eigentlich gerne her. Ich habe Ur-Großvater zwar nicht lange gekannt, aber soweit ich mich erinnere war er ein sehr freundlicher Mensch und ein ausgezeichneter Spieler. Er hat in seinem Leben viel erlebt und erreicht. Er ist viel gereist und hat sogar an ägyptischen Ausgrabungen teilgenommen, wusstet ihr das?" Seine beiden Freunde schütteln den Kopf. "Aber es stimmt!", fährt Yami fort, "Und von seinen Reisen hat er auch viele Spiele und Rätsel mitgebracht. Er war ein erstaunlicher Mann. Von ihm hat mein Vater gelernt Duellmonsters zu spielen. Und seine besten Karten hat er auch von ihm. Und das obwohl mein Ur-Großvater mit seiner ganzen Seele an seinem Deck hing, so wie mein Vater jetzt sein ganzes Herz an diese Karten gehängt hat. Er lehrte meinen Vater mit ganzem Herzen auf seine Karten zu vertrauen, so wie sein Freund ihn damals lehrte, niemals aufzugeben und sich respektvoll, ehrlich und fair zu duellieren. "Ich frage mich oft, wer dieser Yami wohl war und wenn ich hierher kommen, dann hilft mir das immer darüber nachzudenken. Ich habe dann immer das Gefühl, dass Ur-Großvater gar nicht wirklich weg ist, sondern dass ich ihm irgendwie so nahe bin, dass ich ihm meine Fragen stellen kann. Vielleicht erhalte ich irgendwann ja eine Antwort darauf." Leicht verwundert schauen seine beiden Freunde ihn an. Schließlich schaut Yami verlegen zur Seite. "Das klingt sicher unheimlich albern, oder?" Keiko kratzt sich am Kopf: "Also... nicht wirklich." Itaru ist weniger zurückhaltend: "Kannst du deine Eltern nicht einfach fragen? Musst du dafür immer an diesen spukigen Ort?" "Wenn das so einfach wäre!", meint Yami achselnzuckend, "Ich glaube Papa möchte nicht gerne darüber reden und ich mag ihn dann auch nicht fragen. Meine Eltern machen sich ohnehin schon so viele Sorgen um mich. Ich will sie nicht auch noch damit beunruhigen, dass ich mir über solchen Unsinn Gedanken mache." "Fein!", meint der hochgewachsene Junge nun, "Könntest du vielleicht trotzdem sagen, wann wir hier wieder wegkönnen?" Keiko verdreht die Augen: "Du bist ein solches Baby, Itaru! Ich verstehe nicht wie du zu unserer Familie gehören kannst." "Vielleicht weil mein Vater die Schwester von deinem Vater geheiratet hat?", gibt Itaru spitz zurück. "Das ist aber auch wirklich der einzige Grund!", ist die trockene Antwort. Yami seufzt. "Also schön, lasst uns gehen!" Noch einmal wendet er sich dem Grab zu und verneigt sich leicht. "Ich komme bald wieder Ur-Großvater. Vielleicht habe ich bis dahin ja ein paar Antworten gefunden...", er hält kurz inne, "Oder auch neue Fragen." Dann wendet er sich zum gehen. Gemächlich trotten die drei den Sandweg zum Ausgang des Friedhofs zurück. Als sie gerade über einen kleine Anhöhe kommen, sehen sie auf einmal in einiger Entfernung am Eingang eine große, schwarze Limousine stehen. Die drei bleiben stehen. Gerade steigt jemand aus. Es ist ein hochgewachsener, schlanker Mann. Seine braunen Haare sind elegant frisiert und um sein Kinn schmiegt sich ein gut gepflegter, brauner Bart. Er trägt einen vornehmen, dunklen Anzug der selbst aus der Entfernung noch als Maßanfertigung zu erkennen ist. Seine Haltung strahlt überlegene Würde aus und sein Gesicht stellt eine respekteinflößende, gefühlskühle Miene zur Schau. Nur in seinen wasserblauen Augen liegt eine Spur von Bitterkeit, die er offenbar trotz aller Willensstärke nicht verstecken kann. In diesem Moment steigt noch jemand hinter ihm aus dem Wagen. Es ist ein junger Mann in einem sportlich eleganten Outfit, ebenfalls in dunklen Farben gehalten. Zur Überraschung der drei Zuschauer, scheint er dem Mann vor ihm beinah wie aus dem Gesicht geschnitten zu sein. Das gleiche schmale Kinn mit den hohen Wangeknochen, die gleichen glatten, braunen Haare, wenn sie bei ihm auch etwas länger sind, und vor allem die gleichen tiefblauen Augen die ihre Umgebung mit einem kritischen und überlegenem Blick aufmerksam mustern. "Hey sagt mal, ist das nicht Seto Kaiba?", flüstert Itaru den anderen zu. Yami nickt. "Ja, aber ich möchte mal wissen wer dieser andere da ist!", bemerkt Keiko nun interessiert, während die drei beobachten, wie die beiden Neuankömmlinge langsam einem der Wege folgen und schließlich auf ein Grab mit einer großen Marmorplatte zusteuern. "Das ist Kotaro Kaiba, sein Sohn", informiert Yami. Itaru hebt die Brauen. "Hmh? Woher weißt du das denn?" "Ich habe ihn ein oder zwei Mal getroffen", erklärt Yami, "Vor einigen Jahren, als mein Vater mit seinem Vater noch näher befreundet war." Verwundert schaut Itaru seinen Freund an: "Also, ich kann mich irgendwie gar nicht daran erinnern, dass der einen Sohn gehabt hat, aber unsere Familie stand den Kaibas ja nie so nahe wie eure." "Aber was wollen die beiden denn jetzt hier?", wundert sich Keiko immer noch. Schweigend sieht Yami wieder hinüber zu den beiden. Dann meint er: "Sieht man das denn nicht?" Gerade halten die beiden Kaibas vor dem Grab mit der Marmorplatte an. Einen langen Moment stehen sie nur schweigend da. Seto Kaibas Miene ist regungslos, doch wenn man genauer hinschaut, bemerkt man, dass seine Kiefer fest aufeinander gebissen sind. Hoch aufgerichtet steht er da, doch seine rechte Faust ballt sich nun unwillkürlich um den Blumenstrauß mit den kleinen, weißen Blüten den er in der Hand hält. Ein Stück hinter ihm, steht sein Sohn und schaut schweigend zu ihm hinüber. Auch seine Miene ist reglos, aber seine Augen wirken finster und um seine Lippen liegt ein missmutiger Zug. Es scheint, als währe ihm die Anwesenheit an diesem Ort mehr als unangenehm. Schließlich, nach ein paar Minuten des Schweigens gibt Seto Kaiba sich einen Ruck. Langsam tritt er an die Marmortafel heran und legt mit einer steifen Bewegung den Blumenstrauß nieder. Dann dreht er sich um und begibt sich mit festem Schritt zurück zu seinem Wagen ohne sich noch einmal umzudrehen. Kotaro Kaiba steht noch immer vor dem Grab und sein Blick ist weiterhin auf die Marmorplatte gerichtet. Es scheint, als hätte er nicht mitbekommen, dass sein Vater bereits gegangen ist. Dann plötzlich senkt er den Blick und schaut zur Seite. In diesem Moment erreicht ihn ein scharfer Ruf: "Komm Kotaro, wir gehen!" Nun doch beinah wiederstrebend wendet der junge Mann sich um und macht sich daran seinem Vater zu folgen. Aufmerksam verfolgen Yami und seine Freunde wie die beiden zurück zu ihrer Limousine gehen und einsteigen. Doch kurz bevor auch der junge Kaiba zu seinem Vater ins Auto steigt, geht sein Blick auf einmal zu den drei jungen Leuten hinüber. Ein ernstes Paar wasserblaue Augen fixiert sie mit einem verächtlichen Blick. Urplötzlich fühlen sich die drei ertappt. In diesem Blick liegt kühle Arroganz und der stille Vorwurf, dass sie Zeugen dieses Ereignisses gewesen sind. Doch dann wendet er den Blick ab und steigt zu seinem Vater ins Auto. Ein wenig verwirrt beobachten die drei, wie der Wagen hinter der nächsten Kurve verschwindet. Itaru findet als erstes seine Sprache wieder. "Meine Güte, wenn der Kerl einen ansieht, läuft es einem ja kalt den Rücken runter." "Papa meint, er wäre seinem Vater unheimlich ähnlich", bemerkt Yami, "Was auch immer das heißen mag." "Ich finde er sah sehr traurig aus", meint Keiko nun nachdenklich, während sie noch immer dem Wagen hinterher schaut, "Was er wohl gerade gedacht hat?" Entschlossen setzt Itaru sich in Bewegung: "Es gibt nur einen Weg das heraus zu finden!" Mit raschen Schritten steuert er auf das Grab zu vor dem die beiden Kaibas gerade noch gestanden haben. Hastig folgen seine Freunde ihm. Schließlich stehen sie vor der großen, weißen Marmortafel. Davor liegt noch immer der Blumenstrauß und stört die sterile Atmosphäre der Grabstätte mit seiner Anwesenheit. In die Platte ist nichts außer einem Namen und dem Geburts- und Sterbedatum eingraviert. "Yuki Kaiba", ließt Itaru laut. Verwundert wendet er sich an Yami: "Wer war das?" "Das war Kaibas Frau", erklärt Yami, "Sie starb vor sechs Jahren durch einen Unfall. Ich glaube, sie ist ertrunken." "Wie schrecklich!", ruft Keiko aus, "Kein Wunder, dass er so geguckt hat. Bestimmt vermisst er seine Mutter." "Das mag sein", meint Yami, "Aber ich glaube, seinen Vater hat das damals noch härter getroffen." "Wie kommst du darauf?", fragt Keiko. "Na ja", versucht Yami zu erklären, "Soweit ich weiß, waren mein Vater und Kaiba sehr gute Freunde gewesen. Sie hatten ein wirklich gutes Verhältnis. Aber nach dem Tod seiner Frau, hat Kaiba den Kontakt zu unserer Familie fast vollkommen abgebrochen. Er hat sich von all seinen Freunden abgeschottet und seit dem ist von ihm kaum noch was zu hören. Und in der Öffentlichkeit sieht man ihn gar nicht mehr." Skeptisch deutet Itaru mit dem Daumen hinter sich in die Richtung in die das Auto verschwunden ist: "Und wie nennst du das bitte gerade?" Wie als Erklärung zeigt Yami auf den Grabstein. "Heute ist der sechste Todestag seiner Frau." Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)