Rêve Noir and Blue Fake von black_rain ================================================================================ I/18b ----- ~ 18 B~ Verblüfft starrte Shay den Rothaarigen an. Jener hatte sich umgezogen, was ja an sich nichts sonderlich weltbewegendes war - besonders bei Leuten wie ihnen, die an manchen Tagen bis zu fünfzehn Mal die Kleider wechseln mussten. Nereis aber stand gerade ganz und gar in weiß bekleidet vor ihm und abgesehen davon, dass Shay nicht einmal _geahnt_ hatte, dass sein Freund auch weiße Kleidung besaß, sah er aus wie ein wunderschöner Engel... "Ich weiß selbst, dass mir Weiß nicht steht, aber ich möchte dem Anlass entsprechend gekleidet sein. Würdest du also freundlicherweise aufhören mich so anzustarren?? Du kriegst schon keinen Augenkrebs!!", rief Rei gereizt und verschwand in die untere Etage. Noch immer ein wenig betäubt folgte er dem Kleineren, sah schweigend zu, wie er in farblich zu seinen Haaren passende Schuhe schlüpfte. Dann endlich berührte er den Jüngeren sanft am Unterarm, zog ihn wortlos in seine Arme. Vermutlich würde sich Rei sein Leben lang darüber wundern, aber er war dieser Tage ja selbst sehr oft anhänglich und Shay wollte diese Nähe zu der wichtigsten Person seines Lebens so lange wie möglich genießen, bevor die kühle Distanz des Show Business entgültig wieder zwischen sie trat. "Entschuldige", hauchte er ihm sanft zu. "Ich wollte dich nicht anstarren... Ich war nur so überrascht, weil du ja eigentlich kein Weiß magst und es nie trägst... Aber ich war _angenehm_ überrascht, verstehst du? Weil du aussiehst wie ein kleiner Engel: rein und-" "Sag jetzt "unschuldig" und ich hau dich!", warnte der Sänger ihn. Verdattert blinzelte der Blauhaarige ihn an, weil es genau das Wort war, das ihm auf der Zunge gelegen hatte, grinste dann aber trotzdem breit: "So unschuldig, aber dann doch so sadistisch veranlagt sein, ja? Du bist wirklich eine Kröte im Schafspelz![1]" "Shay!", rief Nereis wütend und ohrfeigte ihn mit aller Kraft. Unsanft aus allen Wolken geschüttelt sah er dem jungen Geiger hinterher, der aufgebracht aus dem Haus und zum Auto rannte, hob unwillkürlich die Hand an seine Wange und spürte doch das Brennen in keinster Weise. Wie betäubt schloss die Haustür ab und folgte dann dem Weg nach unten in die Garage, wo Rei bereits wartete, sich anscheinend schon wieder ein wenig beruhigt hatte und doch jeglichen Blickkontakt zu ihm mied. /Was habe ich denn gesagt? Was ist so schlimm an dem Wort "unschuldig"?/, dachte er verwirrt. Er wurde einfach nicht schlau daraus. Schweigend durch den scheinbar grundlosen Ausbruch schloss er auf und öffnete auch Rei die Tür, der betreten auf seinen Schoß starrte, zündete dann beunruhigt den Motor. Beunruhigt, weil er wusste, dass Nereis eigentlich immer einen Grund hatte, auch wenn Shay diesen nicht immer verstand. "Tut mir Leid, Shay...", hauchte sein Kleiner plötzlich erstickt, klang so, wie er sich immer anhörte, wenn er kurz davor stand, zu weinen. Erschrocken wirbelte er zu seinem Bandpartner herum. "Nicht... nicht weinen Rei, bitte! Das ertrag ich nicht, das weißt du doch", murmelte er hilflos, streichelte die zarte Wange, die sich sogar ein wenig in seine Hand schmiegte, als würde Rei Trost suchen. /Aber warum denn? Was ist hier bloß los, verdammt?/ "Ich wollte dich wirklich nicht ohrfeigen, dass war... es kam ganz plötzlich ohne nachzudenken... Hoffentlich habe ich dir nicht zu sehr wehgetan... Es ist nur... Bitte nenn mich nicht mehr so!", gab er leise zurück. "Was ist so schlimm daran?", wollte er verständnislos wissen und schaltete den Motor wieder aus. Doch Nereis wich ihm aus, biss sich auf die Unterlippe und fragte stattdessen: "Willst du nicht losfahren, Shay?" Der Schwarzäugige seufzte nur und schüttelte den Kopf. "Nein, Rei", erwiderte er nach einer Weile sanft. "Sonst läufst du mir doch nur wieder davon oder kommst mit irgendwelchen Ausflüchten - und das nützt niemandem etwas... Freunde helfen sich, diskutieren über ihre Probleme und all das... und ich _bin_ dein Freund! Also? Was ist es? Was ist los?" "Ni-Nichts... Ich will nur nicht, dass du so etwas über mich sagst", stammelte der Jüngere hastig, zitterte bereits leicht. "Und _warum_?", hakte der Ältere unerbittlich nach. "Ich-" "Sei ehrlich!", ermahnte Shay ihn, da der dem Rotschopf ansah, dass er nur mit einer weiteren Ausflucht antworteten wollte. "WEIL ICH ES NICHT BIN!", schrie Nereis plötzlich und Shay sah erschrocken Tränen in den blauen Tiefen aufblitzen, bevor ihm die weiche Wange entrissen wurde. "Ich... mein Herz... meine Stimme... sie sind... sind nicht rein... nicht schön, wie du sagst, sondern... hässlich...", hauchte der Jüngere. Der Blauhaarige erriet das letzte Wort mehr, als er es wirklich gehört hatte, sah entgeistert in das verzweifelte Gesicht. "Red doch keinen Unsinn", flüsterte er stockend, entsetzt. "UNSINN?", Rei lachte zynisch und äußerst künstlich auf. Doch bevor noch mehr Worte, die vor Selbsthass nur so troffen, die schönen Lippen verlassen konnten, hatte er seinen Mund auch schon fest auf sie gedrückt und erstickte jeden weiteren Laut, der zwischen ihnen hervordringen wollte. "Du bist wunderschön in jeder Hinsicht, Ner- Nein, widersprich mir jetzt nicht, es stimmt! Du bist der schönste Mensch, den ich überhaupt kenne, verstehst du? Und deine Stimme... ich dachte, das hätten wir endlich geklärt?", wisperte er hilflos an den zarten Mund. "Du verstehst nicht, es-" "WIE ZUM TEUFEL _SOLL_ ICH DENN AUCH VERSTEHEN, WENN DU MIR NIE SAGST WIE ES DIR GEHT, WAS DU DENKST UND WAS DU FÜHLST? WIE??", rief Shay auf einmal verzweifelt, hielt Nereis an den schmalen Schultern fest. "Vergib mir, Shay", wisperte die furchtsame Stimme jedoch nur, die ganz und gar nicht zu Rei passte und Shay sofort ein schlechtes Gewissen machte, weil er seinen Liebling so erschreckt hatte. "Aber wenn ich es dir sagen würde, würdest du es mir bestimmt nicht verzeihen... Es würde ganz sicher unsere Freundschaft kaputt machen und das will ich nicht..." Wie von einem Wespenschwarm gestochen ließ er Rei los und schaltete schweigend wieder den Motor an, gab der Security am Tor ein Zeichen. /So wenig vertraust du mir also noch?/, dachte er bitter und schwieg gekränkt, während er ein wenig zu schnell zum Friedhof fuhr. - - - - - - [1] Stellt euch das mal bildlich vor XD Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)