Dritter Teil: Das Licht der Welt von abgemeldet (Fortsetzung von "Du kennst mich nicht und doch hasst du mich" und "Gift in Körper und Seele") ================================================================================ Kapitel 23: Richtungswechsel ---------------------------- Es kam nicht oft vor, dass er träumte. Er war an einen ruhigen Schlaf gewohnt und wand sich auf dem weißen Laken, als Bilder vor seinem geistigen Auge auftauchten. Anfänglich wirkte alles noch recht ruhig. Irritiert fand er sich auf einer weiten Steppe wider. Umgeben von verödeten Gestrüppen, stand er auf verrottetem Gras und blickte zum Himmel auf, über den zerfetzte graue Wolken zogen. Ein kühler Wind wehte und durchstreifte sein Haar, als er sich langsam zur Seite drehte. Suchend tasteten seine Augen die Gegend ab und richteten sich zielstrebig auf einen gewissen Punkt, der in dem plötzlich aufziehendem Neben auszumachen war. Es war eine Gestalt, die er erblickte, der er sich in langsamen Schritten näherte. Ein modriger Geruch stieg vom Boden aus, als er ein Bein vor das andere setzte, auf den Nebel zuging und dennoch... die Gestalt wuchs nicht an Größe. Es schien, als würde sie ohne jegliche Bewegungen zurückweichen, bei jedem Schritt, den er tat. Alsbald hielt er inne, starrte auf die Umrisse, die ihn die Gestalt deutlich erkennen ließen. Seine Lippen begannen sich zu bewegen, riefen einen Namen und doch war er nur stumm. Kein Laut kam aus seinem Mund und er rief erneut, ohne dass sich etwas veränderte. Erneut ging er los, diesmal schneller, weitaus ungeduldiger. Und dann stob er der Nebel auseinander. Als würde ihn ein kräftiger Windstoß zerteilen, riss er auseinander und trotz der gruseligen Finsternis konnte Kaiba ihn genau erkennen. Joey... Und dessen Erscheinungsbild ließ ihn erneut zum Stehen kommen, entsetzte ihn so sehr, dass sein Atem stockte. Nackt stand der Blonde dort, am gesamten Leib zitternd und blutend. Tiefe Kratzer zerfurchten den schlanken Körper, Blut rann über die zarte Haut, das seidige Haar war wüst verzottelt, das ebenso verletzte Gesicht tief zur Brust gesenkt. Kaibas Augen weiteten sich, vom Grauen gepackt, rang er nach Atem und starrte auf den geschundenen Leib. Verkrampft hielt die verschrammte Hand ein rotes Seidentuch... es war blutrot, flatterte auf, als ein scharfer Wind über die weite Ebene peitschte. Er schlug Kaiba entgegen, ließ ihn schützend den Arm vor das Gesicht heben. Dennoch blinzelte er und seine Augen suchten nach Joey und das Blut gefror ins einen Venen, als dieser das Gesicht hob. Der Blonde blickte auf und Kaiba erkannte geweitete Augen, eine sterbensbleiche Miene. Pupillen, die starr nach vorn gerichtet waren, ihn eiskalt und stechend fixierten, einen beängstigenden Wahnsinn zum Ausdruck brachten. Der scharfe Wind beraubte Kaiba des Atems. Verkrampft kämpfte er gegen ihn an und spürte eine tödliche Kälte, die ihn umfing, sobald jener Blick ihn traf. Wieder wollte er seinen Namen rufen, wieder drang kein Laut aus seiner Kehle und der tosende Wind pfiff in seinen Ohren. Wie eine leere Hülle stand Joey dort, mit einer gespenstigen Miene, die keine Emotionen in sich verbarg. Die gerissenen Lippen lagen still aufeinander und Kaiba meinte, an jenem Blick zu zerbrechen. Leidend beugte er sich nach vorn, streckte Joey den Arm entgegen und nahm ein Geräusch war. Der Wind trug etwas zu ihm... vorerst nur als ein leises Zischen zu deuten, entwickelte es sich schnell zu einem verhassten Fauchen, welches ihn an jeglichen weiteren Bewegungen hinderte. Starr verharrte er mit ausgestrecktem Arm, während ein scharfes Flüstern, welches eine unbeschreibliche Verachtung und einen tiefen Hass in sich trug, an seine Ohren drang. "Ihr wisst nicht, wie es mir geht!!", pfiff der Wind. "Ihr wisst gar nichts und nennt euch Retter!!" Kaibas Augen weiteten sich, stockend bewegten sich die Finger, streckten sich verzweifelt nach vorn und Joeys Bild verblasste. Ein letztes Mal flatterte das blutrote Seidentuch auf, dann plötzlich entfernte sich die Gestalt von ihm. Rasend schnell zog sie sich zurück und Kaiba versuchte, ihr zu folgen. Doch seine Beine bewegten sich nicht und bevor er an irgend etwas denken konnte, stieg dichter Nebel um ihn auf, fing ihn ein und raubte ihm jede Sicht. Ein dumpfes Donnergrollen zog über ihn hinweg... "Seto." Zu Tode erschrocken, fuhr Kaiba in die Höhe, schnappte nach Luft und starrte um sich. Noch immer glaubte er das Grollen zu vernehmen, die Kälte zu spüren... den peitschenden Wind, der ihm den Atem abschnürte. "Seto." Hastig drehte er das Gesicht zur Seite, angstvoll richteten sich seine Augen auf den jungen Mann, der dort stand. Der verletzte Leib, das Blut... all das Blut!! Sein Atem stockte, Schweiß rann über seine Stirn... Und Joey legte den Kopf schief. "Hey... was ist los?" Von einer Sekunde auf die andere tauchte Kaiba in eine völlig andere Welt ein. Soeben noch frierend und von tödlicher Angst gepackt, fand er sich plötzlich in dem großen Zimmer wieder. Angenehme Stille herrschte, Wärme legte sich auf seinen Körper... leise tickte die Uhr auf dem Nachttisch. Auch der entwürdigte Leib verblasste, seine Augen erblickten ein säuberliches weißes Shirt, freie Arme, gesunde helle Haut. Keuchend und noch immer benommen, starrte er auf Joey, der nun etwas näher trat. "Hast du schlecht geträumt?", erkundigte er sich leise, bevor er sich über die Matratze schob und die Hand nach ihm ausstreckte. Kaiba konnte sich nicht bewegen, doch eine warme Hand schob sich behutsam über seinen Nacken und zog ihn nach vorn... zog ihn in eine beruhigende Umarmung. "Ganz ruhig." Vorsichtig legte Joey die Arme um ihn, spürte das aufgeregte Zittern des Körpers und den schnellen Atem, als Kaibas Mund sich seinem Ohr näherte und sein Kinn den Platz auf seiner Schulter fand. "Was ist mit dir los? Du träumst doch sonst nicht." Benommen bewegte Kaiba die Lippen, schluckte schwer und entspannte sich unter einem lauten Stöhnen. Ermattet lehnte er sich gegen Joey, die Umarmung jedoch nicht erwidernd. Er schloss die Augen, kontrollierte seinen Atem und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Joey begann seinen Rücken zu streicheln. >Was zur Hölle...?!< Raste es durch seinen Kopf, als er die Lippen aufeinander presste. >Dieser Traum...! Wieso?! Was wissen wir nicht?! Was hat das zu bedeuten??!< "Wie spät ist es?", keuchte er. "Um sechs." Kam die ruhige Antwort, eine Hand kraulte seinen Nacken und er richtete sich etwas auf, sich jedoch nicht aus der Umarmung lösend. "Warum bist du schon so früh auf?" Sogleich lockerten sich die Arme und Joey lehnte sich zurück. Er sah Kaiba schmunzelnd an und als dieser auf seinen Blick traf, floh er unauffällig vor ihm, ließ den Kopf sinken und rieb sich den Nacken. >Diese Augen...< "Ich wollte dich gerade wecken", verriet Joey, gemütlich die Beine von sich streckend. "Ich habe einen Wunsch." "Einen Wunsch?" Zögerlich lugte Kaiba zur Seite. Er fühlte sich nicht wohl. Joey grinste. "Lass uns in die Schule gehen." Kaiba räusperte sich leise und rümpfte die Nase, etwas zögerlich fanden seine Augen den Weg zu Joey´s Gesicht. In dieser Sekunde ertönte jenes Kratzen und ein völlig aufgeputschter Hund schob sich durch den Türspalt. Sein Schwanz wedelte wie verrückt, als er leise japste, das Bett erreichte und sprang. Unbeholfen kämpfte er sich auf die Matratze, verfing sich mit einem Pfötchen in der aufgewühlten Decke und plumpste zur Seite. Kaiba warf ihm einen knappen Blick zu. "Bist du dir da sicher?" "Aber natürlich." Kam die schnelle Antwort und das Hündchen rappelte sich auf, sprang auf Kaibas Schoss und begann verspielt an dessen Hemd zu zerren. "Das ist eine hervorragende Abwechslung und außerdem haben wir schon genug verpasst." "Mm." Kaiba zweifelte. Etwas unverständliches nuschelnd befreite er den teuren Stoff aus dem Maul des Welpen, worauf sich dieser auf sein Herrchen stürzte und dort einen Spielkameraden fand. Beiläufig fischte Joey nach dem Schwänzchen, worauf sich das Hündchen wild im Kreis drehte und nach seiner Hand schnappte. >Als ich ihm das letzte Mal diese Erlaubnis gab, brach er zusammen und ich musste ihn zum Arztzimmer schleppen.< Wieder räusperte er sich, schlug die Decke zur Seite und begrub versehentlich den Hund unter ihr, worauf dieser wie wild strampelte und von einer hilfsbereiten Hand gerettet wurde. Während sich Kaiba aus dem Bett schob, griff Joey nach dem Welpen, hob ihn hoch und setzte ihn auf den Boden, wo dieser sofort drauflos rannte. Japsend und leise bellend. "Was soll denn passieren?" Verwundert schlenderte Joey hinter Kaiba drein, folgte ihm zur Tür, durch die sich der Welpe schlängelte. "Wovor hast du denn Angst? Mir geht´s doch besser, nicht wahr?" >Tut es das...?< Kaibas Augenbrauen verzogen sich leidend. "Und außerdem haben wir heute nur fünf Stunden, das dürfte doch zu machen sein. Komm schon, Seto, ich habe da wirklich Lust drauf." Gemächlich machte sich Kaiba auf den Weg zur Küche. Dabei holten sie den Welpen ein, der jede Treppenstufe mit einem waghalsigen Sprung hinter sich lassen musste. Er grübelte lange, kämpfte gegen die schmerzhaften Erinnerungen an den Traum und Joey quatschte und quatschte, beteuerte immer wieder, wie toll das wäre und so. Und als sie dann die Küche erreichten, nickte Kaiba. "Gut." Gemächlich schlenderte er durch den hohen Türrahmen und murmelte nebenbei: "Aber wenn du merkst, dass etwas nicht stimmt, dann musst du es mir sagen." Hinter ihm verstummte jeder Laut, nur das leise Japsen ertönte, als der Welpe an Joeys Beinen vorbei sprintete, über das glänzende Parkett schlitterte und gegen den Kühlschrank stieß. Joey jedoch, war im Türrahmen stehen geblieben und starrte Kaiba mit einer leichten Verblüffung an. "Was bitte, soll mit mir nicht stimmen...?" Kaibas Hand hatte fast den Griff des Kühlschrankes erreicht, als sie in ihren Bewegungen innehielt und sich Kaiba zögerlich umdrehte. Ihre Blicke trafen aufeinander, Kaibas Lippen bewegten sich und doch fand er keine Worte. Eine leichte Nervosität brach in ihm aus, als er den verstörten Ausdruck des jungen Gesichtes erkannte. "Seto." Joey sprach leise, trat langsam auf ihn zu. "Was soll das bedeuten." Kaiba räusperte sich, schüttelte knapp den Kopf und öffnete den Kühlschrank. "Ich meine ja nur", brummte er etwas unbehaglich und spürte noch immer den bohrenden Blick auf sich. "Es wäre ja vielleicht möglich, dass du dich nicht gut fühlst, oder..." "Oder...?" Joey verengte verwirrt die Augen. "Guten Morgäään!!" Wie zuvor der Welpe, schlitterte Mokuba in die Küche. In einem süßen hellblauen Pyjama, streckte er die Arme von sich und grinste breit. Joey reagierte überhaupt nicht auf ihn, starrte Kaiba an und dieser ließ den Kopf sinken. >Scheiße...< Mokuba konnte nicht auf das Desinteresse achten, auch die furchtbare Atmosphäre entfiel ihm, denn er ließ sich hastig auf die Knie fallen und schlug mit den Händen auf die Oberschenkel. "Komm, Hündchen, Hündchen, Hündchen", kicherte er und wurde sofort von dem Welpen angefallen, der ihn übermütig abschleckte. Joey atmete tief tief ein, fuhr sich mit der Hand über den Mund und wandte sich ab. Auch Kaiba erwachte wieder zum Leben, griff nach einer Flasche Saft und schloss den Kühlschrank. Kurz darauf saßen sie am schnell gedeckten Frühstückstisch und der Hund fraß in nicht allzu weiter Entfernung aus seinem Napf. Während lautes Schmatzen und genügsames Japsen ertönte, löffelte Joey einen Joghurt. Mokuba trug zu dem Schmatzen bei, stapelte Unmengen von Wurst und Käse auf seinem Brötchen, strich noch Marmelade drüber und begann genießerisch zu essen. Kaiba schwieg, rührte in seinem Kaffee und starrte vor sich auf den Tisch. >Ihr wisst nicht, wie es mir geht? Ihr wisst gar nichts und nennt euch Retter?< Er presste die Lippen aufeinander, seine Miene verzog sich verzweifelt. >Träume haben eine Bedeutung... sie müssen eine Bedeutung haben... immer! Auch, wenn man sie nicht kennt< Joey sah ihn an, rümpfte die Nase und bewegte lustlos den Löffel im Mund. >Ich glaube, der einzige, mit dem etwas nicht stimmt, ist er!< >Wie soll ich mich ihm gegenüber denn verhalten? Soll ich ihm von meinem Traum und den anderen Empfindungen erzählen und ihn verunsichern, obwohl bisher noch alles unklar und ungeklärt ist?< Kichernd zog Mokuba eine Scheibe Wurst von seinem Brötchen und streckte die Hand versteckt unter den Tisch. Der Welpe, der bereits aufgefressen hatte, tapste vergnügt näher und Joey brummte, ohne den Blick von Kaiba abzuwenden. "Wenn du das tust, dann wird es uns nie gelingen, ihn zu erziehen." "Was?" Irritiert hob Mokuba die Hand. "Er hatte schon." Joey musterte Kaiba auch weiterhin. "Jetzt bekommt er nichts mehr und erst recht nicht, wenn wir essen." "Ups." Mokuba warf dem Hündchen einen mitleidigen Blick zu und stopfte sich die Wurst in den Mund. In dieser Sekunde blickte Kaiba auf und traf auf Joeys Blick. Kurz blieben sie aneinander hängen, dann schob sich Kaiba unter einem leisen Seufzen vom Stuhl und schlenderte zum Kühlschrank. Joey hielt die Augen auf den Fleck gerichtet, an dem er soeben noch gesessen hatte. >Ich bin aber auch dämlich! Dass ich ihn direkt darauf anspreche und mich dann vor weiteren Erklärungen drücke!< Gemächlich erreichte er den Kühlschrank, öffnete ihn und sah sich um. Hinter ihm kicherte Mokuba und das Hündchen japste. Dann knackte ein frisches Brötchen und eine Ketschup-Flasche gab merkwürdige Geräusche von sich. Stirnrunzelnd zog Kaiba ein paar Schubfächer auf und wühlte in deren Inhalt. >Wunderbar, jetzt ist Joseph verwirrt und weiß gar nicht mehr, was er denken soll!< "Hey, Joey!" Ertönte da hinter ihm leises Grunzen. "Schau mal her. Ich hab mit dem Ketschup ein Gesicht auf den Käse gemalt!" Kaiba blähte die Wangen auf, schob einen Salat zur Seite und schloss das Fach, als er nicht fündig wurde. >Ja, ich bin wirklich ein toller Retter!< "Joooooey." Mokuba seufzte. "Schau doch maaaal." >Aber es muss einen Zusammenhang geben. Gestern hielt ich es nicht mehr aus, ihn zu berühren! Ich sah seine Augen und von da an wusste ich nicht mehr, was ich denken sollte!< "Joey?" Kaiba stöhnte leise, hockte sich hin und öffnete eine kleine Klappe, die ganz unten lag. >In meinem Traum glichen seine Augen denen von Katagori. Sie wirkten...< er hielt inne, ein schweres Schlucken folgte, >... wahnsinnig.< "Erde an Jooooey", ertönte Mokubas Stimme. Kaiba rieb sich die Stirn. >Was hat das nur zu bedeuten? Soll ich mir wirkliche Sorgen um seine Psyche machen? Soll ich dem Schein nicht trauen und vorzeitig Vorkehrungen treffen...? Soll ich ihm nahelegen, zu einem Psychologen zu gehen? Was wird er dann bloß von mir denken!< "Joey...? Hey, was ist los?" Endlich wurde Kaiba fündig. Lahm griff er nach einem großen Stängel Weintrauben und kam langsam auf die Beine. "Joey?" Die Wangen aufblähend, drückte er den Kühlschrank mit der Schulter zu und drehte sich um. "Hey?" Mokuba hatte sich mit den Knien auf den Stuhl gehockt und sich an Joey gewandt. Kaiba zupfte eine Weintraube ab und rieb sie am Shirt sauber. Nur kurz, dann verlangsamten sich seine Bewegungen und Mokuba fuhr etwas beängstigt zu ihm herum. "Seto!" Stockend ließ dieser die Weintrauben sinken, legte sie beiläufig ab und kehrte zum Tisch zurück. Erst in langsamen, dann in schnellen Schritte. Denn Ellbogen auf den Tisch gestützt, das Kinn locker auf der Handfläche, saß Joey dort. Seine Haltung hatte sich nicht geändert, seit er Kaiba angesehen hatte, auch seine Augen waren noch auf den Punkt gerichtet... ohne zu blinzeln. Während Mokuba nervös wurde, bewahrte Kaiba Ruhe. Mit einer langsamen Handbewegung bat er seinen kleinen Bruder, aufzustehen und dieser tat es sofort. Hastig rutschte er von dem Stuhl und so konnte Kaiba nah an Joey herankommen. Dieser regte sich nicht, wirkte wie eine Statue, nicht einmal ein Atmen war zu hören, so sehr schien sich dieser beruhigt zu haben. Die Augenbrauen verziehend, neigte sich Kaiba vor Joey und musterte dessen Pupillen. Sie regten sich nicht, auch als er sich in ihr Blickfeld lehnte. Der Blonde wirkte völlig abwesend, seine Augen ausdruckslos und starr. Während Mokuba die Hände über dem Kopf zusammenschlug und den Weltuntergang deutlich vor sich sah, atmete Kaiba tief durch, räusperte sich leise und hob die Hand. Erst langsam, dann schnell bewegte er sie vor Joeys Augen und dieser reagierte nicht. Als sähe er etwas völlig anderes, als wäre er geistig nicht einmal anwesend, blieb Joey sitzen. "Jooooooey!" Mokuba zerrte den Pyjama zum Mund und biss hinein. "Mokuba." Kaiba schickte ihm einen knappen Blick. "Sei still." Sofort nickte der Junge, grabschte nach dem Welpen und presste diesen an sich. Kaiba hatte sich unterdessen wieder an Joey gewandt, leckte sich konzentriert die Lippen und schnippte mit dem Finger... mehrmals und immer wieder, ohne dabei etwas zu erreichen. >Immer ruhig bleiben<, ermahnte er sich selbst, als er die Fingerkuppen nahe an Joeys Augen bewegte. >Das lässt sich alles erklären... ich muss mir keine Sorgen machen.< Er atmete tief ein und fasste Joey an der Schulter, um an ihm zu rütteln. Doch schon nach der kleinsten Berührung erwachte dieser zum Leben. Leicht erschrocken zuckte er zusammen, blinzelte und sah sich um. "Huch? Was?" Wortlos richtete sich Kaiba auf, saugte an den Zähnen und warf Mokuba einen knappen Blick zu. Erleichtert starrte der Junge den Blonden an und dieser schien nichts von alledem mitbekommen zu haben, sah sich verwirrt um. "Was ist denn?" Ein sanftes Lächeln zeichnete sich auf Kaibas Lippen ab, als er lässig seine Schulter tätschelte und sich auf den Weg zu seinem Stuhl machte. "Wo bist du manchmal nur mit deinen Gedanken." "Ups." Joey grinste flüchtig und kratzte sich Kopf. Plötzlich warf sich Mokuba gegen seine Beine und umklammerte diese. Mit einem gespielten Schluchzen presste er sich gegen sie und Joey hob die Augenbrauen. "Ich dachte, du wärst tot!" Der Hund japste und Joey lugte zu Kaiba, der nur mit den Schultern zuckte. Mokuba ließ nicht los und drehte das Gesicht von einer Seite zur anderen. Joey zeigte versteckt auf ihn und flüsterte etwas, das Kaiba nicht verstand. Also zuckte er nur mit den Schultern und bewegte den Zeigefinger kreisend vor der Stirn. Joey grinste und tätschelte den Schopf des Jungen. Nachdem sich Joey dann eine Schuluniform von Kaiba geborgt und die Ärmel und Hosenbeine kurz umgeschlagen hatte, machten sich die drei auf den Weg zur Schule. Das Hündchen hatten sie in die Obhut eines Zimmermädchens gegeben und in dieser Sekunde tobte es sicher im Garten und ruinierten die Strumpfhosen der armen Frau. Sie setzten noch Mokuba ab und erreichten die Schule nach einer kurzen Fahrt. Es folgte eine wahre Wiedersehens-Feier mit der Clique. Es wurde gelacht, gekempelt, gescherzt und geschrieen und Kaiba zog sich mit Duke zu einem kurzen Plausch zurück. Während Tristan den Blonden heiter in den Schwitzkasten nahm, Tea freudig juchzte und sich Yugi tausendmal erkundigte, ob alles in Ordnung sei, flüsterten sie miteinander. Ja, es schien alles in Ordnung zu sein. Joey lachte aus vollem Herzen und hatte kein Problem damit, seine Gefühle nach außen hin zu zeigen. Gut gelaunt machten sie sich dann auf den Weg zur Schule und gaben sich dem Unterricht hin, der größtenteils mit Schwatzen verbracht wurde. Öfter drehte sich Joey zu Tristan um, flüsterte mit Tea über zwei Bänke hinweg und fühlte sich sichtlich wohl. Oft beobachtete Kaiba ihn dabei und trotz des Frevels am Unterricht und dem scheinbaren Desinteresse in den ersten Stunden, fühlte er sich wohl und es tat gut, ihn so zu sehen. Und dennoch beteiligte auch er sich nicht vollständig am Unterricht und schweifte oft mit den Gedanken ab. Die vierte Stunde nach der Hofpause begann. Entspannt wippte Kaiba den Füller zwischen zwei Fingern, blätterte in dem Mathematikbuch um und warf einen überprüfenden Blick auf seinen Schreibblock. Na, wer sagt´s denn? Die Gleichung war korrekt. Er nickte zufrieden und lehnte sich zurück, um zur Tafel zu schauen, an der der Lehrer die schwierige Lösung soeben präsentierte und lustlose Erklärungen zu ihr abgab. Dieser Mann... Er das einzige Objekt, das ihn an dieser Schule störte. Natürlich nur abgesehen von den anderen unfähigen Lehrern, der fehlenden Organisation und dem Rest, den es zu bemängeln gab. Er runzelte die Stirn, als der Mann völlig überfordert stöhnte, die Kreide ablegte und sich hinter seinem Pult niederließ. Kaibas Miene verfinsterte sich. Warum hängte sich der Mann nicht gleich ein Schild um den Hals: "Bin Lehrer aus Zwang und finde euch alle zum kotzen"? Der Typ stöhnte schon, wenn jemand eine Frage stellte und wenn ein Schüler seine Probleme mit der Thematik hatte, dann wurde er richtig gehässig, in den äußersten Fällen sogar wütend. Nun, etwas besseres schienen sich die heutigen Schulen nicht mehr leisten zu können. Kaiba blähte die Wangen auf, wandte sich seinem Block zu und tastete nebenbei nach dem Buch, um in diesem weiterzublättern. Und diesen furchtbaren Menschen musste er nun schon seit drei Jahren über sich ergehen lassen. Er rümpfte die Nase, fasste den Füller sicherer und machte sich an die nächste Aufgabe. Ach, und außerdem... Es gab nicht viel zu lernen, wenn man jeden Tag nur irgendwelche Aufgaben löste, die knapp und schlecht erklärt wurden. Und so war der Mathematikunterricht seit je her, vorausgesetzt, der Mann hatte wieder einmal auf gar nichts Lust. Und das schien eine chronische Krankheit zu sein. Mit geschultem Auge überflog er die Aufgabe, grübelte kurz und begann sie sauber und fließend zu lösen. In der Klasse herrschte eine angenehme Ruhe. Die Schüler arbeiteten und der Lehrer pulte sich im Ohr, während das leise Kratzen der vielen Stifte ertönte. Nach wenigen Sekunden unterstrich Kaiba das Ergebnis, legte den Füller zur Seite und lehnte sich zurück. Dann warf er einen knappen Blick auf seine Uhr und rieb sich die Augen. Glücklicherweise musste er nur noch zehn Minuten durchhalten. Nach kurzer Zeit drehte er sich um und warf Joey einen knappen Blick zu. Entspannt und ruhig saß der Blonde an seinem Tisch, stützte die Stirn in die Handfläche und schien zu arbeiten. Jedenfalls kritzelte er auf seinem Blatt und schielte hin und wieder zu dem Buch. Kaiba beobachtete ihn kurz und drehte sich wieder nach vorn. Er konnte nicht beschreiben, wie erleichtert er über das Benehmen des Blonden war. Nach den Vorfällen der letzten Stunden, hatte er Zweifel daran gehabt, die Welt wieder auf Joey loslassen zu können. Doch nun schien alles beim Besten zu sein und diese Tatsache tat gut. Er musste sich geirrt haben. Der Traum, die Empfinden... alles Blödsinn. Er leckte sich die Lippen, rieb sich die Augen und unterdrückte ein Gähnen. An dieses frühe Aufstehen musste er sich erst wieder gewöhnen. Ein leises Quietschen ertönte, als sich der Lehrer samt Stuhl zurück schob. Dann kam er auf die Beine und die Schüler blickten auf. "Die nächste Aufgabe", murmelte er träge und stützte sich an den Pult. "Wer löst?" Nun ließ Kaiba dem Gähnen freien Lauf, rieb sich den Nacken und wandte sich der nächsten Gleichung zu. Der Lehrer hatte ihn noch nie aufgerufen. Immerhin war es nur natürlich, dass die Lösung korrekt und säuberlich auf seinem Blatt stand und diese Tatsache schien der Lehrer als langweilig zu empfinden. Es genügte scheinbar schon, wenn er ihm ein A nach dem anderen in den Notenspiegel eintragen musste. So schenkte der Lehrer ihm erst gar keine Beachtung und sah sich um. "Taylor." "Häh? Was ist?" Der Angesprochene richtete sich schlagartig auf und sah sich verwirrt um. Gerade noch hatte er völlig übermüdet auf seinem Tisch gelegen und vor sich hingedöst. "Nichts ist", zischte der Lehrer etwas spitz und verengte sogar die Augen, worauf er den Anschein erweckte, als wolle er sich in geraumer Zeit auf Tristan stürzen. "Legen Sie sich ruhig wieder hin. Sie verpassen nichts, außer den späteren Erfolg durch gute Noten." >Wow.< Kaiba hob beeindruckt die Augenbrauen. Tristan räusperte sich und der Lehrer ließ ihn sitzen. "Satoshi." "Iiek!" Ein junges Mädchen fuhr erschrocken zusammen und begann ihre Unterlagen zu durchwurschteln, als würde sie unter plötzlicher Todesangst stehen. Scheinbar ziellos schob sie das Buch zur Seite, zerknüllte ihren Zettel in der Hand und starrte den Lehrer schlotternd und bibbernd an. Dieser verdrehte die Augen und verschränkte die Arme vor dem Bauch. "Wheeler, hast DU heute mal was auf die Reihe bekommen?" Kaibas Hand hielt in den Bewegungen inne und er blickte langsam auf. >So musste es ja kommen.< Er biss sich auf die Unterlippe, legte den Füller ab und drehte sich nach hinten. >Wenn ich mich nochmal mit dem Lehrer anlege, bekomme ich sicher einen Verweis aufgebrummt...< Joey leistete keine Widerrede. Das gewohnte lustlose Stöhnen ertönte und so kam der Blonde auf die Beine, grabschte nach seinem Blatt und schlürfte nach vorn. Kaiba sah ihn näherkommen und am eigenen Tisch vorbeiziehen. Wieder rümpfte er die Nase und begann den Füller in der Hand zu wenden. >Mit der typischen Meckerei dürfte er fertig werden. Ich gehe nur dazwischen, wenn sich der Lehrer wieder zuviel herausnimmt.< Er rückte sich kurz zurecht und während sich Joey mit dem Handrücken das Haar aus der Stirn wischte und nach der Kreide griff, war die Erleichterung in dem Raum deutlich zu spüren. Wenn man es recht bedachte, herrschte das gewohnte Prinzip. Der Lehrer war sauer, Joey wurde vorgerufen, schaffte nichts, wurde runtergemacht und setzte sich wieder hin. Jeder wusste, was er zu erwarten hatte. Joey zog die Nase hoch, knüllte das Blatt auseinander und begann anzuzeichnen. >Er hat sich wirklich mit der Aufgabe auseinandergesetzt?< Kaiba war angenehm überrascht, als er flüchtig wirklich irgend ein Geschmiere auf dem Zettel erkannte. "Also...", Joey rieb sich die Nase, rümpfte sie und zeichnete ein Gemenge aus Zahlen, "... das hier ist der Nettopreis." Kaiba verfolgte die Lösung. >Oha... was hat er denn da gemacht?< Der Lehrer runzelte bereits die Stirn und Joey warf einen flüchtigen Blick auf sein Blatt. "Die Mehrwertsteuer", murmelte er und schrieb weiter. "Und das hier... tja, das ist halt die..." "Weißt du überhaupt, was eine Mehrwertsteuer ist?", schaltete sich da der Lehrer ein und empfing sogleich einen scharfen Blick vonseiten Kaibas. Doch Joey verdrehte nur die Augen. "Ich denke schon." "Naja." Der Lehrer löste sich von dem Pult und rieb sich gehässig das Kinn. "Ich frage mich nur, wie du auf diesen Blödsinn kommst." "Durch rechnen", brummte Joey und ließ die Kreide sinken, bevor er sich direkt an den Lehrer wandte. "Ach?" Der Mann hob die Augenbrauen und nickte beeindruckt. Joey öffnete den Mund, um zu antworten. Dann jedoch, schloss er ihn, kratzte sich an der Schläfe und murmelte etwas, das niemand verstand. Er wirkte nicht sonderlich nervös, so wie es stets der Fall war. Er benahm sich auch nicht, als würde sich gerade jemand über ihn lustig machen. Er blieb völlig ruhig und seine nächsten Worte überraschten Kaiba noch mehr. "Dann rechne ich es eben noch einmal." Er griff nach dem Tuch, wischte die Kreide von der Tafel und besah sich kurz das Blatt, bevor er die gegebenen Größen aufzeichnete. Der Lehrer gab sich mit der Entscheidung zufrieden und stützte sich nach einem höhnischen Grinsen wieder an den Pult. Joey versuchte es unterdessen erneut und dafür, dass er solange nicht in der Schule gewesen war, hatte er erstaunlich wenig Probleme. Die unkorrekte Lösung bestand nur aus einigen Faselfehlern, wie Kaiba bemerkte, als er Joeys vorherige Gleichung noch einmal überdachte. Ruhig und locker machte sich Joey an die Arbeit und nach wenigen Sekunden seufzte der Lehrer amüsiert. "Hast du auch nur die geringste Ahnung, was du da..." "Hey", unterbrach Joey ihn und sah ihn direkt und unausweichlich an. Mit ausdrucksloser Miene fixierte er ihn und hielt die Kreide still. "Lassen Sie mich arbeiten." Somit wandte er sich wieder der Tafel zu. "Wenn man das so nennen kann?", gab der Lehrer seinen Kommentar zum Besten und Joey stoppte erneut, hatte diese Worte nicht überhört. Er schien sich jedoch nichts daraus zu machen, versuchte es erneut und grübelte nur kurz, bevor er die nächsten Schritte machte. Kaiba verfolgte das Geschehen aufmerksam und auch der Rest der Klasse lauschte den Erklärungen des Blonden. "Also, wenn das hier der Nettobetrag ist... und das der Preisnachlass, dann..." "... bist du auf dem völlig falschen Weg", unterbrach ihn der Lehrer und Kaiba richtete sich drohend auf, tief durchatmend, um sich zurückzuhalten. Auch Joeys Hand verblieb wieder reglos und nach einer kurzen Stille, drehte er das Gesicht zur Seite. Kaiba konnte seine Augen nicht sehen. "Ich versuche mich zu konzentrieren", hörte er seine Stimme, die noch immer merkwürdig ruhig und entlastet wirkte. >Genau, er versucht es!< Tea drückte den Bleistift in der Hand. >Also unterbrechen Sie ihn nicht andauernd!< >Halten Sie die Klappe!< Tristan verengte die Augen und Yugi blähte mitleidig die Wangen auf. Kurz darauf ertönte wieder das leise Schaben der Kreide. Kaiba stützte den Ellbogen auf den Tisch, legte das Kinn in die Hand und lugte zu dem Lehrer, der irgendwie wütend wirkte. Und das scheinbar, weil ihn ein Schüler darum bat, eine Aufgabe in aller Ruhe lösen zu dürfen. >Abschaum<, ging es ihm durch den Kopf. Joey räusperte sich, rieb sich kurz das Kinn und pustete sich eine Strähne aus dem Gesicht. "Wenn man das und das addiert und anschließend durch das dividiert, dann kommt das dabei heraus", grübelte er dann und unterstrich das erste Teilergebnis. Wieder richteten sich die braunen Pupillen aus den Augenwinkeln auf den Lehrer. "Wenn das nicht stimmt, dann springe ich aus dem Fenster." "Tja." Die Augen des Lehrers kreisten verächtlich. "Leider korrekt." >Tjaharr!< Tristan grinste triumphierend und vergaß das eigene Blatt, auf dem eine gähnende Leere herrschte. >Da staunst du, was?!< >Ich wusste, das er es schafft.< Kaiba konnte sich ein flüchtiges Grinsen nicht verkneifen. >Er musste nur an sich glauben.< Yugi zupfte an einer seiner Haarsträhnen und Kaiba unterdrückte ein weiteres Gähnen. "Und da du scheinbar alles so perfekt beherrschst und deshalb der Schule fernbleiben kannst, kannst du den Rest der Aufgabe sicher auch fehlerfrei lösen." Der Lehrer machte sich einen weiteren Witz aus der Sache, doch der schien jedoch an Joey abzuprallen. Dieser war bereits am arbeiten und brachte dies recht zügig zustande. Und nach nicht einmal einer Minute, wurde er wieder unterbrochen. "Siehst du denn nicht, dass das wieder falsch ist?" Der Lehrer stöhnte und fuchtelte mit der Hand. "Das ist nicht nur falsch, das ist völlig falsch! Wie zur Hölle kommst du auf solche Ideen?" Kaiba begann Joey erneut zu studieren, wunderte sich doch sehr über dessen Lässigkeit, mit der er die unverschämte Bemerkung des Lehrers scheinbar einfach links liegen ließ. In Kaiba selbst brodelte es unterdessen und er wartete nur darauf, dass der Typ seine Klappe wieder aufmachte, um sich wie ein unerzogenes Kind zu benehmen! Joey stand schweigend da vorne, zeichnete weiter und ließ sich durch die verhöhnenden Geräusche des Lehrers nicht zu stören. Knapp zwei Minuten ging es so, bis dem Lehrer der Kragen platzte und er auch den Rest seiner Bosheit loswerden wollte. "Wheeler...", säuselte er spitz und verächtlich und grinste dabei auch noch. "Du machst schon wieder alles falsch, was man falsch machen kann." Kaibas Miene verfinsterte sich drohend, die blauen Augen funkelten und er richtete sich langsam auf, bereit, bei einem weiteren Wort dazwischen zu gehen. Joey vertrug so einen Stress sicher nicht. Doch dieser zeichnete immer noch. "Ich will dich ja nicht bei deiner intelligenten Arbeit stören", scherzte der Lehrer weiter. "Aber ich muss ehrlich sagen, dass du so gut wie nichts..." Mit einer unglaublichen Kraft schmetterte sich die Faust seitlich gegen die Tafel und ein lautes Donnern ertönte. Augenblick verstummte in dem Klassenzimmer jeder Laut, der Lehrer schien sogar den Atem angehalten zu haben. Nur das leise Knistern des Blattes war kurz zu hören, welches von der Hand freigegeben, zu Boden taumelte. Und bevor die Anwesenden realisiert hatten, was vor sich ging, grabschten die Hände des Blonden nach den schweren Tafellinealen und rissen diese aus den Halterungen. Donnernd schlugen sie auf dem Boden auf. "Du willst mich nicht stören?!" Plötzlich begann Joey zu schreien. So laut und wütend, wie Kaiba es bisher nur selten erlebt hatte. Mit geballten Fäusten und rasendem Atem trat der Blonde auf den Mann zu, taxierte ihn brennend. "Du willst mich nicht stören, verdammtes Arschloch?! Dann halt´s Maul!!" Er schrie laut auf und trat den Stuhl des Lehrers zur Seite. Krachend schlug dieser gegen die nächste Wand und der Lehrer löste sich stockend von dem Pult, während die Schüler wie versteinert dort saßen. "Du kotzt mich so an!!" Joey fuhr herum, trat auch gegen den Pult und stürzte auf den Lehrer zu, der auf einmal weniger selbstsicher und arrogant wirkte. Und bevor er zurückweichen konnte, hatte Joey ihn erreicht. Brutal schlugen sich seine Hände in seinen Kragen und der Mann wurde zur Seite gezerrt, worauf Joey sofort weit mit der Faust ausholte, bereit, zuzuschlagen. Und in dieser Sekunde erwachte Kaiba zum Leben. Quietschend rutschte sein Stuhl zurück, hastig kam er auf die Beine und erreichte Joey sofort. Er schlitterte zu ihm, ergriff die geballte Faust im letzten Moment und packte den Blonden am Kragen. Der Lehrer ächzte entsetzt auf, als Joey zurückgezerrt wurde und dennoch nicht losließ. Mit einer Hand zog er den Lehrer mit sich. "Ich bringe dich um!!" Mit aller Kraft begann er sich gegen Kaiba zu wehren. Er zerrte, versuchte den Brünetten zurückzustoßen und rammte diesem nach einem kurzen Gerangel den Ellbogen in den Magen. Sofort ließ dessen Griff nach. Ächzend stolperte Kaiba zurück. Seine Arme schlangen sich um den Bauch und während er kurz nach Luft schnappte, hatte Joey den Lehrer wieder mit beiden Händen gepackt. Und obgleich dieser beinahe einen Kopf größer war, riss er ihn mit einer erschreckenden Leichtigkeit zur Seite, rammte ihn mit dem Rücken gegen die Tafel und zurrte ihm den eigenen Kragen um die Gurgel. Die Zähne des Blonden bissen aufeinander und als wäre er von allen guten Geistern verlassen, schrie er weiter. Mit einer unbeschreiblichen Wut, ja, beinahe schon hysterisch und unkontrollierbar. "Ich lasse das nicht mit mir machen!! Was denkst du, wer du bist, verfluchter Hurensohn, ich bring dich um!!" In diesem Moment legten sich starke Arme von hinten um seine eigenen. Mit aller Kraft hielt Kaiba ihn fest, stieß sich mit dem Fuß von der Tafel ab und zerrte Joey zurück. "Hör auf, verdammt nochmal!! Es reicht!!" "Lass mich los!!!" Wie ein Verrückter klammerte sich Joey an den Lehrer und zog diesen wieder mit sich. Der Mann jedoch, geriet ins Stolpern und stürzte, wodurch auch Joey nach unten gezogen wurde und fast durch Kaibas Arme rutschte. "Scheiße!! Kaiba musste ihn kurz loslassen, jedoch nur, um sich hinter dem Blonden auf die Knie zu werfen, die Arme unter dessen Achseln zu schieben und ihn somit zurückzuhalten. "E-er ist verrückt!!", keifte der Lehrer panisch, während er mit beiden Händen das eigene Gesicht verdeckte. "Er ist völlig verrückt!!!" "Joseph!!" "Lass los!!" Joey wehrte sich erneut und überraschte Kaiba unangenehm. Dieser hatte wirklich Probleme, den Lehrer vor Schlägen zu schützen. Und als er kurz davor war, die Kontrolle völlig zu verlieren, mischten sich auch andere ein. Wie aus dem Nichts erschien Tristan und warf sich neben Joey. Mit aller Kraft versuchte er den schreienden jungen Mann zurückzudrücken, wandte sich dann jedoch seinen Händen zu und versuchte, diese aus dem Kragen des Mannes zu lösen. Doch die Finger hatten sich derartig verkrampft, dass es ihm ein Unmögliches war. Kaiba biss die Zähne zusammen, wollte sich zurückfallen lassen und ihn mitreißen. Doch selbst das gelang ihm nicht, da sich Joey brutal in dem Mann verhakt hatte. Mit wenigen Sekunden Verspätung tauchten auch zwei weitere Jungs auf. Der eine packte den Lehrer und versuchte diesen zurückzuziehen, während der andere gemeinsam mit Tristan endlich Joeys Hände lösen konnte. Daraufhin begann dieser noch lauter zu schreien. Ihn fest umklammernd, lag Kaiba mit ihm auf dem Boden und der Lehrer schob sich zitternd in die entgegengesetzte Richtung. "Er... er ist verrückt!!", schrie er wieder. "Er ist völlig krank!!" "Halt´s Maul!!" Joey räkelte sich in der festen Umklammerung, trat um sich und erwischte Kaibas Bank, die daraufhin sofort umkippte. Die Mädchen begannen zu kreischen und sprangen auf. Der Lehrer stieß einen Jungen zurück, der sich um ihn kümmern wollte und Joey schrie weiter, stieß unglaubliche Flüche und Beschimpfungen aus. Auch der Lehrer schrie, Kaiba keuchte angestrengt und Tristan kam ihm zu Hilfe und versuchte beruhigend auf den Blonden einzureden. Doch dieser schien nicht er selbst zu sein. Und so brach die pure Panik in dem Raum aus und die Katastrophe nahm ihren Lauf. "Jopseh!!" Kaiba ließ ihn los und fuhr in die Höhe, bevor es Joey gelingen konnte. Gemeinsam mit Tristan packte er den Blonden an den Schultern und drückte diesen hinab. "Verdammt, komm zu dir!!" "Joey, reiß dich zusammen!!" Der Blonde schrie weiter, wehrte sich mit allen Mitteln und konnte erst in seine Schranken gewiesen werden, als sich ein Schüler auf seine Beine warf. Mit aller Kraft umfassten Kaiba und Tristan die Handgelenke des Blonden und drückten ihn mit der anderen Hand hinab. Kaibas Atem raste, als er auf das Gesicht seines Freundes starrte. Und auch in ihm gab es Panik. Während die Mädchen immer noch kreischten und der Lehrer schrie, verlor Joey auch den Rest der Bewegungsfreiheit. Von drei Männern auf den Boden gedrückt, konnte er sich nicht einmal mehr regen. Er brach in lautes Husten aus, bevor er weiter schrie. "Ich lasse mir das nicht gefallen!!", keifte er völlig hysterisch. "So hat er nicht mit mir umzugehen!! Er muss sterb..." Eine Faust traf seine Wange und riss sein Gesicht zur Seite. So verstummte er vorerst. "Was redest du da?!" Tristan ließ die Faust sinken. "Was zur Hölle ist mit dir los?!" "Scheiße!", fauchte Kaiba leise und schloss verkrampft die Augen. Und endlich ebbte der Lärm etwas ab. Die Mädchen jammerten und fiepsten, die Jungen, die am Kampf teilgenommen hatten, stöhnten und Joey keuchte schwer. Nur der Lehrer wiederholte immer wieder die gleichen Worte. Zögerlich richtete sich der Junge, der auf Joeys Beinen lag, auf und blickte sich verwirrt um. Noch niemand hatte realisiert, was soeben passiert war. "Joey..." Zögerlich traten Tea und Yugi näher. Sie waren kreidebleich. Kaiba biss kurz die Zähne zusammen und öffnete die Augen. Von einer Sekunde auf die andere, wirkte Joeys Gesicht wieder entspannt. Er lag unter ihnen, bewegte sich nicht und starrte keuchend um sich. "Hey!" Tristan unterbrach den schnellen Atem mit einem Schlucken. "Hast du dich wieder gefangen?!" Wieder hustete Joey. Er antwortete nicht, hielt kurz den Atem an, so als müsse er erst seine Gedanken ordnen. Doch er setzte sich nicht mehr zur Wehr, auch sein Körper fühlte sich entspannt an. Tristan stieß ein erschöpftes Stöhnen aus und lockerte den Griff, mit dem er Joey unten hielt. Der Junge stieg von seinen Beinen und trat etwas schwankend zurück. "Verdammt, Joey!" Tristan schüttelte den Kopf und ließ diesen los. Nur Kaiba hielt die Position, wobei sich auch sein Griff lockerte. Der Blonde biss sich auf die Unterlippe, die braunen Pupillen flüchteten von einer Seite zur anderen. "Der gehört in die Klapse!!" Ertönte wieder die zitternde Stimme des Lehrers und Kaiba fuhr wutentbrannt zu ihm herum. "Seien Sie still!", schrie er zurück. "Wenn Sie so weitermachen, dann..." Weiter kam er nicht, denn Joey riss plötzlich das ihm zugewandte Knie in die Höhe, rammte es gegen seine Rippen und befreite sich so ein weiteres Mal von ihm. Kaiba versuchte noch nach ihm zu greifen, doch er verlor das Gleichgewicht und kippte zur Seite. Und Joey war dabei, wieder auf die Beine zu springen. Unglaublich gewandt und schnell gelang es ihm und ohne zu zögern, stürzte er wieder auf den Lehrer zu. Schreiend wich dieser zurück und Joey hätte ihn beinahe erreicht. Kaiba warf sich ihm nach und klammerte sich um sein Fußgelenk, Tristan hechtete nach dem anderen und bevor der Blonde zu Boden gehen konnte, wurde er von weiteren drei Jungen überwältigt. Sie warfen sich alle auf ihn und unter einem einzigen Stöhnen und Keuchen, brach der gesamte Haufen zusammen. ~*To be continued*~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)