Dritter Teil: Das Licht der Welt von abgemeldet (Fortsetzung von "Du kennst mich nicht und doch hasst du mich" und "Gift in Körper und Seele") ================================================================================ Kapitel 2: Die scharfen Kontraste der Sonne ------------------------------------------- Leise öffnete Duke die Tür des Bungalows und trat ein. Sofort suchten seine Augen nach Kaiba und als er das Wohnzimmer betrat, erblickte er ihn. Der Brünette saß gemütlich in einem Sessel, hatte die Beine von sich gestreckt und blätterte in einer Zeitschrift. Duke blieb stehen, Kaiba blickte nicht auf. "Wir gehen dann erstmal hoch", flüsterte Tristan, als er an Duke vorbeizog. Die Gruppe folgte ihm und der Schwarzhaarige musterte Kaiba genau. Er fühlte sich merkwürdig, verunsichert, fürchtete sich vor einer Enttäuschung. Was war, wenn Kaiba Daniel Ray wirklich die Schuld zusprach? Was sollte er dann tun? Die Schritte auf der Treppe verstummten, die Tür des Schlafraumes schloss sich und die Stille kehrte zurück. Kaiba tat noch immer, als wäre er allein, blätterte um und rückte sich kurz zurecht. Duke trat zögerlich näher und blieb in einem sicheren Abstand stehen. Er räusperte sich, verschränkte unentschlossen die Arme vor dem Bauch und biss sich auf die Unterlippe. "Was ist mit dir?", erkundigte er sich dann leise. Kaiba reagierte nicht, hielt nicht einmal in den Bewegungen inne und schien sich in einen Artikel zu vertiefen. Duke starrte ihn an. Er wartete lange und nach wenigen Minuten des Schweigens wusste er, das er noch hier stehen konnte, bis es zum Abend dämmerte. "Was denkst du jetzt von Daniel?", fragte er also. Kaiba befeuchtete den Zeigefinger flüchtig mit der Zunge und blätterte um. Noch immer nahm er Duke nicht wahr und nach einem weiteren langen Warten, wandte sich dieser ab, kehrte zur Treppe zurück und stieg sie hinauf. Seine Augen waren verbissen auf die Stufen gerichtet, dann erreichte er die erste Etage, öffnete die Tür des Schlafraumes und trat ein. Die Gruppe hatte es sich auf den Betten und dem Boden bequem gemacht und blickte auf, als der junge Mann das Zimmer betrat und die Tür hinter sich schloss. "Das ging ja schnell." Tristan legte den Kopf schief. Duke wandte sich ihnen zu, stützte die Hände in die Hüften und biss sich auf die Unterlippe. "Sieht nicht gut aus, Leute." "Was sieht nicht gut aus, Duke?", erkundigte sich Tea erschrocken. "Was hat er gesagt?" "Gar nichts." Duke schloss die Augen, schüttelte langsam den Kopf. "Wir sollten ihn in Ruhe lassen und auf Joey warten. Mit ihm wird er bestimmt sprechen." In langsamen Schritten schlenderten Joey und Daniel über den schmalen Kiesweg, nur langsam ließen sie die Bäume hinter sich. Beide hatten die Hände in den Hosentaschen versenkt, Joey starrte auf den Boden, Daniel holte tief Atem. "Katagori is nen gottverdammter Idiot." Meinte er dann kopfschüttelnd. "Äußerst zynisch un hinterhältig, nich grade der Typ, mit dem man gern seine Zeit verbringt." Er lugte zu Joey. "Meinen Vater hast du also ins Gefängnis gebracht. ihn auch?" Der Blonde blieb stehen und auch er hielt inne. "Oder ist er noch auf freiem Fuß?" "Mm." Joey biss sich auf die Unterlippe, nur langsam blickte er auf und sah den Anderen an. "Da ist noch eine andere Sache, die du... vielleicht wissen solltest." "Nur raus damit." Daniel Ray trat lässig einen Stein zur Seite. "Schlimmer kann's nich mehr werden." "Da muss ich dich enttäuschen." Irritiert hob Daniel die Augenbrauen. "Na hoi, noch schlimmer als das, was mein Vater angestellt hat?" "Gar nicht damit zu vergleichen", erwiderte Joey und Daniel grinste. "Man, du tust ja grad so, als hättest du ihn umgebracht." Joey verdrehte die Augen, pustete sich eine lange Strähne aus dem Gesicht und begann leicht zu wippen. "Bingo." "Ha!" Der Schwarzhaarige lachte amüsiert. "Ne, jetzt mal ehrlich." "Noch ehrlicher geht's nicht." Joey musterte ihn ernst. "Natürlich." Daniel winkte ab und rollte einen Stein unter dem Fuß. "Du hast ihn umgebracht und ich bin Gott. Was haste gemacht? Überfahren, verbrannt, ersäuft?" "Erschossen." "Oho." Daniel Ray kaufte ihm diese Geschichte nicht ab. Er weitete gespielt die Augen. "Könnten wir diese Scherze jetzt ma lassen un Klartext reden?" "Daniel!" Joey trat mit ernster Miene an ihn heran. "Ich rede jetzt Klartext, also hör zu." Daniel wartete. "Ich habe Katagori erschossen! Drei Kugeln habe ich gebraucht, wenn du es genauer wissen willst!" Daniel setzte an, um zu grinsen, brach es dann jedoch ab und wirkte etwas verunsichert. Lange sahen sie sich an, der Halbamerikaner runzelte die Stirn und rümpfte die Nase. All der Witz hatte sich aus seinem Gesicht verloren und mit jeder Sekunde, in denen er die braunen Augen des Anderen musterte, wurde er ernster, beinahe schon erschreckend ernst. "Das ist ein Witz.“ "Ich wünschte es wäre so." "Du hast...", er brach ab, bewegte stumm die Lippen und rieb sich den Nacken, "du hast ihn erschossen. Er ist tot." Joey nickte. "Es war Notwehr, okay? Ich hätte es sicher nicht getan, wäre ich klar bei Sinnen gewesen. Ich bin nicht der Typ, der mal irgendjemanden umbringt, das musst du mir glauben. Und er hat mir wirklich keine andere Wahl gelassen." Nervös kauerte Duke im Gras, neben ihm die Anderen, die keinen besseren Eindruck vermittelten. Tristan zog ein unglaublich langes Gesicht, während er an den Grashalmen rupfte, Tea wippte auf ihrem Platz und beobachtete ein Vöglein, das heiter von Ast zu Ast sprang. Yugi kratzte sich seit einigen Minuten am Kopf und Bakura blätterte in einem Buch. Gemeinsam mit anderen Klassenkameraden hatten sie es sich auf dem Boden gemütlich gemacht und lauschten den Worten zweier Naturfritzen. Nicht nur die Tatsache, dass dieser Vortrag einem Anschlag auf die Nerven ähnelte, zwangen Duke zu dieser Nervosität und der schlechten Laune. Nein, auf der anderen Seite der Gruppe kauerte auch Kaiba im Gras. Er konnte ihn genau sehen, wenn er zur Seite lugte. Er verstand das Benehmen des Brünetten nicht. In Daniels Gegenwart hatte er wie ein Mörder ausgesehen, dann verschwand er, hockte sich lässig in einen Sessel, blätterte in einer Zeitschrift und sprach kein Wort. Und nun hatte er sich doch wirklich zu diesem Referat gesellt. War er nun wütend und verbissen oder hatte sich Duke in ihm geirrt? Hegte er seit dem merkwürdigen Vorfall vielleicht gar keinen übertriebenen Hass für den Halbamerikaner? Hatte Duke sein Benehmen in den falschen Hals bekommen? Wieder lugte er zur Seite. Er war nicht nur nervös, sondern auch sehr angespannt. Joey und Daniel Ray waren seit knapp einer Stunde fort und Kaiba ließ nicht einmal im Entferntesten erahnen, was in ihm vorging. Die Ruhe vor dem Sturm oder nicht? In dieser misslichen Lage interessierte es ihn kein bisschen, was es für Bäume gab, welche kleinen Krappeltierchen im Wald lebten und wie es um die Natur Thüringens stand! Die beiden Typen hatte eine kleine Tafel an einen der Bäume gelehnt und kritzelten etwas auf ihr. Nebenbei plapperten sie sich die Münder fusselig und um ehrlich zu sein, gab es nur wenige, die sich für dieses Zeug interessierten. Manche der Anwesenden versuchten Puppen und andere Gebilde aus Gras zu binden, andere hatten sich zurückgelegt und machten den Anschein, als würden sie schlafen. Wieder lugte Duke zu Kaiba. Dieser bewegte sich kaum, saß dort und schien dem Vortrag zu lauschen. Seine Miene wirkte entspannt, kein wütendes Zucken, jedoch auch nichts, das sich mit einem Grinsen gleichsetzen ließ. Sein Gesicht wirkte wie eine ausdruckslose Maske und nur seine Pupillen bewegten sich, hafteten an den beiden Naturfritzen und folgten ihnen scheinbar aufmerksam. Er machte Duke Angst. Hatte er sich zu etwas entschieden? Was ging nur in ihm vor?! Der Schwarzhaarige leckte sich die Lippen und wandte sich wieder nach vorn. Dieses Gelaber konnte Kaiba unmöglich interessieren! "Du bist nich der, der du zu sein scheinst." Daniel Ray lächelte. "Mensch, ich hab dich für nen durchschnittlichen Teenager gehalten." "Tja, so kann man sich irren." Joey wackelte mit dem Kopf. "Okay." Daniel hob die Hände. "Jetzt muss ich erstma kurz nachdenken. Soviel Neuigkeiten auf einma verkraft ich nich. Puh." Er atmete tief durch. "Du hast'n erschossen... gut. Gift, Foto... klar. Aber sachma... du hast'n erschossen, weil er'n Auftrag gab?" "Oh nein." Joey schüttelte den Kopf. "Das war nur das I-Tüpfelchen. Ich habe ihn schon früher kennen gelernt, er hat in der Kaiba-Corporation gearbeitet, er war zu faul und Seto hat ihn gefeuert. Daraufhin... tja, daraufhin ist er irgendwie ausgerastet und begann Rachepläne zu schmieden, als hätte Seto seine Familie auf dem Gewissen." "Ja." Daniel nickte. "Das is er." "Zuerst hat er Seto angefahren, aber da er glücklicherweise nicht einmal das konnte, hat er überlebt. Daraufhin hat er versucht, seinen kleinen Bruder umzubringen... hat aber jemanden erwischt, der auf diesen aufgepasst hat. Kaiba war sehr vorsichtig in dieser Zeit. Und letzten Endes hat Katagori ihn aufgespürt und wollte ihn erschießen. Katagori hat sich also nicht nur diesen Auftrag zuschulden kommen lassen." "Er wollte ihn erschießen un dann?" "Dann?" Joey brummte. "Dann habe ich mich vor ihn geworfen." "Un wurdest getroffen?" Daniel weitete entsetzt die Augen und als Joey nickte, rieb er sich erschöpft die Stirn. "Okay, du wurd'st angeschossen, hast jemanden erschossen, hast nem Menschen zweimal das Leben gerettet und einen ins Gefängnis gebracht. Komm scho, das kann doch nich alles gewesen sein." "Ist es auch nicht." "Nich dein Ernst." Daniel schüttelte ungläubig den Kopf. "Also, was haste nebenbei noch so erlebt?" "Nichts besonderes, wenn man es mit diesen Vorkommnissen vergleicht." "Gut, ich kann's mir vorstellen." Der junge Mann fuhr sich durch den Schopf und nahm Joey anschließend etwas mitleidig in Augenschein. "Verdammt, du hast mehr durchgemacht als nen Mensch in drei Leben! Un dennoch hebste dich nicht von anderen Teenagern ab. Dein Benehmen... alles an dir erscheint so normal." "Das liegt daran, dass ich alles hinter mir gelassen habe", antwortete Joey ruhig, beinahe schon triumphal. "Natürlich hat es mich fertig gemacht aber ich kann mir mein Leben nicht durch so etwas zerstören lassen, oder?" Duke rückte sich kurz zurecht und betrachtete sich die Zeichnungen, die auf die Tafel gezaubert worden waren. Die beiden Naturfritzen laberten und laberten, schienen nicht vorzuhaben, das herrliche Referat in geraumer Zeit enden zu lassen. Er hielt die Luft an, weitete überfordert die Augen und fuhr sich durch den Schopf. Die Frau war verdammt schnippisch und mit jeder Minute, in denen sich die Schüler Gesprächen zuwandten und nicht darauf bedacht waren, dies leise zu tun, wurde sie verbissener. Zurzeit sprach sie über die Blätter von irgendwelchen Bäumen. Und sie sprach darüber, als wären diese Blätter Wurfsterne, die sie am liebsten um sich schleudern wollte. Der Mann war eher schüchtern und piepelte an einem Ästchen, während seine Kollegin die gesamte Arbeit übernahm. In dieser entspannten Atmosphäre fühlte sich Duke mit jeder Sekunde wohler. Er biss sich auf die Unterlippe, warf einen flüchtigen Blick auf die Uhr. Jetzt fehlten Joey und Daniel bereits seit anderthalb Stunden und dieses Referat schien nie zu enden! Der Schwarzhaarige schloss die Augen und holte Atem. Herrlich, das war wirklich ganz toll! Als er Bewegungen ausmachte, blickte er auf und drehte sich zur Seite. Gemächlich und ruhig rappelte sich Kaiba auf, schlug sich kurz die Hose sauber und wandte sich ab. Dadurch fühlte sich Duke nicht negativ überrascht, nur weil er ging, musste er nicht gleich wütend sein, oder? Als sich der Brünette durch die Schüler drängte, ließ die zickige Frau das Blatt singen und starrte ihm mit finsterem Blick nach. "Ach!", rief sie kurz darauf und wedelte mit dem Blatt. "Langweile ich dich etwa?!" Duke lugte nur flüchtig zu ihr und nahm Kaiba wieder in Augenschein. Dieser war stehen geblieben, er konnte sein Gesicht nicht erkennen. Langsam richtete er sich, neugierig und ebenso angespannt wartete er auf Kaibas Reaktion... und die bekam er! Nur langsam drehte sich der junge Mann um, Schüler, die nahe bei ihm saßen, lehnten sich in die entgegengesetzte Richtung. Und Duke war über die Entfernung, die zwischen ihm und Kaiba lag, sehr froh, als er endlich dessen Gesicht erkannte. Kaiba war es wohl, der die Wut am besten zum Ausdruck bringen konnte. Sein Gesicht zuckte verbissen und in seinen Augen brannte ein Feuer, das sich nicht beschreiben ließ. Wieder hielt der Schwarzhaarige die Luft an, seine Augen hafteten befürchtend an Kaiba, als dieser einen Schritt zurück trat und langsam die Hand hob. Seine Miene begann krampfhaft zu zucken, bevor er das Wort erhob. "Sie fragen... ob Sie mich langweilen?" Er sprach nur leise, so leise, dass er nur mit seiner Stimmung eine tödliche Drohung hervorbrachte. Die Schüler lauschten, niemand wagte es, sich zu bewegen. "Oh ja, aber sorgen Sie sich nicht darum, Ihr grässlicher Anblick ist erschreckend genug, um diesen Vortrag abenteuerlich zu gestalten!" Die Frau schnappte entsetzt nach Luft und wurde binnen einer erstaunlichen Zeit rot im Gesicht. Ihr Kollege starrte Kaiba ebenso entrüstet an und Duke spürte einen eiskalten Schauer, der ihm durch Mark und Bein lief. "Was... fällt dir ein!!" Die Frau schloss beide Hände zu Fäusten, das Blatt der ihr so wichtigen Natur wurde gnadenlos zerdrückt. "Ich werde mich über dich beschweren!!" "Sie beschweren sich über mich?!" Kaiba lachte verbissen, tat alles, um die Frau auf grausamste Art und Weise zu verhöhnen. "Wie können Sie es wagen, mich zu duzen?! Wissen Sie nicht, wen Sie vor sich haben?!" Seine Stimme schwoll an, bis er schrie. Es hatte den Anschein, als hätte er eine günstige Gelegenheit gefunden, der Wut freien Lauf zu lassen. Infolgedessen reagierte er beinahe schon übertrieben zornig. "Und überlegen Sie sich genau, wie Sie mit mir sprechen!! Ich habe Ihren inhaltslosen Worten lang genug gelauscht!! Stecken Sie sich Ihre bescheuerte Natur sonst wohin!!" Mit diesen Worten, wandte er ihr wieder den Rücken ab, trat grob das Bein eines Schülers zur Seite, das ihm im Wege war und ging. Der Rest der Gruppe wich ihm schnell aus und die Frau wirkte wie eine Salzsäule, als sie dem jungen Mann nachsah. Duke duckte sich langsam, seine Miene verfinsterte sich und bevor sich einer seiner Freunde an ihn wenden konnte, schüttelte er ungläubig den Kopf und rieb sich verzweifelt die Stirn. "Die Klassenfahrt... ist im Arsch!" "Ich muss ehrlich sagen...", Daniel Ray rieb sich das Kinn. Die Beiden hatten sich am Wegesrand niedergelassen, Joey rupfte an den Grashalmen, "... ich kann diesen Kaiba nicht ausstehen. Er hat etwas unglaublich Hartes und Kaltes an sich." "Ja, so wirkt er manchmal." Joey nickte. "Mich scheint er aber auch nich grad ins Herz geschlossen zu haben." Er streckte die Beine von sich und legte den Kopf schief. "Er wird mich doch nich hassen, weil ich der Sohn dieses Mannes bin, oder?" Der Blonde hielt in den Bewegungen inne und blickte auf. Daniel fuhr fort. "Ich meine, bleiben wa ma vernünftig. Ich hatte garnix damit zu tun un ich gebe dir ja auch keine Schuld, weilde mein' Vater dorthin gebracht hast, wo er jetzt is." Joey seufzte leise. "Er ist manchmal richtig zickig, aber ich glaube nicht, dass er das tut. Er ist auch ein sehr vernünftiger Mensch... na ja, manchmal nur etwas vorschnell und unüberlegt in seinem Handeln. Aber...", wieder stoppte er verunsichert, "... wenn er dir die Schuld zuweist, wäre ich auf jeden Fall enttäuscht von ihm... das würde gar nicht zu ihm passen. Aber ich werde mit ihm sprechen, da kannst du dich drauf verlassen." "Hm." Daniel Ray nickte, zupfte einen Grashalm und begann mit ihm zu spielen. Ein Schweigen brach über sie herein und es endete erst nach langer Zeit. Der Schwarzhaarige rümpfte die Nase und lugte zu Joey. "Hat er sehr gelitten? Hat er immer noch drunter zu leiden? Gibt's Nachwirkungen?" Joey erwiderte seinen Blick. "Sag die Wahrheit." Nun wirkte Daniels Miene wieder ernsthafter. "Erzähl's ungeschönt." Joey saugte an seinen Zähnen. "Wenn du dir deshalb Vorwürfe machst, dann kriegst du Ärger mit mir. Es ist schlimm genug, was passiert ist und wir haben es hinter uns gelassen. Ich will auf keinen Fall, dass du diese Geschichte zu sehr auf dich einwirken lässt und unter deinem Vater leidest. Er hat es nun einmal getan und du trägst keine Schuld daran. Du bist zu vernünftig um das zu tun. Versprich mir, dass du dir nicht die Schuld gibst, sonst verliere ich kein einziges Wort darüber." "Ne ne... das is in Ordnung." Daniel schüttelte den Kopf. "Es fällt mir nur schwer, einzusehen, so nen Vater zu haben. Nen Vater, der dazu bereit is, andre Menschen umzubringen. Für was? Für Geld natürlich! Geld is sein Gott, den er sich erschaff'n hat. Er macht alles, egal, ob's ne pimplige Summe ist" Joey nickte. "Nett, das de dir Sorgen machst aber mit Schuldzuweisungen kämpf' ich mich nich mehr rum, seit ich weiß, was für'n Aas er is." Er atmete tief durch. "Beantworteste mir nu meine Frage? Und vergiss nicht, ich will alles wissen, verheimliche mir nichts." Joey nickte, setzte sich in einen gemütlichen Schneidersitz. "Ja, er hat sehr gelitten. Anfangs war es Übelkeit, Fieber, Verwirrung und Orientierungslosigkeit. Er hat sogar vertraute Menschen nicht mehr erkannt. Dann, nach nicht allzu langer Zeit, kamen Schmerzen hinzu, die sich schnell gesteigert haben. Fieber, Krämpfe. Seine Leber versagte fast ihren Dienst. Ungefähr zwei Wochen hat er unter diesen Schmerzen gelitten, wurde schwächer und schwächer. Er hat wirres Zeug geredet, erkannte niemanden mehr und seine Worte waren verletzend, ganz gleich, an wen sie gerichtet waren. Kurz bevor er endlich das Gegengift injiziert bekam, war er kaum noch ansprechbar und hat im Fieber gelegen. Dann wurde er bewusstlos und nachdem das Gegengift zu wirken begann, erholte er sich nur langsam. Er begann Menschen wieder zu erkennen. Seine Kraft kehrte nur langsam zurück und es war eine verdammt harte Zeit für die, denen er wichtig ist. Nach knappen drei Wochen hatte er den größten Teil seiner Kraft zurück, wusste sich jedoch nicht zu kontrollieren. Er später fiel ihm auch das Denken leichter, doch eine leichte Verunsicherung... blieb zurück. Sie fällt nur den Menschen auf, die ihm nahe stehen, die ihn gut genug kennen, um zu bemerken, dass manche Bewegungen, Worte und manches Handeln anders sind als früher. Bis heute hat er sich fast vollständig von dem Gift erholt. Der Arzt verbot ihm für eine lange Zeit, zu arbeiten. Er muss die Kaiba-Corperation führen, weißt du? Dieses Verbot verlor erst vor einigen Monaten an Kraft." Somit verstummte er und Daniel Ray rieb grüblerisch die Hände aneinander. "Die Kaiba-Corporation... hm, kenn' ich. So is das also gewesen." "Ja, ich habe nichts ausgelassen." In dem Schlafraum des Bungalows herrschte eine gedrückte Stimmung. Nervosität ging herum, Schweigen herrschte. Tea ging umher, hatte den Ellbogen in die Hand gestützt und rieb sich nachdenklich das Kinn. Sie war besorgt. Tristan lehnte an einer Wand, hatte die Arme vor dem Bauch verschränkt und starrte seit langer Zeit vor sich auf den Boden. Er war verbissen. Auch Yugi und Bakura verhielten sich still. Sie saßen auf ihren Betten, zupften unentschlossen und verunsichert an den Decken und blickten öfter auf, um die Anderen zu mustern. Duke stand am Fenster, hatte beide Hände in die Hüften gestützt und bearbeitete seine Unterlippe mit den Zähnen. Er bewegte sich kaum, trat nur selten von einem Bein auf das Andere und sah nach draußen. Dort herrschte reges Treiben, der Anblick der heiteren Schüler ließ ihn beinahe wütend werden. Nicht ein Fünkchen Hass hegte er für Daniel Ray, nichts hatte sich geändert und er sprach es ihm auch nicht zu, das die Klassenfahrt zur Zeit alles andere als entspannt und freudig verlief, so wie es geplant war. Nein, ein Anderer trug daran die Schuld, jemand, der unten im Wohnzimmer saß. Kaibas Benehmen machte ihn wütend. Durch dieses Benehmen waren sie alle angespannt und im Ungewissen, was auf sie zukam. Durch dieses Benehmen war Joey verunsichert. Nun waren sie seit drei Stunden fort. Duke machte sich keine Sorgen um sie, war sich sicher, dass sie alles regeln, sich aussprechen würden. Niemand würde jemandem die Schuld zuweisen. Es gäbe keine Probleme... würde Kaiba sich nicht querstellen! Abwesend betrachtete sich Duke die Gardinen. Er spürte, wie sich etwas anbahnte. Etwas, das er nicht beschreiben konnte, sich davor fürchtete, sich auch nur damit zu beschäftigen. Ein Wunder müsste geschehen... In langsamen Schritten kehrten Joey und Daniel zum Camp zurück. Seit einigen Minuten drehte sich ihr Gespräch nicht mehr um jene Vorkommnisse, nein, sie wandten sich anderen Themen zu und so erfuhr Joey sehr viel über den gebürtigen Halbamerikaner. Seine Mutter war eine berühmte Rechtsanwältin in Amerika, und ja, sie war sehr wohlhabend, was den jungen Mann keinesfalls eingebildet und arrogant werden ließ. Warum sie sich auf Hirayama eingelassen hatte? Dieses Geheimnis wurde an diesem Tag nicht mehr gelüftet. Sie gingen weiter, bemerkten, dass sie eine lange Strecke hinter sich gelassen hatten. Doch der lange Fußmarsch wurde zu einem süßen Genuss für beide. "Der Blödheini hat gesagt, ich soll den Kram allein machen un da hab ich den ganzen Schutt hingeschmissen un bin abgehaun!" Daniel Ray lachte und Joey wischte sich die Tränen aus den Augen. "Ind'n nächsten Tagen ham wa dann kein Wort miteinander gesprochen!" "Wie kann man nur so nachtragend sein!" Joey schnappte nach Luft, fuhr sich mit beiden Händen durch den Schopf und blickte sich flüchtig um. "Dem hätte ich aber was erzählt!" "Ja ja... diese Schule ist wirklich lustig!" Daniel winkte ab. "Da erlebt ma echt ne ganze Menge." "Und da sagst du, ich hätte ein spannendes Leben? Ich habe noch nie einen Lehrer auf dem Dach stehen gesehen, der dazu bereit war, zu hopsen, war auch nicht dafür verantwortlich, das sich eine Putzfrau das Bein gebrochen hat. Und...", er hielt kurz inne, "... ganz sicher bin ich noch nie aus dem Fenster gesprungen, um mich vor einer Arbeit zu drücken!" "Ach, lass gut sein." Der Schwarzhaarige grinste. "Prinzipiell scheinst du mir ein verdammt verrückter Typ zu sein." Joey wechselte das Thema, das Tor des Camps sah er bereits näher kommen. "Wie alt bist du eigentlich?" "Öhm...", Daniel rollte mit dem Kopf, "...zwanzig zarte Jährchen." "Zwanzig...!" Joey blieb stehen, starrte Daniel ungläubig an. "Das meinst du nicht ernst! Komm schon, sag mir, dass das nicht wahr ist!" "Warum sollte es nicht wahr sein?" Er grinste und streckte beide Arme von sich. "Ich habe dich... auf siebzehn geschätzt", gab Joey beschämt zu. "Oh, nur weiter, nur weiter. Komplimente liebe ich!" Sie gingen weiter. "Weil ich so lustig bin? Oder sehe ich so aus?" "Weiß nicht... beides?" "Oho!" "Dir hat man scheinbar übermäßigen Humor in die Wiege gelegt?" Joey verzog die Augenbrauen. "Du bist so lustig, das... das..." "Sprich's ruhig aus." "Das... du manchmal total durchgeknallt erscheinst." "Ich mag es nun einmal, zu lachen", antwortete Daniel locker. "Ich habe keine Lust, mich von Problemen runterzieh'n zu lassen und nen langes Gesicht zu ziehen. Dadurch wird's auch nich besser." "Wenn man dich so sieht, könnte man denken, du hättest gar keine Probleme." "Ach... meinst du." Daniel rieb sich das Kinn, besah sich einen Baum und atmete tief durch. "Da kommt er!" Duke fuhr in die Höhe, zog die Gardinen zur Seite und starrte nach draußen. Sofort waren auch die Anderen auf den Beinen, drängelten sich um Duke und beobachteten den jungen Mann, der in schlendernden Schritten und einer äußerst zufriedenen Miene auf den Bungalow zukam. Stumm folgten ihre Augen ihm, bis Duke das Wort ergriff. Nun, vielmehr stöhnte er. "Er muss durch das Wohnzimmer", sagte er leise. "Ich habe kein gutes Gefühl dabei." "Die beiden werden sich sicher aussprechen", meinte Tea schnell. "Bisher haben sie sich noch nie arg gestritten und Probleme haben sie immer früh genug aus der Welt geschafft... glaube ich zumindest." "Mm." Duke wirkte nicht all zu erleichtert. Er runzelte die Stirn und ließ den Kopf sinken, als Joey den Bungalow erreichte und aus ihrem Blickfeld verschwand. "Wenn das mal gut geht." Joey seufzte leise, ließ die Hand auf die Klinke fallen und öffnete die Tür. Das lange Gespräch hatte doch an seinen Kräften gezehrt, er war etwas müde und sein Hals vom langen Sprechen ganz rau. Er schloss die Tür hinter sich, streckte die Arme und schlenderte auf das Wohnzimmer zu. Doch diese Müdigkeit war nichts im Vergleich zu dieser Erleichterung. Daniel mochte ein verrückter Hund sein, und doch hatte er sich in den letzten Stunden mehr als vernünftig benommen. Beinahe wirkte es schon so, als hätte auch er seine ernsten Seiten. Joey trödelte durch das Wohnzimmer, schüttelte den Kopf und kam nicht um ein Grinsen herum. Er war schon in Ordnung. Er erreichte die Treppe, tastete nach dem Geländer und wollte soeben den Fuß zur ersten Stufe heben, da hielt er inne. Kaiba saß auf seinem gewohnten Platz, auf dem Sofa, die Beine von sich gestreckt, blätterte er in einer Zeitschrift. Er blickte nicht auf, hatte dem Blonden nicht einmal einen Teil seiner Aufmerksamkeit geschenkt, als dieser den Raum betreten hatte. Seine Haltung wirkte entspannt, seine Miene gleichermaßen und er las in aller Ruhe einen Artikel. Langsam und stockend drehte sich Joey um. Überrascht war er nicht, als er ihn dort sah. Kaibas Anwesenheit spürte er schnell. Die Hand noch immer auf dem Geländer, entfernte er sich einen Schritt von der Treppe und musterte die Miene des Brünetten genau. Zugegeben, jetzt war er etwas verunsichert. Was ging in Kaiba vor? Hatte Duke bereits mit ihm gesprochen? Gab es keine Probleme mehr, die er aus der Welt schaffen musste? Nach einem langen Zögern, löste er sich endgültig von der Treppe und näherte sich Kaiba langsam. Die Augen stets auf dessen Gesicht fixierend, strich er über die Lehne des Sessels, als er an ihm vorbeiging. Letzten Endes blieb er vor Kaiba stehen, warf der Zeitschrift einen flüchtigen Blick zu und biss sich auf die Unterlippe. Noch immer schien Kaiba woanders zu sein, jedenfalls beachtete er ihn noch immer nicht. Man musste keine außergewöhnlichen Fähigkeiten besitzen, um zu wissen, dass etwas nicht stimmen konnte. So benahm sich Kaiba nie. Nie zuvor hatte er sich so zurückgezogen und den Beleidigten gespielt. Langsam hob Joey die Hände und stützte sie in die Hüften. "Hey", sagte er leise und keinesfalls unfreundlich. Kaiba blätterte um. Wieder verfing sich Joey in einem unsicheren Zögern, bevor er ihn erneut ansprach. "Alles in Ordnung bei dir?" Eine Antwort war von Kaiba nicht zu erwarten und Joey erhielt sie auch nicht. "Ich... ähm...", er löste eine Hand und rieb sich das Kinn, unentschlossen, was er sagen sollte, "... ich habe mit Daniel gesprochen." Keine Reaktion, Kaiba begann zu lesen und Joey starrte ihn an. "Sorry, dass es so lange gedauert hat", fuhr er etwas sicherer fort. "Er... na ja, er war sehr einsichtig und wir haben uns gut ver...", er stoppte, begann kurz zu grübeln, "... er hat sich auch nach dir erkundet, nach deinem Befinden nach diesem Vorfall." "Interessiert mich nicht, was er gesagt hat", murmelte Kaiba endlich in die Zeitschrift vertieft. Mit diesen Worten gab er sich wieder dem Schweigen hin und Joey verzog ungläubig die Miene. "Du... du bist doch nicht etwa wütend auf ihn, nachdem du das erfahren hast. Ich meine, noch wütender." Er legte den Kopf schief, stützte die Hand in die Hüfte zurück. "Was ist denn mit dir los? Warum bist du einfach gegangen? Du hast Daniel einen ganz schönen Schreck eingejagt." Kaiba hielt in den Bewegungen inne, hielt auch den Atem an und wandte sich erst wieder der Zeitschrift zu, nachdem er einen verächtlichen Blick zur Seite geworfen hatte. "Ist ja schön, dass du dich so um ihn sorgst. Aber hast du vielleicht auch nur im Entferntesten daran gedacht, wie ich mich gefühlt habe?" "Wie du dich ge...", Joey hob die Augenbrauen, "... hey, es tut mir ehrlich leid, Seto. Aber ich war auch überfordert und konnte nicht mit der Situation umgehen." Kaiba nickte unglaublich sarkastisch und blätterte um. "Wie hast du dich denn gefühlt?" Joey trat noch näher und Kaiba zuckte lässig mit den Schultern. "Warum interessiert dich das plötzlich?" "Ach, jetzt hör doch mal auf." Der Blonde verdrehte die Augen. "Ich habe dir doch schon einmal gesagt, dass du nicht eifersücht..." "Ich - bin - nicht - eifersüchtig!" Plötzlich ließ Kaiba die Zeitung sinken, blickte auf und fixierte ihn mit messerscharfem Blick. "Ich habe dir den wahren Grund genannt, also rede nicht so einen Blödsinn!" "Okay, okay." Abwehrend hob Joey die Hände. "Das Problem ist nur, das ich deine wahren Gründe zurzeit nicht kenne." Er weitete die Augen. "Und das liegt daran, dass du sie mir nicht sagst. Du benimmst dich wirklich blöd, ich habe doch keine Ahnung, wie ich mit dir umzugehen habe und was du denkst. Und um ehrlich zu sein, glaube ich nicht, dass du nur wütend bist, weil dich Daniels Anwesenheit stört!" "Bist ja ein ganz Schlauer." Kaiba schmunzelte humorlos und Joey stöhnte. "Ich befürchte sogar, dass du ihm die Schuld geben könntest, an diesen Vorfällen und so. So weit ist es also schon gekommen. Also bevor ich jetzt noch etwas ganz falsches von dir denke, könntest du so gütig sein und mir endlich sagen, was in dir vorgeht? Wir sind hier nicht bei einem Quiz! Du könntest es mir wirklich etwas leichter machen!" Nur leise hörte Duke Joeys Stimme. Er hatte sich in den Türrahmen gelehnt, die Anderen standen nahe bei ihm und lauschten angespannt. Nicht jedes Wort konnten sie verstehen, doch die Atmosphäre verriet deutlich, dass gleich etwas ausbrechen würde. "... du könntest es mir wirklich etwas leichter machen!", hörten sie Joey stöhnen. Darauf folgte eine Stille, die erst nach langer Zeit durch ein leises Flüstern unterbrochen wurde. Dieses Flüstern drang nur gedämpft zu ihnen. Scheinbar versuchte es Joey auf die sanfte Art und Weise. Er sprach lange, Duke biss sich auf die Unterlippe, sein Blick war düster auf den Boden gerichtet. Er musste sich also um nichts kümmern? Alles würde sich bereinigen und die Klassenfahrt war nicht verloren? Na, ganz toll! Yugi rückte näher an ihn heran und streckte den Kopf in den Flur hinaus. Nun verstummte Joey und eine weitere Stille brach unten im Wohnzimmer aus. Yugi klammerte sich in den Türrahmen, richtete sich etwas auf und trat zurück. "Au!", zischte Tristan. "Du bist auf meinen Fuß..." "Tscht!" Hastig hob Duke die Hand, doch es war zu spät. Kaiba hatte etwas gesagt und er hatte kein Wort verstanden. Während sich der kleine Junge weiter zurückschob und Tristan ihn anstieß, wartete Duke. Und nach wenigen Sekunden des leblosen Schweigens, hörte er Joey schreien. Die Gruppe zuckte zusammen, das kam zu plötzlich. "Du machst mich fertig!!", hörten sie Joey fluchen. "Ich versuche auf dich einzugehen und du spielst den Beleidigten! Das ist wirklich mies von dir, wo ich doch..." "Ich spiele den Beleidigten?!", ertönte Kaibas laute Stimme, die Gruppe verharrte reglos. "Dass ich nicht lache!! Ich habe..." "Du hast gar nichts gemacht!!", unterbrach Joey ihn. "Du bist einfach abgehauen!! Soll ich mir meinen Teil jetzt denken oder was!! Schön, wenn du das willst, dann bereite dich darauf vor, dass nichts Tolles dabei herauskommt!!" "Ich habe keine Fehler gemacht!" Kaiba lachte verbissen. "Aber du bist nicht widerzuerkennen, seit dieser Mistkerl aufgekreuzt ist!" "Den Teufel habe ich getan!!" "Du bist so abgedriftet, dass du es nicht einmal mehr bemerkst!!" "Mach Daniel nicht für deine dummen Stimmungsschwankungen verantwortlich!! Du ruinierst mir alles mit deinem blöden Gehabe!!" "Was gibt es an dieser Klassenfahrt noch zu ruinieren?!" "Ach... vergiss es!" "Schön!!" "Ja, toll!!" "Dann geh doch!!" "Tu ich auch!!" Die Treppe vibrierte unter stampfenden Schritten. "Scheiße!!", ertönte es von unten, ein dumpfes Geräusch folgte. Eilig drängelte Duke die Anderen in das Zimmer zurück und lehnte die Tür an. Und sobald sie etwas auseinander gegangen waren, erreichten die polternden Schritte die Tür und sie öffnete sich. Joey trat ein, blickte kurz in die Runde und schloss die Tür hinter sich. "Scheinbar hattest du nicht viel mehr Erfolg, oder?", wandte er sich dann im Vorübergehen an Duke. Er steuerte auf sein Bett zu. "Ich...", Duke sah ihm nach, "... um ehrlich zu sein, bin ich nicht einmal ansatzweise soweit gekommen wie du." Tea schluckte und wechselte besorgte Blicke mit Yugi, der durch all dies auch mitgenommen zu sein schien. "Aha." Joey fuhr sich durch den Schopf, streckte sich und schlüpfte aus seinem Shirt. Verwundert verfolgte die Gruppe das Geschehen. "Ja, willst du uns denn nicht erzählen, wie es mit Daniel gelaufen ist?" Erkundigte sich Duke verdattert, als Joey auch aus der Hose schlüpfte und den Anschein machte, sich in seinem Bett verkriechen zu wollen. "Kein Problem, alles in Ordnung." Joey schob die Kleider mit dem Fuß zur Seite und warf einen flüchtigen Blick aus dem Fenster. "Einsichtig, vernünftig, neugierig und sympathisch." Er tastete nach der Leiter. "Ich erzähle euch morgen die Einzelheiten, hab jetzt keinen Bock, will schlafen, ist spät, wird bald dunkel." Somit brummte er leise, stieg hinauf und warf sich in sein Bett. Und ohne ein weiteres Wort, verschwand er unter der Decke und blieb still. Mit langen Gesichtern standen sie dort und wussten nicht, was sie nun denken sollten. Okay, der ausführlichen Beschreibung nach zu urteilen, musste das Gespräch mit Daniel Ray wesentlich angenehmer gewesen sein, als das, das er soeben hinter sich gebracht hatte. In diesem Falle konnten sie also beruhigt sein. Die andere Sache jedoch...? Tristan war der erste, der nach wenigen Minuten zum Leben erwachte und einen flüchtigen Blick auf seine Uhr warf. "Das Abendbrot hat längst begonnen", meinte er. "Ich habe keinen Hunger", antwortete Duke. "Ich glaube, ich lege mich auch hin... der Tag war zu spannend." "Mir ist auch nicht nach essen", seufzte Tea und rieb sich den Arm. "Mir ist es nicht danach, da runter zu gehen." Bakura warf der Tür einen vorsichtigen Blick zu. "Ja." Yugi nickte schwermütig. "Wir sollten schlafen gehen." "Daniel ist sicher gerade dabei, seinen Freunden Rede und Antwort zu stehen", grübelte Duke laut. "Mit ihm können wir heute nicht mehr rechnen." Tristan zuckte mit den Schultern. "Gehen wir schlafen." Duke brummte, rollte sich zur anderen Seite und streckte sich verschlafen aus. Allmählich wachte er auf und als er die Augen öffnete, bemerkte er sofort, dass es gut gewesen war, am vorherigen Tag so früh schlafen zu gehen. Er war schnell wach, doch die Gemütlichkeit des Bettes zwang ihn dazu, liegen zu bleiben. Er kuschelte sich in das Kissen, schloss die Augen und ließ die Hand im Freien baumeln. Um ihn herum herrschte angenehme Stille, nur selten hörte er, wie sich eine der Decken bewegte, wie die Schlafenden genügsam brummten. So ließ es sich aushalten... Weitere Minuten vergingen in dieser gemütlichen Atmosphäre, dann wurde die Tür aufgerissen und Duke verzog die Augenbrauen. Wer machte denn da so einen Radau? Er vergrub das Gesicht im Kissen, an seinem Bett zogen laute Schritte vorbei. Er brummte und eine Sekunde später, ertönte leises Gepolter. "Verfluchter Mist!! Wer hat diese gottverdammten Schuhe hier liegen gelassen?!" Mit einem Mal fuhr Duke in die Höhe. Was war er erschrocken! Schnaufend stützte er sich ab und erblickte Kaiba, der nach einem Schuh trat und ihn durch den gesamten Raum beförderte. Oh verdammt... das war zuviel! Auch in den anderen Betten begann es sich zu regen. Tea öffnete die Augen, Tristan richtete sich auf und auch Joey kämpfte sich aus der Decke. Auch den anderen Schuh trat Kaiba zur Seite, bevor er sich vor seine Tasche hockte, ruppig in ihr suchte und eine dicke Mappe hervorzog. Somit erhob er sich wieder und kehrte ebenso laut, wie er gekommen war, zur Tür zurück. Bevor er sie aufriss, schickte er Duke einen funkelnden Blick. Dann verschwand er und die Tür flog hinter ihm in die Angeln. Boom! "Aah!" Duke warf sich in die Kissen zurück, Tea richtete sich langsam auf und Tristan fuhr sich durch den Schopf. "Was zur Hölle sollte das denn!", raunte er unzufrieden. Joey schüttelte den Kopf, rieb sich die Schläfen und verkroch sich wieder unter der Decke, nachdem er kurz nachdenklich inne gehalten hatte. "Scheiße!", drang seine Stimme leise unter der Decke hervor. "Häh...?" Auch Yugi erwachte. Verschlafen hockte er sich hin und rieb sich die Augen. "Was war denn los...?" Duke schnitt eine leidende Grimasse und sah hoch zu Joey. Joey rollte sich langsam zusammen, winkelte die Beine an und presste beide Hände auf das Gesicht. "Oh verdammt", flüsterte er leise bei sich. "Das war's dann wohl..." "Verdammt noch mal!" Duke schlug die Decke zur Seite und kam auf die Beine. "Ich wäre ihm sehr dankbar, wenn er seine Wut nicht an uns auslassen würde!" "Mann!" Tristan schnitt eine Grimasse. "Das ist wirklich toll!" Tea seufzte und schob sich ebenfalls aus dem Bett. Und spätestens jetzt wachte auch Bakura auf. Duke streckte sich, gähnte und trödelte dann langsam auf Joeys Bett zu. Als er es erreichte, legte er die Arme verschränkt auf die Matratze und besah sich die blonden Strähnen, die aus der Decke lugten. "Hey Joey, alles klar?" "Mm." Ein leises Brummen ertönte, unter der Decke bewegte sich etwas. Duke schloss die Augen und stützte das Kinn auf die Arme. "Spätestens jetzt können wir die Klassenfahrt vergessen!" Tristan schob Yugi’s Schuhe an ihren alten Platz zurück. "Warum zur Hölle spielt der sich so auf!" "Das frage ich mich auch", sagte Duke schwermütig. "Joey?" "Ach!" Endlich tauchte dieser wieder auf. Er trat die Decke bei Seite, hockte sich hin und starrte finster um sich. "Er kann Daniel nicht ausstehen und wurde dazu gezwungen, Zeit mit ihm zu verbringen! Außerdem habe ich wohl zuviel mit ihm gesprochen, ich Böser!" "Das ist der Grund?" Tristan hörte sich mehr als ungläubig an. "Ich versteh's doch auch nicht!" Joey stöhnte und kam auf die Beine. Er stieg an Duke vorbei auf die Leiter und stieg hinab. Unten angelangt, verschränkte er die Arme vor dem Bauch. "Er ist eben einfach nur sauer, weshalb auch immer! Ich habe nichts falsch gemacht und habe keine Lust, ihm nachzulaufen!" Er sah sich nach seiner Tasche um. "Soll er doch machen, was er will!" Irritiert starrten die Anwesenden den Blonden an und dieser wurde darauf aufmerksam. "Ich werde erst mit ihm reden, wenn er sich wieder beruhigt hat!", sagte er schnell, bevor er zu wühlen begann. "Glaubst du, dass das so schnell passieren wird?" Tea war skeptisch. "Klar, ich gebe ihm einen Tag, dann wird er wieder mit sich reden lassen." Joey zuckte mit den Schultern. "Er hat keinen Grund, sauer zu sein. Und da er nicht gerade der Blödeste ist, wird er es bald bemerken!" Mit diesen Worten schnappte er nach seinen Sachen, stand auf und trödelte zur Tür. Und ohne noch etwas zu sagen, verschwand er im Flur und stieg die Treppe hinab. Er warf Kaiba, der vor seinem Laptop hockte und sich scheinbar ganz seiner Arbeit widmete, nur einen flüchtigen Blick zu, wurde selbst jedoch nicht beachtet. Er wandte sich ab, ging zum Bad und verschwand in dem Raum. Wenige Minuten später, war er wieder bei den Anderen und spürte deutlich, wie sich sein Magen meldete. Gestern kein Abendbrot? Die Stimmung, die an diesem Tag in der sonst so heiteren Clique herrschte, war heute etwas gedrückt. Es wurde weniger miteinander gesprochen und als sie die Treppe zum Wohnzimmer hinab stiegen, sagte niemand etwas. Kaiba saß noch im Sessel, tippte auf seinem Computer und blätterte nebenbei in der Mappe. Viele Blicke trafen ihn flüchtig und nur Joey blieb kurz stehen, um sich an ihn zu wenden. Er hatte keine Lust, den Beleidigten zu spielen und unter allen Umständen kein Wort mit Kaiba zu sprechen. Also seufzte er leise und stützte die Hände in die Hüften. "Kommst du mit zum Frühstück?" Seine Stimme klang mehr als gelangweilt und lustlos und als er nach wenigen Sekunden keine Antwort erhielt, wartete er nicht länger und folgte den Anderen. "Wie konnte so etwas nur passieren?", fragte sich Tea, als sie sich dem weißen Gebäude näherten. "Es hat doch alles so schön begonnen und vor dem gestrigen Tag ist mir überhaupt nicht aufgefallen, das Kaiba in jeglicher Hinsicht unzufrieden war." Joey ließ die Hände in die Hosentaschen rutschten und trat griesgrämig nach einem besonders langen Grashalm. Er hatte keine Lust, darüber zu debattieren - es war schon schlimm genug. Kaibas Benehmen machte ihn wütend, auf der anderen Seite suchte er jedoch verzweifelt nach einem Grund, den er bisher vielleicht außer Acht gelassen hatte. Die Eifersucht allein konnte es doch nicht sein, oder? Wegen so etwas drehte sich Kaiba doch nicht um einhundertachtzig Grad! Wenn er wegen jeder Kleinigkeit derartig ausrasten würde, dann wären sie längst schon nicht mehr zusammen. Moment! Stand ihre ganze Beziehung vielleicht auf dem Spiel? War es möglich, dass... nein! Joey schüttelte den Kopf! Daran durfte er nicht einmal im Entferntesten denken! Wegen so einer Kleinigkeit doch nicht! Aber... in so einer Situation hatte Joey noch nie gesteckt, nicht während der ganzen zwei Jahre, in denen sie zusammen waren. Natürlich, sie hatten sich gestritten, doch private Gründe waren nie der Anlass dafür gewesen. Katagori... dies und das, die Anspannung aller. Doch so etwas? Joey wusste nicht, wie er in dieser Situation mit Kaiba umzugehen hatte. Kaiba erschien ihm prinzipiell unberechenbar. Er wusste nicht, zu was er in dieser Situation fähig war. Und das machte ihm Angst! Er ließ die Anderen diskutieren und schwieg. Dann erreichten sie den schmalen Schotterweg, der zu dem weißen Gebäude führte. Noch immer starrte Joey auf den Boden, er grübelte und zweifelte. Vielleicht hätte er sich doch prinzipiell von Daniel fernhalten sollen? Nein, warum?! Er war doch nicht Kaibas Hündchen und tanzte nach seiner Pfeife! Und er würde sich ganz sicher nicht seinetwegen von einem Menschen fernhalten, der ihm unglaublich sympathisch war, mit dem er sich verbunden fühlte! Hatte ihn Kaiba darum gebeten? Hatte Kaiba wörtlich gesagt, er solle sich fernhalten? Nein... doch was war es dann?! Was hatte er falsch gemacht!! "Hey, Joey!", ertönte da plötzlich eine bekannte Stimme und sofort blieb der Blonde stehen. Auch der Rest der Clique hielt inne und drehte sich um. Sie erspähten Daniel, Morfrey, Eddie und Jordas, die schnell näher kamen. Scheinbar hatten sie sich beeilt, denn Daniel atmete etwas schwer, als er vor Joey stehen blieb und ihm freundlich auf die Schulter klopfte. Ein unsicheres Lächeln zog an Joeys Mundwinkel, doch die richtige Kraft dazu fand er nicht. Daniel hingegen, schien bei guter Laune zu sein, ebenso wie seine treuen Kameraden. Diese winkten und grinsten, jedoch nicht im übertriebenen Maße, wie man es von ihnen gewohnt war. Ja, auch Daniel überraschte Joeys Freunde. Er war merkwürdig ruhig und vernünftig. "Es is erst acht." Er richtete sich auf, musterte Joey, und achtete auf niemanden sonst. "Wie kommt's das ihr schon wach seid?" Joey blähte überfordert die Wangen auf und ein unentschlossenes Murmeln ging durch die japanische Gruppe. "Wir konnten eben nicht mehr schlafen", antwortete der Blonde nach einem kurzen Zögern und sah sich kurz prüfend um. "Lasst uns reingehen, ja?" So setzte sich die Gruppe in Bewegung und Joey ließ sich etwas zurückfallen, bis er mit Daniel hinten lief. Dieser musterte ihn erneut und zog die Augenbrauen zusammen, als er im Gesicht des Japaners etwas sah, das ihm missfiel. "Hey... is alles in Ordnung?" "Hm...?" Joey kratzte sich die Stirn, sah flüchtig zu ihm und wandte sich nach vorn. "Mm." "Das Gespräch mit dei'm Kumpel, mit dies'm Kaiba." Daniel hielt Schritt, wirkte sehr neugierig und besorgt. "Is es schief gegang'?" "Könnte man so sagen." Sie erreichten den Esssaal, Daniel blieb stehen, hielt auch Joey zurück. "So wie du aussiehst, muss es ganz schön in die Hose gegang' sein." Er beugte sich nach vorn. "Was hat er gesa..." "Nein, nein, nein." Joey fuchtelte mit den Händen, zwang sich zu einem Grinsen. "Es ist ein privater Streit, hat nichts mit dir zu tun, Ray." "Ach?" Daniel legte den Kopf schief. "Ein privater Streit." "Ja." Joey nickte. "Wir haben uns in die Haare bekommen, bevor ich ihn irgendwie auf dich ansprechen konnte. Aber ich kann dir versprechen, dass er dir keine Vorwürfe macht, okay?" Mit diesen Worten wollte er sich abwenden und weitergehen, Daniel jedoch, griff ihn am Arm und zog ihn zurück. "Kannst du...", er sah Joey direkt und unausweichlich in die Augen, wirkte so ernst, das es dem Blonden bereits Angst machte, "... mir das auch schwören?" Joey starrte zurück, unentschlossen öffnete er den Mund und wandte letzten Endes den Blick ab. Er schwieg lange und räusperte sich, bevor er leise antwortete. "Nein." "Na gut." Daniel ließ ihn los, nickte entschlossen und stützte die Hände in die Hüften. "Bei Gelegenheit werd' ich ihn ma zum Sprechen bring. Jetzt komm." Sie gingen weiter und nach wenigen Schritten schüttelte Joey den Kopf. "Nein, das wirst du nicht." "Was?" "Ich will erst den Streit hinter mich bringen, bevor ich ihn damit belästige. Ich sage dir, wenn du ihn jetzt aufsuchst und mit ihm redest, dann kann ich das gleich vergessen." "Was vergessen?" Joeys Miene verfinsterte sich. "Unsere Freundschaft!" Das Frühstück verlief so herrlich, das Joey etwas auftaute. So, als wäre es eine Selbstverständlich, setzten die vier Amerikaner alles daran, die Clique aufzumuntern. Sie rissen keine dämlichen Späße, verwickelten sich auch nicht in einen Kampf um das Essen. Auf äußerst freundlichem Wege brachten sie den Japanern bei, das alles in Ordnung war und das sie diese Klassenfahrt genießen sollten. Sie grinsten, waren überaus herzlich und brachten die Japaner nach wenigen Minuten zum grinsen. Kurz darauf wurden auch Gespräche geführt und der einzige, der lustlos in seinem Kaffee rührte und sich den Gesprächen nicht anschloss, war Joey. Oft warf Daniel ihm musternde Blicke zu, er versuchte, auch ihn aufzuheitern, als dies nach dem ersten Versuch jedoch scheiterte, ließ er den Blonden in Frieden. "Kommt ihr heut' mit?" Daniel knabberte an seinem Brötchen. "Fahr’n zum See, baden un so. Wird sicher lustig." "Baden?" Tea freute sich. "Das ist toll." Auch Duke war einverstanden. "Klar sind wir dabei, nicht wahr, Joey?" "Hm?" Der Angesprochene blickte auf, zog den Löffel aus dem Kaffee und nickte, als er sich wieder seinen Essen zuwandte. "Mm." Duke seufzte, die Gruppe wechselte vielsagende Blicke. Nach einer halben Stunde erhoben sie sich und machten sich auf den Rückweg. Sie verließen den Saal und näherten sich der Tür. "Hab irgend so nem Typen den Plan geklaut." Daniel grinste, schob mit dem Rücken die große Tür auf. "Um neun geht's los." "Das hätten wir verschlafen", bemerkte Tristan und kratzte sich an der Stirn. "Da hatte das Frühaufstehen also doch sein Gu..." Er verstummte und blieb stehen, auch der Rest der Gruppe hielt inne. In eiligen Schritten kam Kaiba den schmalen Weg zum Gebäude hinauf. Vor sich trug er einige Zettel, in die er sich vertiefte. Und er wurde erst auf die Gruppe aufmerksam, als er fast in sie rannte. Vor ihr blieb er stehen, blickte auf und ließ die Zettel sinken. Dies alles tat er äußerst langsam und als er die bekannten Gesichter erblickte, verzog sich seine Miene unglaublich säuerlich. Er wirkte, als würde ihn dieser Anblick regelrecht anekeln. Sie starrten sich an und keiner von ihnen wusste, was Kaiba jetzt tun würde. Dieser musterte jeden von ihnen und als er damit fertig war, wandelte sich die finstere Miene zu einem höhnischen Grinsen. "Ach." Er legte den Kopf schief und trat schlendernd näher. Joey fühlte, wie sich all seine Glieder vor Wut verkrampften. Dieses Gehabe! Was zur Hölle war mit ihm los?! Nun erreichte Kaiba Daniel, blieb direkt vor ihm stehen und starrte ihn unausweichlich an. "Wen haben wir denn da? Einen armen Jungen mit dem größten Scheißkerl der Welt als Vater?" Sprachlos öffnete Joey den Mund. Er wusste nicht, was das zu bedeuten hatte. Was wollte Kaiba damit sagen?! Eine böse Befürchtung beschlich ihn. Niemand bewegte sich, nur Morfrey drängelte sich durch die Gruppe nach vorn. "What's wrong with you?!", zischte er und wollte an Daniel vorbeiziehen. Dieser jedoch, streckte ihm den Arm entgegen, hielt ihn zurück. Joey beobachtete nun ihn. Daniel schob seinen Kumpel zurück, erwiderte das höhnische Grinsen. "Vielleicht?", raunte er dann an Kaiba gewandt. "Doch... ich habe wenigstens einen Vater." Ein schmerzhaftes Zucken raste brennend durch Joeys Körper. Seine Augen weiteten sich und er fühlte sich, als würden seine Knie weich werden, als sich Kaibas Blick unausweichlich auf ihn richtete. Sofort hob er die Hände, schüttelte den Kopf erst langsam, dann schneller. "Von mir...", er schnappte nach Luft, "... ich habe nichts gesagt!" Bevor er ausgesprochen hatte, wandte sich Kaiba wieder an Daniel, doch zu dem Grinsen fand er nicht zurück. Er funkelte ihn an, verengte die Augen und formte die Lippen zu einem stummen Fluch auf den Halbamerikaner und den Rest der Welt. "Sei stolz drauf!", zischte er dann, stieß den Schwarzhaarigen grob zur Seite und drängelte sich durch die Gruppe. Joey wich ihm aus, bevor er ihm irgendwie in die Quere kam, nur Yugi steckte einen schroffen Schlag ein, obwohl er in keiner Weise im Wege stand. Kaiba schubste ihn zurück, ließ die Gruppe hinter sich und verschwand in dem Gebäude. Joey fuhr herum. "Kaiba!!" Doch der Brünette war bereits verschwunden. Joeys Atem raste, seine Hände ballten sich zu Fäusten und letzten Endes trat er den Mülleimer aus seinem Gestell. "Man!" Duke tätschelte Yugi’s Schulter. "Der soll sich mal wieder einkriegen!" "So ein Idiot!" Daniel schüttelte den Kopf, fuhr sich durch das Haar und ging weiter. Seine Kameraden folgten ihm, doch bevor sie fünf Schritte gegangen waren, holte Joey sie ein. Er packte Daniel am Shirt und zog ihn zu sich. "War das wirklich nötig?!", schrie er ihn an. "Du hättest auch etwas anderes sagen können!!" "Jetzt beruhig dich ma." Daniel verzog die Augenbrauen, schien die Rage des Japaners nicht zu verstehen. "Es war nur fair. Er hat mich auf mein’ Vater angesprochen un ich hab nur dasselbe getan." "Und woher weißt du davon?!" "Seto Kaiba is nich grad nen' unbekannter Mann. Du bist nich der einzige, der über ihn informiert is." Daniel zuckte mit den Schultern. "Jetzt lass mich los und beruhig dich, kay?" "Ach, Scheiße!" Joey löste die Hände aus dem dünnen Stoff und biss die Zähne zusammen. "Hoffentlich denkt er jetzt, dass ich dir das alles verraten habe, damit die Sache perfekt ist!" "Joey." Duke löste sich aus der Gruppe und kam auf ihn zu. "Kaiba ist eine Berühmtheit, das weißt du doch. Und sicher ließ und lässt es sich nicht verhindern, das mal und mal etwas über ihn in der Zeitung steht. Gerüchte verbreiten sich schnell. Er müsste starrköpfig sein, um so etwas auch nur zu denken." "Ach, ist er das etwas nicht?!" Eine kurze Zeit später, saßen sie im Bus, der sie zu einem herrlichen Badessee fuhr, der sich ganz in der Nähe befand. Eine lange Fahrt würde es nicht werden. Joey hatte sich tief in den Sitz rutschen gelassen, den Blick hielt er gesenkt, das Handy knetete er verbissen in den Händen. Er war sauer und seit jenem Vorfall nicht sehr gesprächsfreudig. Neben ihm saß Daniel in einem gemütlichen Schneidersitz und blätterte in einem englischen Manga. Scheinbar hatte er keine Lust, winselnd am Bein des Blonden zu hängen und um Vergebung zu flehen. Er war sich keiner Schuld bewusst und wenn Joey schlechte Laune hatte, dann wollte er sich keinesfalls davon anstecken lassen. Er grinste, blätterte um und lehnte sich in den Gang, um Jordas anzustoßen. "Look at this!" Kurz darauf hörte Joey sie beide lachen. Er hielt in den Bewegungen inne, blinzelte und sah aus dem Fenster. Toll, das war wirklich toll! Das war so unglaublich herrlich!! Es kotzte ihn an! Er gab Kaiba also einen Tag, um sich zu beruhigen?! Heute Abend würde er wieder mit sich reden lassen?! Pustekuchen! Danach sah es nicht aus! Jetzt hatte er den Beweis! Er konnte Kaiba nicht einschätzen, denn scheinbar hielt dieser das beleidigte Getue wesentlich länger durch als einen Tag! Was sollte nur aus dieser Klassenfahrt werden?! Mit einem grimmigen Kaiba, der über jeden und alles herzog, das ihm in die Quere kam?! Wie sollte er jetzt auch nur noch eine Stunde dieser Klassenfahrt genießen?! Er war angespannt und wünschte sich, Kaiba überhaupt nicht mehr über den Weg zu laufen! Wäre zu schön, wenn dieser ihm diesen Gefallen täte! Nach zehn Minuten hielt der Bus auf einem schmalen Weg und die Schüler drängten sich ins Freie. Am heutigen Tag war es wieder verdammt heiß und jeder freute sich auf diese herrliche Erfrischung. Vor dem Weg knüpfte eine große grüne Wiese an, hinter der sogleich ein wunderschöner, sauberer See lag. Kein Mensch war hier, nur auf der anderen Seite des Sees erkannten die Schüler wenige Menschen, die faul in der Sonne lagen. Joey stieg aus, setzte sich die Sonnenbrille auf die Nase und musterte kurz die Umgebung. Tea lachte heiter, streckte sich und ging sofort los. Der Rest der Gruppe folgte ihr. Die Vögel zwitscherten, in den Ästen der Bäume herrschte reges Treiben. So eine Landschaft gab es in Domino nicht, und doch musste Joey zugeben, alles andere als zufrieden und glücklich zu sein. Lustlos schlappte er hinterdrein und schmiss seine Tasche neben die große Decke, die Tea flink im Gras ausbreitete. Und während seine Freunde umherliefen, sich umzogen und es sich gemütlich machten, schlüpfte er aus seinem Hemd und der Hose, unter der er knielange Shorts trug. Und ohne sich um irgendetwas zu kümmern, setzte er sich auf sein Handtuch, stützte sich ab und starrte vor sich hin. Tea präsentierte einen ihrer Neuerworbenen Pikinis und Morfrey zeigte sich sehr interessiert. Er quatschte und faselte und Tea lachte, obwohl es ein Kauderwelsch aus Englisch und Japanisch war und sie nicht immer verstand, was der Amerikaner da sagte. Letzten Endes wurde sie von Jordas und Morfrey gepackt und in hohem Bogen in das kühle Nass geschmissen. Die beiden Amerikaner warfen sich in voller Kleidung hinterher und nur Daniel fand noch die Zeit, sich von seinem Shirt zu befreien, bevor er ihnen Gesellschaft lieferte. Joey biss sich auf die Unterlippe, kreuzte die Beine und legte den Hinterkopf in den Nacken, um zum Himmel aufzuschauen. Es dauerte nicht lange, da war er der Einzige, der trocken war und auf der Wiese hockte. Eddie und Jordas machten sich daran, den See zu durchschwimmen, Morfrey war nur unter der Wasseroberfläche anzutreffen und Daniel versuchte alles, um Duke zu ertränken. Yugi ging am Strand entlang und blieb öfter stehen, um einen hübschen Stein zu bestaunen. Bakura stand etwas unentschlossen im Wasser und Tristan tat alles, um Duke das Leben zu retten. Na, die schienen ja schnell darüber hinweggekommen zu sein. Joey richtete sich auf, rückte die Sonnenbrille zurecht und atmete tief durch. Warum sollte er jetzt eigentlich den Miesepeter spielen? Wenn er keine Fehler begangen hatte, dann konnte es ihm doch egal sein, was Kaiba für Probleme hatte. Außerdem brachte es ihm nichts, ein langes Gesicht zu ziehen. Und... wenn er es recht bedachte, hatte er auch keine Lust darauf. Lange blieb er noch dort sitzen, dann zog er sich die Brille von der Nase und erhob sich. Diese Gegend wirkte, als sei sie aus einem herrlichen Traum heraus geboren. Er musste sie auf sich einwirken lassen, hoffte auch, dass sich seine Laune besserte. Wenigstens für wenige Stunden wollte er sich keine Sorgen machen und grübeln. Das hatte er in seinem Leben schon genug getan! In schlendernden Schritten stieg er die Böschung hinab und erreichte den See. Er setzte einen Fuß in das Wasser, ditschte etwas und stieg dann hinein. Es war wirklich herrlich warm, perfekt um all den Schweiß loszuwerden. "Wuah!" Tristan stürzte sich auf Daniel, riss ihn mit sich und erlaubte es Duke somit, aufzutauchen und nach Luft zu schnappen. "Heeey Hoo!" Zwei kleine Gestalten in der Mitte des Sees winkten. "Interesting patter." Morfrey beugte sich nach vorn, musterte den Bikini ganz genau. "Wo schaust du denn hin?!" Tea wandte sich ab und ruderte davon. Joey blieb stehen, beugte sich hinab und betrachtete sich seine Füße, die er immer noch genau sehen konnte. "Hey!" Daniel tauchte auf und kämpfte mit Tristan, der ihm um die Gurgel hing. Dennoch erspähte er Joey. "Los, schmeiß dich rein! Is Zauberwasser, spült alles weg, das nich in nen' heiteren Tag gehört!" "Ach ja...?" Joey runzelte die Stirn. "Dann kann ich's ja gebrauchen." "Klar, brauch jed... uärks!" Tristan zerrte ihn wieder hinunter und platschend verschwanden die Beiden. Joey seufzte leise und bewegte die Hände im Wasser. Da nahm er plötzlich ein leises Geräusch wahr und blickte auf. Sein Handy meldete sich. Sofort machte er kehrt, stieg aus dem Wasser und kehrte zur Decke zurück. Nur kurz zog ihm die Wunschvorstellung durch den Kopf, Kaiba würde ihn anrufen um mit ihm zu reden. Doch es war sein Vater, der sich nach seinem Befinden erkundigte. "Hast du Spaß?" "Ja, ja natürlich!", antwortete sofort und kehrte zum Wasser zurück. "Thüringen ist herrlich!" "Ja, ich war auch schon öfter dort! Im Sommer ist es am schönsten, im Winter kann man aber..." Und während er erzählte und erzählte, stieg Joey wieder in das Wasser. "Aha? Oh. Echt? Ja, ja... ja." Lust auf ein langes ausführliches Gespräch hatte er nicht. Der Rest des Tages verlief zugegeben nicht schlecht. Nur selten verließ einer der Gruppe das Wasser, die meiste Zeit verbrachten sie wirklich mit tauchen, schwimmen, titschen und raufen. Joey hatte keine Lust, beinahe ertränkt zu werden, also machte er sich davon und durchschwamm ebenfalls den See. Es war eine gute Gelegenheit, sich etwas auszutoben und als er das andere Ufer nach einer Rekordzeit von sechs Minuten erreichte, waren seine Arme schwer und die Knie weich. Also legte er sich etwas hin, genoss die Ruhe und kehrte erst spät zurück. Er ließ sich etwas aufheitern, nahm an spaßigen Spielen teil und verdrängte die Probleme für diesen einen Tag. Erst spät am Abend kehrten sie zurück. Joey war etwas angespannt, doch an diesem Tag traf er Kaiba nicht mehr an. Er war nicht im Bungalow, nicht im Camp, nirgends war er. Joey vermutete, das er hinunter in das Dorf gegangen war, dort war beileibe mehr los, als hier oben auf dem Berg. Joey kam seine Abwesenheit nicht ungelegen. Er genoss das Abendbrot, ließ sich anschließend in den Bungalow der Amerikaner einladen und blieb so lange dort, bis es bereits finster, und er selbst hundemüde war. So verabschiedeten sie sich also voneinander und zur Krönung des Tages war Kaiba noch immer nicht da. Joey kam es nicht einmal in den Sinn, sich um ihn zu sorgen. Kaiba war alt genug, um auf sich aufzupassen und wenn er sich etwas Zeit nahm, um nachzudenken, dürfte vielleicht etwas Positives dabei herauskommen. Am nächsten Tag wachten sie erst spät auf. Kein Kaiba kam in den Raum gestürmt und schrie, auch keine anderen Störungen veranlassten die Gruppe dazu, eher aufzuwachen als nötig. Um ehrlich zu sein, verschliefen sie das Frühstück, das doch spät genug stattfand. Erst halb elf erwachte das Zimmer allmählich zum Leben. Tea erwachte zuerst und ging sofort hinunter, um sich das Bad zu sichern. Und bevor sie dort verschwand, ertönten unten leise Geräusche und Stimmen. Außer Tea war noch niemand auf den Beinen. Duke wälzte sich von einer Seite zur anderen, Yugi nuschelte Verworrenes und im Bett des Blonden regte sich noch gar nichts. Leise Schritte näherten sich der Tür, heimliches Tuscheln, dann sank die Klinke hinab und die Tür öffnete sich. Ein junger Mann streckte den Kopf in das Zimmer, sah sich flüchtig um und trat dann ein. Er schlich auf Zehenspitzen, ihm folgten drei andere Schurken. Leise lachend, schloss der Letzte die Tür hinter sich. Daniel Ray atmete tief ein, betrachtete sich die Langschläfer und schüttelte tadelnd den Kopf. Er war schon seit sieben Uhr wach, der halbe Tag war vorbei und hier oben wurde noch gedöst! Er gab seinen Kumpel ein flinkes Zeichen und näherte sich dann dem Hochbett. Das untere war leer, heute Nacht war es nicht benutzt worden, doch Daniel Ray interessierte sich vielmehr für das Obere. Schnell erreichte er es und erspähte einen Fuß, der unter der Decke hervorlugte. Er grübelte nicht lange, Gemeinheiten fielen ihm ein, ohne dass er nachdenken musste. Er stellte sich auf die Fußballen, streckte die Hand nach dem Fuß aus und begann ihn zu kitzeln. Nach nicht all zu langer Zeit, ertönte ein leises Murren unter der Decke und der Fuß verschwand unter ihr. Daniel grinste, Morfrey, Eddie und Jordas begannen in der Zwischenzeit die übrigen Schlafmützen zu necken. Daniel ging zum Kopfende des Bettes und freute sich, als er einige blonde Strähnen erspähte. Natürlich begann er an ihnen zu zupfen und wieder murrte es. "Mm... lassss mich..." "Aufsteh'n", flüsterte Daniel daraufhin und piekste mit dem Zeigefinger in die Decke. "In ner Stunde wird's dunkel. Wie lange willste noch penn'?" "Häh...?" Endlich waren auch Bewegungen auszumachen. Die Decke bäumte sich auf, nahm merkwürdige Formen an und wurde dann zurückgekämpft. Mit verzotteltem Haar und blassem Gesicht erschien Joey im Freien und nachdem er den ungewohnten Besucher kurz angestarrt hatte, sah er sich irritiert um. "Wie spät... isses?" "Halb elf?" Daniel grinste schelmisch und schlug Joey gegen die Schulter, worauf dieser eine Grimasse schnitt und sich die Stirn rieb. "Wenn ihr's Mittagessen nich auch noch verpenn' wollt, dann solltet ihr ma auf'de Beine komm, Leutschas!" Guter Laune klatschte er in die Hände und die Japaner richteten sich langsam auf. Morfrey, Eddie und Jordas hatten gute Arbeit geleistet. Duke richtete sich verschlafen die Frisur, schob sich aus dem Bett und streckte sich genüsslich. Dann wurde er wieder auf die Amerikaner aufmerksam und legte den Kopf schief. "Was macht ihr'n hier?" "Wir besuchen euch?" "Wie seid ihr rein gekommen?" Duke gähnte. "Durch die Tür?" "Ah." Duke ließ die Arme sinken und bemerkte das leere Bett. Einer fehlte. Er starrte es nur kurz an und Daniel wurde schnell darauf aufmerksam. "Wenn ihr euch fragt, wo euer Freund is", hob er an und erlangte sofort die Aufmerksamkeit aller, "heut Nacht gab's Stunk im Camp. Er is abgehaun'." "Abgehauen?" Joey schloss überfordert die Augen und verzog die Brauen. "Wohin denn." "Na, vermutlich runter ins Dorf. Hat sich abgemeldet, aber die wollt'n ihn nich gehn' lassen un da gabt's nen Mordsärger. Die Sekretärin hat geheult und er is gegang'." "Oh man." Stöhnend wühlte sich Tristan frei. "Das wird ja immer besser!" Joey hob abwehrend die Hände und rutschte langsam zur Bettkante. "Hab keine Lust, mich damit zu beschäftigen." Tapsig tastete er nach der Treppe, blinzelte und drehte sich langsam um. Unsicher stellte er den Fuß auf eine Sprosse und stieg langsam hinab. Auf der dritten Sprosse jedoch, fand er keinen Halt und Daniel konnte ihn gerade noch fassen und so vor einem äußerst unbequemen Sturz retten. "Vorsicht." Er war ihm dabei behilflich, Balance zu finden und sich aufzurichten. Und sobald Joey sicher stand, stützte er sich ab und rieb sich erneut die Stirn. "Aaah..." "Was'n los?" Daniel beugte sich zu ihm. "Kopfschmerzen." Joey schloss die Augen, stöhnte und trottete schlürfend an Daniel vorbei. Stöhnend tastete er dann nach der Türklinke und verließ das Zimmer. "Wovon zur Hölle hat er Kopfschmerzen?", wunderte sich Tristan. "Was weiß ich denn?" Nur langsam setzte Joey ein Bein vor das andere. Am liebsten hätte er sich wieder hingelegt, doch dazu war er zu hungrig. Also waren sie nun auf dem Weg zum Speisesaal. Die Gruppe hielt einfühlsam mit ihm Schritt und Joey betastete seine Schläfen. "Kann man hier irgendwo eine Aspirin herbekommen?" "Klar." Daniel nickte. "Besorg ich dir." "Mm..." Joey nickte dankbar, blinzelte und sah sich etwas um. Er blinzelte zu oft, seine Augenbrauen verzogen sich, es schien, als vertrügen seine Augen das helle Licht nicht. Nach wenigen Sekunden stöhnte er und starrte auf den Boden zurück, das war wesentlich erträglicher. Duke legte eine Hand auf seine Schulter, musterte ihn besorgt. Nach wenigen Minuten erreichten sie ihr Ziel und Joey kam in den Genuss der absoluten Verwöhnung. Er wurde dazu gezwungen, sich sofort zu setzen und das Frühstück stand vor ihm, ohne das er etwas tun musste. Und während er dann langsam und lustlos zu essen begann, rannte Daniel sogar noch nach einer Aspirin!! Bevor sich einer der Jungs versah, kehrte er mit dem lebenswichtigen Medikament wieder. Joey leerte das Glas mit wenigen Zügen, ließ sein Frühstück stehen und lehnte sich zurück. Es waren nicht die Kopfschmerzen, die Joey kannte, nein, es fühlte sich anders an. Wie ein schmerzhaftes Zucken, das mal hier und da auftauchte. Und seine Augen taten auch weh. Ausdruckslos besah er sich die weiße Decke des Saals und nach wenigen Sekunden schien er zu grübeln. Er besah sich die unauffälligen Strukturen, verzog die Miene und richtete sich nach kurzer Zeit auf, als gäbe es etwas, über das er nicht grübeln wollte. Er besah sich seine Gesellschaft flüchtig, leckte sich die Lippen und griff nach seiner Tasse. "Ihr habt heute frei." Daniel grinste. "Steht nischt auf'm geklauten Plan. Woll'n wir die Zeit gemeinsam umbring'?" "Klar." Duke nickte sofort. "Und was wollen wir machen?", erkundigte sich Tristan. "Basketball?", schlug Duke vor. "Alright!", meldete sich das Morfrey zu Wort. "Basketball fetzt!" "Richtig, richtig." Eddie stocherte verbissen nach einer Weintraube. "Wir spielen Basketball!" Jordas traf die Entscheidung und die Anwesenden nickten, teils glücklich, teils wehleidig. "Und was mach ich?", fragte Yugi. "Spielst mit!", entschied Daniel Ray. "Ich kann das aber nicht." Gesagt, getan. Nur eine knappe halbe Stunde später trafen sie sich auf dem Feld. Und nachdem die Amerikaner kleine Kinder verscheucht, und ihnen ihren Ball nachgeworfen hatten, wurden Gruppen gebildet. Und Yugi konnte tun was er wollte, Daniel zwang ihn, in seiner Gruppe mitzuspielen. So begann also ein äußerst spannendes Spiel und nur drei hatten es sich wieder auf der danebenliegenden Wiese gemütlich gemacht. Tea streckte sich auf ihrer Decke aus und sorgte dafür, das Morfrey öfter als nur einmal abwesend war und den Ball gegen den Kopf bekam. Bakura blätterte in einem Buch und Joey lag neben Tea auf der Decke. Ausgestreckt, auf seinem Gesicht lag ein nasses kühles Tuch. Die Wirkung der Aspirin ließ zu wünschen übrig. Außerordentlich toll hatte sich in seinem Kopf nichts gebessert, dafür war er jedoch zu der Einsicht gekommen, dass es erträglicher war, wenn er die Augen geschlossen hielt. "Yes!" Morfrey schlug sich ins Fäustchen. "Gewonnen!" Daniel machte einen Luftsprung und stürzte sich auf Yugi, der sein Glück noch nicht so recht fassen konnte. Tea klatschte und Bakura blickte nur kurz auf. "Warum bin ich immer in der falschen Gruppe!", murrte Tristan und wurde daraufhin von Duke in einen zärtlichen Schwitzkasten genommen. "Der Spaß ist das Entscheidende!!" "Au! Ist ja gut!" Tea schob die Sonnenbrille höher und rollte sich zur Seite. "Wie geht's dir, Joey?" "Hm?" Der Blonde hob die Hand, zog sich das Tuch aus dem Gesicht und blinzelte müde in ihre Richtung. "Geht schon." "Haben sich die Kopfschmerzen gebessert?" "Ein bisschen." "Du Armer." Tea seufzte und tätschelte seine Schulter. "Tea?" Plötzlich stand Bakura neben ihnen und das Mädel wandte sich ihm zu. "Ja? Was ist?" Bakura lächelte sanft und hockte sich neben sie, Joey verfolgte das Geschehen. Bakura reichte Tea das Buch und diese richtete sich auf. "Hier." Bakura wies auf eine Stelle und Tea nahm die Sonnenbrille ab. "Du hast das Buch doch schon gelesen, oder?" Tea betrachtete sich kurz den Titel und nickte. "Verstehst du diese Zeilen?" "Hm." Tea vertiefte sich und Joey rappelte sich auf. Er bewegte sich nur langsam und, betastete seine Stirn und warf einen beinahe schon zögerlichen Blick in das Buch. Seine Augen schweiften über die Zeilen und sofort als er sie erblickte, wirkte sein Gesicht so, als würde es auch den Rest der Farbe verlieren. Der Blonde schien innerlich zu erschrecken, beugte sich etwas nach vorn und verengte konzentriert die Augen. Seine Lippen bewegten sich kurz und dann ließ er sich vorsichtig zurückfallen, schüttelte ungläubig den Kopf und legte das Tuch auf das Gesicht zurück. Diese Zeilen... Zeilen? Nein, seit einiger Zeit war er nicht mehr dazu imstande, zu lesen. Wörter waren in seinen Augen nur schwarze Flecke und Zeilen wurden lediglich zu größeren Flecken. Alles verschwamm... und das schon seit knapp zwei Wochen! Die letzten Schultage hatte er nur mit viel Hinterlist und Anstrengung überstanden. Alles, nur nicht lesen! Das war ein Geheimnis, das er seit langem vor den Anderen verbarg. Selbst Kaiba hatte er nichts davon erzählt, hatte nur vorsichtige Andeutungen gemacht. Doch wenn er wieder in Domino war... ja, da würde er sich eben eine Brille besorgen. Er legte sich gemütlicher und atmete tief durch. War es normal, dass die Sehfähigkeit binnen so kurzer Zeit derartig nachließ? Nein, er wollte sich keine Gedanken darüber machen. Den gesamten Nachmittag verbrachten die fleißigen Sportler damit, sich brennende Matches zu liefern. Ihr Kampfgeist wuchs mit jeder Minute und nach zwei Stunden war auch Yugi mit Herz und Seele dabei, sich den Ball zu erkämpfen. Tea redete lange mit Bakura über jenes Buch, verwickelte sich mit ihm in ein richtig professionelles Gespräch. Joey jedoch, bewegte sich kaum und wusste später nicht einmal, ob er er eingeschlafen, oder nur mit Gedanken abwesend gewesen war. Jedenfalls kam er wieder zu sich, als man vorsichtig an seiner Schulter rüttelte. Da begann er sich wieder zu regen und zog sich das Tuch aus dem Gesicht. Neben ihm hockten Morfrey und Jordas, die freundlich grinsten und verdammt schwitzten! "Willst du was essen?" "Was?" Irritiert sah sich Joey um. "Wie spät ist es denn?" "Halb sieben!", rief Tristan vom Spielfeld zu ihm rüber. "Bist du hungrig?" Auch Eddie erschien plötzlich über ihm. "Than come on." "Öh... ja ja." Joey stöhnte, kämpfte sich umständlich auf die Beine und machte sich auf den Weg zum Abendbrot, das so unglaublich schnell auf ihn zugekommen war, dass er eigentlich gar keinen Hunger hatte. Er musste eingeschlafen sein, der Tag war viel zu schnell an ihm vorbeigezogen und als er den Speisesaal betrat und unter dem lauten Geschnatter der Anwesenden die Miene verzog, wünschte er sich, bereits friedlich in seinem Bett zu liegen. Während des Schlafes spürte er die Kopfschmerzen wenigstens nicht. Und die hatten sich in der Zwischenzeit wieder nur etwas gebessert, um das zu erwähnen. Als sie sich einreihten, blickte sich Joey suchend um. Um ehrlich zu sein, Kaibas Anwesenheit war das Letzte, das er heute brauchte. Es ging ihm nicht gut, also wollte er seine Ruhe haben und auf keinen Fall wollte er sich in dieser Verfassung mit ihm in die Haare bekommen. Er war etwas gestresst und befürchtete, zu leicht reizbar zu sein, wenn man ihm blöd kam. Doch Kaiba war nicht hier und Joey wünschte sich, daran würde sich vorerst nichts ändern. Zu lange sollte er jedoch auch nicht wegbleiben... schon jetzt neigte Joey dazu, wieder über ihn zu grübeln, sich beinahe schon Sorgen zu machen. Wenn er wirklich im Dorf war... was machte er dort? Vielleicht hatte er ja nachgedacht? Vielleicht wollte er ja jetzt mit ihm sprechen? Joey begann seine Schläfen zu massieren. Nachher würde er sich gleich hinlegen... auf diesem Wege konnte nichts schief gehen. Und am morgigen Tag, wenn es ihm wieder gut ging, dann konnte er über all das nachdenken und seinen gesunden Kopf durch übermäßiges Sinnieren strapazieren. Dann würde er vielleicht auch die Kraft finden, mit Kaiba zu sprechen, vorausgesetzt, dieser kehrte bald zurück. Eher als gedacht, erreichten sie das Ende der Schlange, bedienten sich und suchten sich Plätze. Auf Joeys Teller herrschte eine gähnende Leere, nur zwei Oliven rollten einsam und verlassen von einer Seite zur anderen. Verwunderte und besorgte Blicke trafen ihn von allen Seiten, doch ansprechen und nerven tat ihn niemand. Und so war Joey dazu imstande, reglos dort zu sitzen und abwesend mit der Gabel nach den Oliven zu stochern. Und so ließ es sich leben. Er musste nicht sprechen, niemandem Rede und Antwort stehen oder sich anderweitig anstrengen! Und während er eine Olive vom Teller schubste und sie unter den Tisch rollen ließ, sah er vor seinem geistigen Auge ein herrliches Bett. Neben dem Bett stand ein blumiges Schild mit der Aufschrift: Hüpf doch rein! Ein lustloses Grinsen zog an seinen Lippen, bevor er die letzte Olive mit der Gabel durchbohrte und zum Mund hob. >Hoffentlich kann ich das irgendwie regeln<, dachte er sich, als er kaute und mit der Zunge nach dem Kern tastete. >Zuerst dieser blöde Streit, der mich beinahe um den Verstand bringt und so unglaublich wütend macht...< Er schloss die Hand verkrampft um die Gabel, biss die Zähne zusammen. >Und das noch diese herrlichen Kopfschmerzen...? Halleluja! Wenn die Kopfschmerzen nicht wären, wäre alles noch halbwegs erträglich. Aber so? Hab keine Lust mehr!< Unter einem leisen Jammern beugte er sich nach vorn und schüttelte den Kopf, was er äußerst vorsichtig tat. Die Anwesenden hoben verdattert die Augenbrauen. An diesem Abend wurde es im Esssaal einfach zu laut und so hielt es niemand lange dort aus. Nach einer Rekordzeit verließen sie das Gebäude und kehrten zu den Bungalows zurück. Wieder starrte Joey auf den Boden, das Tuch presste er sich auf die Stirn. Irgendwie war ihm mulmig zu mute. Er blickte flüchtig auf, lugte nach beiden Seiten und biss sich auf die Unterlippe. Wenn er nicht sofort in sein Bett kam, dann rastete er noch aus! "Kommt ihr noch mit zu uns?", erkundigte sich Daniel guter Laune, als sie eine kurze Pause einlegten. "Ich weiß nicht..." Duke lugte zu Joey. "Gnade... nein, ich will in mein Bett." "Na gut." Duke zuckte mit den Schultern und wandte sich an die anderen. "Unserem Joey geht's nicht gut. Ihr könnt ja noch zu Daniel gehen, ich passe auf ihn auf." "Häh?" Joey warf ihm einen überraschten Blick zu. "Ich brauche keinen Aufpasser." "Heute Morgen wärst du beinahe die Leiter hinunter gestürzt", erwiderte Duke, doch Joey schüttelte den Kopf. "Ich werde es ja wohl schaffen, mich hinzulegen", protestierte er mit einer Stimme, die keinen Widerspruch duldete. "Amüsiert euch ruhig, ich kann mich am besten erholen, wenn ich allein bin!" Die Gruppe wechselte flüchtige Blicke, Duke runzelte skeptisch die Stirn. "Wirklich...?" "Ja." Joey weitete genervt die Augen. "Es sind bloß Kopfschmerzen." "Na gut." Kurz darauf öffnete Joey die Tür des Bungalows und trat ein. Schlürfend trat er in den Flur, ließ das Tuch sinken und hob die Hand zur Badtür. Er wollte noch duschen, bevor er sich hinlegte. Träge schloss er die Tür hinter sich, schlürfte auf das Waschbecken zu und stützte sich darauf ab. Wer auch immer da oben saß - er schien ihm nicht sympathisch zu sein. Joey seufzte, warf das Tuch zur Seite und richtete sich auf, um in den Spiegel blicken zu können. Ein junger Mann mit wüstem Haar und trüben Augen starrte ihn an. Lange ließ er sich anstarren, dann stöhnte er erschöpft, löste die Hände vom dem Keramik und betastete seine Wangen. Na, wenigstens Fieber schien er nicht zu haben. Dann war ja alles in Ordnung. Tollpatschig öffnete er seine Hose, ließ sie samt Shorts über die Beine rutschen und stieg hinaus. Die Dusche wirkte so verlockend. Das kalte Wasser würde ihm sicher gut tun. Wieder blinzelte er angestrengt und befreite sich mit umständlichen Verrenkungen aus dem Hemd. Wie froh würde er nur sein, wenn er diesen abscheulichen Tag endlich hinter sich hätte! Er lehnte sich gegen die Tür der Kabine, schob sie auf und verschwand somit hinter ihr. Die Dusche sagte Joey so zu, das es ihm schwer fiel, sie zu verlassen. Länger als geplant, hielt er sich in ihr auf und als er dann endlich wieder auf den trockenen Fliesen stand, bemerkte er mit Entzücken, das seine Schlafsachen oben lagen. Er zögerte lange und grübelte, was er nun tun sollte. Letzten Endes schlüpfte er wieder in die Shorts und stülpte sich das leichte Shirt über. Und ohne dem Rest der Kleidung, der verstreut auf dem Boden lag, Beachtung zu schenken, schlürfte er auf die Tür zu und griff faul nach der Klinke. Plötzlich war es schwerer, sie hinabzudrücken. Er stöhnte, drückte die Tür mit der Schulter auf und trottete schwerfällig durch den Flur in das Wohnzimmer. Dort nahm er kurz darauf Geraschel wahr, es schien da jemanden zu geben, der irgendetwas suchte. Müde fuhr er sich durch den Schopf und verlangsamte seine Schritte. "Wo zur Hölle sind die Unterlagen!" Als Joey jene Stimme hörte, hielt er inne. Er hatte das Wohnzimmer erreicht, ließ die Hand sinken und weitete überrascht die Augen. Kaiba kauerte mit dem Rücken zu ihm vor dem flachen Tisch und durchsuchte den hohen Berg von Zetteln und anderen Mappen und Folien. Er fluchte, suchte weiter und warf nebenbei eine dünne Akte auf den nebenstehenden Sessel. "Ich habe es doch hier..." Plötzlich verstummte er, hielt auch in den Bewegungen inne. Joey regte sich nicht, stand nur da und starrte ihn an. Er war so früh wieder hier? Nach nur wenigen Sekunden drehte sich Kaiba ruckartig zu ihm um und starrte ihn an. Nach einer kurzen Musterung wandte er sich jedoch wieder ab und suchte weiter. Joey verzog die Augenbrauen, legte den Kopf schief. Er blinzelte und warf der Treppe einen sehnenden Blick zu. Da oben war sein Bett. Doch hier unten? Er stand lange da, ohne weiterhin beachtet zu werden und trat erst nach einer langen Zeit des Zögerns näher. Seine Schritte waren noch immer etwas unsicher, als er sich dem Brünetten von hinten näherte. Beinahe schon unbewusst hielt er einen gewissen Abstand und rieb sich die Stirn, hinter der es wieder rumorte. "Hab gehört, du warst im Dorf...?", nuschelte er. "Richtig gehört", kam die knappe Antwort. Joey verdrehte die Augen, senkte den Kopf und setzte zum Gähnen an. Eigentlich war er zu müde, um zu debattieren, doch er befürchtete, dass er in den nächsten Tagen keine Gelegenheit mehr dazu hätte. Sicher würde Kaiba wieder im Dorf verschwinden und sich kaum noch blicken lassen. Also brachte er es jetzt einfach hinter sich. "Das ist cool... das ist richtig cool." Wieder legte Kaiba eine kurze Pause ein und warf Joey einen drohenden Schulterblick zu. "Hast du ein Problem?" "Problem?" Joey blickte auf. "Ähm... ja, könnte man so sagen. Und du scheinst auch ein Mächtiges zu haben, hm?" "Pah!" Kaiba begann wieder zu wühlen. "Ich finde es jedenfalls nicht sehr lustig, angeschnauzt zu werden, obwohl ich nichts getan habe." Joey zuckte mit den Schultern. "Und noch weniger lustig finde ich, wie du dich aufspielst." "Ach!" Kaiba schmiss eine Mappe zur Seite. "Wie spiele ich mich denn auf!" Joey grübelte nur kurz. "Total... bescheuert? "Besch...!" Kaiba erhob sich, nun, vielmehr sprang er auf und fuhr zu Joey herum. Dieser hob unbeeindruckt die Augenbrauen. "Der Einzige, der sich bescheuert aufspielt, bist du!" "Ach." Joey verschränkte langsam die Arme vor dem Bauch und atmete tief durch. "Ich drehe sicher nicht durch und benehme mich wie ein Schlägertyp, der grundlos über Andere herfällt und..." "Grundlos!", wiederholte Kaiba ungläubig. "Grundlos??" "Ja." Joey rieb sich die Stirn. "Würdest du bitte nicht so schreien. Ich habe verdammte Kopfschmerz..." "Ich sage dir jetzt mal, welche Gründe ich besitze!" Mit wenigen Schritten stand Kaiba vor ihm, gelangweilt blickte Joey auf. Das Gesicht des Brünetten zuckte verbissen, als er die Hand hob. Er machte den Anschein, als wäre er kurz davor, auszurasten. Laut schreien tat er ja jetzt schon, was überaus übertrieben wirkte. Joey verstand es nicht, hatte auch keine Lust, darüber nachzudenken. Es ist nun einmal wie es ist, dachte er sich nur, versteh den einer. "Das fände ich nicht schlecht", erwiderte er, als er Kaibas brennenden Blick unbeeindruckt erwiderte. "Aber denkst du nicht, dass du das schon eher hättest tun können? Ich habe keine Lust, unter diesen beschissenen Umständen zu leiden und nicht zu wissen, warum es so i..." "Du!", unterbrach Kaiba ihn schroff. "Du hältst es wohl nicht für nötig, deine Nase aus meinen Angelegenheiten herauszuhalten! Dauernd mischst du dich ein und versuchst alles besser zu wissen, obwohl du keine Ahnung von alledem hast! Du nimmst alles zu locker und wenn ich mich dir nicht füge, dann wirst du wütend!" "Wo... wovon zur Hölle redest du?", entrüstet ließ Joey die Arme sinken. "Wenn ich Probleme mit meiner Firma habe, dann ist es mein alleiniges Problem! Und es liegt auch nur bei mir, ob ich nach Domino zurückkehre oder nicht! Du hast das nicht zu entscheiden! Ich habe trotzdem auf dich gehört und nun droht ein unglaublich wichtiges Projekt in sich zusammenzustürzen!!" "Moment mal!" Joey fuchtelte mit den Händen. "Du meinst jetzt nicht die Angelegenheit vor..." "Und dieses ganze Getue!!" Wieder ließ Kaiba ihn nicht aussprechen. Hinzukommend wurde er lauter und lauter und Joey schnitt unter einem stechenden Schmerz in seinem Kopf eine Grimasse. "Es ist immer so! Wenn ich keine Lust auf diese und jene Sache habe, dann hat man mich nicht zu ihr zu zwingen! Ich entscheide, was ich mache, nicht Andere! Wo kommen wir denn hin, wenn ich nach der Pfeife anderer tanze!!" "Was?!" Joey traute seinen Ohren nicht. Das musste er jetzt falsch verstanden haben! Kaiba trat auf ihn zu und ohne dass er es seinen Beinen befahl, wich er vor ihm zurück. "Außerdem halte ich diese Gesellschaft nicht länger aus! Yugi, für den die Welt immer in Ordnung ist!!" Kaiba weitete die Augen. "Ich kann sein Gesicht nicht mehr sehen! Und gib verdammt noch mal den Versuch auf, mich in diese Gruppe zu integrieren! Ich habe noch nie dazugehört, gehöre jetzt nicht dazu und werde auch nie dazugehören! Du hast mir verdammt viele Menschen aufgebrummt, die ich auf den Tod nicht ausstehen kann!!" Als Joey die Lehne des Sessels hinter sich spürte, blieb er stehen. Er wusste nicht, was er sagen sollte. Er fühlte sich überrumpelt, konnte nicht schnell genug realisieren, was Kaiba da sagte, um reagieren zu können. Er starrte ihn ungläubig an und dieser holte aus, zum letzten vernichtenden Schlag. "Daniel Ray Willis Osfordt!!", schrie er. "Ich habe dir gesagt, was ich von ihm halte! Und doch verbrachte ich weitere Tage mit ihm!!" "Was zur Hölle verlangst du von mir?!" Auch Joey wurde laut. "Ich kann ihn verdammt gut leiden! Und du kannst mir nicht befehlen, mich gänzlich von ihm fernzuhalten, weil es bei dir anders ist! Er hat dich kaum angesprochen, also stell dich nicht so an! Du tust, als wäre schon sein Anblick unerträg..." "Und was, wenn dem so ist?" Wieder näherte sich Kaiba ihm und Joey schob sich an dem Sessel vorbei, trat weiterhin zurück. "Was hast du von mir erwartet?!" "Auf jeden Fall nicht, dass du dich an die Fersen eines Typen hängst, dessen Vater mich beinahe umgebracht hat!!" Das waren sie! Diese Worte ließen Joey zu Eis erstarren. Er blieb stehen. "Dir scheint es ja herzlich egal zu sein! Aber mir nicht!" Kaiba schlug sich gegen die Brust. "Du hast es nicht am eigenen Leib erlebt! Du weißt nicht, wie es war!!" Joey entfloh seinem Blick, starrte mit ausdrucksloser Miene auf den Boden. "Du kannst dir nicht einmal im Entferntesten vorstellen, was ich durchgemacht habe!!" "Mein Beileid." Joey biss sich auf die Unterlippe. "Aber vergiss nicht, auch ich hätte den vergifteten Kaffee trinken, und das alles durchmachen können. Die Chancen standen fünfzig zu fünfzig. Aber ich bin trotzdem froh, dass ich es nicht getan habe, damit du meine Leiden nicht erlebt musstest, während du im Krankenhaus lagst und dein Schicksal in meinen Händen lag." Kaiba hielt inne, seine hastige Suche nach Worten endete erfolglos. Doch Joey übernahm es. Langsam richtete er sich aus der zusammengesunkenen Haltung auf und als sich ihre Blicke trafen, wirkte keiner von ihnen in jeglicher Art und Weise unterwürfig. Joey musterte Kaibas Züge gemächlich. "Du fühlst dich sicher gut, hm Kaiba? Jetzt, wo du einen guten Grund gefunden hast, um ihn zu hassen." "Was...", Kaibas Augen weiteten sich, eine Wut, die sich durch nichts aufhielten ließ, schien von ihm Besitz zu ergreifen. Kurz starrte er den Blonden schweigend an, "... was meinst du damit!", zischte er dann scharf und verengte die Augen. In dieser Situation sollte Joey seine Worte genug durchdenken, bevor er sie aussprach, doch er tat nichts dergleichen. Seit langem war er Kaiba ebenbürtig, durch nichts zu erschüttern. "Du hast mir eine Menge gesagt." Wieder zuckte er mit den Schultern. "Die wahren Gründe kenne ich jedoch nicht... nur Ausflüchte, um die Wahrheit zu verschweigen. Wie lange hast du gebraucht, um dir all das zurechtzulegen? Ich glaube einfach nur, das du durch die Probleme in deiner Firma sehr gestresst und besorgt bist, deshalb angespannt. Und jetzt kommt noch so einer wie Daniel. Erzähl mir was du willst, ich kenne dich zu gut, um mich blenden zu lassen." Auch Joey senkte die Stimme. "Allerdings... ich kenne dich so gut, dass ich bemerke, dass du unmöglich derselbe Kaiba sein kannst, mit dem ich zu dieser Klassenfahrt aufgebrochen bin. Binnen kürzester Zeit hast du dich verändert, weißt du das? Was ist nur mit dir los." "Nicht ich habe mich verändert!" Kaiba lachte verbissen, schüttelte selbstsicher den Kopf. "Du bist es doch, der auf so unglaubliche Art und Weise zu diesem..." "Bind mir keinen Bären auf!" Joey stöhnte, ließ den Kopf sinken und rieb sich die Schläfen. "Ich sag dir jetzt mal, was ich von alledem denke! Selbst unter den grausamten Umständen würdest du nicht nach solchen Mitteln greifen, um etwas gegen Daniel in der Hand zu haben. Du weißt genau, dass er nichts damit zu tun hatte und wenn du dir dessen nicht bewusst bist, dann weißt ich auch nicht weiter." "Nimm dieses Schwein ruhig in Schutz!" Kaiba machte eine abwertende Handgeste. "Diesem verdammten Heuchler ist doch dasselbe zuzutrauen!" "Was?" "Aber dir ist es ja gleichgültig, denn er ist ja so lustig!" "Zieh ihn nicht in den Dreck!" Joey hob drohend den Zeigefinger und trat langsam zur Seite, um sich Freiraum zu verschaffen. Kaiba folgte ihm lauernd. "Du kennst ihn doch überhaupt nicht!!" "Oh ja, denn im Vergleich gebe ich mich nicht mit solchem Abschaum ab!" "Noch ein Wort...!!" Joey schnappte nach Luft. "Er ist eine Gefahr für die Menschheit... das größte Übel neben der Pest!!" Kaiba hörte nicht und augenscheinlich genoss er es sehr, sich über den Rivalen auszulassen. "Er und seine dümmlichen Freunde haben hier..." "Halt's Maul!!" Joey blieb stehen, seine Hände ballten sich zu verkrampften Fäusten. Sein Körper überzog eine eiskalte Gänsehaut und mit einem Mal blieb er stehen. "Du bist so jämmerlich, Kaiba!!" "Ich?!" Kaiba blieb vor ihm stehen, blickte verächtlich auf ihn herab. Ein entsetzliches Grinsen zerrte kurz darauf an seinem Mundwinkel und er sprach den Satz, der ihm seit langem auf der Zunge lag. "Dieser Kerl ist um keinen Deut besser als sein Vat..." Weiter kam er nicht. Mit voller Wucht traf eine Faust sein Kinn und er verlor die Balance. Er stolperte zur Seite, krallte sich jedoch rechtzeitig in der Sofalehne fest, bevor er zu Boden gehen konnte. Dort verharrte er mit gesenktem Kopf und in diesen Sekunden war der hastige Atem des Blonden das einzige, das man vernahm. Kaiba blinzelte, begann sich zu bewegen und richtete sich langsam auf. Er bewegte den Unterkiefer, hob auch die Hand, um ihn zu betasten. Joey starrte ihn an, noch immer hielt er die Hände zu Fäusten geballt, schien jedoch von sich selbst entsetzt zu sein, nicht zu glauben, was er gerade getan hatte. Gemächlich fuhr sich Kaiba über die Unterlippe, wischte das Blut fort und atmete tief durch. Er atmete leise ein, als er ausatmete, entrann seinem Hals jedoch ein leises Knurren und bevor sich Joey versah, stürzte er auf ihn zu, packte ihn grob an den Armen und stieß ihn hinterrücks gegen die Wand. Einer dumpfer Laut ertönte, die Vase auf dem flachen Tisch vibrierte kurz. Joey zischte auf, als ein unglaublicher Schmerz seinen Kopf durchzuckte. Er wand sich in dem brutalen Griff, kam nicht frei. "Du bist der Jämmerliche!!" Kaiba zog ihn zu sich, stieß ihn erneut zurück. Er war nicht bei Sinnen. "Wie kannst du es wagen...!!" Mit aller Kraft rammte er sich Joey gegen ihn, gemeinsam stolperten sie in den Flur und Kaiba stieß kurz darauf hart mit der Schulter gegen die Wand. Sofort richtete sich Joey auf, seine Hände schlugen sich in Kaibas Schultern, dieser packte ihn erneut und nach einer kurzen Rangelei gingen sie beide zu Boden. Sie räkelten sich nur kurz, bevor sie sich wieder aufeinander stürzten. Hart schlugen sie die Finger in den Kragen des Anderen und wirbelten herum. Als Joey jedoch plötzlich stolperte und sich seine Hände lösten, glitt auch Kaiba ab. Ebenso wie der Blonde, verlor er das Gleichgewicht und so entfernten sie sich voneinander. Eilig krallte sich Kaiba an die Lehne eines Sofas, Joey jedoch, schien keinen rechten Halt zu finden, taumelte, kippte zur Seite und lehnte an der Wand. Ein gedämpftes Stöhnen entrann seinem Hals, als er benommen die Hände hob und sich gegen das Holz stützte. Kaiba richtete sich langsam auf und Joey stieß ein ersticktes Ächzen aus, schloss verkrampft die Augen und presste sich eine Hand auf die Stirn. Stockend drehte er sich, tastete sich weiter und beugte sich nach vorn. Sein Kopf! Der Schmerz, der wieder auflebte, brachte ihn um!! Ein unerträgliches Stechen... ein abscheuliches Rumoren, als würde ein Unwetter in seinem Schädel toben. Krampfhaft krallten sich seine Finger in die blonden Strähnen, er versuchte ein Bein vor das andere zu setzen, doch in dieser Sekunde ließen seine Knie nach und er rutschte hinab. Kaiba verfolgte das Geschehen mit verwirrter Miene, wusste nicht, was er denken geschweigedenn tun sollte. Keuchend stand er dort und starrte auf den Blonden, der auf dem Boden in sich zusammenkroch, mit beiden Armen den Kopf umschlang und gemartert stöhnte. "Ahh... verdammt!" Kraftlos biss Joey die Zähne zusammen, beugte sich tiefer und stützte die Stirn auf den Boden. Er bewegte sich unkontrolliert und stockend, brummte vor Schmerzen und zischte leise Flüche. Kaiba blinzelte, wandte den Blick ab und sah sich flüchtig um. Irritiert besah er sich die Umgebung, verzog die Augenbrauen und bewegte stumm die Lippen. Seine geballten Hände lockerten sich, seine Finger spreizten sich und er atmete tief ein, bevor er wieder auf Joey aufmerksam wurde. Es schien, als erwache er aus einer Hypnose, als verstünde er nicht, was in seiner Gegenwart geschah. Der Blonde atmete stoßweise, verschluckte sich und löste eine der Hände aus seinem Schopf. Zittrig tastete sie sich hervor, schob sich über die Fliesen und näherte sich Kaiba. "Seto..." Die Stimme war gedämpft, besaß keinerlei Kraft und dennoch trat der Angesprochene zögerlich einen Schritt näher. "Bitte..." Die Finger krümmten sich, die Hand ballte sich zu einer Faust. "Hilf m... mir... bitte!" Kaiba erreichte ihn, verwirrt schweifte sein Blick über den zitternden Körper, bevor er langsam die Hände hob und in die Knie ging. Er kauerte sich vor Joey, stützte sich ab und beugte sich über ihn. "Was ist mir dir...?" Die Hand ertastete Kaibas Hose, schnappte nach ihr und krallte sich in ihr fest. Kaiba selbst, schien nun vollends in die Realität zurückgekehrt zu sein. Als wäre soeben nichts passiert, neigte er sich tiefer und versuchte einen Blick auf Joeys Gesicht zu werfen. Schnell hob und senkte sich dessen Leib unter hastigen Atemzügen. Die Finger bohrten sich fester in den Stoff, wieder ein schmerzvolles Zischen. "Hilf mir!" Kaiba richtete sich auf, sah sich suchend um und wandte sich Joey zu. Nun wirkten seine Bewegungen flüssig und sicher. Mit einer unerwarteten Vorsicht griff er nach dem Arm, löste die Hand aus seiner Hose und tauchte unter ihr hindurch, um sie sich über die Schulter zu ziehen. Joey räkelte sich vor ihm, ächzte unter den Bewegungen und wurde kurz darauf in eine aufrechte Haltung gezogen. Er versuchte, erneut in sich zusammen zu kriechen, die andere Hand verblieb verkrampft auf seinem Gesicht. Kaiba warf nur einen knappen Blick darauf, stützte ihn und zog ihn auf die Beine. Der Blonde konnte sich dort kaum halten und so raffte Kaiba ihn höher, legte den Arm um seinen Rücken und drückte ihn an sich. Deutlich spürte er das krampfhafte Zucken, das den Körper durchlief, die Hand, die über seiner Schulter lag, krallte sich schmerzhaft in seine Haut und Kaiba vergeudete keine Zeit, trug ihn mich sich und erreichte schnell eines der Sofas. Behutsam ließ er ihn auf den Polstern sinken und stützte ihn auch, als sich Joey zurückfallen ließ. Er hielt eine Hand unter seinen Nacken, ging mit ihm in die Hocke und zerrte kurz ein Kissen zu Recht. Unter einem erschöpften Stöhnen blieb der Blonde daraufhin liegen, hob beide Arme und verdeckte mit ihnen das Gesicht. "Was ist mit dir los!", erkundigte sich Kaiba erneut, als er die Hand zurückzog und langsam auf die Beine kam. All die Wut hatte sich aus seiner Stimme verloren, das einzige, was aus ihr sprach, war Besorgnis. Verdattert wartete er auf eine Antwort. Unter den Armen blinzelte Joey kurz und schloss sogleich wieder die Augen. Der Schmerz hörte nicht auf. "Mein Kopf... mein verdammter..." Somit biss er die Zähne zusammen und knurrte angestrengt. Kaiba runzelte die Stirn, öffnete den Mund und schloss ihn, da er keine Worte fand. Noch kurz blieb er stehen, dann wandte er sich ab und steuerte in schnellen Schritten auf das Bad zu. Dort stieß er die Tür auf, grabschte nach dem ersten Handtuch, das er erspähen konnte und warf es in das Waschbecken, um es mit kaltem Wasser zu befeuchten. Seine Augen waren grübelnd auf den Stoff gerichtet, der sich schnell mit der kalten Nässe voll sog. Langsam stützte er sich ab, betrachtete sich kurz im Spiegel und hob die Hand, um mit ihr über die blutige Lippe zu fahren. Daraufhin senkte sich die Hand, stellte das Wasser aus und griff nach dem Handtuch. "Verdammt!" Er wrang es flink aus und kehrte in das Wohnzimmer zurück. Joey hatte die Beine angewinkelt und wollte gerade nach einem Kissen tasten, als er ihn erreichte. "Hier." Kaiba zog das Kissen fort, beugte sich zu ihm hinab und legte das kühle Handtuch auf seine Augen und die Stirn. Sogleich vernahm er ein erleichtertes Stöhnen. Joey drückte den nassen Stoff fester auf seine Haut und sein Mund öffnete sich genüsslich. "Danke...", flüsterte er matt und atmete tief durch. Der Brünette richtete sich auf und warf einen kurzen Blick zu den Beinen, die sich vorsichtig auf dem Sofa ausstreckten. Grüblerisch biss er sich auf die Unterlippe, drehte sich leicht zur Seite und betastete seine schmerzende Wange. Neben ihm ertönte der schwere Atem und er blickte durch das Fenster nach draußen, schob sich die langen Haarsträhnen zurück und schüttelte langsam den Kopf. Joey ließ die Arme sinken, faltete die Hände auf dem Bauch und seufzte leise. Ja, nun wurde es besser. Die Schmerzen klommen ab, bis nach wenigen Minuten lediglich ein unangenehmes Stechen zurückblieb. In dieser Zeit herrschte Schweigen. Kaiba bewegte sich nicht, besah sich abwesend die Stämme der Bäume, die sich vor dem Fenster reihten, Joey behielt die Augen geschlossen, entspannte sich allmählich. Weitere Zeit verging und Joey löste die Hände voneinander. Eine blieb reglos auf dem Bauch liegen, die anderen hob sich matt und tastete. Als Kaiba eine flüchtige Berührung spürte, riss er sich von der abwesenden Beobachtung los und wurde auf die Hand aufmerksam, die sich in den Ärmel seines Pullovers hakte, sich an ihm baumeln ließ, wieder ein Seufzen. "Was ist, Seto." Joey behielt die Augen geschlossen, nur seine Lippen bewegten sich. "Müssen wir uns jetzt schon prügeln, um Unklarheiten zu regeln?" Kaiba besah sich die Hand, blickte dann auf und blinzelte. Die Hand begann leicht zu zupfen. "Lassen wir das... das ist doch nicht unsere Art." Noch immer antwortete Kaiba nicht und Joeys Hand glitt ab, sank hinab. Der Brünette bearbeitete die Unterlippe mit den Zähnen. "Ich... wollte dich nicht schlagen." Nun tastete Joey doch nach dem Handtuch, hob es etwas an und hob die Lider ein Stück, um Kaiba sehen zu können. Es kostete ihn viel Anstrengung, doch er hielt durch. "Mir geht's nicht gut, ich kann mich nicht konzentrieren oder mein Handeln überblicken." Endlich erwiderte Kaiba seinen Blick. Ausdruckslos sah er ihn an, verschränkte die Arme vor dem Bauch und ließ sie sogleich unentschlossen sinken. Seine Lippen bewegten sich stumm und dann wandte er Joey den Rücken zu, stieß einen leisen Fluch aus und raufte sich die Haare. Der Blonde verzog die Augenbrauen, atmete tief durch und versuchte erneut seinen Ärmel zu erreichen. "Hey... was ist mir dir?" Kaiba hielt die Luft an, schloss verbissen die Augen und brummte. Er zögerte lange, bevor er Joey eine Antwort lieferte. "Ich...", er stockte, wagte nicht, dem Blonden in die Augen zu blicken, "... ja, ich habe wohl einen Fehler gemacht!" "Was für einen Fehler...", erkundigte sich Joey nuschelnd. Wieder fuhr sich Kaiba durch das Haar, sah zur Decke des Raumes auf und drehte sich um. Er wollte fortfahren, bekam jedoch kein Wort zustande und rieb sich die Stirn. Joey blinzelte matt, drückte das Handtuch auf die Augen zurück. "Es hat überhaupt nichts mit Daniel zu tun... oder?" "Ich... ähm... nein." Kaiba stockte und blieb hängen. "Nein." Ein kraftloses Lächeln zog an Joeys Lippen. "Und mit mir oder Yugi auch nicht." Kaiba wollte widersprechen, grübelte verbissen und sah letzten Endes wieder keine andere Möglichkeit, als den Kopf zu schütteln. "Nein..." Joey wirkte nicht sehr überrascht, als er das Handtuch erneut zur Seite zog und zu Kaiba blinzelte. "Warum machst du es dir dann so schwer...?", hauchte er. "Glaubst du, das war meine Absicht?" Endlich fand Kaiba Worte. Er sah ihn an, gestikulierte mit den Händen. "Ich hätte es mir auch anders gewünscht, aber es ist einfach alles dazwischen gekommen!" "Was ist dazwischen gekommen..." Endlich erreichte er wieder Kaibas Ärmel und hakte sich in ihn. "Sag es, was ist mit dir." Mit dieser Antwort zögerte Kaiba. Lange stand er schweigend dort, starrte vor sich hin und grübelte. Er schien nach einer Tatsache zu suchen, die sich in einer versteckten Ecke seines Kopfes eingenistet hatte, verdrängt worden war. Er sinnierte und als er auf des Rätsels Lösung gekommen war, wirkte er noch unentschlossener. Er bewegte die Lippen, rollte mit den Augen und gab undefinierbare Laute von sich. Joey wartete geduldig, wartete, bis Kaiba erschöpft stöhnte und den Kopf hängen ließ. "Ich bin überfordert!" Joey hob die Augenbrauen, doch wenn er ehrlich war, hatte er mit nichts anderem gerechnet. Seit Kaiba wieder arbeiten durfte, hatte er es maßlos übertrieben. Nun, eigentlich hatte er so gearbeitet wie früher auch, doch nach jenen Vorfällen, die nicht nur seinen Körper geschwächt hatten, war es unzumutbar, diesen alten Plan zu verfolgen, ihn wieder aufzunehmen. Wochenlang war er nicht ansprechbar gewesen, hatte nur die Arbeit im Kopf gehabt und sich um nichts anderes gekümmert. Natürlich, es gab viel nachzuholen, viel zu berichtigen und viele Träume, die zu Realität werden sollten, doch all dies brauchte seine Zeit und die hatte sich Kaiba nicht genommen. Schon bevor sie zu dieser Klassenfahrt aufgebrochen waren, war Joey aufgefallen, das Kaiba weniger Nerven hatte, die strapaziert werden konnten. Auch um Mokuba hatte er sich wenig gekümmert... Er hatte sich an der Klassenfahrt beteiligt, da andere ihn darum gebeten hatten, nicht aus eigenem Willen. Und dennoch wäre vieles anders gekommen, hätte er das Handy zurück gelassen, ebenso seinen Laptop und Akten, die überarbeitet und kontrolliert werden mussten. Die lange Reise, Daniel Ray... alles, was doch recht harmlos war, hatte schwerere Auswirkungen auf ihn genommen als normal und letzten Endes hatte er sich von all dem Stress in die Knie zwingen lassen, war nicht mehr er selbst gewesen. Deshalb die Aufregung, als Joey ihn auf die Firma angesprochen hatte. Daniel, der dazu auserkoren war, Sandsack zu spielen und alle anderen, an denen er sich abreagieren konnte. Kaiba rieb sich die Stirn und Joey wandte den Blick ab. "Es tut mir Leid." "Wenn es nur das ist?", antwortete Joey leise und tastete nach dem Handtuch, da meldete sich etwas in seinem Kopf, das er überhaupt nicht mochte. Kaiba starrte ihn irritiert an und der Blonde lachte leise. "Für kurze Zeit dachte ich schon, es stecke etwas Schlimmeres dahinter." "Hm?" "Ich sagte dir doch, habe dich sogar darum gebeten und dich angefleht, die Arbeit nur langsam aufzunehmen. Du hast selbst zugegeben, was für Schäden das Gift angerichtet hat. Du übernimmst soviel Verantwortung... warum nicht auch für dich selbst?" Er verzog gequält das Gesicht und presste das Handtuch auf die Stirn zurück. Kaiba wusste nicht, was er sagen sollte. "Hörst du jetzt auf mich? Tust du während dieser Klassenfahrt einmal das, worum ich dich bitte? Für dein eigenes Wohlergehen?" "Was meinst du damit?" Joey seufzte leise. "Handy ausschalten, Akten, Unterlagen und Laptop wegstecken und für niemanden erreichbar sein." Kaiba ließ den Blick sinken, betrachtete sich Joeys Hand, die noch immer an seinem Ärmel hing. "Wenn du so etwas auch nur manchmal einhalten würdest, würde es nicht zu solchen Auseinandersetzungen kommen. Doch nicht wegen so einem Grund, Seto, daran darf es doch nicht scheitern." Wieder zupfte Joey. "Ich weiß... jeder weiß, das dir die Firma verdammt wichtig ist und das du alles für ihren erfolgreichen Fortbestand tun würdest aber du bist wichtiger als diese Firma und wenn es dir nicht gut geht, geht es der Firma auch nicht gut. Lass uns das alles einfach vergessen und schöne Tage erleben. Ich habe schon daran gezweifelt, in diesen Genuss zu kommen aber mir ist es ebenso wichtig wie dir die Firma, stell dir das mal vor." Kaiba schloss die Augen, ließ den Kopf sinken und tastete langsam nach der Hand. Er ergriff sie vorsichtig, umschloss sie mit der eigenen und drückte sie, worauf er sofort einen schwachen Gegendruck spürte und Joey lächelte. "Daniel ist nicht der einzige Mensch, den du nicht leiden kannst. Aber so wie ich dich kenne, hältst du dich von diesen Menschen fern, als dich mit ihnen anzulegen. Versuch das auch bei Daniel und ich schwöre dir bei allem was mir lieb und heilig ist, das ich dich nicht noch einmal vernachlässigen, und mich dir zuwenden werde, ganz egal, was in der nächsten Zeit passiert. Ich habe mich auch nicht korrekt verhalten, das gebe ich offen zu." Joey bewegte Kaibas Hand und endlich rang sich dieser zu einem leichten Nicken durch. "Ja...?" "...Ja." Das Lächeln kehrte auf das blasse Gesicht des Blonden zurück, noch strahlender, obgleich ihm Kraft fehlte. Hätten sie dieses Gespräch nicht führen können, bevor alles außer Kontrolle geraten war? So schwer war es doch beileibe nicht. Langsam zog Joey Kaibas Hand zu sich und zwang ihn somit, näher zu treten, was dieser tat. Den Blick auf den Boden fixiert, erreichte Kaiba das Sofa, ließ sich langsam auf die Knie sinken und zur Seite fallen. Vorsichtig bettete er seinen Kopf auf Joeys Bauch und spürte sogleich Finger, die zärtlich durch seinen Schopf strichen, mit seinen Strähnen spielten und ihn streichelten. Kurz blickte er sich um, dann schloss er die Augen und atmete tief durch. "Ich bereite dir nichts als Ärger, hm, Joseph?" Joey räusperte sich leise, seine Hand erreichte Kaibas Ohr. "Nicht mehr als ich dir." Somit blieb Kaiba reglos kauern und genoss das Graulen sichtlich. Es gab keinen Moment, in dem die Kopfschmerzen unangebrachter wären. Joey sehnte sich nach einer Umarmung, die auch die letzten Zweifel aus der Welt schaffte, mit der alles beendet war. Doch das...? Das war ebenso gut, auch wenn er sich kaum bewegen wollte und Kaiba nicht einmal sehen konnte. Er spürte nur ein leichtes Gewicht auf seinem Bauch, mal einen warmen Atem, der durch das dünne Shirt drang. Kaiba überlegte wieder, das wusste er genau, er kannte ihn zu gut, als das er es nicht bemerken könnte. Er grübelte über die Firma, seine Bitte und Daniel Ray, dem er keine übertriebene Freundlichkeit entgegen gebracht hatte. Und auch über etwas Anderes dachte er nach... "Was ist mit deinem Kopf?", hörte Joey ihn nach langer Zeit des Schweigens fragen. Sogleich brach Joey all seine Gedanken ab, seine Hände hielten in den zärtlichen Bewegungen inne. "Ich habe Kopfschmerzen", sagte er. Daraufhin verschwand das Gewicht von seinem Bauch, Kaiba richtete sich auf und Joey ließ die Hände sinken. "Und weiter?" Nun... scheinbar war er nicht der einzige, der den anderen genau kannte. Unter dem Handtuch konnte er fast unbemerkt eine Grimasse schneiden, dann berührte eine Hand sein Gesicht und schob den schweren Stoff über die Stirn, legte seine Augen frei. Sogleich begann Joey zu blinzeln und erkannte Kaiba über sich, der ihn misstrauisch und erwartungsvoll musterte. Diese guten Kenntnisse hatten also auch Schattenseiten, man musste ein exzellenter Schauspieler sein, um etwas verbergen zu können. Joey starrte nach oben, kalkulierte, ob er darauf wirklich eine ehrliche Antwort geben musste. Und es hatte den Anschein, als wäre genau dies der Fall. Kaiba besah sich seine Augen genau, beugte sich noch tiefer zu ihm, um die Strukturen der Pupillen zu erkennen. "Du kannst nicht das Programmheft lesen, wirst nachdenklich, wenn du ein Buch siehst und fragst mich hinzukommend über Augenprobleme und Brillen aus. Und was sollte dieses Getue in den letzten Schulwochen? Du hast dich vor jedem Lesen gedrückt und hast nicht abgeschrieben, was an der Tafel stand." Joeys Augen weiteten sich. Auch das exzellente Erinnerungsvermögen des jungen Geschäftsmannes hatte seine Nachteile. Und aufmerksam war er! Unentschlossen bewegte der Blonde die Lippen, räusperte sich leise und zog das Handtuch in die Stirn zurück. Warum sollte er Kaiba sein Geheimnis nicht mitteilen? Genau, es gab keinen Grund dazu. "In Ordnung." Unter einem leisen Seufzen schloss er die Augen. "Seit knapp einem Monat habe ich arge Probleme mit dem Sehen." Er blinzelte, um Kaibas Reaktion zu erkennen. Dieser runzelte die Stirn. "Du siehst schlecht." Er nickte. "Zuerst verschwamm die Schrift nur etwas, ich konnte sie noch lesen, wenn sie sehr nah war. Dann wurde es schlimmer und jetzt sehe ich nichts als Flecken und verschwommene Muster." "Aha." Kaiba stützte sich neben Joey auf die Ellbogen. "Und warum hast du es mir nicht eher gesagt?" "Ich nehme es nicht ernst." Joey war ehrlich, hob die Hände und rieb sich die Schläfen. "Ich brauch vermutlich eine Brille, mehr ist es nicht." "Und diese Kopfschmerzen?", hakte Kaiba nach, er nahm die Sache wesentlich ernster. "Seit wann treten sie auf?" "Erst seit wenigen Tagen." Joey stöhnte und zog sich das Handtuch wieder über die Augen. "Mit ein bisschen Ruhe wird das wieder." Kaiba erwiderte das Stöhnen. "Hoffen wir, dass es sich um eine normale Migräne handelt." "Greift so etwas auch die Augen an?", erkundigte sich Joey nuschelnd. "Ja, das Sehvermögen beeinträchtig sie jedoch nicht." "Hoffentlich ist Joey klar gekommen", äußerste Duke seine Ängste, als er mit den anderen den Bungalow erreichte. Es war spät geworden, Finsternis umgab sie. "Mach dir keine Sorgen", beschwichtigte ihn Tea. "Er hat sich sicher sofort hingelegt und schläft jetzt." Tristan öffnete die Tür, tastete nach dem Lichtschalter und trat ein. Alles war wie immer und so ließen sie der Umgebung nicht außergewöhnliche Beachtung zukommen. Tea streckte müde die Arme von sich, gähnte und verschwand im Bad, während sich die anderen auf den Weg nach oben machten. Tea war nicht die einzige, die müde war. Lachen und scherzen schwächte, das hatten sie bei dem Besuch in dem amerikanischen Bungalow gelernt. Schlendernd betraten sie den Flur, erreichten schnell die Tür zum Schlafraum und öffneten auch diese. "Weiß jemand, was für den morgigen Tag auf dem Plan steht?" Duke drehte sich zu den anderen um, tastete nebenbei nach dem Lichtschalter. "Ich glaube, wir fahren wieder an den See", antwortete Tristan. "Das ist schön." Yugi grinste, machte sich auf den Weg zu seinem Bett. "Ich..." "Pscht!" Wurde er plötzlich von Duke unterbrochen. Sofort blieb er stehen und rührte sich nicht vom Fleck. Duke, Tristan und Bakura bewegten sich auch nicht, standen nur da und starrten auf einen bestimmten Punkt. Verwundert folgte Yugi den Blicken, diese führten ihn zum Hochbett, um genauer zu sein, zum unteren Hochbett. Sprachlos öffnete er den Mund, bewegen konnte er sich immer noch nicht. Nur Duke trat langsam näher. Kaiba lag mit dem Rücken zu ihnen, die Decke wärmte ihn erst ab der Hüfte. Daran war nichts unnormales zu finden, außer der Tatsache, das er plötzlich zurückgekehrt war. Nein, das, was jeden in grenzenloses Erstaunen versetzte, war nicht nur er, sondern das, was sich hinter ihm verbarg. Knapp vor dem Bett blieb Duke stehen und neigte sich leise nach vorn. Zwischen Kaiba und der Wand lag Joey, zusammengerollt wie ein Igel, schmiegte er sich an Brust des jungen Mannes und schlief friedlich. Kaiba hatte den Arm um seine Schulter gelegt, hielt die Decke so, das sie den Blonden vom Hals an bedeckte. Duke wusste nicht, was er davon halten sollte. Verwirrt runzelte er die Stirn, bewegte die Lippen und richtete sich auf, um sich zu den anderen umzudrehen, die nicht viel gläubiger dreinblickten. Sie sahen sich an, zuckten mit den Schultern. "Haben sie sich heute Morgen nicht noch angeschrieen?", murmelte Tristan und kratzte sich am Kopf, all dies überforderte ihn sichtlich. "Ja, haben sie", bezeugte Duke schulternzuckend. "Wir müssen wohl irgendetwas verpasst haben." Nach einem weiteren Blick zu dem Bett musste sich Tristan eingestehen, dass er wirklich das Richtige sah. "Für mich hat es jedenfalls nicht so ausgesehen, als hätte Joey Lust, über irgendetwas zu debattieren." "Scheinbar haben sie sich trotzdem ausgesprochen." Yugi seufzte. "Wenn man sich streitet, muss man so etwas tun. Und dann wird alles wieder gut." "Diese 'kleinen' Streitereien machen mir Angst", gab Duke zu. "Ich dachte, sie würden sich bei dem nächsten Treffen an die Gurgel fallen. Tja, so kann man sich irren." "Morgen erwartet Joey ein umfassendes Interview." Tristan ließ sich auf sein Bett sinken. "Ich muss wissen, wie sie das angestellt haben. Und jetzt bin ich hundemüde." "Ja, legen wir uns schlafen." Als Joey eine langsame Bewegung spürte, erwachte er aus dem tiefen Schlaf, hob matt die Lider und befreite die Hände aus der Decke, um lahm mit ihnen zu tasten. Er schmuste mit etwas, das war glatt und hart, etwas anderes, als das, mit dem er eingeschlafen war. Tapsig glitten seine Hände über die Tapete, dann schloss er die Augen, brummte leise und rollte sich zur anderen Seite. Und dort ertastete er etwas Bequemeres. Kaiba lag auf dem Rücken und hielt die Augen ebenfalls geschlossen, als sich ein Arm unter der Decke über seinen Bauch schob, sich Finger etwas in sein Shirt krallten. Schläfrig rutschte Joey näher an ihn heran, bewegte sich, bis er gemütlich lag und verblieb reglos. Nun jedoch, begann Kaiba zu blinzeln. Er wirkte ebenso müde, als er die Augen einen Spalt öffnete und flimmernd auf das obere Bett starrte. "Baaaden", vernahm er da eine leise Stimme. "Genau das richtige an so einem heißen Tag." Langsam drehte er das Gesicht zur Seite und erspähte Duke, der nur in Shorts auf dem Boden hockte, die Füße umfasste und leicht nach vorn wippte. Müde zwinkerte er und setzte zum Gähnen an. Duke kratzte sich am Kopf. "Wie warm ist es?", erkundigte er sich. Tristan stand bereits angekleidet am Fenster, zog die Gardine zur Seite und lugte zu dem Thermometer, das an der Außenfassade angebracht war. "30 Grad", brummte er unzufrieden. "In dieser Frühe! Wie kann das sein?" Duke zuckte überfordert mit den Schultern und wurde dann auf Kaiba aufmerksam, der das Geschehen mit trübem Blick verfolgte. Er sah ihn an, hob die Augenbrauen und rang sich zu einem unentschlossenen Grinsen durch. Die auffälligen Gesichtsverzierungen der Beiden hatte er erst bemerkt, nachdem er aufgestanden war. Gestern hatte er sie übersehen und so war die Verwunderung umso größer gewesen. "Morgen." Kaiba verzog die Augenbrauen, brummte leise und drehte sich zur Seite. Er drehte sich zu Joey, tastete nach der Decke, zog sie über sich und den Blonden und legte den Arm über dessen Rücken. Er rutschte auch näher an ihn heran, bis sie eng beieinander lagen. Dann schloss er die Augen und regte sich nicht. Nur Joey murmelte etwas Abstruses und gähnte. Duke blähte die Wangen auf, drehte sich um und traf auf Tristans Blick, dieser zuckte mit den Schultern, was er gern erwiderte. Die Geschehnisse am gestrigen Tag waren ihnen ein Mysterium. Während die Beiden wieder zu schlafen schienen, erwachten die Anderen. Gemächlich schob sich Tea aus dem Bett, fuhr sich durch das Haar und verzog die Miene. "Stickig, macht bitte mal das Fenster auf." "Oh, das willst du sicher nicht." Duke grinste. "Hm?" "Zu heiß, das bringt dich um." Lässig erhob sich er Schwarzhaarige und schlenderte auf die Tür zu. "Ich gehe mal schnuppern." "Mm." Tea nickte, fuhr sich über das Gesicht und streckte sich ausgiebig. Dann fiel ihr Blick auf das Bett, indem sich zwei fest aneinander schmiegten und keine Lebenszeichen von sich gaben. Sie besah sich dieses Bild lange, da jedoch nichts Ungewöhnliches daran zu finden war und man sich allmählich daran gewöhnte, erhob sie sich kurz darauf und machte sich auf den Weg zum Bad. Duke war in der Zwischenzeit kurz davor, die Tür zu erreichen. Gemächlich griff er nach der Klinke, drückte sie hinab und öffnete die Tür. Die Hitze war wirklich unerträglich... das glaubte er zumindest, denn so recht konnte er nicht auf sie achten. Beinahe erschrak er, als er plötzlich die vier Amerikaner vor sich stehen sah. Alle trugen lediglich Hosen, Sonnenbrillen und viel Schweiß. Japsend und keuchend standen sie dort in der glühenden Hitze und brachten es nur zu einer begrüßenden Handgeste. "Lass uns rein, ja?" Eilig trat Daniel auf Duke zu und dieser wich aus, damit sich die Vier retten konnten. "Was zur Hölle ist das!" Morfrey stöhnte entkräftet und fächelte sich mit den Händen Luft zu. "Das kann doch nicht normal sein!" "Richtig, richtig." Eddie stützte sich auf die Knie. "Ich will 'nen kühlen See!", quengelte Jordas, der ganz rot im Gesicht war. Duke schloss die Tür hinter sich und folgte ihnen in das Wohnzimmer. "Bekommst du bald." Guter Dinge klopfte er Jordas auf die Schulter. Daniel atmete tief durch, zog sich die Sonnenbrille von der Nase und sah sich um. "Weilt Joey schon unter'n Lebenden?", erkundigte er sich scherzend und wandte sich an Duke, dieser wackelte mit dem Kopf. "Nur ein bisschen, er liegt noch oben." Daraufhin rieb sich der Amerikaner die Hände und lachte gehässig. "Dann werde ich ihn ma wecken gehn." "Versuchen kannst du es ja." Duke winkte ab und ließ sich in einen der Sessel fallen. "Am liebsten würde ich hier bleiben und gar nicht erst rausgehen", stöhnte er. Daniel war in der Zwischenzeit schon damit beschäftigt, die Stufen hinaufzusteigen und auf die Erlösung von seiner stetigen Schadenfreude zu hoffen. Duke warf sich gegen die Lehne, schloss die Augen und lauschte den langsamen Schritten. Irgendetwas störte ihn an diesen Schritten, störte ihn an der Tatsache, dass Daniel nach oben gehen, und Joey wecken wollte. Während die Amerikaner stöhnten und murrten, blinzelte er und verzog nachdenklich die Augenbrauen. Daniel stieg höher und höher und als beinahe das Ende der Treppe erreicht hatte, fuhr der andere Schwarzhaarige aus dem Sessel in die Höhe. "Nein, warte!" Hastig hob Duke die Hände und gestikulierte wild mit ihnen. "Geh da nicht hoch!" Verwundert hielt Daniel inne. "Why?" "Ähm...", Duke kratzte sich an der Stirn, grinste und schlenderte auf die Treppe zu. Jetzt musste er sich etwas einfallen lassen!! Für die japanische Clique war es keine Besonderheit, wenn sich Kaiba und Joey ein Bett teilten. Für andere jedoch...? "Waaaarum?" Daniel lehnte sich über das Geländer, legte den Kopf schief. "Öhm...", Duke dachte angespannt nach, "... na ja... Yugi hat, nein... Tea! Ja, genau! Sie zieht sich gerade um!" "Was tut sie?" Sofort war Morfrey ganz Ohr. "Ach so." Der Amerikaner verdrehte die Augen, machte selbstverständlich kehrt und stieg hinab. Duke dankte ihm für die gute Erziehung. Mit einem Satz ließ er die letzten Stufen hinter sich, setzte sich die Sonnenbrille auf die Nase und grinste auf seine schräge Art. "In ner halben Stunde gibt's Futter. Is sie bis dahin fertig?" "Ja, ganz sicher." Erleichtert klopfte Duke ihm auf die Schulter und nahm die Treppe in Angriff. Verwirrte Augen folgten ihm, als er schnell hinaufstieg und winkte. "Bin gleich wieder da." Daniel runzelte die Stirn und wandte der Treppe den Rücken zu. "Warum darf er hochgehn und ich nich? Was'n das für'n Gentleman!" Da niemand es wagte, Kaiba zu wecken, mussten sie die Beiden wohl oder übel zurücklassen und sich allein auf den Weg machen. Auch daran war nicht Außergewöhnliches zu finden und dennoch fühlten sie sich dabei nicht so gut wie sonst. Die beiden hatten sich vertragen, das stand in der Zwischenzeit fest und jeder in der japanischen Clique würde es bevorzugen, wenn sie sich wieder zu ihnen gesellten. Immerhin wollte sich jeder an dem erneuerten Frieden erfreuen. Während sie sich also auf den Weg machten, wirkten alle etwas nachdenklich und als Daniel Duke darauf ansprach, kratzte sich dieser an der Wange. "Sieht so aus, als hätten die beiden den Streit beigelegt." "Joey un dieser Kaiba?" Überrascht hob Daniel die Augenbrauen, so in der Art hatte jeder der Japaner reagiert. Es grenzte an der Unmöglichkeit. "Wie'n das?" "Das fragen wir und auch", seufzte Tea. "De beiden sah'n aus, als wollten se sich anfall'n." Grübelnd legte Daniel den Kopf schief. Daraufhin wechselten die Japaner verstohlene Blicke. "Sieht aus, als hätten sie das getan", murrte Tristan. Um der gnadenlosen Hitze schnell zu entgehen, beeilten sie sich und waren umso glücklicher über die herrlichen Klimaanlagen, die sich im Speisesaal erwartete. Während sie sich dann etwas Essbares besorgten, debattierten sie ausgelassen über das Mysterium: Joey - Kaiba! Sie diskutierten, rätselten und kamen zu keiner Lösung. Eine Prügelei und daraufhin die Versöhnung...? "Wir müssen Joey ausquetschen, wenn er mal allein ist", erklärte Duke mit vollem Mund, die Japaner nickten zustimmend und Eddie, Jordas und Morfrey runzelten die Stirnen. Sie fanden es ganz toll, dass man sich lediglich auf Japanisch unterhielt, hatten jedoch keine Lust, Fragen zu stellen. Also schwiegen sie und bewahrten sich davor, beleidigt zu sein. "Bei Kaiba will ich mich nur ungern informieren", trug Tristan zu dem immer noch anhaltendem Gespräch bei. "Ich habe ja keine Ahnung, wie er jetzt drauf ist. Vielleicht ist er nur mit Joey im Klaren und würde uns gern gebraten auf seinem Teller sehen." "Ojemine." Yugi seufzte und somit wandten sie sich dem Essen zu, um nicht weiterhin über all diese verwirrenden Dinge zu grübeln. Das strengte nur an und Anstrengung während der Klassenfahrt mochte niemand. Also ließen sie es sich schmecken und ließen sich erst nach knapp zehn Minuten ablenken. Duke und Tristan blickten auf, Yugi, Tea und Bakura drehten sich um und auch die Amerikaner wurden aufmerksam. In ein scheinbar amüsantes Gespräch vertieft, betraten Joey und Kaiba den Saal. Beide hatten mit der Kleidung gespart und sich mit dünnen Hemden und kurzen Hosen zufrieden gegeben. Kaiba hatte die Hände in den Hosentaschen verstaut, sah vor sich auf den Boden und schmunzelte belustigt, während der Blonde mit den Händen gestikulierte und schnatterte. Duke schluckte hinter und verblieb reglos, so wie der Rest der großen Gruppe. Schlendernd kamen die Beiden näher und als Joey die fleißigen Beobachter erspähte, hob er heiter die Hand und winkte. Das war vielleicht merkwürdiges Bild... Da waren zwei junge Männer, deren Gesichter von hübschen Prellungen geziert waren. Und die beiden lachten und schienen sich exzellenter Laune zu erfreuen! Kaiba blickte nur kurz auf, musterte die am Tisch sitzenden und folgte Joey zu den Selbstbedienungsplatten. "Was ist mit deren Gesichtern passiert?", wandte sich Morfrey verwirrt an Daniel. Der Angesprochene räusperte sich und begann zu erklären. "Hat Kaiba böse geschaut...?", hauchte Yugi in die Gruppe und die Schultern wurden gezuckt. Dann ging die Beobachtung in die zweite Runde. Nebeneinander blieben Joey und Kaiba stehen, steckten die Köpfe zusammen und schienen zu flüstern. Währenddessen klauten sie sich dies und das von den großen Tellern und wanderten weiter. Anschließend sah es so aus, als würden sie sich über das Essen unterhalten. Joey wies auf die Käseplatte, Kaiba legte den Kopf schief. Auf diese Art und Weise verging eine lange Zeit, bis sie sich alle Wünsche erfüllt hatten und sich zu dem viel besessenen Tisch begaben. Kaiba zeigte weder Freude, noch Abneigung, als er sich neben Tristan niederließ, nur Joey grinste, als er sich neben ihm platzierte. Unsicher erwiderten die Anwesenden diese Geste, Daniel kratzte sich die Stirn und nahm Kaiba unter die Lupe. Dieser wandte sich seinem Essen zu, ohne ihm oder jemand anderem Beachtung zu schenken. Er musterte ihn kurz jedoch eindringlich, stocherte mit der Gabel in seinem Essen und verlor nach kurzer Zeit die Lust an dieser Beobachtung. Die beiden waren wieder froh, mehr nicht. Heimtückisch verengte er die Augen, duckte sich und linste zur Seite, wo Morfrey unbekümmert sein Essen zu sich nahm. Entschlossen umfasste er die Gabel fester und ließ sie langsam in Richtung des benachbarten Tellers wandern. Da lag etwas, das äußerst lecker aussah. "An bem Wee?" Joey weitete die Augen. "Efft?" "Kau erst einmal hinter." Duke stöhnte. "Ja, wir gehen wieder baden." Yugi strahlte über das ganze Gesicht. "Und danach fahren wir hinunter in das Dorf und können..." "Shoppen!", rief Tea triumphierend. "Ja... shoppen." "Klasse!" Auch Joey freute sich darüber und wandte sich sofort an Kaiba. "Hey, hast du das gehört? Endlich bekommen wir mal das Dorf zu Gesicht, sieht sicher schön aus da unten!" "Es ist ein Dorf", erläuterte Kaiba etwas gelangweilt und griff nach seinem Kaffee. "Was soll es da schon geben." "Na, mal schau..." In dieser Sekunde schrie Morfrey auf, zückte das Messer und drückte die fremde Gabel, die ein leckeres Stück Käse aufgespiest hatte, damit auf den Tisch hinab. Daniel stieß gegen dessen Kante und der gesamte Tisch erzitterte so sehr, dass das Geschirr schepperte. Kaiba stellte die Tasse zurück und hielt seinen Teller fest, Joey hob die Augenbrauen und verfolgte das gewohnte Spektakel wie (fast) jeder andere. "Give me the cheese!" Daniel versuchte seine Gabel zu befreien. "Noooo!!" Morfrey stocherte mit der eigenen Gabel nach dem Käse, um ihn zu retten. Kaiba saugte an seinen Zähnen und starrte auf den Tisch. Doch sagen tat er nichts und nicht einmal ein ungehaltener Blick traf den tollwütigen Amerikaner. "Lass ihn!!" Jordas kam Morfrey zur Hilfe, warf eine Olive nach Daniel, die dieser gegen den Kopf bekam. "Ahh... hey! Why you?!" Kurz darauf wurde Jordas von dem daneben sitzenden Eddie in den Schwitzkasten genommen. Kaiba hob den Teller an, das Geschirr schepperte. "Halt die Klappe, silly jerk!!" "Jerk!? Wait, nobody calls me that!!" Daraufhin brach der gewohnte Krieg aus, Jeder gegen Jeden. Essen konnte man jedenfalls nur schwer bei diesem Tumult. Dennoch griff Kaiba nach der Gabel, hielt den Teller mit der anderen Hand oben und aß weiter, worauf er einen knappen Blick vonseiten Joeys erhielt. Nun, scheinbar hielt er durch. Die Stühle rutschten quietschend herum, die Getränke schwappten beinahe aus den Tassen und die Amerikaner waren kurz davor, sich zu Boden zu reißen. "Auf jeden Fall", wandte sich Joey locker an Duke, der ihm sofort Gehör schenkte, "muss es doch irgendwelche Läden geben, oder? Ich brauche etwas Herzhaftes." "Frag mich nicht", antwortete der Schwarzhaarige. "Ich war noch nie in Thüringen." "Haa haa!" Als sich die Gruppe auf den Rückweg zu den Bungalows machte, konnte es sich Daniel nicht nehmen lassen, triumphierend mit dem zermatschten Käse zu fuchteln. Ganz recht, er hatte gesiegt, jedoch nur, weil Jordas und Eddie unbarmherzig die Seiten gewechselt, und mit ihm gekämpft hatten. "Ach, shut up!" Morfrey schnitt eine Grimasse, fächelte sich mit einer zerknitterten Broschüre Luft zu. "Das wäre nie passiert, wenn du..." "Aber er IST passiert!", rief Daniel und warf das Käsestück ins nächste Gebüsch. "Fine, freu dich und stirb!" Duke grinste amüsiert und wandte sich zur Seite, wo Kaiba und Joey schlenderten. Er konnte es nicht richtig erkennen, doch scheinbar hatte sich Joey hinterrücks in Kaibas dünnes Hemd gehackt. Und wo Kaibas Hand war, konnte er überhaupt nicht sehen. Scheinbar hatte dieser Streit etwas Abgeschwächtes ins Leben zurückgerufen. Mit den Beiden würde es wohl nie enden... "Wir haben nicht mehr lange Zeit, bis der Bus fährt", erklärte er und Joey blickte auf. "Ihr kommt doch beide mit?" "Natürlich." Joey zeigte seine Zähnchen und zupfte an Kaibas Hemd, wodurch auch dieser in die Realität zurückkehrte. "Was?" "Du kommst mit baden, Seto?" "Warum nicht." Kurz darauf trennten sich die beiden Gruppen, um ihr Dinge zusammenzupacken. Als die Japaner ihren Bungalow betraten, stoben sie sofort auseinander. Duke wühlte im Wohnzimmer, Tea, Yugi und Bakura stiegen die Treppe hinauf und Tristan folgte ihnen, nachdem er unentschlossen herumgestanden hatte. Währenddessen hatten sich Joey und Kaiba in das Bad verflüchtigt. "Ich mag diese Hitze nicht." Joey grabschte nach seinen Handtüchern und fuchtelte mit ihnen, als würden sie sich von allein falten. "Aber Kälte mag ich auch nicht." "Was magst du überhaupt." Mit einem Handtuch über der Schulter, trat Kaiba von hinten an ihn heran, schlang die Arme um Joeys Bauch und schunkelte etwas, wobei er die Wange an seinen Schopf schmiegte. "Ich habe einen Traum!" Theatralisch ließ Joey das Handtuch sinken und blickte auf, eine Augen leuchteten. "Es soll warme Winter geben und kühle Sommer! Temperaturen stets im mittleren Bereich! Kein Frieren, kein Schwitzen!" Er ballte die Hände zu Fäusten und seufzte leidend. "Seto, wäre das nicht toll!" "Ewiger Frühling", murrte Kaiba und Joey trat nach vorn, zwang ihn somit dazu, die Arme von ihm zu lösen. Er entfernte sich etwas von ihm, drehte sich um und atmete tief ein. "Kaiba! Stell dir das vor! Man muss sich keine etlichen Kleider mehr besorgen, keine Angst vor einzelnen Monaten haben! Im Sommer wird man nicht mehr mit Schokolade verwechselt, im Winter nicht mit einem starr gefrorenem Schneemann!" "Okay." Kaiba kratzte sich am Kopf. "Unter Frühlingsgefühlen scheinst du schon chronisch zu leiden." "Ich versprühe lediglich gute Laune." Joey zuckte mit den Schultern und zog sich das Handtuch über den Kopf. Dann biss er sich bedächtig auf die Unterlippe, atmete tief ein und schlenderte verspielt näher. "Was meinst du." Er keckes Grinsen zeichnete sich auf seinen verschrammten Lippen ab, als er beide Hände hob und nach den Enden des Handtuches griff, das um Kaibas Hals seinen Platz gefunden hatte. "Würdest du mich immer noch lieben“, er umfasste das Handtuch, zog Kaiba langsam zu sich hinab und schmiegte sich an ihn, "wenn ich wirklich unter chronischen Frühlingsgefühle leiden würde?" Kaiba erwiderte das Grinsen hinterhältig und ließ sich ziehen. "Nur... wenn ich Vorteile daraus ziehen könnte", murmelte er, bevor er vorsichtig nach Joeys Mund schnappte und die Arme hob. "Böser Junge", schnurrte der Blonde, bevor er die Augen schloss und sich auf einen zärtlichen Kuss einließ. Flink hockte sich Joey auf die Knie, rückte sich zurecht und beugte sich nach vorn. Schräg vor ihm lag Kaiba ausgestreckt in der heißen Sonne, hinter ihm im Wasser tobte das volle Leben. Tea kicherte, Morfrey grunzte, Daniel schrie und Duke lachte. Jeder hatte seine Beschäftigung, der er nachgehen konnte. Sobald sie das Ziel erreicht hatten, waren alle in das kühle Nass gesprungen. Fast alle. Kaiba und Joey waren auf der Wiese geblieben. "Sagt Euch dies zu, Hochwohlgeboren?" Untertänig fächelte Joey dem Brünetten mit Bakuras Buch Luft zu und Kaiba schien es redlich zu genießen. Ein flüchtiges Grinsen huschte über sein Gesicht, die Augenbrauen über den schmalen schwarzen Gläsern der Sonnenbrille verzogen sich kritisch. "Fuchtel mir bloß nicht das Lesezeichen ins Gesicht, Untertan." "Huh?" Verwundert hielt Joey inne und hob das Buch. Genau in dieser Sekunde fiel das Lesezeichen heraus. Es landete auf der Decke und Joey starrte es mit großen Augen an, bevor er sich hastig zur Seite wandte und einen prüfenden Blick zu Bakura warf. Gut, dieser schien nichts bemerkt zu haben. "Ups." Er lachte leise und auch Kaiba grinste schadenfroh, rückte sich die Sonnenbrille zurecht und verschränkte die Arme unter dem Kopf, so dass er Joey bequem anschauen konnte. Dieser erwiderte seinen Blick flüchtig, streckte die Hand nach dem dünnen Lesezeichen aus... und verfehlte es! Er grinste und tastete, runzelte dann die Stirn und hielt Ausschau nach dem blöden Ding! Da lag es doch! Angestrengt lenkte er die Hand in die richtige Richtung, spürte eine Kante und grabschte danach. Kaiba blähte die Wangen auf. "Was ist?" Joey verengte die Augen, biss sich auf die Unterlippe und führte das Lesezeichen konzentriert in einen kleinen Seitenspalt ein. "Tadaa! Siehst du?" "Findest du das in Ordnung?" Kaiba richtete sich auf, rückte etwas näher an heran und räusperte sich. "Schau mich mal an." "Hm?" Verwundert blickte Joey auf und befolgte den Befehl. "Jetzt kannst du also nicht einmal mehr Gegenstände erkennen", schlussfolgerte Kaiba ernst und begann seine braunen Augen zu mustern. "Also hat es sich in der letzten Zeit weiterhin verschlechtert." "Och." Joey zuckte mit den Schultern. "So lange ich noch sehe, wohin ich lauf..." "Ich glaube, du nimmst diese Sache etwas zu leichtfertig", unterbrach Kaiba ihn unzufrieden und Joey hob die Augenbrauen. "Ich habe gesagt, dass es nicht normal sein kann und trotzdem sprühst du vor Optimismus und Ruhe." "Soll ich etwa schreiend herumrennen?" Kritisch legte der Blonde den Kopf schief und Kaiba nahm ihm das Buch aus der Hand, hielt es ihm direkt unter die Nase und zeigte auf das große Bild, das auf dem Unschlag abgedruckt war. "Was ist das?" "Ach, lass das doch." Joey wandte trotzig den Blick ab. "Joooseph", murrte Kaiba drohend. Daraufhin verdrehte der Blonde die Augen und besah sich das Bild. Dieses bestand aus einer grünen fruchtbaren Gegend und in der Mitte kauerte ein großer brauner Hund. Es war irgendein Roman. Kaiba wartete geduldig und Joey starrte lange auf das Bild, bevor er etwas sagte. "Etwas... Grünes. Und? Hab ich Recht?" Kaiba verdrehte die Augen und zeigte auf den Hund. "Und das?" Wieder begann Joey konzentriert zu beobachten und kam wieder erst nach langer Zeit auf eine Lösung. "Das ist...", er verengte die Augen und beugte sich so sehr nach vorn, bis er fast die Nase gegen das Papier drückte, "ja, das ist... ein Baum!" "Ja, du solltest schreiend herumrennen." Kaiba ließ das Buch sinken und stöhnte. "Wenn wir im Dorf sind, schauen wir bei einem Optiker vorbei und lassen einen Sehtest machen." "Wozu soll das denn gut sein." Joey blähte die Wangen auf. "Was stellst du dich so an?" Gemächlich kam Kaiba auf die Beine. "Weißt du etwas, das ich nicht weiß? Mit einem Sehtest haben wir Gewissheit und können uns sicher sein, das es nur ein normales Problem ist, nicht irgendetwas anderes. Und in Domino hast du dann weniger Arbeit." "Was, außer einen normalen Problem, sollte es denn sonst sein." Auch Joey kam auf die Beine und wischte sich das Gras von den Knien. "Das werden wir noch herausfinden." Kaiba lächelte und wies mit einer knappen Kopfbewegung zum See. "Komm, wir gehen schwimmen." Joey freute sich über diesen Themenwechsel, rieb sich kurz die Augen und folgte dem Brünetten. "Heey!" Daniel stieß Eddie in das Wasser und winkte. "Na endlich! Hüpf rein!!" Da warf sich Morfrey auf ihn und Eddie tauchte japsend auf. "Aaah!! Get of from me!!" "Die!!" "Wait!!" Jordas sprintete an Kaiba und Joey vorbei, sprang in das Wasser und beteiligte sich an der Kampelei. Teils amüsiert teils lustlos verfolgten die Beiden die wilde Schlacht. Nun, das war zwar recht spannend, wie sich die Amerikaner ditschten... aber ihnen rann der Schweiß über die Haut. Joey wandte sich ab und stieg tiefer, wobei er genüsslich mit den Händen ruderte. Kaiba befeuchtete sich die Arme, den Hals und die Stirn, bevor er ihm folgte. "Joey!" Yugi winkte, nicht weit entfernt, paddelte er. "Genießt du auch diese herrliche Frische?!" "Bin kurz davor, Yugi!", rief Joey locker zurück und winkte. Dann sah er zu dem anderen, nicht all zu weit entfernten Ufer hinüber, verzog nachdenklich die Augenbrauen. Nun blieb Kaiba neben ihm stehen und folgte seinen Beobachtungen. Dieser See war wirklich herrlich, das musste selbst er zugeben, obgleich er mit dem Baden so wenig an der Mütze hatte wie ein Zoologe mit der Kernphysik. Der Blonde kratzte sich an der Wange und lugte zu Kaiba, um ihn herausfordernd anzugrinsen. "Was meinst du." Er wies auf das andere Ufer. "Schaffst du das, alter Mann?" "Dieser alte Mann wird dir gleich Manieren beibringen, Bengel." "Na, dann komm." Joey hob die Hand, streifte flüchtig seine Schulter und stieg noch tiefer. "Dort sind wir ungestört." Somit ließ er sich sinken und schwamm los. Kaiba runzelte die Stirn. Aha, darauf war er also aus! Langsam schob sich Kaiba über ihn, seine Hände glitten über seine Arme, hielten sie am Boden und unter einem leisen Brummen schmiegte er sich an die weiche Brust, hob den Kopf und biss nach dem zarten Hals. Langsam räkelte sich Joey unter ihm. Er hielt die Augen geschlossen, genoss die provokanten Berührungen der Zähne und die angenehme Kühle, als das nasse Haar seine Wange streifte. Er ließ das Gesicht sinken, schmiegte sich an den Schopf und erwiderte das Brummen wohlig. Langsam arbeitete sich Kaiba höher, auch seine Hände glitten nun die Oberarme des Blonden hinauf, bis sie die Handgelenke erreichten, die sie zärtlich umfassten und in das Gras hinabdrückten. Verspielt neckten seine Lippen die weiche Haut, fanden schnell das Ohr und bearbeiteten auch dieses. Joeys Finger spreizten sich, als er sich erneut räkelte, das Bein anwinkelte und das Gesicht zur Seite drehte, um Kaibas böses Spiel zu beenden. So fanden sich ihre Lippen und schnappten nacheinander, als wollten sie jede der Berührungen auskosten. Sie hatten es sich nahe dem Ufer auf einem versteckten Plätzchen gemütlich gemacht, zu allen Seiten von hilfreichen Gebüschen abgeschottet. Niemand war hier, doch die lauten Schreie vom anderen Ufer konnten sie noch immer hören, wovon sie sich nicht stören ließen. Endlich lockerten sich die Hände von Joeys Gelenken und dieser fing Kaiba sogleich in einer festen Umarmung. Sie öffneten die Münder weit, schmiegten sich aneinander und einigten sich schnell auf flüssige Bewegungen. Währenddessen richtete sich Kaiba langsam auf und zog Joey mit sich, ohne das sich ihre Lippen voneinander lösten. Sie gelangten in eine aufrechte Haltung und Joey stieg auf seinen Schoß, auf dem er sogleich von zwei starken Armen gehalten wurde. Seine Hände machten sich währenddessen auf einen anderen Weg. Sie strichen über die feste Haut der Arme, glitten höher über die Schultern und verblieben erst reglos, als sie den Nacken erreichten und sich auf ihm ineinander falteten. Als Kaiba gekonnt mit seiner Zunge spielte und mal und mal auch die Lippen bearbeitete, durchfuhr ein Schauer seinen Körper, ein kalter Schauer, der die grausame Hitze, die sie umgab, zu einer Nebensache machte. Er schloss sich den Bewegungen an, drängte sich vor und atmete tief durch die Nase ein. Seine Hände gaben sich nur kurz der Faulheit hin, gemächlich vergruben sie sich in den nassen Strähnen, strichen vor zum Gesicht und legten sich auf Kaibas Wangen. Erst jetzt lösten sie sich voneinander, schöpften Atem und wandten sich sofort wieder dem Anderen zu. Joey lehnte sich an Kaibas Schulter, umfasste die Handgelenke auf dessen Rücken und spürte sogleich die Lippen, die sich nun etwas sachter mit seinem Hals beschäftigten. Mit geschlossenen Augen tastete sich Kaiba vorwärts, seine Arme hatten sich um die Hüfte des Blonden gelegt, der nun die Augen öffnete, das Gesicht zum See hin wendete und genüsslich blinzelte. Durch eine kleine Lücke des Gebüsches konnte er schwarze, sich bewegende Punkte erkennen, die ausgelassen planschten oder sich noch immer bekriegten. Wieder blinzelte er, atmete tief aus und spürte, wie Kaiba langsam von ihm abließ und sich mit der innigen Umarmung begnügte. "Weißt du, was toll wäre?", flüsterte Joey nach einer kurzen Zeit nachdenklich. "Mm?" Kaibas Hände schoben sich gekonnt unter die kurze Badehose des Blonden und verweilten auf dessen Hintern. "Wenn wir den See nur für uns hätten", fuhr Joey fort. "Nachts." "Mm." Kaiba gefiel dieser Gedanke. "Wie in diesem Hotel, in das du mich nach der Gerichtsverhandlung entführt hast." "Ja." Kaiba schloss die Augen, sein Kinn bettete sich auf Joeys Schulter. "Das war toll." "Die schönste Nacht, die ich je erlebt habe." "Und was ist mit der Nacht, die wir im Pool verbracht haben?" Kaiba runzelte die Stirn. "Der Champagner war gut", schwärmte der Blonde. "Und der Rest?" "Der?" Joey richtete sich auf, lehnte sich zurück und sah Kaiba verspielt an. "Der war noch besser." Der Brünette schmunzelte. "Wenn mich je jemand anfassen soll, dann du", fuhr Joey fort. "Kein Chester und kein anderer Mensch der Welt." "Und wenn ich alt und schrumpelig bin?", erkundigte sich Kaiba misstrauisch. "Dann werde ich dir mit größter Liebe das Gebiss putzen." Joey lachte und platzierte einen zärtlichen Kuss auf seiner Nasenspitze. "Gut." Kaiba war zufrieden. "Und wenn dich ein anderer anfasst, dann würde ich ausrasten." "Das hast du bereits eindrucksvoll unter Beweis gestellt." Die beiden ließen sich Zeit, bevor sie den See wieder auf dem kürzesten Weg durchquerten und sich zu den anderen gesellten, die vom Toben und Titschen so erschöpft waren, das sie ausgestreckt auf den Decken oder im Gras lagen und keuchten. Bei den Amerikanern war es zumindest der Fall. Tea sonnte sich, Yugi starrte auf einen hübschen Stein, den er gefunden hatte, Duke und Tristan unterhielten sich heiter und Bakura blätterte etwas verloren und verwirrt in seinem Buch. "Wo wart ihr so lange?" Als die Beiden die Decke erreichten, wandte sich Duke ihnen zu. "Wir haben uns die Gegend da trüben betrachtet." Joey grinste und wies auf die Stelle. "Tolle Bäume gibt's da." "Ah, verstehe." Duke zog seinen Rucksack zu sich und begann in ihm zu wühlen. Das bedurfte keiner weiteren Worte. Nebenbei ließen sich die beiden nieder. Synchron setzten sie sich Sonnenbrillen auf und während sich Joey nach hinten fallen ließ und sich ausstreckte, zog Kaiba eine Zigarette hervor. Als er auch ein Feuerzeug zückte und den Tabak verbrannte, richtete sich Daniel auf und beobachtete ihn aus sicherer Entfernung. Zwischen ihnen fläzte die gesamte Gruppe. Kaiba nahm einen Zug, winkelte die Beine an und legte die Ellbogen auf die Knie, dann blickte er auf den See und bearbeitete seine geschundene Unterlippe mit den Zähnen. Verborgen durch die eigene Sonnenbrille, konnte Daniel die Beobachtung lange fortsetzen, ohne bemerkt zu werden, nun, jedenfalls achtete Kaiba nicht auf ihn. Zwischendurch lenkte Daniel den Blick auch öfter auf Joey, sah von ihm zu Kaiba und zurück. Er schien zu grübeln. "Kommt ihr dann mit ins Dorf?", wurde er nach wenigen Minuten von Tristan abgelenkt. "Hm." Der Schwarzhaarige nickte und lugte erneut zu Joey, der zu dösen schien. "Ha'm aber noch einige Erledigungen zu machen, werden uns wo erst am Bus wieder sehen." "Erledigungen?" Duke hob einen Kaugummi zum Mund. "Tja, Erledigungen halt." Daniel zuckte mit den Schultern, wollte diese Sache aus irgendeinem Grund nicht vertiefen. "Ha'm was vor, hat nichts mit euch zu tun." "Okay." Duke steckte sich den Kaugummi in den Mund und legte sich ebenfalls lang. Der heutige Aufenthalt an diesem See fiel kürzer aus, da anschließend noch die Fahrt ins Dorf anstand und die Schüler dort sicher einige Zeit verbringen wollten. Nach insgesamt zwei Stunden, packten sie ihre Sachen zusammen und kehrten in den Bus zurück, auf den sich niemand freute. Denn der war stickig, nicht gelüftet worden, was nichts Schlimmes war, vorausgesetzt, man mochte Busse, die wie Saunen waren. Joey freute sich sehr auf dieses Dorf und so entging ihm die Tatsache, dass die vier Amerikaner schweigsam auf ihren Plätzen saßen. Sie schrieen nicht, blödelten nicht, taten nichts von alledem, was man von ihnen gewohnt war. Binnen weniger Minuten hatte sich ihre Stimmung scheinbar schlagartig geändert. Nach einer Fahrt von einer halben Stunde, erreichten sie das Dorf. Der Bus hielt auf einem größeren Platz und scheinbar hatte Kaiba Unrecht gehabt. Hier gab es so einige Läden, in denen man sich tolle Sachen besorgen konnte. Quatschend und lachend strömten die einzelnen Gruppen also auseinander, bereit, sich dem vierstündigen Aufenthalt hinzugeben. Daniel und seine Freunde waren wirklich schnell verschwunden, ohne dass jemand wusste, wo sie diese "Erledigungen" machen wollten. Joey und die Anderen ließen sich dadurch nicht von einer Dorfbesichtigung abhalten. In gemütlichen Strandlatschen schlappte Joey neben Duke einher. Die Hände hatte er in den Hosentaschen versteckt, hinter der Sonnenbrille schweiften seine Augen begierig durch die Gegend. Kaiba schien weniger fasziniert, wenn nicht sogar desinteressiert. Er besah sich dieses und jenes Straßenschild, lugte in ein Schaufenster und ging dann doch weiter. Joey begann derweil ein heiteres Gespräch mit Duke und Tea. Es wurde viel gelacht. Nur wenige Menschen kamen ihnen entgegen, Männer die wie Landwirtschaftler aussahen, Hausfrauen mit ihren Kindern, alte Leute saßen auf gemütlichen Bänken vor der grünen Natur und warfen Brotkrümel zu den hungrigen Spatzen. Joey gefiel diese Umgebung. Hier war nicht so viel los wie in Domino, kein Gedränge, keine Menschenmasse, keine Stimmen, die einen von jeder Seite beschallten. Es war herrlich, doch... nach einer halben Stunde genügte ihm das Herumlaufen nicht mehr. Nachdenklich fuhr er sich durch den Schopf. "Ich will ein Eis." "Eis?" Tea lauschte auf. "Eis." Tristan nickte zustimmend. "Eis!" Yugi grinste. "Bleibt nur die Frage, wo man hier welches findet." Joey sah sich um und Duke drehte sich zur anderen Seite. Zufälligerweise schien es da so einen Laden zu geben. Dieser befand sich auf der anderen Straßenseite und war durch ein Schild gekennzeichnet mit der fantasievollen und übergroßen Aufschrift: "Eis" "Da." Er zeigte auf den Laden und die Gruppe wurde darauf aufmerksam. "Gott sei Dank." Tea begann nach ihrer Brieftasche zu suchen. "Ein Eis ist jetzt genau das Richtige." "Was ist da?" Joey starrte auf die andere Straßenseite und Tristan wandte sich ihm flüchtig zu, bevor er über die Straße trottete. "Mach die Augen auf, Joey." "Sind offen", murrte dieser. Bakura, Tea und Yugi folgten Tristan, nur Duke und Kaiba blieben zurück und der Schwarzhaarige wandte sich an den Blonden. "Da hängt ein grooooßes Schild", sagte er sarkastisch. "Mit der groooßen Aufschrift 'Eis'. Mensch, manchmal bist du wirklich etwas schwer von Begriff, mein Lieber." "Das Schild", mischte sich Kaiba mit ausdrücklichem Unterton ein. "Das Schild über dem Geschäft, Joseph." "Ach, das meint ihr!" Der Blonde lachte, kratzte sich den Nacken und schlenderte über die Straße. Kaiba und Duke blieben stehen und sahen ihm mit gerunzelten Stirnen nach. "Joey!", rief Duke, als dieser die Straße hinter sich gelassen hatte. "Das Eisgeschäft ist da drüben." Kurz blickte sich der Angesprochene um, zuckte mit den Schultern und folgte Tristan ebenfalls. Soeben war er vor einem Antiquitätenladen stehen geblieben. Duke warf Kaiba einen fragenden Blick zu, doch dieser brummte nur etwas Unverständliches und ging los. Nachdem Kaiba als Dolmetscher herhalten musste, erfüllten sich die Wünsche der Japaner und mit einer leckeren Waffel machten sie sich auf den weiteren Weg. Sie schlenderten vorbei an herrlichen Gärten, hübschen Häusern oder hoffnungslosen Bruchbuden, die es überall zu geben schien. Und während dieses gemütlichen Spazierganges... stolperte Joey zweimal über unübersehbar hohe Bordsteinkanten und wäre beinahe gegen einen Laternenmast gelaufen, hätte Tristan ihn nicht rechtzeitig zur Seite gezogen, wobei Joey außerdem sein Eis verlor. Und wann, wenn nicht jetzt, begann die Clique Verdacht zu schöpfen. Sie erkundigten sich, ob alles in Ordnung sei, wunderten sich doch sehr über das merkwürdige Verhalten ihres Freundes, der jedenfalls immer abstritt und kurz darauf das nächste Hindernis übersah. Tristan machte sich einen kleinen Scherz daraus, Kaiba jedoch, grübelte ernsthaft. Am gestrigen Tag erst, hatte Joey gesagt, er würde lediglich die Schrift nicht mehr erkennen. Dass er jedoch Bordsteinkanten, Laternenmäste und Gebüsche übersah, hatte er nicht erwähnt, oder? Sie verbrachten eine schöne Zeit in dem Dorf und bald fanden sie heraus, dass es hier trotz der scheinbar geringen Einwohnerzahl doch so einige Läden gab. Sie erreichten einen kleinen Platz, an dem viele Läden anknüpften, dort trennten sie sich, um sich etwas umzuschauen und sich nach zwei Stunden wieder zu treffen. Tea verschwand in einem Kleiderladen, Yugi zwang sie mitzukommen. Bakura verschwand in einem Büchergeschäft und Duke und Tristan suchten sich eine Kneipe, in der sie etwas gegen ihren Hunger tun konnten. Und Kaiba? Auch der nutzte das Kaufangebot und schlug erbarmungslos zu. Zuerst kaufte er sich zwei teure deutsche Bücher über irgendetwas, das Joey nicht verstand. Dann besorgte er sich eine neue Sonnenbrille, die Alte schien ihm nicht mehr so recht zuzusagen. Darauf folgten zwei Terminplaner und aus dem Antiquitätenladen kaufte er eine Bernsteinfigur. Ein Mitbringsel für Mokuba, meinte er, der mochte so etwas. Dann gab es da noch ein teures eingerahmtes Bild, das ihm gefiel. Aber das war zu groß. Joey besah sich das fleißige Einkaufen mit sehnsüchtigen Augen. Wie gerne würde er das auch können. Einfach losgehen und sich alles kaufen, das ihm gefiel. Sogar für Pikotto besorgte Kaiba etwas. Hätte er das auch vor zwei Jahren getan...? Er hatte sich schon verändert, auch wenn es so aussah, als kaufe er all das nur, weil er gerade Lust dazu hatte, womöglich dem Kaufwahn verfiel. Nun, warum nicht, wenn man es sich leisten konnte? Jedenfalls besorgte er Pikotto ein echt amerikanisches Feuerzeug, das soviel kostete wie die neueste Spielekonsole, soweit Joeys Vergleich. Sich selbst kaufte er auch gleich eins und nachdem er sich noch einige Zeitschriften gekauft hatte, schien er zufrieden zu sein. Dann gingen sie essen und somit hatten sie letzten Endes nur noch eine halbe Stunde Zeit. Gesättigt und zufrieden hielten sie nun nach einem Optiker Ausschau, den sie nach kurzem Herumfragen fanden. Joey machte den Anschein, etwas nervös zu sein, als er sich von Kaiba in das Geschäft ziehen ließ. Eine junge Frau grüßte sie höflich und Kaiba begann seine Probleme auf akzentfreiem Deutsch zu erläutern, wobei er immer wieder auf Joey wies und die Frau die Augenbrauen hob. Der Blonde lauschte seinen Worten aufmerksam und kam wieder zu der Einsicht, dass die deutsche Sprache schrecklich kompliziert war. Er verstand kein bisschen und blieb stehen, als sich die Frau an ihn wandte und daraufhin nach hinten ging. "Folgen Sie mir bitte." Kaiba warf ihm einen flüchtigen Blick zu. "Komm mal mit." So gingen die Beiden in einen hinteren Raum und Joey musste sich einigen Sehtests unterziehen, wobei Kaiba aufmerksam daneben stand. Nun, der Blonde erkannte überhaupt nichts, obwohl die junge Frau ihm japanische Zeichen zu sehen gab. Selbst ein Zeichen, das fünfzig Zentimeter groß war, sah er nur als schwarzen Punkt an. Kaiba runzelte die Stirn. Knapp fünfzehn Minuten musste sich Joey alle möglichen Dinge betrachten und meinte immer nur: "Das ist ein schwarzer Fleck." Letzten Endes besah sich die junge Frau seine Pupillen und kam zu einem merkwürdigen Ergebnis. "Seine Sehstärke ist ungewöhnlich schlecht", wandte sie sich dann an Kaiba. "Das ist sehr ungewöhnlich für einen Menschen in seinem Alter. An seinen Augen kann ich jedoch nichts Ungewöhnliches feststellen." "Was schlagen Sie vor?", erkundigte sich Kaiba. "Sie kommen aus Japan?" Die junge Frau begann in einigen Unterlagen zu blättern und Kaiba nickte. "Und wie lange bleiben Sie noch hier? "Vier Tage." "Gut, dann würde ich Ihnen raten, sofort einen Augenspezialisten aufzusuchen, wenn Sie wieder zu Hause sind." Sie seufzte hilflos. "So etwas habe ich noch nie gesehen. Haben Sie schon einmal daran gedacht, dass es vielleicht eine Krankheit sein könnte?" Kaiba drehte sich zu Joey, der etwas verloren dort stand. Er musterte ihn kurz, der Blonde hob die Augenbrauen. "Was ist?" Kaiba biss sich auf die Unterlippe, schüttelte grübelnd den Kopf und wandte sich der Frau zu. "Das ist möglich." "Nun, ein Augenspezialist wird das sicher sagen können." Die junge Frau schloss die Unterlagen. "Ich könnte ihm eine Brille verordnen, bis es so weit ist, aber ich befürchte, dass so etwas nichts bringen würde." "Vorausgesetzt es ist wirklich eine Krankheit." Kaiba nickte nachdenklich und rieb sich das Kinn. "Versuchen wir es." Doch... mit einer Brille sah Joey noch weniger als zuvor und so mussten sie das Geschäft nur mit dem Rat der jungen Frau verlassen. Nachdem Joey über die Türschwelle gestolpert war, kehrten sie zu dem Treffpunkt zurück und waren als erste dort. Kaiba lud all die Taschen und Beutel ab und ließ sich auf einer hölzernen Bank nieder. Joey setzte sich neben ihn, streckte die Beine aus und blähte die Wangen auf. So ein Reinfall, aber er hatte nichts anderes erwartet. Kaiba schien noch immer zu grübeln und Joey gefiel es überhaupt nicht, dass er sich jetzt seinetwegen den Kopf zermarterte. Gemächlich zog sich der Brünette eine Zigarette und lehnte sich zurück. "Sag mal", er entzündete den Tabak und schlug locker die Beine übereinander, "deine Schwester. Hast du nicht einmal gesagt, auch sie hätte ein Augenproblem gehabt?" Joey lugte zu ihm, seine Miene wirkte nicht sehr grüblerisch, es schien, als hätte Kaiba ihn auf eine Sache angesprochen, die er schon längst wusste. "Mm, ist ne' Erbkrankheit, die wir von unserer Mutter haben", meinte er lässig. "Und was ist, wenn dasselbe jetzt bei dir beginnt?" Kaiba nahm einen langen Zug, blies den Rauch durch die Nase und erwiderte seinen Blick ernst. "Das kann nicht sein." Ohne zu zögern verneinte Joey mit einem Kopfschütteln. "Ich wurde schon untersucht und der Arzt meinte, dass mir das nicht passieren könnte. Serenity hat es getroffen, beide Kinder bekommen das nicht." "Und wie erklärst du es dir sonst?" Joey schwieg und Kaiba richtete sich stöhnend auf. Die Sache beschäftigte ihn und das mit Grund. "Hast du dir eigentlich schon einmal richtig darüber Gedanken gemacht?" Nun hörte er sich richtig vorwurfsvoll an. "Wundert es dich gar nicht, wenn du binnen zweier Monate kaum noch etwas sehen kannst und in Gebüsche rennst?" "Ich werde schon nicht blind." Joey biss sich auf die Unterlippe und wandte sich trotzig ab. "Und weil du das hoffst, verdrängst du es einfach." Kaiba nickte sarkastisch und lehnte sich zurück. "Das ist toll! Du hättest gleich zu einem Spezialisten gehen müssen, als es begann." Wieder antwortete Joey nicht. Verbissen starrte er auf die sauberen Pflastersteine. "Soweit ich das richtig verstanden habe, wurde deine Schwester mit einer OP vor dem Erblinden gerettet. Es wurde rechtzeitig gehandelt und du hast dich sehr dafür eingesetzt, dass es geschehen konnte. Warum kümmerst du dich so sehr um andere aber vernachlässigst dich selbst?" Joey murmelte etwas Abstruses. "Serenitys Sehstärke ließ binnen einem halben Jahr nach", brummte er. "Bei mir dauerte es nur zwei Monate, also kann es wohl kaum dasselbe sein." "Erbkrankheiten können bei jedem andere Auswirkungen haben, was nicht bedeuten muss, dass es nicht dasselbe nicht", widersprach Kaiba. "Was tust du, wenn du in den nächsten Wochen blind wirst? Vielleicht schon in den nächsten Tagen? Sagst du dann wieder: 'Bei meiner Schwester hat's länger gedauert, es kann nicht das gleiche sein.'?" "Ich werde nicht blind." "Woher willst du das wissen!" Kaiba knurrte. "Du bist doch so ein Realist, schau der Wahrheit in's Gesicht. Und die Wahrheit ist, dass wir großes Pech haben könnten und vor allem du! Dann wirst du blind und bleibst es vielleicht, weil nicht rechtzeitig Maßnahmen ergriffen wurden! Willst du vielleicht für den Rest deines Lebens blind sein?" Joey blinzelte, atmete tief durch und rieb sich überfordert das Gesicht. Der Gedanke, blind zu sein, jagte ihm Angst ein. "Ja... gut." Er seufzte. "Also was schlägst du vor?" "Wenn es nach mir ginge, würde ich schon heute mit dir nach Domino zurückkehren." Kaiba schnippte die Asche zur Seite. "Sag mal, hast du es eigentlich Charles gesagt?" "Meinem Dad? Nein." "Warum nicht!" Kaiba traute seinen Ohren nicht. "Kannst du mir das mal sagen?!" "Nein, kann ich nicht!" Joey erhob sich. "Ich habe es eben für mich behalten. Außerdem hätte es ja auch besser werden können und dann wären die ganzen Sorgen sinnlos gewesen." "Aber leider ist es nicht besser geworden." "Was ist nicht besser geworden?" Plötzlich erschienen Tristan und Duke, schlendernd hatten sie sich von hinten der Bank genähert. Joey blickte auf, Kaiba drehte sich um. "Ist nicht so wichtig." Joey machte eine abwertende Handgeste. "Na gut...?" Duke zuckte mit den Schultern und warf sich neben Kaiba auf die Bank. Dann wurde er auf dessen Einkäufe aufmerksam und musterte sie überrascht. "Da war aber jemand fleißig." Joey ließ die Hände in die Hosentaschen rutschen und wandte der kleinen Gruppe den Rücken zu. Er hatte keine Lust sich über dieses Thema zu unterhalten, das Eintreffen der Beiden kam ihm sehr gelegen, anders Kaiba, dieser wirkte unzufrieden und nachdenklich. Es dauerte nicht lange, da trafen auch die anderen ein und sie machten sich auf den Rückweg zum Treffpunkt. "Hübsche Kleider gibt es hier!" Glücklich schlenkerte Tea mit einem großen Beutel. "Hm..." Yugi seufzte. "Warum gibt es hier keine japanischen Bücher?", jammerte Bakura. "Das deutsche Essen habe ich immer lieber." Duke rieb sich den Bauch und Tristan stimmte heiter zu. Nur Kaiba und Joey schwiegen. Dann erreichten sie den Bus. Die Hälfte der Klasse war schon da und die Lehrerin war wieder damit beschäftigt, konzentriert durchzuzählen. Sie gesellten sich zu ihnen und ließen sich auf einer Bank nieder. Diese Erkundungstour hatte augenscheinlich jedem gefallen. Es wurde viel gelacht, die Schüler präsentierten stolz über die Einkäufe oder unterhielten sich über jene Gebäude, die besonders schön zu betrachten waren. Joey sah sich suchend um. Waren Daniel und seine Freunde schon da? Da es ihm schwer fiel, die Gesichter der Anwesenden zu erkennen, hatte er Schwierigkeiten. Doch scheinbar waren sie noch nicht da und so hockte er sich neben Kaiba auf die Bank, streckte die Beine von sich und schwieg deprimiert. Die Tatsache, dass er kaum etwas sehen konnte, belastete ihn schon. Und nun, da Kaiba ihn direkt darauf angesprochen hatte, wurde es noch schlimmer. Allmählich kehrten die Schüler zurück und dann stiegen sie ein und suchten sich ihre Plätze. Wieder hielt Joey nervös nach Daniel Ausschau. Wo war er nur? Kurz bevor der Bus anfuhr, trafen die vier Amerikaner dann ein, schoben sich durch den schmalen Gang und warfen sich auf ihre Sitze. Daniel und Morfrey ließen sich vor Kaiba und Joey nieder, es blieb bei einer flüchtigen und trägen Begrüßung. Das wunderte Joey sehr. Scheinbar waren die Vier nicht gut drauf. Als die Fahrt begann, schwiegen sie und Joey ließ sie in Frieden. Sie sahen nicht so aus, als hätten sie Lust auf große Unterhaltungen und so wollte Joey sie nicht belästigen. Wenn er schlechte Laune hatte, wollte er auch nicht, dass man ihn störte. Dennoch suchte er nach ihren Problemen und verdrängte die Sorgen um seine Augen vorerst. Nach zehn Minuten, hörte Joey, wie sich Morfrey an Daniel richtete. "I dont like the way he looks", flüsterte er und lehnte sich zu ihm. "Mm." Daniel nickte langsam. "It seems, he've fever. He's badly off." Morfrey kratzte sich die Stirn und Kaiba blickte auf. "The end is not far off." Es sah aus, als würde sich Daniel nach vorn lehnen. Er sprach leise, seine Stimme schien zu zittern und Morfrey legte tröstend den Arm über seinen Rücken. "We are flat on one's back." Verwirrt sah Joey zu Kaiba, dieser jedoch lauschte konzentriert und verzog die Augenbrauen. "Let's get down to brass tacks. We can't do anything, Ray. This world's cruel." "I have to abide with him, can't back to america." "We too", erwiderte Morfrey und neigte sich zu Daniel vor. "Why do I want to meet him over and over again, if I can't stand his look?" Daniel schüttelte den Kopf, schob die Hände über den Hals und stöhnte leise. Dann richtete er sich auf und warf sich zurück gegen die Lehne. "We have to be strong, Ray. We must stick together." Irritiert öffnete Joey den Mund, doch Kaiba hob die Hand, ohne Worte, er sollte leise sein. So hatte Joey die Amerikaner noch nie erlebt. Somit schwiegen die Beiden wieder und als sie das Camp erreichten, verabschiedeten sie sich mit einem knappen "Bis morgen" und gingen ihrer Wege. Da Yugi, Tea, Tristan, Bakura und Duke ein tolles Gesprächsthema gefunden hatten, fiel es ihnen nicht sonderlich auf, doch Joey wandte sich sofort an Kaiba, nachdem die Amerikaner gegangen waren. "Worum ging es in dem Gespräch?", erkundigte er sich besorgt. "Warum ist Daniel traurig?" "Huh?" Verwundert hob sein brünetter Mitschüler die Augenbrauen. "Wer ist traurig?" "Na, Daniel." Joey musterte ihn eindringlich. "Du hast es doch gehört, oder?" "Was habe ich gehört?", erkundigte sich der junge Mann verwirrt, wurde dann jedoch von Kaiba zur Seite geschoben. Irritiert sah Joey ihm nach. "Kaiba? Wo gehst du denn hi..." "Ich bin hier." Endlich stand der Richtige vor ihm. "Oh." Joey grinste beschämt, zupfte an Kaibas Ärmel und zog ihn zu sich. Dieser sah den vier Amerikanern kurz nach und runzelte nachdenklich die Stirn. "Sie haben über irgendjemanden gesprochen, dem es nicht gut zu gehen scheint", meinte er dann. "Über wen?", erkundigte sich Joey sofort. Kaiba zuckte mit den Schultern. "Sie haben keinen Namen genannt." "Vielleicht haben sie jemanden besucht, der hier wohnt?" "Möglich." "Na ja, den Abend werden wir wohl kaum mit ihnen verbringen können. Essen wir Abendbrot und ziehen uns zurück." "Mm." Auch zu dem Abendessen kamen die Amerikaner nicht und so war es eine recht ruhige Atmosphäre. Der Tag war so anstrengend und spannend gewesen, dass sie alle nun ihre Ruhe brauchten und sich nach ihren Bungalows sehnten. Als Joey und die Anderen in diesen zurückgekehrt waren, veranlassten sie einen Treff im Wohnzimmer. Kaiba hatte es sich auf einem Sofa gemütlich gemacht, Joey lag ausgestreckt neben ihm und hatte den Kopf auf seinem Schoß gebettet. Die anderen saßen auf den Sesseln oder auf deren Lehnen und Duke eröffnete die Verhandlung. "Alsooo." Sagte er und ließ die Beine baumeln, er kauerte auf der Lehne des anderen Sofas. "Ich dachte vielleicht, wir holen uns nachher einen Film und schauen ihn uns an." Tristan, Tea und Bakura waren sofort einverstanden, nur Yugi zögerte mit der Antwort. "Was denn für ein Film?" "Kein Film." Joey stöhnte. Er konnte doch sowieso nichts erkennen. "Kaiba?", erkundigte sich Duke. Der Angesprochene zuckte mit den Schultern, enthielt sich der Stimme. "Okay." Der Schwarzhaarige grinste. "Ich hätte Lust auf einen Horrorfilm." "Nach diesem anstrengenden Tag?" Tea zweifelte. "Ich würde mir lieber einen ruhigen Film anschauen." "Eine Doku wäre schön", murmelte Bakura. Tristan hob die Hand. "Actionfilm!" "Keinen Film!", ertönte es wieder aus Joeys Richtung. "Wie schön, dass wir uns so einig sind", stöhnte Duke überfordert. "Wir können ja erst einmal in die Videothek des Camps gehen", schlug Tristan vor. "Vielleicht haben die hier nur ätzende Filme und wir gehen sowieso leer aus." "Hoffentlich." Joey brummte und drehte sich zur Seite, so dass er Kaibas Bauch vor sich hatte. "Okey dokey!" Duke schwang sich von der Lehne. "Wer kommt mit?" Sofort waren Tristan und Tea auf den Beinen. Yugi blähte die Wangen auf und Bakura spielte mit seinen Haaren. Verwundert wandte sich Tristan an Joey. "Du nicht?" "Nö." Eine Hand wühlte sich frei und winkte ab. "Na schön." Kurz darauf schloss sich die Tür und die drei machten sich auf den Weg. Joey kuschelte sich an Kaiba und schloss die Augen. "Erzählst du mir dann, worum es ging?" Kaiba schüttelte verzweifelt den Kopf. Am nächsten Tag erwartete die Schüler etwas, das etwas unangenehmer war: Eine Tageswanderung! Einmal um den Berg, sehr sinnvoll. Gleich nach dem Frühstück sollte es losgehen. Seit Joey aufgewacht war, litt er wieder unter Kopfschmerzen und wollte am liebsten im Bungalow bleiben, worauf die Veranstalter dieser Tageswanderung es verboten und in einen gandenlosen Streit mit dem brünetten Geschäftsmann gerieten, den dieser nur knapp verlor. "Was soll's", hatte Joey nur gemeint. "So schlimm ist es ja nicht." Bei dem Frühstück war wieder keine Spur von den Amerikanern zu sehen und so fragte sich Joey immer mehr, bei wem es um den gestrigen Gespräch im Bus gegangen war. Ein Mensch, dem es nicht gut ging? Er kam zu keiner Lösung. Nach dem Frühstück zogen sie sich noch einmal kurz in den Bungalow zurück. Sie alle hatten Lunchpakete bekommen, da sie erst am Abend zurückkehren würden. Sie beeilten sich, verließen den Bungalow und fanden sich am Treffpunkt ein, der sich direkt vor dem Tor des Camps befand. Und während die beiden fleißigen Wanderer des Camps wieder irgendeinen Blödsinn vom Stapel ließen, zog Joey einen Haargummi hervor und band sich einen Zopf. Er stand irgendwie leicht schräg dort und war nur mit Blinzeln beschäftigt. Außerdem rollte er öfter mit den Augen oder rieb sie sich. Kaiba war noch immer über die dreisten Regeln des Camps erzürnt und plante bereits die Abreise. Er hielt es hier nur schwerlich aus und Joeys Zustand schien sich in jeder Stunde, die verging, zu verschlechtern. Im Bungalow hatte er sich konzentriert die Treppe hinabgetastet und die Badtüre erst öffnen können, nachdem er nach mehreren Versuchen endlich die Klinge erreicht hatte. Auch er wirkte nun nachdenklich. Dann begann die Wanderung. Noch waren die Schüler bei guter Laune und auch Joeys Clique sah an der Wanderung noch keinen Gräuel. Über einen kleinen Waldweg stiegen sie den Berg hinab und Joey hakte sich bei Kaiba ein, da er Stöcke und Wegunebenheiten übersah. Manchmal verzog sich sein Gesicht unter einem stechenden Kopfschmerz und er rieb sich die Schläfen. Wie gern würde er nun in seinem Bett liegen und sich nicht bewegen, doch die Regeln waren nun einmal Regeln und bevor er sich auf eine weitere Auseinandersetzung einließ, kam er lieber mit. Der Abstieg war weniger Kraft raubend, jedoch von langer Dauer. Erst nach einer Stunde betraten sie wieder ebene Fläche, erreichten eine kleine Lichtung. Noch immer wurde viel geschwatzt und den beiden Reiseleiter auf diesem Weg gezeigt, dass sie keine Pause brauchten. "Thüringen besteht beinahe nur aus Wäldern", erklärte einer der beiden, ein junger Mann mit bequemen Wanderhosen und einem grünen Hut. Yugi und einige andere Schüler lauschten gespannt, während sich Kaiba und Joey am Ende der großen Gruppe hielten. Sie gingen etwas langsamer und schwiegen. Nur manchmal stöhnte Joey leise und bedeckte beide Augen mit der Hand. Die weitere Wanderung verlief über einen etwas breiteten Kiesweg. Umgeben von gesunden Bäumen schlenderten die Schüler einher, besahen sich die Gegend und gaben ihre Meinungen zu diesen und jenen Dingen ab, die sie zu Gesicht bekamen. Nebenbei schienen es die Beiden nicht für nötig zu halten, den Mund zu schließen und die Schüler einfach nur schauen zu lassen. "Das da sind Buchen!" "Das da sind Fichten, seht ihr's? Die gibt's hier nicht so oft!" "Diesen Weg gab's schon lange vor uns!" "Im Sommer besteht hier hohe Waldbrandgefahr!" "Oh, schaut mal da - ein Specht!" Kaiba brummte einen leisen Fluch und starrte düster auf den Weg. Das schlimmste an dieser Wanderung war dieses ständige Geplapper! Joey kümmerte sich nicht darum, hatte andere Sorgen. Die meiste Zeit hielt er die Augen geschlossen und blinzelte nur selten. Die Sonne schien er kaum zu ertragen. Die nächste Stunde verging, ohne dass etwas Außergewöhnliches geschah, nur Kaiba spürte, wie sich Joey immer fester an ihn klammerte. So kam es, dass er öfter stehen blieb und Joey ausruhen ließ. Und wenn der Blonde nicht strikt dagegen gewesen wäre, hätte er schon längst unerlaubt kehrt gemacht und wäre zum Camp zurückgegangen, ohne auf die Konsequenzen zu achten. Wieder hielt er inne und Joey wandte sich stockend zu ihm. Nur langsam bewegte er sich, als er sich unter einen leidenden Stöhnen nach vorn lehnte und die Stirn auf Kaibas Schulter stützte, seine Hand tastete nach dem dünnen Shirt des Brünetten und krallte sich hinein. Kaiba atmete tief durch, hob die Hände und legte sie auf Joeys Nacken. Dieser atmete unnormal schnell, hielt sich das Gesicht und zuckte verkrampft. "Joseph." Kaiba umarmte ihn fester, der Blonde keuchte und schmiegte sich an ihn. "Wir sollten umkehren. Ich veranlasse, dass man uns abholt. So kannst du nicht weitergehen und ich will es nicht verantworten." "Ein Fehler...", brachte Joey mit gedrückter Stimme hervor. "Das war ein... ich hätte dableiben sollen." "Morgen werden wir nach Domino zurückkehren." Kaiba besah sich den blonden Schopf mit verbissener Miene. "Das ist mir zu gefährlich, ich mache mir zu große Sorgen um dich." Somit hielt er Joey fester und blickte auf. Knappe fünfzig Meter weiter vorn, schien die Klasse auf einer wiesigen Wegbreite eine Pause zu machen. "Auu... verdammt..." Joey drehte das Gesicht zur Seite, schmiegte es an Kaibas Hals. "Joey?" Duke löste sich aus der Gruppe und eilte auf sie zu. Er war vorne gegangen, hatte das Dilemma erst jetzt bemerkt. Kurz darauf folgten auch Tristan und Tea. "Hey." Vorsichtig rüttelte Kaiba an ihm. "Schaffst du es bis zu dieser kleinen Lichtung da vorn?" Benommen wühlte sich Joey frei, klammerte sich um Kaibas Oberarm und blinzelte in die Richtung, aus der drei verschwommene Gestalten näher eilten. "Mm." Er nickte matt. "Was ist denn los?" Nun erreichte Duke die Beiden. Besorgt legte er eine Hand auf Joeys Schulter und beugte sich etwas nach vorn, um sein Gesicht sehen zu können. "Was ist mit Joey?" "Er hat Kopfschmerzen", antwortete Kaiba nur. "Hilf mir, ihn zur Lichtung zu bringen." "Klar." Flink griff Duke nach Joeys linkem Handgelenk und zog es sich über die Schulter. Durch diese Bewegungen zischte Joey leise auf, schloss verkrampft die Augen und biss die Zähne zusammen. Vorsichtig hielt Duke seinen Arm und legte den eigenen um Joeys Rücken. "Das sieht mir eher wie eine Migräne aus", meinte er, als er sich das Gesicht des Blonden betrachtete. Schnell trafen auch Tea und Tristan ein. Für sie schien es so, als hätte all das erst heute begonnen. Zuvor hatte Joey es recht gut verbergen können, niemand hatte Verdacht geschöpft. Mit der Hilfe der Drei war es eine Leichtigkeit, den Rest des Weges zu bewältigen. Und als sie die Lichtung erreicht hatten, luden sie Joey vorsichtig an einem Baumstamm ab und lehnten ihn dagegen. Selbst in diesem Schatten öffnete dieser die Augen nicht, verdeckte das Gesicht mit beiden Händen und fluchte gedämpft. Es dauerte nicht lange, da fanden sich auch Yugi und Bakura ein und die Vielzahl der anderen Schüler gaffte. Kaiba kauerte sich vor dem Blonden in das Gras, suchte in seiner Tasche und zog kurz darauf ein Tuch hervor. Unachtsam warf er es neben sich in das Gras und holte auch eine Wasserflasche hervor, die er flink aufschraubte. "Joey... Joey?" Yugi kauerte auf der anderen Seite des Leidenden und tätschelte dessen Schulter. "Was ist mit dir?" Kaiba verdrehte die Augen, hob die Flasche über das im Gras liegende Tuch und durchnässte es. Anschließend drückte er Duke die Flasche in die Hand, wrang das Tuch aus und berührte damit Joeys Stirn. Sofort tastete dieser danach und presste sich den kühlen Stoff auf das Gesicht. "Es reicht", erklärte er, als er die Flasche wieder in seiner Tasche verstaute und Joey flüchtig das Haar von der Stirn strich. "Wir kehren um." "Wenn er wirklich Migräne hat, dann solltet ihr das wirklich tun", pflichtete Duke bei. "Mit so etwas sollte man nicht scherzen." "Mensch." Tristan schüttelte den Kopf. "Das ihm so etwas gerade auf der Klassenfahrt passiert...?" Tea seufzte und Yugi tätschelte weiterhin die Schulter, die sich schnell hob und senkte. Somit blieb Joey still liegen, verrückte nur manchmal das Tuch und stöhnte. "Das sind Findlinge." Die beiden Oberwanderer standen etwa zehn Meter weiter weg und wiesen stolz auf einige große Steine, die dort im Gras lagen. "Wenn man sie sieht, dann wundert man sich. Was machen Steine mitten im Wald?" Sie lachten richtig doof, als wäre das lustig gewesen. "Nun, die Erklärung ist ganz einfach. Diese Steine wurden von gewaltigen Eismassen hertransportiert, die sich vor langer Zeit über dieses Land erstreckten. Dann ist das Eis geschmolzen und..." "Verzeihung!" Plötzlich stand Kaiba bei ihnen und sie unterbrachen ihre humoristische Erläuterung. Der Brünette wies mit einer knappen Kopfbewegung nach hinten. "Falls es Ihnen nicht aufgefallen sein sollte, dort hinten liegt jemand, der Schmerzen hat." Sofort wurden sie ganz Ohr und erspähten den Blonden, der sich nicht regte und von seinen Freunden umstanden wurde. "Haben sich seine Kopfschmerzen nicht gebessert?", erkundigte sich der eine mit einer großen Unverschämtheit, Kaiba gegenüber war er nicht der fröhliche Wandersmann. Mit ihm hatte er sich in den Haaren gehabt. "Sieht's denn so aus?", zischte Kaiba zurück. "Er muss zurück ins Camp und braucht dort einen Arzt." Der ältere Mann hob die Augenbrauen und der Andere machte sich auf den Weg zu Joey. "Wie soll das gehen?", fragte er etwas spitz. "Wollt ihr ihn den weiten Weg zurückbringen?" Kaiba verengte die Augen, hatte große Lust, einen gandenlosen Mord zu begehen. Dann begnügte er sich mit einem drohenden Blick und kehrte zu Joey zurück, der vom den anderen Wanderer gemustert wurde. Mit dem konnte man scheinbar besser reden. "Gibt es hier in der Nähe eine Straße, die zum Camp zurückführt?" Er hockte sich neben ihn, legte die Hand auf Joeys Knie. "Nicht in der Nähe." Der junge Mann schüttelte den Kopf, rückte näher an Joey heran und betastete dessen Stirn. "Es ist ungefähr ein Fußweg von einer viertel Stunde. Ich weiß nicht, ob er das in seinem Zustand schaffen würd..." Doch Kaiba hatte sich schon erhoben. Zielstrebig griff er nach seiner Tasche, zog sein Handy hervor und wandte sich ab. "Was hat er?" Erkundigte sich der junge Mann, nachdem er Kaiba kurz nachgeschaut hatte. Duke zuckte mit den Schultern. "Vermutlich Migräne." "Ah." In diesen Sekunden ließ Joey das Tuch sinken und öffnete den Mund, um tief durchzuatmen. "Ist es besser geworden?", erkundigte sich Yugi sofort und der Blonde nickte matt. Tristan lugte zu Kaiba. Dieser telefonierte mit irgendjemandem. Er diskutierte, gestikulierte mit der Hand und legte nach knapp einer Minute auf. "Sie schicken ein Auto", wandte er sich dann an den jungen Mann. "Erklären Sie mir, wo diese Straße ist und ich bringe ihn hin." "Ich helfe dir", meldete sich Duke sofort und Kaiba nickte. "Hilfe kann ich gebrauchen." "Dann komme ich auch mit", entschied sich Tristan. "Ich möchte auch helfen!", rief Yugi. "Ich kann doch nicht tatenlos herumstehen", seufzte Tea. Bakura kratzte sich am Kopf und Kaiba winkte genervt ab. "Ich brauche nur ein..." "Wegen diesem Zwischenfall wird sicher nicht die halbe Gruppe zurückkehren!" Auf einmal stand auch der andere Wandersmann bei ihnen und schüttelte ergrimmt die Fäuste. "Es reicht, wenn einer mit ihm zurückkehrt!" "Das können Sie nicht machen!", protestierte Tristan. Joey brummte, verzog die Augenbrauen und hob das Tuch zum Gesicht. Das war ihm hier alles zu laut. "Wie stellen Sie sich das vor!" Kaiba schien sich gern auf einen neuen Streit einzulassen. "Ich kann ihn nicht alleine..." "Warum nicht? Sie sind doch so ein starker junger Mann?" "Dieser starke junge Mann wird Ihnen gleich Manieren beibringen!", zischte Kaiba. "Hören Sie doch." Auch Duke erhob sich und trat an den gehässigen Mann heran. "Es ist einfach sicherer, wenn zwei auf ihn aufpassen! Es geht nicht darum, dass wir uns vor der Wanderung drücken wollen! Sie verstehen den Ernst der Lage nicht!" "Ach ja?" "Ja!" "Bitte, bitte." Der junge Wanderer hob nervös die Hände. "Bitte erlauben Sie es." Jammerte Yugi. "Fassen Sie sich ein Herz." Auch Tea mischte sich ein. "Sie sehen doch, wie schlecht es Joey geht!" "Trotzdem genügt nur einer!" "Streiten wir jetzt wegen dieser blöden Sache?!" Duke konnte es nicht fassen. "Au... bitte Leute...", Joey stöhnte gepeinigt. Kaiba drehte sich zu ihm, runzelte die Stirn und packte Duke entschlossen am Arm. "Du kommst mit!" "Okay!" "Hey!" "Beruhige dich doch." Der junge Mann versuchte seinen Partner zu beschwichtigen. "Die Wanderung hat doch so herrlich begonnen." "Ich will das aber nicht!" "Von Ihnen lassen wir uns nichts vorschreiben!" Auch Tristan wandte sich ab und folgte Duke und Kaiba zu Joey. "Ich trage ihn." Kaiba beugte sich zu dem Blonden hinab, schob die Hand unter seinen Nacken und richtete ihn auf. Sie brachten ihn in eine aufrechte Haltung und sogleich zischte Joey auf und wollte in sich zusammen kriechen. "Na komm, mein Junge." Vorsichtig hielt Duke ihn aufrecht und Kaiba wandte sich an Tea. "Gib mir dein Tuch, Gardner." "Ja, natürlich." Sofort band sich die junge Frau den seidigen Stoff vom Hals und reichte ihm dem Brünetten. Dieser nahm Joey kurz das nasse Tuch weg, faltete es und legte es auf seine Augen zurück. Anschließend band er ihm noch das Tuch um den Kopf und befestigte es so. Dann hockte er sich vor ihn und Duke hob Joeys Arme über seine Schultern, lud ihm den Blonden auf den Rücken. Vorsichtig erhob sich Kaiba, zog Joey mit sich und schob beide Hände unter seinen Hintern, um ihn gut halten zu können. Sogleich sackte das Gesicht des Blonden auf Kaibas Schulter, die Arme baumelten kraftlos vor dessen Bauch. "Wo ist diese Straße?" Duke schwang sich die eigene Tasche über die Schulter und griff auch nach denen von Joey und Kaiba. Der junge Mann wandte sich von dem Streithahn ab und wies auf eine Stelle, bei der der Berg begann. Sie war nicht sonderlich steil. "Wenn ihr diese Anhöhe hinaufgeht, trefft ihr bald auf einen Waldweg, dort geht ihr nach rechts und erreicht so die Straße." "Okay." Duke verabschiedete sich mit einer knappen Handgeste von seinen Freunden und ging los. "Keine Bange, wir kümmern uns gut um ihn." "Ja." Tea seufzte und winkte. Sie hörten den älteren Reiseführer noch fluchen, kümmerten sich jedoch nicht darum und steuerten auf die besagte Anhöhe zu. Kaiba hievte Joey kurz höher und blickte sich flüchtig um. "Fünfzehn Minuten, ja?" "Mm." Duke nickte, trat näher an ihn heran und besah sich Joeys Gesicht. Es sah aus, als würde der Blonde schlafen, sein Mund war leicht geöffnet, nur manchmal zuckte seine Miene unter den stechenden Schmerzen. Kaiba konnte seinen schnellen Atem deutlich an seinem Hals spüren, so bemerkte er auch, wenn Joey ihn anhielt und sich verkrampfte. Nach wenigen Minuten erreichten sie die Anhöhe, dort standen wieder Bäume und viele Stöcke und Äste erschwerten den Aufstieg. Vorsichtig setzte Kaiba einen Fuß vor den anderen und tastete, bevor er höher stieg. Er konnte es sich nicht leisten, Halt zu verlieren und zu stürzen. Duke ging vor ihm und setzte ihn von störenden Stöcken in Kenntnis, auch von Stellen, die vom Morgentau noch feucht waren und zum Ausrutschen einluden. Kaiba hatte keine großen Schwierigkeiten, Joey zu tragen, nur sein Zustand bereitete ihm Sorgen, denn während sie stiegen, begann der Blonde wieder zu keuchen und leise zu jammern, die Hände, die im freien baumelten, ballten sich zu schwachen Fäusten. Nach kurzer Zeit erreichten sie den besagten Waldweg und gingen nach rechts. Dies war bei weitem leichter, als Berg zu steigen. Sie mussten nur einen geringen Anstieg bewältigen, erreichten die Straße früher als geplant und wurden dort bereits erwartet. Vorsichtig luden sie Joey in das Auto und fuhren zurück zum Camp. Der Weg war nicht sonderlich holprig und so war Joey meistens leise - die Kopfschmerzen schienen nachgelassen zu haben. Nur Kaiba band kurz das Tuch von seinem Kopf, um das Tuch zu wenden. Das Camp erreichten sie nach einer halben Stunde und wieder lud sich Kaiba den Blonden auf. "Hol einen Arzt", schickte er Duke fort und machte sich selbst auf den Weg zu dem Bungalow. Er ging zügig, wollte Joey endlich hinlegen und ihm Ruhe zukommen lassen. Einige Schüler, die an ihm vorbeizogen, blieben stehen und sahen ihm verwundert nach. Allmählich wurde Joey doch schon etwas schwer, der Weg zum Bungalow erschien länger als sonst. Kaiba blähte die Wangen auf, hievte Joey höher und ging weiter. Hoffentlich konnte der Arzt ihm helfen. Und... hoffentlich gab es in diesem Camp einen ordentlichen. Endlich sah er das Ziel näher kommen, verdrehte die Augen und ließ die letzten Meter hinter sich. Vor der Tür jedoch, hielt er inne und brummte leise. Wie sollte er diese blöde Tür aufschließen, wenn er nebenbei Joey halten musste? "Verdammt.“ Er fluchte leise und beugte sich weit nach vorn, bis Joey wagerecht auf seinem Rücken lag und seine Arme nach unten hingen. Erst dann konnte er die Hände von ihm lösen. Während er flink in seinen Hosentaschen tastete, musste er sich sehr auf die Balance konzentrieren. Sicher wäre es nicht all zu angenehm für Joey, einen Sturzflug zu unternehmen. Er tastete, ertastete den Schlüssel, kam jedoch nicht an ihn heran, ohne sich aufzurichten. Er stöhnte, gab den ersten versuch nach kurzer Zeit auf und schob die Hände wieder nach hinten, um sich aufrichten zu können. Mein Gott, warum war das so umständlich?! Verbissen wandte er sich ab und blickte sich um. Es sah so aus, als bräuchte er Hilfe. Am besten wäre es, wenn Duke mit dem Arzt vorbeikäme. Er rollte mit den Schultern, packte Joey fester... und erspähte jemand anderen. Nachdenklich blieben seine Augen an jenem Punkt hängen, drifteten nur langsam nach rechts. Er wollte Joey hineinbringen, da konnte er sich die Hilfe nicht aussuchen. Er lehnte sich etwas zur Seite, bis Joeys Gesicht wieder sicher an seinem Hals lehnte, dann holte er tief Luft. "Daniel!" In nicht all zu weiter Entfernung blieb der Angesprochene stehen, es sah aus, als wäre er gerade spazieren gegangen, ohne ein Ziel zu verfolgen. Kurz blickte er sich um, nahm die Hände aus den Hosentaschen und erspähte Kaiba. Er beobachtete ihn irritiert, legte den Kopf schief und trat langsam näher. "Beeilung...!", brummte Kaiba leise bei sich und hievte Joey höher. Seine Hände schwitzten, er war kurz davor, abzurutschen. Daniel jedoch, schien den Ernst der Lage schnell zu begreifen. Seine Schritte verschnellerten sich und kurz darauf legte er zwei Finger an die Lippen, drehte sich um und pfiff laut. "Was is los?" Endlich erreichte er Kaiba und musterte Joey überrascht. "Wir müssen ihn hinlegen", erwiderte Kaiba eilig. "Es geht ihm nicht gut, du musst mir helfen." "Klaro." Mit großen Augen wandte sich Daniel ab und Kaiba erspähte die anderen drei Amerikaner, die ebenfalls zu ihm eilten. "Was is...?!" "Nehmt ihn mir ab!" Kaiba drehte sich um und sofort griffen sechs Hände zu. Vorsichtig hoben sie Joey von dem Rücken des jungen Mannes und Morfrey und Eddie fassten ihn sicher und trugen ihn. Kaiba hatte sich sofort der Tür genähert, den Schlüssel hervorgezogen und aufgeschlossen. Flink stieß er die Tür auf, hielt sie kurz offen und eilte durch den Flur, durch das Wohnzimmer zur Treppe. "Bringt ihn in's Schlafzimmer!", rief er, bevor er die Stufen hinauf sprang. Im Schlafraum angekommen, eilte er zu Joeys Bett, griff nach der Bettwäsche und warf sie hinter sich auf den Boden. Auch die Matratze zog er heraus und schob sie zur Mitte des Raumes, um sie dort abzulegen. Dort war Joey besser zu erreichen. Schnell warf er das Kissen auf die Matratze und hörte schon die Schritte im Flur. Kurz darauf betrat Daniel den Raum und hielt die Tür offen. Ihm folgten Eddie und Morfrey, die Joey herein trugen. "Legt ihn hier hin!" Kaiba wies auf die Matratze und die Amerikaner befolgten den Befehl. Joey regte sich nicht, sackte matt auf das weiche Polster. Fürsorglich bettete Morfrey seinen Kopf auf dem Kissen und richtete sich auf. "Was ist mit ihm los?", erkundigte sich Daniel und kauerte sich neben Joey. Kaiba ließ sich auf der anderen Seite nieder, beugte sich über den Blonden und schob die Hand unter seinen Nacken, um den Kopf anzuheben. Mit wenigen Handgriffen lockerte er das Tuch, zog es hervor und hob das Tuch von Joeys Augen. "Sieht wie Migräne aus." Flink erhob er sich mit dem Tuch und verließ den Raum, um das gegenüberliegende Bad aufzusuchen. "Ich verstehe es nicht!", fauchte er verbissen, als er den Raum betrat, gegen den Lichtschalter schlug und zum Waschbecken eilte. "Das kann doch nicht sein!" Eilig stellte er das Wasser an, stellte es kalt und hielt das Tuch hinein. Von drüben hörte er die Stimmen der Amerikaner, die wild durcheinander quasselten. Sie diskutierten über Migräne und die besten Mittel dagegen. Kaiba stöhnte, ließ das Tuch fallen und stützte sich auf das Waschbecken. Erschöpft ließ er auch den Kopf sinken, schüttelte ihn langsam und fluchte bei sich. "Das muss etwas damit zu tun haben...", sagte er leise, während das Wasser rauschte, "... das ist nicht normal." Stille trat ein... die Amerikaner verstummten ihm Nebenraum und Kaiba hob langsam die Hand, stellte das Wasser aus. "Das ist nicht normal", hauchte er erneut, als er nach dem kalten Tuch griff und es auswrang. "Ich..." Plötzlich ertönte ein leiser Schrei und Kaiba zuckte zusammen. Joey schrie! Hastig wandte er sich ab und eilte ihn das Schlafzimmer zurück. Dort wand sich Joey auf der Matratze und gab grausame Laute von sich. "Shit!" Vorsichtig hielt Eddie ihn fest. Joey verdeckte wieder die Augen, seine Zähne bissen verkrampft aufeinander. "Wir brauch'n nen Arzt!" Daniel blickte hektisch zu ihm auf. "Kommt bald." Kaiba warf sich auf die Knie und neigte sich nach vorn. "Nehmt seine Hände weg!" Vorsichtig griffen die Amerikaner nach Joeys Händen und es war ihnen ein Schweres, sie von dessen Gesicht zu entfernen, da sie sich verkrampft darauf pressten. Doch es gelang ihnen und Kaiba legte das kühle Tuch auf seine Augen zurück, wodurch Joey zusammenzuckte. Und bevor er sich winden konnte, legte Kaiba die Hand auf das Tuch und hielt es. Verkrampft öffnete der Blonde den Mund und stieß einen zittrigen Atem aus, doch die Schmerzen schienen dennoch nicht nachzulassen, denn kurz darauf wimmerte er leise und biss wieder die Zähne zusammen. Kaiba blickte sich um. "Wo bleibt dieser verfluchte Arzt?!" "Er hat Schmerzen." Vorsichtig drückte Eddie Joeys Arm auf die Matratze zurück. "Klar hat er", antwortete Daniel. "Hattest du je Migräne?" "Joseph?" Wieder neigte sich Kaiba über ihn. Joey bewegte stumm die Lippen, zischte leise und begann sich zu bewegen. Er wand sich kraftlos unter den Händen, stöhnte und ächzte. "Seto... das tut so... so verflucht weh!", keuchte er kurz darauf. "Der Arzt kommt gleich", erwiderte Kaiba tröstend. "Halt durch, okay?" "Ich...", Joey presste kurz die Lippen aufeinander, "... ich kann nicht mehr... meine Augen...!" Kaiba hob das Tuch etwas an, die Lider waren verkrampft geschlossen, das Gesicht zuckte, wirkte hinzukommend etwas blass und kränklich. Vorsichtig betastete Kaiba seine Stirn mit den Fingerkuppen, strich einige Strähnen zurück. "Wo sitzt der Schmerz, Joseph." "Meine Augen...!" Kaiba stöhnte leise, schüttelte den Kopf und richtete sich auf, wobei er das Tuch zurücklegte. "Verdammt! Warum gerade die Augen!" "Wie meinst'n das?", erkundigte sich Daniel. Kaiba lugte zu ihm, ihre Blicke trafen sich. "Er hat Probleme mit den Augen", antwortete er dann. "Wegen der Migräne?" Daniel hob die Augenbrauen. "Mm." Kaiba wandte sich ab und in diesen Sekunden ertönten endlich schnelle Schritte im Flur und kurz darauf trat Duke in Begleitung eines älteren Mannes den Raum. "Da sind wir!" Kaiba nickte erleichtert und der ältere Mann trat an das spontane Lager heran. Er trug einen dunkelbraunen Arztkoffer mit sich, den er nun abstellte. Bereitwillig machte Daniel ihm Platz und er hockte sich mit professioneller Miene vor den Blonden, der mit offenem Mund keuchte. "Migräne." Ohne Kaiba einen Blick zuzuwerfen, wandte er sich an Joey und nahm ihm das Tuch von den Augen. "Ja." Kaiba nickte. Daraufhin tastete der Arzt kurz das Gesicht des jungen Mannes ab und stellte wenige Fragen an ihn, die Kaiba ins japanische übersetzte und Joey leise und angespannt beantwortete. Die Amerikaner standen um die Matratze herum und verfolgten das Geschehen. Nur Daniel war die meiste Zeit über damit beschäftigt, Kaiba zu beobachten. Nachdenklich musterte er dessen Miene, während der Arzt Joey untersuchte, auch seine Gesten verfolgte er mit Adleraugen. Es dauerte nicht lange, da nickte der Arzt und öffnete seinen Koffer. "Es sieht wirklich nach einer schlimmen Migräne aus", meinte er, während er in dem Koffer suchte. "Ich werde ihm eine Spritze geben, die die Schmerzen lindert und ihn schläfrig macht. Sorgen Sie bitte dafür, dass er sich nicht übermäßig bewegt und das seine Augen verdeckt und gekühlt werden." Kaiba nickte und als der Arzt die Spritze und das Zubehör hervorholte, wirkte auch er nachdenklich. Ruhig stach der Arzt die Spritze in die Ampulle, zog sie auf und setzte anschließend die dünne Nadel auf den Ansatz. Kaiba biss sich auf die Unterlippe und der Arzt entblößte Joeys linken Arm, desinfizierte die Stelle über seinen Andern in der Armbeuge und stach die Nadel hinein. Joey rührte sich nicht, schluckte nur kurz, bevor er weiterhin keuchte. "Doktor", erhob Kaiba die Stimme wieder in der deutschen Sprache. "Es gehört doch nicht zu einer Migräne, dass die Sehfähigkeit rapide abnimmt, oder?" Der Arzt zog die Spritze heraus, presste ein kleines Tuch auf die Stelle und zuckte mit den Schultern. "Etwas, doch. Die Augen werden empfindlicher gegen jede Art von Licht und sind weniger belastbar." "Aha." Kaiba atmete tief durch, blinzelte verbissen und setzte sich zurück. "Dieser verfluchte Typ!" Erschöpft schlenderte Tristan mit den anderen durch die Bungalows. "Er hat den Rest dieser tollen Wanderung wirklich toll gestaltet!" "Herumgejagt hat er uns!" Tea schüttelte empört den Kopf. "Ich bin hundemüde." Endlich hatten sie die schreckliche Tageswanderung hinter sich und schleppten sich durch die Dämmernis zu ihrer Unterkunft. Ihnen allen schmerzten die Beine und niemand wollte etwas anderes, als sich hinzulegen. "Eine Frechheit, dass wir nicht mit Kaiba, Joey und Duke mitgehen durften!" Tristan wischte sich den Schweiß von der Stirn. "Kaiba und Duke haben sich sicher gut um unseren Joey gekümmert." Tea klopfte ihm auf die Schulter. Auf sie ist Verlass und sicher geht es ihm schon besser." "Hoffentlich." "Gott sei dank, da vorn ist es." Yugi seufzte. "Ich mag Tageswanderungen nicht." Unbemerkt verschnellerten die Vier ihre Schritte, kamen ihrem Ziel schnell näher. Die Taschen waren so schwer, die Beine fühlten sich an wie Gummi und all der Schweiß brachte sie fast um. Duschen - Bett! Kurz bevor sie den Bungalow erreichten, wurde Yugi auf etwas aufmerksam, das auf dem Boden lag. Verwundert blieb er stehen, starrte nach unten und ging in die Hocke, die anderen erreichten währenddessen das Ziel und öffneten die Tür. Yugi’s Augen weiteten sich triumphierend, als er nach dem außergewöhnlichen Stein griff und ihn zwischen den Fingern rieb. Na so etwas...? Der war wirklich außergewöhnlich schön! Langsam erhob er sich und betrachtete sich seinen Fund von allen Seiten. Nach wenigen Sekunden wollte er weitergehen. "Yugi!" Ertönte das plötzlich eine bekannte Stimme und der Junge drehte sich überrascht um. In schlendernden Schritten näherte sich ihm Daniel. Auf seinen Lippen - ein liebliches Grinsen. "Mein Lieblingskumpl!" "Hallo." Yugi lächelte begrüßend und verstaute den Stein in seiner Hosentasche. Daniel blieb vor ihm stehen, mit den Händen in den Hosentaschen schunkelte er und grinste weiterhin. Yugi grinste zurück. "Sag ma." Daniel verzog ganz merkwürdig die Miene, legte die Hand auf Yugi’s Schulter und zwang ihn so, ein paar Schritte mit ihm zu gehen. "Hm?" Yugi wartete geduldig und Daniel täuschte ein Grübeln vor. "Yugi, mein Lieber, wie lange kennst'n Joey eigentlich scho?" "Joey?", antwortete Yugi nichts ahnend. "Weiß nicht, vielleicht vier Jahre?" "Vier Jahre, echt?" Daniel hob die Augenbrauen und klopfte Yugi auf die Schulter. "Das is ne lange Zeit, nech?" "Oh ja." Yugi lachte. "Und", Daniel blieb stehen, trat vor Yugi und hockte sich gemütlich in das Gras, "wie lang kennste Kaiba schon?" "Auch vier Jahre", antwortete Yugi guter Laune. "Wir haben uns alle kennen gelernt, als wir auf die Domino-High kamen, weißt du? Wir haben recht schnell zusammengefunden und wurden Freunde." Der Junge strahlte. "Wir sind gute Freunde, Kaiba kam erst später zu uns, aber er war schon immer in meiner Klasse. Na ja und jetzt ist er auch unser Freu..." "Ja, schon gut." Lachend winkte Daniel ab. "Ich mein nur, Freunde sagen sich doch eigentlich alles, hm? Jedes Geheimnis? Und se wissen sicher auch alles über'n anderen." "Wir sagen uns alles, ja." Yugi war stolz. "Wenn man Probleme hat, muss man doch darüber sprechen, sonst werden sie noch schlimmer. Und wenn man Freunde hat, kann man ihnen alles anvertrauen und alle sind dann wieder glück..." Daniel räusperte sich, unterbrach den Jungen somit. "Und Joey sacht dir auch seine Geheimnisse?" "Huh?" Yugi hob die Augenbrauen. "Aber natürlich!" "Das is ja schön." Daniel rieb sich das Kinn und der Junge nickte in begeisterter Zustimmung. "Und Joey und Kaiba? Sind die auch schon seit vier Jahren so dicke miteinander?" "Wie meinst du das...?", erkundigte sich Yugi und kratzte sich an der Stirn. "Na ja." Er fuchtelte lässig der Hand. "Sie sitzen dauernd bei'nander und verschwind'n einfach ma, schott'n sich nen bissl ab, wie mir scheint." "Och nö." Hastig schüttelte der Junge den Kopf, er wurde langsam nervös. "Sie wollen einfach nur Zeit füreinander haben." "Ach?" Als hätte Daniel eine Erkenntnis gewonnen, weitete er die Augen. "Sie wollen Zeit füreinander haben? Das könn'se doch auch, wenn'se bei euch sin." "Na ja." Unentschlossen zuckte Yugi mit den Schultern. "Sie wollen eben auch mal allein sein, das... versteht man doch, oder?" "Klar." Mit großem Verständnis nickte Daniel, das sonnige Grinsen verlor allmählich an Kraft. "Un was machen'se, wenn'se allein sin?" "Äh..." Yugi kratzte sich am Kopf, ein verunsichertes Grinsen zerrte an seinem Mund. Darum hatte er sich nie Gedanken gemacht... eigentlich wollte er das auch gar nicht. "Öhm... sie... sprechen miteinander?" "Und über was?" Begann Daniel unverschämt zu stochern. Nun begann das Verhör und der Halbamerikaner ließ scheinbar jede Freundlichkeit fallen, musterte den Jungen nun scharf. "Weiß ich nicht." Yugi fühlte sich plötzlich alles andere als wohl. "Über Dinge eben." "Haben wohl die selb'n Hobbys", sagte Daniel. "Ja!" Sofort nickte Yugi. "Sie sprechen über ihre Hobbys!" "Und wie lang kennse sich nu scho? Darauf haste noch nich geantwortet." "Warum stellst du all diese Fragen?", erkundigte sich Yugi vorsichtig. "Frag ihn doch selbst, wenn du dich dafür interessierst." "Würd ich gern." Daniel zuckte mit den Schultern und begann mit ernster Miene am Gras zu zupfen. "Leider is er grad nich so ansprechbar, weißte?" "Es geht ihm also nicht gut?" Yugi seufzte. "Nein, tut's nich." Daniel erhob sich stöhnend, klopfte sich die Hose sauber und fuhr sich durch das offene schwarze Haar. Von dem netten jungen Mann war keine Spur zu sehen. Yugi schwieg und Daniel blickte sich kurz um, bevor er sich wieder an ihn wandte. "Und Kaiba kümmert sich rührend um ihn!" Seine Stimme verschärfte sich. "Glaubt ihr, ich bemerk's nich? Ich weiß, wie sich Freunde verhalt'n un die Beiden...!" Er wies mit finstrer Miene auf den Bungalow. "Das sind nich nur Freunde!" Erschrocken öffnete Yugi den Mund, kam jedoch nicht dazu, etwas zu sagen, denn Daniel fuhr fort und sein Ton wurde immer barscher, bis er verächtlich und wütend sprach. "Finds'te so was etwa okay? Ihr seid ja alle sooo verständnisvoll, aber ich sach dir ma was, Yugi!" Seine Augen begannen feindselig zu funkeln, so kannte man Daniel nicht! "Das-is-das-Letzte! Das Allerletzte! Abscheulich, widerwärtig!" Verstört wich Yugi einen Schritt zurück. "Ich veracht' es aufs Schärfste, vertrag'n Gedanke nich!! Sach das meinetwegen den Beiden, ich steh zu meiner Meinung!" Daniel stach mit dem Zeigefinger nach Yugi. "Ich versteh' euch nich, wie könnt ihr so was Abscheuliches gutheiß'n?! Seid ihr total blöd?!" Er schnitt mehrere Grimassen, fuchtelte mit den Händen und wandte sich ruppig ab. "Un ich Idiot hab noch mit denen gesprochen!!" Somit ging er in schnellen Schritten fort und ließ Yugi zurück, der sterbensblass dort stand und ihm verwirrt nachstarrte. Gemütlich hockte Kaiba neben dem Lager, hatte die Beine gekreuzt und das Kinn in die Handfläche gestützt. Tristan, Tea und Bakura waren gerade erst eingetroffen und hatten sich über Joeys Zustand informiert, von Yugi fehlte jede Spur. Dieser Zustand schien sich gebessert zu haben - der Blonde lag still und schien keine Schmerzen mehr zu spüren. Sein Gesicht war entspannt, nur die Lippen bewegten sich hin und wieder stumm. Die Spritze schien gut zu wirken. Kaiba bearbeitete seine Unterlippe vorsichtig mit den Zähnen, er war geistig abwesend, nicht ansprechbar. Hinter ihm lag Bakura im Bett und vertiefte sich in sein Buch. Duke hatte es sich ebenfalls auf seinem Bett gemütlich gemacht und hörte Musik. Tristan schien schon zu schlafen und Tea war unten im Bad. Scheinbar mussten sie sich keine Sorgen mehr um Joey machen. Der Arzt hatte versichert, dass es ihm am morgigen Tag besser gehen würde, außerdem hatte sich Kaiba vorgenommen, morgen den Abbruch der Klassenfahrt zu arrangieren und mit Joey nach Domino zurückzukehren. Diese ernsthafte Planung verstanden sie nicht so recht. Joey hatte nur Migräne und musste sich lediglich etwas ruhig verhalten. Er könnte sich doch auch raus legen und sich sonnen? Alles ganz locker. Die Migräne würde bald nachlassen und dann ginge es ihm wieder gut. Doch wenn Kaiba nach solchen Maßnahmen griff, dann sicher nicht ohne Grund. Nun waren sie jedoch alle müde. Nach nicht allzu langer Zeit öffnete sich die Tür und Yugi trat in den Schlafraum. Kaiba bewegte sich nicht, nur Bakura achtete auf ihn, lächelte und wandte sich wieder seinem Buch zu. Etwas blass um die Nase, schloss Yugi die Tür hinter sich, seine Augen hafteten nachdenklich an dem Brünetten, der reglos dort kauerte. Er wirkte etwas unentschlossen, als langsam näher trat, hinter ihm stehen blieb und die Wangen aufblähte. Er sollte es ihm doch sagen, oder...? Lange stand er dort und hoffte, Kaiba würde ihn ansprechen, doch das tat dieser nicht und selbst fand der Junge keinen Mut dazu. Kaiba würde wütend werden, ganz sicher. Mehrmals öffnete er den Mund und schaffte es letzten Endes zu einem leisen Räuspern, doch Kaiba bewegte sich immer noch nicht und bevor sich Yugi überwinden konnte, kehrte Tea zurück. In einem süßen rosa Schlafanzug trat sie in den Raum, warf Joey einen besorgten Blick zu und streckte sich ausgiebig. Dann schlürfte sie auf ihr Bett zu und kroch unter die Decke. Auch Duke erwachte zum Leben und Yugi wandte sich von Kaiba ab, um zu seinem eigenen Bett zu trotten. Träge zog sich Duke die Kopfhörer aus den Ohren, wälzte sich herum und blinzelte zu Kaiba. "Hey Kaiba, du solltest jetzt auch schlafen." Nur langsam regte sich der Angesprochene. Zuerst blinzelte er nur, schien aus dem Reich der Gedanken zurückzukehren und richtete sich auf. "Schau, Joey tut es auch schon, du musst dir keine Sorgen machen. Leg dich hin und morgen wird es ihm besser gehen." Langsam rieb sich Kaiba die Stirn, fuhr sich durch den Schopf und kam langsam auf die Beine. Stimmt, Joey schien wirklich zu schlafen, friedlich und entspannt. Er musterte ihn lange, bevor er sich auch den Nacken rieb und auf sein Bett zusteuerte. Er durfte sich nicht verrückt machen. Auch Joeys Augen würde es besser gehen und wenn sie morgen wieder in Domino wären, würden sie sich um die Sache kümmern. Er wurde sicher nicht blind... Als Kaiba am nächsten Tag die Augen öffnete, erwachte sogleich die Angst in ihm, etwas verpasst zu haben. Bevor er richtig wach wurde, drehte er sich von der Wand fort und richtete sich auf. Duke kauerte bereits auf seinem Bett, ebenso Tristan. Yugi und Tea waren nicht da und Bakura war der einzige, der noch schlief. Doch Kaibas Blick richtete sich erst einmal auf Joey. Gut... auch er schien noch zu schlafen. Er musterte ihn etwas länger, um sich sicher zu sein, dann ließ er sich in sein Kissen zurückfallen und blickte sich etwas im Raum um. "Schläft wie ein Baby." Duke grinste und wies auf den Blonden. "Hat keinen Mucks von sich gegeben." "Wir haben das Tuch noch einmal nass gemacht", fügte Tristan hinzu. "Nicht einmal da hat er sich gerührt." Kaiba brummte anerkennend und Duke schob sich von seinem Bett und blieb neben Joey stehen. Das Tuch lag auf dessen Augen, an der Haltung hatte sich nichts geändert. Er lag gemütlich auf dem Rücken, bis zur Brust unter der wärmenden Decke. "Willst du wirklich mit ihm zurück nach Domino?" Endlich äußerte Duke seine Zweifel. "Ich denke, das es ihm wirklich besser geh..." "Nachher werde ich es in die Wege leiten", erwiderte Kaiba nuschelnd und schloss die Augen. Duke hob die Augenbrauen, wechselte einen flüchtigen Blick mit Tristan und schlenderte schulterzuckend zur Tür. "Wird schon richtig sein." Er griff nach der Klinke. "Vielleicht ist es ja wirklich besser, wenn er wieder in seiner vertrauten Gegend ist. Da kann man sich doch gleich viel besser erholen." "Ja." Tristan stimmte zu und Kaiba verkroch sich unter der Decke. Der gestrige Tag hatte ihn angestrengt - er war noch müde. "Wie spät ist es?", erkundigte sich Kaiba nachdem Duke den Raum verlassen hatte. "Kurz vor neun", antwortete Tristan. "Bald gibt es Frühstück." "Mm." Wenn er noch heute in Domino sein wollte, dann musste er langsam mit der Planung beginnen. Mit einem Jet der KC würde die Rückreise nicht all zu lange dauern. Langsam schob er also die Decke zur Seite, kam auf die Beine und steuerte auf seine Reisetasche zu. Nach einem weiteren kurzen Blick zu dem schlafenden Joey, hockte er sich auf den Boden, kratzte sich am Hals und zog seinen Laptop hervor. Tristan verfolgte gespannt, wie er auf dem Schoß ablegte, ihn aufklappte und hochfuhr. Das ging sehr schnell von statten und kurz darauf schrieb Kaiba scheinbar eine Mail. Er tippte schnell, schrieb nicht viel und schickte sie ab. Anschließend saß er kurz reglos vor dem Laptop, lehnte sich dann zur Seite und zog sein Handy aus seiner Reisetasche. Nur kurz hielt er es in der Hand, dann meldete es sich und er klappte es auf. Flink hob er es zum Uhr und begann nebenbei schon wieder zu tippen. "Pikotto." Er ging ins Netz und suchte dort nach etwas. "Joseph und ich werden noch heute nach Domino zurückkehren... nein, das erzähle ich dir später, es gab nun einmal einige Probleme. Jedenfalls...", er knabberte auf seiner Unterlippe, Tristan hob beeindruckt die Augenbrauen. Dieses 'in die Wege leiten' ging ja sehr schnell vonstatten. "Ich will, dass sechzehn Uhr ein Jet für uns auf dem Flughafen in Halle wartet, und zwar der schnellste, den wir haben, verstanden? Ja, genau der. Ich werde vermutlich ein Reisetaxi bestellen müssen, um dorthin zu gelangen, den Leiter des Camps werde ich kaum dazu bewegen können, uns zu bringen. Ähm... bis wir gegen... zweiundzwanzig Uhr in Domino ankommen, will ich, dass ein Platz für Joseph im Krankenhaus am Nusashi-Platz frei ist. Setz dich mit Doktor Johnson in Verbindung." "Krankenhaus?" Überrascht richtete sich Tristan auf. Er traute seinen Ohren nicht! "Und bis morgen brauche ich eine Liste der besten Augenspezialisten. Nein... später Pikotto, wir haben jetzt keine Zeit, kümmere dich einfach darum, ja? Sechzehn Uhr, genau, wir versuchen pünktlich zu sein. Trommle die Besten zusammen, es ist mir verdammt wichtig mit dieser Sache, ja... ja, natürlich. Also, dann, bis heute Nacht." Somit legte er auf, legte das Handy bei Seite und wandte sich seinem Laptop zu. Tristan kam auf die Beine. "Warum muss Joey in ein Krankenhaus?", erkundigte er sich irritiert, Kaiba winkte ab. "Keine Zeit. Ich weiß schon, was ich mache." "Ja, aber... hey, wenn es da etwas Ernstes gibt, dann haben wir das Recht, es zu erfahren!" Kaiba reagierte nicht und tippte weiter. "Warum muss er ins Krankenhaus!", stocherte Tristan weiter und trat näher. "Sag schon, Kaiba. Das ist nicht lustig!" "Find ich auch und wenn du mich jetzt von meinen Vorbereitungen abhältst, dann geht es vielleicht schief und wir stehen dumm da. Also stör mich nicht, wirst schon noch erfahren, worum es geht." Nun begann sich Bakura in seinem Bett zu räkeln. "Kaiba!" Tristan blieb neben ihm stehen und warf einen irritierten Blick zu Joey. "Ist es mehr als eine Migräne? Wozu braucht er einen Augenspezialisten?" >Ich mache mir soviel Sorgen, dass es für euch alle reicht!< Kaiba tippte weiter. >Ganz sicher werde ich euch nicht auch noch damit belasten! Es reicht, wenn die Klassenfahrt für uns beide verloren ist!< "Kaiba!" Tristan verschränkte die Arme vor der Brust. "Ich warte!" "Migräne greift die Augen an", murmelte Kaiba endlich. "Jetzt bleib auf dem Boden, ich will nur sichergehen." "Ach!" Tristan kaufte es ihm nicht ab. "Und dazu brauchst du den besten Augenspezialisten?" "Ich will sicher gehen", wiederholte Kaiba mit geschauspielerter Geduld. "Das glaube ich dir nicht! Hier geht es doch um etwas anderes, oder? Ich finde es mies, dass du uns das vorenthältst!" In dieser Sekunde öffnete sich die Tür und Duke, Tea und Yugi traten ein. "Duke", wandte sich Kaiba klug an den Schwarzhaarigen. "Ich möchte, dass Joseph in einem Krankenhaus untersucht wird, mehr nicht. Könntest du Taylor mal in die Realität zurückholen? Er macht ein Theater daraus." Duke trat näher. "Krankenhaus?" "Ja und um Migräne genau behandeln zu können, braucht man unter anderem einen Augenspezialisten." Duke nickte zustimmend. "Taylor meint natürlich, dass mehr dahinter steckt." Somit wandte sich Kaiba seelenruhig seinem Laptop zu und tippte weiter. "Hm?" "Ist es nicht etwas übertrieben, dass er Joey nur wegen der Migräne nach Domino zurückbringen will?" Tristan gab sich nicht geschlagen. "Tristan." Ohne dass Duke es bemerkte, deckte er Kaibas Pläne und dieser war zufrieden. "Joey wird sich besser erholen können, wenn er zu Hause ist, das verstehe ich schon." "Ja, da hat Kaiba recht." Tea spielte auch mit. Yugi schwieg. "Komm schon." Duke schlug Tristan kameradschaftlich gegen die Schulter. "Gehen wir Frühstücken? Komm, Baku. Aus den Federn!" "Ja, aber..." Verwirrt sah sich Tristan um und Bakura kämpfte sich aus dem Bett. "Man, bin ich hungrig." Duke war schon wieder an der Tür und verließ den Raum. Yugi folgte ihm und Bakura stülpte sich schläfrig ein Shirt über. "Ich bleibe hier", erklärte Kaiba in den Laptop vertieft. "Okay." Auch Tea wandte sich ab, fasste Tristan am Arm und zog ihn mit sich. "Komm schon, es ist alles in Ordnung." "Nein, ich denke wirklich, dass..." Draußen im Flur verstummte er. Kaiba hielt inne und wartete, bis Bakura in eine Hose geschlüpft war und ebenfalls aus dem Raum schlürfte. Dann richtete er sich auf, fuhr sich durch den Schopf und kam langsam auf die Beine. In schlendernden Schritten näherte er sich Joey, kauerte sich neben ihm auf die Matratze und schlang die Arme um die Knie. So wie der junge Mann dort lag, schien es, als sei wirklich alles in Ordnung. Doch... das war es nicht, ganz sicher. Kaiba blieb sitzen und betrachtete sich das blasse Gesicht, das Tuch, das seit langem über den geschlossenen Augen lag. Diese Augen... was war nur mir diesen Augen los! Kaiba stand unter Zeitdruck, musste schnell handeln, nun, da Joey nicht mehr so recht dazu imstande war. Außerdem glaubte Kaiba auch nicht, das es ihm plötzlich besser ging, dazu hatte er am vorigen Tag zu große Schmerzen gehabt. Er musste etwas unternehmen, bevor etwas Schlimmes, etwas unbeschreiblich Grausames geschehen konnte. Wenn wirklich die Gefahr bestand, das Joey erblindete, so musste er es unbedingt verhindern! Wie würde sich Joey, der freiheitsliebende Rebell nur fühlen, wenn ihn Dunkelheit umgab, wenn seine Augen all ihre Fähigkeiten verlieren würden? Kaiba ließ den Kopf sinken und stützte ihn auf die Knie. Daran wollte er nicht denken, das durfte nicht passieren! Er atmete tief ein, richtete sich auf und beugte sich etwas nach vorn, um die Hand nach Joey auszustrecken. Vorsichtig berührte er die Wange - sie fühlte sich normal an, nicht unnormal kühl oder warm. Langsam strich er tiefer zu den Lippen, die entspannt geschlossen waren. Und mit jeder Sekunde, die er dort saß, fühlte er sich merkwürdiger. Er wusste dieses Gefühl nicht zu definieren, nicht damit umzugehen. Es machte ihm nur Angst und so zog er flink an seinen Laptop zurück um nach Reisetaxis zu suchen, die in dieser Gegend ihren Dienst anboten. Es dauerte nicht all zu lange, da kehrten die anderen zurück. Viel Zeit blieb ihnen jedoch nicht, denn am heutigen Tag würden sie erneut hinunterfahren und einen alten Steinbruch besichtigen. Darauf waren alle sehr neugierig und niemand kam auf den Gedanke, sich davor zu drücken und hier zu bleiben. Joey ging es sicher besser, Kaiba war da. Was sollte da schief gehen? Auch Kaiba meinte, das sie ruhig fahren sollten, er wollte in Ruhe planen, niemandem Rede und Antwort stehen. "Kommst du auch wirklich klar?", erkundigte sich Duke noch, bevor er als Letztes den Raum verließ. Kaiba nickte nur, er war sonderlich still und angespannt, hatte Probleme, diese Tatsachen zu verbergen. Somit verließ die heitere Gruppe den Bungalow. Sie gingen, ohne etwas zu befürchten... Sie gingen. Durch das leicht geöffnete Fenster hörte Kaiba noch ihre Stimmen. Noch immer saß er vor seinem Laptop und wurde kurz darauf fündig. Er hatte verdammt lange suchen müssen, bevor er endlich eine brauchbare Telefonnummer erhielt und sie sich notierte. Anschließend vergeudete er keine Zeit. Er suchte kurz in Joeys Tasche, fand dessen Handy und schrieb sich auch aus dem Telefonbuch eine Telefonnummer ab. Zu diesem Zeitpunkt schlief Joey noch immer und Kaiba blieb lange vor seinem Bett stehen, bevor er zum nächsten Schritt seiner Planung kam. Scheinbar schlief Joey sehr tief, vermutlich dauerte die Wirkung der gestrigen Spritze immer noch an. Verunsichert stöhnte Kaiba und sah sich flüchtig um. Er musste kurz den Bungalow verlassen um mit den Leitern des Camps zu sprechen. Er müsste Joey unbeaufsichtigt lassen. Würde er wirklich weiterschlafen? Nun bräuchte er doch Hilfe, die Hilfe eines weiteren, der auf Joey aufpasste. Er wusste nicht, ob er es wirklich wagen, ihn allein lassen sollte. Nach angestrengtem Grübeln entschloss er sich, den Arzt noch einmal vorbeizuschicken. Während er die letzten Vorbereitungen traf, könnte ja dieser auf ihn aufpassen, dann wäre Joey nicht länger als fünf oder zehn Minuten allein. "Ach verdammt." Überfordert rieb er sich die Augen und verdrehte sie. Hatte er denn eine andere Wahl? Bevor er sich auf den Weg machte, hockte er sich erneut zu Joey, streichelte über seine Wange und fuhr mit den Fingern durch das blonde Haar. "Bis gleich." Somit verließ er den Bungalow, schloss die Tür hinter sich und steuerte in eiligen Schritten auf das weiße Gebäude zu. Sobald er sein Ziel erreichte, suchte er das Büro des Chefs auf. Eigentlich wollte er sich dort nur nach dem Zimmer des Arztes erkundigen, doch der Leiter des Camps, ein korpulenter ernster Mann, wollte die Hintergründe erfahren. Und Kaiba wollte sie ihm erst mitteilen, nachdem er den Arzt zu Joey geschickt hatte. So entstand ein kurzer impulsiver Wortwechsel und wenige Minuten später verließ Kaiba das Büro und fand den Arzt im obersten Stock. Als er das Arztzimmer betrat, hockte der ältere Mann vor einem Mädel und verband diesem das Handgelenk. Als er den weiteren Gast bemerkte, blickte er auf. "Sie? Was wünschen Sie?" "Nun, ich wollte Sie bitten, noch einmal nach meinem Freund zu schauen." Kaiba gestikulierte mit seinem Handy. "Ich habe mich gerade um andere wichtige Dinge zu kümmern und würde es sehr begrüßen, wenn Sie ihn noch einmal untersuchen. Die anderen Mitbewohner sind auf dem Ausflug und ich möchte ihn nur ungern über längere Zeit allein lassen." "Ich kann zu ihm gehen." Der Arzt nickte bereitwillig, schnitt die Binde ab und befestigte sie mit einem Klebeband. "Doch Sie müssen sich noch etwas gedulden, ich habe noch etwas zu tu..." "Wann." Unterbrach Kaiba ihn. Das Mädel nickte dankbar, erhob sich von dem Stuhl und ging hinaus. "In zehn Minuten?" Kaiba grübelte kurz, dann nickte er und trat in den Flur zurück. "In zehn Minuten, ich verlasse mich auf Sie." Der Mann nickte und Kaiba schloss die Tür, um sich wiederum auf den Weg zu jenem Büro zu machen. Hoffentlich wurde es nicht all zu schwer, dessen Einverständnis einzuholen. Als er wieder dem Mann gegenüberstand, wollte er unter keinen Umständen Zeit vergeuden und kam sofort zum wesentlichen. Er übertrieb etwas, verschlimmerte Joeys Zustand und war der festen Überzeugung, dass er sofort ärztliche Hilfe bräuchte. Und das in Domino, nirgendwo sonst. So entstand eine Unterhaltung, auf die sich Kaiba nur ungern einließ. Während der Mann sprach und sprach, warf er immer wieder Blicke auf die Uhr und trieb den Leiter zur Eile an. Dieser meinte, es bräuchte die Erlaubnis des Erziehungsberechtigten und so zückte Kaiba sein Handy und rief einfach Herrn Wheeler an. Ganz direkt, ganz unkompliziert. Zu ihm meinte er, das es Joey nicht gut ging und eben das, was ihm auf dem Herzen lag. Herr Wheeler war verwundert, gab jedoch seine Erlaubnis, nachdem Kaiba ihn von seinen Vorbereitungen informiert hatte. Kaiba besaß Herr Wheelers Vertrauen, die Rückreise würde gelingen und reibungslos verlaufen. Somit war der vorerst letzte und wichtigste Schritt getan und Kaiba spürte eine große Erleichterung in sich, nun, da ihm nichts mehr im Wege stand. Binnen fünfzehn Minuten hatte er erreicht, worauf er aus gewesen war. Er fühlte sich besser, als der Leiter seine eigene Erlaubnis schriftlich erteilte und die von Herrn Wheeler bestätigte. Wieder lugte er zu der Uhr. Nun müsste der Arzt schon bei Joey sein. Sicher hatte er Wort gehalten. Nun könnte er sich eigentlich auch auf den Rückweg zum Bungalow machen, doch er blieb sitzen, dachte kurz nach und bat darum, das Telefon benutzen zu dürfen. Der Mann nickte, griff nach seiner leeren Kaffeetasse und verließ das Büro. Kaiba hatte den kleinen Zettel hervorgezogen, auf dem er sich die Telefonnummer notiert hatte. Flink griff er nun nach dem Hörer und wählte die Nummer, inklusive der Vorwahl für Japan. Der Mann würde sich sicher über die Telefonrechnung freuen. Es dauerte nicht lange, bis die Verbindung aufgestellt war und das leise Tuten ertönte. Kaiba lehnte sich zurück, leckte sich die Lippen und atmete tief durch. Er musste sich etwas entspannen - es brachte nichts, wenn er sich verrückt machte, denn noch hatte er genügend Zeit. Es dauerte nicht lange, bis sich eine weibliche Stimme meldete. "Ja, Hallo?" "Guten Abend, Frau Wheeler. Mein Name ist Kaiba. Dürfte ich kurz mit Serenity sprechen?" Eine kurze zögerliche Stille, dann die nette Antwort. "Natürlich, warten Sie kurz." Kaiba hörte Geräusche. Der Hörer wurde abgelegt, Schritte. Sie wurden leiser, dann lauter, der Hörer wurde angehoben. "Hallo?" "Serenity?" "Ja? Kaiba? Seit wann rufen Sie mich an?" "Tut mir leid, dass ich zu dieser späten Stunde noch störe, aber ich würde dir gern einige Fragen stellen." "Fragen?" Serenity wunderte sich doch sehr. "Es geht um dein früheres Augenproblem." "Ach?" "Es ist sehr wichtig für mich, verstehst du?" "Warum interessiert Sie das? Ist etwas passiert?" Serenity hustete leise, im Hintergrund schepperte Geschirr. "Nein", beschwichtigte Kaiba sie. "Ich habe nicht viel Zeit, brauche die Antworten schnell." "Ähm... na gut...?" "Also." Kaiba grübelte kurz. "Ich habe gehört, es dauerte ein halbes Jahr, bevor deine Sehstärke nachließ?" "Ja." "Hast du mitunter auch unter migräneartigen Schmerzen gelitten?" Eine kurze Stille, genau bei der Frage, deren Antwort Kaiba am meisten bedeutete. Ein leiser Takt erhob sich in Joeys Kopf, ein dumpfes Geräusch, weit entfernt. Schritte... Sie führten von ihm weg. Er fühlte sich, als erwache er aus einem langen Schlaf, als tauche er aus der unendlichen finsteren Tiefe des Meeres auf, dem Licht der Oberfläche entgegen. Herrliche Wärme durchflutete seinen ganzen Körper, schoss bis in jede kleinste Zelle seiner Haut. Noch fühlte er sich, als sei ein Stoff fest um ihn geschlungen, der ihn an Bewegungen hinderte und ihm das Gefühl gab, noch immer zu schlafen, dennoch gelang ihm ein tiefer, befreiender Atemzug. Er regte sich nicht, nur kurz zuckten seine Lider unter dem kühlen Tuch. Er spürte keine Schmerzen, nichts, das unangenehm war. Diese Wärme - er wollte sie genießen, auskosten, bis es nicht mehr möglich war. Er glaubte zu träumen. Joey fühlte sich so gut, stark, gesund, körperlich wie auch psychisch. Das Tuch zog sich geschmeidig enger, er driftete wieder ab. Keine Qualen, keine Gedanken, keine Ängste... Er genoss die Stille, die ihn umgab, die ihn beruhigte und sogleich einen gewissen Schutz darstellte, eine Geborgenheit. Die Geräusche, die Schritte... verstummt. Sein Kopf... klar und bei bester Gesundheit. Langsam begannen sich seine Finger unter der Decke zu bewegen, gemächlich über das weiche Laken zu tasten. Ein leises Brummen entrann seinem Hals. Er hatte wieder Kraft in den Armen, nicht so wie gestern, wo all seine Kräfte ihn im Stich gelassen hatten. Er wollte es ausnutzen, auch die andere Hand begann sich zu regen und nach einem langen Weg über Bauch und Brust, tauchten sie unter der Decke auf und schoben sich höher, bis sich die Arme bis zu den Ellbogen befreit hatte. Nun öffneten sich die Lippen einen Spalt weit, wieder ein tiefer Atemzug - der Dämon des Schmerzes hatte von ihm gelassen. Abwesend und nebenbei bekam er das Tuch zu fassen, zog es sich vom Gesicht und ließ es fallen. Er hatte merkwürdige Dinge geträumt, ein mattes Lächeln zog an seinem Mundwinkel. Er hatte auf einer herrlicher Steppe gestanden, überall waren Grashüpfer, Eichhörnchen und Hunde umher gesprungen. Und eine Mücke hatte ihm gestochen. Wieder brummte er, streckte die Arme weit von sich und winkelte die Beine an. Wieder begannen seine blassen Lider zu zucken... Und dann hoben sie sich etwas. Schläfrig kamen die Pupillen zum Vorschein, langsam drifteten sie nach rechts und nach links, bevor sich die Lider wieder schlossen. Das Tuch. Joey löste eine Hand vom Boden, führte sie träge zum Gesicht und tastete. Da war kein Tuch! Als die Fingerkuppen das Nasenbein berührten, hielten sie in jeglicher Bewegung inne. Joey regte sich nicht. Moment! Erst nach einer langen Zeit tastete er weiter. Lag das Tuch nicht über seinen Augen? Er tastete schneller, die Bewegungen wurden hektischer und nach wenigen Sekunden der erfolglosen Suche, öffnete der junge Mann die Augen erneut. Zögerlich hoben sich die Lider, ängstlich blickten die Pupillen durch die Lücken zwischen den Fingern. Sie richteten sich geradeaus, angestrengt verzogen sich die Augenbrauen, er blinzelte, die Pupillen wanderten nach rechts... die Augen weiteten sich. Stockend hob er die Hand, bewegte sie hektisch von einer Seite zur anderen. Die Pupillen folgten ihr nicht, schweiften verirrt durch die Gegend. Die Hand wurde langsamer, bis sie reglos verblieb, ebenso reglos wie die Pupillen in den geweiteten Augen. Joey konnte sich nicht bewegen, stocksteif lag er dort und starrte auf einen nicht existierenden Punkt an der Decke. Sein Mund stand offen, der einst so ruhige Atem verschnellerte sich, begann nach wenigen Sekunden zu rasen, ein schmerzhaftes Zucken fuhr durch den jungen Körper. Und mit einem lauten Aufschrei fuhr Joey in die Höhe. Seine Hände tasteten, fanden die Decke und krallten sich in ihr fest. Panisch starrte er geradeaus, holte Luft und schrie erneut. Er konnte nichts sehen!! Er schrie solang, bis seine Lungen streikten. Hustend neigte er sich nach vorn und rang nach Atem. Heftig blinzelte er, seine Hände suchten nach den Augen, rieben sie. Doch als er sie erneut öffnete, erblickte er wieder nichts als endlose Schwärze. "Nein..." Zitternd glitten seine Hände über sein Gesicht. Er drehte sich nach links, drehte sich nach rechts, keuchte entsetzt und schüttelte den Kopf. "Nein!" Fahrig grabschte er nach der Decke, zerrte sie zur Seite und sprang auf. Zuerst gaben seine Knie nach, er strauchelte nach vorn, streckte die Arme von sich und tat einige hastige Schritte. In seiner Panik stieß er gegen eines der Betten und wich sofort zurück. "Nein!!" Aufgelöst verdeckte er die Augen mit der rechten Hand, wankte zurück und streckte die linke Hand zur Seite. Dort ertastete er festes Holz. Er japste auf, ließ die Hand sinken und starrte mit großen Augen um sich. Nebenbei begann seine Hand weiterhin zu tasten. Orientierungslos flüchtete sie sich über die derben Strukturen, erreichte plötzlich eine Klinke und schlug sich um sie. Hastig drückte er sie hinab, riss die Tür auf und schwankte in den Flur. Dort ertastete er die Wand, zu beiden Seiten konnte er sie fühlen. Mit bebendem Herzen ging er vorwärts, seine Fingerkuppen wanderten über das saubere Laminat, unsicher setzte sich ein Fuß vor den anderen. "Seto...?" Nun ließ ihn seine Stimme im Stich, nur zitternd und gebrochen kam sie über seine Lippen. "Seto?!" Er näherte sich der Treppe, bald setzte sich sein Fuß ins Leere und bevor er sich versah, rutschte er nach vorn. Er schlitterte über die spitze Kante, bekam das Geländer zu fassen und krallte sich daran fest. Der Schreck steckte ihm in Mark und Bein und so verblieb er kurz reglos. Erst nach einigen Sekunden begann er sich auf den Stufen zu räkeln, ein leises Wimmern drang aus seinem Hals, als er die Beine anzog, nach sicherem Halt tastete und sich benommen aufrichtete. "Verdammt!!" Er presste das Gesicht gegen seinen Arm und lehnte sich gegen das massive Geländer. Was sollte er tun?! Aufgeregt biss er die Zähne zusammen, atmete tief ein. "Seto!!" Keine Antwort, die Stille, die er soeben noch genossen hatte, wirkte nun gnadenlos und kalt - Joey fühlte sich ausgeliefert. Keuchend und schnaufend kämpfte er sich wieder in eine aufrechte Haltung, beugte sich zögerlich hinab und tastete mit der linken Hand nach der nächst unteren Stufe, während sich die andere um das Geländer klammerte. Er ertastete sie, begann die Beine zu bewegen und schob sich auf den Knien hinab. Vorsichtig, Stufe um Stufe. Bald darauf ertastete er unter sich das Laminat des Bodens. Er war im Wohnzimmer! Von hier aus war es kein schwerer Weg nach draußen. Hektisch schob er sich nach rechts, streckte die Hände nach der Wand aus und schob sich vorsichtig an ihr hinauf. Dann tastete er sich an ihr entlang, strauchelte auch an der Badtüre vorbei und erreichte die Ausgangstür. Zittrig suchten seine Hände nach der Klinke und fanden sie. Langsam öffnete sich die Tür und Joey schob sich zögerlich ins Freie. Seine Pupillen drifteten aufgeregt durch die Gegend, sein Mund stieß keuchenden Atem aus. Schlürfend entfernte er sich von der Tür, seine Hand löste sich von ihr, streckte sich wie die andere auch, nach vorn. So ließ er allmählich die tiefe Terrasse hinter sich, unsicher setzten sich seine nackten Füße auf den warmen Boden und dort blieb er stehen. "Seto?!" Er drehte sich. Nicht nur die japanischen Schüler waren neugierig auf den Steinbruch gewesen und hatten infolgedessen an der Fahrt teilgenommen. Nein, es hatte mehrere Interessenten gegeben und nur wenige waren im Camp geblieben, hatten es sich vor dem Fernseher gemütlich gemacht, oder tobten, laut schreiend, auf dem Basketballplatz. Joey hörte ihre Rufe aus weiter Entfernung, doch kein einziger Schüler war zu sehen. Erneut drehte sich der Blonde um die eigene Achse, erneut schrie er, laut, lauter, bis er nicht mehr konnte. Wo war Kaiba?! Erschöpft keuchend, fuhr er sich über das Gesicht, blinzelte und schluckte schwer. Wo war er nur?! Und wenn nicht er, irgendjemand musste ihn doch sehen, ihm helfen!! Nach einem ängstlichen Zögern hob er erneut die Arme, biss die Zähne zusammen und ging zögerlich vorwärts. Er ging einfach in die Richtung, die ihm recht erschien, er wollte nicht nachdenken, wollte nur jemanden finden! Und er wählte die Falsche... Das Geschirr schepperte, wieder hustete Serenity, sie hörte sich etwas heiser an, war vermutlich erkältet. "Solche Schmerzen schon", meinte sie dann. "Na ja, jedenfalls dachten alle, es wäre eine Migräne, weil die Symptome genau übereinstimmten. Aber es war keine, es war nur die letzte Stufe vor dem Erblinden. Die Augen waren irgendwie... nun ja, es gingen ihnen eben nicht gut, ich bin kein Experte. Dadurch kam es zu den Kopfschmerzen und..." "... auf diese Schmerzen folgt das unmissverständliche Erblinden", unterbrach Kaiba sie verbissen. "Genau." Serenity räusperte sich. "Sagen Sie mir jetzt, weshalb Sie das wissen wo..." "Nein, später." Kaiba richtete sich auf. "Danke, du hast mir sehr geholfen. Auf Wiedersehen." Somit legte er auf, nun, vielmehr rammte er den Hörer auf das Telefon zurück, grabschte nach dem Zettel und erhob sich schnell. In schnellen Schritten verließ er das Gebäude und kehrte zu dem Bungalow zurück. Wenn es stimmt, was Serenity sagte, und warum sollte es nicht stimmen, dann hatte er keine seiner Vorbereitungen zu bedauern. Er würde die Sachen packen, sofort ein Taxi rufen und sich mit Joey auf den Weg machen! Als er die Hälfte des Weges hinter sich gelassen hatte, erspähte er den Arzt, der auf ihn zukam. Und mit dessen Anblick fühlte er sich etwas erleichterter. Er ging weiter, dann hob der ältere Mann die Arme und schüttelte aufgeregt den Kopf. "Er ist nicht da!", rief er, als sie sich beinahe erreichten. "Der Bungalow ist leer, die Türen stehen offen!" "Wie bitte?!" Ein eiskalter Schauer jagte durch Kaibas Körper. Er ging schneller und eilte an dem Arzt vorbei, dieser folgte ihm. "Wie kann das sein?!" "Ich weiß es nicht!" Der Arzt war nicht weniger perplex als Kaiba. "Zur abgesprochenen Zeit war ich da, doch ich habe niemanden vorgefunden." Nun erreichten sie ihr Ziel, Kaiba riss die Tür auf und stürmte in das Wohnzimmer. "Joseph!" "Er ist nicht hier." Entrüstet rieb sich der Arzt die Stirn und der Brünette fuhr zu ihm herum. "Haben Sie wirklich überall nachgesehen?!" "Ja, doch... natürlich!" "Verflucht...!" Kaiba drehte sich um die eigene Achse, keuchte entsetzt und rieb sich den Mund. Kurz blieb er stehen, dann kehrte er zur Tür zurück und verließ den Bungalow, um ihn draußen zu rufen. "Joseph!!" Er schrie so laut er konnte, sah sich hektisch um und raufte sich die Haare. Er wollte noch einmal rufen, hielt jedoch inne und drehte sich um. Hinter dem Bungalow... die Lücke im Zaun!! Schnell erreichte er sie, trat in den dichten Wald hinaus und blickte sich erneut um. Das Herz in seiner Brust raste so stark, das er die Schläge im gesamten Körper spürte. Er wusste nicht, was geschehen war, nur eine düstre Vorahnung machte ihm Angst. Was war, wenn... "Suchen Sie im Camp weiter!!" Wandte er sich flink an den Arzt, der unentschlossen und zögerlich dort stand. Anschließend kämpfte sich Kaiba durch den Wald. Wenn Joey nur zehn Minuten Zeit gehabt hatte, dürfte er nicht all zu weit gekommen sein! Mit zitternden Knien quälte sich Joey vorwärts, all sein Glieder bebten und nicht selten tasteten seine Hände knapp an den Bäumen vorbei, gegen die er anschließend stieß. Dieser Boden unter seinen Füßen war recht weich, die Bäume in großer Zahl. War er noch... im Camp? Wo sollte er sonst sein?! Nirgends hatte er einen Zaun gefühlt. Aber... warum hörte er die Stimmen der Schüler nicht mehr...? Er war zu panisch, um nachzudenken, sein Handeln zu überdenken. Er wollte nur vorwärts! Seit ungefähr zehn Minuten war er unterwegs, blind und orientierungslos. Er ging schnell, harte Rinde schürfte öfter seinen Schultern, durchdrang den dünnen Stoff seines Shirts. Äste schlugen ihm entgegen, er sah sie nicht kommen. Keuchend und müde schob er sich an einem breiten Stamm vorbei, seine Füße versanken im Moos und als er den nächsten vorsichtigen Schritt machen wollte, verfing er sich in einem Gewirr aus Ästen. Erschrocken schrie er auf, als er plötzlich den Halt verlor und zur Seite kippte. Hektisch streckten sich seine Hände aus, doch sie erreichten nichts, woran man sich festhalten könnte. Er rutschte, stolperte und stürzte. Glücklicherweise landete er auf dem Moos, das einen etwas steileren Abhang überzog. Dort überschlug er sich, rutschte weiter und überschlug sich erneut. Er konnte nichts tun, stürzte immer tiefer und erst am Rande eines breiten Kiesweges, der sich vor dem Abhang entlang zog, endete der Sturz. Ächzend schlitterte er über das feine Gestein und blieb benommen auf dem Bauch liegen. Und genau in dieser Sekunde ertönte ein lautes, beinahe ohrenbetäubendes Quietschen und ein Landrover konnte gerade noch bremsen, bevor er über den am Boden liegenden jungen Mann hinwegrollte. Der Fahrer, ein älterer Herr mit kurzem schwarzen Haar und schmalem Gesicht, kippte leicht nach vorn, klammerte sich um das Lenkrad und richtete sich zögernd auf, nachdem er nach Luft geschnappt hatte. Er beugte sich nach vorn, erspähte den Blonden und hob erschrocken die Augenbrauen. Dann, ohne zu zögern, öffnete er die Tür, stieg aus und eilte auf ihn zu. "Mein Gott!", rief er auf Deutsch und raufte sich die Haare, als er Joey erreichte. Dieser begann sich langsam zu regen. "Wo kommst du denn plötzlich her?!" Aufgeregt warf er sich neben ihm auf die Knie, beugte sich zu ihm hinab und rollte ihn auf den Rücken. Joey stöhnte, hob kraftlos die Hand und verdeckte mit ihr die Augen. Rötliche Striemen zogen sich über seine Arme und das Gesicht. Der ältere Mann musterte ihn flüchtig, schob die Hand unter seinen Nacken und richtete ihn etwas auf. Unter Schmerzen verzog Joey das Gesicht, öffnete jedoch gleich die Augen und starrte perplex um sich. "Du siehst ja furchtbar aus." Der Mann strich ihm das Haar von der Stirn und besah sich sein Gesicht. Er musterte ihn auf eine merkwürdige Art und Weise, betrachtete sich seine Haut und die Arme, bevor er den Kopf schüttelte und auf die Augen aufmerksam wurde, die sich auf keinen bestimmten Punkt richteten, und am wenigsten auf ihn, so wie man es eigentlich erwartete. Er runzelte die Stirn. "Bist du etwa blind?!" Joey hustete leise, gestikulierte wirsch mit der Hand und schloss die Augen. Wer sprach da mit ihm? Und vor allen Dingen, was sprach man da?! Er verstand kein einziges Wort!! "Ich...", fand er leise zur Stimme zurück, "ich muss... ins Camp... ins..." Der Mann lauschte seinen Worten und an seinem Gesichtsausdruck konnte man deutlich erkennen, dass er auch nichts verstand. "Ich spreche nicht deine Sprache, mein Junge." Er lächelte und tätschelte Joeys Schulter. Dieser wusste gar nicht, wie ihm geschah, da wurde ihm schon auf die Beine geholfen. "Aber ich kümmere mich trotzdem gern um dich. Komm mit, bald wird es dir besser gehen." "Ich muss zurück zum Camp", presste Joey hervor und hielt sich den schmerzenden Bauch. "Wo bin ich?!" "Ganz ruhig." Hilfsbereit stützte ihn der Mann, drehte sich mit ihm um und stützte ihn auf dem Weg zum Auto. Joey jedoch, stemmte sich etwas gegen ihn. "Hören Sie, ich muss... ich muss in das Camp!" "Du brauchst keine Angst zu haben", erwiderte der Mann tröstend und zwang ihn mit einem unauffälligen Druck, an seiner Seite zu bleiben. "Ich bringe dich in Sicherheit." "Wa-warten Sie..." In dieser Sekunde öffnete der Mann die Beifahrertür. "Na komm, steig ein, meine Junge." Verwirrt ertastete Joey die Fensterscheibe, tastete sich weiter zu einem kleinen Hebel und hielt sich an ihm fest. Er wusste nicht, was hier vor sich ging, konnte doch nicht einfach zu einem fremden Mann, den er nicht sehen oder gar verstehen konnte, ins Auto steigen! Die Vorsicht hatte er sich in den letzten Jahren angeeignet. Er sträubte sich also und der ältere Mann hielt inne. "Ich muss...", Joey wies nach oben, irgendwo dort musste doch die Spitze des Berges sein, "Camp, verstehen Sie?!" "Wie bitte?" Der Mann lächelte höflich. "Camp!", wiederholte Joey verzweifelt und wollte sich etwas von der Tür entfernen. Doch der Mann trat nicht zurück und so stieß er etwas gegen ihn. "Oder... oder ein Telefon! Verstehen Sie, Te-le-fon!" Er spreizte den Daumen und den kleinen Finger ab und legte die Hand an das Ohr - das war ja wohl unmissverständlich, dennoch runzelte der Mann nach einem kurzen Grübeln die Stirn und schüttelte den Kopf. "Mein Gott, Junge, du bist ja völlig verstört." Er hob die Hände, rieb Joeys Schultern und senkte die Stimme zu einem beruhigenden Flüstern. "Ich tu dir doch nichts, du musst wirklich keine Angst vor mir haben. Wir kümmern uns erst einmal um dich, du kannst dich etwas ausruhen und dann schauen wir, was wir machen können." Dieses unverständliche Geschnatter! Verwirrt starrte Joey geradeaus, starrte nur knapp am Gesicht des Mannes vorbei und schüttelte langsam den Kopf. "Nein..." "Komm." In der netten Ausdauer verharrend, löste der Mann Joeys Hand von dem Hebel und drängte ihn vorsichtig zu dem Sitz. Joey wich vor ihm zurück, klammerte sich in seine Schultern und starrte um sich. "Tsch... alles ist gut." Der Mann streichelte seinen blonden Schopf und Joey spürte bereits das lederne Polster im Rücken. "Beruhige dich." "Aber... aber... nein, ich..." Der Mann drängte ihn weiter, unbewusst stieg Joey hinauf, stieg in den Wagen. Er war mit seinen Nerven am Ende! Und bevor er richtig im Wagen war, half der Mann etwas nach, drückte ihn vorsichtig in den Sitz. Die Tür schlug zu und Joey verharrte kurz reglos. Er war schrecklich müde und erschöpft, obwohl er erst vor knapp einer viertel Stunde aufgewacht war. Eilige Schritte führten am Wagen vorbei, dann öffnete sich die Fahrertür und der ältere Mann stieg neben ihm ein, warf ihm einen flüchtigen Blick zu und griff nach dem Gangschalter, als wolle er keine Zeit verschwenden. Joey blinzelte zur Seite. Er hatte keine Lust mehr, panisch zu schreien und sich aufzuregen, das änderte nichts an der Situation, die im wahrsten Sinne des Wortes "beschissen" war. Er war blind... Schwärze umgab ihn und er lebte nur von den Geräuschen. Es war neu, es war ungewohnt... doch immerhin lebte er, nur um etwas zu nennen, das besser als diese Erblindung war. Matt öffnete er den Mund und atmete tief durch. Der Wagen setzte sich in Bewegung. Er musste ruhig bleiben, ihm konnte überhaupt nichts passieren und die Stimme des Mannes, der neben ihm saß und nachdenklich auf den Weg starrte, wirkte doch auch recht sympathisch und einfühlsam, wenn man das Gedränge mal außer Acht ließ. Mit offenen Augen saß er dort, streckte nach wenigen Sekunden die Beine von sich und löste eine Hand von seinem Schoß. Er hob sie, bewegte sie vor den Augen hin und her, versuchte, ihr mit den Pupillen zu folgen, zu erahnen, wo sie war. Wieder lugte der Mann zu ihm, musterte ihn und räusperte sich leise. "Ich habe ein kleines gemütliches Haus am Rande des Dorfes." Erklärte er dann, Joey ließ die Hand sinken und rieb sich mit der anderen die Augen. Worüber sprach er denn jetzt schon wieder? Es war so verwirrend und anstrengend, diesem gnadenlosen Gequassel zu lauschen. Außerdem könnte der Mann sich das ersparen, wo er doch wusste, dass er kein Wort verstand! "Ich wohne mit ein paar Freunden dort, in Frieden und Harmonie." Er grinste. "Du wirst dich dort gut erholen können. Wir kümmern uns um deine Wunden und du schläfst dich erst einmal aus." Er verstummte kurz und fuhr nach einem Grübeln fort. "Do you want to eat something?" Joey blickte auf und der Mann hob die Augenbrauen. "Verstehst du englisch, mein Junge?" "Eat...", hauchte Joey leise. Wenn man tagelang mit vier Amerikanern zusammenhockte, dann bekam man schon eine Menge mit. "Yes." Der Mann nickte hastig, wartete auf eine Antwort, doch Joey schüttelte nur den Kopf, lehnte sich zurück und schloss die Augen. Und ohne ihm auch nur die geringste Ruhepause zu gönnen, quasselte der Mann auf Englisch weiter. Das überstieg seine Fähigkeiten - er verstand kein Wort und mit einem leisen Brummen, zeigte er es. "Englisch verstehst du also auch nicht sonderlich gut." Der Mann legte nachdenklich den Kopf schief. "Das könnte ein Problem darstellen." Er rieb sich das Kinn und in diesen Sekunden erreichten sie eine asphaltierte Straße, die das letzte Stück des Berges hinabführte. "Obwohl...", ihm schien eine Idee zu kommen. "Ja... das könnte funktionieren." Joey stöhnte leise und verblieb wieder reglos. Das einzige, das er nun annehmen würde, wäre ein Bett! Vermutlich schlief er während der Fahrt kurz ein, jedenfalls kam der Wagen früher als erhofft zum Stehen und die gesamte Fahrt wirkte nicht länger als wenige Minuten. Schläfrig öffnete Joey die Augen. "Wir sind da." Der Mann grinste zufrieden, stellte den Motor ab und stieg aus. >Aha...< Joey fuhr sich über das Gesicht, hustete leise und setzte zum Gähnen an. Der Landrover hatte vor einem weiß gestrichenen Haus gehalten, das nicht sonderlich 'gemütlich' wirkte, eher etwas heruntergekommen und äußerst unauffällig. Der kleine Vorgarten machte den Anschein, nie gepflegt worden zu sein, nur in die Tür hatte man scheinbar viel Geld investiert - sie war mit zwei großen Schlössern bestückt. Die Fensterläden waren zugeklappt, die Fassade bröckelte bereits vor Altersschwäche. Schnell hatte der Mann die Beifahrertür geöffnet und Joey hinaus geholfen. Die Beine des jungen Mannes schienen keiner großen Belastbarkeit mehr ausgesetzt zu sein. Joey strauchelte, als er zum Stehen kam, landete jedoch in den stützenden Armen. Der Mann hielt ihn sicher, schloss die Tür und wandte sich dem Haus zu. "Und?", murmelte er nicht an Joey gerichtet, beinahe abwesend. "Wie findest du es." Daraufhin lachte er leise und ging los, den jungen Mann stützend. Sie durchquerten den Vorgarten, stiegen die wenigen Stufen zu der gesicherten Tür hinauf und blieben vor ihr stehen. Mit geschlossenen Augen hielt sich Joey auf den Beinen, während der Mann hastig nach seinem Schlüssel zu suchen begann. Bald klimperte es in der Tasche seiner schwarzen Jacke und er zog einen großen Bund hinaus, mit dem er die beiden Türschlösser entsicherte und die Tür öffnete. Der Flur, in den er Joey daraufhin schleppte, war keine besondere Schönheit. Die Tapeten waren vor Tabakrauch gelblich gefärbt, die Möbel wirkten alt und fantasielos, nur der schwarze Teppich war noch recht ansehnlich. In diesem schmalen Flur angelangt, blieb der Mann stehen und lauschte auf. Er lauschte, lauschte prüfend in die Stille und wandte sich dann der Tür zu, um sie zu schließen. Joey hörte den Schlüssel mehrmals rascheln, dann verschwand der Bund wieder in der Jackentasche des Mannes und dieser machte sich daran, den Flur zu durchqueren. Er schleppte Joey durch eine schlicht eingeräumte Küche, geradeaus weiter in den nächsten Flur, an dem viele Zimmer anknüpften. Er ging bis zum hintersten Zimmer; die Tür bestand aus altem, jedoch massivem Holz. Er öffnete sie und betrat ein Zimmer, das ebenfalls recht spärlich eingerichtet war. Nur ein Bett, ein Schrank und ein Regal, zu wenig für einen Raum dieser Größe. Auch vor diesem Fenster waren die Läden geschlossen und er schlug gegen einen Schalter, damit eine alte Deckenlampe aufleuchtete und den Raum etwas erhellte. "So." Er ließ die letzten Meter hinter sich, blieb vor dem Bett stehen und ließ Joey darauf sinken. Sogleich kippte der Blonde zur Seite und mit einer schnellen Bewegung legte der Mann seine Beine nach oben. "Hier kannst du schlafen." Mit dem Erreichen dieses Hauses hatte sich sein Tonfall geändert. Nun war nichts einfühlsames mehr in ihm, seine Stimme klang dumpf und routiniert, doch Joey achtete nicht mehr darauf. Die Matratze war weich, das Kissen bequem. Er blieb liegen und regte sich nicht. Er war zu müde und bevor der Mann sich nach einer weiteren, etwas intensiveren Musterung umdrehte und zur Tür zurückkehrte, war er dabei, einzuschlafen. Er glaubte nur noch ein leises Geräusch zu hören, als wenn sich ein Schlüssel im Schloss drehte. In langsamen Schritten schlenderte Kaiba durch die Bungalows, die Arme hatte er vor dem Bauch verschränkt, sein Blick war kraftlos und verzweifelt auf den Boden gerichtet. Um ihn herum herrschte reges Treiben. Viele Mitarbeiter eilten umher, suchten in jedem Winkel des Camps. "Wo ist er nur?!" "Wie kann er verschwunden sein?!" Es war unverantwortlich, eine Tragödie, das ein Besucher des Camps verschwunden war - einfach so! Kaiba achtete nicht auf die Rufe und das angestrengte Debattieren, nicht auf die umher rennenden Leute. Langsam näherte er sich dem hübschen terrakottafarbenen Häuschen. Vor der tiefen Terrasse blieb er stehen, drehte sich langsam um und ließ sich auf die sauberen Balken hinabsinken. Dort blieb er kauern, verbarg das Gesicht zwischen den Armen und sank in sich zusammen. ~*To be continued*~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)