Zweiter Teil: Gift in Körper und Seele von abgemeldet (Fortsetzung von "Du kennst mich nicht und doch hasst du mich") ================================================================================ Seite an Seite -------------- Nein, an diesem Tag kam Joey nicht mehr. Duke verließ gemeinsam mit Pikotto und Mokuba das Krankenhaus und ging sofort nach Hause, um sich auszuruhen. Er verbrachte den ganzen Tag damit, Fernsehen zu schauen oder zu schlafen und als die Abendstunden näher rückten, da begann er sich Sorgen um Joey zu machen und rief ihn auf dem Handy an. Doch das war ausgeschaltet. Duke versuchte es wohl an die zehnmal und als es dann finster in Domino wurde, verließ er seinen Laden, um ihm einen kleinen Besuch abzustatten. Joey war sehr wütend und erschöpft gewesen, bevor er gegangen war. Nun hatte er sich den gesamten Tag über nicht bei ihm gemeldet und das Handy war aus. Hatte er nun einen Grund, nervös zu sein, oder nicht? Es ging ihm auch nicht viel besser, als er vor Joeys Wohnungstür stand, sturmklingelte und keine Antwort bekam. Joey war auch nicht zu Hause, das sah er ein, als er sich nach zehn Minuten abwandte und sich auf den Heimweg machte. Musste er etwas befürchten? Es war sinnlos, ganz Domino nach ihm abzusuchen. Joey konnte überall sein und sicher brauchte er nur etwas Zeit um nachzudenken, Ruhe, um sich zu entspannen. Also warf sich Duke wieder vor den Fernseher und kurz nach Mitternacht fand er endlich ein paar Stündchen Schlaf. Es war gegen sechs Uhr, als er wieder aufwachte, sich völlig übermüdet auf die Beine kämpfte und ordentlich gegen seinen Würfelsessel stieß. Sofort waren seine Gedanken wieder bei Joey und als er ihn erneut anrief und feststellen musste, dass das Handy noch immer ausgeschalten war, da wurde er richtig nervös. Nur wenige Minuten später machte er sich wieder auf den Weg zu Joey und er betete, dass er endlich zuhause war und er sich beruhigen konnte. Aber die Wohnung war wieder leer. Herr Wheeler war auf Arbeit und von Joey fehlte jede Spur. Na herrlich! Die letzte Hoffnung bestand nun darin, Joey im Krankenhaus zu finden. Vielleicht war er doch noch einmal zu Kaiba gegangen, um mit ihm zu sprechen? Also machte er sich auf den Weg zum Nusashi-Platz und ging zu jenem Zimmer. Doch als er die Tür öffnete und sich in den Raum lehnte, war nur Kaiba dort. Er schlief noch tief und fest und Duke trat zögerlich ein. Sollte er ihn wecken? Vielleicht wusste er ja, was zu tun war? Heute Abend würde das Begräbnis stattfinden und doch würde er sich besser fühlen, wenn er gleich wüsste, wo Joey war. Sicher würde er kommen und trotzdem sorgte sich Duke. In leisen Schritten trat er näher, blieb neben dem Bett stehen und räusperte sich leise. Kaiba jedoch, regte sich nicht. "Hey..." Er neigte sich über ihn und rüttelte vorsichtig an seiner Schulter. Er wusste nicht, wie sich ein müder Kaiba benahm, also war er äußerst sorgfältig. "Hey, Kaiba. Aufwachen." Und als er dann wieder und stärker rüttelte, da begann sich Kaiba zu bewegen. Er drehte das Gesicht, befreite die Hände aus der Decke und schob sie unter das Kissen. Dann brummte er leise, öffnete die Augen einen Spalt weit und entdeckte Duke. An diesem schien er das Interesse jedoch sehr schnell zu verlieren. Also schloss er sie wieder und wandte sich träge ab. "Was ist", knurrte er. Duke hatte keine Lust, lange herumzureden. Und bevor Kaiba noch die Nerven verlor und ihn verscheuchte, sprach er Klartext. Er richtete sich auf, verschränkte die Arme und räusperte sich. Kaiba schien wieder zu schlafen. "Seit Joey gestern das Krankenhaus verlassen hat, ist er spurlos verschwunden. Ich war bei ihm zu Hause, aber da ist niemand. Und sein Handy ist auch aus. Ich mache mir große Sorgen." "Was…?" Plötzlich wendete Kaiba den Kopf, kämpfte das Kissen zur Seite und richtete sich etwas auf. Durch die etwas wirren Strähnen seines Schopfes sah er Duke an, schien auf einmal wach zu sein. "Joseph ist weg? Warum?“ Ächzend rieb er sich das Gesicht. „Hast du ihn gesucht…?" Duke war über das plötzliche Interesse Kaibas so überrascht, dass er einen Schritt zurücktrat. "Gesucht? Ich weiß nicht...", er räusperte sich, "… ich wusste nicht, wo ich nach ihm suchen sollte. Ich kann nicht durch ganz Domino laufen." "Seine Lieblingsplätze", fiel Kaiba ihm sofort ins Wort. "Hast du ihn an den Plätzen gesucht, an die er geht, wenn er Ruhe braucht?" Duke öffnete sprachlos den Mund. Jetzt hatte er den Beweis! Kaiba benahm sich sehr grob Joey gegenüber, aber nun? Nun war er sofort hellhörig und vermutlich nicht weniger besorgt, als er. Es hatte den Anschein, dass, wenn er die Kraft dazu hätte, er aufstehen und selbst nach ihm suchen würde. "Welche Plätze sind das?" Herrje, Kaiba schien Joey besser zu kennen, als er. "Der...", Kaiba blickte sich angespannt um und fuhr sich durch den Schopf, "… der kleine Spielplatz", meinte er dann, wobei sich sein Gesicht leicht entspannte und er in sich selbst hinein nickte. „Ja, dort ist er oft." "Der kleine Spielplatz?" "Im kleinen Park in der Nähe seiner Wohnung. Er ist zwischen Bäumen versteckt, von weitem nicht zu sehen. Da... da ist ein kleiner Spielplatz." "Na gut.“ Schon wandte sich Duke ab. „Dann gehe ich dorthin." "Warte…" Kaiba hob den Arm, streckte ihm die Hand nach und er hielt inne. "Ich wünschte, ich könnte mitkommen.“ Mit einem Anflug von Verbitterung sah er Duke an und dieser nickte stumm, folgte der Hand, die sich im Schopf versenkte, kratzte. „Bitte suche ihn. Und wenn du ihn gefunden hast, dann...", er zögerte und wandte den Blick ab, "… ich werde bald entlassen und würde mich freuen, wenn er dabei... sein könnte." "Heute?" Duke hob überrascht die Augenbrauen. "Du wirst heute schon entlassen?" Kaiba nickte und biss sich auf die Unterlippe. "Gegen vier Uhr." "Ich werde es ihm ausrichten." Duke konnte ein Lächeln nicht unterdrücken. Also tat er es einfach und näherte sich hinterrücks der Tür. "Ich geh sofort zu diesem Spielplatz und wenn ich ihn gefunden habe, dann richte ich es ihm aus." "Und... und wenn er dort nicht ist, dann such ihn am See." Kaiba machte sich wirklich Sorgen und strengte sich nicht an, diese Tatsache zu verbergen. "Ich finde ihn schon", versuchte Duke ihn zu beruhigen, während er nach der Klinke tastete. "Und sicher wird er gern kommen. Mach dir keine Sorgen." Daraufhin antwortete Kaiba nichts und Duke wollte keine Zeit verschwenden, Joey endlich finden und beruhigt sein. Also machte er eine verabschiedende Handgeste und verließ das Zimmer. Und ohne Umschweife machte er sich auf den Weg zu dem kleinen Spielplatz, den Kaiba vorgeschlagen hatte. Er brauchte keine halbe Stunde, da erblickte er die Bäume, die eng beieinander standen, sich um einen kleinen Platz drängten. Das Herz schlug aufgeregt in seiner Brust, als er sich durch sie hindurch schlängelte und die Augen offen hielt. Der Park war wirklich verdammt klein und nach wenigen Minuten der Suche betrat Duke einen breiten Kiesweg, der einen ovalen Sandkasten umschloss. Dort gab es lediglich eine altersschwache Holzrutsche und zwei Schaukeln. Und auf einer dieser Schaukeln hockte wirklich Joey. Die Beine hatte er von sich gestreckt, der Kopf war gesenkt, die Hände lagen auf seinem Schoß, eine von ihnen hielt eine Zigarette. Kurz blieb Duke stehen und beobachtete ihn, dann trat er langsam näher. Joey bemerkte ihn schnell, blickte jedoch nur kurz auf und starrte dann wieder auf den Sand. Direkt vor ihm und neben einem kleinen Zigarettenberg blieb Duke stehen, stützte die Hände in die Hüften und besah ihn sich erneut aus der Nähe. Joey sah etwas zerzaust aus, nun begannen er die Beine zu bewegen und vor und zurück zu wippen. Er schenkte ihm keine weitete Aufmerksamkeit, hob nur die Zigarette zum Mund und nahm einen langen Zug. Den Rauch blies er durch die Nase aus und dann schwieg er weiter. Duke hockte sich in der Zwischenzeit schräg neben ihn, legte die Hand auf seine Knie und hielt so die Schaukel an. Joey sah schrecklich aus und nachdem er still saß, griff Duke nach der Zigarette, zog sie ihm aus den Fingern und warf sie neben sich in den Sand. "Seit wann rauchst du denn?" Da Joey nun keine Zigarette mehr hatte, begann er mit seinen Händen zu spielen. Er drehte sie ineinander, knackte mit den Knöcheln und atmete tief ein. "Woher weißt du, dass ich hier bin?", erkundigte er sich leise und mit rauer Stimme. "Dreimal darfst du raten." Duke tätschelte seine Knie. "Ich suche dich seit gestern, war sogar bei dir zu Hause. Aber du warst nicht da. Und heute bin ich einfach zu Kaiba gegangen und der hat mich hierher geschickt." Er erhielt keine Antwort. Stattdessen ließ Joey das Gesicht noch mehr sinken und schloss die Augen, seine Hände hielten in den Bewegungen inne und dann kehrte die alte Stille ein. Duke besah sich seinen Freund besorgt und dieser schien zu einer Statue erstarrt zu sein, nur seine Schultern hoben und senkten sich unter einem starken Atemzug. Und dann holte er noch einmal tief Luft und erhob die Stimme in einem leisen Ton. "Was ist schon fair an meinem Leben?" "Wie meinst du das?" Duke rutschte näher. "Ts." Joey schüttelte langsam den Kopf, gestikulierte kurz mit den Händen. "Ich habe mal über all das nachgedacht." "Und zu welchem Entschluss bist du gekommen?", erkundigte sich Duke. Daraufhin schwieg Joey eine lange Zeit. Er blickte nicht auf, zuckte nur mit den Schultern und besah sich seine Hände. "Dass ich für diese Art von Leben nicht geschaffen bin." "Wie meinst du das?" Daraufhin löste Joey eine Hand von seiner Hose, hob sie und fuhr sich über das Gesicht. Duke hörte, wie er schwer schluckte und dann einen tiefen Atem ausstieß. "Ich habe panische Angst vor dem Tod", hauchte er dann beinahe lautlos und begann erneut mit seinen Händen zu spielen. "Und meine Nerven ertragen nicht viel." Das verstand Duke. Nickend wandte er den Blick von Joeys Gesicht ab, sah sich kurz um und biss sich auf die Unterlippe. Mit diesen beiden Sätzen hatte Joey sein Befinden gut zum Ausdruck gebracht. "Joey." Er starrte auf einen Baum. "Du hast viel durchgemacht und es ist verständlich, dass du nicht mit alledem fertig wirst. Das schafft niemand, zumindest kein normaler Jugendlicher. Alles ist nicht normal, was in letzter Zeit geschehen ist. Ich kann nicht nachvollziehen, wie es dir geht, denn ich wurde wohl etwas mehr verschont, als du. Aber die Polizei wird sich jetzt um Katagori kümmern, also denke ich, dass du es nun hinter dir hast. Und..." Er verstummte, als Joey plötzlich leise schluchzte, sich nach vorn beugte und beide Hände auf das Gesicht presste. Und binnen weniger Sekunden brach er dann in Tränen aus, schluchzte laut und sein Körper erbebte unter heftigen Atemzügen. "Joey." Duke seufzte, richtete sich auf und nahm ihn in die Arme. Sofort klammerte sich Joey an ihn und ließ dem Leiden, das sich in ihm angestaut hatte, freien Lauf. Er ächzte und schluckte die Tränen hinunter. Duke hielt den zitternden Körper fest in den Armen, schob die eine Hand in den blonden Schopf und drückte Joey an sich. "Ich habe alles getan und trotzdem geht er nicht auf mich ein!", ächzte dieser zwischen hastigen Atemzügen. "Ich will doch nur, dass er mich wieder an sich heran lässt und dass alles so wird wie früher…!" Was sollte Duke daraufhin sagen? Sollte er sagen, dass es so sein würde, wenn man Kaiba noch etwas Zeit gab? Er wusste genau, wie Joey darauf reagieren würde, also schwieg er. Joey jedoch, fuhr schluchzend fort. "Es ist alles unfair! Die ganze Welt ist nicht gerecht! Habe ich nicht einen Lohn für meine Mühen verdient?!" Duke schloss die Augen. "Joey, ich..." "Wann ist das denn endlich vorbei?! Wird hier erst wieder Frieden einkehren, wenn ich tot bin?!" Joey schrie leise auf und Duke spürte seine Fingernägel, wie sie sich in seine Haut bohrten. "Ich weiß, dass es Kaiba nicht gut geht, dass er gerade nicht immer Herr seiner Sinne ist und nicht weiß, was er sagt, was er mir mit seinen harten Worten antut! Ich muss ihn aber sehen, fühle mich gezwungen, zu ihm zu gehen, weil ich ohne ihn nicht leben kann! Aber ich ernte keine Gegenleistung!! Nicht einmal in seinem Blick ist ein Hauch von Dankbarkeit!!" Duke verstärkte die Umarmung, öffnete die Augen und starrte wieder auf die Bäume, die sie umgaben. Er schwieg und wartete, dass Joey fortfuhr, dass er ihm alles erzählte, das ihm auf der Seele lastete. Und das tat Joey auch. "Wir haben zwar miteinander gesprochen und ich hatte ein gutes Gefühl aber jetzt ist es, als hätte dieses Gespräch nie statt gefunden!! Er benimmt sich so unaufmerksam und abweisend, obwohl ich alles getan habe, damit er leben kann! Ich will ihm keine Vorwürfe machen aber manchmal kommt es einfach über mich und dann weiß auch ich nicht mehr, was ich sage! Ich bin völlig fertig, erschöpft, am Ende! Und ich weiß einfach nicht mehr, wie ich mit dieser Situation umgehen soll…!!" Duke seufzte leise und Joey begann sich zu regen, ließ ihn jedoch nicht los. "Ich habe doch alles getan, ist es nicht so…?", ächzte er wieder und Duke nickte. "Das hast du." "Und warum gönnt man mir jetzt keine Ruhe?? Habe ich das nicht verdient?! Kann ich nicht einfach bei ihm sitzen und mich entspannen??" "Ich weiß es nicht." "Ich meine, ich habe es doch jetzt hinter mir! Ich werde Katagori nie wieder sehen und muss auch bald keine Angst mehr vor ihm haben! Ich habe die ganze Sache durchgestanden aber warum bin ich dann so schrecklich traurig?! Ich fühle mich, als würde ich noch inmitten des Dilemmas stecken und dabei liegt es nur noch an Kaiba, dass ich nicht zufrieden sein kann!!" "Hör zu." Duke löste die Umarmung, tastete nach Joeys Schultern und schob ihn vorsichtig von sich. Sofort entfloh Joey seinem Blick, presste die Hand auf das Gesicht und das Kinn auf die Brust. "Ich soll dir etwas von Kaiba ausrichten. Er war sehr besorgt und hätte dich am liebsten selbst gesucht." "Ach... ja?" Zögerlich ließ Joey die Hand sinken und blickte auf. "Ja, natürlich." Duke nickte und zwang sich ein Lächeln auf. "Er liebt dich, das merkt man, obwohl es ihm zurzeit etwas schwer fällt, es zu zeigen." Joey schluckte, rieb sich die Augen und verbarg sie wieder hinter der Hand. Nun saß er wieder zusammengesunken vor Duke und dieser legte die Hände zurück auf seine Knie. "Er wird heute sechzehn Uhr entlassen und wünscht sich, dass du dabei bist." Joey antwortete nicht und Duke rüttelte behutsam an ihm. "Ich glaube, dass er noch einmal in aller Ruhe mit dir sprechen und alle Unklarheiten beseitigen will. Weshalb sollte er sonst so ein Anliegen äußern? Er leidet auch darunter, glaub mir das. Und er kämpft mit sich und seinem Zustand. Du solltest heute mit ihm gehen und sobald das Begräbnis vorbei ist, kannst du sofort wieder zu ihm fahren. Ich denke, dass sich zwischen euch alles bessern wird, wenn ihr mehr Zeit füreinander habt. Gleichzeitig fühlt er sich in dem Krankenhaus alles andere, als wohl. Wer weiß? Vielleicht ist er sofort ein anderer Mensch, wenn er sein Haus betritt?" "Wenn es nur so einfach wäre." Joey schüttelte den Kopf. "Ich kenne ihn doch. Er tut so etwas nicht nur, weil ihm sein Umfeld nicht gefällt." "Joey, ich denke, dass..." "Du verstehst das nicht, Duke!" Plötzlich sprang Joey auf die Beine, kämpfte die Schaukel zur Seite und trat einige Schritte zurück. "Er ist nur am mäkeln, egal, was ich tue! Und als ich mit meinem Plan ankam, wirkte er fast schon so, als würde ich lächerlich auf ihn wirken!!" "Dein Plan ist toll, Joey!", warf Duke sofort ein und erhob sich. "Und das wird er bald einsehen. Spätestens, wenn Katagori hinter Gittern sitzt." "Er soll es gefälligst eher einsehen!!" Joey fuchtelte mit den Fäusten, trat in den Sand und kehrte ihm den Rücken. "Ich will doch nur ein kleines Lob! ‚Gut gemacht, Joey’! Ist das zuviel verlangt?! Schafft er es nicht, diese drei Worte auszusprechen oder will er es nur nicht einsehen, weil er zurzeit nicht selbst im Stande dazu ist, sich um Katagori zu kümmern?!" "Joey!" Duke verdrehte die Augen. "Was soll ich denn jetzt dazu sagen? Er ist dein Freund, du kennst ihn besser. Und wenn du nicht mit ihm klarkommst, dann solltest du entweder noch einmal mit ihm sprechen oder es sein lassen." "Was?" Plötzlich schlug Joey auf einen wirklich erschütterten Ton um und wandte sich ihm mit großen Augen zu. "Es sein lassen...? Meinst du das ernst...?" "Natürlich nicht!", erwiderte Duke erschöpft. "Ich habe dir schon oft gesagt, dass er dich wirklich liebt. Und du weißt das ebenso gut, wie ich! Ich bitte dich, zerbreche dir jetzt nicht weiterhin den Kopf darüber und geh zu ihm. Begleite ihn nach Hause, lass ihn entspannen und geh die Sache dann noch einmal mit mehr Ruhe an." "Und wenn ich keine Lust habe, noch länger zu warten?" Joey schnitt eine Grimasse und Duke wusste allmählich nicht mehr, mit welchen Worten er ihn besänftigen sollte. "Dann lass es sein", sagte er also nur resigniert. Und nun trat die erwartete Reaktion ein und Joey starrte ihn wieder erschüttert an. "Das Problem bei der Sache ist nur", Duke stöhnte und stützte eine Hand in die Hüfte, "dass du ihn liebst und er liebt dich. Pustekuchen! Was soll denn schief gehen, wenn du einen letzten Versuch startest?" "Was schief gehen kann?" Joey kehrte langsam zu ihm zurück. "Da kann verdammt viel schief gehen und ich habe keine Lust, es herauszufinden!" "Du musst es aber herausfinden!" Bevor sich dieses Gespräch noch bis zur Unerträglichkeit steigerte, zerrte Duke nach Joey, zog ihn zu sich und legte den Arm um seinen Hals. "Du tust dir doch nichts Gutes, wenn du der Sache aus dem Weg gehst und dich andauernd irgendwo verkriechst." "Verkriechen?" Wieder rieb sich Joey die Augen. "Was willst du denn damit sagen!" "Na, gestern habe ich versucht, dich anzurufen, dann war ich bei dir zu Hause und habe mir den Kopf zerbrochen! Ich habe kaum geschlafen und am nächsten Tag, also heute, die Suche fortgeführt! Und wenn es Kaiba nicht gegeben hätte, dann würde ich dich immer noch suchen. Und du würdest immer noch hier sitzen und so lange rauchen, bis du am Qualm erstickst!" "Ach!" Joey pulte sich im Ohr. "Ja." Duke sah das erlösende Ende schnell näher rücken. "Hör zu, du Blödmann. Du gehst jetzt nach Hause und ruhst dich aus, machst dich frisch oder was auch immer. Und dann gehst du zu Kaiba und begleitest ihn nach Hause. Warum sage ich das jetzt eigentlich noch mal?" "Du musst es nicht wiederholen!" Joey befreite sich aus dem Klammergriff, fuchtelte mit den Händen und entfernte sich mit wenigen Schritten von ihm. Und er schnitt solche Grimassen, dass man glauben konnte, nun würde er völlig ausrasten. "Ich geh zu ihm und gebe ihm noch eine Chance!" Duke nickte zufrieden und Joey ließ die Arme sinken. "Und wenn er mich auch nur noch einmal angiftet, dann werde ich ihm die Leviten lesen!" "Herrje." Duke stöhnte entkräftet. "Okay." Joey weitete die Augen und streckte ihm die Hand entgegen. "Ich... ich geh dann mal." "Ja." Duke winkte. "Gut." Nach einem verunsicherten Blick zu Duke, wandte er sich langsam ab und brummte etwas Undefinierbares. Und nach wenigen Schritten drehte er wieder das Gesicht zu Duke. "Ich geh jetzt!" "Und etwas Schlaf hättest du auch nötig", rief Duke ihm nach. "Du benimmst dich sonderlich!" "Ach ja?!" Ruppig wandte sich Joey ab, verschnellerte seine Schritte. "Na, Danke! Hab nicht geschlafen und jetzt noch so etwas!" Als er dann davon stampfte und leise bei sich fluchte, zeichnete sich ein sanftes Lächeln auf Dukes Lippen ab. Und als Joey zwischen den Bäumen verschwand, schüttelte er den Kopf und hockte sich hin. "So ein Idiot." Wortlos überreichte Johnson dem Mann die Entlassungspapiere, stützte die Hände in die Hüften und besah ihn sich, während er die Unterlagen kurz überflog und dann flink in seinem Aktenkoffer verschwinden ließ. "Haben Sie alles geplant?", fragte er dann. "Wie wollen Sie Kaiba ungesehen aus dem Krankenhaus bringen?" "Es ist alles vorbereitet." Pikotto ließ den Aktenkoffer sinken und warf einen geschäftigen Blick auf seine Uhr. "Wir dürfen jetzt aber keine Zeit verschwenden. In nur einer Stunde beginnt das Begräbnis und ich muss anwesend sein." "In Ordnung." Johnson öffnete die Tür und trat auf den Gang hinaus. "Dann wünsche ich Ihnen viel Glück bei Ihrem Vorhaben. Hoffentlich gelingt es." "Das wird es." Pikotto folgte ihm aus dem Zimmer und eilte dann neben ihm durch den Flur. Und während sie sich der bestimmten Tür näherten, blickte er sich kurz um. Er schien auf jemanden zu warten, der noch nicht anwesend war. Da er jedoch nicht warten konnte, verließ er den Flur sogleich wieder und verschwand in Kaibas Zimmer. Kaiba vergeudete keine Zeit, als er sich den schwarzen Rollkragenpullover über den Kopf stülpte, sich auf dem Stuhl langsam nach vorn beugte und die Stiefel zu sich zog. Man sah ihm deutlich an, dass er es kaum erwarten konnte, diesen Ort des Grauens zu verlassen. Als Pikotto und Johnson eintraten, blickte er nur kurz auf, suchte nach einem Dritten und wandte sich dann schweigsam seiner Arbeit zu. Er schlüpfte in die Stiefel, zog die langen Reißverschlüsse zu und richtete sich auf. Sein Aussehen hatte sich gebessert und auch ein Teil seiner Kraft war zurückgekehrt. Sein Gesicht war nicht mehr ganz so blass und seine Augen hatten einen Teil der schneidigen Schärfe zurückerlangt. Beinahe wirkte er wie der alte Kaiba, würde jedoch eine Stütze beim Gehen benötigen. Er war noch etwas wackelig auf den Beinen und zuhause wartete ein Arzt, der ihn sofort in das Bett verbannen würde. Kaiba würde sich nicht daran halten und der Ärger war vorprogrammiert. Während Pikotto und Johnson ein weiteres kurzes Gespräch begannen, sah er aus dem Fenster. Dieser Raum hatte in der letzten Zeit ein Gefängnis für ihn dargestellt und am heutigen Tag, dem Tag seiner Entlassung, herrschte draußen ein Unwetter. Der Regen prasselte gegen die Scheiben und der Himmel wirkte düster und trostlos. Er riss sich von der Beobachtung los, kam mit einer trägen Bewegung auf die Beine und griff nach einem langen Kapuzenmantel, der für das Verlassen des Krankenhauses von großen Nöten war. Er betrachtete ihn sich kurz, atmete tief durch und schwang ihn sich über die Schultern. "Tun Sie mir einen Gefallen." Johnson stopfte ein Stethoskop in die Tasche seines weißen Mantels und wies mit einem Stift auf Kaiba, der sich nun auf die Fußlehne des Bettes stützte und erschöpft den Kopf hängen ließ. "Wenn Sie diese Sache durchgestanden haben und alles wieder in Ordnung ist, informieren Sie mich darüber. Und Dr. Araki sollte bei allen guten Göttern nicht vergessen, mir den Verlauf der Genesung mitzuteilen." "Das wird er nicht", beruhigte Pikotto ihn, Kaiba ernst musternd. "Ich werde mich bei Ihnen melden und..." Plötzlich wurde die Tür hinter ihnen aufgerissen und Johnson musste zur Seite springen, um sie nicht gegen den Kopf zu bekommen. Pitschnass und keuchend trat Joey in das Zimmer und stützte sich sogleich auf die Knie. Johnson musste sich erst von dem Schreck erholen, Pikotto hob die Augenbrauen und Kaiba blickte auf. Und sobald er den schnaufenden jungen Mann erblickte, erhellte sich seine Miene. Er schien erleichtert durch seine Anwesenheit zu sein. Und noch glücklicher, dass Duke ihn gefunden und ihm die Nachricht überbracht hatte. Nun war Joey hier. "Sorry!" Am Ende der Kräfte hob er die Hand und fuhr sich über das nasse Haar, worauf sich sofort eine kleine Pfütze unter seinem Kopf bildete. "Bin da... puh." "Bist du gerannt?", wunderte sich Johnson, der nun das Schlimmste hinter sich hatte. "Mein Gott, du schnaufst ja wie nach einem Marathon." "Das war ein Marathon, Doktor." Nun richtete sich der junge Mann auf, wischte sich hastig das Wasser aus dem Gesicht und stützte die Hände in die Hüften. "Puh, das war ja richtig knapp!" "Ja." Pikotto wandte sich an Kaiba, der in der Zwischenzeit schon den Blick von Joey abgewandt hatte und sich nun mit dem Mantel beschäftigte. "Wir müssen gehen." "Einen Moment." Mit einer flinken Bewegung zog sich Kaiba den Mantel um den Leib, zog ihn fest und schloss die Schnallen. Und da schob sich Joey zwischen Johnson und Pikotto hindurch und kam auf ihn zu. Und als er vor ihm stehen blieb, stellte er sich einfach auf die Fußballen, griff nach der Kapuze und zog sie Kaiba über den Kopf und bis tief in das Gesicht. Er streifte seine Wange unbeabsichtigt mit den Fingern und als Kaiba etwas Verworrenes nuschelte, griff er nach dem Kragen, schlug ihn hoch und knöpfte ihn noch zu, so, dass beinahe gar nichts mehr von dem Gesicht zu sehen war. "Perfekt", erklärte er, als er einen Schritt zurücktrat und Kaiba von Kopf bis Fuß musterte. "Ich kann nichts sehen", antwortete dieser lustlos. "Und genau deshalb bin ich hier." Ohne zu zögern, griff Joey nach Kaibas Arm, hob ihn und schlüpfte darunter hindurch, so, dass er direkt neben ihm stand. Kaibas Hand legte er auf die eigene Schulter, den Arm um Kaibas Rücken. Und sobald er dicht neben ihm stand, stieg seine Laune und der Wunsch tat sich in ihm auf, ewig so nahe bei ihm stehen zu bleiben. Doch Pikotto öffnete die Tür, trat zur Seite und bat sie mit einem knappen Nicken, hinauszugehen. Johnson gehorchte sofort und auch Joey setzte sich in Bewegung, Kaiba mit sich führend. "Die Umgebung wird ungewohnt auf dich wirken", flüsterte er, als er nach Kaibas Handgelenk griff. "Die Technik ist vorangeschritten und vieles hat sich geändert. Du hast vieles nachzuholen, wirst dich jedoch wieder einleben, mein lieber Steinzeitmensch." Er spürte, wie Kaiba einen kurzen Atem ausstieß. Und dann verstärkte sich der Griff an seiner Schulter und er wurde etwas zur Seite gezogen. Kaiba drückte ihn an sich und in Joey sprudelte die Freude empor. Sofort musste er grinsen. Im Gang angekommen, blieb Johnson kurz stehen und schüttelte Pikotto verabschiedend die Hand. Er warf auch einen kurzen Blick zu Joey und nickte diesem zu. "Viel Glück." Joey erwiderte die Geste heiter und als sich Pikotto abwandte und losging, folgte er ihm. Und Kaiba tat sein Handwerk außerordentlich gut und hielt den Kopf so tief gesenkt, dass er nur den Boden und die eigenen Beine sehen konnte. Den Rest musste er Joey überlassen. Dieser hielt sein Handgelenk fest umgriffen, als sie um eine Ecke bogen. Und plötzlich kam er sich sehr dumm dabei vor, geheult und sich verkrochen zu haben. Wenn man es recht bedachte, lief zwischen ihnen doch alles gut, oder? Und hätte Duke ihn nicht mit viel Geduld darauf aufmerksam gemacht, dann würde er nun nicht so glücklich sein. Nach kurzer Zeit erreichten sie den Fahrstuhl und Pikotto betätigte eine Taste, bevor er seinem Boss einen prüfenden Blick zuwarf. Viele Menschen liefen an ihnen vorbei, viele Patienten, Besucher und Ärzte. Und einige waren über den Tod des großen Seto Kaiba sehr traurig, obgleich er direkt neben ihnen gestanden hatte… für wenige Sekunden. Unter einem leisen Läuten öffneten sich dann die Fahrstuhltüren und sie traten ein. Glücklicherweise benutzte kein Anderer die Kabine und so richtete sich Kaiba auf, sobald sich die Türen geschlossen hatten. Ohne die Hand von Joeys Schulter zu nehmen, lehnte er sich mit dem Rücken gegen die Wand, hob die Hand und zog die Kapuze etwas zurück. Joey warf ihm einen flüchtigen Seitenblick zu und Pikotto sah auf seine Uhr. "Wie geht es dir?", erkundigte sich Joey nach einer kurzen Zeit der Beobachtung. Kaiba schloss die Augen, legte den Hinterkopf gegen den Spiegel und atmete tief durch. "Wenn du mich loslässt, falle ich." "Ah ja?" Unauffällig begann Joey seinen Rücken zu kraulen und wieder begann sich die Hand auf seiner Schulter zu bewegen. "Na, dann sollte ich es besser nicht tun." In dieser Sekunde hielt der Fahrstuhl und die Türen öffneten sich unter dem gewohnten Läuten. Vor ihnen lag die riesige Tiefgarage des Krankenhauses, kühle Luft zog ihnen entgegen. Sogleich trat Pikotto aus der Kabine und Kaiba ließ unter einem leisen Stöhnen den Kopf sinken. So traten auch sie hinaus und erblickten das Taxi, das schon für sie bereit stand. Nachdem sich Pikotto einmal umgesehen hatte, öffnete er ihnen die hintere Tür und Joey war Kaiba bei dem Einsteigen behilflich. Und sobald dieser saß, ließ er sich gegen die Lehne fallen, streckte die Beine von sich und schloss die Augen. Und so begann die Fahrt. Der Taxifahrer war von der ganz besonderen Sorte, so einer, der nie die Klappe halten konnte. Und er laberte und laberte. In einer halben Stunde erfuhr Joey alles über das Leben des Mannes. Gezwungenerweise wusste er bald, dass seine Frau Zellulitis hatte und dass der Hamster seiner Tochter unter den Rasenmäher geraten war. Ruhe er in Frieden, Joey scherte es einen feuchten Dreck. Das Einzige das ihn an der Fahrt sehr amüsierte, war, dass der Fahrer auch auf den grausamen Tod des großen Seto Kaiba zu sprechen kam. Das wusste in der Zwischenzeit ganz Domino. Er erklärte, dass er ihn einmal zu Gesicht bekommen hatte, dass er ihn verehrte und gern sein würde, wie er. Da musste Joey die ganze Zeit grinsen und versteckte Blicke zu seinem Nebenmann werfen, der sich in diesen Minuten sicher etwas komisch vorkam. Da sprach man doch wirklich über ihn, als wäre er tot - sehr belustigend. Der Fahrer begann diesen schrecklichen Verlust beinahe zu beweinen und dabei saß der Todgeglaubte direkt hinter ihm und gähnte in einem Zug. In sicherer Entfernung zu dem großen Anwesen hielt das Taxi letzten Endes und sie stiegen aus. Es war zu gefährlich, sich direkt vor das Tor kutschieren zu lassen und so musste Kaiba einen beschwerlichen Fußmarsch auf sich nehmen. Sie kamen nur in langsamen Schritten voran und nach wenigen Minuten wünschte sich Kaiba leise sein Bett herbei. Er begann zu wanken und Joey hatte seine Schwierigkeiten, ihn zu halten. Und der Regen, der nur etwas abgenommen hatte, erleichterte es ihnen nicht gerade. Joey krallte sich an ihn und wünschte sich, sie hätten ihr Ziel schon erreicht. Das taten sie jedoch erst nach knapp zehn Minuten. Kaiba war zu schwach, um solche langen Wege hinter sich zu lassen, doch bedauerlicherweise war es von Nöten, um den Schein zu wahren. Alle drei waren glücklich, als sie endlich das Tor erreichten und den Pinguin erblickten, der sofort herbei gerannt kam. Sofort wurde das Tor geöffnet und Joey besah sich den langen Weg zum Haus unzufrieden. Doch glücklicherweise erklärte sich der Pinguin gern dazu bereit, Kaiba auf der anderen Seite zu stützen. So bewältigten sie den Weg mit weniger Kraftaufwand und öffneten letzten Endes die große Tür. Joey war wohl genauso erleichtert, das riesige Foyer wieder zu sehen, wie Kaiba. Eine angenehme Wärme zog ihnen entgegen, als sie die Tür hinter sich ließen, ebenfalls eine behagliche Ruhe. Mokuba war noch bei einer Schulaufführung, Pikotto musste ihn gleich abholen, damit sie pünktlich zu dem Begräbnis kamen. Und so kam es auch, dass er sich gleich im Foyer verabschiedete. Der Pinguin war bei der Tür stehen geblieben und nun war es wieder an Joey, Kaiba heil nach oben zu bringen. Dieser hing ganz schön in seinen Armen und hob nun langsam die Hand, um nach der Kapuze zu tasten und sie zurückzuziehen. "Du solltest etwas schlafen", wandte sich Joey an ihn und er nickte träge. "Und du? Fährst du noch einmal nach Hause?" "Ich glaube, ich habe gar keine andere Wahl", erwiderte dieser. "Ich kann schlecht in weißen Kleidern bei einem Begräbnis er..." "Nein", meldete sich da plötzlich Kaiba zu Wort. Joey drehte das Gesicht zu ihm und er blickte auf, worauf sich ihre Blicke trafen. "Bleib hier." "Hm?" Joey hob die Augenbrauen, hatte Schwierigkeiten, seine Rührung zu verbergen. "Aber ich muss doch..." "Ich habe genug Kleider." Daraufhin blinzelte Kaiba und starrte müde auf den Boden zurück. "Na dann?" "In einer halben Stunde bin ich mit Mokuba hier und hole dich ab." Pikotto nickte ernst und sah kurz nach der Zeit. "Wir sehen uns." "Danke." Joey lächelte und der Geschäftsmann wandte sich ab, um einen weiteren beschwerlichen Weg hinter sich zu bringen. Stress, den er gewohnt war. Ohne sich umzuschauen, trat er durch die Tür wieder nach draußen und kurz darauf standen die beiden allein im Foyer, inmitten der Ruhe und der Wärme. Es war herrlich, wieder hier zu sein. Joey sah sich kurz um, doch sein Blick blieb an der Treppe hängen, als er dort laute, schnelle Schritte vernahm. Sogleich verfinsterte sich seine Miene und auch aus Kaibas Richtung war ein leises Stöhnen zu hören. "Oh mein Gott." Joey rieb sich die Stirn. "Ohhh... mein Gott!" Wie befürchtet erschien Dr. Araki auf der Treppe, blieb stehen, raufte sich die Haare und rannte dann weiter. "Da sind Sie ja endlich! Ich habe mir ja solche Sorgen gemacht!" "Hm." Kaiba lugte zu Joey. "Bring mich nur schnell weg von hier." "Okay." Joey lachte leise und führte ihn zur Treppe. "Dr. Araki, Sie kommen wie gerufen. Helfen Sie uns bitte bei den Treppen?" "Natürlich!" Sofort griff Araki nach Kaibas anderen Arm, zog ihn sich über die Schulter und stützte ihn. So ließen sie die Treppe schnell hinter sich und Netterweise brachte Araki die beiden bis in das Schlafzimmer. Dort ließ sich Kaiba entkräftet auf die Bettkante sinken, krallte sich in das Laken und ließ den Kopf sinken. "Sie sollten jetzt sofort schlafen!" Während Joey die Augen verdrehte und sich vor Kaiba hockte, sprang Araki wieder herum. Vermutlich hatte er Gewissensbisse, weil er ihm nicht hatte helfen können. Trotzdem nervte er und Joey wollte ihn nun gern loswerden. "Das tut er", sagte er also und machte sich an den Schnallen zu schaffen. "Sie müssen sich keine Sorgen machen." "In Ordnung." Der Mann nickte, doch es kam ihm scheinbar nicht in den Sinn, sich zurückzuziehen. "Komm, schlüpf raus." Joey richtete sich auf die Knien auf, griff nach dem Mantel und zog ihn über Kaibas Schultern. Dieser hob lediglich die Arme, um aus den Ärmeln zu schlüpfen und schob sich dann etwas zur Seite, damit Joey den Mantel ganz wegziehen und bei Seite werfen konnte. "Doktor." Joey hockte sich wieder hin und warf dem Mann einen knappen Blick zu. "Sie können gehen, er braucht jetzt etwas Ruhe." Endlich nickte Araki und Joey wandte sich den Stiefeln zu. Er raffte die Hosenbeine höher, tastete nach den Reisverschlüssen und zog sie hinab. Und endlich näherte sich der Arzt der Tür. Kaiba schenkte ihm keine Beachtung, nur Joey nickte ihm kurz zu, bevor er die Stiefel von den Beinen zog und bei Seite stellte. Und sobald das getan war, rutschte er zurück, ließ sich in die Kissen fallen und streckte sich unter einem leisen Stöhnen aus. Auch Joey schlüpfte aus seinen Schuhen, schlenderte um das Bett herum und hockte sich vor Kaiba auf die Decke. Dieser machte den Anschein, bereits zu schlafen aber nachdem Joey wenige Momente dort hockte, blinzelte er, räkelte sich langsam und streckte die Hand nach ihm aus. "Komm her..." Er erwischte sein Handgelenk und zog ihn zu sich. Und das musste sich Joey nicht zweimal sagen lassen. Er rutschte näher an ihn heran und ließ sich zur Seite fallen. Sofort legte Kaiba den Arm über seinen Rücken und zog ihn noch näher, so, dass er sich an ihn schmiegen konnte. Den einen Arm presste er an sich, den anderen legte er um Kaibas Leib. Und was war das für ein Gefühl, endlich wieder so nahe bei ihm zu liegen. Während Kaiba tief durchatmete, die Umarmung verstärkte und die Augen schloss, bettete Joey das Gesicht an seiner Schulter und tat es ihm gleich. Nun lagen sie dicht voreinander, hielten sich fest umschlungen und genossen diese sanfte Zärtlichkeit. Nach wenigen Sekunden schob Joey die Hand noch weiter über Kaibas Rücken, klammerte sich regelrecht an ihn. Wie lange hatte er das nur vermisst! Er seufzte leise und presste das Gesicht an den weichen Stoff. Er spürte, wie sich Kaibas Finger auf seinen Schultern zu bewegen, ihn zu kraulen begannen. Wohin musste er nachher noch? Begräbnis? Welches Begräbnis? Er wusste von nichts! Er wollte nur hier liegen bleiben und das den ganzen Tag. Wie hatte er es vermisst, sich an diesen Körper zu schmiegen, den Atemzügen lauschen zu können und den Geruch einzuatmen, obgleich man an diesem deutlich bemerken konnte, dass er soeben aus dem Krankenhaus gekommen war. Diese gesamte Situation war so wunderschön und entspannend, dass Joey wirklich drohte, einzuschlafen. Er rollte sich zusammen, lehnte sich an Kaiba und meinte, der glücklichste Mensch auf Erden zu sein. Doch nach einer Zeit kam eine wichtige Frage in ihm auf, über die er sich schon lang den Kopf zermartert und noch nie einen günstigen Zeitpunkt gefunden hatte, um sie an Kaiba zu richten. Während sich dieser nicht regte, öffnete Joey die Augen, schob die Hand zum Mund und begann an den Fingernägeln zu knaubeln. Er hatte Hemmungen, wusste nicht, ob er schon so zeitig fragen sollte. Vielleicht war Kaiba noch immer durcheinander und würde ihn nicht verstehen? Vielleicht würde er wieder Worte sagen, die wehtaten? Nachdenklich lugte er zur Seite und starrte auf die Zimmerdecke. Verdammt, er hatte sich so lange davor gedrückt und vielleicht bekam er in der nächsten Zeit nicht mehr eine so gute Gelegenheit? Nach einem langen Zögern begann er sich etwas zu regen und räusperte sich. "Kaiba?", fragte er dann leise und schob das Gesicht höher. Der Angesprochene behielt die Augen geschlossen, brummte jedoch leise als Zeichen, das er ihn gehört hatte. Joey ließ das Gesicht sinken, bearbeitete seine Fingernägel weiterhin. "Findest du... dass unsere jetzige Beziehung in Ordnung ist?" Noch kurz blieb Kaiba reglos liegen, dann schob er die Hand tiefer über Joeys Rücken und atmete tief durch. "Was macht dir Sorgen?" "Im Krankenhaus sind wir uns nicht gerade näher gekommen", murmelte Joey ohne lange zu grübeln. "Du warst so abweisend... das hat mir Sorgen gemacht." Daraufhin erwiderte Kaiba lange Zeit nichts. Vermutlich musste er nachdenken aber Joey wurde schnell unruhig. Was würde er wohl darauf antworten? Als das Schweigen noch länger anhielt, richtete er sich etwas auf und stützte sich auf den Ellbogen, um ihn problemlos betrachten zu können. Ihre Blicke kreuzten sich, blieben aneinander hängen. "Warst du... oft bei mir?" "Anfangs ja." Joey war ehrlich. "Letzten Endes... hielt ich mich aber etwas von dir fern." "Aha." Kaiba nickte langsam, entfloh seinem Blick und räusperte sich leise. "Weil ich schlimme Dinge gesagt habe?" "Hey, ich nehme es dir nicht übel." Er griff nach seiner Hand und brachte ein knappes Lächeln zu Stande. "Ich weiß, dass du es nicht so gemeint hast und dass sich alles bessern wird. Nur eine Frage der Zeit. Aber wird unsere Beziehung so, wie sie einmal war?" "Wie meinst du das?" Nun konnte Kaiba nicht mehr liegen bleiben. Er kämpfte sich in eine aufrechte Lage, setzte sich und griff nach einem Kissen, das er dann mit beiden Armen gegen den Bauch drückte. Er schien die Sache sehr ernst zu nehmen und Joey freute sich darüber. Nun hockten sie voreinander und starrten sich an. "Ist es denn nicht mehr dasselbe?" "Findest du?" Joey schnitt eine Grimasse. Kaiba benahm sich, als habe er das halbe Leben verschlafen und könnte sich an nichts erinnern. Er sah ihn irritiert an, kam dann jedoch zu dem schnellen Schluss, dass dieses Gespräch zu nichts führen würde. Oh ja, Kaiba war noch durcheinander und heute würden sie sicher keine Fortschritte machen. Also nickte er nach einem langen Grübeln und fand wieder zu dem Lächeln zurück. "Sorry, es war dumm von mir, jetzt nach so etwas zu fragen. Ich weiß, dass du nicht so recht zufrieden bist, solange Katagori noch auf freiem Fuß ist. Lass uns die Sache also ganz ruhig angehen. Und wenn er endlich hinter Gittern sitzt, können wir uns ja noch einmal unterhalten, okay?" "Öhm..." Bevor sich Kaiba versah, wurde schon seine Schulter geklopft. "Jetzt schau ich mich mal in deinen Kleiderschränken um." Joey ließ ihn nachdenklich sitzen, schob sich vom Bett und grinste ihn an. "Ich muss zu deinem Begräbnis. Und danach komme ich zurück." Guten Mutes fanden sich die Trauergäste ein und schritten hinter dem Pfarrer über den Friedhof. Alle trugen schwarz und hielten die Köpfe gesenkt, nur Mokuba, den Pikotto an der Hand hatte, schien den Sinn der Sache nicht so recht zu verstehen, da er sich während der Besprechung lieber mit seinem Bruder beschäftigt hatte. Der Pfarrer ging in langsamen Schritten, hinter ihm folgten Joey, Pikotto und Mokuba. Joey ging neben Pikotto. Er trug einen langen schwarzen Mantel und hatte sich die Kapuze tief ins Gesicht gezogen, damit er sich unauffällig mit Pikotto unterhalten konnte. Hinter ihnen folgten Duke, Tea, Tristan, Bakura, Yugi, ebenso zehn Angestellte der Kaiba-Corperation. Pikotto meinte, dass es mehrere Trauergäste geben müsste und deshalb hatte er sie eingeweiht. Der Rest der Mitarbeiter trauerte in diesen Sekunden noch immer über den Tod ihres Chefs. Nach einem kurzen Spaziergang erreichten sie eine Wiese, wo neben einem gegrabenen Loch ein weißer Sarg aufgebahrt worden war. Sie postierten sich zu beiden Seiten, blieben stehen und starrten auf den Boden, während der Pfarrer ein langes Gebet begann. Joey war zugegeben etwas nervös, denn es war möglich, dass Katagori in der Nähe war, um das Begräbnis zu verfolgen. Es war sogar sicher, denn der Termin hatte ebenfalls in der Zeitung gestanden. Auch die anderen schauspielerten nahezu perfekt, zogen traurige Gesichter und schwiegen. Nur Mokuba hatte seine Augen überall in der Weltgeschichte und knaubelte etwas gelangweilt an seinen Fingernägeln. "Heute Abend wird Hirayama den Kontakt zu Katagori aufnehmen", murmelte Pikotto leise und Joey lugte zu ihm. "Dann werden wir weitersehen." "Hat er Ärger gemacht, bevor er sich dazu bereit erklärt hat?", erkundigte sich Joey ebenso leise. "Er war sofort einverstanden und hofft nun auf seine Freiheit. Er hat uns aus der Hand gefressen wie ein magerer Esel. Er ist leicht manipulierbar." Joey räusperte sich, ließ die Hände langsam in die Manteltaschen rutschen und warf dem Sarg einen flüchtigen Blick zu. "Was meinst du?“, erhob sich seine Stimme nach einer langen Stille leise. „Wie wäre es, wenn er jetzt wirklich da drin liegen würde?" "Daran möchte ich nicht im Entferntesten denken." Pikotto zog Mokuba zurück, der am liebsten über die Wiese rennen würde. "Du hast es verhindert und ich bin sehr froh darüber." "Hm." "Er ist nicht nur ein Chef für mich. Ich sehe ihn ebenfalls als Freund an." "Das ist schön." Joey lächelte. "Und bereitet es dir große Schwierigkeiten, die Firma in seiner Abwesenheit zu führen?" "Nein, das habe ich schon des Öfteren getan. Jetzt bleib endlich stehen, Mokuba." "Wann gehen wir denn endlich nach Hause?" Der kleine Junge kratzte sich am Kopf. "Wir sind doch gerade mal fünf Minuten hier", erwiderte Joey. "Jetzt erweise deinem Bruder doch mal die letzte Ehre und sei etwas geduldig." "Hä?" Joey blickte auf und besah sich seine Freunde, dir ihm direkt gegenüber standen. Bakura war in Gedanken versunken, während er auf den Sarg starrte, Yugi zog ein richtig bekümmertes Gesicht und Tea trug ihre Aufgabe ebenfalls mit größter Hingabe. Genau wie Tristan, der jedoch ebenfalls leise mit Duke tuschelte. Joey traf auf dessen Blick und beide lächelten. Nun schritt der Plan immer weiter voran und bald hätten sie es geschafft. Die Rede des Pfarrers schien gar kein Ende nehmen zu wollen und nach weiteren Minuten sah sich Joey unauffällig um. Natürlich, hier und dort standen Menschen, die das Begräbnis aus sicherer Entfernung verfolgten. Und diese Menschen boten Katagori eine große Sicherheit. Er könnte zwischen ihnen stehen und Joey würde ihn nicht sehen. Doch bevor er sich auch noch nach hinten umdrehte und somit Aufmerksamkeit erregte, starrte er wieder auf den Boden zurück und wartete geduldig, bis dem Pfarrer endlich die Luft ausging. Dann sagte er zusammen mit den anderen "Amen" und trat zurück, damit vier Helfer des Pfarrers den Sarg anheben und zu dem Loch tragen konnten. Und sie schnauften und keuchten, obwohl der Sarg leer war. Aber besser sie strengten sich grausam an, als dass sie den Sarg zu zweit anhoben und mit ihrer Kraft protzten. Melancholisch sahen sie dem Sarg nach, als er in der Finsternis der Grube verschwand. Daraufhin folgten die gewohnten Zeremonien. Jeder durfte Erde auf den Sarg schmeißen und Tea brachte ein äußerst gekonntes Schluchzen zu Stande, als sie nach der Schaufel griff. Insgesamt war das Begräbnis ein großer Erfolg und wieder war Joey zuversichtlich. Nachdem die Helfer den Rest der Grube mit Erde ausgefüllt hatten und gegangen waren, blieben sie noch etwas stehen, ließen die Köpfe hängen und begannen unterdessen leise Gespräche. Tristan fluchte über die Arbeit, die sie morgen schreiben würden, Duke freute sich über seine Schulbefreiung und Bakura brummte, da er kaum zum lernen gekommen war. Yugi versuchte Tristan Mut zuzusprechen und Mokuba wurde mit jeder Sekunde noch unruhiger. Er rüttelte an Pikottos Hand, zog mit den Fuß Kreise im Gras und mäkelte. Und Joey war wohl der Einzige, der nun den Mund hielt und grübelte. Er sah einen Grabstein vor sich, mit der Aufschrift « In ewiger Erinnerung - Seto Kaiba » Und obgleich der Tote zuhause lag und selig schlief, wurde ihm schwer ums Herz. ~*to be continued*~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)