Dunkle Dämmerung von Perro (Kampf um die Götterschwerter *abgeschlossen*) ================================================================================ Kapitel 28: Die Geschichte des Dämonenvaters -------------------------------------------- *schaut sich um* <.< >.> >.< Ich danke Hrafna aufrichtig für ihre lieben Kommentare, doch was ist aus meinen anderen treuen Lesern geworden? :( Habt ihr mich verlassen? *In Ecke verkriech und zusammenkauer* Trotzdem natürlich wieder viel Spaß an alle Leser mit dem neuen Kapitel^^ An Hrafna: Nach diesem Kapitel folgen noch ein Interludium und drei weitere Kapitel, ehe die Geschichte sein Ende findet. Und das mit den Cliffhangern ist natürlich gemeine Absicht, um die Leser in gespannter Erwartung zu halten^^ -------------------------------------------- Kapitel XXV - Die Geschichte des Dämonenvaters Kevin hatte schon viele Missionen der Lancelor bestritten. Er hatte Dämonen getötet, gegen eine Schattenklinge gekämpft und Kameraden an seiner Seite leiden und sterben sehen, doch nichts davon hätte ihn auf den offenen Krieg in London vorbereiten können. Schwarze, hasserfüllte Aura umgab ihn mit einer solch heftigen Ausstrahlung, dass er das Gefühl hatte sie wie zähes Wasser um sich herum zu spüren. Es erschwerte seine Bewegungen und er musste all seine Vorsicht, seine Muskelkraft und seine elementaren Fähigkeiten aufwenden, um zu überleben. Auf eine seltsame Weise hatte sich Kevin noch nie so lebendig gefühlt wie in den endlosen Minuten auf dem Schlachtfeld. Der Tod war überall und konnte einen jederzeit ereilen, deswegen erlebte und genoss der Elementare jede Sekunde mit einer ungewohnten Intensität. Gleichzeitig achtete er so genau auf seine Umgebung wie noch nie. Er versuchte jedes Geräusch, jede noch so kleine Bewegung aufzunehmen, um auf diese Weise vielleicht einem weiteren Angriff zu entgehen und noch ein paar Sekunden länger zu leben. Manchmal hatte Kevin das Gefühl, er könne die Herzschläge der umstehenden Krieger hören und jeden einzelnen einem Lancelor durch einzigartige Stärke und unvergleichbaren Rhythmus zuordnen... Wenn er seine Waffe auf einen Dämon richtete und abdrückte, hörte er den Luftzug aller vierzehn abgefeuerten Kugeln und konnte die schwarzen Blutstropfen wahrnehmen, die auf den Boden regneten. Nichts war wichtig außer seiner Umgebung und dem Verlangen danach zu überleben... "Kevin!" Kevin wirbelte herum, rammte einem Oggron dabei den Lauf seiner Waffe gegen die Stirn und sah gerade noch Dunkans wütendes Gesicht, ehe eine schwere Erschütterung den Boden beben ließ. Ein Donnerschlag rollte schwer über den Himmel, dann brannte die ganze Welt für zwei Sekunden in weißem Licht. Als es wieder erlosch, schien die Flammensäule in der Ferne noch stärker zu brennen. Zeliarinas Worte spukten in Kevins Kopf herum... Das Ende naht... Der Elementare schauderte und versuchte sich nach dem Beben und dem Licht neu zu orientieren. Noch ein Donnerschlag zog auf, doch es war nicht der gewöhnliche auf einen Blitz folgende Lärm, sondern ein beunruhigendes Grollen, das schnell näher kam. Als es den Boden wieder schüttelte, wusste Kevin, dass etwas nicht stimmte. Er sah das Flimmern in der Luft kurz bevor ihn die Wucht der Druckwelle davon schleuderte und abheben ließ. Neben ihm riss es Dämonen und Lancelor gleichermaßen von den Füßen. Sie flogen durch die Luft, überschlugen sich, rotierten um die eigene Achse, knallten gegeneinander. Autos und Gebäudetrümmer, die von der Druckwelle herangetragen worden waren, flogen an ihnen vorbei und zerquetschten dabei einige Krieger beider Orden. Kevin schloss die Augen, das pfeifende Geräusch des Windes in den Ohren, während er stumm darum betete die ausgerasteten Naturgewalten unbeschadet zu überstehen... Der Tunnel, der Zeliarina langsam in die Tiefen der Erde hinabführte und auf den Ursprung der weißen Feuersäule zusteuern ließ, war lang und dunkel. Sie konnte kaum die Umrisse der roten Wände erkennen und orientierte sich mit dem spärlichen gelben Licht, das Thundenstar hin und wieder abstrahlte. Manchmal fuhr sie auch mit den Fingern ihrer freien Hand über den Stein an der Seitenwand, denn es gab ihr ein schwaches Gefühl von Geborgenheit in der undurchdringlichen Finsternis etwas Materielles anzufassen, das die Welt definierte. Seit sie in der Illusag die Erlebnisse mit unendlichen Weiten von Grau oder Schwarz gemacht hatte, gefiel es ihr sich in fest begrenzten Räumen aufzuhalten. Verschlungene Gravierungen wölbten sich unter Zeliarinas Fingerkuppen. Sie versuchte sich gerade vorzustellen wie der Gang in hellem Licht aussehen musste, als ihr die Lampe ihrer Lancelorausrüstung einfiel, die durch den ganzen vorherigen Trubel völlig vergessen an ihrem Gürtel hing. Lächelnd griff sie danach und knipste sie an. Augenblicklich teilte ein heller Lichtstrahl die Dunkelheit und warf einen weißen Lichtkreis auf den roten Boden vor ihr, der ihr den Weg wies. Zeliarina entspannte sich etwas, doch ihre Hand, die Thundenstar hielt, bebte noch. Sie konnte unmöglich sagen, ob es tatsächlich ihre Muskeln waren, die unkontrolliert zuckten, oder ob das Schwert selbst vor ungeduldiger Erwartung zitterte. Dann, nach einer Ewigkeit so schien es, sah sie Licht am Ende des Tunnels. Ihr Magen rebellierte, als sich die Eingeweide vor Angst zu verknoten schienen, doch die Entschlossenheit, zu tun was getan werden musste, war deutlich stärker als ihr Verlangen nach Flucht. Mit betont gleichmäßigen und ruhigen Schritten näherte sich Zeliarina dem Ende des Ganges, atmete noch einmal tief ein und trat hinaus ins Unbekannte. Sie befand sich in einer imposanten, weiträumigen Halle. Einst musste sie über der Erdoberfläche gestanden haben, denn die glatten schwarzen Wände wurden in gleichmäßigen Abständen von farbigen Buntglasfenstern unterbrochen, die verschiedene Szenen aus Schlachten oder historischen Ereignissen zeigten, als erzählten sie eine unbekannte Geschichte. Inzwischen waren die bunten Fenster jedoch ausgebleicht und die Halle stand nicht mehr an der Oberfläche. Mattes Gestein und dunkle Erde türmten sich vor den Fenstern auf, drangen teilweise sogar durch zerbrochene Stellen im Glas ins Innere der Halle. Ansonsten blieb der Ort schmucklos. Nur das siebenzackige Podest mit einer Öffnung an jeder Ecke, das Zeliarina schon aus ihrer Zeit in der Illusag kannte, stand mitten in dem weiten Raum. Eine schwache Atmosphäre von Trauer und Verlust lag in der Luft, so wie man sie sonst auf Friedhöfen oder in Kirchen wahrnehmen konnte, und selbst die weiße Flammensäule, die aus dem Zentrum des Podests durch die Decke hindurch in den Himmel fuhr, vermochte sie nicht zu verdrängen. Wieder hatte Zeliarina das Gefühl ein Bild der Illusag hätte sich in die Wirklichkeit geschlichen. Fünf Gestalten reihten sich um das Podest, jede an einer der Öffnung im Boden. Zwei von ihnen, die Zeliarina als Ereos und Cenior erkannte, hatten bereits ihrer Schwerter Excalibur, Luna und Goth in drei der Öffnungen gesteckt. Jedes von ihnen strahlte ein anders farbiges Licht aus, die sich in der Mitte schließlich zu der gewaltigen weißen Lichtsäule vereinten. Die anderen drei Dämonen schienen wartend an ihren Positionen zu stehen und schenkten Zeliarina bei ihrem Eintreffen freundliche Blicke, die nicht über ihre böse Absicht hinwegtäuschen konnten. Assessina deutete augenzwinkernd auf die letzte unbesetzte Podestöffnung, die sich gleich vor Zeliarina befand. Die Donnerhexe schauderte. "Hallo Zeliarina", zischte Assessina zufrieden. Sie stand zwischen Ereos und einem unbekannten Dämon, der eine weite Kutte trug und das Gesicht im Schatten seiner Kapuze verborgen hielt. "Wir wussten, dass du kommen würdest... So nahe beieinander haben die Götterschwerter eine Anziehungskraft aufeinander, der man als Träger einfach nicht entgehen kann..." Wie zur Unterstreichung ihrer Worte stimmten die sieben Schwerter ihre magischen Lieder an, die sich in der Halle zu einem wilden Geflecht aus Licht und Klang verwoben. Es schien, als würden sich lange getrennte Freunde treffen und augenblicklich gleichzeitig von ihren Erlebnissen berichten. Zeliarina bekam eine Gänsehaut, als sie bemerkte, dass Thundenstar tatsächlich einen gewaltigen Druck auf sie ausübte und nach der Öffnung im Stein verlangte. Hätte die Donnerhexe dies zum ersten Mal erlebt, hätte sie vielleicht ohne zu zögern und ohne nachzudenken das Schwert in das Ritualpodest gesteckt, doch nun war sie darauf vorbereitet und konnte ruhig bleiben. "Nicht Thundenstar hat mich hierher geführt... Es hat mir vielleicht den Weg gewiesen, doch ich bin aus freien Stücken hier... Es will vereint werden mit seinen Geschwistern, dennoch werde ich seinem Wunsch nicht nachgeben, nicht solange die anderen Klingen in euren Händen sind..." Assessinas giftgrüne Augen funkelten. Zeliarina war sich beinahe sicher so etwas wie Unsicherheit darin zu erkennen. "Nicht?", murmelte die Dämonin leise. "Warum bist du dann hier? Willst du uns vielleicht herausfordern und besiegen? Alle Schattenklingen gegen eine einzelne unreife Hexe?" "Ich habe dich bereits einmal zuvor besiegt, Assessina..." "Schweig, du törichtes Gör!", schrie die Dämonin heftig. Die Erinnerung an ihre damalige Niederlage in den Ruinen von Tradan schien sie in Rage zu versetzen, während Azuransas auf die plötzlich verkrampften Finger seiner Trägerin hin blaue Lichtstrahlen durch die Halle sprenkelte. "Du bist von mehreren weitaus fähigeren Lancelor unterstützt worden und trotzdem war es nur Glück! Sei nicht so überzeugt von dir!" Zeliarina setzte ein überlegenes Lächeln auf, auch wenn sie sich längst nicht so mutig fühlte wie sie tat. "Wir können das ja gerne ausprobieren..." Wenn ich sie in einen Einzelkampf locken kann, ist meine Chance zu siegen deutlich höher... Assessina fauchte und warf ihr langes schwarzes Haar zurück. "Wurm! Du bist nur ein Insekt unter unseren Füßen. Ein nerviges zwar, doch trotz allem nur ein Insekt! Wieso glaubst du uns aufhalten zu können? Wieso hältst du dich für etwas Besseres? Du bist genau wie alle Menschen, die maßlos von sich überzeugt sind und denken, ihre Überzeugungen sind die einzig richtigen..." Mit eisigem Blick hob die Dämonin Azuransas vor ihr Gesicht und leckte langsam über die blaue Schneide. Ihre Zunge war gespalten wie bei einer Schlange. "Ich werde dir deinen Fehler in die schöne Haut ritzen..." Azuransas' Klinge schneidete Assessinas Zunge auf, doch die Dämonin lächelte nur, als sie Zeliarinas verstörtes Gesicht sah, und leckte ihr eigenes Blut vom Schwert. "Und dann töte ich dich und nehme mir Thundenstar!" Dann folgte der Angriff. Ehe Zeliarina bemerkt hatte, dass Assessina losgestürmt war, hatte diese bereits den halben Abstand zwischen ihnen hinter sich gelassen. Sie besaß eine Schnelligkeit und eine berserkerartige Wut, die Zeliarina vom ihren ersten Aufeinandertreffen nicht von ihr kannte. "Halt..." Assessina brach ihre Attacke augenblicklich wieder ab, kaum drei Meter von Zeliarina entfernt. Verwirrt starrten sowohl die Dämonin, als auch die Donnerhexe den Vermummten an, der Assessina durch ein einzelnes Wort aufgehalten hatte. Bisher hatte er sich überhaupt nicht bemerkbar gemacht und den beiden Götterschwertträgerinnen schweigend zugeschaut, und selbst jetzt, da er sich eingemischt hatte, schien er die Angelegenheit für seltsam nichtig zu halten. Zeliarina war sich sicher, dass er sie unter dem Schatten seiner Kapuze nicht einmal angeschaute. "Halt, Assessina...", wiederholte der Vermummte noch einmal. Obwohl er seine Stimme nicht erhob, sie sogar kaum mehr als ein Hauch war, hallten die Worte doch in Zeliarinas Ohren nach als hätte er durch den Raum gebrüllt. Mit langsamen Schritten kam er ein Stück näher. Der Saum seiner Kutte glitt dabei lautlos über den Steinboden... "Wer bist du?" Zeliarina wich instinktiv zurück. "Meinen richtigen Namen habe ich längst vergessen... Man nennt mich den Dämonenvater... Ich habe die Geburtsstunde des allerersten Dämons miterlebt..." Als Kevin seine gemurmelten Gebete einstellte und die Augen wieder öffnete, lag er mit dem Rücken auf einem umgekippten Auto und hatte alle Viere von sich gestreckt. Sein ganzer Körper tat weh von den Zusammenstößen in dem wilden Sturm der Druckwelle, doch außer unendlich vielen blauen Flecken und kleineren Schrammen schien der Elementare keine Verletzungen davongetragen zu haben. Ächzend setzte er sich auf. Das Auto unter ihm lag auf einer unbekannten Hauptstraße, ein ganzes Stück weit entfernt von dem Ort, an dem sich vor kurzem noch die Schlacht abgespielt hatte. Andere Autowracks lagen in der Umgebung, ein alter Mazda hatte es sogar geschafft sich in beträchtlicher Höhe bis zur Hälfte in die Seitenwand eines Hauses zu bohren. Weiterhin sah Kevin noch sieben Lancelor und neunzehn Dämonen, die durch die Druckwelle in der gleichen Straße zwischen ausgewurzelten Bäumen, Schildern und herausgerissenen Gebäudestücken gelandet waren. Keiner von ihnen rührte sich. Es grenzte an ein Wunder, dass wenigstens Kevin überlebt hatte. Im Stillen dankte er dem Schicksal, dass ausgerechnet er es war, der von all diesen Leuten noch auf den Beinen stehen konnte. "Und jetzt?", murmelte Kevin leise. Er wartete noch so lange, bis der Schmerz in seinem Körper weit genug verebbte um sich frei bewegen zu können, ehe er von dem Auto sprang und nach der Lichtsäule Ausschau hielt. Sie stieg in einiger Entfernung in den schwarzen Himmel wie eh und je, doch irgendwie wirkte sie breiter. Kevin war sich sicher, dass die gewaltige Druckwelle auch etwas damit zu tun gehabt haben muss. Der Elementare grübelte noch und schritt geistesabwesend über die Straße, als ihm plötzlich einer der reglosen Lancelor schrecklich bekannt vorkam. "Dunkan!" In wenigen Sekunden stand Kevin neben seinem Mentor, der von der Hüfte abwärts mit einem schweren verbeulten Ampelpfahl bedeckt war. Wie die anderen Lancelor rührte er sich nicht. "Dunkan!" Voller Angst packte Kevin den Pfahl, mobilisierte all seine Kräfte im Körper und riss ihn von den Beinen seines Mentors. Zu seiner Erleichterung waren die Oberschenkel, Waden und Füße nicht von dem Gewicht zerschmettert worden. "Dunkan, hörst du mich?" Der Palas reagierte nicht, was zu einem weiteren Panikanfall Kevins führte. Hastig fühlte Kevin nach Dunkans Puls, bekam in der Aufregung nicht die richtige Stelle zu fassen und legte schließlich sein Ohr an den leicht geöffneten Mund des Lancelor. Er atmete schwach. Er lebte noch. Erleichterung schwappte in Kevins Körper über und alle Kraft, die er aus Angst noch aufbringen konnte, entglitt nun seinen Muskeln und ließ ihn schwach und müde zurück. Eigentlich wollte er nur noch schlafen, sich hier neben seinem Mentor ausruhen und warten, bis dieser wieder aufwachen würde. Gleichzeitig wusste er jedoch, dass es noch viel zu früh für Schlaf war. Er beugte sich über Dunkan und schlug ihm ein paar Mal mit der flachen Hand sanft gegen die Backe. Der Palas murrte kraftlos, seine Augenlider zuckten, dann öffnete er die Augen und blickte hoch in das Gesicht seines Schülers. "Was... wo... die Druckwelle... Der Wind...", stammelte er verwirrt. "Alles ist in Ordnung, wir sind am Leben. Wir hatten unendliches Glück", sagte Kevin lächelnd. Dunkan schüttelte schwach den Kopf und kniff die Augen zusammen. "Kein Glück... Das Blut der Macht lässt mich nicht sterben..." "Was?" "Nichts", seufzte Dunkan, ehe er den Oberkörper stöhnend aufrichtete. Seine Rippen schmerzten und er musste die Arme um den Bauch schlingen, doch ansonsten schien auch er unverletzt geblieben zu sein. "Was zum Teufel ist passiert?" "Ich weiß nicht", gab Kevin zu. Sein Blick wanderte erneut zu der Flammensäule, die ihn beunruhigte und nervös machte. "Ich weiß nur, dass Zeliarina diese Rede gehalten hat, dann die Schlacht tobte und plötzlich alle davon geschleudert wurden... Ich kam mir so nichtig vor, schutzlos dem Wind ausgeliefert..." "Zeliarina!", wiederholte Dunkan ängstlich. Sein Gesicht verdüsterte sich, offenbar weil er immer noch wütend darüber war, dass Kevin und Zeliarina auf eigene Faust nach London gereist waren, doch gleichzeitig schlich sich auch offene Sorge in seine Züge. Kevin verstand, was der Palas fürchtete, und schauderte ungewollt, als er die gleiche Befürchtung aufkeimen fühlte. Was wenn Zeliarina durch die Druckwelle getötet wurde? "Wir müssen sie suchen. Vielleicht ist sie auf sich allein gestellt. Beim Kampf habe ich Dymeon nicht an ihrer Seite gesehen...", sagte Dunkan. Kevin nickte zustimmend. "Wir haben uns alle aus den Augen verloren..." Seine Worte waren nicht nur auf die Schlacht bezogen. Der Elementare stand auf, hielt seinem Palas die Hand hin und zog ihn schließlich auf die Beine. Dunkan sog scharf die Luft ein, als sich seine Rippen wieder meldeten, sagte jedoch nichts weiter. Zusammen mit Kevin schritt er durch die leichengesäumten Straßen, ohne wirklich zu wissen, wo sie anfangen sollten zu suchen. Zeliarina fühlte sich wie gelähmt. "Du bist der Vater aller Dämonen?", fragte sie vorsichtig. Irgendwie machte diese Tatsache sie unruhig und die verschleierte Gestalt ihres Gegenübers verstärkte den Effekt nur noch mehr. Beinahe erwartete sie unter der dunklen Kapuze und der weiten Kutte einen besonders schrecklichen Gegner, ein Monster mit übermenschlichen Kräften und übernatürlichen Fähigkeiten, die die aller anderen Dämonen des Däezander, selbst die der Schattenklingen, bei Weitem übertrafen. "Du hast die Dämonen geschaffen?" "Das ist richtig", meinte der Dämonenvater völlig gelassen. Er flüsterte nur, seine Stimme war die eines Greises, doch sie bohrte sich schmerzhaft wie Eissplitter in Zeliarinas Kopf. "Ich war es, der Ariae, den allerersten Dämon erschuf. Ich war es, der den Däezander gründete. Ich war es, der die Jagd nach den Götterschwertern eröffnete..." Zeliarina sah an der Kordel, die seine Kutte zusammenhielt, ein langes Schwert hängen. Es sah aus wie ein schwarzes Kreuz, denn Griff, Parierstange und Klinge waren in der gleichen, undurchdringlich dunklen Farbe gehalten, ohne Kratzer oder Farbabstufungen, einfach nur schwarz wie die Nacht. Azuransas und Thundenstar, Luna und Goth, Excalibur, Urrurdoc und nun auch dieses hier... Eigentlich nur passend, dass der Dämonenvater persönlich eines der Götterschwerter trägt... "Und du bist Zeliarina Heartstrong, Wächterin Thundenstars, nicht wahr? Du hast uns lange auf Trab gehalten..." Der Dämonenvater klang fast gütig, wie ein Vater, der sein ungehorsames Kind lächelnd zurückweißt. Assessina mischte sich ein, die giftgrünen Augen ununterbrochen auf Zeliarina geheftet: "Vater, darf ich sie nicht beiseitigen? Wir haben solange darauf gewartet sie-" "Schweig...Assessina", murmelte der Dämonenvater mit rasselnder Stimme. Assessina klappte den Mund wieder zu. Sie sah aus als hätte man sie schrecklich beleidigt, gehorchte jedoch ohne Widerworte und positionierte sich an ihrer Podestöffnung, nachdem sie ihr schwarzes Haar mit abfälligem Schnauben in den Nacken geworfen hatte. Auch die anderen Dämonen beobachteten ihren Erschaffer schweigend. "Darf ich dir eine Frage stellen?", sprach der Dämonenvater wieder an Zeliarina gewandt, so als hätte die Unterbrechung gar nicht stattgefunden. "Warum bist du hier?" "Um euch aufzuhalten...", knurrte Zeliarina zurück. "Um das Morden zu beenden..." "Das Morden beenden?" Zeliarina hörte deutlich die Belustigung in der Stimme des Dämonenvaters und stellte sich das Grinsen auf dem monströsen Gesicht unter dem Schatten der Kapuze vor. "Du bist gekommen, um das Morden zu beenden?" Ein krankes Röcheln wehte unter der Kapuze hervor. Es dauerte mehrere Sekunden bis Zeliarina verstand, dass der Dämonenvater über sie lachte. "Das ist wirklich edelmütig, zeugt jedoch auch davon, was für ein naives junges Ding du noch bist... Ihr seid die Guten und wir sind die Bösen, nicht? Und du bist die Auserwählte, die unseren Terror beenden wird? Stellst du dir das Ganze so vor?" "JA! Ich habe heute gesehen, wie ihr Unschuldige getötet habt, wie ihr sie abgeschlachtet habt wie Vieh, ohne Gnade, ohne Reue! Ich habe bereits zu viele Freunde durch euch verloren und zuviel Leid gesehen, das von euch verursacht wurde! Ich muss euch aufhalten, deswegen bin ich hier!" "Das stimmt so nicht", erwiderte der Dämonenvater ruhig. Inzwischen behandelte er sie nicht mehr wie ein Kind, das man tadeln musste, sondern wie eines, dem man einen einfachen Sachverhalt erklärte. "Du bist hier, weil ich es so wollte..." Zeliarina erstarrte. Furcht floss plötzlich wie flüssiges Eis durch ihren Körper und machte sie bewegungsunfähig, während in ihrem Kopf die Gedanken wild herumschwirrten. Gerade eben hatte sie noch das Gefühl gehabt alles richtig zu tun, doch ein paar wenige Worte des Dämonenvaters brachten diese Überzeugung wieder zum Schwanken. Es war eigentlich unmöglich, dass der Dämonenvater irgendwie dafür gesorgt hatte, dass Zeliarina jetzt hier in der Ritualhalle stand, doch die Donnerhexe glaubte ihm trotzdem. "Was soll das heißen?", fragte sie zögerlich. "Das heißt, es war unser Plan dich hierher zu locken... Wie ich schon sagte, hast du uns ganz schön auf Trab gehalten. Du bist meinen Kindern immer wieder entkommen, selbst den Schattenklingen, und hattest sogar Assessina getötet und Ereos bezwungen." Im Hintergrund hörte Zeliarina die beiden genannten Dämonen protestierend fauchen, doch der Dämonenvater behandelte sie wie Luft. "Natürlich spielte es dabei auch eine große Rolle, dass du von anderen deines Ordens beschützt wurdest und der Verräter Blutträne stets an deiner Seite stand..." Der Dämonenvater stieß einen kurzen Seufzer aus, der unendlich müde klang und ein gewaltiges Alter verriet, ehe er murmelte: "Ein Jammer... Er sollte eines meiner Kronjuwelen werden, ein viel versprechendes Kind, das mit sehr wertvollem Menschenblut erschaffen worden ist..." Er schüttelte kurz den vermummten Kopf, so dass vereinzelte verfilzte graue Haarsträhnen aus der Kapuze fielen. "Jedenfalls wurde es allmählich lästig dein Schwert zu erbeuten. Thundenstar hatte einen wirksamen Schutz um dich aufgebaut, denn du bist zur Wächterin geworden, ein Status, den niemand von uns Dämonen je erlangt hat. Wir mussten dich töten, um das Schwert zu erhalten, doch wenn du durch uns in Gefahr gerietest, entfachte das Schwert all seine Macht, um zu verhindern dass seine Wächterin stirbt. Wir verloren zu viele Dämonen durch dich und ich fürchtete, nachdem ihr Azuransas kurzzeitig erbeutet hattet, dass unser Plan gefährdet sein könnte..." Der Dämonenvater atmete rasselnd ein, ehe er weiter sprach: "Da wir dich also nicht töten konnten, blieb uns nichts übrig, als deinen Gerechtigkeitssinn auszunutzen, London zu verwüsten und dich bis hierher zu diesem Stein zu locken... Um dich dann dazu zu bringen, Thundenstar freiwillig für die Dunkle Dämmerung herzugeben..." Die Lähmung löste sich von Zeliarinas Körper und kehrte sich schlagartig ins Gegenteil um. Aus Angst und Abscheu zitterte sie am ganzen Leib und sie verlor fast das Gleichgewicht, weil ihre Beine sie nicht mehr tragen wollten. Benommen taumelte sie zurück, stieß mit dem Rücken gegen die glatte schwarze Wand und stützte sich dankbar daran ab. "Das ist verrückt!", schrie sie hysterisch, "Ihr habt all das nur wegen mir getan? Ihr habt die ganze Welt angegriffen und eine Schlacht in London angezettelt, nur um mich hierher zu locken? Dieser Plan hat hunderte Menschenleben gefordert! Das ist absoluter Irrsinn!" "All das wird in ein paar Minuten keine Bedeutung mehr haben... Die ganze Menschheit wird vom Antlitz der Erde verschwunden sein, jeder Gedanke an sie ausgelöscht wie eine ausgeblasene Kerze... Was machen da schon die paar Hundert, die zum Erfüllen des Planes geopfert werden mussten?", fragte der Dämonenvater beängstigend ruhig. Zeliarina zitterte noch heftiger. "Wieso glaubt ihr, dass ich euch helfen werde? Lieber würde ich sterben, als das zu tun!" Bei ihren Worten konnte sie erkennen, wie sich die Schultern des Dämonenvaters kaum merklich unter dem Stoff der Kutte strafften. Es waren schmale Schultern, so gar nicht passend zu dem Monstrum, das sich Zeliarina ausmalte. "Viele mutige Menschen sagen das am Anfang, doch nur die wenigsten bleiben dabei, nachdem sie gefoltert wurden und dem wirklichen Tod ins Auge gesehen haben..." Zeliarinas ohnehin schon blasses Gesicht verlor jede Farbe und sah dadurch aus wie eine Maske aus kalkweißem Stein. Vergeblich versuchte sie ihre zitternden Hände zu beruhigen, so dass sie sie in ihre Hosentaschen steckte musste um sie zu verbergen. Trotzdem konnte sie beinahe spüren, wie der Dämonenvater verborgen über sie lächelte. "Keine Angst, körperlicher Schmerz wird dir erspart bleiben... Ich zweifle nicht daran, dass der erwähnte Schutz Thundenstars auch bei Folter zum Tragen kommt..." Obwohl sie sich nicht daran erinnern konnte die Luft angehalten zu haben, atmete sie nun ungewollt erleichtert aus und drückte sich die zitternde Hand ans Herz. "Was... was willst du dann tun? Wir stehen hier... in dieser... dieser Halle", zischte sie, von Unwissenheit und Angst angestachelt, "und ihr könnt mich nicht töten, mir Thundenstar auch nicht mit Gewalt entwenden. Also wie lautet dein so toller Plan..." "Ich werde dir die Sünden der Menschheit aufzeigen", antwortete der Dämonenvater genüsslich, jedes einzelne, genauestens betonte Wort von seiner mysteriösen Stimme bis in die dunkelste Ecke der Halle getragen. Dann, ohne eine weitere Erklärung abzugeben, zog er sich langsam die schwere Kapuze vom Kopf und gab sich so dem grünen Blick Zeliarinas Preis. Was ist das? Der Satz explodierte wieder und wieder in ihrem Kopf, während sie ihre Augen nicht von dem Etwas lösen konnte, das sich ihr gerade entblößt hatte. Der Dämonenvater besaß ein Gesicht, wie Zeliarina es noch bei keinem Menschen oder Dämon gesehen hatte. Es wirkte so, als hätte man die fahle Haut so straff wie möglich über den Schädel gespannt, ohne dass dazwischen Muskeln oder Fettgewebe Platz gehabt hätten. Die Augen besaßen keine Iris, kein Weiß, keine Pupillen. Es waren lediglich zwei kohlrabenschwarze Perlen in tief liegenden Augenhöhlen. Die wenigen langen grauen Haarsträhnen, die auf dem kahlen Schädel halt gefunden hatten, zeugten von seinem gewaltigen Alter und unterstrichen mit der gebrochenen Stimme, dass vor Zeliarina kein Monster stand, sondern ein Greis. Ein leidender Greis. Das unheimliche Gesicht war von nicht endenden, quälenden Schmerzen so stark verzerrt, dass die Fratze auf die Züge fest gestanzt blieb und keinen Ausdruck des Friedens mehr anzunehmen wusste. Es verstörte Zeliarina zutiefst, vor allem weil sie den offensichtlichen Grund für diese Pein sehen konnte: grün leuchtende, wulstige Adern, die sich in verzweigten Bahnen sichtbar über die Haut des Dämonenvaters zogen und gleichmäßig pulsierten. Eine dieser Adern verlief direkt durch sein rechtes Auge und färbte das Schwarz mit einem grünlichen Schimmer, ein paar andere bildeten ein dichtes Netzwerk auf seiner Fastglatze. Es sah aus, als würde ein unbekannter Pilz auf seinem Körper wuchern. "Das ist nur ein kleiner Teil dessen, was ich dir zeigen will..." Wie abscheulich... Er muss Höllenqualen leiden, trotzdem redet er so ruhig... "Guck genau hin! Schau ihn dir an! Ihr wart es, die ihm das antaten!", schrie Ereos wütend, als er Zeliarinas Gedanken auffing und las. Der Dämonenvater brachte den Dämon mit den Purpuraugen durch eine einfache Handbewegung zum Schweigen. Zeliarina wollte diesem ganzen Horror entfliehen, sie wünschte sich nichts sehnlicher als den Blick angewidert zu Boden zu senken, doch sie konnte nicht wegschauen. "Wir...?", brachte sie schließlich heraus. "Ihr Menschen... ihr Lancelor...", antwortete der Vater in seinem sachlichen Erklärton. Er lächelte dabei, ein schwaches Heben der Mundwinkel seiner schmerzverkrampften Lippen. Zeliarina konnte ihn nur weiter anstarren. Sie fand nicht die Worte um zu beschreiben, was sie empfand. "Es war vor langer Zeit... Doch schon damals habe ich die Gesinnung der Menschen erkannt, den natürlichen Hang zum Lügen und Töten, um sich selber Vorteile zu schaffen..." "Das ist nicht wahr! Bei den Lancelor habe ich nur nette Menschen kennen gelernt, die einfach Frieden haben wollen und deswegen Tag für Tag gegen euch in die Schlacht ziehen! Was weißt du schon von uns! Du kennst uns gar nicht!" Wieder füllte das röchelnde Lachen des Dämonenvaters den Raum. "Du wünschst dir nur, dass es so wäre. Dein Hirn hat wie die der anderen Lancelor bereits einen Schutzschild aus Verweigerung aufgebaut, der nicht zulässt die Wahrheit zu erkennen... Du bist so verblendet, dass du die Motive des Däezander nicht verstehen kannst, dass du sie als falsch abtust ohne sie vielleicht einmal zu überdenken..." Inzwischen schritt der Vater in kleinen Bahnen auf und ab. "Ich kenne euch gar nicht? Wie lächerlich... Ihr seid es, die uns nicht verstehen... Und außerdem", fügte er hinzu und machte dabei eine besonders lange Pause, "war ich selbst einmal ein Mensch..." Zeliarina klappte der Mund auf, doch der Dämonenvater hörte nicht auf zu sprechen, obwohl seine Stimme bereits heiser klang von der ungewohnten Benutzung. "Ich war einst ein Mensch... damals, als ich noch meinen Namen kannte. Ich habe die Dinge erfahren, die euch soviel bedeuten: Familie, Freunde, Liebe... Ich hatte sogar eine Frau. Doch das ist alles schon lange her..." "Wie... ist das möglich? Wenn du den Däezander gegründet hast, musst du unglaublich alt sein..." "Die Zahl der Jahre entgleitet mit der Zeit. Jahrhunderte sind an mir vorbeigezogen, mein genaues Alter wurde unbedeutend. Vielleicht waren es etwa 2000 Jahre..." "Wie kannst du da sagen, dass du ein Mensch bist?", schoss Zeliarina zurück. Ihre Angst wuchs mit jeder Sekunde, die sie sich in Gegenwart des Dämonenvaters befand, doch es wurde ihr unmöglich sich von seiner Präsenz zu befreien. Sein grauenvolles Antlitz faszinierte sie auf eine perverse Art und Weise und seine Worte, so absurd sie auch klingen mochten, kitzelten in ihr die Neugier wach. "Oh, ich war ein Mensch. Die Betonung liegt dabei auf dem ,war'. Wie gesagt lebte ich nicht anders als die gewöhnliche Erdbevölkerung, doch im Gegensatz zu ihr gab ich mich nicht damit ab sterblich zu sein. Ich... experimentierte..." Ein röchelndes Lachen stieg in seiner Kehle auf und schüttelte die mageren, gebeugten Schultern. "Ich beging Frevel, die die Gesellschaft nicht duldete: Mord, Studierung des menschlichen Körpers, Beschäftigung mit Dunklen Kräften... Man verbannte mich dafür und mauerte mich lebendig ein, tief unter der Erde in lichtlosen Höhlen, die später die Dämonenzuflucht werden sollten... Doch dort starb ich nicht so wie man es mir bestimmt hatte. Die Ironie des Schicksals spielte mit mir und schenkte mir durch das Aramea, das in den Höhlen wucherte, unendliches Leben. Über Jahrzehnte hinweg übte es seinen Einfluss auf mich aus. Es riss den Tod von mir und nistete sich in meinem Körper ein, wo es zum Ausgleich für das ewige Leben ebenso ewige Schmerzen anrichtete." Der Dämonenvater deutete mit zuckendem Finger auf die pulsierenden grünen Adern nahe seiner Schläfe. "Das Aramea veränderte mich. Ich konnte die Geschicke der Welt sehen, obwohl ich in den Höhlen gefangen und verdammt war. Unter Qualen sah ich Schlachten und Kriege mit an und fühlte mit den Todesschmerzen der Soldaten mit, als wären es meine eigenen. Lange habe ich den Menschen zugesehen, habe ihre Leben als Außenstehender beobachtet. Ich verstehe ihr Dasein besser als jedes andere Lebewesen auf diesem Planeten. Ich mag jetzt verkrüppelt sein, doch gleichsam auch revolutioniert. Ich bin kein Mensch mehr, aber auch kein Dämon... Ich bin einzigartig..." Die letzten drei Worte zischten ihm über die Lippen und ließen Zeliarina zusammenzucken. Sie wagte es nicht sich vorzustellen, wie es sein musste eine Existenz in Einsamkeit und nicht aufhörendem Schmerz führen zu müssen. "Ich weiß, wovon ich spreche, wenn ich die Menschen als schlecht bezeichne, denn sie haben mir das angetan. Es waren Vorfahren der ersten Lancelor, die Ahnen deiner Ordensgründer, wenn du es genau wissen willst..." Inzwischen hörte sich die Stimme des Dämonenvaters an wie zerbröselndes Laub. Jeder seiner Atemzüge klang so gezwungen, als würde er mit einem engen Strick um den Hals atmen. "Ich wollte Unsterblichkeit und die haben sie mir gegeben... Mehrmals versuchte ich mir das Leben zu nehmen, doch das Aramea regenerierte meinen zerstörten Körper wieder und wieder... Ich kann nicht sterben und leide... WEGEN... DEN MENSCHEN!" Die letzten Worte presste er aus seiner Lunge, ehe er von einem Hustenkrampf erfasst wurde, der seinen ganzen Körper schüttelte und das schwarze Schwert an seiner Hüfte mehrmals gegen seine Beine schlug. Zeliarina sah aus den Augenwinkeln, wie sich mehrere der Schattenklingen kurz bewegten, so als wollten sie ihrem Anführer helfen, doch der Dämonenvater machte bereits wieder eine abwehrende Handgeste. Er wirkte ein wenig wie ein alter Mann, der zu stolz war sich von den Jungen unterstützen zu lassen. "Und deswegen das alles?", flüsterte Zeliarina fassungslos zu sich selbst. "Das soll das große Geheimnis sein, der Grund für diesen Krieg? Wegen deiner Vergangenheit und deinen Rachegelüsten müssen Menschen leiden!" Inzwischen schrie die Donnerhexe wieder, denn es wollte ihr nicht in den Sinn, dass ein einziger wahnsinniger Mann schuld an allem sein sollte, was sie in den letzten zwei Jahren durchleiden musste. Freunde waren gestorben. Sie hatte Kämpfe und Verletzungen durchstehen müssen und zu jeder Zeit mit ihrem schweren Schicksal ringen, nur um jetzt zu erkennen, dass hinter den Dämonen ein verrückter Alter die Fäden zog. Sie hatte auf den großen Knall gewartet, die erschreckende Enthüllung, doch diese gab es gar nicht. Einmal hat Dymeon gesagt, Dämonen wären nicht böse, nur anders... Es hat mir am Anfang zugesetzt, dass ich vielleicht gegen Wesen kämpfe, die in ihren Augen die Guten sind. Doch ihre Brutalität hat diesen Gedanken über die Monate hinweg verblassen lassen, so dass er nur noch hin und wieder aufgetaucht ist wenn ich nachts schlaflos im Bett lag... "Du ziehst die ganze Welt in einen grenzenlosen Krieg, nur weil du damals zu Recht verbannt wurdest und eine Laune der Natur dir deine jetzige Existenz verlieh?" Im Hintergrund knurrten Ereos und die anderen Dämonen zornig, doch Zeliarinas Hirn war völlig von den Erzählungen des Dämonenvaters eingenommen und fühlte sich dumpf an, als hätte man Eiswürfel in ihren Kopf geschüttet, um ihn mit der Kälte zu betäuben. Schließlich erholte sich der Dämonenvater von seinem Hustenanfall und brachte seinen dürren Körper in eine aufrechte Position. Sein verzehrtes Gesicht wurde von einem weiten Grinsen verunstaltet, das seine Züge noch unmenschlicher aussehen ließ. "Ich bin nicht fertig...", wisperte er. "Kennst du die Geschichte von Ariae, dem ersten Dämon?" Als Zeliarina unsicher den Kopf schüttelte, schloss der Dämonenvater seine schwarzen Augen und nickte sich selber zu, offensichtlich weil sich sein Verdacht bestätigt hatte. "Das habe ich auch nicht erwartet. Es ist keine Geschichte um den Kampfgeist der Lancelor zu stärken... Ariae, der erste Dämon... Ich erschuf ihn nach unzähligen Versuchen aus meinem verseuchten Arameablut... Er war noch lange nicht so perfekt wie meine heutigen Schöpfungen, doch zumindest lebendig..." Er schwieg einen Augenblick, sichtlich in Gedanken versunken. "Ursprünglich erschuf ich ihn in der Absicht mir in meiner Einsamkeit etwas Gesellschaft zu leisten... Doch Ariae sehnte sich nach dem Licht und nach der Welt, die außerhalb der Höhlen wartete... ich hatte mit dieser Welt, die mich verstieß, abgeschlossen und begnügte mich damit sie zu beobachten... Damals war Ariae wahrscheinlich mehr Mensch als ich..." Er lachte kurz, ein schauriges Geräusch in der Ritualhalle, die totenstill geworden war. Die Dämonen hielten den Atem an bei der Geschichte des Ersten ihrer Art. Die Ehrfürchtigkeit färbte ungewollt auch auf Zeliarina ab. "Ich gestattete Ariae die Höhlen zu verlassen und er nahm das Angebot dankend an. Mehrere Jahre beobachtete ich seine Schritte unter den Menschen. Zunächst war er nur ein Fremder, doch seine Neugier und sein Wunsch nach anderen Lebewesen integrierten ihn schnell unter der Menschheit. Er heiratete eine Schönheit, hatte sogar Kinder..." An dieser Stelle machte der Dämonenvater eine lange Pause, um die Worte wirken zu lassen. Als er wieder sprach, klang seine Stimme auf eine andere Weise erstickt als zuvor. Erstickt von Trauer. "Ich gönnte ihm dieses Leben... Ich hatte mit meinem Wunsch nach Unsterblichkeit ein solches Leben weggeschmissen und musste dafür büßen, doch Ariae schien mehr Glück zu haben als ich... Zumindest bis zu dem Tag, an dem sein Haus durch einen Unfall in Flammen aufging. Ohne nachzudenken sprang er sofort in das Feuer und rettete seine Frau und seine Kinder, entblößte dabei jedoch seine dämonischen Kräfte. Um einen seiner Söhne zu bergen, warf er unter den Augen der Dorfbewohner einen Holzklotz davon, der doppelt so schwer war wie eine Kuh... Außerdem zerstörte das Feuer seinen Körper, schälte die Haut von seinen Knochen, ohne dass er starb. Das Aramea in ihm ließ die Wunden rasend schnell heilen..." Zeliarina wusste irgendwie, was nun kommen würde. "Die Menschen beschuldigten ihn der Hexerei. Obwohl er jahrelang mit ihnen gelebt hatte, reichten seine unmenschlichen Fähigkeiten, um ihn zu verurteilen. Er wurde verbrannt und in Stücke gehackt und seine Überreste wurden in alle Winde zerstreut. Ariae, der erste Dämon, starb, weil er für die Liebe zu seiner Familie sein Leben riskierte... Man tötete ihn, nur weil er anders war... Und ich weinte in den Höhlen um mein Kind, das man mir genommen hatte, denn nichts anderes stellte er für mich dar..." Kein Muskel regte sich in dem monströsen Gesicht des Dämonenvaters, doch eine einzelne Träne lief aus der grünschwarzen Perle, die sein Auge darstellte. Zeliarina spürte Mitleid in sich aufsteigen, auch dann noch als sie versuchte es mit aller Macht zurückzudrängen. "Von da an wusste ich, dass die Menschheit böse, intolerant, grausam und einfältig ist. Sie verpestet unsere Erde und zwingt selbst die Natur unter ihre Fittiche. Menschen führen sich auf wie die Herrscher dieses Planeten... Ich erschuf nach Ariae noch weitere Dämonen, um die Menschheit zu testen, doch im Endeffekt wusste ich bereits vorher, was geschehen würde... Sie alle wurden früher oder später abgestoßen. Man verbrannte sie als Hexen, kreuzigte sie als Ketzer, hängte sie als Bestien... Besonders zu Zeiten von König Artus und dem ach so edlen Lancelot erfreuten sich diese Morde größter Beliebtheit..." "Hör auf!", erwiderte Zeliarina plötzlich. Sie presste die Kiefer hart aufeinander, um ihr Bewusstsein, das in dem Gewirr aus widersprüchlichen Gefühlen zu versinken drohte, unter Kontrolle zu halten. "Erkennst du langsam, was ich dir zeigen will?", fragte der Dämonenvater ehrlich hoffend. Zeliarina erwiderte seinen Blick mit aller Kraft, starrte stur in die emotionslosen schwarzen Steine von Augen und stellte sich vor, wie sie vor 2000 Jahren ausgesehen haben mussten. "Es liegt nicht an dir, zu urteilen", sagte die Donnerhexe, ohne auf ihren Gegenüber einzugehen. "Was?" "Es liegt nicht an dir...", wiederholte sie energisch, "Du meinst, du kennst die Menschen und du hättest ein Recht sie zu verurteilen... Du erschaffst Leben wie es dir passt und benutzt es, um eine andere Spezies zu testen! Du zettelst Kriege an, die diese Leben wieder fordern! Und jetzt nimmst du dir es heraus zu entscheiden, ob wir weiterleben dürfen oder nicht!" "Du hast nicht gesehen, was ich gesehen habe..." "Es ist mir egal, was du gesehen hast! Es gibt so unzählige Dinge, die du übersehen hast bei deinen Studien! Die einfachen Freuden, die zwei Menschen teilen können! Hilfsbereitschaft, Gütigkeit, Freundschaft, Aufopferung, Liebe! Wieso hat Ariae alles für Menschen riskiert, wenn sie so wertlos sind? Du selbst warst ein Mensch und du hast geliebt. Du kannst nicht abstreiten, dass es auch Gutes unter den Menschen gibt!" "Das bisschen Gute ist belanglos und geht in der dunklen Seele der Menschheit unter... Ich werde die Welt von dieser Krankheit heilen und meine Dämonen auf ihr ansiedeln, denn es gab noch keinen Dämon, der einen anderen Dämon ausgeraubt oder getötet hat... Sieh ein, dass die Dämonen die Guten in dieser Geschichte sind..." Zeliarina standen jetzt Tränen in den Augen, als sie daran dachte, dass für diesen Mann und seine verzerrten Ideale Lancelor wie Melissa oder Storm gestorben waren. "Du spielst mit den Leben, als hätten sie keine Bedeutung! WOFÜR HÄLTST DU DICH? DENKST DU, DU WÄRST GOTT?" "Nein", lautete die Antwort des Dämonenvaters, "denn im Gegensatz zu Gott weiß ich, dass sich die Menschheit nie bessern wird und keine Gnade verdient hat..." Zeliarina richtete Thundenstar herausfordernd auf seine Brust und strahlte ihm mit der Taschenlampe in die Augen. Der Anführer des Däezander blinzelte nicht einmal, sondern griff seinerseits nach dem dunklen Götterschwert, das in dem Seil seiner Kutte steckte. Formlose Schatten waberten in einem dichten Nebel um die Nachtstahlklingen. "Ich hatte gehofft, dir das Folgende ersparen zu können, denn ich weiß nicht wie dein Körper es vertragen wird... Dennoch bleibt mir wohl nichts anderes übrig..." Zeliarina hob ihr Schwert, bereit sich dem Dämonenvater zu stellen, bereit allen Schattenklingen des Däezander gleichzeitig entgegenzutreten. "Törichtes Gör...", zischte der Dämonenvater zum ersten Mal in heftigem Tonfall. "Ich gebe dir keinen offenen Kampf. Ich zeige dir mit meinem Schwert Schwarz alles, was ich in zweitausend Jahren gesehen habe... Wir werden sehen, ob du danach immer noch deine nichtigen Überzeugungen verteidigst..." Noch einmal füllte das röchelnde Lachen die Halle. "Ich zeige dir... ,DIE VISION DER SÜNDEN'!!!" Ich weiß nicht was der Dämonenvater getan hatte... Doch plötzlich fiel ich durch Dunkelheit, Kälte, Blut und Elend in das schlimmste Erlebnis, das ich jemals hatte durchstehen müssen... ---------------------------------------------- Nächstes Kapitel: Eine Vision, die Zeliarinas Seele zerschmettert... Der Beginn vom Ende der Welt... Ein Dämon, der verzweifelt versucht beides aufzuhalten... Und die wahre Bedeutung seines Namens... 'Dämon mit den Bluttränen' Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)