Bittersweet Feelings von CatherineMiller ================================================================================ Morgendliches Chaos ------------------- Autor: CatherineMiller Titel: Bittersweet Feelings Fandom: Weiß Kreuz Kapitel: Morgendliches Durcheinander Teil: 10/? Pairings: RanxNagi; BradxKen; SchuldigxYohjixSchuldig; FarfxOmi Warnungen: keine Danksagung: Vielen Dank an mein Betas emilyheart (kei83) und Corrychan, die sich fleißig durch meine tausend Tippfehler mühen! Sonstiges: Sooo der erste schritt in die Zukunft ist getan ^^ Kommentare: @yinni: *grinsel* Dankesehr ich werde mich bemühen ^^ @Kayla: Eine meiner treuesten Leserinnen und Kommischreiberinnen ^^ *nochmal wirklich bedank* Und dann werde ich auch noch mit Sorion-sama verglichen *vergötter* Colours ist WIRKLICH toll *nur zustimmen kann* Und ich fühle mich wirklich geehrt! *nick nick* Viel Spaß noch beim weiteren Lesen Mitten in der Nacht klappte eine Tür. Das Geräusch hallte leise in dem hohen Flur wieder. Kleine, nackte Füße tapsten über den dicken Teppich, verursachten so gut wie kein Geräusch. Nur das protestierende Knarren einiger alter Bodendielen zeigte an, dass gerade jemand unterwegs war. Wieder wurde eine Türe geöffnet, leise wieder geschlossen. Er blickte zu dem großen Bett, dessen Umrisse man in der Dunkelheit kaum ausmachen konnte, doch seine Beine trugen ihn mit schlafwandlerischer Sicherheit hinüber. Fast hätte er gezögert, doch dann wurde die Bettdecke wortlos angehoben, so dass er darunter schlüpfen konnte. Schnell krabbelte er auf die Matratze, rutschte eng an den warmen Körper heran und vergrub sein Gesicht im Stoff des Shirts, das die kräftige Brust bedeckte. Tief atmete er den vertrauten Geruch ein, spürte, wie sich starke Arme um ihn schlossen, ihn festhielten, ihm ein Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit gaben. Er wusste zwar genau, dass er am Morgen wieder allein sein würde, aber jetzt war er da, passte auch ihn auf und würde nicht zulassen, dass die Alpträume wiederkamen. Trotzdem dauerte es, ganz anders als sonst, wesentlich länger, bis er endlich wieder einschlief und er spürte deutlich, dass er nicht alleine war mit seinen überspannten Nerven. Er schloss die Augen und irgendwann bequemte sich die Müdigkeit wieder, ihn zu übermannen. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Omi schlug die Augen auf. Wie immer tat er sich schwer damit, aufzuwachen oder seinen Körper überhaupt dazu zu bringen, auf die Helligkeit im Zimmer zu reagieren. Wieso war es hier so hell? Er machte doch abends immer seine Rollläden zu, damit ihn erstens das Licht morgens nicht störte und er zweitens nachts keine Panik bekam, wenn er aufwachte und in die Dunkelheit hinaussehen konnte. Sein Gehirn brauchte etwas, bis es sich dem Zustand seines Körpers anpasste und ebenfalls aufwachte. Er erinnerte sich, warum er nicht in seinem eigenen Zimmer war, warum er in einem fremden Bett lag und warum ihm von der Wand gegenüber eine Fußballmannschaft anstarrte, anstatt dass ihm seine Lieblingsfiguren aus Final Fantasy entgegensahen. Er hatte schlecht geträumt und sich danach nicht getraut, wieder einzuschlafen. Also hatte er sich aufgerafft, war über den ausnahmsweise aufgeräumten Flur gewandert und zu Ken ins Bett gekrabbelt. Hatte er schon längere Zeit nicht mehr gemacht und er konnte sich nicht einmal erinnern, was er denn so Furchtbares geträumt hatte. Und wie immer war er am Morgen allein aufgewacht. Ken war immer schon früher weg, er stellte auch niemals Fragen, sondern ließ Omi einfach immer wieder in sein Bett, etwas, was ihm der Jüngere hoch anrechnete. Er konnte meist nicht einmal mehr sagen, was ihm nachts solche Angst gemacht hatte und er war immer mehr als froh, dass sein Freund darüber nie ein Wort verlor, sondern ihn morgens ganz normal wie immer weckte. Langsam streckte er sich und warf einen Blick auf die Uhr. Halb sieben, sehr früh für seine Verhältnisse, normalerweise musste man ihn erst in einer halben Stunde fast gewaltsam aus dem Schlaf reißen. Also nutzte er die Zeit, um noch ein bisschen nachzudenken, bevor Ken hereinkam und der Alltag endgültig begann, er aufstehen und in die Schule gehen musste. Aya musste gestern Abend erst sehr spät heimgekommen sein, er hatte ihn jedenfalls nicht mehr gesehen und so aufgeräumt, wie der Flur heute Nacht gewesen war, musste er nach allen anderen in sein Zimmer gegangen sein, denn besonders Ken hatte die Angewohnheit, seine Sachen überall liegen zu lassen und er selbst war prädestiniert dafür, darüber zu fallen. Er rollte sich noch einmal unter der warmen Decke zusammen, versuchte sich so klein wie möglich zu machen, vielleicht würde ihn sein Kollege dann ja übersehen. Ob sein Leader ihn heute Morgen wieder in die Schule fahren würde? Wahrscheinlich, da er ja so gut wie jeden Tag den Bus verpasste. Ein bisschen peinlich war es ihm ja schon, jedes Mal die Dienst des Rothaarigen in Anspruch nehmen zu müssen, aber auf der anderen Seite schaffte er es eigentlich nie, pünktlich das Haus zu verlassen, von wenigen Ausnahmen einmal abgesehen, egal wie früh Ken oder Aya ihn weckten. Seufzend setzte er sich schließlich um zehn vor sieben auf und schwang die Beine aus dem Bett. Brachte ja doch nichts, hier weiter herumzuliegen und außerdem hatte er ja heute einen Anreiz, in die Schule zu gehen. Sonst war das für ihn immer tödlich langweilig. Um nicht ganz so sehr aufzufallen, musste er sich meistens bedeckt halten, auch mal mit Absicht eine schlecht Note schreiben. Allerdings machte er das nur, wenn es dem Gesamtergebnis nicht mehr schadete, er wollte ja schließlich einen guten Abschluss schreiben und da zählten die Noten jetzt auch schon. Probleme hatte er eigentlich keine, seine Lehrer waren nett, wenn auch manchmal etwas langweilig, seine Klassenkameraden zwar oberflächlich, aber im Großen und Ganzen in Ordnung und der Schulstoff bestenfalls ermüdend, aber keinesfalls schwierig. Es war wirklich selten, dass er für die Hausaufgaben länger brauchte, weil sie zu schwer waren, eigentlich nur, wenn die Lehrer ihnen umfangreiche Aufgaben erteilten oder er währenddessen immer wieder von etwas abgelenkt wurde. Aber heute war etwas Besonderes, heute würde ein neuer Schüler in ihre Klasse kommen. An sich war das nicht so unglaublich ungewöhnlich, oftmals wurden ihnen Neue zugeteilt, wenn man glaubte, dass diese höherbegabt als normale Jugendliche waren, aber die wenigsten von ihnen schafften das gesteigerte Niveau ihres Unterrichts und gingen lieber wieder zurück in ihre eigenen Klassen oder gar Stufen. Alles, was er über den Neuen wusste, war, dass er wohl extrem gut sein musste, zumindest in den relevanten Fächern und dass er zwei Jahre jünger war als sie. Das war nun wirklich etwas Außergewöhnliches, denn bis jetzt war er selbst mit siebzehn das jüngste Mitglied des Klassenverbandes gewesen. Sollte der wirklich erst fünfzehn sein, so würde er nächstes Jahr mit sechzehn schon seinen Schulabschluss machen und das dürfte neuer Rekord an ihrer Schule sein. Wenn er den dann noch tatsächlich in ihrer Klasse schaffte, standen ihm wohl Tür und Tor für alle Wege in seinem Leben offen, jede Universität würde ihn mit Handkuss und Stipendium nehmen. Omi hoffte nur, dass das nicht noch so eine kleine, klugscheißerische Brillenschlage war, aus denen die Hälfte der Gruppe bestand und die nur ihre Bücher und sonst nichts kannten. Die meisten wussten noch nicht mal, wo man einen Computer anschaltete. Und der Großteil des Rests waren entweder Prolos, die dauernd ihre Klappe zu weit aufrissen, obwohl nichts dahinter steckte, und die nur dank Papis Finanzspritze überhaupt noch an der Schule waren. Nur eine handvoll Leute waren einfach nur normal, mit denen konnte man auch mal nachmittags durch die Stadt ziehen oder Eis essen. Richtige Freunde hatte Omi in der Klasse ja nicht, aber das lag eher daran, dass er zwar immer nett und freundlich zu allen war, sie aber sonst auf Distanz hielt. Er durfte sich einfach nicht näher mit jemandem anfreunden, zu groß wäre das Risiko, denjenigen in Gefahr zu bringen. Und mit den Mädchen war das so eine Sache... sie waren ja ganz nett, aber furchtbar aufdringlich, nicht nur im Laden, sondern auch in der Schule, vor allem in den Pausen. Er wusste gar nicht, was so toll an seiner Person war, dass man sich immer um ihn scharen und ihn anfassen musste. Er war klein für sein Alter, zierlich und hatte seiner Meinung nach eher einen weiblichen als einen männlichen Touch, keine tiefe Stimme, keine sonstigen Besonderheiten. Aber wenn er noch einmal das Wort 'süß' im Zusammenhang mit seinem eigenen Namen hörte, dann musste er sich wohl zusammenreißen, um nicht unhöflich zu werden. Er war weder süß, noch niedlich oder putzig! Es reichte ja schon, wenn Yohji ihn immer mit diesem spöttisch-gehässigen Unterton 'Sexy' nannte. Als ob das passen würde! Er kannte den Playboy nun schon so lange und trotzdem störte ihn der dämliche Spitzname immer noch, genauso wie alle anderen, die er in den Jahren verpasst bekommen hatte. Man musste doch nicht immer darauf herumreiten, dass er der Kleinste ihres Teams war, schließlich erledigte er die ganze Vorarbeit ihrer Aufträge, schlug sich regelmäßig die Nächte um die Ohren, nur um dann am nächsten Morgen in der Schule dauernd gefragt zu werden, ob es ihm auch gut ginge. Mit einem leisen Grummeln machte sich sein Magen bemerkbar, dass er sich gefälligst im Bad beeilen sollte, um ihn zu füllen. Also schlurfte der blonde Junge gemächlich über den Flur in sein Zimmer und dann, mit frischen Sachen auf dem Arm, in Richtung des gekachelten Raums, aus dem er auch erstaunlich schnell wieder gewaschen und angezogen herauskam. Unten in der Küche wurde er überrascht von drei Augenpaaren gemustert, wobei er genauso erstaunt zurückblickte. Was machte Yohji denn hier? der hatte doch gar keine Frühschicht! War der Ältere krank, dass er trotzdem freiwillig aufstand? Und er musste schon eine ganze Weile wach sein, denn er war bereits geduscht, angezogen und frisiert. Der Playboy fing sich als erster wieder. "Morgen, Sexy, was treibt dich denn schon herunter?" Omi warf ihm nur einen giftigen Blick zu und entschied, dass er aufgrund des ungeliebten Kosenamens heute nicht antworten würde. Er setzte sich an den Tisch, wo bereits seine Reispops, sowie ein Becher Kaba standen und nur darauf warteten, in seinen Magen zu wandern. Aya hatte nur einen Moment von dem Brot aufgesehen, dass er gerade schmierte, und sich gleich wieder seiner Arbeit zugewendet. Trotzdem entging Omi nicht, dass sein Anführer heute noch blasser war als sonst. Und wenn er sich nicht ganz täuschte, waren da sogar Augenringe zu erkennen. Doch er hütete sich, danach zu fragen, sonst musste er am Ende noch mit dem Bus fahren, oder gar laufen. Ken enthielt sich dem 'Gespräch' und kaute nur weiter auf seinem Toast herum. Er trug noch immer sein Schlafshirt und Boxershorts, weil er Omi nicht durch Suchen im Kleiderschrank hatte wecken wollen, als er heute Morgen aufgestanden war. Der Kleine hatte so friedlich geschlafen, dass er entschieden hatte, ihm noch etwas Ruhe zu gönnen, nachdem er sich die halbe Nacht an ihn geklammert hatte. Er fragte nie, warum Omi zu ihm kam, konnte sich schon vorstellen, dass diesen die Albträume genauso sehr plagten wie ihn selbst, wenn auch häufiger. Und wie immer war er gegen sechs aus dem Bett verschwunden, damit es dem Chibi morgens nicht am Ende noch peinlich war, dass er wie ein Kind, das Angst vor der Dunkelheit hatte, zu ihm gekommen war. Ihm machte das nichts aus, wenn der Kleine da war, schlief er ruhig und sein Bett war breit genug, dass sie keinen Platzmangel hatten. Omi gähnte verhalten hinter seinem Löffel hervor. So ganz wach war er immer noch nicht. Wie er doch dieses frühe Aufstehen hasste! Lieber arbeitete er nachts lang, als morgens schon so früh wieder auf der Matte stehen zu müssen. Aber das sahen die Schulbehörden leider anders und um der lieben Tarnung willen ging er eben jeden Tag hin. Naja so gut wie jeden. Wenn er ganz ehrlich war, machte er das nicht nur für Weiß, sondern weil es eben sein Stückchen Normalität war. Ken ging zum Fußball, Yohji zog abends durch die Kneipen und er ging eben wie jeder halbwegs intelligente Junge seines Alters, in die Schule. Was Aya machte, wusste er nicht. Vielleicht ging er ja zu seiner Schwester... Er hatte den Rothaarigen nie darauf angesprochen, warum er immer so eisig war, er wusste es auch so aus den Kritikerakten. Wozu war man schließlich der Hacker des Teams? Außerdem würde er die Informationen nie ausnutzen, er mochte seinen Anführer. Er glaubte nicht, dass dieser etwas von seinem Wissen ahnte und das war ihm auch ganz recht, ihr Verhältnis war durch seine unsägliche Verwandtschaft schon angeknackst genug. Der Andere hatte zwar gesagt, dass er ihm nichts nachtrug und niemand etwas für seine Abstammung konnte, aber die Sache nagte mehr an Omi, als er eigentlich zugeben wollte. Er WOLLTE kein Takatori sein, er wollte einfach nur Omi Tsukiyono sein, wie die ganzen letzten Jahre, aber dieses Privileg war ihm leider verwehrt worden. Stattdessen durfte er sich der Sohn eines der größten Gangsterbosse in Japan nennen. Super. TOLL. Welcher jugendliche Killer wünschte es sich nicht, gegen seinen eigenen Vater operieren zu dürfen. Es war ja nicht so, dass es ihm etwas ausmachte, gegen Verbrecher zu kämpfen, aber wenn es der eigene Vater war, dass bekam die Sache einen noch bittereren Beigeschmack als ohnehin schon. Sicher, sein Hass auf den Mann, der sein Erzeuger war, saß tief, tiefer als alles andere und jetzt, wo er sich wirklich daran erinnerte, was geschehen war, noch mehr. Und trotzdem blieb ein Rest zurück, ein Rest von... Zweifel? Nein, eher Verzweiflung. Schnell schob er die Gedanken beiseite und wandte sich wieder der Gegenwart zu. Die besorgten Blicke von Ken und Yohji zeigten ihm schon, dass er wohl wieder etwas apathisch vor sich hingestarrt hatte. Morgens saß seine Maske eben noch nicht so perfekt, wie en Rest des Tages über. Er war einfach zu müde, um sich immer und grundsätzlich zusammenzureißen. Vielleicht sollte er sich mal angewöhnen, abends früher ins Bett zu gehen? Würde eventuell was helfen, zumal sie im Moment keinen Auftrag hatten. Er gähnte noch einmal, diesmal aber mehr als Alibi, weil er so tief in Gedanken gewesen war und seine Kollegen schienen es zu akzeptieren. Er drehte sich um, wollte Aya gerade eine Frage stellen, als er bemerkte, dass der Rothaarige nicht mehr da war. Wann war der denn verschwunden? War er wirklich so weit weg gewesen? Schien fast so. Sicher, sein Leader bewegte sich immer so leise wie eine Katze, so dass er einen schon mal überraschen konnte, aber unsichtbar machen, oder in Luft auflösen konnte er sich deswegen noch lange nicht. Er blinzelte leicht, zuckte dann die Schultern und übersah das Grinsen, das sich Ken und Yohji zuwarfen. Gemeinheit, nur weil er ein wenig abwesend gewesen war! Schnell löffelte er die restlichen Reispops in sich hinein, damit Aya nicht meckerte, weil er wieder was von seinem Frühstück übrig ließ. Ein Blick auf seine Brotdose sagte ihm, dass diese wie immer gefüllt war. Schon ein bisschen peinlich, dass er morgens nichts, aber auch gar nichts auf die Reihe brachte! Selbst sein Pausenbrot musste ihm noch geschmiert werden. Er wurde etwas rot um die Nase, als der kaffeetrinkende Playboy einen entsprechenden Kommentar abgab und nuschelte verlegen etwas Unverständliches in seinen noch nicht vorhandenen Bart, packte dann schnell die Dose in seine Schultasche. Doch Yohji war nicht umsonst so früh aufgestanden und bereits hellwach. Außerdem hatte er gerade Langeweile, weil Ken nicht gewillt schien, sich mit ihm zu unterhalten. Also stichelte er eben ein bisschen an Omi herum. War ja keiner da, der ihn daran hinderte und um diese Uhrzeit war das Chibi das perfekte Opfer, weil es sich kaum wehren konnte. "Lass den Kleinen in Frieden, Kudou!" Oho, was war denn das? Drei Augenpaare schwenkten zur Tür, wo Aya mit verschränkten Armen am Rahmen lehnte und den Team-Ältesten mit finsterem Blick fixiert hatte. Yohji duckte sich ein wenig und hob abwehrend die Arme. "Schon gut, schon gut!" Er grinste leicht und schüttelte innerlich den Kopf. Was war denn in den gefahren? Heute Morgen bewegte er sich nicht nur wie der Tod, er sah auch so aus. Leichenblass, schwache, aber erkennbare Ringe unter den Augen, ein müder Zug um den Mund, der nicht ganz so ausdruckslos war, wie sonst. Und er hatte mehr als 'hn' gesagt und das vor Öffnung des Ladens! Dem Playboy kam ein Gedanke. Er stand auf, nahm sich einen Rotstift und trat an ihren Kalender, in dem alle wichtigen Termine festgehalten wurden. Er setzte an und kritzelte etwas auf den heutigen Tag. Omi und Ken warfen sich fragende Blicke zu, und sogar Ayas Augen folgten dem Älteren. Was wurde denn das, sonst machte der doch immer einen weiten Bogen um den Kalender, könnte ja was drin stehen, was Arbeit für ihn bedeutete. Yohji hatte sich derweil wieder aufgerichtet und betrachtete stolz sein Werk. Zufrieden nickend setzte er sich wieder und schnappte sich seine Kaffeetasse, trank zufrieden einen weiteren Schluck und lehnte sich dann bequem zurück. Seine Kollegen waren näher getreten, um die krakeligen Schriftzeichen entziffern zu können, die er auf das Papier gekritzelt hatte. Nur Aya blieb wie immer, wo er war, tat, als würde ihn das alles nicht angehen. Vom Kalender war urplötzlich Kichern zu hören, wenn auch nur unterdrückt und Ken machte, dass er aus der Küche und in sein Zimmer zum Anziehen kam, bevor er noch laut herausplatzte und damit Ärger provozierte. Auch Omi wandte sich nach einem Moment ab, die Hand immer noch vor den Mund gepresst und trank rasch den Rest seinen Kabas aus, an dem er sich prompt verschluckte. Hilfreich klopfte ihm Yohji auf den Rücken, schließlich wurde der kleine Hacker noch etwas länger gebraucht und es wäre wohl eine Schande, wenn er alle Aufträge überlebte, nur um dann beim Frühstück an einem Schluck Kaba zu ersticken. Nun doch etwas neugierig geworden, löste sich der Weiß-Leader von seinen Standplatz, trat aber nicht an den Kalender, sonder tat, als würde er den Tisch abräumen und das Geschirr abzuwaschen. Wie praktisch, dass die Spüle genau neben der Wand mit dem Monatsplaner war. Er stellte sich so, dass seine Kollegen sein Gesicht nicht sehen konnten und schielt zum Kästchen für den heutigen Tag, in dem Yohji mit dem Rotstift herumgemalt hatte. Er brauchte einen Moment, bis er den Sinn des Geschriebenen erfasst hatte und seine Augen weiteten sich. Dann blickte er schnell wieder auf das Geschirr und senkte den Kopf so weit, dass sein Grinsen auf jeden Fall verborgen wurde, so klein es auch sein mochte. Das war doch wieder typisch Playboy! Das stand: 'AYA HAT BEIM FRÜHSTÜCK MEHR ALS HN GESAGT', markiert mit drei fetten Kreuzen in x-Form. So was konnte auch nur diesem Spinner einfallen! War heute eigentlich irgendein besonderer Tag, dass die sich so seltsam benahmen? Yohji und Omi standen pünktlich auf, Ken redete kaum, er selbst HATTE geredet und zudem noch ein bisschen gegrinst und dann auch noch diese Aktion. Innerlich konnte er nur den Kopf schütteln. Verrückt, anders konnte er es nicht beschreiben. Na dann konnte er sich ja auf einen Tag gefasst machen! Und dass, wo er die Nacht über kaum geschlafen hatte. Er war gestern noch lange durch den Park gewandert und hatte nachgedacht, ohne wirklich zu einem Ergebnis zu kommen. Als er schließlich doch nach Hause gekommen war, hatte nur noch in Yohjis Zimmer Licht gebrannt. Er hatte sich gewundert, den Playboy überhaupt hier im Haus anzutreffen, denn normalerweise war der um diese Uhrzeit gerade irgendwo in Tokios Nachtleben unterwegs oder trieb sich in fremden Betten herum. Hier im Haus hatte er ja Verbot für Aktivitäten, die man vorzugsweise zu zweit und in tieferen Regionen betrieb, erhalten. Aya wollte nachts schlafen und nicht wachliegen müssen, weil irgendeine Tussi meinte, es wäre besonders aufregend, so laut wie möglich zu schreien, oder weil ein Bett rhythmisch gegen die Wand schlug. Und erstaunlicherweise hatte sich der Blonde immer daran gehalten. Ok, am Anfang hatte er etwas nachhelfen und ihn 'überreden' müssen, aber schlussendlich hatte er begriffen und seitdem hatte es in dieser Hinsicht keine Probleme gegeben. Kein Wunder, Yohji hielt viel auf sein ach so hübsches Gesicht und wollte es noch etwas länger behalten. Er spürte die Blicke seiner Kollegen in seinem Nacken wie kleine Nadelstiche. Erwarteten die eine Reaktion? Konnten sie warten bis sie schwarz wurden! Er sah demonstrativ zur Wanduhr, denn es war inzwischen schon wieder reichlich spät für Omi. Der Junge sprang auch augenblicklich auf. "Kuso!" Kaum geflucht, schon war er aus der Küche gewuselt, bevor ihn Ayas böser Blick treffen konnte. Man hörte leises Poltern auf der Treppe, eine Zimmertür die geräuschvoll geöffnet wurde, eine Schrankschublade auf, dann wieder halb zu. Das Zuklappen einer Tür. Hüpfendes Poltern, als Omi versuchte, sich während des Laufens die Socken anzuziehen und ein hastiges "Arigatou Ken-kun!", als er von seinem Kollegen davor bewahrt wurde, auf dem Boden aufzuschlagen. Kurzes Poltern wieder auf der Treppe. Stoppen. Kurzes Poltern zurück. Eine Tür, die geöffnet wurde, kurzes Wühlen und das Geräusch von knisterndem und reißendem Papier, leises, unterdrücktes Fluchen. Die Tür wieder zu und diesmal endgültiges Poltern auf der Treppe. Aya hatte bereits seinen Mantel an und war auf dem Weg nach draußen, um den Wagen schon mal aus der Ausfahrt zu wenden. Er war etwas beruhigter, denn so anders war dieser Morgen eigentlich gar nicht, bis auf seinen Start lief alles wie immer, sie waren inzwischen schon ein eingespieltes Team, wenn es um die Versorgung ihres Jüngsten zu dieser frühen Stunde ging. Der bekam gerade von Yohji in der Küche seine Schultasche und den Hausschlüssel in die Hand gedrückt, nachdem er sich die Schuhe im Flur angezogen hatte, die blonden Haare wurden noch mal gewuschelt, jetzt, wo er sich nicht wehren konnte und einen kleinen Schubs aus der Haustür hinaus, während ihm Ken, der gerade die Treppe herunterkam, einen schönen Tag wünschte. Kaum war die Tür im Schloss grinsten sich die beiden Älteren an, ließen ihre rechten Handflächen aufeinander klatschen und machten sich dann daran, das Geschirr abzutrocknen, das Aya als Alibi gespült hatte. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Nagi schlug die Augen auf. Anders als sonst, war er nicht sofort hellwach gewesen, sondern im Gegenteil, es hatte eine ganze Weile gebraucht, bis er es schaffte, seine bleischweren Lider zu heben und dass, obwohl es draußen bereits hell, also Zeit zum Aufstehen war. Irgendetwas war anders. Er konnte nicht genau sagen was, oder warum es ihm nur so unterschwellig auffiel. Es war nichts, was ihn beunruhigte, aber doch etwas, das nicht so war, wie es hätte sein sollen. Er war nicht in seinem Zimmer, ok, das hatte er erwartet. Er kannte den Raum, in dem er geschlafen hatte, zur Genüge, um nicht einmal die Augen öffnen zu müssen. Alleine der Geruch, der ihn hier umgab war ihm so vertraut, wie sein eigener. Was allerdings ganz und gar ungewöhnlich war, war das Gewicht der Arme um seinen Körper, das fehlende Gefühl der Einsamkeit, dass er sonst immer beim Aufwachen empfand, weswegen er auch jedes Mal so schnell wie möglich aufstand. Nachdem er ein paar Mal geblinzelt hatte, um klar sehen zu können, wusste er auch, wo das Gefühl herkam. Ganz entgegen seiner Gewohnheit lag Brad noch im Bett, nein mehr noch, er hielt ihn immer noch im Arm und schien tief und fest zu schlafen. Der Junge blinzelte gleich noch einmal. Das hatte sein Anführer in all den Jahren, in denen er nun regelmäßig zu ihm ins Bett krabbelte, nicht gemacht. Immer war er verschwunden und nur manchmal war Nagi aufgewacht, weil ihm plötzlich die Wärmequelle fehlte. Meist schlief er noch etwas weiter, bis ihn entweder der Wecker aus dem Schlaf riss, oder er von selbst wach wurde. Stirnrunzelnd musterte er das Gesicht seines Ziehvaters. Wenn er schlief, wirkte er jünger als siebenundzwanzig. Im Gegenzug sah er aber auch tagsüber älter aus. Die paar Mal, die Nagi ihn beim Schlafen hatte beobachten können, waren mühelos an einer Hand abzuzählen, also würde er das jetzt ausnutzen. Er musste nur aufpassen und sich schlafend zu stellen, wenn der Ältere Anstalten machte, aufzuwachen. Soweit er sich erinnern konnte, war Brad von ihnen immer als erster wach, verkroch sich schon früh in seinem Büro, bis Farfarello zum Frühstück rief. Die innere Uhr des Schwarzhaarigen verhinderte eigentlich, dass er jemals verschlief, oder er bekam frühzeitig eine Vision. Warum also heute nicht? Ein kurzer Blick auf die Uhr verriet dem Jungen, dass es noch keinesfalls spät war, gerade Mal kurz nach sechs. Aber für die Verhältnisse seines Leaders war das schon hochgradig verschlafen. Gewöhnlich saß er zu dieser Uhrzeit bereits geduscht und in Armani gekleidet in seinem Zimmer und tippelte irgendwelche Emails oder Missionsberichte. Manchmal korrigierte er auch noch schnell Nagis Hausaufgaben, wenn er am Abend zuvor keine Zeit mehr dazu gehabt hatte. Nagis Stirn furchte sich noch weiter. Umso erstaunlicher war es, dass Brad immer noch schlief und das, obwohl er sich bereits bewegt hatte. Entweder war der Amerikaner dermaßen erschöpft, dass er es nicht mitbekam und damit nicht wie sonst bei jeder kleinsten Berührung, bei jedem Geräusch sofort hellwach wurde, oder er war krank. Beides konnte sich der jüngste Schwarz eigentlich nicht vorstellen. Sie hatten in letzter Zeit keine Mission gehabt, die sie irgendwie körperlich gefordert hätte, von den Nerven wollte er mal gar nicht denken. Für ihn war da das Stichwort: Kindergeburtstag. Und es reichte, um ihm kalte Schauer den Rücken hinunterzujagen. Das Zweite schloss er aus, weil Brad gestern noch nicht krank ausgesehen hatte, im Gegenteil, er schien sogar gute Laune zu haben, nachdem er am Morgen hatte einkaufen müssen, etwas, dass noch nie vorgekommen war. An solchen Tagen ging man dem Anführer besser aus dem Weg, wenn man seinen Kopf behalten wollte, Haushaltseinkäufe waren für ihn scheinbar Stress pur. Allerdings passte das seltsame Verhalten jetzt auch sehr gut zu dem gestern. Warum die Fragen nach der Schule, das Angebot, ihn hinzufahren und jetzt das hier? Nagi hob eine Hand, streichelte Brad flüchtig über die raue Wange, auf der sich die dunklen Schatten der Bartstoppeln abzeichneten. Es bereitete ihm Sorge, dass der Amerikaner nicht auf seiner Höhe zu sein schien, zumal Takatori wirklich immer bekloppter wurde. War es das? Machte sich der Leader Gedanken um ihren Boss? Wahrscheinlich, zumindest in Hinblick auf sein Team. Er würde es ja nie zugeben, aber Nagi wusste ganz genau, dass sie ihm nicht so egal waren, wie er immer aller Welt weismachen wollte. Er setzte sich grundsätzlich für sie ein und seine Predigten vor einer Mission, insbesondere für den tollpatschigen und manchmal etwas hitzköpfigen Schuldig, waren legendär. Hatte er also vielleicht etwas in einer Vision gesehen, was Anlass zur Sorge bot, so dass er nachts keinen Schlaf fand? Das würde zumindest erklären, warum er gestern so seltsame Fragen gestellt hatte, warum er jetzt noch Ruhe benötigte und noch nicht einmal wach wurde, als Nagi ihn angefasst hatte. Vorsichtig schlängelte er sich aus den Armen des Größeren, um ihn nicht zu wecken. Dass er selbst jetzt weiterschlief machte den Jungen nun wirklich stutzig. Doch er entschied, Brad schlafen zu lassen, wenn er SO erschöpft war. Auf leisen Sohlen verließ er das fremde Zimmer, schloss die Tür sehr lautlos hinter sich. Aus Schuldigs Zimmer hörte man es laut rumsen. Die Augen des Telekineten verengten sich. Was machte der deutsche Tollpatsch denn da schon wieder, wo ihr Anführer doch schlafen sollte! Er huschte über den Flur, genoss einen Moment das Gefühl des Teppichs unter seinen nackten Füssen. Leise, um Brad nicht noch mehr zu stören, öffnete er die Zimmertür des Telepathen und fand diesen wider Erwarten wach und voll bekleidet, mit einer Zigarette in der Hand am Fester stehen. Der Deutsche hatte einen Fuß angehoben und massierte sich die Zehen, die er sich offensichtlich zuvor am Stuhl angestoßen hatte, zumindest lag der umgestürzt auf dem Boden. "Sei gefälligst leise, Brad schläft noch!", fauchte er in gedämpfter Lautstärke, was den Orangehaarigen verwundert aufsehen ließ. Er war so in Gedanken gewesen, dass er nicht einmal bemerkt hatte, wie der Junge hereingekommen war. "Hä? Ist er krank?" Seit wann stand ihr Anführer denn später als Sonnenaufgang auf? Nagi schüttelte den Kopf. "Ich denke nicht, er war zwar gestern etwas seltsam, aber krank hat er nicht gewirkt... sei trotzdem leise, ok?" Sein Zorn hatte sich wieder etwas gelegt und er verließ das Zimmer, um sich waschen und anziehen zu gehen. Auf dem Gang kam ihm ein verwuschelter Brad entgegen, die Brille etwas schief auf der Nase und noch immer mit Seidenboxershorts und Schlafshirt bekleidet. Müde blinzelte er den Kleineren an, wuschelte ihm kurz durch die dunklen Haare und verschwand dann wortlos im Bad. Der Junge starrte ihm mit offenem Mund hinterher. So was machte Brad nie. NIEMALS. Dass ihm Farf mal durch die Haare fuhr, ok, kam vor, oder dass ihn Schuldig wuschelte, um ihn zu ärgern, ok, an der Tagesordnung, aber dass Brad, BRAD CRAWFORD ihn mehr anfasst als normal? Er drehte auf dem Absatz herum und kehrte in Schuldigs Zimmer zurück. Diesmal bemerkte der Deutsche sein Eintreten sogar. Verwirrt blickte er den Telekineten an, holte sich dann seine Antwort einfach, ohne zu fragen. "Er hat WAS?" Nagi knurrte leise. Er hasste es, wenn der Telepath ungefragt in seinen Gedanken wühlte. Aber zumindest wusste er jetzt, dass er sich das nicht eingebildet hatte. Er nickte leicht. "Er muss ziemlich neben der Spur sein, wenn er so was macht....", meinte er langsam. Schuldig nickte leicht. Es gab ihm zu denken und zusammen mit den Informationen, die er gestern per Zufall erhalten hatte, ergab es etwas, das ihn wirklich beunruhigte. "Ich werd mit ihm reden, ok, Chibi?" Den blitzenden Blick, der auf ihn abgeschossen wurde und der ihm wohl auf der Stelle zu Staub hätte zerfallen lassen, wäre es denn möglich gewesen, ignorierte er geflissentlich. Der Telekinet schnaubte nur, zuckte dann die Schultern. Schuldig wusste etwas, das konnte er ihm praktisch an der Nasenspitze ansehen und es machte ihn wahnsinnig, dass er nicht wusste was und stattdessen immer noch wie ein Kind behandelt wurde. Plötzlich fiel ihm etwas ganz anderes auf. "Sag mal, warum bist du eigentlich schon wach?", fragte er deshalb etwas erstaunt. Es war gerade mal halb sieben. Noch einmal musterte er seinen Kollegen und bemerkte, dass dieser immer noch Partyklamotten trug, auch wenn diese etwas ramponiert aussahen, als hätte er darin lange irgendwo herumgelegen. Schuldig bestätigte seinen Verdacht. "Ich war noch gar nicht im Bett....", antwortete er ausweichend und das übliche Grinsen zierte sein Gesicht, um seine Besorgnis zu überspielen. Er legte Nagi kurz eine Hand auf die Schulter und sah ihn für einen Moment sehr ernst an, bevor er den Gedanken abzuschütteln schien und den Jungen in Richtung Tür schob. "Geh jetzt, sonst meckert Farf wieder, dass du nicht genug Zeit zum Essen hast..." Er lächelte ein erstaunlich ehrliches Lächeln, was den Kleineren dazu bewog, im Moment nicht näher nachzufragen, sondern einfach zu gehen. Wenn der Deutsche in dieser Stimmung war, bekam man sowieso nichts aus ihm heraus, sinnlos also, weiter Energie darauf zu verschwenden. Also zog er sich mit einem Nicken zurück, um sich fertigzumachen. Schuldig sah ihm kurz nach, rauchte dann seine Zigarette zu Ende. Brad wusste etwas, soviel war sicher, das erklärte auch sein seltsames Verhalten, die für seine Verhältnisse sehr deutliche Besorgnis um ihren Jüngsten, seine Erschöpfung. Er musste eine Vision gehabt haben. Die Frage war nur, wie viel er wusste und was sie, zusammen mit seinen eigenen Informationen, daraus machen würden. Sicher, sie waren stark, als Team fast unschlagbar, aber eben doch nur fast. Keiner von ihnen war unsterblich. Brads Gabe unzuverlässig, Nagis noch nicht vollständig ausgebildet, auch wenn er von Tag zu Tag stärker wurde, Farfarello war unberechenbar, wenn ihn der Blutrausch wirklich gepackt hatte und seine eigenen Fähigkeiten konnten leider von immer mehr Leuten geblockt werden. Er konnte dann zwar immer noch Dinge in ihre Geister projizieren, aber ihre Gedanken blieben unerreichbar und eine Kontrolle war ebenfalls erst dann wieder möglich, wenn die Schilde gesenkt wurden. Brad war so ein Fall und Schuldig war wirklich froh, ihn als Leader und nicht als Gegner zu haben. So überzeugt er ja von sich selbst war, kämpfen wollte er gegen den Schwarzhaarigen wirklich nicht müssen. Er musste mit seinem Anführer reden, die Frage war nur, auf welcher Seite dieser stehen würde, wenn sich die Sache so entwickelte, wie Schuldig es vermutete. Würde er zu ihnen oder dem Geld stehen? Er selbst musste sich diese Frage nicht stellen, seine Kollegen konnten zwar allesamt nervenaufreibend sein, aber im Zweifelsfall stand seine Loyalität ganz klar fest. Außerdem war Schwarz die einzige Art von Familie, die er jemals besessen hatte und die würde er sich nicht wegnehmen lassen. Er schloss kurz die Lider und schickte einen Gedanken an Brad, der diesen um eine Unterredung in seinem Büro bat. Die Antwort kam sofort. //Warum fragst du nicht normal?// Schuldig wusste genau, wie sehr der Amerikaner den mentalen Kotakt hasste und dass er ihn nur verwendete, wenn es nicht anders ging. //Die anderen sollen nichts davon mitbekommen... es ist wichtig... ich denke du weißt, worum es geht...// Er hielt sich so kurz wie möglich. Ein telepathisches Nicken kam zurück. //Wenn ich Nagi in die Schule gefahren habe... geh jetzt nach unten, Farf wartet und ist heute gereizt...// In seinem Zimmer rieb sich Brad über die Schläfe, während er in seine Anzughose schlüpfte. Der telepathische Kontakt machte seine Kopfschmerzen nicht gerade besser, ganz im Gegenteil. Er konnte es nicht ausstehen, wenn Schuldig in so ansprach, aber in diesem Fall hatte er wohl keine andere Wahl. Er war gespannt, was der Rothaarige ihm zu sagen hatte und nach dessen Andeutung wusste er auch, worum es ging. Seine Vision hatte ihm nur Vages gezeigt und Weiß hatte eine sehr... seltsame Rolle darin gespielt, die er sich nicht erklären konnte. Die halbe Nacht hatte er darüber wach gelegen und gegrübelt, bis er schließlich sah, dass Nagi bald kommen würde. Die Wärme des Jungen hatte seine Nerven etwas beruhigt und so war er schließlich doch gegen morgen noch mal eingeschlafen, wenn auch nicht für wirklich lange. Das Verschwinden des kleinen Körpers und schließlich das Rumpeln aus Schuldigs Zimmer hatten ihn geweckt und jetzt war er noch müder als vor dem Einschlafen, von dem Hämmern in seinem Kopf einmal ganz abgesehen. Die Schmerzen nach einer Vision war er ja gewöhnt, die je nach Intensität der Bilder in ihrer Stärke variierten, doch diesmal war es wirklich besonders schlimm, ein untrügliches Zeichen dafür, dass etwas im Busch war. Etwas Schlimmes. Und er hatte noch keine Ahnung, wie er das abwenden sollte, was er gesehen hatte, obwohl er schon die verschiedensten Möglichkeiten durchgespielt hatte. Er schüttelte resignierend den Kopf. Alles wäre einfacher gewesen, wenn er wenigstens ein paar klare Bilder empfangen hätte, aber nein, das wenige, was er von der Zukunft wusste, war auch noch höchst verschwommen gewesen, egal wie sehr er sich darauf konzentrierte. Er würde eben abwarten müssen, was Schuldig zu sagen hatte, vielleicht begriff er dann die Zusammenhänge besser. Brad fuhr sich durch die noch ungekämmten Haare und schloss das blütenweiße Hemd über der Brust, steckte es sauber in die Hose und richtete vor dem Spiegel die Krawatte, die er sich über den Kopf gezogen hatte. Sehr gut, wenigstens sah man ihm nicht an, wie wenig er geschlafen hatte, nur wenn man ganz genau hinsah, konnte man ein paar Falten um seinen Mund sehen, die eigentlich in seinem Alter dort noch nicht sein sollten. Nicht mehr lange und er würde ganz bestimmt erste graue Haare bekommen, bei seinem Job und Team eigentlich kein Wunder, von seinem Auftraggeber mal ganz zu schweigen. Schnell noch in das helle Jackett geschlüpft, den mittleren Knopf geschlossen und mit dem Kamm die Haare gerichtet und Brad Crawford war gerüstet für den Tag. Aber jetzt musste er erst mal das Frühstück überleben. Er konnte nur hoffen, dass der Deutsche wenigstens heute morgen davon absehen würde, ihren Jüngsten zu ärgern, sonst würde zum einen Farf noch vor dem Essen die Küche putzen müssen und zum zweiten wäre es wohl sehr schade um die eventuell wertvollen Informationen, die der Telepath für ihn hatte, wenn er ihn massakrierte, bevor er sie ausspucken konnte. Also schluckte er noch vorsorglich drei Aspirin und gemahnte sich selbst zur Geduld. Die Kopfschmerzen würden in absehbarer Zeit abklingen, dass wusste er aus Erfahrung und unter Schlafmangel litt er des Öfteren, das sollte also auch kein Problem sein. Nur seine unnatürliche Unruhe machte ihn schier wahnsinnig. Entgegen seinen Gewohnheiten platzte er fast und konnte es kau erwarten, bis Nagi endlich in die Schule musste. Leise wandert er die Treppe hinunter und betrat die Küche. Die übrigen drei saßen schon am Tisch, nur Schuldig hob den Kopf und warf ihm einen undeutbaren Blick zu, als er sich ebenfalls auf seinem Stuhl niederließ. Brad erwiderte diesen kurz, wandte sich dann jedoch seiner Tasse Kaffee zu, die bereits an seinem Platz vor sich hindampfte. Hunger hatte er keinen, jedenfalls nicht solange er dieses dumpfe Gefühl von Übelkeit im Magen hatte, die sicher von seinen Kopfschmerzen herrührte. Also begnügte er sich mit der schwarzen Flüssigkeit, die zumindest seine Lebensgeister aufwecken würde, wenigstens die, die sich nicht gerade im tiefsten Winterschlaf befanden. Ein Seitenblick zu Schuldig zeigte ihm, dass es dieser genauso hielt und auch nicht viel wacher aussah, als er sich fühlte. Nur Nagi schien einigermaßen ausgeruht und futterte seine Cornflakes in sich hinein, nuckelte nebenbei an seiner Kabatasse. Farfarello war sowieso nie anzumerken, ob er müde war oder nicht, auch wenn er heute etwas abwesender wirkte als gewöhnlich. Es fiel dem Schwarzhaarigen nicht leicht, sich in Geduld zu üben und zu warten, bis sein kleiner Schützling fertig gegessen und sich für die Schule angezogen hatte, so dass sie endlich losfahren konnten. Am Rande registrierte er, dass der Telepath die letzten paar Minuten unruhig auf seinem Stuhl hin und her gerutscht war. Nun ja, Geduld war ja noch nie die Stärke des Deutschen gewesen, daran hatte er sich mit den Jahren beinahe gewöhnt. Endlich, endlich war Nagi fertig und wartete mit seiner Schultasche in der Hand im Flur auf seinen Ziehvater. Der erhob sich, unterdrückte dabei mit Mühe ein Seufzen der Müdigkeit, nahm schließlich die Autoschlüssel vom Haken und folgte dem Jungen zu seinem Mercedes, in dem sie eine halbe Minute später in Richtung Schule davonfuhren. Nachdenklich sah Schuldig seinen Kollegen hinterher, entschloss sich dann aber doch, etwas zu essen, um nicht am Ende noch vom Fleisch zu fallen, und verspeiste zwei Brötchen mit Marmelade. Er versuchte erst gar nicht, ein Gespräch zu beginnen, denn erstens hätte das bei Farf wohl sowieso nicht geklappt, ihm nur seltsame Blicke aus einem goldenen Auge beschert, oder wäre in einer einseitigen Diskussion über die verschiedenen Möglichkeiten, Gott zu hurten, geendet und dafür hatte er im Moment keinerlei Nerv. Das konnte ja durchaus lustig sein, vor allem, wenn man den Iren ein wenig verwirrte, in dem man ihm ganz neue Möglichkeiten offerierte, auf die er selbst noch gar nicht gekommen war. Das Problem bestand dann nur darin, den Weißhaarigen daran zu hindern, sie sofort auszuprobieren. Also zog der Deutsche es vor, zu schweigen, auch wenn es ganz und gar nicht seiner Natur entsprach, es gewährte ihm zumindest ein wenig Ruhe. Eine knappe halbe Stunde später wurde die Haustür wieder geöffnet und wenig später trat Brad wieder in die Küche. "Wir haben ein Problem....", verkündete er und nahm sich noch eine Tasse Kaffee. Während Schuldig seinem Leader etwas verwundert seine Aufmerksamkeit schenkte, sah Farfarello noch nicht einmal hoch, sondern starrte nur weiter apathisch vor sich hin, was Brad noch mehr zu reizen schien. "Farfarello! Hör mir gefälligst zu, es geht um Nagi!" Das endlich provozierte eine Reaktion und das Auge des Iren richtete sich sofort auf den Schwarzhaarigen. "Bombay geht mit ihm zur Schule!" So jetzt war es raus. Was ihn eigentlich noch mehr verblüffte als die eigentliche Nachricht, war die Reaktion seiner Kollegen. Während Farfarello sich einfach nur wieder abwandte und mit seinem Messer zu spielen begann, zuckte der Deutsche nur die Schultern. "Und? Weiß ich schon lange...", meinte er dann. Brads Gesicht rötete sich etwas und er war kurz davor, den nichtsnutzigen Telepathen zu erwürgen. "Du WUSSTEST es? Und hast es MIR nicht gesagt???" Er schäumte fast vor Wut. Wie hatte der Rothaarige ihm eine so wichtige Information nur vorenthalten können?" "Mann, reg dich ab, Braddy... Oder hat dich vielleicht eine Vision gewarnt, dass dem Kleinen was passiert?" Schweigen antwortete ihm. "Na also... die zwei haben anscheinend keine Probleme, also mach nicht so einen Terz, das geht auf den Kreislauf!" Er trank den letzten Schluck aus seiner Kaffeetasse und genoss es richtig, seinen Anführer mal verblüfft zu sehen. Brad dagegen wusste nicht, worüber er sich mehr aufregen sollte: über Schuldigs respektlosen, provozierenden Tonfall, oder über die Tatsache, dass der deutsche Spinner leider recht hatte. So unzuverlässig seine Gabe ja war, bis jetzt hatte sie ihn immer rechtzeitig gewarnt, wenn es um die Sicherheit des Teams ging und er bezweifelte, dass es diesmal anders sein würde. Aber Schuldig wusste noch eins draufzusetzen. "Abyssinian weiß es übrigens auch und er hat sich nicht halb so sehr darüber aufgeregt wie du... sieh's ein, du kannst es nicht ändern und die Jungs haben sich anscheinend so weit arrangiert, dass sie sich in der Öffentlichkeit nicht an die Kehle gehen, was soll's also?" Er schüttelte den Kopf, weil er das Problem wirklich nicht verstand. "Was es soll? Verdammt, Bombay ist unser Feind, er..." Ja, was sollte der Junge denn tun? Sie verraten? Erstens würde das sowieso nichts bringen und zweitens würde er seine eigene Identität dann genauso preisgeben. Und ansonsten könnte er nur versuchen, Nagi zu schaden, was zumindest auf physischer Ebene nicht viel Erfolg haben würde. Und psychologisch eigentlich auch nicht, dafür war sein Kleiner sowieso zu eigenbrötlerisch, um sich über die Meinung anderer, insbesondere seiner Feinde Gedanken zu machen... zumindest hoffte er das. Immerhin schienen die beiden schon recht lang auf eine Schule zu gehen und bis jetzt war ja nichts passiert. Er entschloss sich also, tief durchzuatmen und lieber noch eine Tasse Kaffee zu trinken, als sich weiter aufzuregen. Das verstärkte seine immer noch präsenten Kopfschmerzen nur wieder und darauf konnte er nun wirklich verzichten. Seufzend stellte er die Kaffeetasse ab und wechselte das Thema, bevor er sich noch mehr blamierte. In diesem Haushalt lief eindeutig etwas schief! "Du wolltest mich sprechen?", wandte er sich deswegen an den Deutschen. Dieser nickte. "Nicht hier..." Seine Lippen formten das Wort 'Zuhörer' und Brad verstand. Er warf Farfarello einen Seitenblick zu, auch wenn er nicht glaubte, dass Schuldig diesen gemeint hatte. Und wirklich schüttelte der Rothaarige sofort den Kopf. Der Schwarz-Leader erhob sich und deutete seinem Kollegen, ihm zu folgen. Der Ire würde mitkommen, wenn es ihn interessierte, was sie zu besprechen hatten, doch der sah nicht danach aus, sondern stocherte sich mit seinem Lieblingsdolch ein wenig im Arm herum. Naja, er machte die Sauerei wenigstens selbst wieder weg, wenn er welche anrichtete, aber das kam kaum noch vor, weswegen sich Brad auch keine Sorgen machte. Die beiden Männer stiegen die Treppe in den ersten Stock hoch und betraten das schallisolierte, abhörsichere Büro Crawfords. Wenn man einen Auftraggeber wie sie hatte, konnte man nicht vorsichtig genug sein. Brad ließ sich in seinen bequemen Ledersessel hinter dem voll gepackten Schreibtisch sinken, deutete Schuldig, sich ebenfalls zu setzen, stützte die Ellenbogen auf der dunklen Tischplatte auf und faltete die Hände vor seinem Kinn. Das neue Telefon stand auf seinem Platz und verdeckte geschickt das Loch, dass Farfarellos Messer in die teure Tischplatte gegraben hatte. Der Deutsche platzierte sich in betont lässiger Haltung auf einem der Besucherstühle, musterte seinen Leader abschätzend und schwieg einen Moment. "Was weißt du schon, Brad?", fragte er dann leise und überraschend ernst, sogar das übliche Grinsen war nicht in seinem Gesicht platziert und wenn man genau hinsah, bemerkte man, dass seine entspannte Position nicht halb so lässig war, wie sie wirkte. Der Schwarzhaarige rückte seine Brille zurecht, obwohl diese perfekt wie immer auf seiner Nase saß, ein untrügliches Zeichen für seine innere Unruhe. Er rieb sich leicht über die Schläfen, blickte seinen Kollegen dann durchdringend an. "Nicht viel mehr als du, vermute ich....", antwortete er dann etwas ausweichend. Er wusste nicht, woran er bei Schuldig war. Sicher, er würde diesem Mann sein Leben anvertrauen, genauso wie den beiden anderen auch, aber konnte er ihm auch ihre Sicherheit anvertrauen? Den Schlüssel zu ihrem Überleben? Schuldig nickte leicht. "Vermutlich... du hattest eine Vision?", schoss er einfach ins Blaue. Woher sollte der andere auch sonst Informationen haben, vor allem SOLCHE? Brad antwortete mit der gleichen Geste. "Es war nicht viel, größtenteils verschwommen, aber das, was ich gesehen habe, hat mir schon gereicht....", rückte er endlich mit der Sprache heraus. Die Karten mussten auf den Tisch, vielleicht konnten sie gemeinsam das Schlimmste verhindern, wenn es nicht schon längst im Gange war. Er würde das Risiko Schuldig eben einfach tragen, es tragen müssen. Die feinen Augenbrauen des Deutschen hoben sich nachdenklich. "Ich war gestern weg...", begann er dann seinerseits, scheinbar zusammenhangslos "War eigentlich nichts besonderes los.... Musik war gut, die Leute ok..." Brad wartete geduldig. "Jedenfalls bin ich dann mit einem ins Gespräch gekommen... keine Ahnung mehr über was... hab mal einen Blick in seinen Kopf geworfen... hat für Takatori gearbeitet... naja ist ja auch noch nichts besonderes, das tun viele Leute..." Bei den riesigen Konzernen ihres Auftraggebers kam es durchaus mal vor, dass er abends auf Mitarbeiter stieß. "Ich hab aus reiner Neugierde mal nachgesehen, als was er denn arbeitet und siehe da: eine kleine Laborratte... hat eigentlich gar nicht so ausgesehen... na egal, auf jeden Fall ist er einer, der wohl ziemlichen Durchblick hat, was in den Kellern unseres Bosses so abgeht und nicht nur da..." Die Stirn des Schwarz-Leaders hatte sich während dem kleinen Monolog immer mehr gerunzelt. "Es wird mir nicht gefallen, oder?", fragte er dann etwas vorsichtig nach. Schuldig schüttelte den Kopf. "Es wird dir ganz und gar nicht gefallen... dieser... Psycho treibt dort unten Versuche an Menschen... ok, dass ist jetzt nichts so Besonderes, das Wichtige ist, an WAS für Menschen... durch die Bank Geistesgestörte, Psychopathen, Zurückgebliebene, solche eben... und nun rate mal, an welcher Sorte Menschen noch!" In Brads Kopf blitzte ein Gedanke auf, der ihn ein kleinwenig blasser werden ließ. "PSI-Talente!" Der Deutsche nickte bestätigend. "Keine gewöhnlichen natürlich, nur wirklich stark Veranlagte mit gut ausgeprägter Gabe. Und er hat schon eine Liste von möglichen Versuchsobjekten... und ein Name steht ganz oben mit dabei..." Den Lungen des Schwarzhaarigen entwich die Luft mit einem leisen Laut. Er hatte gar nicht gemerkt, dass er sie angehalten hatte. Als Schuldig die ersten Details lieferte, hatte er nur an Farfarello gedacht, der ja als Schwerstgestörter in den Akten geführt wurde. Seine eigene Gabe war zu unpräzise, um für solche Versuche gut zu sein und Schuldig würde den Teufel tun und so was mit sich machen lassen... "Nagi!" Der Orangehaarige nickte ganz langsam. "Er will Nagi. Definitiv. Er ist wahrscheinlich das beste Versuchskaninchen, das er sich wünschen kann. Außergewöhnlich stark ausgeprägte Gabe und dazu körperlich und geistig noch schwach genug... einen derart anfälligen Telekineten findet man nicht oft und Takatori hat ihn praktisch vor der Nase, auf dem Präsentierteller. Ich hab nicht rausbekommen können, was das eigentlich für Experimente sind, die da in den Kellern stattfinden, da war eine Mauer durch die ich nicht konnte, ohne dass es aufgefallen wäre, aber soviel ist sicher: das, was Takatori macht ist sicher nicht angenehm!" Brad ließ sich wieder in den Stuhl zurückfallen, aus dem er sich halb erhoben hatte und vergrub das Gesicht in den Händen. Solche Augenblicke der Schwäche erlaubte er sich nur selten, zumal noch vor anderen. "Und ich hatte gehofft, mich zu irren...", murmelte er gedämpft, presste die Lider fest aufeinander, bis er kleine bunte Punkte sah. Seine Gedanken rasten wild durcheinander, schienen einen Ausweg aus seinem Kopf zu suchen. Mit aller Disziplin, die er sich in jahrelanger, schmerzhafter Übung antrainiert hatte, zwang er sich wieder unter Kontrolle. Panik half hier keinem. Verdammt, sogar Schuldig wirkte ruhiger als er selbst, obwohl man genau sehen konnte, wie es auch in ihm brodelte, wenn man wusste, worauf man achten musste. Der Deutsche kaute nervös auf der Unterlippe. Er war schon die halbe Nacht damit beschäftigt, einen Ausweg zu suchen, doch ihm war beim besten Willen nichts eingefallen, was sie nicht in unmittelbare Lebensgefahr gebracht hätte. Doch sie mussten ihren Jüngsten schützen, um jeden Preis und mochte er auch noch so hoch sein. "Was machen wir jetzt? Wir können Takatori nicht ausschalten, nicht mal mit unseren Fähigkeiten..." Inzwischen, nach Brads Reaktion, stellte er nicht mehr in Frage, auf welcher Seite dieser stand. Wenn es um Nagi ging, verstand sein Anführer keinen Spaß. Der Amerikaner sah seinen Kollegen ein kleinwenig hilflos an. "Was denkst du hab ich letzte Nacht gemacht? Mir will und will nichts einfallen, was uns hier wieder rausbringt..." Es fiel ihm alles andere als leicht, solch ein Geständnis zu machen, aber die ganze Sache wühlte ihn wesentlich mehr auf, als sie es eigentlich dürfte. Hinzu kam der Schlafmangel und die immer noch vorhandenen Kopfschmerzen, die das Denken auch nicht gerade erleichterten. Schuldig schien nicht gewillt, das Gespräch so schnell zu beenden. Jetzt hatte er den Anderen endlich mal am Haken. "Was genau hast du gesehen?" Brad seufzte leise. "Nur ein paar verschwommene Bilder... ich hab Nagi schreien gehört... Farfarello mit leerem Blick dasitzen sehen... und damit meine ich wirklich leer, nicht so apathisch wie er sonst ist sondern richtig... tot... aber er hatte eindeutig geatmet... ich weiß nicht, was das zu Bedeuten hat..." Er wüsste nichts, was der Iren dazu bringen würde, buchstäblich seinen Geist aufzugeben, so dass nur noch sein Körper als Hülle zurückblieb. Als lebende tote Hülle. Die Augen des Rotschopfes verengten sich in wenig. "Das ist aber noch nicht alles, oder? Was war da noch?" Grummelnd nickte sein Gegenüber, denn Brad hasste nichts mehr, als durchschaubar zu sein. Er zögerte einen Moment. "Weiß...", meinte er dann leise "Seite an Seite mit uns... Abyssinian.... an Nagis Bett...." Er verzog das Gesicht, als hätte er Zahnschmerzen. Schuldig musste plötzlich trotz der ernsten Situation lachen. "Nee, oder? Der Eisblock und unser Chibi? Glaubst du doch nicht im Ernst!" Der giftige Blick seines Leaders sprach Bände, trotzdem konnte er ein leicht hysterisches Kichern nicht unterdrücken. "Und du bist sicher, dass bei dir da alles ok ist?" Er tippte sich leicht gegen die Schläfe. Der Schwarzhaarige zischte nur etwas sehr, sehr unfreundliches und zuckte dann die Schulter. Eigentlich hatte Schuldig ja recht. "Ich weiß es nicht... ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen wie es dazu kommen sollte...." Doch allein schon bei dem Gedanken, Abyssinian könnte auch nur einen Finger an seinen Nagi legen, kam ihm fast die Galle hoch und ein Übelkeitsgefühl machte sich in seinem Magen breit. Niemals würde er das zulassen, dass dieser Kerl, dieser berechnende Kühlschrank in die Nähe seines Kleinen kam uns schon gar nicht SO. Ein leises Knurren entkam ihm, bevor er es zurückhalten konnte, was Schuldig wieder zum Lachen reizte. "Das gefällt dir nicht, nicht wahr?", feixte er etwas übermütig, obwohl ihm besonders dieser Teil ganz und gar nicht gefiel. Doch der Schlafmangel tat seinen Teil zu seiner Stimmung bei und die lustig tanzenden Punkte vor seinen Augen waren auch nicht zu verachten. "Natürlich gefällt mir das nicht, was denkst du denn?", fauchte der Leader gereizt zurück. Nicht gefallen war nun wirklich eine gelungene Untertreibung! Er hasste den Gedanken und würde dieses rothaarige Etwas am Liebsten auf den Mond oder gleich in die ewigen Jagdgründe befördern. Aber was würde das für Auswirkungen haben? Schuldig gingen ganz ähnliche Gedanken durch den Kopf. "Was würde passieren, wenn wir Abyssinian aus dem Weg räumen würden? Oder will ich das gar nicht wissen?" Seine Stirn runzelte sich etwas. Hatte er nicht ein paar Minuten zuvor sich selbst geschworen, alles zu tun, damit Nagi geschützt werden würde? Aber ihn an den Feind auszuliefern? Nannte sich das etwas neuerdings Schutz? Und was, wenn es die einzige Möglichkeit war? Seufzend rieb er sich die Schläfen, sah dann auf und bemerkte, dass Brad sich entspannt zurückgelegt und die Augen geschlossen hatte. Für einen Moment glaubte er, dass sein Anführer eingeschlafen wäre, doch dann sah er, dass sich dessen Augen, hinter den geschlossenen Lidern bewegten. Brad versuchte doch wohl nicht etwa in seinem übermüdeten Zustand eine Vision zu erzwingen oder? Er war einmal dabei gewesen, als es sich nicht hatte vermeiden lassen und wusste daher, wie anstrengend und schmerzhaft das für den Hellseher war. Schnell sprang er auf, wagte aber nicht, das Geschehen zu unterbrechen, da er nicht wusste, was das für Auswirkungen haben könnte. Also trat er nur etwas unruhig von einem Fuß auf den anderen und wartete ungeduldig, bis sich wieder etwas regte. In diesem Moment setzte sich Brad ruckartig gerade hin und riss seine Augen auf. Schuldig wich erschrocken einen Schritt zurück, als er den Ausdruck in ihnen sah. "Was?", fragte er leicht verwirrt, denn so schlimm hatte er es sich nicht vorgestellt. "Unmöglich", lautete die etwas gepresste Antwort und Schuldig wagte nicht, weiterzubohren. Er setzte sich wieder und atmete tief durch. "Ok, Alternativen? Irgendwelche?" Es musste doch einen anderen Weg geben, oder? Brad schluckte leicht. "Ich weiß es nicht, wirklich nicht..." Seine Stimme klang etwas belegt, ohne dass er es verhindern konnte und seine Augen schlossen sich wieder. "Ich muss darüber nachdenken..." Er fühlte sich müde und erschöpft, sein Kopf hämmerte wie verrückt. Vielleicht sollte er sich ein bisschen hinlegen, vielleicht.... Er merkte gar nicht, wie ihm langsam die Sinne schwanden und er in den Stuhl zurücksank. Ein warmes, weiches Gefühl machte sich in ihm breit, als wäre er in Watte gepackt und er ergab sich nur zu gern der Schwäche, obwohl ein Teil von ihm versuchte, noch dagegen anzukämpfen. Er hörte nicht mehr, wie sein Name gerufen wurde, fühlte nur noch ein schweres Gefühl in seinen Muskeln und Dunkelheit hüllte ihn wie eine schützende Decke ein. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)