Salz auf deiner Haut von Inkubus ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Die klagenden Schreie der Möwen gellten ohne Unterlass in seinen Ohren, doch er schenkte ihnen keine Beachtung. Ebenso wenig wie der Sonne, die blutrot im Meer versank und es in flüssiges Gold verwandelte. Es war nur ein flüchtiger Anblick, ein Sinnbild der Vergänglichkeit, denn schon wenige Momente später verwandelte die Dämmerung alles in eine düstere Welt aus Grautönen, in der Farben nur blasse Erinnerung waren. Der junge Mann, der alleine im Sand saß, hatte schlicht und einfach schon zu viele solche Sonnenuntergänge gesehen, viel zu oft einsam aufs Meer gestarrt, als dass er es noch wirklich wahrnehmen konnte. Der Tag des Versprechens rückte immer näher. Es war die Zeit des Übergangs, der Dämmerung, doch die Nacht, die darauf folgte, würde vielleicht niemals mehr vergehen. Sein leerer Blick verlor sich in der Ferne. Es kümmerte ihn nicht, was kommen würde. Warum sollte er diese letzte Nacht auch fürchten? Er, der er ohnehin schon seit neun langen Jahren in tiefster Finsternis wandelte? Leichter Wind kam auf. Er erfasste seinen Mantel, spielte mit seinem Haar. Er war erfüllt von dem leichten Duft der Kirschblüte, wenn auch fast verdeckt von dem rauen Geruch nach Meer. Blütenblätter vom sanften Wind getragen segelten durch die Luft. Ein leises Seufzen drang über die Lippen des jungen Mannes. Es war ein Ausdruck tiefer, unstillbarer Sehnsucht, der ungehört verhallte, übertönt von den Schreien der Möwen und dem ewigen Tosen der See. Die Präsenz der Kirschblüten überraschte ihn nicht wirklich. Ihre Wege kreuzten sich immer öfter in letzter Zeit... Vielleicht hatte der Jäger beschlossen, dass es nun an der Zeit war sich seinem Opfer zu nähern. Begann sich langsam heranzupirschen, wollte sich endlich nehmen, was ihm eigentlich schon so lange gehörte. Die Augen des jungen Mannes schlossen sich. Leise und zaghaft keimte Hoffnung in ihm. Vielleicht würde sein sehnlichster Wunsch nun doch in Erfüllung gehen... Doch gleichzeitig fühlte er sich entsetzlich müde. Er war dieser Spielchen so überdrüssig, auch wenn Seishirou sie zu lieben schien. "Ich weiß, dass du hier bist, Seishirou-san. Deine Illusionen sind unnötig, seit jenem Tag" Die Blütenblätter verschwanden so plötzlich, wie sie gekommen waren und einen kurzen Moment später hörte er langsame, feste Schritte, die durch den Sand auf ihn zukamen. Subaru fühlte leichte Überraschung. Er hatte nicht damit gerechnet, dass der andere darauf eingehen würde. "Das mag sein, doch ich genieße es" Die Stimme war leise und auf eine seltsame Art angenehm, aber durchzogen von feinem Spott. Auch wenn er sich nicht umwand, konnte er das amüsierte Lächeln, das nun auf seinen Lippen liegen musste, förmlich spüren. Dasselbe Lächeln, wie damals, vor neun Jahren, als sein Leben zersplitterte, wie ein unachtsam fallengelassenes Glas. Die Scherben hatten tiefe Wunden in seine Seele gerissen und die Narben würden niemals wirklich verheilen. Sie würden immer da sein, auch wenn niemand sie sehen konnte. "Was willst du von mir?" Seine Stimme klang nicht abweisend, aber schrecklich leer und müde. "Was ich von dir will?" Er schien einen Moment über diese Frage nachzudenken. "Ich weiß nicht, vielleicht ist es einfach nur Neugier, vielleicht ist es Schicksal" Er lachte leise. Der junge Mann antwortete nicht und wand sich auch nicht um. Hatte er eine eindeutige Antwort auf seine Frage erwartet? Wohl kaum. Der andere schien noch einen Augenblick auf eine Erwiderung zu warten, dann setzte er sich langsam in den Sand, dabei musste er sich nach vorne beugen und sein Atem streifte für einen kurzen Moment Subarus Nacken. Dieser konnte die Bewegung hinter seinem Rücken nur erahnen. Doch als Seishirous warmer Lebenshauch seine bloße Haut berührte, erschauderte er leicht, denn er merkte erst jetzt wie kalt die angebrochene Nacht geworden war. "Frierst du etwa, Subaru-kun?" Diesmal war seine Stimme erfüllt von unverhohlenem Spott. Es folgte ein leises Rascheln von Stoff und dann, ohne Vorwarnung, fühlte der junge Mann eine warme Hand, die sich sanft, fast schon zärtlich in seinen Nacken legte und langsam unter den Kragen seines Mantels auf die bloße Haut glitt. Subaru erbebte unter der flüchtigen Berührung. Einen Moment lang ließ er es zu, schloss die Augen, ließ zu, dass sich die lang ersehnte Wärme seiner Haut wie Balsam auf seine wunde Seele legte. Einen Moment nur wollte er sich der Illusion hingeben. Auch wenn er nur mit ihm spielte. Dieser eine Moment, endlos wie die Ewigkeit und doch zu flüchtig um ihn festzuhalten, verging und schließlich öffnete er seine Augen wieder und hob seine eigene Hand. Sie suchte die Seishirous, um sie sanft aber nachdrücklich von seinem Körper zu streifen. Im selben Atem-zug drehte er sich um und blickte Seishirou zum ersten Mal an. "War es dir etwa unangenehm?" Dieses Lächeln... Es tat so weh... Als hätte der andere seine Gedanken erraten, verbreiterte sich dessen Lächeln noch mehr. Anstatt zu antworten blickte Subaru sein Gegenüber einfach nur an. Seine Gesichtszüge hatten sich verhärtet und sein Blick war voller Bitternis. Ein leises Lachen drang über Seishirous Lippen. "Du bist wirklich süß, Subaru-kun" Die Gleichgültigkeit in seinem Blick wandelte sich zu plötzlicher Wut. Er ertrug es einfach nicht länger. Dieses spöttische Lächeln. Dieses Lächeln des Mannes, der ihn so sehr betrogen hatte, der seine Schwester getötet hatte, der Mann der sein Leben zerstört hatte... Der seinem Leben erst einen Sinn gegeben hatte, dem er das schönste Jahr seines Lebens verdankte... Der Mann, den er über alles... Mit einem unterdrückten Laut der Wut ließ er seine Hand unter seinen Mantel gleiten und griff nach seinen Bannzetteln. Doch als er sie wieder hervorzog, schnellte Seishirous Hand vor und umklammerte die seine. Die Bannzettel entschlüpften Subarus Griff und hüllten die beiden Männer ein. Erneut kam Wind auf und wehte sie davon. Ihre beiden Mäntel, schwarz und weiß, flatterten im Wind. Seishirous zweite Hand umschloss Subarus Kinn und sein Zeigefinger strich sanft über dessen Wange. "Sagtest du nicht eben, du hättest genug von diesen Spielchen? Subaru-kun..." Subaru riss sich zornig los und starrte Seishirou wutentbrannt an. Minutenlang verharrten sie so. Dann wand Seishirou sich kommentarlos ab und sein Blick schweifte über die dunkle See. Während Subaru scheinbar emotionslos auf den Sand zu ihren Füßen starrte, versuchte er verzweifelt jenen einen Gedanken zu unterdrücken, der ihn seit Jahren immer wieder heimsuchte: Was wäre wenn,... Sumeragi und Sakurazuka... Es war wie ein schlechter Witz. Er warf Seishirou einen flüchtigen Seitenblick zu. Dieser hatte den Blick abgewandt und starrte scheinbar nachdenklich in die Ferne. Ein spöttisches Lächeln lag auf seinen Lippen. Subaru konnte nicht einmal sagen ob es echt war. Viel zu viele Masken... Sie waren betrogen worden... ...vom Schicksal. ...von dieser verfluchten Welt. ...von den Sternen, die fern und unbekümmert über ihnen leuchteten. Subaru hob den Kopf und starrte mit leerem Blick gen Himmel. Irgendwo da draußen waren auch die Sterne, deren Namen er trug. Er kannte sie nicht. Sein Blick wanderte zu dem hellsten aller Sterne, der weit entfernt am nördlichen Firmament leuchtete. Er fühlte wie Tränen in seinen Augen brannten. Hokuto-chan Stumme Tränen rannen über sein Gesicht. Im fahlen Mondlicht glänzten sie wie kostbare Perlen. Ohne Vorwarnung spürte er eine Hand in seinem Nacken, die sich in seinem Haar vergrub und ihn zwang den Kopf nach rechts zu drehen und Seishirou ins Gesicht zu blicken. Er ließ es widerstandslos geschehen, innerlich gefasst auf neuerlichen Spott. Und da war das erwartete Lächeln. Es schmerzte. Ein wenig... Kaum noch. Doch da war noch etwas in diesem Lächeln, etwas, das Subaru nicht einordnen konnte. Aber eigentlich war es auch gleichgültig. Seine Tränen versiegten nicht, rannen immer weiter über seine Wangen. Einen Moment lang musterte Seishirou ihn noch schweigend, dann beugte er sich langsam vor und indem er Subarus Wangen mit flüchtigen Küssen bedeckte stahl er die Tränen, die darauf waren. Subaru stockte der Atem, als er die Berührung Seishirous warmer Lippen auf seiner Haut fühlte. Seine Augen weiteten sich vor Unglauben, doch schon einen Moment später verfinsterten sie sich vor Wut. Er riss sich los und stieß Seishirou von sich. Dieser Mann hatte ihm bereits so viel gestohlen: Sein Leben. Seine Unschuld. Seine geliebte Schwester. Sein ...Herz Wenigstens die Tränen, die er um all das weint, sollten nur ihm gehören. Niemand hatte das Recht sie ihm zu nehmen. Niemand. Sie gehörten ihm allein, waren vielleicht das einzige, was ihm nach alldem noch geblieben war. "Nur dir allein?" Seishirou sah ihn fragend an und musterte ihn mit unverhohlener Belustigung. In diesem Moment wurde Subaru klar, dass er diese Worte nicht nur gedacht, nicht einmal nur ausgesprochen hatte. Er hatte sie geschrieen. So laut er nur konnte. Und nun...fühlte er sich befreit und seltsam erschöpft und so wehrte er sich auch nicht, als Seishirou erneut die Hände nach den seinen ausstreckte. "Du vergisst da etwas" Wieder drang ein leises Lachen über Seishirous Lippen. "Erinnerst du dich denn nicht mehr?" Seine Hände umklammerten unerbittlich Subarus Handgelenke und drehten sie so, dass er die Handrücken sehen konnte. Die Sterne der Sakurazuka schimmerten in fahlem Licht. Unendlich schön und unheilvoll zugleich. "An jenen Tag?" ~*~ Ein Jahrtausende alter Kirschbaum... In seinem Schatten standen ein junger Mann und ein kleiner Junge. Unzählige Blütenblätter umwehten sie. Die Augen des Jungen...verzaubert, erfüllt von unbestimmter Angst Ein Lächeln auf den Lippen des Fremden... Augen jenseits allen Mitleids. Blutige Male auf zarten, weißen Händen. Geflüsterte Worte des Triumphs: "Diese Zeichen bedeuten, dass du mir gehörst" ~*~ Ob er sich erinnerte? Wie könnte er jemals vergessen. Subaru blickte in Seishirous Gesicht. Dasselbe Lächeln wie damals... Er küsste die Pentagramme auf Subarus Handrücken. "Du gehörst mir, Subaru-kun, für im-mer" Er runzelte die Stirn und blickte Subaru auf groteske Art vorwurfsvoll an. "Das weißt du doch!" Dieser Spott... Subarus Stimme zitterte leicht, als er die eine Frage aussprach, die ihn seit neun Jahren verfolgte. "Warum...warum hast du mich nicht getötet?" Seine Stimme klang gepresst und heiser. "Du wusstest immer wo ich war. Warum hast du mich nicht getötet?!" Die letzten Worte hatte er geschrieen. "Aber warum sollte ich dich töten?" Seishirou sah ihn ehrlich überrascht an. "Ich habe doch eben gesagt: Du gehörst mir. Warum sollte ich mein Eigentum zerstören? Es wäre langweilig ohne dich..." Subaru lächelte traurig. Das überraschte ihn nicht. Er war doch nur ein Zeitvertreib für ihn, ein Spielzeug. "...und es wäre einsam" "Was..." Gehauchte Worte voller Unglaube. "Ich habe gesagt, dass es einsam wäre ohne dich, Subaru-kun" Seishirou lächelte erneut und vielleicht zum allerersten Mal in seinem Leben war sein Lächeln frei von jedem Spott. Er beugte sich langsam vor, während seine rechte Hand zu Subarus Kinn glitt und sein Gesicht festhielt. Subaru schmeckte das Salz des Meeres auf Seishirous Lippen und trotzdem war der Kuss von unendlicher Süße. Seine Augen - eben noch fassungslos aufgerissen - schlossen sich langsam. Unter seinen Lidern quoll eine einzelne Träne hervor und zog unendlich langsam ihre glänzende Spur über die rechte Wange. Ohne den Kuss zu lösen, wanderten Seishirous Hände zu Subarus Rücken, während er den Körper in seinen Armen in den weichen Sand bettete. Subarus Arme umschlangen Seishirous Körper und seine Hände vergruben sich im Stoff des schwarzen Mantels. Er wollte sich nicht mehr wehren. Du gehörst mir... Es wäre einsam ohne dich. Subaru-kun... Worte können lügen, hatten es so oft getan, dass er fast nicht mehr an die Wahrheit glaubte, aber manchmal war es besser sich Illusionen hinzugeben. Illusionen des Glücks... Illusionen der Ehrlichkeit... Illusionen der...Liebe... ~*~ Endlose Küsse, weiße Hände vergraben in tiefschwarzem Haar, in einander verschlungene Körper, Sand zwischen den Fingern, der flüchtige Geschmack von Salz auf nackter Haut... ~*~ Das fahle Licht der Morgendämmerung fiel auf die Gestalt eines jungen Mannes, der verlassen im kühlen Sand lag. Sein dunkles Haar war zerzaust, die Stirn in leichte Falten gelegt, der Mund sehnsuchtsvoll geöffnet. Manche Wünsche werden niemals wahr. Gefühle führen in die Irre und Illusionen können täuschen. Und manche Menschen können sich nicht ändern, nicht einmal für den, den sie über alles lieben. ~*~ Ende Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)