Liebe, Leid und Leben von theDraco (Mamorus Jugend) ================================================================================ Kapitel 2: ----------- "Ich hasse Montage", raunte Mamoru seinem Nebensitzer und besten Freund Motoki zu, als endlich die Schulglocke zur Pause klingelte. "Mach Dir nichts draus, Du bist damit nicht allein auf dieser Welt", antwortete dieser gut aufgelegt. Daraufhin verdrehte Mamoru nur die Augen und legte resigniert den Kopf auf den Tisch. "Du bist heute zu nichts zu gebrauchen, mag das sein?", meinte Motoki kichernd. Er erhielt darauf nur ein Brummen. "Und woran liegt es?" Stille. "Sehr gesprächig bist Du grade nicht." "Gut beobachtet, Sherlock Holmes", nuschelte Mamoru vor sich hin. Motoki gab sich endlich zufrieden und blätterte in seinem Kalender herum, solange Mamoru noch vor Selbstmitleid zerfloss. So verging bestimmt eine Minute ereignislos, bis ein lautes Krachen Mamoru dazu nötigte, den Kopf zu heben, die Augen zu öffnen und sich zu orientieren. Er war mit einem Schlag hellwach, als er realisierte, was da für dieses Geräusch verantwortlich gewesen war: vor seinem Tisch kniete Hikari Kage, das wohl schönste Mädchen des Universums, und sammelte die Stifte ein, die zusammen mit ihrem Mäppchen runtergefallen waren. Mamoru sprang auf (was Motoki schier zu Tode erschreckte) und stürzte sich regelrecht auf die Stifte, um Hikari zu helfen. Mit jedem Stift, den er aufhob (IHRE Stifte! Er hielt tatsächlich IHRE Stifte in seiner Hand! Was für ein Segen!) warf er einen kurzen Blick auf Hikari. Das lange, pechschwarze Haar floss wie ein Wasserfall aus dunkelster Tinte über den Boden. Ihre wunderschönen grünen Augen glänzten und funkelten wie Smaragde. Mamoru bedauerte, dass die langweilige graue Schuluniform mit den weinroten Ärmeln ihr etwas von ihrer starken, geheimnisvollen Aura nahm. Sie wäre bestimmt noch tausendmal hübscher ohne Uniform. Ohne...? Mamoru wurde rot bei diesem Gedanken. Nur gut, dass er auf den Boden schaute, während er weiterhin Stifte (ja, IHRE Stifte) aufsammelte, sonst hätte wohl jeder seine Gesichtsfarbe bemerkt. Nur noch ein Stift lag auf dem Boden herum. Der Dunkelgrüne, dessen Farbe beinahe so intensiv war wie Hikaris Augen. Aber eben nur beinahe. Mamoru griff beherzt danach. Gerade da schloss sich Hikaris Hand darum, und Mamoru, der nicht mehr rechtzeitig reagieren konnte, ergriff sie mit der seinen. Er fühlte die zarte Haut, die zerbrechlichen Finger, die sanfte Wärme. Er glaubte sogar, ihren Herzschlag spüren zu können; ein gleichmäßiges und kräftiges Pulsieren ging von seinen Fingerspitzen über seine Nerven genau in sein Gehirn und verankerte sich dort. Mamoru starrte fasziniert ihre Fingernägel an: sie waren dunkelblau lackiert. Eine Farbe, die wunderbar mit ihrer Augenfarbe harmonisierte. Sein Blick wanderte an ihrer Hand hoch, über ihren Arm hinweg, machte einen ganz kurzen Halt an ihren wohlgeformten Brüsten, erhob sich dann weiter, an ihrem zierlichen Hals entlang und blieb schlussendlich an diesen smaragdfarbenen Augen hängen. Sie sah ihm direkt in seine! Mamoru schluckte heftig. Sein Herz pochte wie wild und das Blut schoss ihm nur so in die Wangen. Graziös und überirdisch schön wirkte sie, fast wie von einer anderen Welt, als sie Luft in ihre Lungen sog, und dann den Mund öffnete, diesen wunderschönen Mund mit dem sanften, erdbeerfarbenen Lipgloss, um mit ihm, Mamoru, zu reden: "Würdest Du mich auch irgendwann wieder loslassen?" "Oh, ähm, ...natürlich", stotterte Mamoru und zog die Hand schleunigst wieder zurück. "Ääh, hier, Deine Stifte." Leicht zitternd hielt er ihr etwa die Hälfte ihres Mäppchens entgegen. Sie blies sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht, nahm die Stifte entgegen, meinte "Danke" und setzte sich zurück an ihren Platz. Wie auf Wolken schwebte Mamoru auf seinen Stuhl zurück und seufzte tief. "Sie hat tolle Brüste, nicht wahr?", flüsterte ihm Motoki zu. "Wie bitte???", meinte Mamoru entsetzt und starrte seinen Freund ungläubig an. "Tu nicht so. Ich weiß genau, wo Du hingeschaut hast. Bist ja ein richtiger Kavalier", antwortete Motoki mit einem Augenzwinkern. "Wie kommst Du darauf? Mann, Du redest nur Scheiße", tat Mamoru es ab, während die rote Farbe auf seinen Wangen wieder leicht zunahm. Mit allwissendem Geschichtsausdruck sah Motoki ihn von der Seite an. "Gib's doch zu: Du bist verliebt." "Himmel und Hölle, verdammt nein!" "Oh, doch! Und wie!" Nun, Motoki hatte Recht. Hikari war vor etwa vier Monaten in die Klasse gekommen, und Mamoru hatte sich schon im aller ersten Augenblick verknallt. Er hatte sich aber nie an sie herangetraut, und das hatte einen besonderen Grund... "Uh-oh!", machte Motoki, "da kommt Ärger." "Was? Wie?" Mamoru hatte viel zu spät bemerkt, dass Chikara auf ihn zugestürmt gekommen war. Geschmeidig, und mit der Grazie und Geschwindigkeit eines Panthers. Nun fühlte sich der arme Junge erneut hochgerissen und scharf angestarrt. "Was zum Teufel suchst Du bei meiner Freundin?", fragte der Blonde, in bedrohlich ruhigem Tonfall. "Ich, äh, hab ihr bloß geholfen. Wirklich!" Mamoru versuchte, sich dem Griff zu entwinden. Es blieb bei dem Versuch. "Niemand... nähert sich ihr. Verstanden? Niemand!" Das letzte Wort hatte Chikara ausgespieen, wie eine Kobra ihr Gift. Mamoru hatte nur eine Chance, das wusste er: er musste cool bleiben und die Nerven bewahren. Er wollte gleichgültig klingen. Er schaffte es nicht wirklich so ganz: "Wäre es Dir lieber gewesen, sie wäre auf dem Boden herumgekrochen? Ich denke, da ist es Dir dann doch lieber, wenn ich so höflich bin, und ihr etwas..." "zur Hand gehe" wollte er sagen, aber das ließ er dann doch besser. "...helfe" beendete er kläglich den Satz. Chikara knurrte wie ein Wolf. "Hör zu, Chiba. Wenn ich Dich noch einmal bei ihr erwische, mach ich Dich kalt." "Nun hör schon auf, Chikara. Lass ihn endlich", ertönte Hikaris engelsgleiche Stimme. Brummelnd ließ Chikara Mamoru los. Er wandte sich zu Hikari um und umarmte sie. Sie gingen zusammen zu den Fenstern, und Chikara redete auf Hikari ein. Mamoru konnte nicht wirklich viel verstehen, er hörte nur so was raus wie "dieser Schwächling", "kann nix, hat nix, is nix" und "gnade ihm Gott". Motoki stieß einen kurzen Pfiff aus. "Mein lieber Scholli, Du hast grad ganz schön Schwein gehabt. Ich dachte schon, der nimmt Dich auseinander." "Ach, und Du hättest Dir Popkorn besorgt und Chikara angefeuert? Oder hättest Du Dich eventuell irgendwann einmal dazu bequemt, mir..." "...zur Hand zu gehen?", unterbrach ihn Motoki grinsend, dem wohl der selbe Gedanke durch den Kopf gegangen war, wie Mamoru vorhin. Mamoru verspürte die fast unbändige Lust, seinem besten Freund eine Kopfnuss zu verpassen, doch gerade da klingelte erneut die Schulglocke, und Frau Hanabira, die ewig pünktliche Englischlehrerin, betrat den Raum. Sie war total in Ordnung, fand Mamoru. Sie war klein und flink, noch ziemlich jung für eine Lehrerin, und mit ihr konnte man sich gerne auch mal einen Spaß erlauben. Mamoru hatte ganz besonders großen Respekt vor ihr, weil er wusste, dass auch sie Karate trainierte, und einige Stufen über ihm war. Motoki lehnte sich zu Mamoru rüber und flüsterte: "Und Du bist doch in Hikari verknallt." Mamoru verdrehte die Augen. "Fängst Du schon wieder damit an?" "Jedenfalls war es schlau von Dir, diesen Mantel anzubehalten", meinte Motoki geheimnisvoll. "Was soll das schon wieder? Du weißt doch genau, dass ich andauernd friere." "Ja, ja, das würde ich jetzt auch sagen." "Wovon, zum Teufel, sprichst Du?", fuhr Mamoru ihn an. Er hatte diese Andeutungen satt. "Sagen wir so", grinsend suchte Motoki nach den passenden Worten, "mit dem Mantel hat man das knapp unter Deiner Gürtellinie für eine Falte halten können. Ohne den Mantel hätte es ein jeder klar als das identifizieren können, was es tatsächlich war: eine Latte. Ein dicker, fetter Ständer. Oh, Mann. Chikara hätte Dich durch den Fleischwolf gedreht." Mit offenem Mund starrte Mamoru den von einem Ohr zum nächsten grinsenden Motoki an. Gerade da wurden sie von Frau Hanabira ermahnt: "He, die beiden Herren auf den billigen Plätzen! Chiba! Furuhata! Würde es Sie sehr stören, wenn ich mit dem Unterricht fortfahre? Danke!" "Ja, ja, fahr Du nur fort. Weit fort", witzelte Motoki im Flüsterton, als sich Frau Hanabira wieder ihrer Arbeit zuwandte. Mamoru flüsterte ihm zu: "Wer Dich zum Freund hat, der braucht keine Feinde mehr." Als Antwort erntete er nur ein breiteres Grinsen. "Find ich auch. Feinde hast Du genug", meinte Motoki mit Seitenblick auf Chikara. "Musst Du mich dauernd an ihn erinnern?", stöhnte Mamoru leise vor sich hin. "CHIBA!", so riss ihn die Lehrerin aus dem Gespräch. "Was?", fragte er überrascht. "Was! Das heißt nicht ,was'! Wie sagt man da richtig?" "Hä?" Mamoru wusste ganz genau zu sagen, was Frau Hanabira von ihm verlangte, nämlich ein simples "Wie bitte?", aber so konnte er immerhin einige Trümpfe ausspielen und sich Sympathie-Boni in der Klasse sammeln. Er wurde auch prompt mit heiterem Gelächter belohnt. Frau Hanabira schlug theatralisch die Hände über dem Kopf zusammen. "Meine Nerven", murmelte sie, "würden Sie bitte einfach nur meine Frage beantworten?" "Die hab ich jetzt akustisch nicht verstanden, tut mir leid." Das war immer noch besser, als zuzugeben, dass er nicht aufgepasst hatte. Das hatte Frau Hanabira aber offensichtlich mitbekommen, wie man ihrem schmunzelnden Gesichtsausdruck ablesen konnte. "Hätten Sie die übergroße Güte, sie noch mal zu wiederholen?" "Ich würde gerne wissen, was ,übertreiben' heißt", versuchte es Frau Hanabira noch mal. "Das ist, wenn man zuviel macht", kam Mamorus Antwort wie aus der Pistole geschossen. Erneutes Gelächter. "Ich will keine Definition, ich will wissen, was es auf Englisch heißt." "Also, wenn Sie das schon nicht wissen..." Doch Mamoru merkte, dass es genug war mit dem Spaß, und so antwortete er endlich: ",Übertreiben' heißt ,exaggerate'." "Korrekt", meinte Frau Hanabira und atmete gekünstelt auf. "Geht doch." Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)