Anime Evolution von Ace_Kaiser (Erste Staffel) ================================================================================ Kapitel 11: Von Chancen und Schmerzen ------------------------------------- 1. Schweigend saß ich in dem Büro, meinen Kopf in den Händen gebettet und dachte nach. Dieser Ort, er war für mich immer etwas Besonderes, beinahe heiliges gewesen. Dies war Vaters Büro. Eikichi... Er war mir immer so mächtig vorgekommen, so gewaltig. Ich musterte das erstarrte Gesicht meines Vaters, den kleinen Kinnbart, die grauen Strähnen in seinem schwarzen Haar. Ob er ahnte, was gerade mit ihm geschah? Die wenigen aktiven Sanitäter an Bord hatten gesagt, dass die Herzen der Menschen binnen einer Stunde nur einmal schlugen. Das war schlimmer als Koma, ihr Zeitempfinden war drastisch reduziert worden. Ich verstand, was Kitsune mit unwirklich gemeint hatte. Die Sonde operierte mit KI-Energie. Geraubter Seelenenergie. Sie erzeugte ein gewaltiges Feld, in dem anderes KI in Resonanz trat. Und extrem verlangsamt wurde. Damit verlangsamte sich auch das zeitliche Empfinden der in ihm gefangenen Menschen. Ein langes, ein sehr langes dreiviertel Jahr würde kein Erwachsener, der älter als zwanzig Jahre war, den OLYMP betreten können, ohne das Risiko einzugehen, ebenfalls zu erstarren. Wir hatten den Angriff der Kronosier-Schiffe abgeschlagen. Aber konnten wir weitermachen? Fünfzigtausend Menschen dienten auf dieser Plattform. Sie waren alle erstarrt, bis auf fünf Hekatoncheiren und rund vierzig weitere Soldaten aus allen Bereichen. Dazu kamen ich und meine Freunde. Achtundvierzig für eine Aufgabe, die fünfzigtausend erledigt hatten. Das war Wahnsinn. Purer Wahnsinn. Dazu kamen die Schäden an ARTEMIS. Die Inspekteure waren noch bei der Bestandsaufnahme, aber die BISMARCK, die eigentlich das Flaggschiff der Marsmission sein sollte, war schwer mitgenommen worden, eigentlich völlig ausgebrannt. Es würde mehr als ein Jahr dauern, aus dem Wrack wieder ein Schiff zu machen. Bei der HINDENBURG und der GRAF SPEE sah es nicht viel besser aus. Sie waren lange nicht so übel erwischt worden, aber immer noch schwer genug. Ohnehin erschien mir der Angriff auf den Mars in weite Ferne gerückt. OLYMP war ausgeschaltet worden und damit die Versorgung der Menschheit mit Helium3. Einiges konnten wir über ARTEMIS leiten, aber längst nicht alles. Die Ironie war, dass das Feld nur auf Menschen wirkte. Nur auf Menschen. Die Technik funktionierte weiterhin. Und das war der Knackpunkt. Den Angriff auf den Mars konnten wir vergessen, falls die Kronosier eine weitere Sonde dieser Art in Besitz hatten. Jedes Schiff, das in dieses Feld geriet, würde mit Minderjährigen besetzt sein müssen. Verdammt, die UEMF bestand eben NICHT aus Kindern wie Daisuke und mir. Es waren gut ausgebildete Soldaten und Offiziere aus aller Welt, die mit ihrem Herzen und ihrem Verstand und guten Jahren an Ausbildung die Menschheit verteidigen wollten! Ich erhob mich langsam, ging auf meinen Vater zu. Er sah direkt auf seinen Computerbildschirm. Seine Hände lagen auf der Tastatur. Er hatte sogar während des Angriffs gearbeitet. Wie hatte ich jemals schlecht über ihn denken können? Zögerlich berührte ich seine Wange. Sie war kühl, aber nicht kalt. Für die Opfer der Sonde würde sich nichts ändern. Am Ende der neun Monate, wenn das Feld erlosch, würden für sie bestenfalls fünf Minuten vergangen sein. Eher weniger. "Vater", hauchte ich. "Was soll ich tun? Was soll ich tun?" "Zentrale hier. Sind Sie im Büro des Commanders, Colonel Otomo?" Ich aktivierte die Verbindung. "Otomo hier. Sprechen Sie." "Lieutenant Honda ist nun da und fährt zusammen mit Lieutenant Colonel Ino im Fahrstuhl zum OLYMP hoch." "Sehr gut. Wir können jede helfende Hand gebrauchen. Wir... Moment mal, Sakura macht was?", blaffte ich. "Lt. Colonel Ino sagte, sie hätte Befehl, Lieutenant Honda zu begleiten, Sir. Ist das falsch?", kam die ängstliche Frage. "Natürlich ist das falsch! Sie ist in der Grauzone!", erwiderte ich scharf. Grauzone, jener Bereich zwischen einundzwanzig und vierundzwanzig, in denen das Feld auf die Menschen wirken konnte, aber in manchen Fällen nicht tat. Was fiel diesem Biest ein? "Stellen Sie mich in den Fahrstuhl durch!" "Sofort, Colonel. Verbindung steht." "Sakura, was zum Teufel tust du da? Warum kommst du in das Feld?", rief ich erzürnt. "Erstens kannst du jede Hilfe brauchen, die du da oben kriegen kannst", erwiderte sie ernst. "Und zweitens will ich Thomas wieder sehen. Auf ihn wirkt das Feld nicht." "Du hast nur eine Chance drei zu eins gegen dich, Sakura", erwiderte ich. "Wenn du erstarrst, nützt du uns gar nichts." "Es ist zu spät. Der Fahrstuhl kann nicht mehr gestoppt werden. Ich bin in fünf Minuten oben", erwiderte sie leise und ich konnte ihr schelmisches Grinsen direkt vor mir sehen. "Wenn es dich erwischt, Sakura, dann ziehe ich deinem erstarrten Körper den Hosenboden dermaßen stramm, dass du es die vollen neun Monate spürst", brummte ich ärgerlich. "Hast du schon mal mit einem Psychologen über diese sexuellen Phantasien gesprochen, Akira-chan?", konterte sie. Ich schüttelte den Kopf. So war sie eben. Meine Cousine. Für einen Moment wusste ich, dass sie nicht erstarren würde. Im nächsten hoffte ich es nur. "Daisuke. Wir beide müssen uns ebenfalls unterhalten." "Hey, Akira-san, ich habe davon nichts gewusst. Ich bin vollkommen unschuldig. Außerdem ist Ino-sensei meine Vorgesetzte und..." "Nicht deswegen", beruhigte ich ihn. "Nicht deswegen. Ich empfange euch am Fahrstuhl." Mit einem letzten Blick in Richtung Vater verließ ich das Büro. Merkwürdig. Hatte ich nicht einen komischen Schimmer gesehen, als ich die Tür geschlossen hatte? ** Als sich die Fahrstuhltür öffnete, fühlte ich, wie sich mir das Herz verkrampfte. Daisuke stand mit gesenktem Kopf da und murmelte eine Entschuldigung. Sakura war erstarrt. Sie sah an mir vorbei ins Leere. "Dummkopf", murmelte ich. "Du Dummkopf. Auf der Titanen-Station hättest du uns doch auch genützt. "Ich mach doch nur Spaß", sagte sie plötzlich und grinste mich an. "Tut mir Leid, Akira-san, ich wollte sie noch aufhalten", murmelte Daisuke. Ich spürte, wie die Wut in mir zu kochen begann. Zornig und mit gerötetem Gesicht trat ich auf meine Cousine zu, die zum ersten Mal in ihrem Leben vor mir zurück wich. "Äh, Akira-chan. Nur Spaß. Du verstehst?" Ich trieb sie vor mir her bis an die Wand des Lifts. Übergangslos schloss ich sie in die Arme. "Sakura. Mach doch nicht solche Sachen mit mir. Ich hatte gerade wirklich Angst um dich. Wie kannst du so etwas tun? Ich dachte, mein Herz bleibt stehen." Überrascht starrte sie mich an. "Es tut mit Leid, Akira-chan." Langsam löste ich mich wieder von ihr. "Mach so was bitte nie wieder, ja?" "Das kann ich dir nicht versprechen", erwiderte sie mit einem aggressiven Grinsen. Mist, wie hatte sie so schnell wieder Oberwasser bekommen können? "Na, wer macht sich denn da an meine Freundin ran?", hörte ich Snipers Stimme hinter mir. "Thomas!", rief meine Cousine, stürzte an mir vorbei und fiel dem Mecha-Piloten in die Arme. Der arme Junge war mehr als überrascht. "Moment, Sakura. Moment." "Ich dachte, dich hat es auch erwischt. Ich dachte, ich sehe dich das nächste dreiviertel Jahr nur als Statue", hauchte sie und starrte den Deutschen aus großen, traurigen Augen an. "Nun", sagte ich leise, "da dieses Abenteuer gut ausgegangen ist, widmen wir uns wieder unserer Arbeit. Sie, Sniper, bleiben hier solange stehen, wie Lieutenant Colonel Ino es wünscht, verstanden?" Verzweifelt sah Sniper mich an. "Sir. Das kann Stunden dauern." "Und Sie sollten jede Sekunde davon genießen", erwiderte ich grinsend. "Wenn nicht, denke ich vielleicht doch noch darüber nach, was es bedeutet, dass sie und ich nicht blutsverwandt sind." "Was?", rief er überrascht und umarmte meine Cousine erschrocken. "Genau so", brummte ich mit einem amüsierten Grinsen. Ich winkte Daisuke, mir zu folgen. Es war ein merkwürdiges Schauspiel. Wir begegneten auf den Gängen hunderten Leuten. Soldaten, Technikern, Ingenieuren. Männern und Frauen. Aber alle waren genau in der Pose erstarrt, die sie inne gehabt hatten, als das Feld sie erfasst hatte. Es war, als würde man durch ein gigantisches Puppentheater gehen. "Es sieht schlimm aus", murmelte Daisuke. "Aber vermutlich dürfen wir dankbar dafür sein, dass die Kronosier den OLYMP nicht schon ausgeschaltet hatten und die Waffe hier eingesetzt haben. Anstatt auf ARTEMIS, wie es geplant gewesen war." Ich hob fragend die Augenbrauen. Daisuke winkte ab. "Sakura, ich meine Ino-sensei hat mich in den längsten acht Minuten meines Lebens informiert." "Gut. Dann weißt du ja um die Scheiße, in der wir drin stecken." "Bis zum Hals. Und der Boden ist noch nicht erreicht." Ich hielt an. Daisuke prallte gegen mich und stoppte dann. "Kumpel, hör mal. Ich will von dir eines wissen. Kommst du mit?", fragte ich ernst. "Ich folge dir doch, oder etwa nicht?", murmelte er. Ich drehte mich um und sah ihm in die Augen. "Kommst du mit? Bis zum bitteren Ende? Ganz bis zum Schluss? Durch das ganze Chaos?" Daisuke musterte mich einige Zeit. Schließlich nickte er. "Ja, Akira-san. Ich komme mit. Bis zum bitteren Ende." "Danke", sagte ich erleichtert. "Das bedeutet mir viel." Wieder setzten wir uns in Bewegung. In der Zentrale angekommen sagte ich: "Du wirst einen Hawk fliegen um die Station zu verteidigen. Aber wenn du das nicht tust, übernimmst du diese Zentrale. Da wir knapp an Leuten sind, bediene bitte die Kommunikation." "Verstanden." Ich nickte ihm noch einmal dankbar zu und ging wieder in Vaters Büro. "Colonel, ich habe hier eine Direktverbindung von Commander Thomas von der ARTEMIS-Plattform." "Durchstellen", sagte ich leise. Die Stimme meines alten Lehrmeisters erklang. "Akira. Geht es dir gut?" "Ja, Sensei. Den Umständen entsprechend. Was kann ich für dich tun?" "Was kannst du für mich tun? Was ich für dich tun kann, das ist hier die Frage. Ich habe fünfhundert Freiwillige auf meiner Plattform, die zu dir überwechseln wollen. Alle sind durch die mehrfache Prüfung gegangen und werden dir da drüben helfen so gut es geht. Sie sind alle unter einundzwanzig. Dazu kommen dreiundachtzig Freiwillige in der Grauzone, aber ich würde das Risiko ungern eingehen, sie alle in Statuen zu verwandeln. Oder auch nur einen Teil." "Das sind bessere Nachrichten, als ich erwartet habe." Nachdenklich setzte ich mich in den Besuchersessel des Büros und faltete die Hände ineinander. "Soweit die guten Nachrichten, Akira-kun. Jetzt kommen die Schlechten. Ein Großteil des Rates und dein Vater sind da oben gefangen. Deshalb diskutiert man nun in der Führungsspitze über eine Neuverteilung der Aufgaben. Die Amerikaner machen bereits mächtig Druck und wollen ihren Außenminister als neuen Commander der Erdverteidigung etablieren. Die Deutschen stehen noch hinter dir, aber die Franzosen und Russen haben ebenfalls eigene Kandidaten. Die Lybier und die Nil-Anrainer kochen ebenfalls ihr eigenes Süppchen und sprechen von religiöser Diskriminierung. Es brodelt an allen Ecken und Enden, vor allem, da die Südafrikaner und die Inder nun darauf pochen, dass einer der Ihren einen der Kreuzer kommandieren soll." Ich schlug die Hände vor mein Gesicht. Diese Hyänen. Eikichi war nicht einmal tot, und schon kamen sie zum Leichenschmaus. Wenn sie so weitermachten, würde die gesamte Erdverteidigung im Chaos enden. Die UEMF würde auseinander brechen. Und der nächste Angriff würde uns brechen... "Jerry", hauchte ich leise, "du musst mir einen Gefallen tun. Vertraust du mir?" "Natürlich vertraue ich dir. Ich habe dich ausgebildet", antwortete der Ältere entrüstet. "Bestätigst du mich in meinem Kommando?" "Was?" "Ich habe den Oberbefehl über OLYMP übernommen. Damit habe ich Eikichis Posten und den Vorsitz über die Erdverteidigung. Mir schmeckt das nicht, aber verdammt, Jerry, bevor alles auseinander diskutiert wird, müssen wir etwas tun. Wenn das Feuer jetzt nicht erstickt wird, dann wird es ein Flächenbrand." Schweigen antwortete mir, eine sehr lange Zeit. "Jerry?", fragte ich mit Angst in der Stimme. "Moment, hetz mich nicht. Ich stelle gerade ein Schreiben auf, indem ich dich bestätige. Viel helfen wird es aber nicht. Ohne den Rat oder deinen Vater können dich die UEMF immer noch klein reden, Blue Lightning hin, Blue Lightning her." "Ich weiß ja, ich weiß!", rief ich wütend. "Aber habe ich eine andere Wahl?" Müde massierte ich meine Nasenwurzel. "Den Angriff auf den Mars können wir wohl erstmal vergessen. Das Wichtigste ist nun, den OLYMP wieder zum laufen zu bringen. Wir brauchen die Fahrstühle, wir brauchen die Werften. Wir brauchen junge Leute. Es wird doch weltweit genügend Angehörige des UEMF geben, um diese Plattform wieder funktionieren zu lassen?" "Ich jage es bereits durch meine Computer. Aber erwarte nicht zuviel. Du willst dir immerhin keine kronosischen Agenten an Bord holen, also werden die meisten potentiellen Kandidaten mehrfach durchleuchtet werden, bevor sie überhaupt die Titanen-Station sehen können." "Ich weiß ja, ich weiß. Der einzige Ort auf der Welt, wo es genügend junge Leute gibt, die bereits mehrfach durchleuchtet wurden ist... Vergiss es, keine Soldaten. Jerry, ich brauche mehr, noch viel mehr. Taste bei den aktiven Kapitänen vor. Frage sie, ob sie mich unterstützen. Wenn sie zu mir stehen, dann kann ich die UEMF eine Zeitlang beschwichtigen." "Ich leite es in die Wege. Aber du weißt, du brauchst jede verdammte Stimme, die für dich spricht." "Worauf willst du hinaus?", fragte ich gereizt. "Es wird Zeit, Akira. Es wird Zeit für dich." "Ich wusste, dass dieser Tag eines Tages kommen würde", murmelte ich leise. "Tu es." "Ja. Es tut mir Leid, Akira-kun. Es tut mir so Leid", hörte ich ihn mit ehrlichem Bedauern sagen. Ich ließ mich verzweifelt nach vorne sinken. "Warum springe ich nicht gleich aus einer Luftschleuse?" "Nun übertreib mal nicht. Vergiss nicht, für wen du das alles tust, ja? Commander Thomas aus." Nun war es geschehen. Die Identität des Piloten Blue Lightning würde offenbart werden. Die Identität, seine Leistungen, seine Schlachten, diverse Auszeichnungen, familiärer Hintergrund. Einfach alles. Ich hoffte inständig, dass es helfen würde, die Welt zu retten. "Colonel", erklang Daisukes Stimme. "Admiral Richards von der UEWN ENTERPRISE fragt gerade an, ob er mit seinem Mecha-Träger die Verteidigung des OLYMP verstärken soll." "Gib ihn mir durch. Admiral, hier ist Colonel Otomo. Sir, ich bin dankbar für Ihre Hilfe und ich könnte sie auch gebrauchen. Aber Sie sollten sich mit Ihrer Regierung in Verbindung setzen und deren Entscheidung abwarten." "Jetzt hör mir mal zu, mein Junge. Ich sage dir was. Ich diene in der Navy seit dreißig Jahren und habe es zu diesem Kommando geschafft, weil ich nie Mühen gescheut habe. Aber in all der Zeit habe ich nicht einmal annähernd soviel erlebt oder durchmachen müssen wie du. Denkst du nicht, dass jeder Brocken Last, den man dir von der Schulter nimmt, gut ist? Richte deine Strategie darauf ein, dass die Mechas der ENTERPRISE ab sofort weite Sicherung um den OLYMP einnehmen. Ich rouliere meine dreißig Mechas in Achtstundenschichten." "Ihre Regierung dürfte etwas sauer werden", warf ich ein. "Junge", sagte der Admiral leise, "es gibt jetzt nichts Wichtigeres als den OLYMP und damit die Erde zu verteidigen. Wenn meine Regierung das nicht einsieht, werde ich sie dazu zwingen!" Ich schwieg überrascht. Ich hatte viel erwartet, aber nicht gerade die Unterstützung der Amerikaner. "Colonel Otomo", fuhr der Admiral fort. Ich bemerkte die veränderte Anrede. "Colonel. Wir haben bereits einmal zusammen gedient. Damals war ich noch Kapitän dieses Schiffes. Die Kronosier haben New York angegriffen und die Linien meiner Jets durchbrochen. Ich sah die Stadt schon in Flammen aufgehen, da kamst du mit zwei Dutzend Russen und einer Staffel in Kanada stationierter Deutscher. An dem Tag hast du die Stadt gerettet. Und als ich mein Bestes gab, um alle Jets zu unterstützen, die da durch die Luft kurbelten, da begriff ich eines. Wir werden entweder zusammen siegen. Oder getrennt fallen. Vergiss die Politik. Ich tue das, was richtig ist. Admiral Richards Ende und aus." Einer. Das war nur einer von vielen. Ein Mecha-Träger, mehr nicht. Dennoch war ich tief berührt von den Worten des Admirals. Für einen Moment spürte ich einen gewissen Stolz in mir. "Einkommende Anfragen", erklang wieder Daisukes Stimme. "Die YAMATO, die KOBE und die AKAGI sowie die MIDWAY und die WESTPOINT erbitten Befehle." Fünf Schiffe. Immerhin. "Keine besonderen Anweisungen. Sie sollen normalen Dienst verrichten." "Verstanden, Colonel. Und was soll ich der LOS ANGELES und der KAZE sagen? Beide Schiffe wollen mit voller Fahrt vom Mond rüber kommen, um die Verteidigung der Erde zu verstärken." Überrascht sah ich auf. Sieben Schiffe. Sieben! "Negativ. Sie sollen weiterhin die Frachterrouten patrouillieren. Wir brauchen die Erze und das Helium3." "Commander Sikorsky ist nun in der Leitung. Himmel, das hört ja gar nicht mehr auf!" "Durchstellen. Was kann ich für Sie tun, Commander?" "Was kann ich für Sie tun, Colonel? Hier unten sind einhundert Freiwillige, die unbedingt zu Ihnen hoch wollen. Dazu kommen elf aus der Grauzone, die es gerne riskieren möchten. Ich schicke sie Ihnen gerne hoch." "Danke. Ich bedanke mich. Wir können jede zusätzliche Hand gebrauchen." "Haben Sie sonst noch Befehle für mich, Colonel?", fragte Sikorsky in geschäftsmäßigem Ton. Mir schnürte sich die Kehle zu als ich erkannte, was er wirklich gesagt hatte. "Nein, Commander. Versehen Sie Ihren Dienst wie bisher. Otomo Ende." Langsam erhob ich mich und ging um den Schreibtisch herum. Gut, ich hatte jetzt Unterstützung. Zwei der drei Kommandeure der anderen Plattformen standen hinter mir. Übergangslos spürte ich das Gewicht, von dem der Admiral gesprochen hatte. Ich fühlte es schwer auf mir lasten, mich in die Knie drücken. "Vater", hauchte ich, "kann ich das schaffen?" Wieder sah ich dieses Leuchten, das mir schon zuvor aufgefallen war. Eikichis Finger glühten für einen Moment auf und bewegten sich dabei wie in Zeitlupe auf der Tastatur vor sich. Erstaunt sah ich Eikichi an. Er konnte sein KI konzentrieren? Ich sah auf den Bildschirm. Vater nutzte sein KI, um die Trägheit des Feldes zu überwinden. Er schrieb etwas! Für den Vorgang hätte er normalerweise Wochen gebraucht, aber beschleunigt durch das KI schaffte er einen Buchstaben in der Stunde. "Hiermit...", las ich bedächtig. "Vater, was soll das werden? Was willst du schreiben?" Eikichi wusste es! Er wusste, was mit ihm passiert war! Übergangslos verließ ich sein Büro. 2. Nach anstrengenden zwanzig Stunden Dienst auf OLYMP hatte ich mir die Freiheit genommen, Zuhause in meinem eigenen Bett zu schlafen. Ich erinnerte mich noch dunkel daran, dass mir applaudiert worden war, als ich auf die Titanen-Plattform herab gekommen war. Wie ich einigen die Hände hatte schütteln müssen. Ich erinnerte mich daran, wie vier Hawks der ENTERPRISE meinen Hubschrauber bis in den japanischen Luftraum begleitet hatten. Und wie ich dort von einer Staffel HAWKEYE übernommen worden war. Danach wusste ich nur noch, dass ich so wie ich war in mein Bett gefallen war und schon geschlafen hatte, bevor ich die Decke berührt hatte. Es war ein traumloser Schlaf gefolgt, aus dem ich schon vier Stunden später, mehr gerädert als erholt erwacht war. Dennoch quälte ich mich hoch. Ich hatte eine gute Zeit erwischt, es war später Nachmittag. Meine Mitbewohner waren alle daheim. Ich grüßte sie müde, als ich am Wohnzimmer vorbei kam. Merkwürdigerweise ignorierten sie mich. Die ganze Bande hing am Fernseher und kommentierte was sie sah mit staunenden Ohs und Ahs. Doch das kümmerte mich nicht wirklich in diesem Moment. Ich bevorzugte eine heiße Dusche anstatt einer Erklärung. Als ich fertig war, fing mich Yoshi auf dem Flur ab. "Akira. Du wirst doch nicht ohne mich gehen, oder?" Ich musterte den Freund erstaunt. "Ohne dich? Hör mal, du bist nun offiziell als Ensign der UEMF eingestuft. Du hast den neuen Schichtplan und steigst zusammen mit Mako in einen Eagle, um den OLYMP zu verteidigen." "Das meine ich nicht", sagte Yoshi und grinste überlegen. "Ich rede vom Angriff auf den Mars." Sprachlos starrte ich ihn an. Schließlich schüttelte ich den Kopf. "Es... wird auf lange Zeit keine Marsmission geben, Yoshi." "Mag sein, mag sein. Aber falls doch, denk bitte daran, das ich auch noch da bin, ja?" "Meinetwegen. Gibt es denn überhaupt jemanden, der dich jemals kennen gelernt hat und dich vergessen konnte?", scherzte ich. "Nur Ino-sensei", erwiderte er amüsiert. Wir betraten zusammen das Wohnzimmer. Ich orientierte mich kurz. Megumi saß zwischen Sakura und Akari, daneben hockte Kei und stieß Doitsu wegen irgendwelcher nervigen Zwischenfragen an. Und Großvater unterhielt sich leise mit Lilian. Noch immer müde ließ ich mich am Tisch nieder. "Nabend", brummte ich leise. Moment mal, Großvater? "Opa! Was machst du denn hier?", rief ich überrascht. Michael Berger grinste mich an. "Ich besuche meine Enkel. Ist das verboten?" Ich musste mich für einen Moment am Tisch festhalten, um das Schwindelgefühl los zu werden, welches mit überfiel. Opa Michael, der deutsche Vater meiner Mutter. Er und Oma Eri lebten seit vierzig Jahren in Kanada und waren dort für ein japanisches Unternehmen tätig. So hatten sie sich kennen gelernt. So waren sie zusammen gekommen. Und durch Omas japanische Familie, die Yodamas, hatten sich dann Eikichi und Helen kennen gelernt. "Opa, es ist ja nett von dir, dass du mich besuchst, aber die Zeit ist gerade sehr schlecht. Wir haben gerade mächtig viel Ärger und..." "Ich weiß. Du musst den OLYMP von Eikichi übernehmen. Ich ahnte, dass so etwas passieren würde, nachdem du wieder in einen Mecha gestiegen bist. Du bist ein Unsicherheitsfaktor, den die Kronosier eben nicht ignorieren können. Wahrscheinlich hast du all ihre Pläne alleine dadurch durcheinander gebracht, weil du wieder in einem Mecha sitzt." Der grauhaarige Deutsche grinste mich an. "Wo-woher weißt du das alles, Opa?" "Ach, weißt du, wenn man zu dem Konzern gehört, der ein Viertel des Helium3 vom Mond kauft, raffiniert und weiterverarbeitet, baut man ein paar nützliche Kontakte auf. Ich bin eigentlich immer sehr gut darüber informiert, wie es dir, Eikichi und Yohko geht." Entsetzt starrte ich ihn an. War das das erste Einsetzen von Altersschwachsinn? "Yohko ist...", sagte ich und schluckte hart. Michael tätschelte Lilian den Kopf. "Sie ist ganz schön groß geworden, oder? Und dann dieser Einfluss der Gift, das lässt sich vielleicht nie wieder rückgängig machen. Aber das Weißblond steht ihr, findest du nicht?" "Was redest du da?", rief ich erschrocken. Megumi starrte erst mich, dann Lilian wie Geister. "Was? Yohko? Aber... Wir sahen sie sterben!" Michael drückte Lilian an sich, die verwirrt zu dem großen Deutschen aufsah. "Michael-sama?" Der griff neben sich und holte eine Akte hervor, die er schwungvoll auf den Tisch warf. "Hier, alle Berichte und Erkenntnisse, die es über die Gift gibt. Agent Valjean war in seiner Tarnidentität so erfolgreich, dass man ihm die Gift gewährte. Defacto die Umprogrammierung der eigenen DNS durch Retroviren." "Umprogrammieren in was?", fragte ich mit Entsetzen in der Stimme und starrte Lilian an. Geahnt hatte ich es schon eine ganze Zeit. Die Anspielungen waren einfach zu viel und zu eindeutig gewesen. "Na, in was wohl?", meldete sich Kitsune zu Wort. Ich zuckte zusammen. "Wo kommst du denn plötzlich her?" "Von draußen, woher sonst? Oder willst du wissen, wie ich entstanden bin? Also, wenn sich eine Fuchsdämonin und ein Fuchsdämon sehr, sehr lieb haben, dann..." Eine Faust landete auf ihrem Kopf und die Füchsin zuckte zusammen. "AUTSCH. Blöder Wolf!" "Bleib bei der Sache. Michael-tono, entschuldige die Unterbrechung." "Nicht doch, nicht doch, Okame-tono. Lass Kitsune-chan ruhig fortfahren", brummte der alte Mann amüsiert. Damit bekam Kitsune wieder Oberwasser. Sie grinste in die Runde. "Die Kronosier machen es sich sehr einfach, um sich die Loyalität ihrer Leute zu sichern. Sie setzen sie nicht einfach über die Menschen, die sie beherrschen wollen. Sie benutzen bei einigen eine Kur mit Retroviren, um deren DNS umzuschreiben. In Kronosische DNS. Also, wenn ihr so wollt, steigen diese Menschen auf eine Stufe mit den Kronosiern. Sie werden Kronosier. Kann man leichter sicher gehen, dass die Untergebenen einem treu bleiben?" Erstaunt keuchten die Anwesenden am Tisch auf. Auch ich glaubte, in einen bodenlosen Abgrund zu stürzen und stützte mich schwer am Tisch ab. Nur Michael lächelte verhalten. "Verdammt, das bedeutet ja, dass die Kronosier eigentlich nur einen einzigen von ihrer Art zu schicken brauchen, ausgestattet mit Know How und genügend Technik für den Start. Und dann braucht dieser Kronosier", hauchte Yoshi, gefangen in Ärger und Ehrfurcht, "nur genügend Zeit, um eine Welt wie die Erde zu erobern." "Das ist richtig. Aber wir nehmen an, dass es am Anfang etwa hundert Kronosier waren, die auf dem Mars eine erste Station eingerichtet haben. Aber nach und nach wurden es mehr", fügte Michael hinzu. "Wir?", fragte ich überrascht. "Der UEMF-Geheimdienst. Wer sonst sollte über diese Information verfügen?", erläuterte er. "Und Agent Valjean hat die Gift erhalten", murmelte Yoshi und schüttelte den Kopf. "Agent Valjean, Akiras Lieblingsfeind Taylor vielleicht. Und unsere kleine Yohko hier auch. Aber ihre Behandlung wurde mittendrin abgebrochen. Deshalb hat sie eine merkwürdig gemixte DNS und nur einige Merkmale der Kronosier übernommen wie die Haarfarbe." Lilian starrte Großvater an. Sie legte beide Hände vor die Brust. "Was? Ich? Ich..." Michael tätschelte ihren Kopf. "Lilian-chan, woran erinnerst du dich, wenn du an den Mars denkst?" "Da... Da ist nicht viel. Ich meine, da war die Einweisung auf den Delta, das Missionsbriefing und ansonsten nur diese merkwürdige Farbe um mich herum. Das Gefühl, zu schweben und dieses rote Licht um mich herum. Nein, es war eher bernsteinfarben. Tut mir Leid, aber mehr weiß ich davon nicht." Entsetzt war ich aufgesprungen. "Das klingt nach einem Biotank", hauchte ich. "Aber... Aber... Wir haben es doch gesehen! Wir sahen doch, wie sie in der Faust des Mechas in die Flammenglut hinab gerissen wurde!", rief Megumi und erhob sich ebenfalls. Auch Makoto sprang nun auf. "Yohko?" "Denkt doch mal nach! Taylor hat überlebt und ein halbes Jahr im Biotank verbracht! Yohko muß in der Faust einigermaßen geschützt gewesen sein. Ihre Zeit im Biotank aber muß viel länger gewesen sein, vielleicht Jahre. Vielleicht wurde sie nur heraus gelassen, um diesen Angriff zu fliegen? Vielleicht hat man ihr die Gift nur gegeben, um ihr das Leben zu retten?", sagte ich leise. Ich spürte wie mir die Tränen die Wangen herab liefen. "Vielleicht haben die Kronosier ihr Gedächtnis gelöscht?", fragte Megumi mit Entsetzen in der Stimme. Ich begann am ganzen Leib zu zittern. Yohko. Ich hatte es geahnt, aber ignoriert so gut ich konnte. Neben mir sackte Yoshi der Kiefer herab. "Das Gedächtnis gelöscht? Na, das ist aber kein Problem. Darf ich, Michael-tono?", fragte Kitsune fröhlich. Opa nickte. "Nur zu, nur zu. Ich hätte dich ohnehin danach gefragt." Die Füchsin rutschte zu Lilian herüber. "Keine Angst, das tut nicht weh." Sie legte beide Hände auf ihre Stirn. Übergangslos umgab die Hände ein weißer Schimmer, der sich schnell ausbreitete und schließlich den ganzen Raum erfüllte. "Und?", fragte die Daimon freundlich. "Erinnerst du dich?" Lilians entsetzter Blick traf und fixierte meine Augen. Ich spürte, wie sich mein Körper verkrampfte. Diese Augen, dieser Blick. Yohko. Yohko! YOHKO! "Yohko-chan", hauchte Megumi und brach in Tränen aus. "Cousinchen!", rief Mako, kam so schnell es ging um den Tisch herum und umarmte sie. Dies war auch das Zeichen für Megumi, zu ihr zu gehen und sie an sich zu drücken. "Yohko-chan! Yohko-chan! Ich dachte, ich hätte dich verloren." "Megumi-nee-chan", hauchte Lilian. "Mako-nii-chan." Übergangslos rauschte meine Faust auf den Tisch nieder und zerschlug die Platte. Die Blicke alle Anwesenden richteten sich auf mich. Ich senkte den Blick. Tränen quollen hervor und benetzten die zersprungene Tischplatte. "Ich bitte um Vergebung, Schwester. Ich bitte um Vergebung, dass ich dich da alleine gelassen habe. Das ich dich aufgegeben habe." Ich erhob mich und verließ den Raum. "O-nii-chan!", rief Lilian mir hinterher. Oder sollte ich lieber Yohko sagen? Kurz ging ich in mein Zimmer, nahm mein Katana und die alte Lederjacke. Danach verließ ich das Haus. Warum lief ich weg? Meine Schwester war wieder da. Meine Schwester, die ich nicht hatte retten können. Die von meinem Feind geheilt worden war. Ich grinste kalt. Taylor hatte sie mir tatsächlich zurück geschickt. Dieser Bastard, ahnte er auch nur, wie tief ich in seiner Schuld stand? ** Ich wählte bewusst einen Kurs weitab des Publikums, die Einsamkeit. Ich brauchte Ruhe und Zeit zum nachdenken. Warum war ich wirklich fort? Hatte ich wirklich Gewissensbisse, weil ich Yohko für tot gehalten hatte? Nun, damals konnte ich noch nichts von der überlegenen Biotechnologie der Kronosier wissen, bis ich sie am eigenen Leib gespürt hatte. Ich betrat einen der vielen Parks und ließ mich auf einer Bank nieder. Mir hatte man meine Erinnerung geraubt und ein Jahr meines Lebens. Aber Yohko hatte man drei gestohlen, ihr eine Bombe auf den Rücken geschnallt und losgejagt um die Titanen-Plattform hoch zu jagen. Unwillkürlich verkrampften sich meine Hände. Neben mir hielten mehrere Motorräder und ließen die Motoren aufheulen. Ich sah auf. Eine Gang, schon wieder? Meine Hand glitt zu dem Katana neben mir. "Akira-sama!", rief der Anführer, stieg von seinem Bike und nahm den Helm ab. Ich erkannte ihn wieder, es war der Dicke von neulich. "Akira-sama. Nein, Colonel. Ich bin froh, dass wir uns erneut treffen. Das gibt mir Gelegenheit, mich noch einmal für mein unbedachtes Verhalten letzten Monat zu entschuldigen. Wenn ich daran denke, dass Blue Lightning wegen mir beinahe zu Schaden gekommen wäre..." Der Dicke verneigte sich vor mir. "Bitte nehmen Sie meine Entschuldigung an." Verwirrt registrierte ich, dass auch die anderen Bandenmitglieder abstiegen, die Helme abnahmen und sich verneigten. "Nanu?" Der Dicke grinste mich an. "Nun, Akira-sama, wir... mögen ein wenig abseits der normalen Gesellschaft stehen. Aber dennoch ist uns diese Gesellschaft tausendmal lieber als eine, die von den Kronosiern bestimmt wird. Wir wissen sehr wohl zu schätzen, was Akira-sama und Megumi-sama für uns geleistet haben." "Ich bin nicht sicher, ob ich das verdiene", murmelte ich leise. "Warum solltest du nicht? Du hast Gestern deinen zweihundertsten Daishi vernichtet. Du bist das Top-Aß der Streitkräfte", sagte Yoshi leise und trat zu mir heran. Sein Bogen war nicht gespannt, aber er hielt mit dem Bogen auch einen Pfeil in der Rechten. "Yoshi-kun!", erkannte der Anführer erstaunt. Der Freund grinste den Dicken an. "Hallo, Tetsu. Ihr kennt euch?" Der Dicke wurde rot. "Ja, auf eine gewisse Weise." Yoshi zog die Augenbrauen hoch. "Muss ich oder will ich das nicht verstehen?" "Äh", machte der Dicke und verneigte sich erneut. "Wie dem auch sei, wir wollten Akira-sama nur viel Glück wünschen. Er hat unsere volle Unterstützung." Er sah nach hinten und gab eine leise Anweisung. Die Biker saßen wieder auf und verließen den Park. "Du kennst ihn?", fragte ich nachdenklich. "Wie man es nimmt. Er hat früher auf mich aufgepasst, als ich noch nicht ganz so groß und stark war. Eigentlich war er immer ein sehr netter Kerl. Bis seine Mutter beim Angriff auf Tokio verletzt wurde und später starb. Dadurch rutschte er auf... Nun, eine merkwürdig schiefe Bahn. Wenn du so willst, sind die Kronosier daran schuld." Ich nickte schwer. "Die Kronosier sind an so vielem schuld, Yoshi. An so vielem. Wegen ihnen habe ich kein Leben mehr. Und ich habe meine Schwester verprellt, kaum dass sie in mein Leben zurückgekehrt ist." "Ach, die Sache mit der Tischplatte", brummte Yoshi amüsiert. Hinter mir erklang ein leises Knacken. "Peng. Aki-chan, du bist tot." Yoshi und ich sahen zurück. Tatsächlich stand Joan Reilley hinter mir. In der Hand hielt sie ein skurril verdrehtes Scharfschützengewehr. "Du solltest vorsichtiger sein, Aki-chan. Wenn ich nicht gewesen wäre..." Sie ließ sich neben mir auf die Bank fallen. "Das ist doch hoffentlich ein Dankeschön wert." "Dankeschön?" Joan griff mir in den Nacken, zog mich zu sich heran und küsste mich sanft. "Ich dachte eher an so etwas, Aki-chan." Yoshi räusperte sich. "Geht es noch? Hallo, ich bin auch noch da." "Du kriegst keinen", wies sie ihn lächelnd zurecht. "So meinte ich das nicht. Hey, es gibt hier auch Menschen auf der Bank, die nicht die Gelegenheit haben, hübsche Frauen zu küssen. Also beschränkt das bitte auf ein Minimum." "Du kannst ja gehen", antwortete sie zwinkernd. "Was? Jetzt, wo alle Welt weiß, dass Akira Blue Lightning ist? Wo jeder Möchtegernattentäter im Telefonbuch seine Adresse nachschlagen kann? Wo er keinen einzigen Schritt ohne einen Hawk als Begleitschutz tun sollte? Wo er womöglich mit dir allein ist? Kommt überhaupt nicht in Frage. Wer weiß, was Ihr zwei dann anstellt!" "Also, ich hätte da durchaus ein paar Ideen", hauchte sie mir ins Ohr. Ihre Linke glitt unter meine Jacke. Übergangslos wurde sie ernst. "Ich habe gehört, was passiert ist, Aki-chan. Der ganze OLYMP, es ist kaum zu glauben. Falls du Hilfe brauchst, ich und Clive sind unter einundzwanzig. Clive ist außerdem ausgebildeter Kommunikationsoffizier. Er sollte mit UEMF-Standards gut zu recht kommen." "Danke, es tut gut, das zu hören", murmelte ich und zuckte zusammen, als ihre Linke über meine Brust strich. "Ich bin für dich da, das weißt du. Und falls du in nächster Zeit den Mars angreifen willst, da bin ich auch gerne dabei. Ich würde den Kronosiern zu gerne mal zeigen, wie gut ihre Konstruktion wirklich ist." "Und ich nehme an, sie ist auch noch voll funktionsfähig, was?", warf Yoshi ärgerlich ein. "Wenn du nach Hause gehen würdest, könnte Aki-chan das herausfinden, Yoshi-kun", erwiderte sie mit einem sanften Lächeln. Wieder spürte ich ihre Hand, diesmal in die andere Richtung. Ich brach vor Schreck ein Stück aus der Bank heraus. "Joan-chan, es... Ich habe meinen Kopf gerade ganz woanders. Könntest du vielleicht..." "Es ist nicht der Kopf, den ich will", hauchte sie mir ins Ohr. Ihr warmer Atem streichelte über mein Gesicht. Ein sehr angenehmes Gefühl. War ich nicht eigentlich ein Riesenidiot, weil ich diese Frau, die mich wollte, ganz und gar, nicht an mich heran ließ und einer anderen hinterher jammerte, die von mir absolute Liebe verlangte, ich sie ihr aber nicht geben konnte? Und dann waren da immer noch Hina und Akane, bei denen ich mir immer noch nicht klar war, was ich für sie empfand. Mit einem lauten Krachen landete ein Hawk keine fünf Meter von meiner Bank entfernt auf dem Rasen. "Blödmann!", blaffte Daisuke Honda über die Außenlautsprecher. "Alle Welt weiß jetzt wer du bist, und du verlässt den gesicherten Bereich um das Haus, um alleine im Park spazieren zu gehen? Hast du Selbstmordabsichten?" "Schade", murmelte Joan und nahm ihre Hand wieder zurück. "Hätte was werden können." Yoshi wischte sich imaginären Schweiß von der Stirn. "Das war knapp. Noch eine Minute länger und ich hätte euch zwei tatsächlich alleine lassen müssen." Joan brummte enttäuscht. "Hörst du, Aki-chan? Eine Minute. Eine winzige Minute." Ich schluckte trocken. Und fühlte mich wie ein richtiger Trottel. Wieso ließ ich mich so weit auf sie ein? Wieso ließ ich mich nicht noch viel weiter auf sie ein? Wenn ich in ihre Augen sah, dann erkannte ich diesen Glanz, dieses Feuer. Ich spürte es pulsieren, im Gleichklang mit meinem Herzen. Wo war mein Problem? Warum zog ich nicht einen Schlussstrich oder entschied mich endlich für sie? Abrupt erhob ich mich. "Danke, ihr beiden. Danke für eure Unterstützung. Ihr seid alle beide sehr besondere Menschen für mich." Amüsiert ließ ich meinen Blick über sie hinweg schweifen. "Nicht unbedingt beide auf die gleiche Weise." "Das beruhigt mich jetzt ungemein", kommentierte Yoshi grinsend. "Mich auch, Yoshi-kun. Mich auch", sagte Joan mit einem verschmitzten Lächeln. "Ich... brauche etwas Zeit zum nachdenken, Leute. Etwas Zeit für mich alleine." "Und mich!", rief Daisuke laut und vernehmlich. "Oder glaubst du, dieser Hawk wird dir noch mal von der Seite weichen, bis du wieder Zuhause bist?" Ich schüttelte den Kopf. "Na, dann komm, Kumpel." ** "Wie ist es eigentlich zu lieben?", fragte ich Daisuke. "Hast du keine anderen Sorgen, Akira?", fragte er zurück. "Gibt es da nicht eine Invasion für dich abzuwehren?" Ich grinste zum Mecha hoch. "Nein, im Moment habe ich keine anderen Sorgen. Du bist doch verliebt. Und Sarah erwidert deine Liebe, oder? Also, wie ist das?" Ich erwartete eine patzige Antwort. Stattdessen schwieg Daisuke eine lange Zeit. "Es", begann er leise, "ist wie fliegen. Nicht in einem Mecha. Nein, als hättest du Flügel und würdest aus eigener Kraft dahin schweben. Und während du fliegst, siehst du einen anderen Menschen, der auch Flügel hat. Und Ihr trefft euch, und haltet euch und fliegt zusammen. Ich danke dir, Akira." "Warum das denn?", fragte ich erstaunt. "Wenn du mich am Strand nicht vollkommen übertölpelt hättest, dann... Dann wäre ich jetzt mit meiner neuen Pflicht auf OLYMP sicher abgestürzt in meinem Flug. Wäre auf den Gedanken gekommen, dass es gleich besser wäre, Sarah nicht wieder zu sehen. Innerlich wäre ich gestorben. Einfach gestorben." Ich schwieg beeindruckt. "Das ist also Liebe." "Ja, und ich wünsche dir, dass du und Me... Dass du mit der Frau deiner Wahl dieses wundervolle Gefühl ebenfalls erlebst." "Das hast du nett gesagt, Daisuke", sagte ich leise. Inbrünstig hoffte ich, dass wir alle lang genug lebten, damit die beiden auch etwas von ihrer Liebe hatten. "Also", fragte Daisuke plötzlich geradeheraus. "Wann brechen wir auf?" "Wohin?", rief ich erstaunt. "Na, zum Mars, du Dummkopf. Du weißt hoffentlich, dass wir genau jetzt die beste Chance haben. Wir haben die Überraschung auf unserer Seite." "Und der Feind hat den Temporalresonator", warf ich sarkastisch ein. "Ach, es gibt sicher eine Abwehrmaßnahme dagegen. Wir müssen sie nur finden", erwiderte der Hawk-Pilot nonchalant. "Na, du hast ja ein unerschütterliches Vertrauen in mich", sagte ich amüsiert. "Warum auch nicht?", erwiderte er lachend. "Du in mich doch auch, Kumpel." Ich grinste schief. "Stimmt auch wieder... Kumpel." ** Als ich frühmorgens ins Haus zurückkam, schliefen die anderen schon. Kurz inspizierte ich mein Bett, aber bis auf Akari, die wieder meine Mangas wälzte war es leer. Für einen Moment hatte ich befürchtet, Joan hätte sich irgendwie hinein geschmuggelt. Das hätte zu ihr gepasst. Im Wohnzimmer brannte noch Licht, und als ich eintrat, sah ich Großvater noch am Tisch sitzen. "Ah, Akira, gut dass du zurück bist. Hast du die Antworten gefunden, die du gesucht hast?" Ich nickte leise. "Ich werde mich bei Yohko entschuldigen. Und dann werde ich sie umarmen und eine Stunde nicht mehr los lassen. Ich kann gar nicht sagen, was mir da geschenkt wurde. Es ist einfach so großartig." "Na, dann bist du ja in der richtigen Stimmung für einen Schock, oder?", fragte Michael und hielt mir ein Foto hin. "Das ist die Phobos-Werft, die ich vor drei Jahren vernichtet habe", stellte ich fest. "Nein, Akira. Du hast leider nur einen Mond erledigt. Das ist Deimos. Der andere Mond. Sie bauen die gleiche Werft wieder. Und sie ist fast fertig. Du weißt, was für ein Gigantschiff dort fest machen kann? "Wie viel Zeit haben wir noch?", fragte ich ernst. "Drei, maximal vier Monate. Dann ist sie betriebsbereit. Und dann müssen wir uns mit dem Gigantschiff herum schlagen. Das Schlimme ist, wir wissen nicht, was es sein wird. Ein Schlachtkreuzer mit einer Feuerkraft jenseits unserer Vorstellung. Oder ein Kolonistenschiff. Vielleicht sogar mehrere Schiffe dieser Klasse." "Das bedeutet, wir haben uns damals drei Jahre mehr Zeit erkauft. Und jetzt müssen wir erneut zuschlagen. Und das binnen von drei Monaten." "Ja, und die Kronosier haben den Temporalresonator, gegen den es kein Gegenmittel gibt", erwiderte Michael ernst. Ich wollte nicken, hielt aber in der Bewegung inne. Hatte Daisuke das Thema nicht ebenfalls angeschnitten? "Das ist nicht ganz richtig. Es gibt ein Gegenmittel. Aber... Nein, das ist keine Option. Wenn ich jeden Soldaten zusammen ziehen würde, der zur UEMF gehört und unter einundzwanzig ist, dann müsste ich trotzdem eine Ausbildung beginnen. Sie kämen aus unterschiedlichen Fachbereichen und müssten alles ganz von vorne lernen. Wie man ein Schiff fliegt. Wie man die Waffen bedient. Raumkampftaktiken. Mechakampftaktiken. Einfach alles." "Und dann ist da noch das Sicherheitsrisiko", seufzte Opa leise. "Denn abgesehen von zwei Militärakademien weltweit gibt es keinen Ort, an dem so viele junge Menschen von der UEMF auf Herz und Nieren geprüft wurden." Ich lachte heiser. "Nur meine Schule. Weil Megumi und ich dort hingehen wird sie permanent mit dem höchsten Sicherheitsstandard überwacht und jeder Schüler Dutzendfach durchleuchtet. Aber das sind keine Soldaten." "Hm. Du sagtest doch, du würdest ohnehin von Anfang an mit ihnen trainieren müssen, oder?", hakte Michael nach. "Ich kann doch keine Kinder in die Schlacht schicken!", blaffte ich gereizt. Opa starrte mich lange an. "Wir haben es getan. Und es hat sehr geschmerzt. Aber du warst damals unsere einzige Chance. Jetzt tut es noch mehr weh, dies erneut von dir zu verlangen. Du gehst schon wieder in eine Schlacht. Und wieder, weil wir Erwachsenen nicht tun können, was du kannst. Akira. Denk drüber nach. Einige deiner Freunde auf der Schule würden dir sicher helfen und den Weg mit dir gehen." Ich dachte nach. "Kei und Doitsu vielleicht. Kenji ist auf der Warteliste. Hina und die anderen... Ich weiß nicht. Ich weiß nicht, ob ich es verlangen darf." "Nein, Akira. Aber drum bitten kannst du. Drum bitten, dass sie dir einen Teil deiner Last abnehmen. Stellvertretend für die gesamte Menschheit." Ich bettete mein Gesicht in den Händen. "Ich schäme mich. Ich denke ernsthaft darüber nach. Ich bin da, um diese Kinder zu beschützen, nicht um sie in meinen Kampf zu zerren!" Michael sah mich ernst an. "Und das macht es auch zu ihrem Kampf, Akira." Lange Zeit starrte ich ins Leere. "Der Mars also, was? Ob ich diesmal Vielfliegermeilen bekomme, Opa?" Der alte Mann lachte, und ich fiel ein. Geschichte. Ich hatte gerade Geschichte geschrieben... 3. Ich erwachte kurz nach Mittag. Für einen Moment war ich verwundert, dass mich niemand geweckt hatte, aber ich glaube, allen war klar, dass ich nicht mehr wie ein normaler Schüler in die Oberstufe gehen konnte. Nie mehr. In alter Gewohnheit wollte ich zu meiner Schuluniform greifen. Aber als ich den Stoff berührte hatte ich das Gefühl, als würde er unter meinem Griff zu Asche zerfallen. Diese Episode meines Lebens war für immer vorbei. Wenn ich jemals meinen Abschluss machen und sogar studieren wollte, würde dies nur noch militärisch möglich sein. Stattdessen trat ich an den Schrank und nahm einen Bügel hervor, auf dem in Schutzfolie verpackt etwas hing, was ich nur ein einziges Mal in meinem Leben getragen hatte. Bei der Trauerfeier für meine Schwester. Eikichi wusste es nicht, ging es mir durch den Kopf. Eikichi konnte es nicht wissen, dass seine Tochter noch lebte. Und ich konnte es ihm nicht sagen. Oder doch? Langsam entfernte ich die Schutzhülle und zog die UEMF-Uniform heraus. Die Abzeichen lauteten noch auf First Lieutenant, aber es sollte keine Schwierigkeiten, die beiden Silbersterne gegen drei Goldene auszutauschen. Ich brauchte nur Sakuras Uniformen zu plündern. Sanft strich ich über das Baumwollmaterial. Die Uniform war schneeweiß mit goldenen Aufschlägen. Auch die Knöpfe waren golden. Sie orientierte sich aus Respekt und Dankbarkeit an den Uniformen der so genannten nassen Navy, der erdgebundenen Flotte der Menschen. Auf der rechten Brust prangte unübersehbar das emaillierte Namensschild Otomo. Links hingen sieben Orden, unter ihnen Silver Star und Pour Le Mérite. Dazu kam der Star of Earth, die Auszeichnung, die ich für die Vernichtung des ZULU erhalten, aber noch nicht befestigt hatte. Zur Uniform gehörte noch eine weiße Schirmmütze mit schwarzem Schirm und dem UEMF-Logo in Gold, einem Hawk-Mecha vor der Erdscheibe mit der Pazifikregion als Hintergrund. Langsam zog ich mich an. Die Uniform hätte zu klein sein müssen. Immerhin war ich die letzten drei Jahre noch ne ganze Ecke gewachsen. Aber sie passte wie angegossen. Bis auf die linke Brust, die saß doch etwas klamm. Warum, fand ich heraus, als ich ein Päckchen aus der Innentasche der Uniformjacke hervor zog. Ich öffnete es und sah zwei Dreierleisten Goldsterne sowie die Mars Campaign Valor in Gold, den Orden, der nur an Mitglieder der ersten Marsattacke verliehen worden war. Es gab ihn in drei Stufen und Gold war meines Wissens nur Posthum an Yohko verliehen worden. Eigentlich. Andererseits hatte ich mich immer gewundert, wo wohl mein Orden blieb. "Damit du nicht an meine Sachen gehst. Habe mich um alles gekümmert. Kuss, Sakura", las ich von dem beigelegten Zettel. Cousinchen. Sie war manchmal echt Gold wert. "Warte, ich helfe dir", sagte mein Großvater vom Eingang her, löste die Schulterklappen und nahm die alten Abzeichen ab. Danach befestigte er die drei Goldsterne. Er trat einen Schritt zurück und musterte mich. "Gut siehst du aus. Gib mir den Orden, ich bringe ihn an. Hast du eigentlich daran gedacht, dass du eine zweite Jacke bräuchtest, wenn du all die Orden und Kampagnenbänder akzeptiert hättest, die dir verliehen werden sollten? Und wo ist überhaupt der Star of Earth?" Ich deutete auf den Schreibtisch. Dort lag eine unscheinbare lila Schachtel. Michael öffnete sie und zog die stilisierte fünfstrahlige Sonne an dem rotschwarzen Band hervor. "Für den finden wir auch noch einen Platz." Skeptisch musterte Opa mich. "Hm, du darfst jetzt nicht mehr laufen, sonst klapperst du wie ein Schellenbaum." Ich lachte leise über den Scherz. "Und? Hast du dich entschieden, Akira?" Mein Blick ging durch das ganze Zimmer, über meinen Schreibtisch, meine Sammlung. Schließlich nickte ich. "Ja, Opa. Ich werde dieses Haus eine ganze Weile nicht sehen. Ich richte mich im Büro neben Eikichi ein und versuche zu retten, was zu retten ist. Vielleicht ist der Klimperkram dabei nützlich. Auf irgendeine Weise." "Das wird er, Akira. Das wird er. Ich habe einen Wagen bestellt. Er wird dich zur Schule bringen." Ich sah fort. "Es schmeckt mir immer noch nicht. Ich soll meine Freunde da mit reinziehen... Die Älteren sollten für die Jüngeren einstehen, nicht umgekehrt. Verzeihung, Opa, ich weiß, dass Ihr das in diesem Fall nicht könnt. Ich bin unfair." "Nein, ich bin froh, dass du das gesagt hast, Akira. Weißt du, wie Helen gestorben ist? Sie starb nicht, um dich oder Yohko zu schützen. Sie starb nicht, um uns zu beschützen, ihre Eltern. Nein, es war ein ganz banaler Autounfall, der ihr das Leben gekostet hat. Manchmal sitze ich Nachts wach und male mir aus wie es gewesen wäre, wenn ich nicht in Kanada, sondern hier in Tokio gewesen wäre. Wenn ich mich an ihrer Stelle vor den Wagen hätte werfen können. Wenn ich meiner Pflicht hätte nachkommen können. Sie zu beschützen. Aber dann fällt mir immer eines ein, was sie zu sagen pflegte. Man sollte sich nicht jemanden aussuchen, den man beschützen will. Man sollte alle beschützen, die man liebt. Denkst du nicht, dass deine Freunde auch jemanden haben, den sie beschützen möchten? Willst du ihnen nicht wenigstens die Wahl lassen?" "Du redest wie ein Politiker, Opa", spottete ich. Michael reichte mir die Schirmmütze. "Unterschätze die junge Generation nicht, Akira. Du warst damals eine ziemliche Überraschung für die Kronosier." Ich nickte ihm zu. "In der Tat. Vielleicht bin ich es wieder." "Ist das alles? Willst du nichts einpacken?", fragte Michael, als ich mich zum gehen umwandte. "Ich nehme noch mein Katana mit. Alles, was ich sonst brauche kriege ich von der UEMF. Akari!" Mein Oni erschien in der Tür, wie immer mit dem Kimono bekleidet, der ihr so gut gefiel. In der einen Hand hielt sie eine Tasche, in der anderen ihre Oni-Maske. "Ich habe mir erlaubt, einige Dinge einzupacken, Meister." "Meinetwegen. Opa, ich gehe jetzt." "Kommt gesund wieder. Ihr alle", sagte er tonlos. ** Die Fahrt zur Schule verbrachten wir schweigend. Akari war noch immer nicht über den Test hinweg, den Dai-Kuzo mit ihr zelebriert hatte. Und mir gingen tausend andere Gedanken durch den Kopf. Nach dem letzten Bericht dienten nun vierhundert immune Menschen auf dem OLYMP. Das war gerade mal genug, um einen Frachter sicher zu entladen und die Ware runter auf die Titanen-Station zu schaffen. Von einem regulären Dienstbetrieb war das noch sehr weit entfernt. Drei- bis Viertausend wären erst eine richtige Notmannschaft gewesen. Und selbst da hätte es noch an allen Ecken und Enden gefehlt. "Na? Was grübelst du so, Akira-chan?", fragte Kitsune fröhlich. Ich zuckte heftig zusammen. "Wo kommst du denn her?" "Habe ich das nicht neulich erklärt? Also, wenn sich ein Fuchsdämon und eine Fuchsdämonin ganz, ganz furchtbar lieb haben, dann..." "Schon gut, schon gut, Kitsune", unterbrach ich sie hastig. "Ist ja auch egal. Wo ist Okame?" "Der ist auf dem OLYMP. Da oben fühlt er sich recht wohl. Er hat sein Schlafbedürfnis ausgeschaltet und macht eine Schicht nach der anderen. Mittlerweile sollte er das einlotsen von Mondfrachtern perfekt beherrschen", erwiderte sie lächelnd. "Gut zu wissen. Wir sind jedenfalls für jede Hilfe dankbar", murmelte ich. "Ach, deshalb fährst du zur Schule?" "Wir holen nur jemanden ab. Ich wünschte nur, ich hätte ihnen mehr Zeit geben können. Dieser halbe Schultag ist viel zu wenig. Dafür, dass sie die Schule für eine lange Zeit nicht mehr sehen werden. Vielleicht nie mehr." Ich senkte den Kopf. "Aber, aber, Akira-chan. Wenn du dabei bist, wirst du schon alle wieder zurück bringen", sagte die Füchsin und lehnte sich auf mich. "Nicht? Nicht?" "Du meinst wie das letzte Mal, als ich meine Schwester für tot hielt und sie drei Jahre lang in den Händen der Kronosier zurück ließ?", konterte ich mit Ärger in der Stimme. "Na gut, es gibt Ausnahmen", räumte sie ein. "Aber die bestätigen doch nur die Regel." "Deinen Optimismus will ich haben", brummte ich. "Colonel, wir sind da." "Danke Stuart. Funken Sie jetzt den zweiten Wagen an, dass er ebenfalls kommen soll. Ich steige jetzt aus." "Moment noch, Sir. Wir sind noch nicht mit dem Check fertig. Okay, das ist das Grünzeichen. Keine Heckenschützen im gesamten Areal." Ich schob die Tür auf und stieg aus. Als ich auf dem Bürgersteig vor der Schule stand, setzte ich meine Schirmmütze auf. Mist, in der Verkleidung würde mich nicht mal mein Vater wieder erkennen! Ein kurzer Blick auf die Schuluhr sagte mir, dass die nächste Pause kurz bevor stand. Besser hätte das Timing gar nicht sein können. Langsam trat ich auf den Schulhof. Hinter mir stiegen Akari und die Fuchsdämonin aus. Eine Gruppe Jungs, die versteckt in einer Ecke rauchte, hustete plötzlich, als sie mich sah. Ich grinste herüber. "Wer es nicht verträgt, soll es lassen." "Das... Das ist...", stammelte einer von ihnen. Als ich weiter in den Innenhof marschierte, schien ich damit ein Zeichen gegeben zu haben. Die Fenster führten alle zu Laufgängen, dennoch öffneten sich mehrere von ihnen und erstaunte Schüler sahen heraus. Ich blieb kurz stehen Was tat ich hier? Was tat ich hier bloß? "Ist es also soweit?", fragte mich Akane. Sie musste hinter der Mauer gestanden haben, als ich den Hof betreten hatte. "Ist was soweit?", fragte ich treu. "Gehst du nun? Wirst du in den Kampf ziehen? Blue Lightning?" Langsam wandte ich mich ihr zu und ebenso langsam nickte ich. "Ja. Es tut mir Leid, aber ich hole nur meine Kameraden ab." Sie musterte mich einen Moment. "Wann soll ich fertig sein?" "Was, bitte?", rief ich erstaunt. "Du hättest Gestern da sein sollen", erwiderte sie und lächelte mich an. "So ein Youma wollte mich doch tatsächlich erneut übernehmen. Aber damit war ich überhaupt nicht einverstanden. Tja, den Raum der Schülervertretung habe ich wohl den Rest gegeben. Aber die Uniform mit dem grünen Rock steht mir wirklich gut. Hina hat mich dann knapp und bündig über alles aufgeklärt, Akira. Hier stehe ich. Wann geht es los?" Ich spürte, wie meine Kinnlade herab sackte. "Du? Was? Wer? Du bist ein Slayer?" "Green Slayer, um genau zu sein. Ja. Ich bin etwas überrascht bei dieser Entwicklung. Aber ich bin auch froh. Ich meine, endlich gehöre ich irgendwo hin. Dazu. Ich bin Teil einer Gemeinschaft. Früher saß ich viel zu oft zwischen den Stühlen als Schülervertreterin oder Sempai. Aber nun habe ich... Ich habe Freunde. Und du willst mir doch nicht etwa sagen, dass ich diese Freunde nun ohne mich gehen lassen muß? Akira?" Ich starrte betreten zu Boden. Und schämte mich für meine nächsten Worte. "Die Slayer werden heute Abend nach der Schule abgeholt, Akane. Sei dann bereit. Um Bekleidung brauchst du dich nicht sorgen. Wir haben alles da, was Ihr braucht." "Gut, dann ist das abgemacht", erwiderte sie. Ein dünnes Lächeln huschte über ihr Gesicht. Mittlerweile hatte es zur Pause geläutet und Schüler füllten nach und nach den Hof. Ach was, es sah eher so aus, als hätte jemand einen Wasserhahn angestellt und damit eine Überschwemmung verursacht, die nun geradezu aus dem Gebäude heraus schoss. Die Menge raunte aufgeregt. "Ist das Akira-kun?" "Ist das dieser Blue Lightning?" "Ich kenne die Abzeichen. Sie bedeuten Colonel." "Militär hat hier nichts zu suchen!", blaffte einer der Lehrer und kam eiligen Schrittes auf mich zu. "Verlassen Sie sofort das Gelände!" Es war einer der Sportlehrer, ein großer, bulliger Kerl mit genügend Kraft, um einen Ochsen umzuwerfen. Ich fixierte den Mann mit einem eiskalten Blick. "Mein Name ist Akira Otomo. Colonel Akira Otomo. In diesem Moment bin ich der Oberkommandierende der Erdverteidigung. Wir befinden uns in einer akuten Notlage, und deshalb hole ich jetzt meine Leute ab." "Oberkommandierender? Sie können uns viel erzählen." "Aber es ist wahr. Sehen Sie nie Nachrichten, Aihara-sensei?", fragte Sakura, als sie durch die Menge nach vorne durch trat. Sie kam direkt zu mir und wollte salutieren, aber ich winkte ab. "Sie sind nicht in Uniform, Lieutenant Colonel Ino. Regeln Sie Ihre Dinge in der Schule und folgen Sie mir später. Und nimm dir ruhig Zeit, Sakura." Meine Cousine lächelte mich an. "Ich habe bereits alles erledigt. Ich komme sofort mit. Oder glaubst du, ich lasse dich alleine?" "Das ist gut zu hören", erwiderte ich. Ein Stein fiel mir vom Herzen und verursachte eine Welle, die einen Großteil meiner Sorgen fort schwemmte. "Major Makoto Ino!", rief ich mit lauter Stimme. Kasernentonstufe vier von sieben übrigens. Makoto drängte sich mit ernster Miene bis nach vorne durch. Er salutierte vor mir und sagte: "Colonel." Er wirkte überraschend ernst. Gefasst. Und männlich. "Was machen Sie da bloß?", rief der Sportlehrer. "Verteilen Sie jetzt schon Ränge, um die armen Kinder zur Schlachtbank zu führen?" Makoto wandte sich um und fixierte den Sportlehrer mit einem eisigen Blick. Seine Augen schienen rot aufzublitzen. "Ich war einer der Piloten, die unter Colonel Otomo den Mars angegriffen haben. Ich bin schon länger in der UEMF und kämpfe für die Erde als dass Sie an dieser Schule unterrichten, Sensei. Entschuldigen Sie meinen Ausbruch, Colonel. Ihre Befehle?" "Rufen Sie die Angehörigen der United Earth Mecha Force heraus und lassen Sie Aufstellung nehmen", befahl ich tonlos. "Alle? Auch die Undercoveragenten?" "Alle. Wir brauchen jeden, der unter einundzwanzig ist", hörte ich mich sagen, aber die Worte klangen so, als würden sie von einem Fremden kommen. Ich hasste sie. Ich wollte sie nicht aussprechen! "Verstanden!" Hastig schloss Makoto den Kragen seiner Schuluniform. Dann ließ er den Blick über die Menge schweifen. "Captain Megumi Uno!" "Wenn Sie glauben, ich lasse Sie schalten und walten, wie immer Sie dies wünschen, dann...", rief Aihara und stürzte sich auf Makoto. Der sah nur kurz zur Seite, huschte unter dem Schlag hindurch, drehte den Arm mit, als er auf den Rücken des Sportlehrers gelangte, ließ ihn vom eigenen Schwung zu Boden stürzen und verdrehte den Arm, bis der Mann vor Schmerz aufschrie. Leiser Applaus erklang für ihn. "Ich bin zweimaliger Flottenmeister in Judo. Um mich zu erwischen müssen Sie schon etwas mehr bringen. Und wenn ich Sie darüber informieren darf, Sie behindern gerade eine staatliche Aktion. Genauer gesagt, Sie begehen gerade Hochverrat. Ich lasse Sie nur deshalb nicht verhaften, weil Sie sich um die Leben Ihrer Schüler sorgen!" Makoto ließ den Sportlehrer wieder fahren und sah in die Runde. "Noch jemand?" Ich starrte den Cousin tief erschüttert an. Makoto war plötzlich so... Männlich. "Wow", entfuhr es mir. "Ja, er kann schon mal gemein werden wenn er muß", murmelte Sakura schmunzelnd. "Dann ist er ein richtiges kleines Monster." Als sich niemand auf seine Herausforderung meldete, räusperte er sich und rief erneut: "Captain Megumi Uno." Megumi trat aus der Reihe der Schüler hervor. Sie salutierte vor Makoto, dann trat sie zu mir vor. "Colonel. Captain Uno meldet sich wie befohlen." "Treten Sie ein, Captain. Weitermachen, Major." "First Lieutenant Daisuke Honda." Zwischen den Büschen erhob sich ein Mecha der Hawk-Klasse. Ich zuckte unwillkürlich zusammen. Ich hatte die riesige Maschine nicht bemerkt. "Anwesend und bereits im Einsatz für den Personenschutz von Colonel Otomo", erklang seine Stimme über Außenlautsprecher. Makoto nickte zufrieden. "Ensign Yoshi Futabe!" Yoshi trat vor, salutierte kurz vor Mako und dann vor mir. "Vergiss nicht, Akira, ich bin dabei." "Ich habe es nicht vergessen. Treten Sie ein, Ensign. In spätestens einem Monat sind Sie Second Lieutenant." "First Lieutenant Yohko Otomo!" First Lieutenant? War sie damals befördert worden? Meine Schwester arbeitete sich langsam nach vorne, nach besten Kräften von ihren Freundinnen daran gehindert. "Wo willst du hin, Lilian? Du wurdest doch gar nicht gerufen", sagte Hina. Yohko sah ihr in die Augen. "Es ist eine lange und merkwürdige Geschichte, Hina-chan, Ami-chan. Aber ich bin Yohko. Ich bin Akiras kleine Schwester." Die beiden Mädchen ließen Yohko fahren. Sie trat durch eine Gasse vor Makoto. "Wenn Sie nichts dagegen haben, Sir, würde ich gerne bis auf weiteres Lilian Jones genannt werden." "Gut, First Lieutenant Jones. Treten Sie ein." Sie salutierte vor mir und ich musste sehr mit mir kämpfen, dass ich nicht einfach vortrat und sie die versprochene Stunde nur umarmte. Neben Yoshi reihte sie sich ein. "Spezialist Sarah Anderson." Sarah trat durch die Reihen und lächelte Mako freundlich an. "Leider bin ich kein offizieller Militär, deshalb darf ich nicht salutieren." "Das geht in Ordnung, Sarah-chan. Stell dich einfach zu den anderen", erwiderte Makoto und salutierte seinerseits. Sarah nickte mir zu, dann warf sie dem Hawk einen Kussmund zu. Deutlicher hätte sie nicht sagen können, was sie fühlte. "Pilot im Training Kenji Hazegawa." Der riesige Kenji trat vor, salutierte aber nicht. "Pilot im Training, wir würden Sie gerne aktivieren. Sie können das jedoch ablehnen", informierte Mako ihn leise. "Bin ich verrückt?", rief Kenji. "Das ist doch genau das, was ich immer wollte! Ich kann gar nicht erwarten, dass es losgeht!" "Dann sind Sie hiermit offizielles Mitglied der UEMF. Sie dürfen salutieren." Kenji wurde übergangslos wieder ernst, salutierte vor Makoto und dann vor mir. "Danke, Akira." Ich knirschte mit den Zähnen. "Ich tue dir das nur ungern an." Makoto rief drei weitere Namen auf, die mir nichts sagten, wenngleich ich die Gesichter schon einmal gesehen hatte. Es waren Geheimdienstoffiziere in den Lieutenantsrängen. Ich war dankbar für jeden einzelnen. Dann zog Makoto einen Zettel aus der Tasche. "Captain Mamoru Hatake!" Ich zuckte bei diesem Namen zusammen. "WAS?" Mein Kopf ruckte zu Megumi herum. Die hob ratlos die Schultern. Mamoru trat aus. Jeder Zoll Präzision und Gefasstheit. "War das wirklich nötig, Major Ino? Mussten Sie meine Deckung so vollkommen zerstören?" "Es sind interessante Zeiten, Captain", erwiderte Mako und salutierte. Mamoru erwiderte den Salut und trat vor mich. "Mit dieser Entwicklung habe ich nie gerechnet, Colonel. Da ich Teil des Personenschutz bin und nicht auf OLYMP diene, hatte ich absolut keine Ahnung, dass Sie Blue Lightning sind. Das macht einige Sachen hier sehr kompliziert." "Du glaubst ja gar nicht wie kompliziert, Kumpel", murmelte ich und salutierte scharf. Mamoru erwiderte den Salut und ließ ein kurzes Lächeln über sein Gesicht huschen. Makoto wandte sich mir zu. "Sir. Das waren alle UEMF-Angehörigen in dieser Schule. Ich habe noch siebzehn Piloten im Training auf meiner Liste. Aber ohne persönliche Willenserklärung und offizielle Aufnahme in die UEMF kann ich sie nicht aufrufen." Ich nickte ernst. "Das war es also. Lassen Sie ohne Tritt zu den wartenden Wagen gehen, Major." Ich wandte mich um. Der zweite Wagen war angekommen. Bewaffnete Soldaten in der UEMF-Uniform hielten die Türen auf. "Zwölf?", rief Kei Takahara plötzlich. "Du willst mit zwölf Leuten den OLYMP verteidigen?" "Und den Mars angreifen, Kei", sagte ich ernst. "Ach, den Mars auch noch? Wer bist du, ein verdammter Gott?" Ich wandte mich wieder um, um mich zu verteidigen, aber da war Kei schon heran. Er klopfte mir auf die Schulter und ging an mir vorbei. "Ich kann dich doch nicht alleine ins Verderben laufen lassen. Zu irgendetwas werde ich schon nütze sein. Du hast doch bestimmt Computer da oben, die ich rotieren lassen kann, oder?" "Kei, ich..." "Ach, komm schon, Akira! Ich bin jung genug, um vom Feld nicht versteinert zu werden! Du brauchst mich! Du brauchst jede Hilfe, die du kriegen kannst!" "Kei! Wir ziehen in einen Kampf! Wir haben nur drei lächerliche Monate, um eine Operation vorzubereiten, die den meisten von uns das Leben kosten kann! Wenn es sein muß, werde ich sie alle opfern, nur um die Kronosier aufzuhalten!" "Das ist es also? Akira, wie lange machst du den Job schon? Wie lange macht Megumi ihn schon? Du warst schon mal auf dem Mars und wärst fast gestorben. Verzeihung, aber denkst du nicht, ich habe das Recht, auch mal was für die Menschheit zu tun? Keine Widerrede. Vielleicht sterben wir. Aber wenn du das Risiko eingehen kannst, dann kann ich es auch. Ich verlange ja keinen Hawk oder so. Ich will nur eingesetzt werden, wo du mich brauchst." Ich schwieg betreten. Meine Lippen und Hände begannen zu zittern. "Kei..." "Ach komm, Akira. Ihr seid zwölf! Ihr könnt jede helfende Hand brauchen!", blaffte er. "Ich trete in deine Armee ein und kämpfe an deiner Seite. Für diese Schule. Diese Stadt. Diese Welt. Ist das verkehrt? Und wenn ja, warum darfst du es dann?" Ich senkte resignierend den Kopf. "Willkommen an Bord, Spezialist Kei Takahara." Eine Hand legte sich schwer auf meine Schulter. Ich wandte mich um und erkannte Takashi Mizuhara, den Schülersprecher. "Akira. Ich bin einer der Piloten im Training. Ich will mitkommen." "Sempai, ich..." "Colonel Otomo! Ich will helfen! Der OLYMP ist ausgefallen, aber das soll nicht das Ende der Menschheit sein! Wenn Kei sein Leben riskieren darf, warum dann nicht ich?" Takashi griff hart zu und nahm mich in den Schwitzkasten. "Oder muß ich dich erst wieder durch die Mangel drehen?" "Ist ja gut, Sempai. Du bist an Bord." Für einen Augenblick konnte ich lachen. Und ich hatte geglaubt, das nie wieder tun zu können. "Warum warten, Akira-chan?", fragte Akane leise. "Ich kann auch gleich mitkommen." Ich kratzte mich an der Schläfe. "Dann werden wir einen größeren Wagen brauchen." "Darum bitte ich. Ich komme auch mit. Oder hast du gedacht, ich reiße Akiras Zorn auseinander?", fragte Doitsu Ataka und ging mit einem breiten Grinsen an mir vorbei. "Ihr... Ich...", stammelte ich fassungslos. Es tat gut. Es tat so unglaublich gut, die Zuneigung meiner Freunde zu spüren, ihre Opferbereitschaft. Ihre Hingabe. "Na, was ist hier denn los? Rekrutierst du etwa Leute für ein Himmelfahrtskommando und denkst dabei überhaupt nicht an mich? Du bist mir ja einer!", rief Joan Reilley lachend und winkte von den Autos herüber. Neben ihr stand Blondie, die Hände manierlich hinter dem Rücken verschränkt, aber mindestens so breit grinsend wie Doitsu. "Joan, wir... Wir werden töten! Und wir werden getötet werden! Willst du das wirklich?", fragte ich ernst. Die Popdiva sah betreten zu Boden. "Weißt du, warum ich singe? Okay, ja, weil ich es kann. Das ist ein Grund. Aber der wichtigere Grund ist, es gibt da draußen Menschen, die mir zuhören. Und wenn ich will, dass sie meine Musik auch in Zukunft hören können, egal was die Kronosianer wollen, dann sollte ich etwas tun! Und ich kann etwas tun!" Ich schluckte hart und vernehmlich. In meiner Kehle steckte ein Riesenkloß. "Danke, Joan-chan." "Ihr habt, was Ihr wolltet, nun geht endlich!", rief der Sportlehrer. "Und Ihr, geht zurück in eure Klassen!" Hina Yamada löste sich als erste aus der Reihe. "Akane hat Recht. Warum warten? Ich komme auch mit, Akira-san!" Ich schüttelte den Kopf, aber ich konnte das Grinsen nicht verkneifen. "Wir sollten einen Bus anfordern." "Soll ich schnell einen holen?", bot Daisuke in seinem Hawk an. Ich lachte lauthals. Ein schönes Gefühl. Ein sehr schönes Gefühl. Hina kam heran gelaufen und ich nahm sie dankbar in die Arme. "Jetzt glaube ich, dass wir es schaffen können." "Was? Hast du das vorher nicht geglaubt, Blue Lightning?", rief Yoshi in gespielter Entrüstung. "Nun verschwindet endlich! Und Ihr geht zurück in eure Klassen!" "Geh mal beiseite, Dicker", rief Ami Shirai wütend und stapfte an den anderen vorbei. "Emi, wo bleibst du?" "Ich komme ja schon, ich komme ja schon." "Wa... Was macht Ihr da? Zurück in eure Klassen! Ihr seid doch völlig normale Schüler!", rief der Sportlehrer aufgebracht. "Blue Slayer Power...", erklang es neben mir. Übergangslos entstand ein Lichtblitz der mich geblendet die Augen schließen ließ. Neben mir rotierte Hina plötzlich in der Luft und verwandelte sich in Blue Slayer. "Wenn Akira-chan seine Identität aufgeben musste, kann ich es genau so gut. Ich bin Blue Slayer, und ich bin eine Verbündete der United Earth Mecha Force. Wir haben den gleichen Gegner und ich scheue meine Verantwortung nicht, mich ihm entgegen zu stellen! Hier, im Orbit oder sogar auf dem Mars!" Trotzig sah sie in die Runde. "Und niemand, erst Recht kein Sportlehrer hält mich davon ab!" "Black Slayer Power...", erklang es von Emi. "Red Slayer Power...", rief Ami. "White Slayer Power..." Irritiert wirbelte ich herum. Akari? "Green Slayer Power..." Ich sah zu Akane herüber. "Orange Slayer Power!", erklang es nun hinter mir. Wieder fuhr ich herum und bekam gerade noch mit, wie Sarah in einem Lichtblitz verschwand. "Was? Sarah? Sarah Anderson?" Wieder entstanden diese Lichtblitze, die Mädchen verwandelten sich. Ihre Macht wuchs enorm an, ich spürte es an ihren Auren. Sie waren mächtig, sehr mächtig, das erkannte ich wieder einmal. Dai-Kuzo-sama hatte gut vorgesorgt. "Wenn du preisgibst wer du bist, dann tun wir das auch!", erklärte Red Slayer trotzig. Black nickte ernst dazu. Red warf die Arme hoch. "Und jetzt lasst uns endlich mal ein paar Invasoren in den Arsch treten!" "Gut gesprochen! Sehr gut gesprochen!", rief Mamoru und klopfte Red auf die Schulter. "Ja", murmelte ich leise, "jetzt werden wir es schaffen." "Akira, was ist mit mir? Braucht Ihr nicht jeden unter einundzwanzig, der bereit ist, etwas zu lernen? Der helfen will?" Hiroko trat an uns heran. "Kann ich nicht auch helfen? Ich weiß nicht, ob ich einen Mecha steuern kann, aber ich will gerne etwas tun." "Danke, Sempai, aber du könntest sterben." "Du doch auch, Akira! Und die anderen. Und Ihr geht trotzdem, sogar Akane-chan! Ich habe vielleicht nicht soviel Macht wie Blue Slayer, nicht so eine Erfahrung wie Megumi-kohai. Aber ich will mich nützlich machen!" Mit diesen Worten hatte sie eine Welle losgetreten. Erst waren es nur ein paar, aber dann schien es, als würde eine riesige Flut an Schülern auf uns zuschwappen. Dutzende Namen fielen, weitere Piloten im Training meldeten sich zum Dienst. Aihara-sensei ging in der Masse unter wie ein wrackes Schiff während einer Sturmflut. Ich hob langsam die Arme und die Menge verstummte. "Es ist wahr, wir können jede helfende Hand unter einundzwanzig Jahren gebrauchen, wenn die Menschheit überleben soll." "Dann nimm doch uns!", rief eine Mädchenstimme aus der Menge. "Nichts täte ich lieber, denn ich kenne viele von euch. Und auch meine Untergebenen kennen viele mit Namen und begleiten sie schon ein halbes Leben. Aber wir ziehen in einen Krieg. Ein Krieg, in denen wir sterben können und ebenso jeder, der uns begleitet." "Alter Hut. Leg mal eine neue CD auf, die haben wir schon lang genug gehört!", rief ein Junge aus der Menge. Zustimmendes Gemurmel antwortete ihm. "Okay, die Schüler dieser Schule sind mehrfach durchleuchtet worden. Immerhin ging es um Megumis und meine Sicherheit. Und ich würde für jeden, den ich kenne, meine Hand ins Feuer legen. Aber seid Ihr euch bewusst, was Ihr da fordert? Wir brauchen nicht nur Mecha-Piloten, nicht nur Bordschützen. Nicht nur Navigatoren. Wir brauchen auch Mediziner, Köche, Lademannschaften, Funker, Ortungsspezialisten und Infanteristen. Und wir haben nur drei Monate Zeit, um die Ausbildung abzuschließen. Es wird sehr hart werden und wir werden erwartet werden. Ich bin kein Garant dafür, dass auch nur einer nach Hause kommen wird. Das war ich nie. Wenn Ihr das erwartet, dann bleibt besser hier." Ein enttäuschtes Raunen ging durch die Menge. "Dies ist kein Spiel. Und seht es auch nicht als solches. Es geht um Tod, um Verletzungen, um Vorherrschaft oder Sklaverei. Wenn Ihr das begriffen habt, dann schlaft eine Nacht darüber. Und Morgen früh kann jeder, der dies will, sich in meinem Namen in einem Rekrutierungsbüro in der Innenstadt melden. Versprecht mir, dass Ihr euch das bewusst macht. Bitte, denkt genau darüber nach!" Stille antwortete mir. Ich nickte dazu und wandte mich langsam um. Mittlerweile waren zwei weitere Wagen dazu gekommen, und meine Freunde verteilten sich auf die Autos. Gerade als ich selbst einsteigen wollte, rief ein Junge aus der Menge: "Also bis Morgen, Blue Lightning!" Lauter Jubel brach aus, bestätigte seine Worte. Ich lächelte ein letztes Mal und stieg ein. Nervös massierte ich meine Nasenwurzel. "Wenn auch nur einhundert zu uns stoßen, wäre das eine große Hilfe. Eine sehr große Hilfe." Kitsune strahlte mich an. "Keine Sorge, keine Sorge. Wir schaffen das schon. Alle zusammen." Blue begann neben mir zu strahlen und Doitsu, der neben ihr saß und ihre Hand drückte, grinste noch immer. "Gut gesagt, Kitsune-chan. Zusammen schaffen wir das." "Zusammen!", fielen die anderen ein. 4. Ich richtete mir nach einer anstrengenden Verladeschicht von Heliumisotopen gerade mein eigenes Büro ein, als mich ein Anruf erreichte. "Rodriguez hier, Sir. Bitte kommen Sie herüber." "Ich bin unterwegs. Kommen endlich die Freiwilligen aus Europa?" "Sehen Sie selbst, Sir." Neugierig machte ich mich auf den Weg und kam in die Zentrale. Dutzende Monitore und viele große Wandschirme zeigten verschiedene japanische und internationale Fernsehkanäle. "Was ist das denn?", rief ich erstaunt bei den Massen an Schuluniformen, die sich vor mehreren Rekrutierungsbüros der UEMF drängten. Rodriguez drehte den Ton auf und Daisuke grinste zu mir herüber. "...fast sämtliche Schüler der Fushida Oberstufe freiwillig für den Einsatz auf OLYMP, für den nur Menschen in Frage kommen, die unter einundzwanzig Jahren sind. Wie die UEMF mitteilt, sind alle bisherigen Bewerber für den Dienst tauglich und werden nach kurzer Prüfung vereidigt und in den aktiven Dienst übernommen. Nach bisheriger Zählung sind es bereits über zweihundert, und die Schlangen mit den Schuluniformen der Fushida Oberstufe reißen nicht ab." "...warum wir das tun? Ich kann nicht für die anderen sprechen. Aber die da oben haben uns drei Jahre lang beschützt, und jetzt brauchen sie unsere Hilfe. Megumi-chan ist in meiner Klasse und endlich kann ich etwas für sie tun." "...Akira Otomo Blue Lightning ist? Ich hatte total keine Ahnung. Er hätte das gar nicht geheim halten brauchen, wir hätten schon auf ihn aufgepasst. Nicht, Jungs?" "...sterben können? Klar. Aber können Sie mir versprechen, dass die Kronosier uns nicht erobern und versklaven, nur weil die UEMF sie lieb drum bittet? Nein? Dann gehen Sie mal aus dem Weg. Ich bin nämlich dran." "...weil wir Geld dafür kriegen. Ist doch logisch. Nein Scherz beiseite. Mein Vater dient auf OLYMP und ist in diesem Feld, das seinen Zeitablauf anhält. Früher oder später wäre ich sowieso in die UEMF eingetreten. Jetzt ist es halt früher geworden, und das, weil ich meinen Vater beschützen will." "...ist sehr lustig in der Reihe, ja. Aber glauben Sie mir, niemand hier hat es sich leicht gemacht, sich in diese Reihe zu stellen. Wir alle wissen, dass wir eine gute Chance haben zu sterben. Das hat uns Colonel Otomo, ich meine Akira-kun Gestern klar gemacht. Aber wäre es Ihnen lieber, wenn Sie dafür Morgen von den Kronosiern vorgeschrieben kriegen, was Sie senden sollen? Wir werden gebraucht, und wir werden jetzt gebraucht. Akira-kun." "...hätten Sie sehen sollen, wie nach und nach mehr Soldaten aus den Reihen vorgetreten sind. Ich meine, bei Megumi-chan war das ja klar gewesen, aber bei Ino-sensei? Und die anderen wie Kenji und Sarah. Bei Honda-kun hat man so was ja schon geahnt, aber bei Yoshi? Jedenfalls, sollen sie den ganzen Spaß alleine haben? Nein. Bei irgendetwas werde ich helfen können, das weiß ich." "...die Slayer sind? Das glauben Sie doch nicht, dass Ihnen auch nur einer in der Reihe verrät, wer sich da verwandelt hat? Es reicht vollkommen, wenn Sie wissen, dass es Schülerinnen unserer Schule sind. Und das wir zu ihnen stehen, so wie sie uns vor diesen Durchgeknallten Youmas beschützt haben!" Ich schüttelte den Kopf, einfach nur tief beeindruckt den Kopf. "Die ersten Hundert kommen gerade auf Titanen-Station an, Sir. Aber da es massive Proteste der Eltern gab, bieten wir jedem an, zurück zu fliegen. Doch anscheinend will keiner von ihnen freiwillig wieder gehen", sagte Daisuke leise. Er blinzelte mich an. "Sag mal, Akira, war es wirklich so einfach herauszufinden, dass ich zur UEMF gehöre?" Ich lachte laut auf. "Ich habe es nicht gemerkt. Also keine Sorge." Die Kameras zeigten neue Bilder. Eltern versuchten ihre Kinder daran zu hindern, die Büros zu betreten. Andere machten gleich direkt vor den Soldaten der UEMF eine Szene. Dies nützte aber nur bei den Schülern etwas, die unter achtzehn waren. Und von den Siebzehnjährigen, aus meinem Jahrgang, gab es viele, die unter Tränen, aber auch Stolz verabschiedet wurden, bevor sie die Büros betraten. Es gab beide Extreme. "Bald wird ihr Blut an meinen Händen kleben!", keuchte ich. "Dann wird es auch an meinen kleben", sagte Megumi fest. "Aber du weißt so gut wie ich, dass wir sie brauchen. Oberstufenschüler mit guter Bildung und Intelligenz über dem Durchschnitt, nicht nur für den OLYMP und den Bordbetrieb, sondern auch für den Angriff auf den Mars." "Das macht es nicht leichter, Megumi-chan." "Das darf es auch nicht. Aber es macht die Sache verständlicher, oder?" "Nicht sehr viel. Leider nicht sehr viel. Wann haben wir angefangen, Kinder in den Krieg zu schicken?" "Hört, hört, wer da spricht. Ein kleiner Junge von siebzehn Jahren, noch nicht ganz achtzehn. Und er reißt nicht nur das Oberkommando an sich, er redet sogar schon wie ein Alter", kommentiert Joan amüsiert vom Eingang her. Sie hatte ihr langes rotes Haar abgeschnitten und gegen einen Bürstenschnitt ausgetauscht. "Wenn du nichts dagegen hast, suche ich aus den Leuten hier an Bord die Besten raus, die sich für eine schnelle, starke und mobile Infanterietruppe eignen. Wenn wir die Kronosier diesmal schlagen wollen, und ich meine nicht nur für ein paar Jahre, dann, Akira, brauchen wir Infanterie. Dein Sempai Takashi ist mein erster Rekrut. Er wird einen hervorragenden Platoon Sergeant abgeben." "Das gleiche wollte ich auch gerade sagen", sagte Megumi ernst. "Ich wollte mir die Piloten im Training schnappen und einige von den viel Versprechenden wie Doitsu, um eine Vorauswahl zu treffen und ein erstes Training zu veranstalten." "Beides genehmigt, Ladies. Aber vergesst nicht, nur weil dies alles Schüler unserer Schule sind, werden sie uns nicht alle zum Mars begleiten. Viele von ihnen werden auch hier auf OLYMP ihren Dienst tun müssen." "Akira!", rief Daisuke herüber. "Commander Thomas ist in der Leitung." "Stell ihn durch." Einer der Bildschirme auf meinem Pult flammte auf und zeigte das Gesicht meines Lehrmeisters. Es hatte seine Vorteile, nicht nur über Audio zu verfügen. "Jerry. Hallo. Was für Hiobsbotschaften hast du für mich?" Der alte Soldat grinste breit. "Ich nehme an, du sitzt." "Schon wieder Ärger mit der Kommission? Soll ich jetzt erst Recht wieder abgesägt werden?", ächzte ich. "Sitzt du?" "Mach es nicht so spannend, Sensei", schimpfte ich. "Gut. Wenn du nicht sitzt, dann tu es endlich. Denn ich habe eine nette kleine Mail bekommen. Genauer gesagt ging sie an alle offiziellen Büros. In der Mail wird das Kommando über die Erdverteidigung auf dich übertragen." "So ein Quatsch. Abgesehen vom Komitee und einer Vollversammlung der UNO gibt es nur einen Menschen, der das tun könnte, und das ist..." Überrascht sprang ich auf. "VATER!" "Ja, Eikichi. Niemand sonst." Ich warf mich herum, sprintete aus der Zentrale. "Dieses Leuchten um seine Finger! Die KI-Energie! Das hat er also geschrieben!" Megumi folgte mir. "Was ist los, Akira?" Ich erreichte Vaters Büro, riss die Tür auf, rannte um den Schreibtisch herum und sah das Zeichen dafür, dass eine interne Mail verschickt worden war. Hastig klickte ich den Browser zurück und las die Mail. "Hiermit übergebe ich das Amt als Executive Commander über die UEMF an Colonel Akira Otomo ab. Gezeichnet, Eikichi Otomo", las ich laut vor. "Das ist eine Überraschung, was?", erklang Jerrys Stimme über die Kommleitung. Eine gnädige Seele hatte ihn rüber gestellt. "Eine Riesenüberraschung. Er hat seinen Zeitablauf mit KI-Energie beschleunigt, damit die Mail noch in diesem Leben fertig wird. Verdammt, Eikichi, das erklärt, warum du Commander nur mit einem M geschrieben hast." "Keine faulen Witze, bitte. Damit wirst du nicht nur von den Kapitänen der Flotte getragen, sondern hast auch rechtlich gesehen das Oberkommando. Ich erwarte deine Befehle." "Einen Moment, Jerry." Ich rief ein Schreibprogramm auf und begann zu tippen. Danach ließ ich es offen. "Megumi, gib Anweisung, dass niemand den PC von Vater ausschaltet. Er wird mehr als eine Woche brauchen, um den Text, den ich ihm getippt habe, lesen und verstehen zu können." "Verstanden. Was hast du ihm denn geschrieben?" Ich lächelte matt. "Dass Yohko und Lilian ein und dieselbe Person sind." Megumi streichelte mir durch mein Haar. "Du bist ein guter Junge." Zurück in der Zentrale setzte ich mich wieder zum Monitor. "Da ich jetzt unwiderruflich das Oberkommando habe, kommt hier mein Befehl. Jerry, wir führen den Angriff auf den Mars durch, allerdings in abgespeckter Version. Statt mit einer Armada werden wir mit zwei Fregatten, einem Zerstörer und einem Kreuzer fliegen. Welcher Kreuzer hat die geringsten Schäden erlitten? Welchen können wir innerhalb von drei Monaten einsetzen? Auf welchem können wir trainieren?" "Die BISMARCK ist ausgebrannt, wie du weißt. Die HINDENBURG hat es auch übel erwischt, wir kriegen sie nie in drei Monaten flugbereit, geschweige denn dicht genug, um eine Atmosphäre zu halten", informierte er mich leise. "Wenn wir die anderen beiden Schiffe in der Reparatur komplett zurück stellen, schaffen wir es vielleicht die GRAF SPEE rechtzeitig hin zu bekommen." "Jerry, ich habe eine Entscheidung getroffen. Konzentriere alle Energien auf die GRAF SPEE. Wir brauchen das Schiff in exakt drei Monaten. Ich bringe dir eine Crew rüber, bestehend aus meinen Mitschülern und Freiwilligen Soldaten rund um den Erdball", sagte ich ernst. "Und wer soll das Schiff kommandieren? Du wirst am Angriff teilnehmen wollen, aber nicht unbedingt an Bord bleiben, oder?", tadelte mich mein Sensei. Ich lächelte dünn. "Das hast du gut erkannt, Jerry. Sakura wird das Kommando übernehmen." "Hey, das ist eine gute Entscheidung. Sie könnte sogar einen Wal dazu bringen Stepptanzunterricht zu nehmen." Ich grinste dazu, und wurde sofort wieder ernst. "Ruf sofort die KAZE, die LOS ANGELES und die YAMATO nach ARTEMIS. Sie und die GRAF SPEE werden für den bevorstehenden Einsatz umgerüstet. Ich will bessere Schilde und stärkere Waffen. Nutze jeden verdammten Flecken an Bord aus, um das zu schaffen." "Wir haben nicht die Kapazitäten, alle vier Schiffe zugleich umzurüsten", wandte Jerry ein. "Schmeiß die BISMARCK und die HINDENBURG in den Atlantik." "Was?" "Jerry", sagte ich beschwörend, "es geht um unser aller Überleben. Wir müssen statt mit dreiundzwanzig Schiffen nun einen Angriff mit vier Schiffen ausführen. Dafür will ich die Chancen für uns so gut wie möglich machen. Wir brauchen den Platz. Und die Werften auf OLYMP zu benutzen halte ich für keine gute Idee." Im Gesicht von Jeremy Thomas arbeitete es. "Ich tu es. Wenn du mir einen offiziellen Befehl gibst." "Danke", sagte ich erleichtert. "Ich komme rüber und verabschiede die beiden Schiffe." Jerry schüttelte unwillig den Kopf. "Deswegen fällt es mir nicht leichter." "Ich weiß. Otomo aus." Ich lehnte mich in meinem Sessel zurück. Was hatte ich da gerade angeordnet? Ich würde eine Viertelmilliarde US-Dollar zu den Fischen schicken. Aber so sehr ich auch nachdachte, mir fiel keine bessere Lösung ein. "Du hast richtig entschieden", sagte Megumi. "Denn wir brauchen die Kapazitäten wirklich." "Das macht es nicht einfacher", murmelte ich. "Und solange das der Fall ist und du dich um Menschen und Material kümmerst und sorgst, höre ich auf dich", fügte Joan hinzu und drückte mir einen Kuss auf die Wange. "Danke", erwiderte ich. "Bitte gebt Kei Takahara und Sakura Bescheid. Sie sollen mit mir und euch beiden sowie Makoto im Hangar bereit stehen. Wir fliegen sofort rüber nach ARTEMIS." "Warum auch Kei?", fragte Megumi erstaunt. Ich lächelte. "Nun, der Chefkoordinator der GRAF SPEE sollte so früh wie möglich einen Blick auf seinen zukünftigen Arbeitsplatz werfen, oder?" 5. Die GRAF SPEE hatte in der mittleren Werft gelegen. Deshalb hatte sie die geringsten Schäden erlitten. Die Rümpfe der anderen beiden Kreuzer hatten sie gewissermaßen beschützt. Nun hatten zwei Zerstörer an ihnen fest gemacht, um sie aus der Werft zu schleppen und dann ins Meer stürzen zu lassen. Es würde zu lange dauern, ihnen funktionierende Antigravitation einzubauen. Da war es einfacher, die Gravitation von ARTEMIS für einige Zeit umzukehren und den Schiffen einen Abstoßeffekt mitzugeben. Ich nickte einem Techniker zu. Der gab Gravitationsalarm. Nach dem fünften Ton musste jedermann an Bord einen festen Halt erreicht haben. Ich selbst hielt mich am Geländer des Balkons fest, von dem aus wir einen perfekten Blick auf alle drei Werften hatten. "Neunhundert Meter lang. Zweihundertachtzig stark. Dreihundertneunzigtausend Tonnen Eigengewicht. Zwölf Torpedorohre, dreißig Raketenwerfer. Partikelgeschütze und Schwere Laserwerfer. Ein Antrieb, der sie binnen von sechs Wochen zum Jupiter und zurück bringen kann. Die Möglichkeit, einhundert Mechas mitzuführen und einzusetzen. Jedes einzelne darauf ausgelegt, eine Flotte von zwanzig Schiffen zu koordinieren. Fertig gebaut dreihundert Milliarden wert. Und wir werfen zwei Stück davon weg", murmelte ich leise. "Hey, Akira-chan, es war deine Idee", hielt mir Jerry vor. Ich schüttelte den Kopf. "Nur weil es meine Idee war, heißt das doch nicht, dass ich sie nicht bedaure, oder? Das fünfte Signal erklang. Kurz darauf spürte ich, wie mein Körper leichten Auftrieb bekam. "Okay, Jerry, die MIDWAY und die WESTPOINT sollen los legen." Der Commander gab die Befehle weiter. Kurz darauf setzten sich die verkohlten und verbogenen Rümpfe der BISMARCK und der HINDENBURG in Bewegung. Sie glitten nur wenige Meter über der Oberfläche dahin, gepullt von den kräftigen Zerstörern. Als sie unseren Aussichtsposten erreichten, salutierte ich stumm mit der Rechten, während die Linke noch immer die Stange umklammerte. Neben und hinter mir salutierten die Offiziere ebenso. Es war ein Anblick von majestätischer Schönheit, aber zugleich so erschreckend, dass er eine Gänsehaut verursachte, als die Schiffe immer mehr und mehr über den Rand von ARTEMIS hinaus trieben, die Schlepptaue gesprengt wurden und die langen Schiffsrümpfe über den Rand hinweg kippten. Eine Trompete spielte einen Trauermarsch und wir verharrten im Salut, bis sie verstummte. Als der Trompeter endete, nahm ich die Hand wieder ab. "Lassen Sie die WESTPOINT und die MIDWAY nun Salut schießen, Commander." "Verstanden, Executive Commander." Kurz darauf schossen beide Schiffe neun volle Breitseiten Salut für die Schwesterschiffe ab, die geopfert werden mussten, damit ihre dritte Schwester, die GRAF SPEE, die Menschheit rettete. Nach dem Salut gab es wieder Gravitationsalarm. Als die Schwerkraft wieder richtig funktionierte, wandte ich mich um. "Kapitän Ino. Darf ich Ihnen vorstellen? Ihr Kommando. Die GRAF SPEE!" Zögerlicher Applaus erklang, der aber schnell stärker wurde. "Na, dann sehen wir uns die Lady doch mal näher an", sagte Sakura mit einem Glitzern in den Augen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)