Anime Evolution von Ace_Kaiser (Erste Staffel) ================================================================================ Kapitel 10: Erstarrte Zeit -------------------------- 1. Es war noch recht früh am Morgen. Eigentlich zu früh am Morgen für mich. Und eigentlich hätte ich mich mit Kopfschmerzen und Übelkeit noch einige Zeit auf meinem Futon wälzen müssen, denn das siebte oder achte Glas Sake war definitiv schlecht gewesen. Dennoch stand ich hier, beinahe nüchtern und bis in meine Seele tief erschüttert. Ich stand in dem Zimmer, dass Megumi bekommen hatte und sah auf sie herab. Da es sehr warm war, hatte sie ihre Decke fortgestrampelt und lag nun selig schlummernd vor mir, mit nicht mehr bekleidet als dem üblichen Shirt. Natürlich erleichterte mich der Gedanke, dass sie alleine in ihrem Zimmer war. Natürlich war ich froh, dass ich keine Spur eines Mannes entdecken konnte, der eventuell in diesem Zimmer einen Teil der Nacht verbracht haben könnte. Aber das waren nur Äußerlichkeiten, rangierten an zweiter Stelle. Nach außen hin war ich ruhig, vollkommen gefasst und wirkte sicherlich nüchtern. In meinem Innern aber brodelte mein Blut, meine Emotionen fuhren Achterbahn und ließen meinen Atem stocken. Langsam legte ich eine Hand auf meine Stirn. Was tat ich hier eigentlich? Warum war ich mit dem Hauptschlüssel in ihr Zimmer gekommen? Warum starrte ich auf sie hinab und beobachtete, wie sie friedlich wie ein Engel schlief? Ich machte einen Schritt auf sie zu, dann noch einen. Bevor ich mich versah, stand ich neben ihrem Futon. Langsam ließ ich mich auf die Knie nieder. War zwischen ihr und Mamoru irgendetwas gelaufen? Als Joan mich so richtig in der Mangel gehabt hatte, da war sie einige Zeit nicht im Zimmer gewesen - und dieser Möchtegernbeschützer auch nicht! Mühsam entkrampfte ich meine Hände. Das sollte mir im Moment reichlich egal sein! Aber das war es nicht. Das war es einfach nicht. Ich ermahnte mich selbst nicht zu vergessen, weshalb ich hier eingebrochen war. Und das war bestimmt nicht um zu versuchen, Megumi in den verrutschten Ausschnitt ihres Shirts zu sehen. Ich musste sie wecken. Allzu viel Sake hatte sie hoffentlich nicht getrunken, sie würde mir sicherlich zuhören können. Doch wie bekam ich sie wach? Tausend Gedanken schwirrten mir durch den Kopf. Vielleicht mit einem Kuss wie im Märchen? Vielleicht mit stummer Geduld und einem Lächeln, wenn sie erwachte? Sie mochte es, wenn ich ihr Gesicht streichelte. Wieder ballten sich meine Hände zu Fäusten. Deswegen war ich nicht hier. Letztendlich entschied ich mich für einen eher effizienten Weg, um sie zu wecken. "Captain Uno", sagte ich leise. Übergangslos hörte Megumi auf, sich im Schlaf zu räkeln. Sie öffnete die Augen und musterte mich blinzelnd. "Akira. Was machst..." Ein kräftiges Gähnen unterbrach sie. "Captain", sagte ich wieder. "Es ist dienstlich." Sie musterte mich amüsiert. "Um diese Uhrzeit? Nach der Party? Oder wolltest du einfach nur kontrollieren, ob ich alleine schlafe?" Ich ignorierte ihre Frage, so gut es ging. Wenngleich sie nicht unrecht hatte. Meine Hände begannen zu zittern. Ich versuchte sie in den Griff zu kriegen, aber es funktionierte nicht. "Es ist mein Fehler. Verdammt, es ist mein Fehler. Hätte ich den Bericht Gestern schon zu Ende gelesen, dann wäre ich vorhin nicht mit dickem Schädel aufgewacht und hätte versucht, mich irgendwie zu beschäftigen. Ich weiß, es ist noch sehr früh, aber wenn ich es dir nicht sage, dann platze ich oder werde gleich wahnsinnig!" "Worum geht es, Colonel?", fragte sie ernst und richtete sich in ihrem Bett auf. "Taylor lebt", sagte ich tonlos. Megumi streckte sich und gähnte dabei herzhaft. Verschlafen sah sie sich um und inspizierte ihre Sachen vom Vorabend, die über den halben Raum verteilt waren. "So, so", murmelte sie leise und griff nach ihrem Kleid. Plötzlich hatte ich beide Hände an meinem Kragen. Megumi zog mich zu sich auf Augenhöhe herunter. "DAS IST NICHT DEIN ERNST!" "Doch, er lebt. Die Quelle ist nicht die Sicherste, aber..." "Akira!", flüsterte sie mit Schmerz in der Stimme, "wir beide und Mako haben gesehen, wie er in der Explosion verschwand! Wie er... Wie er Yohko mit ins Verderben riss. Akira, wie kann er das überlebt haben?" Ich schluckte hart. "Er... Laut der Aussage von Agent Valjean, der die Kronosier infiltriert hat, begegnete ihm Taylor diverse Male. Er bekleidet mittlerweile eine ziemlich hohe Stufe in der Hierarchie. Es heißt, da er nur in den Ausläufern der Explosion war, habe ihn die Panzerung des Daishi vor Schlimmeren bewahrt. Danach haben die Kronosier ihn ein halbes Jahr in einen Biotank gepackt und ihn komplett wieder geheilt." "Akira! Sag mir, dass das nicht wahr ist! Das kann und darf nicht sein! Dieses Schwein hat Yohko getötet!" Wütend funkelte sie mich an. "Und er hätte beinahe dich erwischt! Und so einer darf noch leben?" Ich senkte den Kopf. "Ich... Ich war mir sicher, so sicher. Es... Es war mir immer ein Trost, dass dieser Bastard zusammen mit Yohko gestorben war." Ich spürte, wie Tränen aus meinen Augen rannen. "So dachte ich zumindest. Aber jetzt..." Megumi sah mich aus großen Augen an, aus denen jede Wut gewichen war. Sie begannen feucht zu schimmern. Langsam ließ sie meinen Kragen los und legte ihren Kopf auf meine Brust. "Das ist nicht fair", schluchzte sie leise. "Das ist einfach nicht fair. Warum darf ein Schurke wie er überleben? Warum konnte es ihn nicht anstelle von Yohko erwischen? Das ist nicht fair." Langsam schloss ich meine Arme um sie und drückte sie eng an meine Brust. "Danke", hauchte ich ihr ins Ohr und genoss den Duft ihres Haares. "Wofür?", hauchte sie zurück und vergoss Tränen in mein Shirt. "Danke, dass ich es nicht alleine ertragen muß. Das du es dir angehört hast. Das ich in dir Halt habe. Ich dachte, mich zerreißt es, als ich es gelesen habe. Aber jetzt, mit dir..." Ich spürte, wie sich Megumis Arme um meinen Rücken legten. Sanft drückte sie mich. "Du musst das nicht alleine ertragen, Akira. Yohko war genauso meine kleine Schwester wie deine. Du hattest sogar die Pflicht es mir zu sagen." Ich schwieg ergriffen. Bei all dem Durcheinander in unserer Beziehung stand sie dennoch vorbehaltlos zu mir. Ich drückte sie noch ein wenig mehr und genoss den Geruch ihrer Haare und ihrer Haut. Ihre Wärme tröstete mich mehr als ich sagen konnte. "Akira", hauchte sie. "Versprich mir, dass wir beide schwören." "Was schwören?" "Schwören, dass einer von uns lange genug am Leben bleibt, um diesen Bastard doch noch in die Hölle zu schicken." "Ja", erwiderte ich leise. "Einer von uns beiden wird Henry William Taylor erwischen. Einer kriegt ihn!" "Das passt zu heute", sagte sie leise und drückte sich etwas von mir fort. Sie musterte mich mit einem gequälten Lächeln. "Heute ist es genau drei Jahre her, dass Yohko auf dem Mars geblieben ist." "Ein guter Tag, um ihrem Mörder Rache zu schwören", murmelte ich leise. Megumi nickte. "Einer von uns beiden wird ihn erwischen. Ich weiß es." Schweigend sahen wir uns lange Zeit in die Augen. "Megumi, ich..." "Nein, Herr Akira, danke für die Nachricht. Ich ziehe mir den Bericht nachher von deinem Datapad rüber. Aber jetzt gehst du besser, bevor noch ein Unglück geschieht." Nur mühsam löste ich meine Hände von ihr. Verdammt, ich wollte sie nicht loslassen. Ich wollte einfach nicht. Dennoch tat ich es und spürte, wie ihre Hände von meinem Rücken herab glitten. Ich erhob mich. "Nach dem Frühstück werden wir mit Makoto darüber sprechen. Er hat den Bericht selbst noch nicht gelesen." "Ja, ja, was immer du meinst", sagte sie, stand auf und schob mich vor sich her. Schnell landete ich auf dem Gang. Hinter mir schnappte das Türschloss und ich konnte mich des Verdachts nicht erwehren, dass sie den Schlüssel hatte stecken lassen, damit ich mit dem Nachschlüssel nicht mehr hinein kam. "Akira?", fragte sie leise. Ich legte eine Hand an die Tür. "Ich bin noch hier, Megumi." "Ich... ich wollte nur Danke sagen. Danke, dass du diesmal für uns beide stark genug warst." Entsetzt starrte ich auf die Tür. Das Blut begann mir in den Ohren zu rauschen und mein Blick verringerte sich auf eine Art Tunnel, durch den ich einen winzigen Spot fixierte, hinter dem ich Megumis Gesicht zu erkennen glaubte. "K-keine Ursache", stammelte ich und wandte mich ab. Statt der versäumten heißen Dusche nach dem Aufstehen würde es wohl diesmal eine kalte sein. Eine sehr lange und ausgiebige kalte Dusche... 2. Als ich tropfnass, aber genügend herunter gekühlt in meinem Zimmer stand und verzweifelt nach einem Handtuch suchte - das ich natürlich vergessen hatte, bevor ich in die Dusche gestiegen war - ging ich in Gedanken den Ablauf des Tages durch. Wir würden noch den Mittag und den Rest des Nachmittages hier verbringen, bevor unser Zug zurückging. Das bedeutete mindestens noch acht Stunden Zeit am Strand. Acht Stunden, in denen alles Mögliche passieren konnte. Mir schwante schreckliches. Als ich endlich ein Handtuch fand und mich abzutrocknen begann, stutzte ich. Nachdenklich betrachtete ich meinen Rücken im Zimmerspiegel. Tatsächlich, er hatte sich stark gerötet. Ich war wohl knapp an einem richtigen Sonnenbrand vorbei geschlittert. Aber in die Sonne sollte ich den Teil meiner Haut wohl besser nicht mehr halten. Wieder begann ich meine Suche, nur diesmal nach der After Sun Repair. Nachdem ich diese großzügig aufgetragen hatte, seufzte ich schwer. Wenn doch nur alles in meinem Leben so einfach gewesen wäre, wie dieses Spray aufzutragen und zu entscheiden, nur noch mit Shirt herum zu laufen. Aber das konnte ich sicher nicht erwarten. Leise verließ ich mein Zimmer. Trotz meines Besuchs bei Megumi und der langen Dusche war es immer noch weit vor acht Uhr. Und auf einem Sonntag so früh schon herum zu lärmen empfand ich im höchsten Maß unhöflich. Ich betrat die Küche des Gasthauses und begrüßte Akari freundlich, die bereits mit dem Frühstück beschäftigt war. Zu meinem Erstaunen war ich nicht der erste. Am großen Tisch saßen bereits Daisuke und Sarah. Hm, alle würden wir sowieso nicht zugleich an den Tisch passen, da war es sicher sinnvoll, nacheinander zu frühstücken. "Meister", hauchte mir Akari zu, "irgendetwas ist merkwürdig mit den beiden. Sie sehen so furchtbar müde aus, als wenn sie die ganze Nacht kein Auge zubekommen hätten, aber ihre Stimmung ist so... So..." Ich grinste still. "Das geht schon in Ordnung, Akari. Das hat sicher seine Richtigkeit. Ich hoffe nur, sie waren nicht die ganze Nacht auf dem Balkon." Ich ergriff eine Tasse voll mit heißem, dampfendem und tiefschwarzem Kaffee und wollte mich gerade setzen, als Akari mich erschrocken anstarrte. "Meister!" "Was ist denn, Akari?" "Akira-sama, ich... Daisuke-sama ist irgendwie merkwürdig. Er hat sein Gesicht so merkwürdig verzogen. Es sah beinahe aus wie... Da, schon wieder!" Ich hatte Mühe, ein lautes Lachen zu unterdrücken, als ich dem Blick des Oni folgte und den Grund für sein Entsetzen fand. Von den Gästen wussten die meisten über ihr Naturell Bescheid, die anderen hielten sie, solange sie sichtbar war, für eine Verwandte meines Vaters. Das war, so fand ich, eine sehr gute Ausrede. Aber anscheinend brauchte sie noch etwas Training für diese Rolle, denn etwas so offensichtliches wie ein Lächeln nicht zu erkennen war... Moment, hatte Daisuke etwa wirklich gelächelt? Entsetzt tauschte ich einen Blick mit Akari aus. "Ob er von einem Youma besessen ist?", fragte sie mit Schalk in den Augen. "Vielleicht ist er auch ein feindlicher Agent, der nur Daisukes Platz eingenommen hat", erwiderte ich übertrieben ernst. Ich spürte, wie mich eine starke Hand am Kragen meines Shirts ergriff und Richtung Tisch zog. "Setz dich, Colonel, und ärger mich nicht!", blaffte Daisuke Honda. "Guten Morgen, Akira-chan", sagte Sarah fröhlich. Nein, es war eher so, als würde sie die Worte singen. "Guten Morgen, Ihr zwei. Das Gestern Abend tut mir Leid. Ich hoffe, ich habe dich nicht verletzt, Daisuke?", fragte ich vorsichtig. Der Mecha-Pilot sah mit mürrischer Miene von mir fort und brummelte etwas Unverständliches. Woraufhin ihn die Faust von Sarah auf der Schulter traf. "Daisuke", sagte sie scharf. "Isjaschongut. Nein, Akira-san, du hast mich nicht verletzt. Im Gegenteil, ich bin... Ich... Da... Da... Da..." "Dan...", half ich ihm aus. Der Lieutenant der UEMF schluckte hart. "Danke, dass du mir altem Holzkopf auf die Sprünge geholfen hast." Ich staunte, und das zu Recht. Solch ein Geständnis aus dem Mund von Daisuke war ein richtiges Wunder. Ich hatte ihn immer für Pflichtversessen und steif gehalten, aber anscheinend steckte auch in ihm ein kleiner Mensch, der Spaß haben wollte und Verständnis forderte. "Nicht der Rede wert. Aber sagt mal, wart Ihr den ganzen Abend auf dem Balkon?" Sarah begann zu grinsen. Ich fand, dass es im Gegensatz zu ihrem üblichen Auftreten sehr provokativ wirkte. Auch Sarah hatte sich verändert. Sie war schon immer die Führungskraft gewesen, die Lenkerin. Aber nun schien sie auch energischer geworden zu sein. "Nicht den ganzen Abend, Akira-chan. Wozu hat man denn ein Zimmer?" Daisuke wurde knallrot im Gesicht, wie ich amüsiert feststellte. Aber wieder huschte ein Lächeln über seine Züge. "Ach so. Nun, ich hoffe, Ihr... habt dran gedacht?", stocherte ich vorsichtig. Daisuke, der gerade hatte einen Schluck Kaffee nehmen wollen, prustete vor Schreck in seine Tasse. Sarah hingegen grinste nur noch breiter. "Ich war ja vorbereitet. Im Gegensatz zu diesem Sturkopf hatte ich ja immer die Hoffnung, dass er doch noch mal sieht, was er an mir hat." Ich nickte bestätigend und musste wieder mit einem Lachanfall kämpfen. "Okay, dein Punkt, aber ansonsten kannst du dich doch nicht beschweren, oder?", fragte Daisuke plötzlich. Nun war es an Sarah, zu erröten. "Nein, natürlich nicht. Du warst..." "Schon in Ordnung, schon in Ordnung, keine Details bitte. Ich habe gerade schon eine kalte Dusche hinter mir. Eine zweite brauche ich wirklich nicht", warf ich hastig ein, um Sarah abzuwürgen. Aber anscheinend war mein Einwurf unnötig gewesen, denn die beiden begannen gerade, sich intensiv zu küssen. Höflich sah ich weg und umklammerte meine Tasse. Na toll, der positive Effekt meiner Dusche hatte sich damit wieder erledigt. Wer hatte das auch ahnen können? Gut, zwischen den beiden schien nun endlich alles so zu laufen wie es hatte sein sollen. Aber damit erinnerten sie mich schmerzhaft an all die verpassten Chancen und Gelegenheiten, die ich gehabt hatte, um meinen Hormone abzubauen. Und um Klarheit in mein völlig konfuses Herz zu bringen. "Meister!", sagte Akari ernst. "Das ist vollkommen normal, Akari", sagte ich und winkte gönnerhaft. "Lass den beiden ihren Spaß." "Das ist es nicht. Ich spüre eine Präsenz, die... Jetzt ist es weg. Ich... Ich weiß nicht. Es war so ein warmes Gefühl, aber so mächtig. Ich..." Sie sah mich aus großen Augen an. "Eier oder Waffeln, Akira-sama?" Ich wollte darauf antworten, aber übergangslos war ich nicht mehr in der Küche, geschweige denn in dem Gasthaus der UEMF. Ich stand in einer düsteren Höhle, deren ferne Wände ich nur erahnen konnte. Schwaches Licht schien direkt aus der Decke zu schimmern, aber es war bei weitem nicht genug, um mehr zu erkennen als ein paar Steine, die sinnlos verstreut auf dem Boden lagen. "Akira-sama!", rief Akari neben mir. Ich wandte mich ihr zu und sah Entsetzen in ihrem Gesicht. Sie deutete die Höhle hinunter. Als ich ihrem Blick folgte, spürte ich ebenfalls Entsetzen. Was dort im Halbdunkel auf uns zukam war... Eine riesige Spinne! Groß! Achtbeinig! Haarig! Mit einem gewaltigen, umso behaarterem Hinterleib! Eine Gigantin, wie aus einem Horrorfilm entsprungen! "Wow!", entfuhr es mir. Akari begann neben mir aufzuglühen. "Meister, zieh dich zurück. Ich halte sie auf!" Die Spinne schien übergangslos ihre Augen zu öffnen. Anstatt in zwei Viererreihen schwarzer Knopfaugen sahen wir in sechsunddreißig zornig leuchtende rote Lichter. Von ihnen ging ein heller Schein aus, der Akari erfasste, in die Luft hob und gegen die Decke warf. Sie schlug hart dagegen und fiel haltlos in die Tiefe. "Akari!", rief ich, spurtete los und versuchte meinen Oni vor dem Sturz zu bewahren. Etwas schoss auf mich zu, ich tanzte es aus, als wäre ich an Bord meines Mechas und versuchte die Luftabwehr einer Fregatte auszutanzen. Ein schneller Blick offenbarte mir, was mich da beinahe getroffen hätte. Ein Netzfaden. Ich fing meinen Oni und bettete ihn hinter mir zu Boden. Akari atmete heftig. Ihr Gesicht war vollkommen vor Angst verzerrt. "M-Meister! Dies ist kein Oni oder einer der üblichen Youmas! Dies ist...!" "SCHWEIG!", donnerte eine laute und dunkle Stimme durch die Höhle. Akari zuckte zusammen. "Akira-sama, bitte flieh. Ich versuche, den Dämon aufzuhalten solange ich kann!" "Willst du das wirklich versuchen?", donnerte die gleiche Stimme von eben wieder. "Willst du dich wirklich von mir besiegen lassen, du vorlautes Halbgeschöpf? Hören kannst du nicht. Aber vielleicht schmeckst du ja ganz passabel. Ist es das, was du willst? Für diesen Menschen gefressen werden?" Akari starrte mich an. Ihre Lippen bebten, ihre Hände verkrallten sich in meinem Shirt. "Meister, ich... Ich..." "Ist schon gut, Akari. Ich will nicht, dass du vernichtet wirst. Ich will dich weiter in meinem Dienst haben. Bleib du hier. Ich werde mit dem Biest schon fertig." Ich erhob mich langsam aus meiner hockenden Position und wandte mich dem Dämon zu. Doch bevor ich etwas sagen konnte, erhob sich Akari neben mir. Doch sie stand kaum gerade, als die Augen wieder aufglühten und sie meterweit davon schleuderten. Selbst ich konnte sie diesmal nicht schnell genug erreichen um sie aufzufangen. Akari wurde wie eine Gliederpuppe zu Boden geworfen, überschlug sich und kam schließlich vollkommen verdreht zur Ruhe. "AKARI!", bellte ich und wollte zu ihr eilen. Aber diesmal erwischte mich das Netz der Riesenspinne. Akari indes erhob sich wieder und kniete sich hin. "Dai-Kuzo-sama, bitte verschont diesen Menschen und nehmt mich stattdessen." Ich starrte meinen Oni entsetzt an. Sie wollte sich tatsächlich für mich opfern? Der Spinnendämon oder große Spinne, wie Akari sie genannt hatte, ignorierte mich und stapfte an mir vorbei. Bei der Kraft und der Masse dieses riesigen Geschöpfs wurde mir wirklich anders. Andererseits, es ging ein herrlicher Duft nach Vanille von der Gigantin aus. Die Spinne stapfte direkt bis vor den Oni, der sich nun tief verbeugte und die Handspitzen parallel zueinander auf dem Boden aufgesetzt hatte. "So, so. Du willst also anstelle dieses Menschen sterben? Ist er es denn wert? Weißt du nicht, welchen Preis zu bezahlst, wenn du dich für ihn opferst? Du bist bereits einmal gestorben, schwacher Mensch. Wenn du nun vernichtet wirst, dann verlässt du den Zyklus der Wiedergeburt für immer und landest in der tiefsten Finsternis, in der ewiglicher Wahnsinn auf dich wartet." Akari begann zu zittern. Aber sie gab ihre Haltung nicht auf. "Nun, wenn du es so sehnlich wünschst...", raunte der Gigant und fuhr die Fresswerkzeuge aus, die gigantischen Mandibeln. Damit strich die Spinne dem Oni über Gesicht und Kopf. Die behaarten Hauer fuhren ihren Rücken herab und Akari begann erschrocken zu schreien. Aber sie rührte sich nicht. Dann erhoben sich die Mandibeln wie Schwerter bereit zum Schlag. Ich sprintete los, obwohl ich keinerlei Ahnung hatte, was ich gegen diesen Dämon ausrichten konnte. Aber ich wollte Akari nicht aufgeben, nicht verlieren. "AKARI!" Ein Bein der Riesenspinne fegte heran, fintierte und folgte meinem schnellen Ausweichmanöver. Der fintierte Hieb saß und warf mich zur Seite, wo ich mich mehrfach überschlug und für eine Sekunde benommen liegen blieb. Dann sausten die Hauer der Riesenspinne herab. Akari schrie angsterfüllt auf. Langsam erhob ich mich. Der Sturz war schwer gewesen, aber ich hatte ihn einigermaßen weg gesteckt. Ich taumelte langsam auf meinen Oni zu und ging neben ihm in die Knie. Dann zog ich den leblosen Dämonen an mich und bettete den Kopf auf meiner Brust. Übergangslos begann Akari zu weinen. "Verzeih mir, Akira-sama. Ich wollte stark sein. Ich wollte dich beschützen. Ich wollte für dich sterben. Aber ich hatte solche Angst. Ich hatte doch solche Angst. Ich habe versagt." "Pssst", sagte ich leise und strich dem Oni über das lange, schwarze Haar. "Du hast gegen einen übermächtigen Gegner gestanden und bist nicht geflohen. Als dein Meister hätte ich nicht mehr von dir verlangen können als du gerade gegeben hast. Ich bin sehr stolz auf dich." Akari sah zu mir hoch und verkrallte sich in meinem Shirt. "Dennoch. Ich habe versagt. Ich hatte solche Angst vor der schwarzen Leere. Ich... ich wollte fliehen, aber meine Beine trugen mich nicht. Ich habe dich im Stich gelassen, Akira-sama." "Das hast du nicht, Akari. Das hast du nicht. Du hast mehr getan als irgendjemand von dir verlangen darf." Ich starrte den Spinnendämon wütend an. "Egal wer." Die Spinne schüttelte sich und brummte dazu. Wurde sie gerade von einem Lachanfall erschüttert? Wieder bewegten sich die Mandibeln und hoben Akaris Gesicht an. "Kleiner Oni. Du warst sehr tapfer. Du hast nicht alles gegeben, ja, aber dein Meister hat Recht. Du hast mehr geleistet als man von dir verlangen kann. Geh wieder. Geh mit dem Segen von Dai-Kuzo, der großen Spinne." Akari verschwand in meiner Umarmung. Nein, sie wurde nicht einfach nur unsichtbar, sie wurde entstofflicht und war fort. "Was ist mir ihr?", rief ich entsetzt. "Ruhig, Akira-tono. Ruhig. Ich habe sie nur zurück gebracht. Aber wir beide müssen noch reden." Übergangslos veränderte sich meine Umgebung. Die düstere Höhle verschwand und machte einem Lichterfüllten Wald Platz. Ich kniete vor einem Tempel und die Morgensonne schien stark auf mich herab. Vor mir stand eine junge Frau in einen weiten schwarzen Gewand und weißem Gürtel. Die langen schwarzen Haare erinnerten ein wenig an die Spinnenbeine, das Gesicht war schneeweiß und die Lippen blutrot. "Du bist Akira Otomo", stellte Dai-Kuzo fest. Ich hatte nicht einen Moment einen Zweifel daran, dass die Frau vor mir und die Spinne ein und dieselbe Person waren. Langsam trat die Frau vor und berührte mich auf der Stirn. Ich verharrte respektvoll. Außerdem hatte ich eine gehörige Portion Angst, denn es war erst kurze Zeit her, dass die Frau vor mir eine gigantische und superstarke Riesenspinne gewesen war. "So. Ja. Aha", sagte sie und nickte kurz. "Nun gut, ich kenne nun dein Wesen, Akira-tono." "Warum bin ich hier, Dai-Kuzo-sama?", fragte ich geradeheraus. Die Frau lächelte und kniete sich vor mir nieder. "Du bist hier, weil ich es so will." "Das habe ich auch schon gemerkt. Aber warum hast du mich angegriffen? Meinen Oni angegriffen?" Dai-Kuzo lächelte verlegen. "Nun, es war... erforderlich. Um euer beider Herzen zu prüfen. Dein Oni ist stark, viel stärker als er selbst glaubt. Doch Akari-san hat nicht die Kraft, diese Energie selbst zu wecken. Noch nicht. Ich fand es interessant zu wissen, wie weit sie gehen würde, wenn ich dich bedrohe. Und wie sehr sie zu dir steht. Du kannst zufrieden sein, Akira-tono. Du hast eine sehr löbliche Gefolgsfrau in Akari, die dich wirklich von Herzen liebt." "Das hätte ich auch ohne deinen Test gewusst", erwiderte ich ernst. Wir starrten uns einige Zeit in die Augen. "Welches ist deine wahre Gestalt?", fragte ich plötzlich. "Diese hier oder die Spinne?" "Wieso?", fragte die Spinnendämonin. "Ist Aussehen so wichtig für euch Menschen?" "Nein, das siehst du falsch. Aussehen ist für uns Menschen ein wichtiger Hinweis, ob wir mit jemandem Kontakt schließen. Aber der Charakter ist es, der uns entscheiden lässt, ob wir diesen Kontakt danach halten. Was ich wissen will ist, ob du wirklich ein Trugbild brauchst, weil du mich unterschätzt oder dich selbst nicht magst." Die Spinnendämonin lachte laut auf. Es klang, als würden silberne Glöckchen gespielt. "Du bist mir ja einer Akira-tono. Geradeheraus direkt ins Ziel. Kein Wunder, dass du so ein berühmter Krieger bist." Dai-Kuzo lächelte mich an. Wieder hatte ich den Geruch von Vanille in der Nase, was jeden Zweifel ausräumte, mit wem ich es zu tun hatte. "Akira-tono, du denkst in zu engen Maßstäben. Natürlich sind beide Körper echt. Sobald ich es will." Ich nickte. "Verstehe. Du hast doch hoffentlich nichts dagegen, in dieser Form zu bleiben, Dai-Kuzo-sama?" "Wieso? Gefällt dir der Körper so gut?", erwiderte sie. "Das auch. Aber ehrlich gesagt, nach dem Hieb mit deinem Hinterbein hätte ich ein Problem mit dir zu reden, wenn du als Riesenspinne auftrittst", erwiderte ich. Wieder lachte die Dämonin. "Du bist mir ja einer. Ehrlich und geradlinig. Das gefällt mir." Sie beugte sich vor und gab mir einen Kuss auf die Stirn. "Und so tapfer. Ich denke, es war eine gute Idee, mit dir reden zu wollen. Gehen wir dann?", fragte sie und erhob sich. "Wohin?", fragte ich und stand ebenfalls auf. "Es redet sich leichter wenn man etwas geht." "Worüber?", hakte ich nach. Wir waren schon einige Meter in den Wald gegangen, als es hinter und neben mir im Gebüsch knisterte. Dai-Kuzo lächelte. "Mein Volk. Es ist neugierig. Neugierig auf den Ningen-Krieger, der so sehr von sich reden macht." "Noch mehr Spinnen?", fragte ich leise. "Auch, aber nicht nur", erklärte sie lächelnd und winkte in Richtung einer raschelnden Hecke. Dies war das Zeichen für einen gewaltigen Wolf, hervor zu springen. Auf seinem Kopf landete ein kleiner Fuchs, der erhebliche Schwierigkeiten hatte, sich dort festzuhalten. Wolf und Fuchs starrten mich an, das heißt der Fuchs erst, nachdem er endlich Halt gefunden hatte. "Das ist er also?", fragte der Fuchs enttäuscht. "Ich hatte ihn mir größer vorgestellt." "Sei still, Kitsune-kun", knurrte der Wolf. "Du gehst von Äußerlichkeiten aus. Aber siehst du nicht seine Aura? Es ist die eines Kämpfers. Eines großen Kriegers. Und seine Augen. Es sind die eines fairen Mannes." "Boah, alter Okami, da haben sich ja wieder zwei gefunden, was? Warum gehst du nicht mit ihm jagen oder so und tust irgendetwas um mit ihm Männerfreundschaft zu schließen?", grummelte der Fuchs. Der Wolf verwandelte sich in einen grauhaarigen, aber kräftigen Mann, der Fuchs wurde zu einem quirligen Mädchen, das hastig von seinem Kopf sprang und sich aus der Reichweite der Arme des Wolfs rettete. Sie versteckte sich hinter der Spinnendämonin. "Dai-Kuzo-sama, rette mich." Die Spinnenfrau lächelte sanft. "Dies sind zwei meiner wichtigsten Untergebenen. Dai-Okame, der Herr der Wölfe. Und Dai-Kitsune, die Herrin der Fuchsdämonen." "Angenehm", erwiderte ich und deutete eine Verbeugung an. Kitsune verzog den Mund und blähte die Wangen auf. "Trotzdem. Der soll dieser große Krieger sein? Ist doch wieder nur viel heiße Luft." Der Wolf griff zu und bekam die Füchsin diesmal zu packen. Er ballte ein Faust und rieb damit auf ihrem Kopf. "Was sage ich dir seit fünftausend Jahren? Erst nachdenken, dann denken, dann sprechen!" "Auuu, ist ja gut. Dai-Kuzo-sama, hilf mir!" "Es ist genug, Okame", sagte die schwarzhaarige Frau mit einem Lächeln. "Akira-tono war neugierig auf euch, das ist alles. Wenn Ihr wollt, könnt Ihr uns auf unserer Besprechung begleiten." Der Fuchs begann übergangslos zu strahlen. "Die ehrwürdige alte Frau erlaubt uns, mit ihr zu gehen? Super!" "Wer ist hier alt?", blaffte Dai-Kuzo und ließ eine Faust senkrecht auf Kitsunes Schädel niedergehen. "Auuuu. Nie verstehst du die Wahrheit", brummte die Füchsin und ging sicherheitshalber vor einem weiteren Schlag hinter Okame in Deckung. Übergangslos begann Dai-Kuzo wieder zu lächeln. Mit sanfter Stimme fragte sie: "Wollen wir weitergehen, Akira-tono?" Mit den beiden Dämonen im Schlepp durchquerten wir den Wald. Noch immer raschelten die Büsche links und rechts, aber weitere Geschöpfe traten nicht hervor. "Du willst wissen, warum du hier bist", erinnerte mich die Spinnendämonin. "Richtig. Was tue ich hier? Warum wurden mein Oni und ich getestet?" Dai-Kuzo sah hinauf in den Morgenhimmel und seufzte leise. "Weißt du, wie alt ich bin, Akira-tono? Weißt du, wie vielen Menschen wie dir ich schon begegnet bin? Es erscheint mir endlos lange her, dass ich geboren wurde." "Endlos ist das richtige Wort", murmelte Kitsune, kassierte einen wütenden Blick der Spinnendämonin und verschanzte sich hinter Okame. "Jedenfalls leben Menschen und Dämonen meistens getrennt voneinander. Wir haben unsere Welt und Ihr habt eure Welt. Ab und an gibt es mal einen Informationsaustausch, oder einige von uns toben sich in eurer Welt ein wenig aus. Manche aus Spaß, manche aus Boshaftigkeit. Auch ich habe in jungen Jahren Dinge getan, auf die ich heute nicht sehr stolz bin. Ganze Häuser einspinnen, Kühe in die Bäume hängen, Wände beschmieren... Ich war halt jung. Jedenfalls haben wir Dämonen es dabei belassen. Ihr Menschen entwickelt euch rasant und entfernt euch von uns. Der Tag, an dem Ihr unsere Existenz ignoriert ist nicht mehr fern und wir alle können mit einer absoluten Trennung sehr gut leben. Aber es gibt da etwas, was uns Sorgen bereitet. Denn obwohl wir selten in eurer Welt erscheinen, so sind wir doch immer recht gut über sie informiert." Ich sah Dai-Kuzo an. "Du spielst auf die Kronosier an." "Ja. Die Kronosier und ihr Verbündeter. Akira-tono. Was du Dämonen nennst, sind in Wirklichkeit Daimon. Naturgeister. Wir existieren, weil die Natur existiert. Wir sind eins und ebenso Teil der Menschen. Auch wenn wir uns nicht ins weltliche Leben der Menschen einmischen, so sind wir doch in Sorge um das spirituelle Wohl unserer Brüder und Schwestern. Denn je mehr Ihr euch vom Weg der Vollkommenheit abwendet, umso mehr Sorge tragen wir, dass Ihr dennoch den Weg in die Glückseligkeit findet, anstatt auf ewig wiedergeboren zu werden. Na ja, und dann sind da noch mehr Probleme, denn eure Umweltverschmutzung bereitet uns auch einige Sorgen. Die Natur zu bekämpfen ist genauso wie uns zu bekämpfen." "Menschen lernen dazu", entschuldigte ich mich. "In der Tat, das tun sie. Das tun sie. Und genau deswegen nehmen wir nur sanften Einfluss auf die Menschen. Anstatt etwas Dummes zu tun wie die Welt zu erobern. Wo war ich gerade? Irgendwie habe ich den Faden verloren." "Bwahahahahahaa!", rief der Fuchsdämon und kringelte sich am Boden. "Den Faden verloren! Aus dem Mund eines Spinnendämons! Ein guter Witz, Sama!" Dai-Kuzo ignorierte den Ausbruch der Füchsin. "Jedenfalls, die Kronosier sind für uns eine unbekannte Größe. Wir haben kein Interesse daran, dass sie die Macht auf der Erde übernehmen. Wir wollen unseren schleichenden Einfluss zugunsten der Natur nicht vollkommen neu aufbauen. Außerdem wildert der Verbündete der Kronosier mitten im Herzen der Natur, fast schon in meinem Gefolge." "Die Youmas, die Menschen befallen und Lebensenergie stehlen", stellte ich fest. "Vor allem die Youmas. Das sie Lebensenergie stehlen ist aber ebenso besorgniserregend. Das KI darf nicht genommen werden. Es kann tödlich enden." "Das kann ich mir denken, Dai-Kuzo-sama. Deshalb hast du also die Slayer erschaffen?" Die Spinnendämonin lächelte. "Du bist klug, Akira-tono. Ja, die Slayer sind Teil des schleichenden Einfluss, den wir auf die Menschenwelt nehmen. Und nun, da alle sechs erwacht sind..." "Ich zähle nur fünf", warf ich ein. "Vertrau mir, Akira-tono. Es sind sechs. Und es war nicht schwer, Mädchen zu finden, die ihr Herz hergeben würden, um anderen das Schicksal zu ersparen, welches sie beinahe erlitten hätten. Die Youmas, die sie bekämpfen, sind Hybriden. Entstanden aus der natürlichen Magie der Natur, einer pervertierten Magie, die nur ein Mensch erfunden haben kann... Und der Technik der Kronosier. Wir Dämonen können die Existenz dieser leidenden Lebensformen nicht dulden. Aber es ist nicht in unserer Natur, mehr einzugreifen als nötig. Außer in unseren Sturm- und Drangzeiten", murmelte die Spinnenfrau belustigt. "Die sie schon lange hinter sich hat", brummte Kitsune und blieb sicherheitshalber gleich hinter Okame. "Jedenfalls, Akira-tono, habe ich gesehen, wie du gegen die Kronosier und die Youma gekämpft hast. Du hast mich sehr beeindruckt. Und auch wenn wir nicht direkt eingreifen, so will ich doch, dass du die Zusammenarbeit mit meinen Slayern fortsetzt. Finde den sechsten Slayer. Dies soll der Anteil unserer Welt zum Schutz der Erde sein. Finde sie und nimm alle sechs mit dir zum Mars. Wir können nicht länger dulden, dass die Natur durch diese unnatürliche Magie pervertiert und geschändet wird. Wir dürfen dieser Technik, die Seelenenergie und ganze Bewusstseine schändet, nicht länger erlauben zu existieren." Ich stoppte und sah der Spinnendämonin fest in die Augen. "Ich tue was ich kann. Und wenn es in meiner Macht liegt, vernichte ich unseren gemeinsamen Feind." "Das habe ich von dir erwartet, Akira-tono", sagte sie leise. "Doch auf deinem Weg sehe ich einen Schatten. Deine Herkunft, sie wird dich vor eine schwere Wahl stellen. Deshalb nimm dies. Falls du dich entscheiden kannst, wird es dir helfen." Dai-Kuzo trat an mich heran und drückte ihre Lippen auf meine. Ich spürte, wie heißer Atem in mich eindrang und meine Lunge erfüllte. Für einen Moment, einen winzigen Moment fühlte ich mich, als würde ich unbesiegbar sein. Danach fiel ich in ein bodenloses Loch. Als ich daraus wieder empor kam, begann mein ganzer Körper zu kribbeln, was wiederum in einer totalen Entspannung endete. Ich spürte, wie mir die Knie weich wurden. Bevor ich fallen konnte, waren Kitsune und Okame da und fingen mich auf. Die Fuchsdämonin griente mich an. "War gut, was?" "Fast so gut wie Sex", erwiderte ich ächzend. Ich schluckte hart. Wie war doch der Rat, den Dai-Okame Dai-Kitsune gegeben hatte? Erst nachdenken, dann denken, dann sprechen. Dai-Kuzo lächelte mich an. "Na, das hört man doch alle Jahrhunderte wieder gerne." Sie tätschelte mir den Kopf wie einem kleinen Jungen. "Sogar sehr gerne." Ich spürte, wie sich mir die Kehle zuzog. Gesellte sich da etwa noch eine Frau in mein Leben? "Dai-Kitsune. Dai-Okame. Ihr begleitet ihn ab jetzt. Und sorgt dafür, dass die Menschen siegen. Ich werde nicht noch einmal direkt eingreifen, Akira-tono. Aber du hast alles bekommen, um in deiner Welt zu bestehen. Geh jetzt." "Jaaa!", kreischte die Füchsin. "Endlich mal wieder etwas Spaß!" Okame grummelte unverständlich, schien aber sehr zufrieden. Ich stand etwas wacklig auf meinen Beinen, als Okame mich wieder alleine stehen ließ. Vorsichtig verbeugte ich mich. "Dai-Kuzo-sama, ich bedanke mich. Vor allem dafür, dass du mir zwei Aufpasser an die Seite gestellt hast." "Das hast du gut erkannt, Akira-tono. Und fürchte dich vor der Entscheidung." Die Spinnendämonin lächelte mich hintergründig an. Bevor ich etwas erwidern konnte, stand ich am Strand. Ich blinzelte in die Morgensonne. Irgendwie erschien mir dieses Erlebnis so unwirklich, so abgehoben. Hatte ich das wirklich erlebt? War ich wirklich in der Höhle, in diesem Wald gewesen? Ich konnte es nicht wirklich sagen. "Also, wenn du nichts Besseres vorhast, wie wäre es, wenn wir was essen? Mir hängt der Magen auf den Knien", vernahm ich eine Frauenstimme hinter mir. Ich wirbelte herum und sah Dai-Kitsune und Dai-Okame. Die beiden grinsten mich an. Die Unwirklichkeit der Erinnerung verging. Ich akzeptierte das Geschehen als Wirklichkeit. "Also, ich hatte auch noch nichts zum Frühstück. Lasst uns gehen", erwiderte ich grinsend und winkte sie in Richtung des Landhauses. 3. Es hätte mich eigentlich nicht wundern dürfen. Eigentlich nicht. Aber dennoch zweifelte ich heimlich am Verstand meiner Freunde, als sie die beiden Fremden so problemlos akzeptierten. Das konnte doch nicht nur daran liegen, dass ich sie mitgebracht hatte? Selbst Joan und ihre Band brachten Kitsune und Okame kein Misstrauen entgegen. Nun, der Umstand, dass nach dem Frühstück nach und nach der Strand gestürmt wurde und in der Sonne braten den höheren Stellenwert einnahm, war dabei sicherlich hilfreich. Neben mir nahm Kitsune ihre Fuchsgestalt an und schüttelte sich, dass der Sand nur so aus ihrem Fell flog. "Hey, Akira-tono, amüsierst du dich nicht?" Eine Faust flog auf den kleinen Fuchs herab und traf ihn hart am Kopf. "Auu! Was soll das denn, du dämlicher Wolf?" Okame knurrte wütend. "Du sollst dich in Gegenwart von Menschen nicht verwandeln. Akira-tono hat für uns Fürsprache gehalten, da sollten wir ihn nicht noch in Verlegenheit bringen!" "Ist ja gut, alter Knacker. Reg dich wieder ab!" Kitsune verwandelte sich zurück. Ich sah mich unauffällig um, aber niemand schien die kurze Episode bemerkt zu haben. Als ich so über meine Freunde blickte, antwortete ich der Füchsin. "Ich habe mir Gestern auf dem Rücken einen Sonnenbrand zugezogen. Deshalb werde ich den Rest des Tages hier verbringen, mit einem Shirt." "Das ist ja lahm", murmelte Kitsune und blies wieder die Backen auf. Sie sah plötzlich zu mir herüber und strahlte mich an. "Was denkst du, Akira-tono? Soll ich den Sonnenbrand heilen? Dann kannst du mit mir schwimmen gehen." Ich warf der Herrin der Füchse einen amüsierten Blick zu. "Glaub mir, das willst du nicht wirklich. Wenn ich mit noch einem hübschen Mädchen gesehen werde, kriege ich mein Leben gar nicht mehr in den Griff." "Hast du gehört? Er hat hübsches Mädchen gesagt, alter Griesgram", sagte Kitsune und lachte hinter vorgehaltener Hand. "Danke, Akira-tono. Das darf ich mir jetzt den Rest des Tages anhören. Und du wirst sie nicht mehr loswerden", brummte Okame. "Entschuldigt mich einen Moment", sagte ich und erhob mich. Kitsune, die ebenfalls aufstehen wollte, winkte ich zu. "Nein, ich muss alleine gehen. Es scheint so, als hätte Akari den Test nicht wirklich gut verkraftet." Die Füchsin folgte meinem Blick und erkannte meinen Oni, der am Wasser stand und einfach bewegungslos in die Leere starrte. Missmutig stützte sie ihr Gesicht auf beiden Händen ab. "Ist gut. Geh schon, Akira-tono. Amüsiere ich mich eben mit dem alten Griesgram hier." Ich betrachtete die Füchsin mit einem kleinen Lächeln. Das geheimnisvolle Talent, Körper nach belieben zu formen hatte Kitsune dazu verwendet, in ihrer menschlichen Gestalt in einem Badeanzug aufzutreten. In einem Badeanzug, in dem man sich nicht erklären konnte, warum er überhaupt an ihrem Körper haftete. Denn Träger oder Verbindungen zwischen Vorderseite und Rückenteil gab es nicht. Okame hingegen trug vor allem seinen breiten Brustkorb und die kräftigen Muskeln zur Schau. Ich winkte den beiden noch einmal zu und ging langsam auf Akari zu. Sie schien meine Nähe zu spüren, denn als ich sie fast erreicht hatte, wandte sie sich um und sah mich mit traurigen Augen an. "Eine schöne Dienerin bin ich." Ich trat neben sie und legte eine Hand auf ihre Schulter. "Mach dir darum keine Gedanken. Dai-Kuzo-sama hat gesagt, dass du mehr geleistet hast, als man von dir erwarten durfte." "Das ist es nicht. Akira-sama, ich hatte vielleicht die Möglichkeit, die Riesenspinne zu vernichten. Ich hätte nur meine Existenz aufgeben müssen. Aber... Aber ich konnte es nicht. Ich hatte die Chance, mein Leben zu geben, um deines zu retten. Aber ich tat es nicht. Wenn ich all meine Kraft, mein ganzes Ich konzentriert hätte, dann hätte ich für einen Augenblick, einen winzigen Augenblick die Kraft erlangt, sie zu töten und dich zu retten." "Gut, dass du es nicht getan hast", sagte ich leise. "Dai-Kuzo ist unsere Verbündete." "Aber das konnten wir da noch nicht wissen. Es wäre meine Pflicht als Dienerin gewesen, für meinen Herrn zu sterben, ewiger Wahnsinn in der Dunkelheit mal außen vor gelassen." Ich drückte den Oni an mich. "Ich bin froh, dass du es nicht getan hast. Ich meine, ich habe es nicht geschafft, dich zu beschützen. Warum soll es dir da besser gehen?" Akari lächelte für einen Moment. "Danke, dass du versuchst, mich aufzumuntern, Meister." "Hey", sagte ich, "wir sind mehr als Diener und Meister. Wir sind Freunde. Oder siehst du das anders?" "Ehrlich gesagt nein. Aber deswegen bist du dennoch mein Meister. Und weil wir Freunde sind, sollte ich erst Recht bereit sein für dich zu sterben", sagte Akari fest. Ich schüttelte den Kopf. "Nun sei da mal nicht so versessen drauf. Ich brauche dich als Mitglied der Slayer. Du und die anderen werden mir bei meiner Marsmission helfen. Und in meinem Cockpit als Fokus der anderen wirst du für die Menschheit einen unschätzbaren Dienst erweisen. Dazu musst du nicht sterben. Aber du musst dafür weiterleben." "Danke, Meister", erwiderte Akari. "Wer hätte das gedacht, dass sich unsere Beziehung einmal so entwickeln wird? Als ich versuchte, dich zu vertreiben, weil du meinen Schrein zerstört hattest, habe ich das jedenfalls nicht." "So? Ich dachte, du wolltest mich töten." "Was soll ich sagen? Oni übertreiben gerne." Ich schmunzelte und Akari lächelte dazu. "Ich denke, ich lasse euch beide jetzt besser alleine", sagte sie plötzlich, wand sich unter meinem Arm hervor und ging den Strand runter zu den anderen Slayern, die schon beim Volleyball waren. "Euch?", argwöhnte ich, als mir eine Hand auf die Schulter klopfte. Megumi stand hinter mir. Sie trug keinen Badeanzug, aber eine nette Rock und Bluse-Kombination. In der anderen Hand hielt sie ihre Tasche. "Ich wollte noch Tschüss sagen, Akira. Ein Heli kommt gleich und holt mich ab. Eine Übung mit Briareos." "Eine Übung mit Briareos? An unserem Wochenende? Wer hat das denn angeordnet?" "Das weiß ich nicht genau, aber der Befehl trug deine Unterschrift, Akira", kommentierte sie amüsiert. Ich dachte einen Moment nach. "Mist, ja, da war ja noch was. Oh, ich bin ein Idiot. Tut mir Leid, dass ich das Wochenende versaue." "Tut es dir nicht", konterte sie lächelnd. "Du bist doch ganz froh, dass Mamoru und ich deshalb den Rest des Tages nicht verbringen können." "Das bin ich in der Tat", gestand ich leise. "Das hast du nett gesagt." Megumi sah zu mir auf. Ihr Lächeln verschwand und machte einer wehmütigen Miene Platz. "Warum kann es nicht einfach sein?" "Du machst es kompliziert", warf ich ihr leise vor. "Nein, du machst es kompliziert. Wenn du mir sagst, dass du mich liebst, dann fühlt es sich nicht wahr an. Vielleicht wird es das eines Tages. Aber bis dahin lass mich meinen eigenen Weg gehen. Bitte." Ich sah ihr in die Augen. "Megumi. Verlass mich nicht." "Ich muß. Ich habe eine Übung. Okay, ein schlechter Scherz. Ich habe dir gesagt, dass ich bei dir bleibe, weil ich dich brauche. Es gibt niemanden, der dich ersetzen kann. Seit meine Eltern gestorben sind, bist du alles, was nach Yohkos Tod noch eine Familie für mich ergibt. Du hast mal gesagt, ohne mich bist du nur die Hälfte wert. Ich bin ohne dich überhaupt nichts. Du bist mein Maß. Du bist meine Inspiration. Und wenn du dich eines Tages entscheiden würdest..." Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und gab mir einen Kuss auf die Wange. "Wenn du dich entscheidest und ich deine Wahl bin, wäre ich der glücklichste Mensch auf Erden." Ich sah sie an, einfach nur an. Dann hob ich mit der Rechten ihr Kinn an. "Megumi. Deine Eltern, ich..." "Nein, Akira. Nicht das alte Thema. Du hast versucht den Angriff zurück zu schlagen, der ihnen das Leben gekostet hat. Aber sie sind nicht als einzige gestorben. Es wären jedoch mehr als siebenundzwanzig Soldaten gewesen, wenn du nicht da gewesen wärst. Es wären tausende Zivilisten dazu gekommen. Außerdem waren sie beide Soldaten und kannten..." "Megumi!", blaffte ich sie an. "Erzähl mir jetzt nicht so einen Scheiß wie sie waren Soldaten und kannten das Risiko! Verdammt, sie waren deine Eltern! Und ich habe sie nicht beschützen können! Sag mir, dass du das verstehst. Ich will nicht deine Vergebung, nicht deinen Segen. Ich will nur, dass du es verstehst." Sie schluckte hart, sah mich an. "Akira. Das kann ich nicht. Wenn... Wenn ich jemals anfange, dich so zu sehen, dann..." Ihre Hand strich über meine Wange. "Das kann ich einfach nicht." Ich genoss die Berührung ihrer Hand, legte mein Gesicht hinein. "Ich liebe dich." "Du liebst jeden hier am Strand", erwiderte sie. "Und du weißt, dass ich Recht habe." Als das Geräusch eines landenden Helikopters erklang, sah ich auf. Ich hatte die Ankunft der Flugmaschine nicht bemerkt. "Ich muß gehen", sagte Megumi ernst und nahm ihre Hand zurück. Sie drehte sich um und ging auf den Hubschrauber zu. "Akira", sagte sie laut, ohne sich umzudrehen. "Einer von uns beiden, versprochen?" "Einer von uns beiden", antwortete ich ernst und laut genug, um den relativ leisen Rotor des Hubschraubers zu übertönen. Einer von uns beiden würde Taylor erwischen, ja. ** "Habe ich dich nicht gewarnt?", erklang eine Stimme hinter mir, kaum dass ich den Hubschrauber mit Megumi an Bord aus den Augen verloren hatte. Ich stöhnte verzweifelt auf. "Mamoru." "Ja. Mamoru. Der gleiche Mamoru, der dich gestern gewarnt hat. Der gleiche Mamoru, der dir heute dafür in den Arsch treten wird!" Ich fuhr herum, gerade rechtzeitig genug um meinen linken Arm zu einem Block hochzureißen. Sein rechter Fuß krachte dagegen. Mamoru nahm den Fuß wieder zurück und tänzelte außerhalb meiner Reichweite. "Respekt, guter Kick. Karate?", fragte ich. "Thai-boxen, wenn du es wissen willst. Im siebten Jahr." "Das ändert auch nichts", stellte ich fest, verschränkte eine Hand hinter dem Rücken und winkte ihm mit der anderen zu, doch bitte näher zu kommen. Er kam näher, griff mit einer Links-Rechts-Kombination an, die an meinem Block scheiterte. Ich ließ mich vom Schwung seines Schlages ein wenig zur Seite werfen, nutzte die Eigenbewegung und wirbelte mit erhobenem Fuß um die eigene Achse. Knapp vor seinem Gesicht wischte er durch die Luft. "Auch nicht schlecht. Aber noch lange nicht gut genug!" Wieder griff er an. Ich verteidigte mein Gesicht und die Kehle, ließ Bauch und Brust ungeschützt. Mamoru nahm die Einladung an und versetzte mir ein paar schnelle Gerade auf den Bauch. Ich nutzte die Eröffnung, die mir eine Konzentrationslücke nach dem vierten Schlag bot und schlug schnell und hart nach seinem Kiefer. Mamoru taumelte einen Schritt zurück und starrte mich an. "Verdammt hart da unten." Ich spreizte meine Linke und ballte sie wieder. "Wollte ich auch gerade sagen. Hast du deinen Kiefer mit Beton ausgegossen?" Mein Gegenüber grinste. Wieder wischte sein Fuß durch die Luft, traf mich seitlich auf Höhe der Nieren. Ich zog mich einen Moment aus seiner Reichweite zurück. "Autsch." "Es wird gleich noch ein wenig schmerzhafter, versprochen", sagte Mamoru grinsend. Wir tauschten darauf hin mehrere schmerzhafte Trittkombinationen aus, die vor allem darauf abzielten dem anderen wehzutun. Was ich vortrefflich schaffte. Und was ihm auch gelang, wie ich anhand meiner anwachsenden Schmerzen merkte. Erneut griff er an, ließ eine schnelle Kombination auf meine Deckung prallen. Ich wich zurück. Den zusätzlichen Platz wollte er für einen Tritt mit seinem Knie nutzen, aber ich war schnell wieder einen Schritt vorgetreten, hatte ihn am Kragen seines Shirts gepackt und ließ mich zu Boden fallen. Ich stemmte ein Knie auf seinen Magen und warf ihn über mich hinweg. Ich hörte seinen Aufschrei, als er hart aufschlug. Sofort spannte ich meinen Körper an, riss die Beine hoch, und versuchte mit Schwung auf die Füße zu springen. Leider hatte Mamorus Ferse etwas dagegen und wischte mir den sicheren Stand fort. Ich stürzte hart zurück. Der Aufprall trieb mir die Luft aus den Lungen. Verzweifelt rang ich nach Atem, wertvolle Sekunden, in denen ich absolut wehrlos war. Aber sein erwartetet Angriff kam nicht. Ich wandte den Kopf, erkannte ihn, wie er nicht weit von mir am Boden lag. Er japste nach Atem. "Scheiße. Bist du stark." "Du bist auch nicht gerade von Pappe, Mann", erwiderte ich und versuchte mich aufzurichten. Langsam kam auch Mamoru hoch. Dann standen wir uns gegenüber. Stumm sahen wir uns in die Augen. "Ich mag Megumi wirklich sehr", stellte er fest. "Alles was ich will ist, dass sie glücklich ist. Sie hat schon viel zu viel zu tun, wenn sie ständig gegen die Kronosier fliegen muß. Verstehst du das nicht?" Ich schüttelte stumm den Kopf. "Ich will ihr doch gar nichts Böses. Im Gegenteil. Ich glaube, ich liebe sie." Mamoru schüttelte nur trotzig den Kopf. "Tut mir Leid, Junge. Aber das kannst du dir gleich aus dem Kopf schlagen. Ich weiß nicht genau, wie du es schaffst ihr immer so viel Schmerz zuzufügen. Aber Liebe kann es nicht sein. Sie ist absolut verknallt in diesen Superpiloten. Diesen Blue Lightning." Heiser lachte ich auf. "Ich BIN..." Ich ließ den Kopf hängen. "Ich bin ein Riesenidiot, der nicht weiß, was er denkt und fühlt." Langsam streckte ich meine Rechte aus. "Fangen wir noch mal von vorne an?" Mamoru betrachtete die Hand. Schließlich ergriff er sie. "Du bedienst ganz schön das Klischee, Akira", sagte er, als wir zu den anderen zurückgingen. "Zwei Männer, die Verständnis füreinander entwickeln, nachdem sie sich geprügelt haben ist ein alter Hut, oder?" Ich grinste den anderen an. "Aber hat funktioniert, oder? Deine sieben Jahre Kickboxen haben sich jedenfalls gelohnt." "Dein Training aber auch. Aikhido, Karate, Judo, dazu weiß ich das du Kendo betreibst..." Ich winkte ab. "Ich mache nur Cross-Training. Und Kendo habe ich aufgegeben. Sag mal, wie hast du Megumi kennen gelernt?" Mamoru lachte leise. "Du weißt, dass es verdammt schwer ist, von ihr wahrgenommen zu werden, selbst wenn man mit ihr auf eine Schule geht? Ich habe über zwei Monate gebraucht, bevor sie mich überhaupt angesehen hat." Ein harter Schlag traf mich an der Schulter. "Dabei war es nicht sehr hilfreich zu sehen, wie du mit ihr munter drauf los schwatzt wie alte Freunde." Ich grinste verlegen und rieb mir die schmerzende Stelle. "Wir sind alte Freunde." "Hm. Ja. Das erklärt einiges", murmelte Mamoru nachdenklich. Er sah mich an. "Denkst du, ich habe eine Chance bei ihr? Ihr Kuss Gestern Abend war jedenfalls sehr zurückhaltend." "Kuss?", rief ich überrascht. "Hallo? Wir sind erwachsen! Tu nicht so aufgeregt, immerhin ist nichts weiter passiert. Also, was denkst du?" Ich rieb mir nachdenklich das Kinn. "Sie mag dich. Sie mag dich definitiv. Ich meine, ich würde sie gerne für mich haben, aber sie hat dich bemerkt." "Akira-sama, Sie sind zu gütig zu mir", erwiderte Mamoru mit Sarkasmus in der Stimme. Ich ließ mich in den Sand sinken und starrte aufs Meer hinaus. Neben mir setzte sich Mamoru hin. "Es ist genau drei Jahre her, da starb meine Schwester. Von diesem Moment an war Megumi alles, was mir von ihr geblieben war. Das wäre die Grundlage für eine Beziehung gewesen. Aber dann entführten die Kronosier den Sohn von Eikichi Otomo und führten ein paar schaurige Experimente mit ihm durch." "Du redest von dir", stellte Mamoru fest. "Natürlich rede ich von mir. Ich wüsste jedenfalls nicht, dass Eikichi noch einen Sohn hat", brummte ich. "Jedenfalls löschten diese weißhaarigen Bastarde Teile meines Gedächtnisses. Sie stahlen mir weit mehr als ein halbes Jahr meines Lebens in einem Biotank. Und als ich in dieses Leben zurückkehrte, hatte ich so viel verloren, so viel vergessen. Okay, alleine auf den Pott gehen konnte ich immer noch. Und den Großteil meiner Mangas konnte ich deswegen noch mal lesen. Das war aber auch das einzig Positive gewesen. Dennoch. Ich hatte sehr viel vergessen. Über Menschen. Über meine Erlebnisse. Ich... Ich bin sehr dankbar, dass ich nichts über Megumi vergessen habe. Aber... Drei lange Jahre war ich für sie nicht mehr als ein Freund, weil ich nicht mehr wusste, wie ich für sie gefühlt habe. Drei lange Jahre wusste ich nichts mehr von meiner Schwester. Und das war genauso wie Megumi zu vergessen. Ich war für sie alles, was sie auf der Welt noch hatte. Und sie war für mich meine letzte Verbindung zu Yohko. Das war ausradiert. Weggewischt. Fort. Und damit war aus unserer Beziehung, aus unserer familiären Bindung... ein Nichts geworden." "Akira. Ich hatte ja keine Ahnung..." "Schon gut. Du hast ja in vielem Recht. Das ist ja das Schlimme", murmelte ich leise. "Das ist es also, was sie so verwirrt. Von heute auf Morgen ist der Akira zurück, der mit ihr um Yohko getrauert hat. Es ist doch klar, dass sie mit dieser Situation nicht klar kommt." Mamoru erhob sich. "Du bist ein Arschloch, Akira Otomo. Aber wenn es dich tröstet, du bist ein Arschloch ganz nach meinem Herzen. Ich mag dich. Und ich kann dich nicht so einfach ausschalten. Erstens will ich nicht und zweitens kann ich nicht. Ich werde mich ab sofort aktiv um Megumi bemühen. Und falls du dich endlich mal zu einer Entscheidung durchringst, werden wir Rivalen sein." Mamoru ging ein paar Schritte, sah zurück. "Darauf freue ich mich schon, Akira." Ich nickte schwer. "Du bist nur halb so ein Rindvieh wie ich gedacht habe. Ich freue mich, dass ich dich kennen gelernt habe. Und ich freue mich, dich zum Gegner zu haben." "Dann ist es abgemacht", sagte er leise und ging weiter. Ich sah ihm nach. Wie hatte es so enden können? Welch ironisches Schicksal hatte mich nun dazu verdammt, diesen Kerl zu mögen? Aber ich konnte es drehen und wenden wie ich wollte, es änderte nichts. Ich mochte ihn wirklich. Außerdem tat mein Kiefer immer noch vom gestrigen Schlag weh. "Akira-tono", sagte Kitsune und strich in der Fuchsgestalt zwischen meinen Beinen durch. "Ein Wort von dir und ich schmuggle ihn einen kalten, toten Fisch in die Tasche." Ich grinste und tätschelte dem Fuchs den Kopf. "Nett von dir, aber Freunden tue ich so etwas nicht an." "So, so. Das ist ein Freund? Dann würde ich gerne mal einen Feind von dir kennen lernen." Ich lachte leise. "Das wirst du, Dai-Kitsune-sama. Das wirst du." ** Das Mittagessen zelebrierten wir mit einem Barbeque, für das Joan sorgte. Blondie und der Zopf grillten, was das Zeug hielt. Dai-Okame versuchte sich tatsächlich beim Volleyball. Was dazu führte, dass dem armen Makoto beinahe die Arme gebrochen wurden, als er versuchte einen Schlag vom Wolf zu baggern. Hina steckte den Kopf mit Kei zusammen und kicherte mit ihm. Da hatten sich ja zwei gefunden. Ami hing die ganze Zeit an Doitsu, dem dieser Umstand durchaus zu gefallen schien. Irgendwie hatte er immer ein Faible für das blasse Mädchen gehabt - vor allem seit er sie bei der Prüfung zum braunen Gürtel gesehen hatte. Kenji hingegen spielte mit Yoshi Go. Die beiden ließen sich dabei von nichts und niemandem stören, und unterbrochen wurde die stille Konzentration nur ab und an von Yoshis lauten Flüchen, wenn er einen gesetzten Stein im Nachhinein als Fehler erkannte. Ehrlich gesagt amüsierte mich dieser Anblick. Nein, amüsieren war das falsche Wort. Ich freute mich darüber. Fast erschien es mir so, als wäre das große, leere Haus, in dem ich so lange gewohnt hatte, für immer verschwunden. Es hatte sich gefüllt. Mit Freunden gefüllt. Ich wollte dort nie wieder allein leben. Ich wollte immer mit diesen Menschen zusammen bleiben. Auf meine ganz eigene Art liebte ich sie alle... Nun, nicht alle auf die gleiche Art, aber im Prinzip stimmte das schon. "Und jetzt", hörte ich Joan Reilley rufen, "kommt der große Limbo-Kontest. Dazu haben wir hier das original jamaicanische Hindernis aufgebaut. Sinn der Geschichte ist es, unter der Querstange hindurch zu kommen ohne die Hände zu benutzen, sich vorzubeugen oder hinten über zu fallen. Earl, dein Part!" Der Irokese griff nach dem Rekorder neben sich und schaltete ihn ein. Unvermittelt hatte ich das Gefühl, neben einer Bassbox zu sitzen. Der Riese entschuldigte sich und dreht etwas leiser, kurz darauf erklang Steeldrum-Musik. "Gewonnen hat, wer beim niedrigsten Stand der Stange noch unter durch kommt! Und der Sieger darf sich was wünschen! Aki-chan, was möchtest du gerne sein, Teilnehmer oder Wunsch?" Ich grinste breit. Spielverderber war ich noch nie gewesen. "Beides, Joan." "Na, das ist doch ein Wort! Ich mache es mal vor." Joan trat an die Stange heran und begann sich zu der Musik zu bewegen. Nach und nach beugte sie sich zurück und manövrierte sich langsam, aber sehr geschmeidig unter der Stange durch. "Wenn sie jetzt atmet, schmeißt sie die Stange runter", hörte ich Makoto neben mir sagen. Seine Stimme klang reichlich heiser. "So ein Vorbau sollte verboten werden." In diesem Moment rutschte auch der letzte Rest Joan Reilley unter der Stange durch und die Anwesenden applaudierten. Vor allem die Männer, aber ich bezweifelte, dass die meisten wirklich auf den ganzen Vorgang geachtet hatten. "Wer will jetzt?", rief Joan in die Runde. Niemand meldete sich, also erhob ich mich seufzend. "Ich komme schon freiwillig, bevor du mich herbei schleifen musst." Erstaunt sah sie mich an. "Kannst du seit neuestem meine Gedanken lesen?" "Was, wenn ich es kann?", neckte ich sie. "So? Dann lies meine Gedanken jetzt mal", sagte sie mit blitzenden Augen. Ihre Zunge leckte leicht über ihre Oberlippe. Ich schluckte hart. "Du kannst ja wirklich Gedanken lesen, Aki-chan", neckte sie mich. Ich senkte den Kopf und atmete tief durch, sehr tief durch. Als ich glaubte, mich wieder im Griff zu haben, trat ich an die Stange heran. "Du bist ein ganz schönes Biest, weißt du das?", hauchte ich ihr zu. Die Amerikanerin lächelte zu mir herüber und streckte ihre Zunge kurz zum linken Mundwinkel raus. "Aki-chan, du darfst jederzeit herausfinden wie viel Biest ich bin." "War das eine sexuelle Anspielung?", fragte ich amüsiert. "Das waren alles sexuelle Anspielungen", erklärte sie mit einem süßen Lächeln. Unwillkürlich wurde mir sogar der Kragen meines weiten Shirts zu eng. "Na, dann wollen wir doch mal. Los, Aki-chan", rief sie, "zeig uns was du kannst!" Irokese schaltete die Musik wieder an und ich versuchte mich an den Rhythmus der Musik anzupassen. Als ich das richtige Feeling entwickelt hatte, begann ich mich langsam nach hinten zu biegen und dabei unter der Stange durch zu manövrieren. "Los, Akira-san!", hörte ich Hina rufen. "Genau, Akira, das schaffst du", fügte Kei hinzu. "Du bist als nächster dran, Kleiner", versprach ich dem Computerfreak. Ich war fast unter der Stange durch, als Kitsune auf mich zu gelaufen kam und schwer atmend neben mir stehen blieb. "Akira-tono. Ärger." Erschrocken richtete ich mich auf und riss dabei die Stange herunter. Ein enttäuschtes Raunen ging durch die Reihe meiner Freunde. "Was für Ärger?", fragte ich ernst. "Das können wir nicht sagen. Aber etwas Gewaltiges ist passiert. Etwas, was vollkommen gegen den Willen des Natürlichen geschieht." Kitsune sah mich an und ich glaubte, in den grünen Augen der Daimon Angst zu sehen. Vom Strand her hörte ich das vertraute Geräusch der Transporthubschrauber der UEMF. Zwei von ihnen, Bell-Transporter, huschten auf den Strand zu und begannen eine Landeoperation. Infanterie, schwer bewaffnet und sichtlich zu allem entschlossen, jeder mit einem UEMF-Zeichen auf der Brust, stürmte den Strand. Eine Gruppe ging auf weite Sicherung von Strand und Hubschrauber. Die andere stürmte zu unserer Limbo-Party. Von den zwanzig Mann stürmten zehn an uns vorbei, warfen sich in den Dreck und suchten die Umgebung nach Gefahren ab. Ihr Anführer, ein Lieutenant, salutierte vor mir. "Sir. Sie müssen sofort mitkommen." In meinem Innern tobte das Entsetzen. Was war passiert, dass die Daimon es spüren konnten? Was war passiert, dass die UEMF die eherne Regel brach, mich nicht zu enttarnen? Und was war, wenn es ein blinder Alarm war? "Identifikation, Lieutenant", forderte ich ernst. Der Offizier sah mich erstaunt an, nickte dann aber. Aus einer Tasche auf seinem Oberarm zog er eine Plastikkarte. Er brach sie auf. "Lima, Mike, Ecco." Ich nickte. Genau dieser Code war vereinbart worden. Genau für diesen Fall. Wenn Soldaten mich auf den OLYMP bringen sollten, ohne dass ich vorweg informiert werden konnte. "Bestätigt. Was ist passiert?" "Akira, was ist los? Was wollen die Soldaten von dir?", rief Kei. Doitsu trat neben mich. "Wenn Ihr ihn mitnehmen wollt, dann müsst Ihr euch aber eine Menge Mühe geben." Er legte seine rechte Faust in die linke Hand und massierte sie, bis die Knöchel knackten. Ich legte eine Hand auf Doitsus Schulter. "Danke, aber das ist nicht nötig. Reden Sie, Lieutenant." "Sir. Das ist eine Information, die Streng Geheim unterliegt. Nur Sie, Major Ino und Lt. Colonel Ino haben die Qualifikation, diese zu hören. Bestimmt nicht die Zivilisten hier." "Akira, was ist los? Sollen wir dir einen Anwalt rufen?", fragte Hina aufgeregt. Ich sah sie an, dann wieder zum Lieutenant. Langsam schüttelte ich den Kopf. "Nein. Das braucht Ihr nicht. Mein... Vater lässt mich nur zu sich kommen. Es... Es scheint sehr wichtig zu sein. Tut mir Leid, aber Ihr müsst ohne mich zurück fahren." Ich nickte dem Offizier zu. "Wir rücken ab." "Ja, Sir. Abrücken. Den Colonel in die Mitte nehmen." Die Soldaten formierten sich. Und ich hatte das dringende Bedürfnis, dem Lieutenant so lange den Magen zu malträtieren, bis er kotzen musste. Da hatte ich schon eine tolle Ausrede gefunden, warum mich Militär abholte, und dann warf er das Wort Colonel ein. Ich konnte nur hoffen, dass niemand auf die Abzeichen achtete, und eins und eins zusammen zählte. Makoto gesellte sich wortlos dazu. "Ich komme mit. Wenn es so wichtig ist, gehöre ich auf meinen Posten." Ich nickte. "Einverstanden." Sakura tauchte auf meiner anderen Seite auf. "Ich komme ebenfalls mit. Keine Widerrede, sonst musst du nächst Woche nachsitzen." "Auch das noch, Willkür", scherzte ich. "Akira-sama!", rief Lilian hinter mir, tanzte durch die Reihen der Soldaten und kam neben mir an, bevor auch nur einer von ihnen reagieren konnte. "Ich und Yoshi wollen auch mit. Vielleicht brauchst du uns." Ich sah sie an und nickte. Dann wandte ich mich um und sah Yoshi, der mit einem Soldaten der Begleitmannschaft diskutierte. "Komm ran, Yoshi, wir haben nicht alle Zeit der Welt!" Triumphierend grinsend ging der Freund an dem Soldaten vorbei und reihte sich ein. "Ich hoffe, das war es dann. Oder kommen noch mehr mit?", brummte der Lieutenant ärgerlich. "Das sind alles Angehörige der UEMF. Ich autorisiere es", sagte ich scharf, während wir den Hubschraubern immer näher kamen. "Sag mal, will Thomas gar nicht mit, Sakura?" "Sniper", erwiderte sie ernst, "musste Gestern Abend schon gehen, weil irgend jemand seine Kompanie, die Briareos heute Nachmittag zu einer Übung eingeteilt hat." "Oh", machte ich und beschloss, zu dem Thema zu schweigen. Da konnte ich nur verlieren. "Und was ist mit den beiden?", fragte der Offizier resignierend, und deutete auf unseren Hubschrauber, vor dem ein junges Mädchen und ein älterer, aber sehr kräftiger Mann standen, "gehören die auch zur UEMF?" Ich musste lachen. "Nein, sie gehören nicht zur UEMF. Aber ich autorisiere es ebenfalls." Ich betrat den Hubschrauber und winkte den beiden zu. "Dai-Kitsune-sama, Dai-Okame-sama, seid meine Gäste." Die letzten Infanteristen kletterten an Bord. Kurz darauf hob der Transporter ab. Ich sah hinaus und erkannte meine Freunde am Strand. Tja, die Party hatten wir nachhaltig ruiniert. Joan Reilley stand unten und sah hoch, fixierte meinen Blick. Ihre Lippen formten Worte, während sie sich eine Strähne ihres roten Haars aus der Stirn strich: Komm bitte wieder. Ich nickte ihr zu. "Ich verspreche es", murmelte ich leise. 4. Der Flug ging direkt zur Titanen-Station. Bereits zwanzig Kilometer vor der Station nahmen die Patrouillen von Hawks, HAWKEYE-Kampfjets und Sparrows massiv zu. Dazu patrouillierten Kampfhubschrauber vom Typ ERASER den Luftraum. Als ich auf das Meer hinab sah, glaubte ich für einen Moment, einen Flugzeugträger zu erkennen. Ich wusste, dass die Amerikaner daran arbeiteten, mehrere ihrer Träger zu Mecha-Trägern umzurüsten und das angeblich eine Umrüstung, die der ENTERPRISE abgeschlossen sein sollte. Aber ich fand es doch etwas merkwürdig, dass die Trägergruppe, der komplette Kampfverband Kurs auf die Titanen-Station nahm. Wir schleusten ein und innerhalb des Hangars erwartete uns eine ähnliche Betriebsamkeit wie außerhalb. Wie ein aufgeschreckter Hühnerhaufen liefen Piloten, Infanteristen und Techniker durcheinander. Ich verließ den Hubschrauber sofort nachdem sich die Luke geöffnet hatte. Commander Sikorsky selbst stand zu meinem Empfang bereit. "Gut, dass Sie da sind, Colonel. Bei uns ist echt die Kacke am dampfen! Kommen Sie, kommen Sie!" Wir folgten dem Offizier tiefer in die Station. "Die Lage ist wie folgt: OLYMP wurde mit einer unbekannten Waffe angegriffen. Ich nehme an, Sie kennen den Geheimdienstbericht über Agent Valjean? Er ist authentisch. Oder um es noch direkter auszudrücken: Die Waffe, die ARTEMIS hatte ausschalten sollen, hat nun den OLYMP erwischt. In diesem Moment leisten fünf Mechas der Hekatoncheiren verzweifelten Widerstand gegen neun angreifende Kronosierschiffe. Fünf Fregatten, ein Kreuzer, zwei Korvetten. Ein Zerstörer. Dazu zweihundert Mechas aller Klassen. Die YAMATO, die AKAGI und die KOBE befinden sich derzeit im Gefecht mit ihnen. Die WESTPOINT und die MIDWAY laufen mit Höchstfahrt zurück, um sie zu unterstützen, werden aber frühestens in einer Stunde eintreffen. Weitere vier Fregatten und zwei Zerstörer folgen." "Warum nur fünf Mechas?", fragte ich ernst. "Was ist mit den anderen Hekatoncheiren? Wurden sie vernichtet?" Sikorsky antwortete nicht. Stattdessen hielt er übergangslos an. Wir waren an einem der Lifte angekommen. Neben dem Lift waren fünf menschliche Körper mit Tüchern abgedeckt. Ich sah den Commander an. Schließlich fasste ich mir ein Herz und lüftete eine der Decken. Ich hatte schon Tote gesehen, aber dies war das erste Mal, dass ich jemanden sah, dessen Haut im Tode zu Stein geworden zu sein schien. "Dai-Okame-sama", sagte ich leise. Der Wolf trat vor und legte eine Hand auf die Stirn des Toten. "Er starb vor etwa einer Stunde. Es war ein natürlicher Tod. Und doch wieder nicht." "Wen haben Sie denn da mitgebracht? Na, egal. Er wird schon die erforderlichen Bestimmungen erfüllen. Was Sie hier sehen sind fünf Techniker, die uns von der Notbesatzung des OLYMP mit einem Lift herab geschickt wurden. Sie starben lange bevor sie hier unten ankamen. Die Kommunikationsspezialisten, die ihre Fahrstuhlkabine überwacht haben, mussten mit schwerem Schock eingeliefert werden. Ihr Todeskampf muß grausam gewesen sein. "Jetzt habe ich es, Akira-tono", sagte Okame. "Ihr Leben wurde verlangsamt. Und dann auf ein Mehrfaches beschleunigt. Kein Wunder, dass sie daran gestorben sind. Ihre Herzen müssen in ihren Leibern geradezu explodiert sein." Sikorsky starrte mich an. "Das wollte ich doch erzählen! Jedenfalls wird der gesamte OLYMP von einem Satelliten in einer Art Feld festgehalten. Innerhalb dieses Feldes erstarren die Menschen. Und wenn sie gezwungen werden, es zu verlassen, sterben sie. Einzig Captain Uno und vier weitere Piloten der Hekatoncheiren sowie vierzig Mann der Stammbesatzung sind dagegen immun. Sie waren es auch, die uns diese Techniker herunter geschickt haben. Leider vergebens." "Was haben diese Leute gemeinsam, Commander? Wieso widerstehen sie dem Feld? Wieso wurde ihre Zeit nicht gestoppt?", fragte ich ernst. "Nun, der offensichtlichste Gedanke wäre ihr Alter. Sie alle haben eines gemein. Sie sind jünger als fünfundzwanzig Jahre. Aber das ist nicht fix, denn es gibt nach einer kleinen Recherche auch jüngere Menschen, die dem Einfluss des Feldes unterliegen." "Wie verläuft die Spanne, Commander?", fragte ich geradeheraus. "Wie lautet das Differenzalter?" "Nun, wir haben Vierundzwanzigjährige, genauer gesagt den Briareos-Piloten Sniper, der immun gegen das Feld zu sein scheint. Und wir haben Ensign Watson von der Zentralebesatzung, die mit einundzwanzig Jahren dem Feld unterliegt." "Also haben wir eine Toleranz von einundzwanzig bis vierundzwanzig. Hiermit ordne ich an, dass niemand, der über zwanzig Jahre alt ist, versucht in dieses Feld hinein zu kommen." "Colonel! Ist es nicht gewagt, davon auszugehen, dass diese These stimmt? Was wenn auch jüngere Leute vom Feld betroffen sind?", rief Sikorsky aufgebracht. Ich öffnete die Fahrstuhltüren und trat ein. "Genau das finde ich jetzt heraus. Ihr bleibt so lange hier. Vor allem du, Sakura. Viel Glück." "COLONEL!", rief Sikorsky entsetzt. Aber da ruckte der Fahrstuhl schon an. Tausend Gedanken jagten mir durch den Kopf. Was war das für eine Waffe? Warum schien sie nicht auf junge Menschen zu wirken? Würde ich unter ihren Einfluss fallen? Wie sah es mit anderen aus? Und außerdem, dieser massive Angriff, konnten wir ihn zurück schlagen? "Gibt es denn keine Aufzugmusik?", maulte Kitsune neben mir. Erschrocken fuhr ich zusammen - und stieß gegen Okame. Kitsune sah mich grinsend an und winkte. "Keine Sorge, keine Sorge, dieses Feld kann uns nichts anhaben. Okame meinte, dass dieses technische Objekt den Fluss des KI verlangsamt - extrem verlangsamt, bis es beinahe still steht. Das kann uns nicht passieren, da wir keinen KI-Fluss in unseren Körpern haben." "Dann ist ja gut", sagte ich erleichtert. "Wir bestehen zur Gänze aus einer Abart des KI." "WAS?" Ich ergriff die Füchsin an ihren Schultern und schüttelte sie. "Was, wenn Ihr zwei auf das Feld reagiert? Was wenn Ihr explodiert? Was wenn ich Dai-Kuzo-sama erklären muß, warum ich euch beide verloren habe?" Bei meinen Bemühungen wurde Kitsunes Kopf hin und her geworfen. "Be-beruhige dich, Akira-tono", stotterte sie. "Wi-wi-wir explodieren nicht. Bestenfaaaaals erstarren wir auch." Ich nahm meine Hände von ihren Schultern und sah sie ärgerlich an. "Das beruhigt mich nicht im Mindesten!" "Aber du akzeptierst, dass wir neugierig auf die Beantwortung dieser Frage sind, oder?", fragte Okame leise. Zögerlich nickte ich. "Das verstehe ich." Ich musterte die beiden. "Könnt Ihr bitte aufhören, in Badesachen herum zu laufen? Das dürfte da oben etwas Misstrauen erregen." Übergangslos steckte Kitsune in einer schmucken UEMF-Uniform. Wenngleich der Rock zu viel Bein zeigte. Okame setzte sich gerade die Schirmmütze auf. "Passt", kommentierte er. Ich nickte zufrieden. "Sehr gut. Wirklich sehr gut." "Hier", sagte die Füchsin und hielt mir einen blauen Druckanzug hin. "Du auch." "Was? Wo habt Ihr den denn her?", rief ich verwundert. "Ach, wir haben so unsere Möglichkeiten", erwiderte sie grinsend. "Diese Möglichkeiten könnten noch sehr hilfreich werden", murmelte ich und zog den Druckanzug an. ** Die letzten Meter bis zum OLYMP zitterte ich am ganzen Körper. Ich hatte Angst, einfache ehrliche Angst. Was, wenn ich Unrecht hatte und ebenfalls erstarrte? Was wenn die beiden Dämonen neben mir vergingen? Was wenn ich vergessen hatte, den Wasserhahn in der Küche zu zudrehen? Der Aufzug hielt mit einem Rucken. Unwillkürlich hatte ich die Luft angehalten und beide Augen fest aufeinander gedrückt. Vorsichtig öffnete ich sie nun wieder einen Spalt. "Noch alle bewegungsfähig? Ist jemand explodiert?" "Also, ich noch nicht", murmelte der Fuchsdämon. "Das ist gut, Dai-Kitsune-sama. Wie sieht es bei dir aus, Dai-Okame-sama?" "Das ist doch absoluter Quatsch, Akira-tono! Nenn mich einfach Kitsune, okay?", murrte die Füchsin. "Bevor du dir noch die Zunge verknotest." Ich nickte der Dämonin zu. "Okay. Kitsune-chan. Und wie soll ich dich nennen?", fragte ich den Wolf. "Dai-Okame-sama!", brummte er. Kitsune trat einen Schritt vor und landete eine heftige Gerade im Magen des großen Mannes. Okame beugte sich leicht vor und verzerrte das Gesicht. "Alter Sturkopf! Wer nicht hören will, muß fühlen. Also, wie nennt Akira-chan dich ab jetzt?" "Okame-tono." Die Füchsin knurrte wütend. "Okame-kun?" "Schon besser." "Dann ist es abgemacht", fügte ich lächelnd hinzu. Meine Angst war verflogen. Ich fühlte mich wieder wagemutig und kampfbereit. Ich öffnete die Tür, die auf den OLYMP führte. Der junge Mann vor mir hatte Angst, bodenlose Angst. Er schwitzte und war sichtlich erleichtert mich zu sehen. Er salutierte. "Sir, Second Lieutenant Rodriguez. Ursprünglich Ortungsabteilung. Bis eben aber ranghöchster aktiver Offizier auf OLYMP." Ich nickte. "Gut. Hiermit übernehme ich das Kommando. Wo ist Captain Uno?" "Sie ist draußen im Feld, Sir. Zusammen mit Sniper und drei weiteren Piloten. Sie...retten ihre Kameraden", sagte der junge Offizier heiser. "Alle anwesenden Hekatoncheiren waren in Reichweite des Feldes, als es aktiviert wurde. Dreißig Piloten wurden ebenso gelähmt wie die übrigen fünfzigtausend Mann an Bord. Captain Uno und die anderen versuchen unter Lebensgefahr, ihre Kameraden zu bergen, bevor sie aus dem Feld heraus driften. Was dann mit ihnen passiert, haben Sie sicherlich da unten gesehen, Sir." "Ja, ich weiß. Das sind meine beiden Begleiter, Lieutenant Kitsune und Captain Okame. Sie werden Ihnen zur Hand gehen, wo immer dies möglich ist. Was wissen wir über die Waffe?", fragte ich. "Sir. Ist der Captain nicht... etwas alt? Warum unterliegt er nicht dem Feld?", fragte der Lieutenant erstaunt. Ich erstarrte. Ich konnte dem Jungen ja kaum erzählen, dass er einen Dämon vor sich hatte. "Captain Okame ist erst zweiundzwanzig." "Hört, hört, du wirst gelobt", spottete Kitsune grinsend. "Zweiundzwanzig? Aber er..." Ich trat an den Lieutenant heran und flüsterte eindringlich: "Hören Sie Wolf Okame hat das Methusalem-Syndrom. In fünf Jahren wird er aussehen wie sechzig und in zehn ist er ein verschrumpelter Greis und wenn er Glück hat tot. Dennoch tut er hier seine Pflicht. Nehmen Sie das zur Kenntnis. Und ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie ihn nicht drauf ansprechen. Er zählt sein Leben zwar nach Erlebnissen und nicht nach Tagen. Aber ich an seiner Stelle würde nicht gerne daran erinnert werden, dass der Schnitter mich bald holt. Klar?" "Glasklar, Sir", erwiderte der Lieutenant. "Gut." Ich trat aus dem Lift und ging zur nächsten Kommunikationstafel. "Akira hier. Es hat geklappt. Kommt nach. Aber lasst Sakura unten, ja?" "Akira-chan! Warum soll ich hier unten bleiben? Da oben nütze ich doch viel mehr!", begehrte meine Cousine auf. "Du bist zu alt! Du wirst erstarren! Dann nützt du uns gar nichts!", blaffte ich wütend. "Thomas ist auch schon vierundzwanzig, und er ist nicht erstarrt", schimpfte sie. "Du hast eine eins zu drei-Chance gegen dich! Sieh das ein, Sakura! Sieh das als direkten Befehl, Lieutenant Colonel! Makoto, du passt auf, dass sie nicht mit hoch kommt. Beeilt euch. Da draußen können wir ein paar Mechas mehr gebrauchen." Ich schaltete ab und wandte mich dem Lieutenant wieder zu. "Also, die Hekatoncheiren retten ihre Kameraden, während sich drei unserer Fregatten mit dem Feind balgen." "Ja, Sir. Zusätzlich setzen wir die Primärbewaffnung von OLYMP ein. Das war eine Riesenüberraschung für den Gegner, dass es noch jemanden gab, der es abfeuern konnte. Aber Captain Uno und die anderen werden auf Langstrecke beschossen. Es ist sehr ernst. Außerdem hatten wir noch keine Zeit, die Waffe selbst näher zu untersuchen." Ich dachte einen Moment nach. "Es wird hoffentlich ein einsatzbereiter Hawk im Hangar stehen, Second Lieutenant. Ich gehe raus und unterstütze Captain Uno und die anderen. Meine Piloten sollen mir folgen so schnell sie können. Und schicken Sie eine Nachricht an die Titanen-Station. Sie sollen mir jeden verdammten Mecha-Piloten schicken, der jünger als einundzwanzig ist. Anfangen sollen sie bei First Lieutenant Daisuke Honda. Er ist bei den SpecOps." "Verstanden, Sir." "Und nehmen Sie Lieutenant Kitsune und Captain Okame mit in die Zentrale. Sie werden Ihre Arbeit so gut es geht erleichtern." "Sofort, Sir." "Ach, und sorgen Sie dafür, dass jemand einen Kaffee aufsetzt. Dies wird ein verdammt langer Tag. Und wenn wir ihn nicht überstehen, dann haben wir alle verloren." "Werde ich machen, Sir." "Ja, sind Sie noch nicht fort?", blaffte ich. Der arme Junge konnte ja nichts dafür, aber ich spürte ein verhängnisvolle Wut in mir ansteigen, die ich irgendwie kanalisieren musste. Wenn nur Blue noch existieren würde! Ich kannte den Weg in meinen Hangar wie meine Mangasammlung. Ich stürmte in die Halle und sah nur wenige Techniker und Soldaten, die dabei waren, Mechas der Hekatoncheiren zu verankern und die Bewegungsreduzierten Piloten zu bergen. Die meisten Mechas trugen Kampfspuren und waren nicht mit meiner favorisierten Bewaffnung ausgestattet. Aber einer würde es tun müssen. Ich fühlte mich plötzlich fixiert. Am Rand einer Boarding Bay stand Karl. Er hatte meinen blauen Helm in der Hand und grinste in meine Richtung. Hatte der alte Knacker etwa...? Nein, er war erstarrt. Aber das mit dem Helm empfand ich als hilfreich. "Danke, Opa", sagte ich grinsend und nahm meinen Helm entgegen. Dabei entdeckte ich einen Zettel in seiner rechten Hand. Ich zog ihn hervor und erstarrte. "Dieser alte Bastard! Dieser verrückte Hund!" Wäre Karl nicht erstarrt gewesen, ich hätte ihn umarmt. So aber tätschelte ich dem alten Knaben nur den Kopf. "Gut gemacht. Sehr gut gemacht." Ich trat zu einem der Bedienungsfelder und fuhr eine der wenig frequentierten Lagerbays auf. Ein schneeweißer Mecha fuhr daraus hervor. Ihm fehlten die für den Hawk so typischen Schulterschilde, aber dafür wirkte er, als stecke er in einer klobigen Rüstung. Der Torso klappte auf und schien nur nach mir zu rufen. Ich legte meinen Helm an, sprang ins Cockpit und rief: "Hallo, Blue. Wie gefällt es dir in deinem neuen Körper?" "Bitte schnallen Sie sich an, Colonel. Heute hat wohl niemand Zeit, Ihnen dabei zu helfen. Außerdem habe ich mit den Resten der Künstlichen Intelligenz dieses Mechas kommuniziert. Wir sind einstimmig der Meinung, dass der ehemalige Daishi-Mecha Primus und die Künstliche Intelligenz des Hawk-Mechas Blue Lightning etwas Neues bilden. Wir, das heißt eigentlich ich... Ich nenne mich ab sofort Prime Lightning." "Habe ich nichts gegen", erwiderte ich fröhlich und schloss die letzten Anschlüsse. "Cockpit versiegeln... Prime. Wir greifen ein." "Ja, Colonel. Es tut gut, Sie gesund und munter zu sehen." "Du glaubst ja nicht, was es mir bedeutet, das zu hören, Prime." Kurz fiel mein Blick auf den Zettel von Karl: Habe mich um alles gekümmert. Viel Spaß mit Primus. Karl. ** Als ich aus dem Hangar schoss, zwei Herkules-Schwerter in den Händen des humanoiden Mechas, begrüßte mich ein erstaunter Schrei. "Das ist Primus!" "Ich bin es, Megumi! Akira! Wie kann ich helfen?", rief ich. "Hier nicht, wir kommen schon klar. Aber du solltest unsere Schiffe unterstützen. Die werden nach und nach zusammen geschossen, weil sie alle Salven abzufangen versuchen, die auf uns gerichtet sind." "Bin schon auf dem Weg!", rief ich und ging auf volle Beschleunigung. "Blue Lightning in Prime Lightning hier. AKAGI, haben Sie ein Ziel für mich?" "Hier AKAGI. Sind Sie das, Colonel Otomo? Wir haben eine Verteidigungslinie mit unseren zwanzig Mechas und den jeweils zwanzig der KOBE und der YAMATO aufgebaut, aber wir müssen mächtig Federn lassen. Wenn Sie vielleicht diesen verdammten ZULU kalt stellen können wie neulich, würde uns das schon helfen." "Captain Mbasa, nicht? Ich benutze Ihre Fregatte als Deckung. Sehen Sie zu, dass ich von Ihrem Feuer nicht erwischt werde, wenn ich vorbei komme." "Verstanden. Wir schießen vorsichtig Sperrfeuer." Die AKAGI kam schnell näher. Auch die YAMATO, das Schiff, mit dem ich damals zum Mars geflogen war, vergrößerte sich schnell. Es hatte schwer gelitten und eine Menge Treffer eingesteckt. Große Teile der Oberfläche glühten bereits rot auf. Okay, spätestens jetzt war ich sauer! Die AKAGI huschte wie ein Schemen unter mir hinweg, als ich sie passierte. Der Kenianer hielt sein Wort und gab Sperrfeuer, vermied aber freundliches Feuer. Ich erreichte die Sperrlinie unserer Mechas, bestehend aus Hawks, Sparrows und ein paar Eagles. Ehrfürchtig machten die UEMF-Mechas mir Platz und entließen mich mitten in die Reihen der angreifenden Daishis. Ich passierte diese Linie, zog dabei meine Schwerter durch. Zwei Gammas explodierten hinter mir. "Akari!", blaffte ich. "Ich bin hier, Meister." "Das weiß ich. Du wirst mir wieder helfen müssen. Und diesmal muß es auch ohne die Slayer gehen. Wir müssen diesen Kreuzer vernichten." Akari lächelte mich an. Sie trug erstaunlicherweise die Slayer-Uniform. "Da habe ich aber eine gute Nachricht, Akira-sama. Blue und die anderen haben bereits einen Kreis errichtet, unten auf der Erde. Sie fokussieren ihre Energie und senden sie zu mir hoch." "Das sind doch mal gute Nachrichten!", rief ich und lud beide Klingen mit meinem KI auf. Ich flog direkt durch das Sperrfeuer der Fregatte, glitt über ihre Oberfläche hinweg und zog eines meiner Schwerter über die vorstehende Brücke des Feindschiffs, während ich sie passierte. Trottel. Wer baute eine Zentrale auch an einem derart verwundbaren Teil des Schiffs auf? Hinter mir zersprangen die Panzerung und das Schutzglas und entließen Schiffsatmosphäre ins Vakuum des Alls. Dann tauchte der ZULU vor mir auf. Entsetzt sah ich, dass die Hauptwaffe auflud. Das Glimmen wirkte nicht so gewaltig, nicht so mächtig wie bei dem ZULU neulich, der Seelenenergie verwendet hatte. Aber es würde reichen, der YAMATO, der guten alten YAMATO den Gnadenstoß zu versetzen. Zudem erwarteten mich mindestens dreißig Daishi der unteren drei Klassen. "Meinetwegen", knurrte ich wütend und ließ den Hawk wieder taumeln, um aus dem Beschuss raus zu kommen, den mir der ZULU entgegen schickte. Zehn Alphas flogen mir entgegen, feuerten aus allen Rohren auf mich. Mehrere Schüsse trafen, aber Prime registrierte keine Schäden. Wow. WOW! Die neue Panzerung war enorm! Dann passierte ich die Alphas und vernichtete drei von ihnen mit den Schwertern. Blieben noch vierzehn Betas und sechs Gammas. Übergangslos brannte um mich herum das All. Ein Beta explodierte, danach ein zweiter. Wieder hörte ich diesen wilden Triumphschrei, den ich bereits einmal zu schätzen gewusst hatte. "Ich bin der Beste! Der Allerbeste!", rief Yoshi aufgeregt. "Flieg weiter, Akira. Wir geben dir Deckung!", hörte ich Makoto rufen. "Und wir sorgen dafür, dass du auch heil wieder zurück kommst!", erklang Lilians Stimme hinter mir. Ein Blick auf die Ortung verriet mir, dass sie sich mit ihrem Sparrow mit zwei Alphas angelegt hatte... Mit einem Alpha... Das sie gerade die Linie durchbrach und das mit enormen Erfolg. Ich erinnerte mich an ihre begeisterten Worte: Es wäre so, als wenn der Sparrow extra für sie gemacht worden wäre. Vielleicht hatte sie Recht. "Ich bin auch noch da, Akira", klang Megumis Stimme auf. "Lilian und ich halten dir die Tür auf. Und die Hekatoncheiren decken unseren Rückzug!" "Danke. Ich liebe dich!", rief ich und stieß dank Yoshis präzisen Feuers immer tiefer auf den ZULU zu. "Hast du gerade gesagt, dass du Megumi-sama liebst?", fragte Akari erstaunt. "Ja, aber sie glaubt es mir sowieso nicht", erwiderte ich. "Beginne jetzt." Der Oni erwachte aus seiner nachdenklichen Starre und nickte. Akari begann neben mir im Cockpit zu schweben. Sie entwickelte eine lichtintensive Aura, deren Licht durch das Cockpit wanderte und die Schwerter erreichte. Die Klingen verlängerten sich auf über hundert Meter. Ich passierte den ZULU mit nur wenigen Zentimetern Abstand, wirbelte mit meinem Mecha herum und löste eine Salve Raketen aus, die einen feindlichen Geschützturm vernichteten. Raketen. Endlich wieder Raketen, nachdem sie so lange aus der Mecha-Gefechtsdoktrin der UEMF verschwunden waren. Dann kreuzte ich die Arme und damit die Schwerter vor der Brust. Kam in die richtige Position. Und schlug zu. "WESTPOINT hier! Wir kommen gerade mit Höchstfahrt vom Mond um Ihnen zu helfen, Blue Lightning", klang eine amüsierte Stimme über Funk auf. "Aber wie man anhand eines explodierenden ZULU-Kreuzers sehen kann, kommen Sie ja ganz gut alleine klar." "Keineswegs, WESTPOINT. Räumen Sie doch bitte hinter uns auf. Es gibt noch mehr als genügend Ziele. Ich eskortiere die YAMATO aus dem Kampfgebiet heraus. Und geraten Sie nicht in das Feld." "Wir haben davon gehört, Sir. Wir passen schon auf. Und sobald die MIDWAY hier ist..." Der Captain der WESTPOINT sprach es nicht aus, aber wir wussten alle, was er meinte. Dann lag die Kräfteverteilung wieder klar bei uns. Übergangslos feuerten die schweren Geschütze des OLYMP und vernichteten eine Korvette. "Danke für eure Hilfe, Leute", rief ich erleichtert, als ich die Linie meiner Freunde erreichte. "Bringen wir die gute alte YAMATO hier raus. Und dann kümmern wir uns um ein wirkliches Problem." "Verstanden!", hallte es mir entgegen. 5. Schwerelos, nur mit meinem Druckanzug geschützt, schwebte ich vor der vier Meter durchmessenden Sonde, die das Feld emittierte. Vorsichtig öffnete ich eine Abdeckung und sah hinein. Akari, die neben mir schwebte, meinte: "Da schwirrt aber eine Menge KI herum, Meister." "Wir müssen einen Weg finden, das Mistding abzuschalten, Akari." "Das würde ich nicht tun", erklang eine Stimme über den offenen Kanal. "Fliegerjunge, du bist es doch, oder? Wir haben ja ne kleine Ewigkeit nicht mehr miteinander gesprochen." "TAYLOR!", knurrte ich wütend. "Richtig. Dein guter alter Freund Henry William Taylor mit der guten Krankenversorgung. Die habe ich dank dir auch gebraucht. Wer konnte denn ahnen, dass du nachtragender Bastard gleich einen ganzen Mond nach uns wirfst? Jedenfalls beweise ich dir jetzt, dass ich in die Zukunft sehen kann. Du willst die Sonde mit dem Temporalresonator abschalten, richtig? Genauso gut kannst du auch alle Schleusen auf ARTEMIS öffnen. Das tötet die Menschen wesentlich gnädiger. Du musst anders heran gehen. Du musst dafür sorgen, dass die Leistung des Resonators abnimmt. Nach und nach. Sagen wir, dass sie in einem dreiviertel Jahr bei null angelangt ist. Stellst du sie schneller ein, tötest du die Besatzung von ARTEMIS. Stellst du sie langsamer ein... Nun, das wirst du freiwillig niemals tun, oder? Ich werde dir genau erklären, was du zu tun hast. Warum ich dir das sage? Weil du mir dann noch einen Gefallen schuldest. Nachdem ich dir schon dein Schwesterlein zurück geschickt habe, dachte ich, könntest du etwas konstruktive Hilfe brauchen. Also. Entweder verschwindest du jetzt oder du schuldest mir zwei Gefallen." Die Stimme verstummte. Und meine Gedanken rasten. ARTEMIS? Ging der Bastard davon aus, dass die Waffe auf ARTEMIS angesetzt wurde? Wie Valjean sagte, der dritte Angriff. Ich grinste. Ja, ich würde ihm zuhören. "Du bist noch da, Fliegerjunge. Dann sperr die Lauscher auf. Onkel Henry erklärt das jetzt nur einmal..." ** Erschöpft lehnte ich mich gegen die nächste Wand. Ein dreiviertel Jahr würde es dauern. Ein dreiviertel Jahr, bis die Strahlung auf null war. Ich hatte die berechtigte Hoffnung, dass die Besatzung schon lange vorher ihr altes Zeitniveau erreichte. Insoweit war ich dankbar für Taylors Hilfe. Ich sah nach Rechts, wo Megumi und Lilian saßen. Die beiden wirkten erschöpft, aber entschlossen. Makoto sprach leise mit Sniper und Colt, einem Kottos-Piloten. Und Yoshi saß neben mir und grinste. "Wird man nach fünf Abschüssen eigentlich ein Aß?" "Eigentlich...", begann ich, wurde aber unterbrochen. "Akira-chan", sagte Kitsune. Sie war lautlos neben uns getreten. "Das kam gerade herein. Die Kronosier haben ARTEMIS bombardiert. Der Angriff konnte abgeschlagen werden. Aber der Rumpf der BISMARCK brannte aus. Die anderen beiden Schiffe wurden schwer beschädigt." Die Kreuzer! Entsetzt fuhr ich hoch. Nein... Nein! NEIN! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)