Abraxas von CriD (Die Sehnsucht in mir) ================================================================================ Kapitel 6: Seele ---------------- In der Regel erreichte man das kleine Waldstück hinter dem Blockhaus in weniger als einer Viertelstunde. Der flache See im Mittelpunkt der dicht aneinander gereihten Bäume lag höchsten zehn Minuten vom Waldeingang entfernt. Trotzdem brauchten die beiden Männer ungleich länger um die glitzernde Wasserfläche endlich zu erreichen. Abraxas trödelte wo er nur konnte und Ensyis lies ihn gewähren. Sie hatten es nicht eilig. Der Jäger trug einen Eimer in der Hand in den er später die gefangen Fische für Dylans und sein Abendbrot tun wollte. Abraxas strahlte schon die ganze Zeit wie ein kleines Kind, wie er das vermisst hatte, das grün der Bäume. Das Rascheln der Blätter wenn der Wind durch sie hindurch streifte. Auch die Sonne hatte ihre feurige Gefahr verloren. Sicher es brannte immer noch, aber nicht mehr in dem Maße, wie noch ganz am Anfang. Das Licht lies sich aushalten auch wenn es ein unangenehmes Gefühl blieb. Endlich standen die beiden auf der kleinen Lichtung in deren Mitte sich ein wunderschöner Kristallsee erstreckte. Die Wasseroberfläche funkelte als wäre sie aus flüssigem Metall. Sicher tanzten Elfen des Nachts über die glitzerende Oberfläche und sangen ihr freudiges Lied der Natur. Ensyis schien von dem wunderschönen Naturstück, dass sich ihnen hier bot bei weitem nicht so begeistert zu sein wie der Vampir. Kein Wunder, war er doch schon oft zuvor an diesem Ort gewesen. Gewohnheitsmäßig krempelte er sich die Hose nach oben und zog Schuhe und Strümpfe aus, dann watete er auch schon in das Wasser hinein und zerbrach so das Spiegelbild, welches Abraxas eben noch betrachtete hatte. Das war nur gut so. Der Vampir schien von seinem eigenem Spiegelbild nicht allzu angetan zu sein. Zwar waren alle äußerlichen Verletzungen verheilt so waren die letzten Wochen doch nicht spurlos an ihm vorüber gezogen. Die Augen waren tief in ihre Höhlen gefallen und dunkle Augenringe hatte sich gebildet. Vom einstigen Glanz der blauen Haare war nichts mehr geblieben, sie hingen nur noch stumpf hinab und schienen sich sogar weigern zu wollen doch wenigstens etwas im leichten Wind des Waldes zu wehen. Selbst für einen Vampir war Abraxas unnatürlich blass, einzig die Lippen waren roter denn je. Und dann war sie wieder da. Diese kleine böse Stimme in ihm drin, die ihm immer wieder zuflüsterte. So lange war sie verschwunden gewesen, aber jetzt... "Siehst du nun was sie mit dir angestellt haben? Du siehst fast schon aus wie ein..." Erschrocken schüttelte Abraxas den Kopf. Die Stimme in ihm sollte es nicht aussprechen. Das was er selbst schon so lange wusste, seit Dylan seine perversen Experimente begonnen hatte. Nein er würde sich nicht verlieren. Er war ein Vampir! Wenigstens das durfte ihm keiner nehmen. Ensyis hatte verwundert den Kopf gehoben, als Abraxas sich auf einmal begonnen hatte sich so eigenartig zu verhalten. "Was ist los?" Verängstigt hob Abraxas den Kopf und sah Ensyis genau in die Augen. "Nichts!" Viel zu schnell und zu hastig um echt zu wirken. Selbst wenn Ensyis diese Antwort überhört hätte, reichte schon ein einziger Blick auf den Vampir um zu zeigen das etwas nicht stimmte. Abraxas stand ganz unnatürlich gespannt am Rande des Sees und starrte angstvoll auf die sich langsam wieder klärende Wasseroberfläche. Es schien beinahe so als fürchtete er sich vor dem was er da sah. Skeptisch neigte Ensyis den Kopf und watete dann wieder auf das Ufer und Abraxas zu. Seine Bewegungen warfen wellen und ließen Abraxas' Spiegelbild wieder verschwimmen. Endlich konnte der Vampir seinen Blick davon abwenden und wich hastig zurück. Ensyis hatte nun endlich das Ufer erreicht und sich neben Abraxas gestellt. Beruhigend legte er ihm eine Hand auf die Schulter. "Abraxas, was ist denn los?", fragte er besorgt. Erschrocken wand Abraxas den Kopf zu Ensyis und dann wieder zu der spiegelnden Wasserfläche auf der sich langsam wieder das sein Abbild zeigte. Hastig schüttelte er den Kopf. "Ich will nicht...", flüsterte er. "Was willst du nicht?", fragte Ensyis nun schon etwas drängender. Abraxas Verhalten besorgte ihn wirklich außerordentlich. Abraxas Blick hatte sich verschlossen. Die Augen zitterten leicht und Ensyis riss der Geduldsfaden. Grob packte er den Vampir bei den Schultern und zwang Abraxas ihm ins Gesicht zu sehen. Erschrocken riss der Vampir in einer Abwehrreaktion die Hände nach oben und versuchte sich loszureißen, aber Ensyis hielt ihn unerbittlich fest. Wieder einmal bewies die schlanke Gestalt, dass sein Äußeres nicht unbedingt zu seinen Fähigkeiten passen musste. Trotzdem lockerte er etwas den Griff und sah Abraxas ruhig in die Augen. "Abraxas... Sag mir was los ist. Ich will dir helfen, verstehst du nicht? Aber das geht nicht, wenn du nicht mit mir sprichst." Die Bewegung kam zu schnell, als dass sie Ensyis hätte voraussehen können, schon sah er wie sich Abraxas nun auf ihn stürzen würde, jetzt da er wehrlos am Boden lag. Aber nichts dergleichen geschah. Abraxas hatte sich nur ein Stück von Ensyis entfernt und hockte nun unruhig auf dem Boden. Ruhig um ihn nicht zu erschrecken stand Ensyis auf, ließ ihm diesmal aber etwas Abstand. Seine Stimme war fast flehend, als er noch einmal seine Frage wiederholte. Und endlich reagierte der Vampir. Müde hob Abraxas den Kopf und sah Ensyis an. Seine Augen hatten jeden Glanz verloren nur noch ein dumpfer Schmerz lag darin. "Ich werde zum Goul", flüsterte er betrübt. Und jetzt endlich verstand der Jäger. Langsam näherte er sich Abraxas und hockte sich schließlich neben den schon wieder geradeaus starrenden Vampir. "Nein... das wird nicht passieren", begann er vorsichtig. "Ach wird es nicht? Was weißt du denn schon?!", fuhr Abraxas ihn heftig an. Was wusste der Jäger schon von dem was er fühlte? Diese Leere, die sich klammheimlich in seinem Herzen ausgebreitet hatte. Dieses stumpfe Sein. Abraxas stand kurz davor ihn zu verlieren, seinen eigenen Willen und mit ihm den Verstand. Was war das eigentlich? Ein Goul? Seelenlose und Willenlose Vampire, die ohne Sinn und Verstand dahinvegetierten und nur noch von ihrer Gier getrieben wurden. Wo war der Unterschied zu dem was er jetzt war oder zu den anderen Vampiren? Sie wussten wenigstens noch was sie wollten. Vampire waren von ihrem Instinkt getrieben... aber trotzdem waren sie immer noch bessere Tiere. Sie hatten Verstand, waren listig und durchtrieben und böse. Aber ein Goul? Der hatte gar keine Persönlichkeit mehr. Er war nur noch ein Untoter, der getrieben von einem inneren Zwang dazu verdammt war auf ewig auf Erden zu wandeln, immer wieder aufzuerstehen und niemals Erlösung von all seinen Qualen erlangen konnte. Nein zu so etwas wollte er nicht werden. Eher würde er sich vorher das Leben nehmen. Ensyis hatte auf die letzte Frage nicht geantwortet, er hatte es vorgezogen einfach nur ruhig den Vampir zu beobachten. Abraxas schien für sich selbst etwas ausmachen zu müssen. Dabei wollte er ihn nicht stören. Plötzlich schien er zu einem Entschluss gekommen zu sein, denn die roten Augen klärten sich wieder und glänzten wieder in ihrer stolzen Pracht. "Geht's wieder?", fragte Ensyis vorsichtig und weckte damit sofort Abraxas Zorn. "Geht's wieder?", wiederholte der Vampir langsam. "Spinnst du? Hier geht gar nichts! Ich werde zum Goul und ihr seid Schuld daran! Weil ihr meinen Willen, mein selbst vollkommen unterdrückt und auslöscht!", fuhr er Ensyis plötzlich heftig an und sprang auf die Beine. Ensyis hatte sich genauso schnell aufgerichtet und befand sich nun wieder in der selben Augenhöhe mit Abraxas. "Wo ist dein Problem?" ,fragte er genervt. Abraxas' Stimmungswandel schlugen ihm langsam schwer auf den Geist. "Mein Problem? Wo mein Problem ist, willst du wissen? Ich sag es dir!" Abraxas Tonfall hatte sich wesentlich erhöht. Nun schwang bereits ein hysterischer Unterton mit in seiner Stimme. Dieser Kerl vor ihm regte ihn dermaßen auf, das passte auf keine Kuhhaut. " Du bist mein Problem! Dylan ist mein Problem! Dieses verfluchte enge Zimmer ist mein Problem! Das alles hier!" Abraxas hatte die Arme weit ausgestreckt. Ein gehetzter Ausdruck lag in seinen Augen. Sie schienen Ensyis herausfordernd anzufunkeln. "Ach und noch etwas? Nun tu mal nicht so!",lachte Ensyis höhnisch. Das war es gewesen. Abraxas wurde für einen Moment schwarz vor Augen und im nächsten Augenblick hatte er auch schon zugeschlagen. Ensyis hatte es durch die Wucht des Schlages zu Boden geworfen. Der Vampir blinzelte erschrocken. Er hatte Ensyis geschlagen. Zum Teufel! Was würde jetzt wieder kommen? Wie würde er nun bestraft werden? Keinen Moment zweifelte er daran, dass sich der Jäger sofort rächen würde und ihm wieder beweisen würde, wer der Stärkere der Beiden war. Ensyis war doch nicht besser als Dylan. Aber nichts dergleichen geschah. Der junge Jäger rappelte sich stöhnend wieder vom Boden auf und hielt sich die langsam rot werdende Wange. Der Schlag hatte gesessen. "Ach? Und du willst keinen eigenen Willen mehr haben?",fragte er spöttisch. "Klar dann habe ich dir eben wohl gesagt, mir deine Faust ins Gesicht zu donnern?" Schalk blitze in den Augen des jungen Jägers, während er sich die Wange rieb. Dass der Vampir so zuschlagen konnte, hätte er nie erwartet. Gott sei Dank schien Abraxas selbst nicht zu wissen wozu er fähig war. Der junge Vampir wechselte nämlich nur von einem Bein auf das andere hin und her, während seine Hände unruhig zuckten. Er hatte Angst vor der Strafe, die ihn für seinen Ungehorsam erwarten würde. Noch immer aber machte Ensyis keinerlei Anstalten irgendetwas in der Art zu tun. Ja er machte sogar einen Schritt nach vorne und legte Abraxas eine Hand auf die Schulter. "Mal ganz ehrlich. Wer so zuschlagen kann, der sollte sich keine Sorgen darüber machen, dass er gerade auf dem besten Wege ist sich selbst zu verlieren. Wer sich noch so provozieren lässt, hat noch einen ganzen Batzen Persönlichkeit in sich!", grinste Ensyis breit. Verwirrt sah Abraxas auf und streifte schließlich die Hand von seiner Schulter. Dann als er endlich zu verstehen begann was Ensyis gesagt hatte, begann er sogar leicht zu lächeln. "Na also es geht doch. Du kannst ja sogar lachen!", grinste Ensyis noch breiter und stauchte den Vampir dann freundschaftlich in die Seite. Abraxas wollte schon zu einer Antwort ansetzten, als seine spitzen Ohren plötzlich einen feinen Laut vernahmen. Forschend verengte er die Augen zu Schlitzen und fixierte den Waldrand am anderen Ufer des flachen Sees. "Da kommt jemand", flüsterte er. Da! Er konnte sie spüren. Die warmen Bilder der Personen, die dort scheinbar trällernden durch den Wald spazierten. Er konnte sie sehen, nicht ihre Gestalten sondern ihre Wärme, die sie durch die Bäume hindurch ausstrahlten. "Zwei... nein drei Personen. Frauen denke ich." Ensyis war blass geworden, als er Abraxas das sagen hörte. Unruhig drehte er sich zu der Stelle um, nach der Abraxas hingedeutet hatte. Ja da war tatsächlich ein dunkler Schatten, der sich langsam auf den See zubewegte. "Verflucht! Man darf dich hier nicht sehen!" Hastig packte er den Vampir an der Schulter und schubste ihn grob in Richtung des Waldes. Verwirrt stolperte der Vampir nach vorne, blieb schließlich an einer Baumwurzel hängen und stürzte mit einem leisen Aufschrei in das Gehölz des Waldes. Schon wollte er sich aufrichten und lauthals schimpfen, als er von Ensyis nicht nur wieder nach unten gedrückt sondern ihm auch der Mund zugehalten wurde. "Pschhhht!" "Waf if denn lof?", nuschelte Abraxas und bekam als Antwort einen Schlag mit der flachen Hand auf den Hinterkopf. "Sei ruhig! Verdammt nochmal!",zischte Ensyis böse. "Wenn man uns hier erwischt ist es erst um dich und später auch um mich geschehen! Dann kommen wir in Teufels Küche!" "Ich denke du hattest Dylans Erlaubnis?!", flüsterte Abraxas leise zurück. "Dylan, Dylan! Wer ist denn schon Dylan? Was interessiert der uns! Unser Problem sind diese tumpen Bauerntölpel aus dem Dorf! Die sind genauso schlimm wie leibhaftige Dämonen und dementsprechend auf uns Jäger zu sprechen. Was denkst du was los war, nur weil wir dich mitgenommen haben?",flüsterte Ensyis hektisch zurück. Wenn man ihn hier mit dem Vampir erwischte. Er wollte es sich nicht einmal ausmalen. Abraxas schaute Ensyis nur verwundert an. Er verstand zwar langsam wovor sich Ensyis fürchtete aber nicht direkt warum. "Wieso?" "Wieso was?",brummte ihn Ensyis genervt an. Seine Augen fixierte das andere Ufer. Die Gestalten hatten es fast erreicht und mussten sich nun bald am Waldesrand zeigen. "Wieso mögen sie euch nicht? Ich meine ihr beschützt sie doch, oder etwa nicht?" Ensyis schüttelte den Kopf und sah Abraxas plötzlich ernst an. "Natürlich. Natürlich beschützen wir sie vor dir und deinesgleichen und den anderen Kreaturen der Unterwelt in ihrer Vielzahl." Ein leicht trauriger Ausdruck hatte sich in die grünen Augen Ensyis' geschlichen, der sich aber schnell verhärtete und abstumpfte während er leise weitersprach. "Aber die Menschen sind dumm. Sie fürchten was sie nicht kennen und was sie nicht verstehen. Die Dämonen fallen über sie her und zerreißen, zerfetzten sie und sie können sich nicht wehren. Und dann kommt jemand aus ihrer Mitte, zerreißt den Dämon in der gleichen Manier wie er es den ihnen angetan hatte. Wäre dieser Mensch in ihren Augen, dann nicht viel erschreckender als der augenscheinliche Dämon? Würden sie ihn nicht auch nur für ein dunkles Wesen in Menschengestalt halten? Aber was bringt es, es ihnen erklären zu wollen. Wer wir sind und wie es uns möglich ist die Schattenwelt zu bekämpfen. Sie würden es doch nicht verstehen und die vielen Jahre, die nötig währen um wenigsten einen von ihnen zur Erkenntnis zu bringen, würden die Dauer eines normalen Menschenlebens bei weitem übersteigen." Abraxas hatte dem Jäger aufmerksam zugehört unterbrach ihn aber schließlich und nickte zum anderen Seeufer hinüber. Ensyis folgte seinem Blick und nahm nun zum ersten Mal die drei Personen wahr. Und wie er sie wahrnahm. Ihm stockte förmlich der Atem. Abraxas lies der Anblick der drei jungen Damen, die eben begannen sich zu entkleiden um wohl im klaren Wasser des Sees ein Bad zu nehmen, eher kalt. Er war ein Vampir, zwar einer mit Seele aber aus der Zeit war er dann doch schon raus, dass er sich von derartigen nackten Tatsachen noch komplett aus der Spur werfen ließ. Ensyis hingegen schien noch voll in der Blüte dieses Alters zu stehen. Wie leicht wäre es doch gewesen, jetzt zu verschwinden, denn der junge Jäger hing mit seinen Augen, wie festgeklebt an den sanften Rundungen der drei hübschen Frauen. "Ach, wohl doch nicht nur tumpe Bauerntölpel da unten im Dorf, was?",grinste Abraxas spöttisch. "Die kleine dralle Blonde scheint es dir ja besonders angetan zu haben." "Was?" Nur mit Mühe schaffte es Ensyis seinen Blick abzuwenden und wieder zu dem Vampir hinüberzusehen. Ein leichter Rotschimmer lag auf seinen Wangen. Abraxas konnte sich ein breites Grinsen nicht verkneifen. Das wurde ja immer besser. "Hihi. Du kennst sie, was? Das blonde Mädchen!" Der Vampir lachte gehässig. "Ah... ich hatte recht! Dein Herz schlägt schneller. Bist du in sie verliebt?" Fassungslos starrte Ensyis den Blauhaarigen vor sich an. Am liebsten hätte er sich auf ihn gestürzt und ihm die Frechheit aus dem Leib geprügelt. Aber das ging ja nicht. Mit einem anzüglichen Lächeln im Gesicht sah der Vampir wieder zu den Dreien hinüber. "Hübsch ist sie ja. Das muss man dir lassen. Du hast Geschmack." "Hör endlich auf!", sagte Ensyis böse. Es schien ihm Mühe zu machen sich noch zu beherrschen. Seine Geduld hing an einem dünnen Faden, den der leiseste Ton zum Zerspringen bringen konnte. Und Abraxas schien einzusehen, dass es wohl langsam reichte. Ruhig hockte er sich etwas bequemer hin und begann dann an einigen Grashalmen herum zu zupfen. "Was machst du den jetzt?", fragte Ensyis entgeistert. Der Kerl machte ihn wahnsinnig! "Ich suche mir eine Beschäftigung. Du scheinst ja noch ein bisschen hier bleiben zu wollen."antwortet Abraxas unschuldig. Das Grinsen, welches sich aber von einem Ohr zum anderen zog gab sehr genau Auskunft darüber, was er wirklich dachte. "Tsss." Etwas empört positionierte sich der Jäger auch etwas bequemer im Gras. "Starr sie nicht ständig an!", ermahnte er den Vampir noch bevor er wieder vom Anblick der nackten blonden Schönheit verzaubert wurde. Abraxas lächelte nur in sich hinein und setzte seine Graszerpflückenrei fort. Es dauerte wohl etwa eine Stunde bis Ensyis wieder ansprechbar war, denn die Damen ließen sich bei ihrer Planscherei natürlich Zeit und auch danach ließen sie es sich nicht nehmen, noch etwas im duftenden Gras des Waldes zu sitzen und sich kichernd überallerhand Dinge zu unterhalten. Weiberkram. Ensyis konnte es nicht verstehen. Aber der Wind stand günstig, so bereitete es Abraxas' feinen Ohren keinerlei Schwierigkeiten, den kichernden Mädchen bei ihrer Tratscherei - und darum handelte es sich auch ausnahmslos - zuzuhören. Ja, er war sogar regelrecht gezwungen ihren Gesprächen zu lauschen, da sie in der Stille des Waldes so laut sprachen, dass er es unmöglich überhören konnte. Und dieses schrille Kichern. Keine Vampirdame und auch keine der Anwärterinnen hätte jemals so einen widerlichen Ton von sich gegeben. Ein bisschen vermisste er sie. Die Frauen in ihren langen schwarzen Gewändern und den tiefen wohlig klingenden Stimmen und den feuerroten Lippen. Was sollte es. Auf diese hohen Vampirdamen hätte er eh nie einen Anspruch gehabt. Die wenigen Frauen waren alleine Meantoris vorbehalten gewesen, genauso wie alle Anwärterinnen. Genauso wie Rachel. Neben ihm ließ sich Ensyis plötzlich seufzend ins Grass fallen. Die kichernden Geräusche der Mädchen waren verstummt und als Abraxas einen Blick zum Ufer warf bemerkte er, dass sie verschwunden waren. "Ist sie nicht wunderschön?",seufzte Ensyis wieder, mehr für sich selbst als für den Vampir, der neben ihm sass und ihn genervt anstarrte. "Naja... es gibt bessere",murrte Abraxas als Antwort. Rachel zum Beispiel. Aber davon ließ sich der junge Jäger überhaupt nicht beirren. Schmachtend hielt er die Arme nach oben, den Wipfeln der Bäume entgegen. "Ach Abraxas, wie soll ich es dir nur verständlich machen?" "In dem du den Mund hältst. Ich verstehe das schon gut genug!",knurrte der Vampir. Ensyis schien für den Moment in seiner eigenen Welt zu schweben, dummerweise hockte der Vampir immer noch im Wald herum und begann sich zu langweilen. "Wenn ich... wenn ich ein Vampir wäre, wie du. Ich würde ihren Leib umfangen und meine Zähne in ihren zarten Hals schlagen..." Abraxas ließ Ensyis nicht weitersprechen sondern setzte selbst die Reihe fort "...und ihr warmes süßes Blut mit deinen Zähnen aufsaugen. Und mit ihrem köstlichen Lebenssaft wirst du ihr etwas viel wichtigeres nehmen und während der Funke bereits in dir glüht und ihre Seele dir auf immer gehören wird, beißt du dir in die Zunge und beendest dein tödliches Spiel mit einem Kuss der Ewigkeit. Auf dass dir auch ihr Körper für immer für deine innersten Gelüste zusteht",vollendete Abraxas ruhig seinen Vortrag. Ensyis nickte zufrieden darüber, dass ihn Abraxas verstehen zu schien. "Ja bist du von Sinnen?", schrie Abraxas den Jäger, welcher erschrocken zurückwich, aufspringend wütend an. "Was glaubst du Narr denn? Ich denke du liebst dieses Mädchen! Warum willst du ihr so etwas antun?" Ensyis schüttelte verwirrt den Kopf. Er war langsam aufgestanden und verfolgte mit seinen Augen, wie der Vampir unruhig hin und her lief. "Aber das tut ihr Vampire doch, oder etwa nicht?",fragte er schließlich zögernd. Abraxas Augen glühten gefährlich, als er sich ruckartig zu Ensyis umdrehte. "Ja die Vampire! Die Vampire, die tun das zweifelsohne. Aber ich doch nicht!" Verzweifelt fuhr sich Abraxas durch die blauen Haare, sein Blick schweifte unruhig hin und her bis er sich letztendlich in Ensyis Gesicht festklammerte. Schmerz und Enttäuschung klang in seiner Stimme mit, während er leise sprach. "Und ich dachte, du hättest verstanden, dass ich anders bin",flüstere er und drehte sich dann von Ensyis weg. Drei Schritte nach vorne. "Bleib stehen!" Der Vampir blieb zitternd stehen. Wie hatte er sich nur so täuschen können? Es tat so weh. Warum machte es ihm so viel aus, dass Ensyis ihn eben auch nur für ein blutsaugendes Monster hielt? Das tat doch jeder. Da kam es auf einen mehr oder weniger doch nicht mehr an! Ganz einfach. Er hatte wohl jetzt auch den letzten verloren, den er für einen Freund gehalten hatte. "Warum?", kam es leise von hinter ihm. Abraxas reagierte nicht. "Warum bist du so anders? Ich weiß, dass du es bist! Aber ich weiß nicht warum, vielleicht verstehe ich es dann ja besser." Langsam drehte sich der Vampir wieder um. "Warum sollte ich es dir sagen?", fragte der Vampir abwertend. Die Betonung lag vor allem auf dem Wörtchen dir. "Warum nicht?",zuckte Ensyis mit den Schultern. "Damit du dann gleich zu Dylan rennst und er sich wieder irgendetwas Krankes ausdenken kann, was er mit dieser neuen Information so an mir anstellen könnte? Nein danke!", lachte Abraxas finster. "Er wird es nicht erfahren. Du kannst mir vertrauen!" "DIR? Du bist ein Jäger ich bin ein Vampir! Vertrauen?! Weißt du was ein Oxymoron ist? Das sind zwei sich gegensätzlich ausschließende Begriffe! In diesem Fall drei! Das ist ein Widerspruch schlechthin. Wie soll ich dir vertrauen können?" Abraxas war kopfschüttelnd vor Ensyis zurückgewichen. Das konnte doch nicht wahr sein. Was glaubte dieser dumme Mensch, denn nur? "Aber du würdest mir doch gerne vertrauen, nicht wahr?", fragte Ensyis ruhig. "Was habe ich bis jetzt getan, dass du einen Grund hättest es nicht zu tun? Ich gebe dir mein Wort Abraxas. Ich werde Dylan keinen Ton davon sagen, was du mir anvertrauen willst." "Das Wort eines Jägers? Was ist das schon wert?" "So viel wie das deine. Wie viel ist dein Wort wert, Abraxas?" Der Vampir schwieg und sah zu Boden. Der Untergrund schien vor seinen Augen zu verschwimmen. Ein Tränenschleier hatte sich über sein Gesicht gelegt. Schluchzend sank er langsam zu Boden, die Arme ins Gras gestützt um sich festzuhalten. Ja er wollte ihm so gerne vertrauen. Aber das ging doch nicht. Am Ende würde es ihm doch nur noch mehr Schmerz bringen. Ensyis war zögernd an ihn herangetreten. Für einen Moment schnarrte wieder die Stimme seines Meister durch seinen Kopf. Der Stolz der Dämonen. Ihr Unvermögen menschliche Emotionen zu zeigen. Wenn das nicht menschlich war, was dann? Ruhig kniete er sich vor Abraxas hin. "Du kannst mir vertrauen!",flüsterte er leise, aber deutlich hörbar für den Vampir. Gequält sah Abraxas auf. Die schimmernden roten Augen, spiegelten sich in den grünen Ruhe ausstrahlenden Ensyis'. Sie schienen dem Vampir zuzurufen im wieder. Vertrau mir! Vertrau mir! Und warum sollte er nicht? Was hatte er schon zu verlieren? Bis auf das eigene Leben doch nichts mehr. Aber er konnte viel gewinnen, vielleicht einen Freund. "Ich habe eine Seele." Der Weg zurück war schweigend von statten gegangen. Keiner der beiden hatte ein Wort gesprochen. Ensyis schien die Neuigkeiten erst verarbeiten zu müssen und Abraxas schien sowieso auf einer ganz anderen Bewusstseinsebene gelandet zu sein. Mit ihm war im Moment nicht viel anzufangen. Wieder im Zimmer, befestigte Ensyis die Kette wieder an Abraxas' Handgelenk. Ein leises Entschuldigung wich über seinem Lippen, aber der Vampir schien es gar nicht wahrzunehmen. Widerstands- und Kommentarlos ließ er alles über sich ergehen. Als Ensyis endlich den Raum verlassen hatte atmete er als erstes tief durch. Die bedrückenden Stimmung während des ganzen Rückweges hatte ihm schwer zu schaffen gemacht. Eine Seele. Die eigene. Das war einfach unglaublich und so gut wie unmöglich. Aber es musste stimmen. "Na hast du dich von dem Vampir verabschiedet?", erklang plötzlich eine dunkle Stimme, die Ensyis erschrocken zusammen zu ließ. Sein Herz klopfte während er sich seinem Meister zu wand. "Wo sind denn die Fische, Ensyis? Wolltet ihr nicht zum See?" Fische? Ensyis verstand die Frage seines Meisters für den ersten Moment nicht. Sein Blick machte das wohl auch zu deutlich. Dann aber kam das böse Erwachen. Natürlich, er wollte ja eigentlich für das Abendessen Fische fangen. Bei dem was er alles erfahren hatte, hatte er sogar vergessen den Eimer wieder mitzubringen. Der stand immer noch einsam und verlassen am Rande des Sees. Ensyis hätte sich selbst ohrfeigen können. Wie dumm war er gewesen? Jetzt war eindeutig klar, dass sie am See andere Dinge getan hatten, als die glitzernden Lebewesen des Wassers zu fangen. Ein böses Lächeln hatte sich in Dylans Gesicht verbreitete. Das bedeutete nie etwas Gutes und Ensyis jagte es kalte Schauer über den Rücken. "Ich hoffe ihr beiden hatte Spaß heute Nachmittag. Und ich frage noch einmal hast du dich verabschiedet? Wenn nicht kann es passieren, dass du keine Gelegenheit mehr dazu finden wirst." Ensyis verstand nicht recht. Verwundert schaute er seinen Lehrmeister an. "Wieso keine Gelegenheit mehr?" "Weil der Vampir morgen sterben wird", antwortete Dylan ausdruckslos. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)