Am Anfang war das Schulprojekt von Autumn (JoeyxSeto) ================================================================================ Kapitel 29: Dritte Woche, Montag (Teil 1) ----------------------------------------- Der Auftakt der dritten Woche - und nein, es war nie die Rede von nur zwei Wochen (siehe Kommis), schon seit dem ersten Kapitel waren es drei! Übrigens: Das Bonuskapitel vor dem Epilog wird die Liebesszene sein. Nun werden einige von Euch sagen, für uns braucht's nicht immer ein Lemon, eine erotisch angehauchte Szene ohne Details gefällt uns genauso gut und passt besser zur Gesamtatmosphäre der FF - andere hingegen werden dastehen und sagen, das kannst du nicht machen, wir wollen ein heißes Lemon, bitte, bitte, bitte....oder so ähnlich. Es wird beides geben, eine "Adult"-Version und eine entschärfte Version, damit dürfte allen gedient sein, oder?^^ Kapitel 15: Dritte Woche, Montag Der Wecker klingelte und Seto schälte sich aus seinem Bett. Er stolperte ins Badezimmer und begegnete seinem müden Gesicht im Spiegel. Seine Augen waren gerötet von den Tränen, die er letzte Nacht vergossen hatte. Er hatte auch kaum geschlafen, immer von dem Gedanken an Joey gequält. Sein Herz fühlte sich an wie ausgehöhlt, nur ein dumpfer Schmerz war dort zurückgeblieben. Er drehte den Wasserhahn auf und besprengte seine abgespannten Züge mit dem wohltuenden Nass. »Ich bin....ein Mistkerl....Ich habe ihn verletzt. Aber ich kann doch nicht....ich kann nicht zu dieser Beziehung stehen, noch nicht....Außerdem wirft er mir vor, dass mir andere Sachen wichtiger sind als er....meine Firma und mein Ansehen, zum Beispiel. Kann ich das leugnen? Nein, eigentlich nicht. Es ist wahr. Aber ist das überhaupt möglich, wenn ich ihn liebe? Oder liebe ich ihn nicht....genug?« Er vermochte es nicht zu sagen. Nicht genau, jedenfalls. Er fühlte sich schuldig und war doch nicht fähig, seinen Fehler als solchen anzuerkennen. Mürrisch frühstückte er, zog sich seine Schuluniform an und machte sich auf den Weg. Es war ein schöner, klarer Morgen, die Vögel pfiffen ihre vergnügen Weisen von den Dächern und die Sonne begann, die Erde zu wärmen. Als er zur Hauptstraße kam, wurde die Idylle vom brausenden Verkehr gestört, aber Seto achtete nicht auf seine Umgebung. Je näher das Gebäude der Domino High rückte, umso schwerer wurden ihm die Beine und seine Schritte schienen zäh zu werden, als steckten seine Füße bis zu den Knöcheln in Kaugummi. Er erreichte das Tor, sah die Schüler, die dem Eingang zuströmten und meinte, unter einer unerträglichen Last zusammenbrechen zu müssen. Ein Wagen fuhr vor, der ihm sehr vertraut war - seine Limousine. Der Brünette hielt den Atem an; er konnte nicht weitergehen. Jonas sprang heraus und öffnete den Wagenschlag. Joey stieg aus und bedankte sich mit einem würdevollen Lächeln bei dem eifrigen alten Chauffeur. Er trug nicht seine übliche Uniform, sondern hatte die silbergraue Version von Kaiba gewählt, die mit dem verzierten Kragen. Er warf einen abweisenden Seitenblick auf ihn, wie auf einen Gegenstand, von dem man flüchtig Notiz nimmt und mit seiner Aufmerksamkeit streift, schulterte seine Tasche und marschierte mit ausgreifenden, stolzen Schritten durch das Tor. Der Firmenchef spürte eine starke Beklemmung in seiner Brust, die ganze Szene mutete ihm seltsam und gleichzeitig erschreckend an. Es war, als hätten sie nicht einfach nur ihre Existenzen getauscht, sondern plötzlich auch ihre Rollen. Der Blonde war es, der ihn ignorierte, ihn mit Nichtachtung strafte, er tauchte in einer schicken Limousine und eleganter Uniform auf, er verhielt sich gleichgültig ihm gegenüber. Mit einem Mal löste sich seine Verkrampfung, er lief dem Jüngeren hinterher und umfasste ihn an der Schulter, ehe er in der Schule verschwand. Der Sechzehnjährige drehte sich um und bedachte den Älteren mit einem Blick, der ihm förmlich das Blut in den Adern gefrieren ließ: kalt, abschätzend, ohne eine Spur von Emotion. Unwillkürlich wich er zurück, als hätte man ihm einen dumpfen Schlag verpasst. „Was willst du, Kaiba? Ich glaube, gestern ist alles gesagt worden, was nötig war. Ich will deine Rechtfertigung nicht hören! Und nun lass mich los, ich will deinetwegen nicht zu spät kommen! Was ist? Hast du was an den Ohren?" Die Hand auf seiner Schulter fiel kraftlos herab. „Tu mir einen Gefallen und belästige mich nicht weiter. Deine Gesellschaft ist mir zuwider!" „Joey....ich....könnten wir nicht...." „Nur keine falschen Vorstellungen, klar?! Für dich bin ich ‚Wheeler-san‘!! Und nein, wir können nicht reden!" erwiderte er leise, damit nicht die gesamte Schülerschaft mitbekam, was zwischen ihnen los war. „Du hast deine Position deutlichgemacht und ich die meine! Es gibt nichts mehr zu reden! Ich bin enttäuscht von dir, damit du‘s weißt! Lass mich in Ruhe!!" Damit wandte er sich ab, den Schmerz, der in seinen Augen aufflammte, verbergend. Er straffte seinen Körper und eilte zu seinem Klassenzimmer. Es tat ihm weh, so ablehnend und rüde zu dem Mann zu sein, den er immer noch liebte, aber er konnte ihm nicht sofort wieder vergeben, die Wunde war noch zu frisch. Außerdem war er fest entschlossen, Seto spüren zu lassen, dass man mit einem Joseph Wheeler nicht umsprang wie mit einem ungehorsamen Bediensteten, der sich sämtlichen Launen des Chefs zu fügen hatte! »Nein, mein Freund....nicht mit mir! Nicht mit mir!!!« Yugi musterte Kaiba und den Blondschopf verstohlen aus den Augenwinkeln. Er spürte, dass die Atmosphäre zwischen ihnen merklich abgekühlt war und er kontaktierte Yami. Der Pharao erschien neben ihm und fragte: »Was ist los, Hikari? Stimmt etwas nicht?« »Ich glaube, zwischen Joey und unserem Firmenchef kriselt es. Sie sind nicht zusammen zur Schule gekommen und Joey würdigt ihn keines Blickes. Was ist da los?« »Kaiba hat‘s verbockt!« war die prägnante Antwort. »Ist das dein Ernst?« »Natürlich. Ich kenne seinen Charakter gut genug, um zu wissen, dass er imstande ist, seine Gefühle wegen seinem Image in der Öffentlichkeit zu ignorieren. Auf die Art sieht‘s mit einer Beziehung natürlich schlecht aus.« »Damit bin ich aber gar nicht einverstanden - ich finde, sie sind eigentlich ein sehr süßes Paar! Sie dürfen sich nicht trennen! Los, Mokuba und Serenity an die Front!« Damit klinkte er Yami aus und holte sein Handy aus der Schultasche. Er trollte sich in die Jungentoilette, damit niemand etwas von seinem Gespräch mitbekam und wählte eine bestimmte Nummer. „Mokuba Kaiba?" tönte es am anderen Ende. Er war also noch zu Hause und noch nicht in der Schule. Yugi erkundigte sich, ob zwischen seinem Bruder und seinem besten Freund irgendetwas vorgefallen sei. Der Zwölfjährige erzählte ihm daraufhin von dem Streit, der sich gestern zugetragen hatte. „Na großartig....das hat er ja wieder wunderbar hingekriegt!" „Ja, typisch Seto. Ich bin heute nachmittag mit Serenity verabredet, um die Lage zu besprechen. Ich bin nicht bereit, ihre Trennung zu akzeptieren! Willst du auch kommen?" „Klar doch. Darf Ryo mich begleiten?" „Sicher. Bring so viele Helfer mit, wie du für nötig hältst. Es wäre doch gelacht, wenn wir die beiden nicht wieder zusammenbrächten! Um fünf Uhr in dem Eiscafé Nähe Villa, okay? Bis dann!" Ein Klicken in der Leitung und der kleinwüchsige Duellant kehrte zufrieden ins Klassenzimmer zurück. Wenn er sich das zerstrittene Paar so ansah, spürte er trotz der Spannung, dass ihre Liebe noch längst nicht erloschen war. Nein. Es durfte nicht vorbei sein! In der Mittagspause fand Tristan seinen Platz neben Joey. Der Blonde registrierte grinsend, dass sein Kumpel den Würfelohrring von Duke angelegt hatte, denn aufgrund des Sozialkunde-Experiments hatte er mit dem Dungeon-Dice-Erfinder getauscht. „Sag schon - was ist passiert?" „Bitte? Was soll wo passiert sein?" Der Brünette runzelte die Stirn und stellte das Tablett mit dem heutigen Menü auf einen Tisch, an dem auch Yugi Platz genommen hatte. Er und der Träger des Millenniumspuzzles wechselten einen bedeutsamen Blick, bevor Tristan auf die Frage einging. „Was schon! Warum behandelst du Kaiba, als wäre er Luft? Ich dachte, du wärst mit ihm zusammen. Habe ich mich etwa geirrt?" „Du hast dich geirrt." erklärte sein Gegenüber in hartem Ton und der Gleichaltrige hob die Brauen, verwundert, dass Joey so abweisend sein konnte. Entgegen seines nach außen hin manchmal rauen Benehmens war Tristan weitaus einfühlsamer als man meinte und obwohl die Beziehung, um die es sich im Moment drehte, nicht offiziell bekanntgegeben worden war, hatte er doch erkannt, dass zwischen seinem Freund und dem Jungmillionär ein Liebesverhältnis bestand. Und dass es offensichtlich schon wieder aus war, gefiel ihm gar nicht. Seiner Meinung nach war Joseph Jay Wheeler der einzige Mann, der mit Seto Kaiba richtig fertig wurde - und der sein vereistes Herz befreien konnte. Kein Mensch sollte einsam sein müssen. „So. Warum kaufe ich dir das bloß nicht ab? Hör mal zu, mein Alter - ich bin nicht so blind, wie du vielleicht denkst. Für ein geschultes Auge wie das meine ist es nicht unbedingt schwer, Dinge zu erkennen, die andere verbergen wollen. Du liebst ihn, habe ich recht?" „Ich möchte mal wissen, was dich das überhaupt angeht?!" zischte Mr. Red-Eyes-Black-Dragon scharf und machte Anstalten, den Tisch zu verlassen. „Bleib sitzen. Wir sind seit Jahren befreundet und deshalb geht es mich was an, wenn du unglücklich oder miesepetrig bist! In dem Zustand bist du unleidlich und das passt mir gar nicht. Was immer geschehen ist, deine Gefühle sind ungebrochen, das kannst du nicht ändern." „Ich mag deine Predigten nicht", erwiderte der Blondschopf patzig. „Ich predige nicht. Ich sage, wie die Dinge liegen." entgegnete der Braunhaarige überraschend logisch und nüchtern. „Ich habe nicht von dir verlangt, dass du ihm sofort wieder verzeihen sollst. Du musst wirklich sauer sein, sonst hättest du nicht so eine schlechte Laune! Was ich meine, ist folgendes: Du liebst ihn nach wie vor und deshalb solltest du mit ihm zusammen-bleiben. Erzähl mir nicht, du möchtest wirklich, dass es mit euch beiden für immer vorbei ist!" Joey wand sich innerlich. Er hatte Tristan nicht so viel Scharfblick zugetraut und war gleichermaßen erstaunt wie verärgert. Natürlich wusste er, dass sein Freund recht hatte, aber wenn Seto seine Einstellung zu einer Beziehung an sich nicht änderte....verdammt, warum machte die Liebe alles so kompliziert?! „Lass den Kopf nicht hängen, Kumpel. Yugi, Ryo, Duke und ich sind für dich da und du kannst mit uns über alles reden. Weißt du, irgendwie glaube ich, dass es Kaiba durchaus gut tut, wenn er mal Liebeskummer hat und erfährt, wie das ist, wenn man das, was man will, nicht auf Knopfdruck bekommt, sondern sich dafür anstrengen muss. Es ist dir doch gelungen, ihn zu zähmen, ne?" fügte er neckend hinzu. „Also, Herr Drachenbändiger - mach weiter!" Joey konnte sich ein Lächeln einfach nicht verbeißen und dachte: »Es ist wahr. Ich habe ihn gezähmt, einigermaßen jedenfalls. Ich kenne eine Seite an ihm, die den meisten Menschen fremd ist. Und dass er sie mir offenbart hat, ist einfach nur wunderbar. Bei mir kann er sanft und zärtlich, sogar verspielt sein, wenn er will. Aber seine Haltung ist eine Katastrophe! Dennoch....ich werde nicht aufgeben. Wenn unsere Trennung ihn nicht zur Vernunft bringt, muss ich mir was anderes einfallen lassen....Es stimmt, ich möchte nicht, dass unsere Beziehung zu Ende ist. Hm....also lasse ich ihn zappeln und versuche dabei, ihm seinen engstirnigen Kopf zurechtzurücken! Mach dich auf was gefasst, Drache!« Er verspeiste seine Mahlzeit, stand auf und trug das Tablett zur Anrichte zurück. Danach hielt er Ausschau nach dem Firmenchef, den er schließlich an einem abseits gelegenen Tisch sitzen sah. Auch andere Schüler hatten dort Platz genommen, vornehmlich weiblicher Natur, und sie umschwirrten ihn wie Kellnerinnen einen Stammgast. Er warf den Kopf zurück, straffte die Schultern und näherte sich der betreffenden Ecke. Wenn er es wollte, das wusste er, konnte sein Gang ebenso einschüchternd-elegant wirken wie der des Jungmillionärs, denn als Model war es ihm antrainiert, den Laufsteg entlang zu schreiten als gehöre ihm die Welt. Die Mädchen entdeckten ihn und starrten ihn an, als hätte er sich in einen Filmstar oder etwas ähnliches verwandelt. Was die Kaiba‘sche Uniform und die richtige Zurschaustellung doch alles bewirken konnte! Er bewaffnete sich mit seinem charmantesten Kameralächeln und sagte in einschmeichelndem Tonfall: „Ladies, ich wäre euch sehr verbunden, wenn ihr Kaiba und mich für ein paar Minuten allein lassen könntet." Welche Frau hätte „nein" sagen können zu einem attraktiven jungen Mann, der sie schmelzend anlächelte und mit ausgesuchter Höflichkeit einen Diener andeutete, um den Unmut über seine Einmischung galant zu dämpfen? Richtig, keine. Und so entfernte sich die Riege der Verehrerinnen relativ widerstandslos und Joey setzte sich nieder. „Ich möchte, dass du mir gut zuhörst", begann er, ehe Seto überhaupt den Mund aufgetan hatte, „....und mich nicht unterbrichst. Ich habe dich heute morgen nur ungern so hart behandelt, aber ich möchte, dass du weißt, dass ich nicht wie ein folgsames Hündchen zu dir zurückspringe, sobald du pfeifst. Ich gebe dir bis zum Freitag Zeit, dir über deine Prioritäten klar zu werden. Wenn du am Ende immer noch sagst, dass es dir unmöglich ist, mich in deinem Privatleben vor deine Firma und dein Ansehen zu stellen, hat es mit uns wohl keinen Sinn, auch wenn das schade wäre. Es ist mir ernst mit uns beiden, aber im Moment stinkt mir deine Einstellung ganz gewaltig, wenn du mir diesen Ausdruck gestattest. Übrigens hat Catherine bei mir angerufen, weil ein Foto-Shooting ansteht für den Verkauf eines Parfüms für Herren. Da das Projekt immer noch läuft, wirst du den heutigen Auftrag annehmen." Er zog eine Visitenkarte aus seiner Hosentasche und drückte sie dem Siebzehnjährigen in die Hand. „Der Shoot findet diesmal in einem anderen Studio statt. Und keine Widerrede! Du kommst zu der angegebenen Adresse, um genau sechs Uhr! Sei pünktlich." Damit erhob er sich und rauschte geschäftig hinaus. Der Firmenleiter wusste nicht genau, wie er darauf reagieren sollte. Dieser Rollentausch, der sich so plötzlich zwischen ihnen ereignet hatte und ihre gewohnten Positionen umpolte, verwirrte ihn mehr, als er zugab. Es beruhigte ihn einerseits, dass der Blondschopf ihn noch nicht wirklich aufgegeben hatte, aber zugleich verunsicherte ihn das Ultimatum. Am Freitag war sein Duell gegen Miller (Sohn und Vater) und er hatte noch keinen Partner dafür gefunden. Und nun sollte er sich bis dahin überlegen, ob er seine Prioritäten ändern würde!? Was fiel ihm eigentlich ein?! Sein Imperium war das Entscheidendste in seinem Leben, er musste dem doch einen wichtigen Platz einräumen, auch in seinem Privatleben! »Wenn das so ist, sollte ich dich dringend daran erinnern, dass du vor Joey eigentlich gar kein Privatleben hattest, weil du von morgens früh in der Schule und danach bis abends spät in deinem Büro gehockt bist! Klar, dass du nie gelernt hast, deinen Job vom Privaten zu trennen, für dich gab es ja bloß den Job!! Du hast sogar manch eine Verabredung mit Mokuba sausen lassen, und das wegen irgendeinem blöden Meeting oder einer langweiligen Konferenz! Und der Junge ist immerhin dein Bruder! Du hast Gozaburos Schatten tatsächlich noch nicht abgeschüttelt!« »Du klingst zum ersten Mal wie ein richtiges Gewissen....aber musst du mich jetzt unbedingt an meinen verhassten Adoptivvater erinnern?« »Wenn du mir keine andere Wahl lässt? Was hat denn bislang dein Denken und Handeln regiert? Die Firma und dein Ehrgeiz, der Duellant an der Weltspitze zu werden! Manchmal gewinne ich den Eindruck, die Haut des Geschäftsmannes ist dir immer noch lieber als die des Menschen Seto Kaiba!« »Und du meinst, weil ich getreu den Regeln arbeite, die Gozaburo mir eingetrichtert hat, könnte ich wie er werden?« Unweigerlich verbesserte er sich sofort, im Eingeständnis eines Fehlers, den er immer vor sich her geschoben hatte, ohne ihn akzeptieren zu wollen: »....bin ich schon wie er geworden?« Sein Gewissen schwieg. Es war nicht notwendig, etwas zu sagen, denn Kaiba hatte seine Antwort bereits - seine Beziehung mit Joey hatte einen Riss bekommen. Der Jüngere hatte sich von ihm getrennt, aber seine Gefühle waren noch vorhanden. Er war nun an ihm, die Chance zu nutzen, die das Schicksal ihm ließ. Er konnte den Riss kitten....wenn es ihm gelang, sich selbst zu überwinden. Und genau da lag die Schwierigkeit. Die Glocke schrillte und das Tor der Grundschule (in Japan ist man mit 12 noch in der Grundschule) sprang auf, der Flut der nach Hause stürmenden Kinder war es nicht mehr gewachsen. Mokuba verabschiedete sich von seinen Freunden, streckte denen, die ihn wegen der Niederlage seines Bruders gegenüber Miller aufgezogen hatten, die Zunge heraus und erblickte Serenity, die an der Straße auf ihn wartete. Nach dem scheußlichen Zank gestern, den er unfreiwillig mit angehört hatte, hatte er sich in sein Zimmer verkrochen, erstens, weil Joey allein sein wollte, und zweitens, weil er mit dem Mädchen hatte sprechen wollen. Das Telefon war heißgelaufen und die beiden jüngeren Geschwister hatten ihre Mutmaßungen und Besorgnis geäußert, hatten sich gegenseitig getröstet und waren schließlich übereingekommen, sich am Montag zu treffen. Es war kurz vor halb vier, um fünf würden sich Yugi und vermutlich auch Ryo zu ihnen gesellen. Serenity und er begrüßten einander mit einer Umarmung, und brachen alsbald zu dem in der Nähe der Kaiba-Villa gelegenen Eiscafé auf. Nachdem sie es erreicht und sich einen Tisch auf der Terrasse ausgesucht hatten, bestellten sie etwas zu trinken und der Junge eröffnete das Gespräch. „Krisensitzung!" erklärte er bedeutsam und schlürfte eisgekühlte Cola durch einen Strohhalm. „Tagesordnung: Wie kriegen wir unsere Brüder wieder zusammen?" „Moki, glaubst du nicht, dass die beiden es uns übel nehmen könnten, wenn wir uns....in ihre Beziehung einmischen?" „Das tun wir sowieso schon die ganze Zeit. Außerdem müssen wir ihnen das nicht auf die Nase binden! Was mein Nii-san nicht weiß, macht ihn nicht heiß - das dürfte auch für Joey gelten. Meiner Meinung nach liebt er Seto noch immer, er ist nur mordsmäßig angefressen wegen der taktvollen Glanzleistung meines Bruders gestern...." »....die ihn ohne Zweifel in das Guinnes-Buch der schlechten Manieren bringen wird!« »Normalerweise würde ich dir jetzt den Mund verbieten, aber diesmal muss ich dir Recht geben! Er hat‘s verbockt, aber volle Kanne!« »Worauf du deine Oma verwetten kannst! Sonst hat dein Bruder ja alles unter Kontrolle, aber was Gefühlssachen angeht, da erweist er sich als Niete! Na, wen wundert‘s, bei so einem Scheusal wie Gozaburo, der, wie ich hoffe, in der tiefsten Hölle schmort!!« »Darauf noch einen Schluck Cola!« war Mokubas mentales Statement hierzu und er ließ dem Gedanken die Tat folgen. „Ich verstehe, dass er wütend ist, aber ich kann nicht glauben, dass er Seto bereits aufgegeben hat. Das würde gar nicht zu Joey passen." „Ich glaube es auch nicht. Wir müssten einfach einen Weg finden, der die beiden Dickschädel dazu zwingt, einzusehen, dass sie zusammengehören wie....wie Pech und Schwefel...." „....obwohl sie wie Hund und Katze sind oder Feuer und Eis?" „Deswegen erst recht!" rief Serenity entschlossen aus, ergriff ihr Glas und prostete ihrem Gegenüber zu. „Sie ergänzen einander. Kaiba-san hat gelernt, dem Menschen in sich mehr Vorzug zu geben und seine Emotionen als solche nicht zu verachten. Und mein Onii-san hat gelernt, durch die Fassade eines anderen hindurchzusehen und seinen Kern zu erkennen. Allerdings dominiert bei Kaiba-san immer noch der Geschäftsmann den Privatmann. Wenn er öffentlich zu seiner Liebe stehen würde, wäre ein zentraler Schritt getan. Bloß, wie sollen wir ihn dazu bringen?" „Hm....das wäre schon echt klasse, wenn wir das schaffen würden, aber mein Bruder ist absolut unbestechlich, gegen Erpressungen immun, nur schwer zu beeindrucken und aus Prinzip nicht um den Finger zu wickeln. Er reißt sich eher ein Bein aus, bevor er Joey vor Publikum seine Liebe gesteht! Ah, es ist zum Verrücktwerden! Wir brauchen dringend eine Idee - aber mein Kopf ist so leer wie ein ausgehöhlter Kürbis!" „Meiner leider auch....essen wir ein Eis, hm? Vielleicht frischt das unsere Gehirnzellen ein bisschen auf!" „Einen Versuch ist es wert!" Pünktlich um fünf Uhr erschienen Yugi und Ryo auf der Bildfläche. Der Weißhaarige erzählte, dass er im Game Shop gewesen war, um zusammen mit seinem Schatz Hausaufgaben zu machen und währendem hatten sie eifrig das „Problem" diskutiert. Sie setzten sich und bestellten einen Hawaii-Becher für zwei Personen. „Ist euch schon was eingefallen, was man mit den Sturköpfen anstellen könnte?" erkundigte sich der kleinwüchsige Meisterduellant und musterte die Jüngeren neugierig. Deren enttäuschte und ein wenig entmutigte Gesichter überzeugten ihn vom Gegenteil. „Na, nun schaut nicht so traurig! Glück für euch, dass Ryo und ich uns auch angestrengt haben. Wir haben einen Plan ausgetüftelt, bei dem wir allerdings nicht nur von euch ein bisschen Unterstützung benötigen, sondern auch von anderen Personen." „Ehrlich?!" Der Schwarzhaarige klatschte begeistert in die Hände und hätte beinahe seinen Stuhl umgeworfen, als er aufsprang. „Und was ist das für ein Plan?" Souichi D. Miller sass in seinem provisorisch eingerichteten Büro, seit Joey die meisten der Möbel mitgenommen hatte und betrachtete seinen Vater, der gerade eine Patience mit Duel-Monsters-Karten legte, mit einem Blick, den der alter Herr nur noch selten von seinem Sprössling bekam - einem bewundernden. Miller Senior hatte ihm sein Deck gezeigt und der Junior war vollauf zufrieden. Mit einer eleganten Geste strich er sich eine vorwitzige Strähne seines blonden Haares zurück und trat an das Panoramafenster, von wo aus früher Seto Kaiba auf Domino City herabgesehen hatte. Wenn man Souichi von außen musterte, wusste er durchaus zu gefallen mit seiner großgewachsenen, schlanken Gestalt, dem hellen Haar, den himmelblauen Augen und dem schönen Gesicht. Besah man ihn sich jedoch näher, veränderte sich dieses Bild: Nicht Würde und Stolz sprachen aus diesen Zügen, sondern Hochmut. Nicht Taktik und Strategie, Beweise für die scharfe Intelligenz, die in seinen Augen blitzte, waren seine Waffen, denn tatsächlich war es die Hinterlist, die in seinem Blick aufglomm. Nach außen hin war seine Weste so vollkommen weiß wie der Anzug, den er trug, doch Leute, die ihn persönlich kannten, vermuteten hinter dieser reinen Fassade ein oder zwei der sprichwörtlichen Leichen im Keller. Laut ausgesprochen wurde das aber nie, denn Souichi war großzügig zu seinen Freunden und Gönnern und ließ sie in Form von netten Geschenken an seinem Reichtum teilhaben (eine Jacht, ein Haus etc.). Neben den Kaibas galten die Millers als eine der wohlhabendsten Familien der Stadt und man hütete sich daher, irgendwelche unpassenden Bemerkungen zu machen. „Vater....ich denke, wir sollten uns allmählich überlegen, wie wir unsere Büros ausstatten wollen. Schließlich werden wir bald für immer in diese Räume einziehen, nicht wahr?" Er lächelte bei dieser Frage, aber es war ein verschlagenes Lächeln.... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)