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Mein!

von

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Hi ihr alle ^^
 

Es hat wirklich, wirklich lange gedauert, aber hier ist es. Das neuste Kapitel von 'Mein!' und ich bin gespannt, wie es euch gefällt. Genug der Vorrede, hier kommt es ^^

Viel Spaß!
 

Kapitel 30:
 

'Warum kann ich nie klar sehen,

nicht gerade gehen,

nicht laut schreien?
 

Warum lass ich alles an mir vorübergehen?
 

Hab ich Angst vor dem Abgrund?

Vor der Tiefe,

der Dunkelheit,

dem Licht?
 

Warum lass ich alles an mir vorübergehen?
 

Hab ich Angst andere zu verletzen,

oder nur,

selber verletzt zu werden?
 

Ist das der Abgrund,

oder die Rettung?
 

Wenn ich einmal falle

Bleibe ich liegen,

starr

und stumm,

lasse alles an mir vorübergehen.
 

Komplikationen sind schlecht,

Chaos hasse ich noch mehr.
 

Kann nicht alles so weitergehen?
 

Da.

Du, mein neuer Funke,

lässt mich erröten.

Für dich wage ich den Aufstieg,

wage ich das Neue.
 

Wenn du mich fallen lässt,

werde ich liegen bleiben

und dich beobachten,

stumm,

mit vertrockneten Tränen auf den Wangen.'
 

Der Kaffee hinterlässt einen schalen Geschmack auf seiner Zunge, wer ihn gekocht hat, weiß er nicht. Das Brot mit der bereits warmen Butter kommt ihm trocken vor. Dazu kommt noch der Regen, der unablässig gegen das Fenster klopft und sie alle, zusammen mit dem Donner zwingt im Haus zu bleiben. Kurz gesagt, Florians Laune ist im Keller. Er konzentriert sich auf all die negativen Einflüsse, um es zu vergessen. Den Abend zwei Tage zuvor, die Gefühle und Gedanken, die ihn immer wieder überrollen wollen. Da! Schon wieder dringen sie in ihn ein, wollen ihn übernehmen. Deutlich stehen die Bilder vor sei-nem inneren Auge, zeigen ihm alles überdeutlich.

Die Minuten, oder Stunden, in denen er mit Julian auf der Wiese lag, den Himmel betrachtet hat, an nichts denken konnte. Die Zeit danach, also der Kuss von Julian, den er so hingenommen hat, dessen Augen, so voller Hoffnung und Verzweiflung, sein eigenes Denken, so durcheinander, verwirrt. Wie lange sie so geschwiegen haben, weiß er nicht mehr. Wann er das Schweigen gebrochen hat, ist ihm auch nicht klar. Er hat um Zeit gebeten. Weshalb war klar, irgendwie. Und er ist fast gewillt, einzugehen, irgendwie.

Sehnsucht nach Zuneigung macht sich in ihm breit, Sehnsucht nach Vergessen und Verdrängung. Im Gegensatz zu der Sache mit Richard ist es diesmal kein Trotz, aber die Erinnerung an diese Beziehung, hält ihn trotz allem zurück. Denn richtige Liebe ist es bei keinem von ihnen und die Entfernung würde alles spätestens nach diesen zwei Wochen zerstören. Florian weiß es. Phillip und Denys sind so nah bei ihm, würde er sie aus seinen Gedanken verbannen können? Er möchte es und doch will er seinen wahren Gefühlen treu bleiben. Zudem, wäre es weder ihm selber, noch Julian fair gegenüber lediglich aufgrund plötzlicher Lust eine Affäre, oder Beziehung anzufangen.
 

Florian zwingt sich, von diesen Grübeleien abzulassen. Stattdessen schweifen seine Gedanken zurück zu dem Abend.

Julian hat ihm Zeit zugestanden. Begrenzte Zeit. Klar und direkt hat er ihm gesagt, dass es sich nicht so lange zurückhalten könne, wenn sie weiter in einer Wohnung leben würden. Florian hat es hingenommen, hat es akzeptiert. Nach dieser, doch recht nüchternen Ankündigung, wollte jeder von ihnen Ablenkung. Es war inzwischen dunkel und die Innenstadt war aufgewacht.

Nach ein paar Bier war die merkwürdige Stimmung vom Ufer verflogen. Sie redeten wieder, sie lachten und scherzten. Sie saßen nah beieinander und niemand von ihnen zuckte zurück. Es wurden immer mehr Gläser, immer blödere Witze und es kam zu immer mehr Berührungen. Als sie aus der Kneipe herauskamen, sich gegenseitig haltend, kam es zu einem kurzen Kuss. Ein Kuss, angefüllt mit dem Geschmack von Alkohol und dem Gefühl von Sehnsucht. Für Florian ist es ein Rätsel, ob die-ses eine Mal auch mit jemand anderem hätte stattfinden können, oder ob für ihn Julian so wichtig ist, ihn so anzieht.

Das Ende des Abends war es nicht, denn kaum liefen sie weiter, Arm in Arm, trafen sie auf ein laut diskutierendes Paar. Die Freude mit der Denys und Phillip sie begrüßten war ihnen suspekt. Es dauerte auch nicht lange und es war klar, dass die Freude nicht ihnen son-dern ihrem Wohnungsschlüssel galt. Ja, die beiden ignorierten sie sogar den größten Teil des Rückweges und verschwanden sofort in ihrer eigenen kleinen Welt, als sie die Möglichkeit dazu hatten. Das Problem war nämlich, dass der Eingang des ganzen Hauses ein anderes Schloss hatte als die einzelnen Wohnungen. Den Schlüssel für letzteres hatten sie ja dabei, aber den anderen eben nicht. Der gestrige Tag war wieder mit Aktivitäten und Hitze vollgestopft gewesen und hatte keine Zeit zum Nachdenken gegeben. Und so sitzt Florian nun hier und grübelt sich sein Hirn weich, während er sich das Butterbrot fast in die Augen schiebt und den Kaffee fast in sein Hemd gießt.
 

Was er nicht weiß ist, dass sie keineswegs ignoriert, sondern verdrängt wurden. In der Nacht und in den Armen von Denys ging das ja auch gut, aber an diesem tristen Morgen, sieht die Situation schon anders aus. Phillip starrt krampfhaft aus dem Fenster, zählt die einzelnen Tropfen an der Scheibe und versucht alle Chemikalien aus seinem Saft herauszulesen, um nicht nachdenken zu müssen.

- Die beiden waren zusammen weg und sind eindeutig zu eng zusammengehangen. Oder ist es normal sich so an seinen Kumpel zu klammern? –

Natürlich, wie sollte er auch wissen, was man macht und was nicht. Der einzige wirkliche Kumpel, den er jemals gehabt hat, ist Nico, aber bei dem Gedanken, dass die beiden eine Freundschaft wie er und Nico haben könnten, treibt ihm die Galle hoch.

Die plötzliche Schwere auf seinen Schulter lässt ihn zusammenzucken. Rotes Haar versperrt ihm die Sicht. Er blickt zur Seite und erblickt einen müden Denys, der sich an ihn kuschelt, sein Essen auf dem Tisch völlig vergessend.

- Oh man, ich sollte mich eigentlich glücklich schätzen. Ich habe einen wunderbaren Freund und weiß, was ich machen werde. Ich sitze hier mit Menschen, die mir fast alle sympathisch und teilweise sehr wichtig sind. Wie kann ich meine Gedanken nur für diesen Idioten verschwenden? -
 

Ein Pochen macht sich in seinem Kopf breit und lässt ihn nicht mehr los.

- Na wunderbar. Kopfweh. Das hat mir noch gefehlt. Ich sollte heute im Bett bleiben und mich ablenken. -

So wie Denys allerdings leise vor sich hinschnarcht, besteht keine große Möglichkeit für Ablenkung, außer wirklichem Schlaf. Seufzend schließt Phillip die Augen.
 

Der Rest der Gruppe ist auch nicht besser drauf. Jens ist nach dem Frühstück, dank einer durchzechten Nacht bei einem Kumpel, gleich ins Bett verschwunden. Oliver und Kathi hatten anscheinend einen kleinen Streit, aufgrund dessen, eine kühle Stimmung zwischen ihnen herrscht. Lange würde es nicht dauern, aber es war schon bemerkbar.

Julian ist vermutlich der fröhlichste unter ihnen, mit Ausnahme von Denys, der wohl gar nichts bemerkt, nur dass man dem ihm nichts anmerkt. Seine Miene ist verschlossen, auch wenn da hinter ein wahrer Sturm tobt.

Zwei Mal durfte er von Florian kosten und dieser hat nichts dagegen unternommen. Schon allein die Sicherheit, dass ihm der andere keine klare Absage erteilen konnte und kann, gibt seinen Glückshormonen einen Grund wild herumzutanzen. Natürlich ist in der Nacht nichts weiter passiert, dafür waren sie zu müde. Ein kleines Lächeln will sich auf seine Züge schleichen und schafft es doch nicht. Mit niemandem, außer Florian will er es teilen. Nein, nicht jetzt.
 

Die Zeit geht weiter und vergeht ereignislos bis zum Abend. Es wird geschlafen, gelesen, Frieden geschlossen, am PC gezockt und vor allem viel nachgedacht. Irgendwann erscheinen Florian und Julian an den Türen, der verschiedenen Wohnungen und rufen zum Essen. Sie sind an der Reihe und wie auf Kommando, fangen die Mägen an zu knurren.

Als Phillip mit Anhang in die Küche kommt, läuft gerade 'It's my life' von Bon Jovi.

- Das passt ja wunderbar zu meiner Stimmung. Kann nicht irgendwas depressiveres laufen? -

Aber diesen Gefallen tut ihm das Radio nicht. Nein, Jens, inzwischen wieder wach, fängt sogar an zu singen. Sein schiefes Gegröle erfüllt das Zimmer. Phillip kann nicht anders. Mit einem mal fängt er an zu lachen. Der Anblick ist aber auch zu göttlich. Ein Punk, der mit einem glänzenden Ausdruck auf dem Gesicht, aus vollem Halse singt. Der Ausgelachte lässt sich nicht beirren und singt noch ein Stück lauter.

Erst sieht Denys seinen Freund verwirrt an. Er liebt dieses Lachen und er kann es sogar öfters sehen, als andere, aber so aus vollem Hals ist es doch selten. Ein Grinsen schleicht sich auf seine Lippen, er wartet einen Moment ab. Der Refrain setzt wieder ein, Jens legt sich noch mehr ins Zeug und plötzlich ist eine weitere Stimme zu hören. Phillip stockt das Blut in den Adern, er sieht auf und lacht sofort weiter. Da springt sein Freund mitten durch die Küche, dazu auch den Punk animierend, und lässt seiner Stimme freien Lauf. Es ist ihm egal, ob er sich lächerlich macht, er ist ja nicht alleine, er erfreut sich einzig und alleine an dem Lachen seines Phils.
 

Oliver schnappt Denys und Jens an den Händen, wirbelt mit ihnen herum und fällt in das Lied mit ein. Dass sie gerade ein völlig neues Lied erfinden lässt die restlichen Freunde nur noch lauter lachen. Kathi liegt schon auf dem Boden, mit Tränen in den Augen. Selbst Phil hat Schwierigkeiten klar zu sehen und das Comedytrio in voller Pracht zu erleben. Und das Gleichgewicht zu finden, das ist noch mal eine ganz andere Frage. So lehnt er sich einfach gegen das nächste Objekt, nach Atem und Sicht ringend. Sein Unterbewusstsein registriert entfernt, dass es Florian ist, der ihn nun hält und dass dessen Lachen, unterstützt von glitzernden Augen, mit einem Mal zärtlich wird. Sieht er es tatsächlich nicht, oder will er es nicht sehen?

Das Lied geht zu Ende, für einen Moment tritt Stille ein. Aber auch nur bis 'Benzin' von Rammstein einsetzt. Mit Sprüngen und schiefen Schreien setzt die neue Boygroup ihre Arbeit fort, veranlasst die Zuschauer wieder, vor Lachen zusammenzubrechen.

Julian singt eher leise neben Florian mit und grinst vor sich hin. Phillip sitzt inzwischen tatsächlich auf dem Boden und Kathi, die feuert ihren Schatz mit aller Kraft, die in ihren Lungen steckt, an.
 

Das nächste Lied ist von James Blunt, 'High'. Ohne den Bewegungsablauf zu unterbrechen, fängt Jens an, sich langsam hin und her zu wiegen, eine unbekannte, imaginäre Person in den Armen, die Augen geschlossen. Kathi nuschelt irgendetwas von, "Ich hasse das Lied.", ehe sie sich von Oliver hoch helfen lässt und mit ihm zusammen in einer Umarmung versinkt. Ihr Partner schreit noch, "Tanzt!", ehe sie völlig schweigen.

Phillip steht auf und sieht sich um. Er kann nicht tanzen, will auch nicht tanzen und dass weiß Denys. Sein Blick trifft Florians, wird gefangen genommen. Dieser tritt auf ihn zu, scheint mit sich zu ringen. Greift nach ihm und zieht doch die Hand zurück. Das Lächeln ist nicht von seinem Gesicht gewichen, lässt Phil nicht los. Der Körper vor ihm verspricht ihm Sicherheit, lässt ihn seine Unfähigkeit beim Tanzen vergessen.

- Wieso sieht er mich so an? Wieso lässt er seine Gefühle frei, fängt sie nicht ein? Wieso lässt er mich sie lesen? Und wieso macht es mir nichts aus? Er gehört doch mir. Er kann mich doch gar nicht fangen. Und was macht die Hand da an seinem Bauch? -

Der letzte Gedanke lässt ihn aufschrecken. Julian umarmt Florian, zieht ihn zu sich, wendet seinen Blick. Und Phillip selber? Der wird von einer unsichtbaren Kraft, auch Denys genannt, weggezogen.

Die fremde Welt, in der für kurze Zeit einen Einblick erhalten hat, wird ihm weggenommen. Er stürzt zurück in die Gegenwart, in das Hier und Jetzt. Betäubt von dem Zauber, lässt er sich führen, an den fremden Körper pressen und versinkt, flüchtet vor unangenehmen Gedanken.
 

Nach einem kurzen Moment des Überlegens übernimmt Florian die Führung, zieht Julian an sich heran. Dieser blickt kurz überrascht zu ihm auf, um sich dann enger an ihn zu drücken.

Sein Partner sieht in die Ferne, ist weit weg von ihm. Er hat sich entschieden, weiß was er will. Als er Phillips Blick, seine Gestalt gesehen hat, ist es ihm klar geworden.

- Ob einer der beiden diese Spannung bemerkt hat? Wie er mich angesehen hat. Es war, als käme ich von einem anderen Stern und als … ich kann den Blick nicht wirklich deuten, aber er hat mir einen Schauer über den Rücken gejagt. -
 

James Blunt gibt den Eintakt zum Essen, denn die letzten Töne werden von dem Magengrummeln von Florian begleitet. Das Fleisch ist abgekühlt und der Rotkohl ebenso, aber das ist egal. Die triste Stimmung des Tages ist verschwunden, eine angenehme Atmosphäre macht sich breit.
 

"Hey!"

Kathi verschluckt sich vor Schreck an ihrem Wasser. Was muss Jens aber auch so laut brüllen.

"Was ist?", sie funkelt den Punk an, als sie es wieder halbwegs schafft, ruhig zu atmen. Das Funkeln in den Augen des anderen macht sie misstrauisch.

"Florian, du hast doch mal von der .. wie hieß die noch mal?"

"Was willst du uns sagen?"

"Ich überlege gerade, wer dir dieses Karaokespiel geschenkt hat."

"Sicher irgendeine seiner Exfreundinnen.", Oliver lacht.

"Ist doch egal.", wehrt Florian ab.

"Stimmt auch wieder."

Florian verdreht die Augen: "Und? Was ist damit?"

"Das können wir doch heute Abend spielen!"

"Was?", Phillip ist geschockt. Er hasst es zu singen, denn er kann es nicht. Er trifft keinen einzigen Ton und Melodie ist sowieso ein Mysterium für ihn.

"Stimmt, das wäre eine Idee.", Julian überlegt kurz, "Ich habe es letztens hier rumliegen sehen. Wir haben es ja nur selten benutzt. Also? Wollen wir?"

Phils Verzweiflungsschrei geht im allgemeinen Jubelschrei unter.
 

Allerdings hätte er sich keine Sorgen machen müssen. Die meisten der anderen können genauso wenig wie er singen und wenn sie es doch könnten, dann singen sie extra schief.

Überraschend sind Julian und Florian. Erstgenannter hat eine kratzende, tiefe Stimme, die den Raum vibrieren lässt. Zweitgenannter dagegen hat eine volle, kraftvolle Stimme während dem Singen, die einen trägt. Die beiden würden sich ja auch gerne zum Affen machen, gemeinsam mit dem Rest, werden jedoch gezwungen so gut es geht zu singen.

Das erinnert die Ratte an diesen einen Moment, kurz zuvor. Die Augen des anderen gehen ihm nicht mehr aus dem Kopf und so blickt er unentwegt auf die, sich bewegenden Lippen, sich von dem Gesang ein-schmeicheln lassend.
 

Denys sitzt daneben, hält die Augen geschlossen und muss an seine eigenen Worte denken: "Ich weiß, warum du dich in Florian verliebt hast."

Ist es jetzt so weit, diese Tatsache erneut einzusehen? Er drückt die Hand seines Freundes fest und lehnt sich zurück.
 

Nach zwei Flaschen Wein, mehreren Lachanfällen und nachdem so ziem-lich jeder heiser ist, verabschieden sich die Freunde und schleppen sich in ihre eigenen Wohnungen. Julian meckert noch ein wenig über die Unordnung, die hinterlassen wurde, räumt dann jedoch gemeinsam mit Florian auf. Als er die letzten Müllreste wegräumt, lässt sich der Blonde auf der Couch nieder, sich die Augen reibend. Aber er kann noch nicht schlafen, er hat noch etwas zu erledigen.

"Julian!"

"Hm?"

"Komm mal her."

Der Gerufene erscheint im Türrahmen, erstaunt guckend.

"Willst du noch nicht ins Bett?"

"Doch, bald. Aber ich will jetzt mit dir reden, ganz kurz."

Julian setzt sich neben ihn mit rasendem Herzen. Er weiß, worum es geht.

"Kurz?"

"Vielleicht.", Florian grinst verlegen.

"Also, worum geht es?"

"Du weißt, worum es geht. Ich habe mich entschieden und um deine Zeitgrenze einzuhalten sage ich es jetzt."

Sie müssen lachen, aber schnell werden sie wieder ernst.

"Und?"

Florian holt tief Luft. Er ist aufgeregter als bei jeder Prüfung, die er in seinem Leben geschrieben hat. Was er gleich sagt, kann alles verändern. Die Richtung bleibt dabei offen.

"Ich danke dir für deine Gefühle. Ich freu mich wirklich darüber und ich fühle mich von dir auch angezogen. Zum einen, weil du sehr attraktiv bist und zum anderen, weil ich dich mag und gut mit dir zurecht komme. Aber ich kann und will nichts mit dir anfangen, auch keine Affäre. Ich habe immer noch Gefühle für Phillip und wenn ich eine Beziehung anfange, will ich mit ganzem Herzen dabei sein. Es wäre dir nicht fair gegenüber, wenn ich auf dein Angebot eingehe und mich trotzdem zu ihm hingezogen fühle. Du würdest wütend werden, das weiß ich. Ich will dich nicht verletzen und ich würde es auch verstehen, wenn ich jetzt zu Jens ziehen soll, oder wenn du mich erst einmal nicht sehen willst. Allerdings glaube ich nicht daran, denn ich kenne dich. Zudem möchte ich mich nicht selber betrügen, auch wenn meine Gelüste befriedigt werden würden. Aber …"

"Stopp!"

Irritiert blinzelt Florian. Die ganze Zeit über hat er Julian in die Augen gesehen, hat Hoffnung, Schmerz und Wut gesehen, bis kein Ausdruck mehr in ihnen zu lesen war. Er hat Angst, ihn zu verlieren, obwohl er sich sicher sein kann, dass das nicht passiert.

"Was?"

"Atme.", beschwörend sieht der Kleine ihn an, bevor er anfängt zu lächeln. Ein schiefes Lächeln ist es, aber Hauptsache ehrlich.

"Ich würde dich nie rausschmeißen, dafür bist du mir zu wichtig. Ich will dich nämlich auch nicht verlieren. Du bist mir wirklich wichtig, nur dass ich das ganze Ausmaß nicht kenne. Noch nicht. Natürlich bin ich auf die Ratte eifersüchtig, aber ich habe schließlich noch über eine Woche, um dich für mich zu gewinnen. Ich glaube nicht daran, aber lass mich mir eine Chance denken, auch wenn sie nicht existiert."

Mit Schrecken erkennt Florian Schmerz in der Gestik und Mimik seines Gegenübers. Ein Empfinden, was man bei ihm selten sieht. Es ist wahr und rein. So rein, dass er es beschützen und nicht zerstören will. Aber wie? Verzweifelt rückt er etwas weiter auf Julian zu. Dieser lächelt weiterhin.

"Du willst mir nicht weh tun, dass weiß ich und ich bin dir dennoch dankbar, dass du mir die Wahrheit gesagt hast. Ich habe jedoch eine Bitte. Nein, eher zwei. Erstens, verhalte dich mir gegenüber so wie bisher. Schreck nicht vor mir zurück, wenn ich dir zu nahe komme, denn während der nächsten Tage will ich wenigstens deine Nähe spüren. Zweitens, du hast etwas von Gelüste befriedigen gesagt. Wir müssen nicht so weit gehen, aber lass mich ein wenig von deinen Gefühlen spüren. Bitte."
 

Fassungslos sieht Florian ihn an, kann nicht glauben, was er gerade gehört hat. Wurde ihm gerade tatsächlich so etwas wie ein zweiter One-Night-Stand angeboten? Die erste Bitte würde er erfüllen können. Er würde sich gar nicht anders verhalten können, wenn keine Veränderung von der anderen Seite käme.

"Bist du dir sicher? Ist es nicht nur der Wein, der dich das sagen lässt?"

Lachen erklingt kurz.

"Du kennst mich doch. Von Wein werde ich nicht besoffen."

"Natürlich nicht. Ich wollte nur sichergehen."

"Und?"

"Deine erste Bitte ist überflüssig. Ich werde nicht vor dir fliehen und dich nicht vertreiben.", Erleichterung macht sich in Julian breit, "Und was die zweite Bitte angeht, wenn es dir ernst ist, dann komm her."
 

Für einen Moment kommt es dem Kleineren so vor, als würde die Welt still stehen. Passiert das wirklich? Er hat nicht damit gerechnet. Aber Florian streckt ihm die offene Hand entgegen und sieht ihn mit klarem Blick an. Zaghaft, aber glücklich greift er danach, um sofort an die warme, starke Brust gezogen zu werden.

Sein Gegenüber hat sich entschieden, nicht mit der Tür in das Haus zu fallen, sondern dem anderen erst einmal Trost anzubieten und ihn dann entscheiden zu lassen. Er schließt die Augen, das Gefühl eines Körpers an seinem genießend. Es erinnert ihn an den Abend zwei Tage zuvor und langsam schläft er ein.
 

Irgendwann mitten in der Nacht wird Florian von einer Bewegung des Sofas geweckt. Müde öffnet er die Augen, während er nach Julian tas-tet. Am Rand seiner Unterlage stößt er auf eine sitzende Person und als er sich an die Dunkelheit gewöhnt hat, erkennt er sie.

"Hab ich dich vom Sofa geschmissen, oder was machst du da?"

"Nein. Ich wollte dich eigentlich gerade ins Bett holen."

"Gute Idee.", er grinst schief, denn sein gesamter Rücken schmerzt.

Kaum ist er aufgestanden wird er auch schon wieder zurück geworfen. Mit dem Rücken gegen die Lehne fällt ihm der Mund auf, der sich gegen seinen presst und der schlanke Körper, der auf ihm sitzt, so nahe ist.

- Wieso verletzt er sich selber damit? Aber vielleicht sind es bei ihm genau dieselbe Lust wie bei mir. -

Er hat keine Chance auf weitere logische Gedankengänge, Julians Verführungskünste überrollen ihn, lassen ihn Sterne sehen.

Es ist ihm jetzt egal, ob er es dem anderen versprochen hat, ob es gut, oder schlecht ist, er will nur endlich wieder wahre Gefühle. Wahre, reine Gefühle, die er teilen kann. Momente während denen er weiß, dass sie nur ihm gelten.

Julians Körper erzittert unter seinen Fingern, erinnert ihn an Phillip, an dessen Körper unter seinen Händen.

Wie ein Windhauch verschwindet der Gedanke, so schnell wie er gekommen ist und er lässt sich fallen. Das Ziel dieser Nacht wird sein, Sonne und Mond zu verschmelzen, die Welt neu zu erschaffen. Sie überlassen sich dem anderen, fallen und fliegen, als gäbe es keinen Morgen. Wie Vampire saugen sie sich aus. Tanzen und singen in den höchsten Tönen.

Bis die Welt untergeht.
 

Sie sind die Letzten am nächsten Morgen. Von munteren Mitbewohnern werden sie erstaunt betrachtet, als sie sich in die Küche von Oliver schleppen. Übermüdet, aber mit einem Lächeln, wenn auch klein, sitzen beide da und starren vor sich hin.

Julian würde diese Nacht am liebsten wiederholen. Nein, nicht wiederholen, sondern eine weitere dranhängen, und noch eine und noch eine. Aber er ist sich sicher, dass es keine weitere geben wird. Vermutlich. Vielleicht.

- Immerhin hat Florian es doch auch genossen, oder? Oder ist er von Schuldgefühlen besessen? Hat er es nur aus Mitleid gemacht? Nein, so benimmt sich niemand lediglich aus Mitleid heraus. -

Ein Blick zur Seite zeigt ihm, dass er sich deshalb keine Sorgen ma-chen muss. Und mit einem mal ist die Aussicht, ihn in den nächsten Tagen für sich zu gewinnen, gar nicht so weit entfernt.
 

Und wie sieht es in Florian aus? Der weiß nicht so genau, was er denn nun empfinden soll. Die Nacht war der pure Wahnsinn. Genauso wie er es in Erinnerung hatte. Aber es war eben Sex. Na gut, ein wenig Gefühl war auch dabei, aber …

- Aber was? Wäre er es nicht wert? Was habe ich daran auszusetzen? -

Er sieht sich nach Phil um, sieht ihn lachend neben Denys sitzen und er sieht dabei zufrieden aus. Soll er wirklich an diesem Mann hängen, ihn neben sich sehen und doch nicht zu ihm können?

- Ich will ihn nicht unglücklich machen. Und dass würde ich, wenn ich nach meinem Glück streben würde, streben werde. Sollte ich nicht eher versuchen ihn zu vergessen? Endgültig zu vergessen? -

Er weiß, er kann es nicht, aber ein kleines bisschen Glück kann er sich schon suchen. Die nächste Nacht mit Julian muss aber erst einmal warten.

- Beim nächsten Mal will ich mit ganzem Herzen dabei sein und an niemand anderen mehr denken. -
 

So vergeht die erste Woche.

Phil wendet sich Denys zu, versucht alles andere auszublenden und die Zeit zu vergessen, zu verdrängen, dass er bald ohne seinen Geliebten dastehen wird. Und dieser, der genießt die letzten Tage, die er noch bei seinem Freund sein kann. Wer weiß, was nach dem Sprung in den Abgrund kommt.

Das Flirten zwischen Florian und Julian geht weiter, unschuldig, so mehr oder weniger.

Und dann, dann ist es so weit. Denys wird von allen verabschiedet und anschließend von Phil und Jens zum Bahnhof gebracht. Möglichst früh, um dem Paar einen einsamen Abschied zu gönnen. Kaum sind sie ausgestiegen, fährt der VW-Bus weiter. Jens hat noch einen Termin, eine Bewerbung. Phillip kennt den Weg zurück, dank der Woche mit Besichtigung der Stadt.
 

Am Bahnsteig steht kein Zug und Menschen sind ebenfalls kaum welche zu sehen. Sie umarmen sich, halten sich und schweigen.

"Du meldest dich, wenn du angekommen bist?"

"Klar."

- 'Was ist das Ende, was ist der Anfang?' Phil hat diese Frage damals gestellt, oder? Vielleicht … -

Der Zug fährt ein, reißt sie auseinander. Es ist eines der seltenen Male, dass Phil sich vollkommen wehrlos fühlt, nicht weiß, wie er weiterkommen soll. Es herrschen so viele Zweifel in ihm, dass er glaubt zusammenzubrechen, wenn sein Freund, sein halt weg ist. Dieser hat ihm doch immer geholfen, hat ihn von Florian weggebracht.

- Bleib hier, lass mich nicht mit ihm alleine! -

Ein letzter Kuss, zärtlich und sanft, ist der Abschied.

"Ich liebe dich.", flüstert Denys, ohne eine Antwort zu erhalten. Er wendet sich um, noch einen weiteren Satz sagend: "Vielleicht ist dass das Ende."
 

TBC!
 

irgendwann *zwinker*

Ich danke allen die mir einen Kommentar hinterlassen haben und vor allem meiner neuen Beta-Leserin Inome ^^

Ich wünsche euch allen ein gutes, neues Jahr.

Bis dann,

Morathi



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  LindenRathan
2007-01-07T02:17:09+00:00 07.01.2007 03:17
Super Kapitel.
Ich finte des toll, das Florian so ehrlich ist.
Bin gespannt wie es weiter geht, wenn Philip wieder allein ist.
Von:  windhauch
2007-01-06T07:04:23+00:00 06.01.2007 08:04
wider mall großatig !!!
hoffendlich kommen sie jetzt zusammen !!!

Phil wird sich an Florian ranschmeisen und den anderen einen astrit verpassen !!!

WEITER SO!!!^^
und weiter hin bescheitsagen bitte !!! >.<
gruß
~hauch~


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