Kapitel 1 - Ein ganz normaler Tag
Remus öffnete zaghaft die Augen und versuchte, sich zu orientieren. 'Nicht mal Nachts hat man hier
seine Ruhe..' fuhr es ihm durch den Kopf, als er festgestellt hatte, das er sich im Schlafsaal der
Gryffindors befand. Aus dem Nachbarbett kam verdächtiges Stöhnen und Remus ahnte schon, was los
war. Benommen vergrub er sein Gesicht wieder in seinem herrlich weichen Kissen und schloss die
Augen. Nach einer Weile gab er den Versuch zu schlafen auf. Der Vorhang, der die beiden
Himmelbetten voneinander trennte, war leicht zur Seite geschoben und Remus konnte nicht viel mehr
als Umrisse erkennen. Als seine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, schielte er in das
Himmelbett neben ihm. Sirius war in silbriges Mondlicht getaucht, Strähnen des schwarzen Haares
fielen in sein makelloses Gesicht. Remus betrachtete nachdenklich den perfekten Oberkörper, der ihn
immer wieder so aus der Fassung brachte. Schließlich betrachtete er wieder das Gesicht seines
Freundes, auf dessen Lippen spielte ein zufriedenes Lächeln, wärend er sich schwungvoll bewegte. Wer
war es wohl diesmal? Hatte Sirius nicht heute Morgen von Grace Finnigan gesprochen? Remus horchte
angespannt, doch ihr Stöhnen und Keuchen war nicht sehr aufschlussreich. Schließlich beschloss er, die
beiden einfach zu ignorieren. Der nächste Tag würde anstrengend werden, Professor McGonagall hatte
angekündigt, sie alle zu prüfen und da wollte Remus wach sein. Wenn Sirius meinte, es sich leisten zu
können, mit irgendeinem Mädchen die Nacht durchzumachen - Remus war das doch egal. Sirius.. Ein
letztes mal blieb Remus' Blick an dem Schwarzhaarigen hängen. 'Mein Padfoot..' dachte er und ein
Lächeln huschte über seine Lippen. 'Ich liebe dein schwarzes Haar, diese dunklen Augen die mich
immer so temperamentvoll anfunkeln, ich liebe die Sachen die du sagst, die Tatsache, das du
manchmal ein ziemlicher Idiot sein kannst.. Ich liebe di-..' Remus unterbrach sich. Was dachte er da?
Diese 'Fehlleitungen' mussten schleunigst aufhören, Sirius war doch sein bester Freund. Beschämt
blickte Remus auf den roten Samtvorhang, Sirius hatte sich mittlerweile neben dem Mädchen, welches
jetzt leise zu kichern begonnen hatte, niedergelassen und flüsterte ihr alle möglichen
Liebeserklärungen zu. Remus spührte einen Stich in seinem Herzen, auch wenn ihm klar war, das Sirius
dieses Mädchen morgen wieder abservieren würde, spührte er etwas, was ihm gar nicht gefiel. Neid.
Einen Augenblick vertiefte er sich in die Vorstellung, wie es wäre, wenn er anstatt diesem Mädchen in
dem dunkelroten Himmelbett neben Sirius legen könnte. Sein Gesicht an dessen starke Brust legen,
seine Lippen auf denen von Sirius zu spühren.. Wieder hielt Remus inne und schämte sich einen
Augenblick lang für seine Gedanken. War er nicht schon genug gestraft als Werwolf? Warum musste er
sich jetzt auch noch in seinen besten Freund verlieben? Remus spührte eine Träne, die über seine
Wange lief, kurz an seiner Unterlippe stoppte und dann das geräuschlos auf das Kopfkissen tropfte.
Sirius würde ihn niemals wollen - ihn, den unscheinbaren Streber, den Langweiler, den Feigling. Sirius,
der Mädchenschwarm der Schule, der seine Freundinnen wechselte wie seine Unterwäsche, mit einem
Jungen? Und dann auch noch ausgerechnet mit ihm? Niemals.
"Du bist so wunderschön.." hauchte Sirius grinsend in Graces Ohr und richtete sich wieder auf. Grace
lachte leise. "Sirius!" flüsterte sie mit ermahnender Stimme. "Du hast viel zu viel getrunken!" Sirius
zeichnete mit dem Zeigefinger liebevoll kleine Kreise auf ihrem Bauch. "Hab ich das?" fragte er mit
Unschuldsmine. "Ich würde doch niemals zu viel trinken. Was denkst du bloß von mir?" Grinsend beugte
er sich über sie und liebkoste ihren Hals mit sanften Schmetterlingsküssen, wobei sein Blick auf das
Nachbarbett fiel. Einen Augenblick dachte er, er würde sich alles nur einbilden, doch schnell wurde ihm
klar, das dort Remus lag, ihn vorwurfsvoll anblickte und.. weinte er? Sirius Augen weiteten sich vor
Schreck, als er die kleinen Tränen, die über Remus Wangen liefen bemerkte. Der Junge ihm gegenüber
war viel blasser als sonst, unter seinen glasigen Bernsteinaugen waren tiefe Ringe - dabei war es bis
zum nächsten Vollmond noch recht lang hin. Sirius blickte ihn fragend an, doch Remus drehte sich weg.
Einen Augenblick hielt Sirius inne, fragte sich, was sein bester Freund hatte und warum er weinte.. Doch
ein sanfter Kuss von Grace holte ihn wieder zurück in die Gegenwart und schließlich verdrängte er den
Gedanken an Remus und konzentrierte sich wieder auf das schlanke, blonde Mädchen unter ihm.
"Ich finde das so gemein! Ich meine, Professor McGonagall hätte und zumindest mal warnen können,
das sie diesen Verwandlungszauber nimmt! Den haben wir doch gestern erst gelernt, was erwartet die
eigentlich von uns? Das wir den sofort können?" maulte James und trottete schlecht gelaunt neben
Sirius und Remus über die Ländereien Hogwarts. Es war ein recht kühler Tag, der wolkenverhangene
Himmel ließ die Sonne kaum durch und das Schloss war, genau so wie das riesige Gelände, in dichten
Nebel gehüllt. Der verbotene Wald wirkte nur wie ein riesiger, dunkler Schatten. "Ach, ich mache mir da
keine Sorgen." sagte Sirius locker und strich sich die schwarzen Haarsträhnen, die ihm in die Stirn
fielen, gekonnt hinters Ohr. Der große Junge war tief in seinen schweren Umhang gehüllt und hatte die
Hände in den Manteltaschen vergraben. "Hmm.." brummte Remus zustimmend. "Soo schwer war das
nun auch nicht, James." Der genannte gab als Antwort nur ein abfälliges Schnauben zurück und
verschnellte seine Schritte. "Wo steckt eigentlich Peter?" fragte Sirius nach einer Weile, um vom
eigentlichen Thema abzulenken. Scheinbar war auch James das ziemlich recht, jedenfalls gesellte er
sich wieder zu den anderen beiden und meinte dann grinsend: "Ach, der hat sich in den Schlafsaal
zurück gezogen, ist wohl immernoch ziemlich fertig von gestern." Sirius lachte und bald stimmte James
in dieses Lachen ein. "War wohl ein bisschen Feuerwiskey zu viel für den Kleinen.." bemerkte Sirius
trocken, nachdem die beiden sich wieder eingekriegt hatten. "Ja, glaube ich auch. Aber hey, wie ist es
eigentlich gestern noch mit Grace gelaufen?" Sirius zog eine Augenbraue hoch und musterte James.
"Och, da ist so einiges gelaufen." gab er nach einer Weile grinsend zurück. Wärend die beiden anderen
fröhlich vor sich her plappernd weiterliefen, schwieg Remus seinerseits und dachte an den vorigen
Abend. Hatte Sirius ihn gesehen? Nein.. Er hätte ihn doch sicherlich darauf angesprochen, oder? Er
seufzte leise. "Hey Moony, was'n los?" fragte James, als sie fast wieder am Schloss angelangt waren.
Remus aber schüttelte nur stumm den Kopf, James war doch der letzte, der ihn verstehen würde.
Schließlich fragte dieser nicht weiter und betrat schwungvoll die Eingangshalle. An einem Tag wie
diesem waren die meisten Schüler innerhalb des Schlosses und jetzt, wo es zum Mittagessen klingelte,
herrschte auf den Fluren ziemliches Gedrängel. "Ich werde mal Peter suchen gehen, geht ihr beide doch
schonmal vor." schlug James vor, und ohne auf Antwort zu warten, verschwand er in der Schülermasse.
"Komm' Moony, ich hab einen Bärenhunger." verkündete Sirius lächelnd und griff nach Remus
Handgelenk, um diesen zielsicher hinter sich her zu ziehen. Remus spührte eine leichte Röte in sein
Gesicht steigen. 'Verdammt..' dachte er. 'Kannst du dich nicht mal *etwas* unauffälliger verhalten?
Sirius muss dich ja für bescheuert halten, erst heulst du rum, dann sagst du kein Wort mehr und jetzt
wirst du auch noch rot!'. Aber Sirius schien das nicht wirklich zu interessieren, lächelnd schob er Remus
zum Tisch der Gryffindors an dem schon reges Treiben herrschte. Nachdem die beiden eine Weile
schweigend nebeneinander gesessen hatten, räusperte Sirius sich und senkte schließlich die Stimme.
"Remmy..?" fragte er unsicher. Remus antwortete mit einem leisen Brummen. "Ich hab dich gestern
gesehen.. Du weißt schon.. Abends.." stammelte Sirius kleinlaut. Remus wurde hellhörig, Sirius hatte
ihn also tatsächlich gesehen. Verlegen starrte er auf den goldenen Teller vor sich, der schien ihm im
Moment viel interessanter als Sirius' Gesicht. "Moony, ich weiß, das ist schwer für dich.", flüsterte Sirius
kaum hörbar. "Aber ich bin immer für dich da, wir sind doch Freunde. Wir können doch über alles
reden." Remus schielte nun zu Sirius, bis er ihn schließlich direkt anschaute und sich fast in diesen
erwartungsvoll schauenden, dunklen Augen verlor. Ahnte Sirius etwas? Wusste er es sogar? Nein. Nein,
ganz unmöglich. Remus' Gedanke bestätigte sich im nächsten Moment. "Ich weiß, du stehst in unserem
Schatten. James und ich haben ständig Freundinnen und du sitzt daneben.. Aber Remmy, wenn du mal
ein bisschen offener wärst, würdest du sicherlich auch jemanden finden." sagte Sirius und schenkte
dem Kleineren ein aufmunterndes Lächeln. "Du bist echt ein netter Kerl und wenn du willst, suchen wir
dir jemanden." So sah Sirius das also. Glaubte er ernsthaft, Remus hätte ein Problem damit, keine
Freundin zu haben? Das war ihm doch egal.. Der einzige, den er wollte, war Sirius. Traurig schaute er
seinen Freund an. Er würde es nie begreifen, wenn er es herausfinden würde, würde er sich von ihm
abwenden.. Niemals durfte er es erfahren. Remus zwang sich zu einem Lächeln. "Nein, nein. Ist schon
okay - wirklich." flüsterte er heiser. "Ich bin zufrieden so.. Ich war gestern nur etwas nervös wegen
den.. Prüfungen." Sirius legte seine Stirn in Falten und zog eine Augenbraue hoch, keine sonderlich
einfallsreiche Ausrede - Remus, einer der besten Schüler Hogwarts machte sich ernsthaft Sorgen wegen
ein paar harmlosen Prüfungen? Doch Sirius beschloss, nicht weiter nach zu haken, wenn Remus
irgendwas zu sagen hatte, würde er das schon tun. Außerdem trat genau in diesem Moment ein
lächelnder James mit einem ziemlich durcheinander wirkenden Peter an den Tisch. "Na altes Haus,
wieder wach?" fragte Sirius den kleinen, etwas pummeligen Jungen grinsend. "Mhmh.." grummelte
dieser und ließ sich geräuschvoll auf den nächstbesten Stuhl plumpsen. James tat es ihm gleich und
zwinkerte Sirius zu. "Der Herr ist etwas verkatert, aber ich denke ein großer Schluck Kürbissaft und das
herrliche Mittagessen werden ihn wieder aufbauen." sagte er und deutete auf die Teller und Becher, die
sich wie von selbst gefüllt hatten..