Gothica von Schattenwald ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Spike war mit seinen Eltern gerade eben in diese Stadt gezogen. Sie hatten dort ein großes Haus gefunden und fühlten sich bereits nach wenigen Tagen drin wohl. Doch was es eigentlich für Spike bedeutete, umzuziehen, sahen die Eltern kaum: Er war nun alleine und musste erst mühsam neue Freunde finden. Oft schaute er aus dem Fenster und sah den Leuten hinterher, aber er konnte einfach nicht hinausgehen und sie einfach so ansprechen. Er war eher zurückgezogen. An seinem ersten Schultag brachten ihn seine Eltern zur Schule. Er sah in einer kleinen, schattigen Ecke unter einer großen Eiche eine Gruppe von schwarz gekleideten, jungen Leuten sitzen. Sie schienen eine Menge Spaß zu haben, obwohl die meisten von ihnen wortlos dasaßen und an ihrer Zigarette zogen oder verträumt in die Gegend schauten. Die Mutter sah sich auf dem Schulhof um: Die kleineren Kinder tollten herum, Grüppchen von Mädchen standen zusammen, einige kicherten, einige rauchten. Und diese schwarze Gruppe dort am Baum. Die Mutter sah, wie einige von ihnen Nieten trugen und dann bemerkte sie, wie einer genüsslich rauchte. Sie hielt ihn nicht älter als Spike und der war ja gerade erst 15 geworden! "Egal, was du machst, aber lass dich ja nicht auf solche Leute ein!", sagte die Mutter. "Quatsch! Die sprechen mich eh nicht an!", erwiderte Spike. Und so sah er auch aus: Kurze, braune Hosen, ein dunkelblaues T-Shirt und ein kurzer Haarschnitt. Und sie saßen dort...mit ihren langen, schwarzen Mänteln und den langen Haaren...das war nun wirklich nichts für Spike...wirklich...wirklich? Als Neuling wurde er von der Klasse ausgelacht. Die Mädchen redeten über ihn und dachten nur an eines: Lästern. Und das feige hinter seinem Rücken. Er spürte ihr Kichern. Aber er konnte nichts sagen. Nach einige Zeit fiel ihm auf, dass immer eine bestimmte Gruppe von Menschen immer nur stumm an anderen vorbeiging, sich nichts sagen ließ und in ihrer Musik versank: Es war die schwarze Gruppe, die immer am Baum saß! Eines Tages ging Spike wieder einmal über den Schulhof. Er war nun schon seit über zwei Monaten in dieser Klasse, aber die Mädchen lachten ihn immer noch aus! Er lenkte seine Schritte zur Eiche und fing an, nervöser zu werden: "Hey, ihr. Ich...ich wollte euch was fragen...warum...warum lacht ihr mich nicht aus?" Von irgendwoher aus der Gruppe kam nur die Antwort: "Erstens wollen wir nicht so sein wie diese grundschulreifen Weiber da vorn und zweitens...was hast du uns getan? Nichts..." Spike verstand es. "Aber ich habe doch den Mädchen auch nichts getan!" - "Mädchen sind halt so, gewöhn dich besser dran." - "Bei meiner alten Klasse war das nicht so..." - "Ahso? Wo kommste denn her?" Spike hörte eine interessierte Stimme heraus. "Ich hab mal in 'nem Wald gewohnt, aber das ist auch schon vorbei, wir sind ja umgezogen...", antwortete er. "In 'nem Wald? Is ja geil! Wir wohnen hier in Blockhäusern und kommen selten in die Natur." - "Ja, ich vermisse sie auch:", sagte Spike. Die Schulglocke erklang und Spike ging hinein. "Wohin so eilig?", fragte eine Stimme hinter ihm. "Du hast doch Zeit! Noch knappe zehn Minuten!" Spike setzte sich wieder und erzählte noch ein wenig von dem Wald, in dem er einst wohnte. Die anderen hörten ihm mit viel Interesse zu. So verhielt es sich auch die nächsten Wochen: Jede Pause ging Spike zu der Gruppe und erzählte etwas vom Wald. Schließlich, eines Nachmittags, als Spike gerade nach hause ging, bemerkte er einen aus der Gruppe hinter sich. "Bist du nicht jemand aus der schwarzen Gruppe?" fragte Spike. "Sind wir so schwer auseinander zuhalten oder hast du mich echt noch nie bemerkt?", fragte der Junge. "Ich hab doch al erster mit dir geredet!" Und tatsächlich: Die Stimme kam Spike vertraut vor! "Wir heißt du?" - "Mike." So war es üblich in dieser Szene: Kurze Antworten, nicht erst um den heißen Brei herum reden und direkt auf den Punkt kommen. Spike wunderte das nicht mehr. "Wie seid ihr eigentlich zusammen gekommen?", fragte er. Mike antwortete: "Na ja...früher waren wir auch so wie du...also...wir hatten keine schwarzen Klamotten an, weißt du? Und dann haben einige angefangen, Musik aus dem Internet zu ziehen und haben sie halt in unserer Clique verbreitet. Und schließlich trugen wir schwarz. Wer Nieten mag, trägt diese natürlich auch!" - "Und wer raucht, tut das auch, oder?", fragte Spike frech. "Na und? Wir wissen, dass es schädlich ist, aber es ist alt unser Problem. Wir leben halt so, wies uns gefällt." - "Die schwarze Gruppe...", meinte Spike verträumt. "Ihr lebt, wir es euch gefällt..." - "So haben uns die anderen früher bezeichnet. Aber es hat uns angekotzt, du versteht? 'Die Schwarze Gruppe ist wieder da!'" Mike verzog das Gesicht und fuchtelte etwas mit den Armen herum. Spike bohrte noch ein wenig weiter herum: "Ihr habt wohl 'nen Namen?" - "Ja,", entgegnete Mike, "Wir sind die Gothica! Frag' nicht, wie wir drauf gekommen sind...es war ja nicht meine Idee..." - "Ihr habt doch nichts dagegen, wenn ich bei euch rumsitze, oder?" - "Nein...meistens ist eh Ruhe und ein wenig Unterhaltung tut jedem gut!" - "Und ihr habt kein Problem mit mir?" - "Warum denn?" - "Na ja..." Spike schaute weg. "Sag's ruhig. Wir sind eigentlich sehr tolerant als Gruppe.", meinte Mike. "Es ist so...", druckste Spike, "Ich bin schwul." Mike hob eine Augenbraue und blieb still. "Ist das schlimm?" Mike schwieg immer noch. Schließlich sah er Spike an: "Nein. Wir haben damit kein Problem:" - "Echt nicht?" - "Nein. Vertrau' mir!" Der Weg teilte sich bald und die beiden gingen ihre eigenen Wege. Zu Hause angekommen, bemerkte Spikes Mutter, dass er nach Nikotin roch. "Du rauchst doch wohl etwa nicht...?", fragte seine Mutter. "Nein. Aber viele aus der Klasse tun es." - "Die Mädchen?" - "Ja." - "Die Jungs auch?" - "Mag sein." - "Spike?" - "Ja." - "Die Welt besteht eigentlich aus pinken Wolken!" - "Mmh..." Die Mutter ging auf Spike zu: "Was ist mit dir los? Du gibst mir kaum noch richtige Antworten!" - "Mag sein." - "Das fällt richtig auf!" - "Echt?" - "Ja." - "Gut." - "Schlecht!" - "Dann eben schlecht..." - "Spike! Ich mach' mir Sorgen um dich! Was ist mit dir los?!?" - "'Nacht!" Spike ging die Treppen zu seinem Zimmer hoch. In den nächsten Wochen kaufte er sich auch einige schwarze Sachen und ein Nietenarmband. Der Mutter fiel das natürlich auf. Aber die Nieten konnte Spike vor ihr verstecken. Schließlich jedoch fiel es ihr auch noch auf. Sie kam eher von der Arbeit und sah ihn auf der Straße. Zu Hause sprach sie ihn darauf an: "Ich habe dir gesagt, du sollst nicht zu diesen Leuten gehen! Weißt du, was die nachts machen? Die gehen durch die Straßen, betrinken sich und schlagen die Leute zusammen! Und dann schlafen die auf dem Friedhof, diese Satanisten! Aber erst nach ihren komischen Messen!" - "MUTTER!!! Wir sind keine Satanisten!!!" Die Mutter erschrak: "Du also auch schon?" - "Ja! Und ich stehe dazu! Wir leben, wie es uns gefällt! Aber wir sind KEINE Grabschänder, Satanisten, Säufer oder Schläger! Wir sitzen einfach nur friedlich da und reden! Und seitdem ich so angezogen bin, lachen mich auch die Mädchen nicht mehr aus!" - "Quatsch!" Die Mutter bäumte sich auf: "Gib diesen Schund her!" - "Das ist kein Schund!" - "O doch, und wie das Schund ist! Das wird alles verbrannt!" Die Mutter zerrte an seinen Sachen. Spike riss sich los und rannte nach draußen: "Und du willst 'ne gute Mutter sein? Dann kann ich ja gleich zu meinen Freunden gehen, du Furie! Und hör auf, an meinem Eigentum herumzuzerren! ICH habe das bezahlt, ICH alleine und nicht DU! Stell' dir vor, was es für einen Streit gäbe, wenn ich an deinen Designerkleidern rumzerren würde!!!" - "Hau ab...HAU AB!!! GEH MIR AUS DEN AUGEN!!!" Spike rannte hinaus in den Regen. Die Mutter drehte sich nur um: "Du wirst doch eh wiederkommen..." Spike rannte und rannte. Völlig außer Atem kam er an Mikes Haus an. Er klingelte und Mike kam auch bald heraus. Sie gingen zum Friedhof, weil dort der einzige Platz ist, an dem sie ihre Ruhe hatten. Die Nacht war schon hereingebrochen. Auf dem Weg erzählte Spike Mike alles. "Lass' dich nicht von deiner Mutter unterkriegen! Nur, weil se deine Mutter ist, kann sie dir nicht alles befehlen!" - "Ich weiß...aber..." - "Kein aber! Hey..." Mike strich Spike sine langgewachsenen Haare aus den tränenden Augen: "Das passt schon. Die kriegt sich wieder ein." - "Ich..." Spike schluchzte nur noch. "Na komm her!" Mike nahm ihn in seine Arme. "Was...?", wollte Spike fragen. Doch er wurde von Mike unterbrochen: "Ich sagte doch, die Gothica ist tolerant! Auch zu schwulen..." - "Soll das heißen...?" - "Ja, soll's. Ich bin auch schwul. Aber...hey, sei still. Du kannst sowieso nur noch weinen. Zumindest sieht's so aus." So blieben die beiden ruhig liegen. Es wurde immer stiller. "Mike...?" - "Mmh?" - "Bleib bitte so...bleib so, solange du kannst." - "Wie 'so'?" - "Bleib so liegen..." Spike stützte sich auf und beugte sich über ihn. "Danke." - "Für was?" - "Dafür, dass du mir zugehört hast." - "Hey...das ist die Gothica. Und du gehörst dazu!" Mike lächelte Spike an. Dieser ging nur leicht mit dem Kopf nach unten, bis seine Lippen Mike berührten. Sie küssten sich. "Das ist die Gothica..." Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)