Devil's Blood von Anshie ================================================================================ Kapitel 13: The secret of Artamilya ----------------------------------- Garasu saß zu Hause auf dem Sofa und starrte schon seit Stunden pausenlos an die Decke. Seine Gedanken waren nach wie vor bei dem Geschehen von Dienstag Nachmittag. "Was ist es, was sie so stark macht?", fragte er sich immer wieder. Dieses Bild ging ihm nicht mehr aus dem Kopf. Wie Hiro, der selbst verletzt war, sich schützend vor seinen Freund geworfen hatte. "Wieso tut jemand so etwas? Und wieso... habe ich mich zurückgezogen?" Das Weinglas, dass er in den Händen hatte zerbrach, als er die Hand zudrückte. Der dunkelrote Wein lief über seine Hose und auf den Boden. Splitter steckten in seiner Hand. "Ich hätte sie besiegen können", zischte er wütend. Er blickte kurz auf seine Hand. Die restlichen Scherben fielen zu Boden und die Wunden an seinen Händen schlossen sich. "Meine Macht ist riesig. Yue's ist nichts dagegen. Er hat den Thron nicht verdient. Er weiß seine Lage nicht einmal zu schätzen. Lebt hier unter dem Menschenpack. Diesem Gesindel... Er kennt die Macht nicht, die er besitzt..." "Aha, so ist das also!", sagte eine leise Stimme. Garasu fuhr erschrocken aus seinen Gedanken hoch. Ihm Gegenüber schwebte eine Gestalt wenige Zentimeter über dem Fußboden. Ihr Körper war durchsichtig, wie bei einem Geist. Es war ein schlankes, zierliches Mädchen mit blasser Haut und silbrig glänzendem Lockenhaar. Es trug ein scheinbar sehr altes, aufwendig verziertes Kleid, wie man es aus dem Mittelalter kannte. "Du... hier?", murmelte Garasu. "Ich habe dich belauscht, Garasu", sagte das Mädchen. "Darauf hast du es also abgesehen. Ich wusste gar nicht, dass du davon weißt." "Was geht dich das an?" "Eine ganze Menge!", erwiderte das Mädchen empört. "Ich werde alles tun, was in meiner Macht steht, um dich aufzuhalten. Artamilya wird niemals in deine Hände fallen." Garasu schwieg, blickte sein Gegenüber nur zornig an. "Kaum jemand weiß von diesem Schatz", fuhr das Mädchen fort. "Zu recht! Zu viele würden ihn besitzen wollen. Zu viele würden Schaden damit anrichten." "Viel kannst du ja nicht mehr dagegen tun", meinte Garasu grinsend. "Du bist tot, Aoki. Seit vielen tausend Jahren schon. Ich habe dich selbst getötet." "Und das ist nur ein Grund, warum ich helfen werde, dich aufzuhalten", konterte das Mädchen. "Artamilya darf nicht in die falschen Hände geraten. Und deine, Garasu, sind ganz eindeutig die falschen Hände!" und noch ehe Garasu etwas antworten konnte, hatte sich die Gestalt auch schon in Luft aufgelöst. Garasu lächelte heimtückisch. "War ein Fehler, dich mir zu zeigen, Aoki", flüsterte er. "Deine Kräfte lassen nach. Dein Gott wird dir deine Sünden niemals vergeben!" ~*~*~*~*~*~*~ Donnerstag Morgen. Mariko war auf dem Weg zur Schule, als sie plötzlich das Gefühl hatte, etwas gehört zu haben. Sie blieb stehen. Blickte sich um. "Hallo?", murmelte sie, nicht wirklich in der Hoffnung eine Antwort zu bekommen. Passanten gingen wortlos an ihr vorbei. Niemand schien sich um sie zu kümmern. "Hat mich nicht gerade jemand gerufen?" "...riko", hörte sie leises Wispern. "Mariko!" "Huch?" Erschrocken fuhr das Mädchen zusammen. "Bi...bist du das?", flüsterte sie. "A...Aoki?" "Du kannst mich hören! Was für ein Glück!" "Aoki! Du... du bist das! Die, die mir diese Visionen schickt! Wer... bist du eigentlich?" Mariko versuchte möglichst leise zu sprechen. Sie kam sich vor, als würde sie Selbstgespräche führen. "Das ist jetzt unwichtig", antwortete die Stimme. "Du weißt, meine Kräfte schwinden. Das ist wohl das erste und letzte mal, dass ich direkt mit dir kommunizieren kann. Ich war bei Garasu um etwas herauszufinden." "Was?", schrie Mariko. Ein paar Leute, die gerade an ihr vorbei gekommen waren, drehten sich fragend nach ihr um. "Es hat mich eine Menge Kraft gekostet, doch ich habe etwas Wichtiges erfahren. Hör mir gut zu, Mariko! Du musst Yue warnen. Sag ihm, ich hätte dich geschickt. Garasu ist eine noch viel größere Gefahr, als wir annahmen. Er weiß davon..." "Wie? Wovon?", fragte Mariko. "Artamilya!" "Arta... was?" "Merk dir einfach diesen Begriff. Und sag es Yue, ich bitte dich!" "Was? Hey, immer mit der Ruhe. Was ist das? Wovon weiß... Hallo? Aoki?" Keine Antwort. "Aoki? Hörst du mich?" Mariko seufzte. "Was soll das alles?", wisperte sie und ging langsam weiter. "Eine noch größere Gefahr, als wir dachten? Wie schlimm kann der Kerl denn noch sein?" ~*~*~*~*~*~*~ "Mariko!", rief wenig später jemand. Mariko blickte auf und sah Toya und Hiro am Schultor stehen. "Hey, was macht ihr beide so früh schon hier?", wunderte Mariko sich. "Na ja, ich bin gerade dabei, ihm etwas Pünktlichkeit beizubringen", meinte Toya lachend. "Ja, ja, wie lustig", maulte Hiro. "Du hast mich mit Absicht schon drei Stunden früher geweckt." "Selber Schuld! Du hast so geschnarcht, dass ich selber die halbe Nacht kein Auge zu gekriegt hab!", fuhr Toya ihn an. Hiro, der mehr als nur verpennt aussah, humpelte wortlos in Richtung Haupteingang davon. Man konnte ihn jedoch leise meckern hören: "Wenn ich erst wieder gescheit laufen kann, trete ich dir dafür gewaltig in den Arsch, Toya..." "Hey, das hab ich gehört!", plärrte Toya. "Du TUST bloß immer so nett. In Wahrheit bist du das aller größte Arschloch!" Mariko lächelte. "Ach ja", seufzte sie. "Was sich liebt, das neckt sich." "Halt bloß die Klappe, Mariko", rief Toya, der mittlerweile Hiro nachgerannt war, ihr zu. "Auf so einen brutalen Perversling würd ich nie stehen!" Wieder musste Mariko lachen. "Was heißt hier Perversling?", erwiderte Hiro. "Wer ist denn hier derjenige, der auf Sadomaso steht?!" "Bitte? Ich hab mich wohl verhört!" "Toya", unterbrach Mariko ihn. "Nicht so laut. Dich hört sonst jeder!" Mit kaum leiserer Stimme fügte Toya, an Hiro gewandt, hinzu: "Woher willst du denn bitte wissen, worauf ich stehe?" "Du stehst auf dem Boden, Toya", unterbrach Mariko erneut sein Geschrei. "Und jetzt sei leise! Bitte, die schauen schon alle!" "Ich weiß sehr wohl, worauf du stehst, Kleiner", meinte Hiro und ging bis auf wenige Zentimeter nah an Toya's Gesicht heran. "Auf mich zum Beispiel." Toya wurde rot. Fast aus Reflex verpasste er Hiro eine Ohrfeige und schrie: "Das hättest du wohl gerne, du Perverser! Und was heißt hier überhaupt Kleiner? So viel größer bist du nun auch wieder nicht!" "SAKASA!", plärrte eine Stimme über den Gang. Als Toya sich umdrehte, blickte er in das wütende Gesicht seinen Klassenlehrers. "Erst zu spät kommen und dann auch noch auf dem Gang herum brüllen, wie ein Irrer! Musst du eigentlich alle negativen Eigenschaften von Masanaru abschauen? Und jetzt zieht ihr beiden Rotznasen auch noch Sugenami mit auf euer Niveau herunter?" Toya und Hiro sagten keinen Ton. "Ist es echt schon wieder so spät?", dachte Toya. Wegen ihre Streitereien war ihm gar nicht aufgefallen, dass es schon geläutet hatte. Der Lehrer seufzte. Dann fügte er mit wesentlich ruhigerer Stimme hinzu: "Was soll ich mit euch nur machen? Ich geb's auf. Los! Bewegung! Trödelt nicht noch länger herum!" "Ja, jawohl", stotterten Toya und Hiro beinahe gleichzeitig und gingen mit Mariko und ihren Klassenkameraden, hinter ihrem Lehrer in die Aula. ~*~*~*~*~*~*~ Es war Mittagspause. Mariko und Toya rannten die Treppen nach unten. Hiro hatte mit seinen Krücken Probleme, ihnen nachzukommen. Plötzlich kam Yue ihnen entgegen. "Hey ihr drei", begrüßte er die anderen. "Wart ihr auf dem Weg zur Sporthalle?" "Ja, Mariko hat gemeint, sie hätte wichtige Informationen", erklärte Toya. "Aber sie wollte nicht damit rausrücken, bevor du da bist." "Worum geht's?", fragte Yue und ging ein Stück an die Seite, so dass er und die anderen nicht den ganzen Gang blockierten. "Das wüsste ich auch mal gerne", seufzte Mariko. "Sagt dir der Begriff Artamilya was?" Yue zuckte zusammen. "Woher...?", fragte er leise. "Nein! Keine Fragen bitte!", unterbrach Mariko ihn. "Ich sag dir was ich weiß und dafür will ich, dass du mir endlich sagst, worum es hier eigentlich geht." "Klar, wird gemacht, Chefin", meinte Yue scherzend. "Also, heute Morgen hat diese Aoki mit mir gesprochen. Sie sagte, Garasu wüsste davon,... von diesem... Arta... irgendwas. Ich glaub es hieß Artamilya, aber ganz sicher bin ich mir nicht. Das ist eigentlich auch schon alles. Sie sagte, Garasu sei eine größere Gefahr, als wir dachten und ich solle dich nur warnen." Yue blickte starr an Mariko vorbei ins Leere. "Er weiß... davon...", murmelte er geistesabwesend. "O-nii-san! Was ist denn nun dieses Artamilya?", fragte Toya. Yue seufzte und zog an dem braunen Lederband, was er um den Hals trug. Zum Vorschein kam der große, rote Edelstein. Die Kette, die Toya einst besessen hatte. "Das?", fragte Mariko verwundert. "Ein Stein? Deshalb der ganze Aufwand?" Yue blickte sich rasch um, als wolle er sicher gehen, dass niemand sie beobachtet hatte. Dann ließ er den Kettenanhänger schnell wieder unter dem Hemd verschwinden. "Nicht irgendein Stein", meinte er dann. "Dieser Edelstein verfügt über das Höchstmaß an Magie. Er besitzt zerstörerische Kräfte." "Aber es ist doch nur...", murmelte Mariko, doch Yue unterbrach sie. "Niemand weiß, wie er entstanden ist. Zumindest niemand, der noch am Leben ist", fuhr er fort. "Es gibt nur einen einzigen auf der Welt und seit ich denken kann, befindet sich dieser eine im Besitz unserer Familie, Toya. Es heißt, wer den Stein besitzt, der ist der wahre Herrscher über die Unterwelt." "Aber, warum... hast du ihn mir damals geschenkt?", fragte Toya. "Ganz einfach. Ich befürchtete, dass Garasu von dieser Waffe wusste. Ich bin der Ältere von uns beiden und somit der rechtmäßige Erbe. Aus diesem Grund hatte Garasu es auf mich abgesehen. Es wäre zu gefährlich gewesen, ihn zu behalten. Du warst der Einzige, dem ich ihn anvertrauen konnte. Weißt du, nicht jeder kann seine Kräfte unter Kontrolle halten." "Du wusstest, dass Garasu von dem Stein weiß? Und trotzdem hast du ihn Toya gegeben?", meldete sich Hiro zu Wort. "Was, wenn Garasu IHN daraufhin angegriffen hätte? Wolltest du die Aufmerksamkeit auf ihn schieben, damit du selbst außer Gefahr warst?" Hiro's Stimme klang mehr als wütend. "Denkst du allen ernstes, dass ich Toya jemals in Gefahr bringen wollen würde?", konterte Yue. "Ich wusste NICHT, dass Garasu von der Existenz des Steines wusste. Ich hab es nur befürchtet. Und glaub mir, ich hätte den Stein lieber jemand anderem gegeben, aber Toya war nun mal der einzige Verwandte, nachdem unsere Eltern gestorben waren und das Artamilya musste in der Familie bleiben!" Hiro schwieg. Dieses Schweigen bedeutete wohl so viel wie: "Du hast Toya trotzdem in Gefahr gebracht! Das verzeih ich dir nie!" "Garasu weiß, dass er den Thron nur bekommt, wenn wir tot sind, aber dass er auch weiß, dass er Artamilya dazu braucht... Das macht die Sache noch gefährlicher." Niemand wusste etwas auf Yue's Worte zu sagen. "Ich darf ihn auf keinen Fall in Garasu's Hände geraten lassen", seufzte Yue. Wieder Stille. Dann meldete sich Toya zu Wort. "Gib ihn mir", sagte er. Yue hob den Kopf und blickte seinen Bruder fragend an. Auch Hiro und Mariko drehten sich zu ihm um. "Was?", sagte Yue dann. "Gib mir den Stein", wiederholte Toya. "Es stimmt, Garasu hat es in erster Linie auf dich abgesehen. Also gib ihn lieber mir. Er wird nie darauf kommen, dass du ihn mir anvertraut hast." "Niemals!", widersprach Hiro ihm. "Hast du's noch nicht mitgekriegt? Garasu stellt schon lange keinen Plan mehr auf, in welcher Reihenfolge er uns killt!" "Hiro hat recht", stimmte Yue diesem zu. "Garasu hat schon jeden von uns angegriffen. Er hat versucht uns einzelnd auszulöschen und es ist ihm nur nicht gelungen, weil wir durch mehr oder weniger glückliche Zufälle immer dem jeweils anderen zu Hilfe kommen konnten." "Aber...", murmelte Toya. "Wir sind schon zu oft ganz knapp mit dem Leben davon gekommen", fuhr Yue fort. "Denk nur mal an das jüngste Ereignis. Hiro wäre beinahe gestorben!" Bei diesen Worten zuckte Toya unbewusst zusammen. "Und vorgestern waren er, Mariko und du alle drei in größter Gefahr. Wer weiß, auf wen er es das nächste mal abgesehen hat." "Ich würde mit ziemlicher Sicherheit auf Toya tippen", meinte Hiro. "Denk doch mal nach, Toya. Du warst es doch, der ihn ernsthaft verletzt hat. Du hast seinen Stolz verletzt und deshalb hat er es jetzt speziell auf dich abgesehen." "Ach was, das ist doch nur eine Theorie", erwiderte Toya. "Ach ja?", fuhr Hiro ihn an. "Und was meinst du, warum er MICH angegriffen hat? Und gestern Mariko? Wir sind doch nur seine Köder um dich anzulocken. Er weiß ganz genau, dass deine Freunde dein Schwachpunkt sind." Toya wusste keine Antwort. "Heißt das...", dachte er plötzlich. "Nur meinetwegen sind... Masa und Mariko... verletzt worden?" "Toya...", begann Yue, doch Toya schnitt ihm das Wort ab. "Dann... ist es meine Schuld", wisperte er. "Dass er euch um eine Haar umgebracht hätte..." "Äh, nein! So hab ich das nicht ge...", sagte Hiro schnell. "Siehst du, Masa? Genau das mein ich! Genau das ist der Grund, warum ich dich von mir fernhalten wollte." Toya ging zu Yue und riss ihm die Kette vom Hals. "Toya!", schrie dieser. "Hör auf mit dem Scheiß! Gib sie sofort wieder her!" Doch Toya reagierte überhaupt nicht auf seine Worte. "Ihr müsst euch von mir fernhalten!", schluchzte er. "Ich will nicht, dass er euch noch mehr weh tut! Also..." "Toya, red nicht so einen Mist!", schrie Hiro ihn an, ließ die Krücken fallen (die Mariko gerade noch auffangen konnte) und packte ihn an den Schultern. "Lass mich los! Es ist aus! Aus und vorbei, klar?! Ich werde euch nicht noch mehr da mit rein ziehen." Er riss sich von Hiro los. "Das beste wird sein, ihr vergesst mich einfach! Vergesst, dass es mich überhaupt jemals gegeben hat!" Und mit diesen Worten rannte er davon. "Toya!", rief Yue ihm nach. "Komm sofort zurück! TOYA!" Gerade wollte er ihm nachrennen, als ihn jemand an der Schulter packte. Als er sich umdrehte, sah er einen Lehrer hinter sich stehen. "Schrei gefälligst nicht so herum auf dem Gang! Und gerannt wird hier schon gar nicht!" ~*~*~*~*~*~*~ Toya rannte um die Ecke und knallte prompt mit jemandem zusammen. "Tut mir leid", wisperte er, noch bevor er sein Gegenüber erkannte. "So was, Sakasa", sagte Teruko, während Toya aufstand. "Gut das ich dich treffe. Ich hab dich und Masanaru gerade gesucht." "Was willst du?", fragte Toya genervt und ließ die Kette mit dem roten Anhänger schnell in seiner Hosentasche verschwinden. "Ich hab da etwas, das dürfte dich interessieren", meinte Teruko, hob die Hand und hielt Toya ein Foto entgegen. Toya traute seinen Augen kaum. Auf dem Bild waren er und Hiro zusehen, als sie sich küssten. Das musste gestern hinter der Sporthalle gewesen sein. "Ich war schon immer ein guter Fotograf", scherzte Teruko und grinste hinterhältig. "Guter Spion, wolltest du wohl sagen", antwortete Toya. "Das auch. Also hör mal, du willst sicher nicht, dass dieses nette Foto an die Öffentlichkeit gerät, oder? Und zu diesem Zweck könnten du und dein kleiner Homo-Freund mich doch eigentlich finanziell etwas unterstützen, wenn du weißt, was ich meine." "Der will mich erpressen?", schoss es Toya durch den Kopf. "Ich denke, ich weiß sehr wohl was du meinst", antwortete Toya trocken. "Aber weißt du irgendwie lässt mich das völlig kalt." "Was?", zischte Teruko. "Mach damit, was du willst. Rahm 's dir von mir aus ein und häng's dir übers Bett. Von mir aus, setz es auch in die Zeitung. Es ist mir egal." "Was? Das glaubst du ja wohl selber nicht", antwortete Teruko überrascht. Er hatte eigentlich damit gerechnet, dass Toya sofort Panik schieben würde. "Doch, es ist so", versicherte Toya ihm. "Ich hab wichtigere Probleme." Und damit ließ er Teruko im Regen stehen. "Soll es doch die ganze Welt wissen", dachte er. "Ich schätze, ich bin eh so gut wie tot. Sein wir doch mal ehrlich. Ich werde Garasu's nächsten Angriff sicher nicht überleben. Was interessiert mich da noch ein blödes Foto?" ~*~*~*~*~*~*~ Kurz darauf kamen Hiro, Mariko und Yue den Flur entlang. "Pass in Zukunft besser auf", schimpfte Mariko gerade mit Hiro. "Du kannst nicht einfach so die Krücken wegschmeißen. Auch wenn deine Verletzungen schneller heilen, weil du ein Dämon bist. Wie willst du das den anderen erklären?" Hiro hörte ihr gar nicht richtig zu. Auf einmal kamen sie an Teruko vorbei. "Hey, Masanaru!", rief dieser, um Hiro zum stehenbleiben zu bringen. "Was?", fuhr dieser ihn nur an. "Schau mal, was ich hier habe!" Er hielt ihm das Foto vor die Nase. "Hmm, sehr hübsch", meinte Hiro nur. "Mach mir bei Gelegenheit 'nen Abzug davon. Ich brauch eh noch ein Bild für meinen Geldbeutel." Und noch bevor Teruko etwas darauf sagen konnte, war Hiro mit Mariko und Yue auch schon weiter gegangen. "Ich fass es nicht!", knurrte Teruko wütend. "Kann man die beiden eigentlich überhaupt nicht schocken?" ~*~*~*~*~*~*~ Zu Hause bei Familie Sakasa klingelte das Telefon. Toya's Mutter nahm ab. "Was? Toya? Er... ist nicht in der Schule?", fragte sie verwirrt. "Nein, nach Hause ist er nicht gekommen. Ja, natürlich. Auf Wiederhören." Sie legte den Hörer wieder auf. Ihr Gesicht sah mehr als besorgt aus. Am Telefon war jemand von der Schulleitung gewesen. "Seit der Pause verschwunden?", wisperte Toya's Mutter. "Um Himmels Willen... Toya... Wo steckst du?" Toya ging die Straßen entlang. "Meine besten Freunde angeschrien", dachte er. "Meinen eigenen Bruder beklaut und dann auch noch aus der Schule abgehauen. Oh Mann..." Er hatte die Hände in den Hosentaschen vergraben. Seine rechte Hand umklammerte den großen, ovalen Edelstein. "Hat dieser Stein wirklich so viel Macht?", fragte er sich. "Wenn wirklich nur Familienangehörige seine Macht kontrollieren können, wie will Garasu dann...? Oder will er die Macht gar nicht kontrollieren, sondern sie freilassen und Chaos anrichten? Wahrscheinlich..." Toya hatte das Gefühl verfolgt zu werden. Eine ganze Weile schon. Er wagte es nicht, sich umzudrehen. Sein Schritt wurde unbewusst schneller. Plötzlich bekam er einen Schlag auf den Hinterkopf. Ein kurzer Schmerz. Dann wurde ihm auch schon schwarz vor Augen. ~*~*~*~*~*~*~ In der Zwischenzeit waren Yue, Mariko und Hiro auf dem nach Hause Weg. "Yue", begann Mariko. "Hmm..." "Wer ist nun eigentlich Aoki? Ich finde, es wird langsam Zeit, dass du's mir sagst." Sie wusste nicht, ob das der richtige Zeitpunkt war, um ihn darauf anzusprechen. Toya war nach der Pause nicht mehr zum Unterricht erschienen. Alle machten sich Sorgen um ihn. Und doch hielt Mariko diese gedrückte Stimmung und dieses Schweigen einfach nicht mehr aus. "Aoki...", wiederholte Yue. "Ist... Sumi." Hiro verschluckte sich an seiner Cola, von der er gerade einen Schluck genommen hatte und begann zu husten. "Sumi?", fragte er. "DIE Sumi? Aber ich dachte,..." "Ja, sie ist tot", unterbrach Yue ihn. "Aber ihr Geist lebt noch. Zu Lebzeiten konnte Sumi hellsehen. Sie hat diese Gabe immer gehasst. Sie hat gesagt, es wäre ihre Strafe, die Gott ihr auferlegt hat, weil sie gesündigt hat." "Gesündigt?", wiederholte Mariko fragend. "Sie war mit einem Dämon zusammen", erinnerte Yue sie. "Also wenn das für die Tochter einer streng christlichen Familie keine Sünde ist..." Er unterbrach sein Reden und seufzte. "Ihre Eltern haben diese Beziehung nur ungern zugelassen, aber sie wollten dadurch Frieden schaffen, zwischen der Menschen- und der Dämonenwelt." "Ach so ist das", meinte Mariko leise. "Na ja, sie hat wohl eingesehen, dass diese Fähigkeit ihr nun doch noch nützlich sein konnte. Sie hat vorausgesehen, was Garasu als nächstes vorhatte und es dir mittels Gedankenübertragung gezeigt." "Aber wieso werden ihre Kräfte dann schwächer?", wollte Mariko wissen. "Ich weiß nicht genau", gab Yue zu. "Aber ich schätze, die Gründe warum ihr Geist sich in dieser Welt befindet sind die, dass sie sich für ihren Tod an Garasu rächen und uns gleichzeitig schützen will. Wahrscheinlich rückt die unaufhaltbare Auseinandersetzung näher. Und egal wie es ausgeht, entweder Toya und ich, oder Garasu werden dabei wohl sterben. Sumi's Aufgabe in dieser Welt ist danach erfüllt. Das ist die einzige Erklärung, die ich habe." "Ihr werdet nicht sterben", meldete sich Hiro zu Wort. Yue und Mariko blickten in seine Richtung. Sein Blick war wie hypnotisiert auf den Boden gerichtet. "Das lasse ich nicht zu." ~*~*~*~*~*~*~ Eine Weile später kam Hiro beim Hause der Sakasa's an. Toya's Mutter öffnete sofort die Tür. "Hiro", schluchzte sie und nahm Hiro in die Arme. "Bin ich froh, dass du da bist. Weißt du nicht, wo Toya sein könnte?" "Er... ist also nicht nach Hause gekommen?", seufzte Hiro enttäuscht. Er hatte gehofft, wenn er heimkommen würde, würde Toya schon längst hier sein. "Nein", wisperte Toya's Mutter. "Die Schulleitung hat angerufen. Seit der Pause scheint jede Spur von ihm zu fehlen. Aber mein Toya würde doch niemals die Schule schwänzen. Oh Gott, wenn ihm nun etwas passiert ist?" Bei dem letzten Satz hielt sie sich die Hände vor das verheulte Gesicht. Auch Hiro jagte dieser Satz noch mehr Angst ein. Trotzdem sagte er: "Keine Sorge." Er machte auf dem Absatz kehrt und ging wieder zur Tür. "Ich werde ihn finden und wenn ich die ganze Nacht lang suchen muss." "A...aber Hiro!", rief Toya's Mutter ihm nach, doch da wurde die Haustür auch schon zugeschlagen. ~*~*~*~*~*~*~ Hiro humpelte gerade mal bis zum Tor, dann kam ihm ein Gedanken: "Auf Krücken zu gehen würde viel zu lange dauern", dachte er. "Auch wenn es noch etwas weh tut, ohne geht's schneller." Er legte die Krücken hinter einem der Büsche ab und ging dann auf den Gehsteig. Es tat wirklich noch ziemlich weh. Bis jetzt hatte er zwar ein paar mal auf eigenen Beinen gestanden, aber ohne Krücken zu laufen war doch um einiges schmerzhafter. "Na toll, mit eingegipstem Arm werd ich gegen Garasu wohl kaum etwas ausrichten können", seufzte er. Im Gegensatz zu seinem Bein, war der Arm jedoch ganz gebrochen. Es war eigentlich noch viel zu früh, um den Gips abzunehmen. Auch für einen Dämon, bei dem selbst solche Verletzungen innerhalb von einigen Wochen heilten. Und trotzdem bog Hiro kurz darauf in eine Seitengasse ein, wo er einen Moment lang unbeobachtet sein konnte. Das Katana leuchtete in seiner rechten Hand auf. "Na, wenn das mal gut geht", murmelte er, drückte den eingegipsten Arm gegen eine Wand und holte aus. Ein Krachen war zu hören. Hiro, der im Moment des Aufschlages die Augen zusammen gekniffen hatte, blickte auf seinen Arm. Der Gips hatte einen Riss. "Ha! Nicht zu fassen. Ich bin selber immer wieder überrascht, was dieses Teil alles kann." Er brach den Gips mit der Hand endgültig auf. "Aua, sieht nicht gut aus", murmelte er mit einem kritischem Blick auf seinen Arm. Er versuchte ihn etwas zu bewegen. Wieder kniff er die Augen zusammen. "Shit", wisperte er. "Okay, jetzt heißt es Zähne zusammen beißen und durch. Denk an Toya, Hiro!" Der Gips viel zu Boden. So schnell es seine Beine zuließen rannte Hiro aus der Gasse. ~*~*~*~*~*~*~ Langsam kam Toya zu sich. Er öffnete die Augen. Zuerst sah er nur Dunkelheit. Er spürte einen stechenden Schmerz am Hinterkopf. Dann erinnerte er sich. "Ach ja, irgend jemand hat mir was auf den Kopf geschlagen", dachte er. Langsam nahm die Umgebung Form an. Er lag auf einem kaltem Steinboden. Die Wände um ihn herum waren ebenfalls aus grauem Stein. Er setzte sich auf, um sich besser umsehen zu können. Alles sah Tausende von Jahren alt aus. "Na, ausgeschlafen?", sagte plötzlich eine Stimme. Toya fuhr herum. Wie aus dem nichts erschien Garasu vor ihm. "Gefällt es dir?", fragte er grinsend. "Weißt du wo wir hier sind?" Toya antwortete nicht. "Natürlich weißt du es nicht. Dabei hast du doch hier gewohnt." "Was?", dachte Toya. "Warst wohl nicht so oft im Kerker des Palastes spielen, stimmst? Prinz Toya-sama." "Palast?", wiederholte Toya. "Ganz richtig. Dies hier ist der Königspalast nach 1409." "Wie... ist das... möglich?" "Ganz einfach", antwortete Garasu und hielt das Lederband mitsamt Artamilya hoch. "Damit." Toya riss die Augen auf. "Oh nein! Er muss ihn mir abgenommen haben, als ich ohnmächtig war!" "Entschuldige mich jetzt", fuhr Garasu fort. "Ich muss noch einiges planen. Für die Krönungszeremonie. Schließlich werde ich bald der Herrscher über die gesamte Unterwelt sein." Sein hämisches Lachen erfüllte die alten Gemäuer und hallten von den Wänden wider. "Geduldet euch, mein Prinz. Bald wende ich mich wieder euch zu." Er trat ein paar Schritte zurück und schloss dann hinter sich die schwere Eisentür. Ein Schlüssel wurde im Schloss umgedreht. "Ich wünsche angenehmen Aufenthalt." Garasu's Schritte wurden in der Ferne leiser. Toya sank erschöpft in die Knie. "Ich hab schon wieder alles falsch gemacht", wimmerte er. "Hätte ich Yue den Stein nicht abgenommen,... wäre ich nicht einfach weggerannt, dann hätte Garasu ihn jetzt nicht in die Finger bekommen." Er blickte sich um. Zu allen Seiten befanden sich dicke, metallene Gitterstäbe. "Und jetzt sitz ich auch noch im Kerker meines eigenen Palastes fest. Na toll!" ~tbc~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)