Sturmmeldung in Schottland
Statt des Nachwortes ein Vorwort. Wie lange ist es her, dass ich hier ein Kapitel hochgeladen habe? Lange jedenfalls und jedes dieser Kapitel ist wiederum schon ca. ein Jahr alt. So lange habe ich nicht mehr an dieser FanFic gearbeitet oder zumindest immer nur Satzweise. Im Moment bin ich einfach zu sehr mit anderen Schreibarbeiten und dem realen Leben beschäftigt und kann mich auch kaum mehr in die Geschichte einfühlen, an der mir mittlerweile so viel nicht mehr passt. Eine Zeit lang habe ich überlegt sie ganz zu löschen, weil so eine angebrochene Arbeit hier herumschimmeln zu haben ist auch nicht grade schön, aber statt dessen lade ich jetzt die übrigen Kapitel, die ich habe noch hoch und werde dann sehen wie es weitergeht. Eine bestimmte Person schafft es nämlich immer mal wieder mich in eine Yu-Gi-Oh Stimmung zu versetzen, allerdings sehe ich diese viel zu selten. Soviel zum derzeitigen Stand der Dinge. Ich nehme kaum an, dass überhaupt jemand merkt, dass es weitergeht, ich werde auch keine Rundens mehr schreiben. Regelmäßig werde ich ohnehin nichts hochladen können und ich will und kann auch nicht verlangen, dass irgendjemand nach nem Jahr Lesepause sich da nochmal reinfindet. Mehr der Vollständigkeit halber also hier das nächste Kapitel...
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23. Sturmmeldung in Schottland
Es regnete. Welch ein Wunder. Schließlich befanden sie sich in Schottland und nachdem sich die dicken Nebelbänke aufgelöst hatten, begann sofort ein unangenehm fusseliger Nieselregen auf die Erde zu tröpfeln. Natürlich störte das niemanden in dem riesigen und komfortablen Schloss, das mehr Annehmlichkeiten und Unterhaltung bot, als man in einem alten Schloss normalerweise vermutete, doch Kerry machte es etwas aus. Denn wie das Wetter waren auch ihre, zuvor nur umwölkten Gedanken nun wieder trüb und niedergeschlagen. Sie stand irgendwo in einem verlassenen Gang an einem Seitenfenster und hatte die Ellbogen auf den Fenstersims gelehnt, während sie durch den Regenschleier blickte und doch nichts sah. Ihr Blick war nach innen gekehrt, da sie gerade versuchte ihre Gedanken, Gefühle und vor allem die Erkenntnisse der letzten Tage und Wochen in geordnete Bahnen zu lenken. Doch es gelang ihr nicht. Wut, Verzweiflung, Resignation, Trauer, Hass und Zuneigung mischten sich zu einem einzigen Brei, der eher gesundheitsschädlich als genießbar war und außerdem hätte nicht mal ein Chemiker herausfinden können, was in dem Matsch enthalten war. Eigentlich sollte sie auf ihr Zimmer gehen und sich für das abendliche Dinner umziehen. Dort würden alle Teilnehmer einander vorgestellt, Regeln und Reihenfolge der Spiele verkündet werden. Das versprach wirklich ein angenehmer Abend zu werden, wäre da nicht altbekanntes Problem gewesen, dem sich Kerry noch nicht gewachsen fühlte. Deshalb stand sie seit geraumer Zeit, die sich nicht messen ließ, hier und sammelte sich um genug Kraft und Beherrschung zu gewinnen um wieder zurück in das Zimmer kehren zu können. Doch wenn sie es recht zugab, dann sank ihr Mut eher, je länger sie wartete und als sie diesen Umstand wirklich realisierte, stieß sie sich mehr oder weniger entschlossen ab und schlenderte betont lässig den Gang entlang, verlief sich prompt und brauchte noch zehn Minuten um die richtige Tür wiederzufinden. Da war sie nun. Die goldenen Letter 3 und 0 prangten ihr entgegen und jegliche zurückgebliebene Entschlossenheit schien sie mit jedem Atemzug weiter zu verlassen. „Mein Gott, was solls.“, machte sich die Rothaarige selbst Mut und öffnete vorsichtig die Holztür. Als wäre sie die Hausherrin, was ja in gewisser Weise auch zutraf, stolzierte sie mehr schlecht als recht in den Raum und bemerkte erst äußerst spät, dass er leer war. Das Zimmer war leer und nicht abgeschlossen? Da passte doch etwas nicht zusammen? Würde Kaiba sein Zimmer unverschlossen lassen, obwohl gewisse Wertsachen hier waren? Kerry konnte sich die Antwort selbst geben. Natürlich würde er, sicher hatte er seine Wertgegenstände mitgenommen und auf die ihren brauchte man natürlich keinen Wert zu legen. Ihre Gedanken waren verbittert und glichen unfairen Vorurteilen, doch das zu erkennen war sie im Moment nicht imstande. Eilig schlüpfte die Irin in ein paar etwas angemessenere Kleider, die jedoch noch immer nicht den prächtigen Kostümen der anderen Damen das Wasser reichen konnten, wie Kerry nur ein paar Minuten später feststellte, als sie den riesigen Speisesaal betrat. Es gab zwei lange Tafeln, an denen schlanke Stühle mit hohen Lehnen und weichen Polstern standen. Die Wände waren mit prächtigen Gemälden, gekreuzten Schwertern, Speeren und anderen interessanten Kunstgegenständen bestückt und auf dem polierten Parkettboden lagen ab und an dicke Teppiche, die aufwendige, jedoch teils schon verblasste Webmuster aufwiesen. Alles wirkte edel und elegant, selbst die Leute, auch wenn es viele junge Personen und Teilnehmer gab, die sich lässig und gewöhnlich gekleidet hatten. Doch es gab auch genug die sich herausgeputzt hatten wie zu einem Ball, besonders Frauen und Mädchen, die hier doch mehr zur Zierde und zum Anschauen dienten, dachte sich Kerry. Es würde sie wundern, wenn überhaupt eine Frau als Teilnehmerin vertreten war, so wie es ihr vorkam, dominierten hier noch wie in der Zeit in der die Burg erbaut wurde, die Männer und Frauen wurden als Eigentum angesehen. Eigentum. Dieser Begriff ließ bei der Rothaarigen natürlich wieder gewisse Worte einer gewissen Person aufkommen und sie musste sich auf die Zunge beißen um nicht einen lauten Fluch über Seto und alle anwesenden Männer auszusprechen. Aufmerksam blickte sie sich schließlich um und fand bald darauf ihren Platz, natürlich neben ihrem Angetrauten. Mit einem resignierten Gesichtsausdruck, der wenig feierlich wirkte, schlängelte sie sich durch das Gewirr von zurückgeschobenen Stühlen, zu ihren Plätzen eilenden Personen und umherschwirrenden Bediensteten. Es grenzte an ein Wunder, dass sie ihren Platz erreichte ohne mehr als zweimal angestoßen worden zu sein. Stumm ließ sie sich auf ihren Stuhl fallen und grüßte Kaiba nicht, nein sie machte sich nicht einmal die Mühe ihn anzuschauen. Was er konnte, konnte sie schon lange. Zu ihrer rechten jedoch saß eine junge Frau, die vielleicht Mitte 20 alt war und beneidenswerte, lange blonde Haare hatte, die sich wie flüssiges Gold über ihre Schultern ergossen. Sie wirkte weniger wie eine der anwesenden Modepüppchen. Ihr dunkel violetter Blick wirkte entschlossen und ab und an blitzte scharfer Spott darin auf, während sie mit ihrem rechten Sitznachbarn plauderte. Aber Kerry blieb nicht allzu viel Zeit sich intensiv mit dem Beobachten der Fremden zu beschäftigen, da kurz nachdem sie ihren Platz eingenommen hatte, urplötzlich Stille im gesamten Raum einkehrte, sogar die Bediensteten hielten in ihren geschäftigen Tätigkeiten inne und stellten sich ordentlich in einer Reihe auf. Als der wache Blick der Rothaarigen weiter über die Menschen im Zimmer schweifte, entdeckte sie auch den Grund für das Verstummen aller. Am Tischende der Tafel, an der sie und Kaiba saßen, hatte sich ein älterer Mann erhoben, in der Rechten ein schlankes Weinglas, das in der riesigen Pranke allzu zerbrechlich wirkte. Auch der Rest des edel gekleideten Mannes stand im Gegensatz zu seinem fortgeschrittenen Alter. Das grau melierte Haar war noch immer dicht und in einer seriös anmutenden Frisur angeordnet. Trotz des offensichtlich zerfurchten Gesichtes, waren die dunklen Augen scharf und wachsam, wie die eines Habichts auf die Versammlung gerichtet. Sie wirkten wie tiefe Brunnen, deren Schwärze undurchdringlich war. Die Statur konnte man schon beinahe als hünenhaft bezeichnen, denn obwohl er nicht größer als 1,80 sein konnte, schien es Kerry so, als hätte sie einen Riesen mit breiten Schultern und muskulösem Oberkörper vor sich. Als er dann auch noch begann zu sprechen, vertiefte sich der Eindruck einen mächtigen Mann vor sich zu haben noch. Die Stimme war tief und ein wenig rau, doch aus ihr klang eine unglaubliche Selbstsicherheit, die weder arrogant noch bescheiden wirkte und einer uralten Eiche glich, deren Wurzeln fest im Boden der Erde verankert waren und das seit Anbeginn der Zeiten. Kerry hörte gar nicht auf die förmlichen Begrüßungsworte, die er an die Teilnehmer und Gäste richtete und sich somit als Veranstalter outete, zu sehr war sie vom Klang seiner Stimme gefesselt und in den Bann gezogen. Erst als ein angemessener Beifall einsetzte und sein Mund verstummte, konnte sie sich daraus befreien und klatschte halbherzig ebenfalls um ihre nicht vorhandene Begeisterung zu verdeutlichen. Dummerweise hatte sie so nichts von dem Gesagten mitbekommen. Worum war es gegangen? Und vor allem, hatte sie etwas Wichtiges verpasst? Kerry verfluchte ihre Unbeherrschtheit in diesem Punkt kurz und konnte sich ziemlich schnell ausrechnen, dass sie zwei Möglichkeiten hatte: Entweder Seto danach fragen, oder ihre Nachbarin. Inzwischen hatte um sie herum das Essen, Trinken und Bedient werden wieder begonnen und auch sie beschloss erst einmal ein paar Köstlichkeiten auf ihren Teller zu stapeln. Dabei blickte sie ständig von ihrem linken zu ihrem rechten Sitznachbarn und schließlich entschied sie sich für die blonde Schönheit. „Entschuldigen Sie...“, begann Kerry und wartete darauf, dass die unbekannte Frau ihr den Blick zuwandte, was diese auch gleich darauf tat, denn ihr Appetit schien ohnehin nicht der ausgeprägteste. „Ich, ähm... habe gerade nicht wirklich zugehört, könnten sie mir zusammenfassen, was im Groben gesagt wurde?“, fuhr sie schulterzuckend fort und ihre Wangen färbten sich ein wenig rötlich, schließlich klangen ihre Worte nicht gerade sonderlich intelligent. Doch auf dem Gesicht der Blonden breitete sich ein charmantes Lächeln aus, das zwar amüsiert und ein wenig spöttisch wirkte, doch es war freundlicher Spott. „Du bist wohl keine Teilnehmerin, wenn du schon bei den ersten Informationen über das Turnier weghörst.“ Ihr Lächeln wurde nur noch breiter, doch der Tonfall ihrer klaren Stimme war deutlich von Sarkasmus geprägt. Kerry erwiderte das Grinsen und schüttelte den Kopf: „Ja, das ist richtig, aber ich habe die zweifelhafte Ehre einen Teilnehmer begleiten zu dürfen.“, gab sie in demselben Tonfall zurück, vermied es aber vorsichtshalber zu erwähnen oder in irgend einer Weise darauf hinzuweisen, wen sie begleitete. Doch das war gar nicht nötig, schließlich befand sich Seto deutlich im Sichtbereich der beiden. Die Fremde zog eine schmale Augenbraue nach oben und nickte wissend, doch bei ihren nächsten Worten war der Spott in ihrer Stimme weniger freundlich als noch kurz zuvor: „Ja ich weiß, das wird wohl mittlerweile jeder hier wissen.“ Ihr violetter Blick wanderte langsam und für Kerry eindeutig sichtbar zu deren Sitznachbarn und triumphierendes Wissen mischte sich in das Lila ihrer Augen. Dabei war noch etwas, was die Rothaarige nur allzu gut verstand: Unglaube. Mit einem sichtbaren Verdrehen ihrer Augen stimmte die Irin zu: „Ach ja, Gerüchte, besonders wenn sie schwachsinnig sind, verbreiten sich wirklich schnell.“ Einen Moment schauten sich beide Frauen stumm an, bis ihre Blicke beinahe parallel zu Kaiba wanderten und sie gleichzeitig den Kopf schüttelten. Kurz blickte Seto, als hätte er ihre Aufmerksamkeit gespürt, zu ihnen hinüber, erkannte die Lady mit der Kerry sprach und sofort verdüsterte sich sein saphirblauer Blick merklich, seine harte Mimik jedoch blieb unverändert, während er sich wieder seinem Teller widmete.
Die Blonde war die erste, die sich wieder fasst, die Augen abwandte und erklärte: „Übrigens, mein Name ist Mai Valentine.“ Sie reichte Kerry die Hand, welche diese, noch immer grinsend, ergriff und leichthin erwiderte: „Hocherfreut, ich bin Kerry O’Hara.“ Die Betonung auf dem „Hocherfreut“ war so übertrieben, dass Mai nur schwerlich ein Grinsen unterdrücken konnte. Welch eine Erleichterung. Vielleicht würde das Wochenende, zumindest tagsüber, nicht ganz so katastrophal werden, wie gedacht. Man konnte sich ja an bestimmte Personen halten und andere, besonders eine bestimmte, meiden.
Wider Erwarten verlief der Rest des Abends überaus angenehm. Dies lag allerdings höchstwahrscheinlich daran, dass Kerry ihre Zeit mit Mai verbrachte, die zwar ein ganzes Stück älter war als sie und natürlich gab es auch große Unterschiede im Charakter der beiden Frauen, doch trotzdem verstanden sie sich prächtig miteinander. Wie im Flug verging der erste Abend und die Irin erfuhr schließlich, dass die ersten Duelle erst am nächsten Tag stattfinden würden. Die Teilnehmerzahl war nicht sehr hoch, da nur eine ausgewählte Elitegruppe an Duellanten eingeladen worden war, zu der sich Mai natürlich auch zählte. Aus diesem Grund würden nie mehrere Duelle parallel ablaufen, sondern alle Ausscheidungen einzeln. Kerry verstand nicht, wie die ganzen Groupies diese lange Zeit aushalten wollten, ohne etwas von den Regeln oder Strategien der Spieler zu verstehen. Sie selbst war ja als ehemaliger Spielerin nicht einmal von der Aussicht begeistert einen ganzen Tag Duel Monsters Partien beiwohnen zu müssen. Schließlich neigte sich der Tag und auch der Abend dem Ende zu und Kerry musste wohl oder übel zurück auf ihr Zimmer.
Schon auf dem richtigen Flur, bewegte sie sich weitaus zögerlicher als noch ein paar Ecken und Treppenstufen zuvor. Trotz aller Verzögerungen gelangte die Rothaarige schließlich zu der Tür, die ihr jetzt eher wie das Tor vor der Hölle vorkam und der Teufel einer Eishölle wartete dahinter. Es wäre eindeutig unter ihrer Würde gewesen, die Tür erst einen Spalt zu öffnen und in den Raum hineinzuspähen, also überwand sie sich endgültig und drückte die metallene Klinke zackig herunter um im Anschluss dazu sofort das „Tor zur Hölle“ aufzustoßen. Dunkelheit beherrschte das Zimmer, zumindest schien es auf den ersten Blick so. Als Kerry jedoch erst richtig eintrat, konnte sie gleich das kalte, bläuliche Licht eines flimmernden Bildschirmes ausmachen und erkannte Seto in dem schmalen Lichtkreis auf dem Bett sitzend, sein liebstes Stück, den Laptop auf dem Schoß. Am liebsten hätte die junge Frau aufgeseufzt, hatte sie doch gehofft, er würde schon schlafen, aber das war wohl eine zu hohe Forderung an ihr ohnehin bescheiden bemessenes Glück. Immerhin bescherte es ihr ein ruhiges Eintreten, denn der schlanke junge Mann saß zwar aufrecht und wach im Bett und musste ihr Kommen bemerkt haben, doch unterbrach er das Tippen auf den flachen Tasten nicht im Mindesten und sein Blick behielt den PC fest fixiert, als wolle er sie bloß nicht bemerken. Davon mehr ermutig als beleidigt, schloss Kerry die Tür hinter sich und betätigte den Lichtschalter, woraufhin der gesamte Raum in das sanfte Licht eines großen Kronleuchters getaucht wurde. Doch die Rothaarige gab sich selbst keine Zeit um das flutende, goldene Licht zu bewundern, sondern steuerte geradewegs auf den Kleiderschrank zu und suchte sich ein viel zu langes, mit Cartoonfiguren übersähtes T-Shirt und ein paar dunkle Hotpants heraus um mit den Kleidungsstücken wortlos im angrenzenden Badezimmer zu verschwinden. Einige Zeit später, für Seto war es nur ein kurzer Moment, in Kerrys Augen jedoch eine halbe Ewigkeit, trat sie wieder in das geräumige Schlafgemach und fuhr sich durch das strubbelige Haar, bevor sie um Zeit zu gewinnen, wieder zur Tür ging, das Licht ausschaltete und dann unentschlossen auf das gemeinsame Himmelbett zuschlurfte. Im Geiste zögerte sie bei jedem Schritt, doch nach außen hin versuchte die Irin krampfhaft selbstsicher zu wirken, während sie sich über die Bettkante schob und in die weichen Federkissen sinken ließ. Das Bettzeug war unglaublich zart und anschmiegsam und für gewöhnlich hätte Kerry sich jetzt gerne wohlig hinein gekuschelt, aber es hing noch immer diese beinahe fühlbar kalte Atmosphäre im Raum, die noch von dem schnellen „Tipp, tipp, tipp“ der Tastatur untermalt wurde. Es war zum aus der Haut fahren. Doch sie hatte ja eigentlich mit Seto Kaiba abgeschlossen und so lohnte es sich eindeutig nicht, sich weiterhin über ihn aufzuregen. Alles nur verschwendete Energie. Aber ebenso verschwendet waren diese Gedanken, die nämlich so ganz und gar nicht den Tatsachen entsprechen wollten. Dennoch schob sich die Rothaarige an den äußersten Bettrand, soweit es möglich war ohne einen unrühmlichen Abgang über die Kante zu machen und schloss die Augen. Tipp, tipp, tipp. Eine andauernde Endlosschleife die kein Ende fand und einfach unmöglich auszublenden war. Ohne aufzuschauen oder sich irgendwie zu bewegen sprach Kerry zuletzt doch ihre Gedanken aus. „Sag mal, willst du die ganze Nacht durcharbeiten? Gewisse Leute würden nämlich Schlaf dem Getippe vorziehen.“ Ihre Stimme klang nicht besonders freundlich, doch konnte sie sich zu überraschender Sachlichkeit überwinden, vielleicht lag es aber auch nur daran, dass sie zu müde war um wirklich genervt zu sein. Einen Moment hielt Seto inne, was Kerry nur durch das Ausbleiben des Tippgeräusches erkannte und eine im Gegensatz zu dem vorigen gleichmäßigen Geräuschpegel beinahe bedrückende Stille legte sich über den Raum. Es war unglaublich, wie schnell man sich etwas kurz zuvor noch so enorm nervendes wie Tastaturtippen, wieder zurückwünschen konnte, denn nichts anderes tat die junge Frau sofort. Aber als auch nach weiter vergangener Zeit das Geräusch nicht zurückkehrte, keine frostigen Worte zurückkamen, aber auch das kalte Licht des Bildschirmes nicht zu erlischen schien, drehte sich Kerry mit fragend, verschlafenem Blick um, was sie ziemlich unangenehm empfand, da sie die Decke mitdrehte und so die der Bettkante zugewandte Seite ihres Körpers der Wärme des weichen Stoffes entzog. Von unten herab, auf einen Ellbogen gestützt musterte sie die schemenhafte Gestalt Seto Kaibas eingehend. Wie versteinert saß er noch immer dort, mit geradem Rücken, als hätte er einen Besen verschluckt und das flackernde Licht warf merkwürdige Schatten auf seine verschwommenen Züge, so dass es wirkte, als hätte sie ein gesichtsloses Wesen vor sich. Nicht einmal seine Augen waren wirklich deutlich zu sehen, nur ein dunkelblaues Aufblitzen zwischen ein paar in der Finsternis farblos erscheinenden Haarsträhnen. Unerwartet war jedoch, dass sein Kopf in ihre Richtung gedreht war und er sie scheinbar anblickte, was die Rothaarige allerdings auch nicht mit Gewissheit sagen konnte, schließlich erkannte sie kaum seine vertrauten, kantigen Züge. „Seto? Alles in Ordnung?“, fragte die Irin vorsichtig und kniff die Augen ein wenig zusammen, als ob sie so mehr sehen könnte. Vorzulehnen traute sie sich nicht wirklich und hielt es auch nicht für angemessen, obwohl ihre Worte das auch nicht wirklich zu sein schienen. Beinahe besorgt hatten sie geklungen, etwas was sie sich nie hätte erlauben dürfen. Diese Erkenntnis allein veränderte schon ihre Mimik und ein harter Zug bildete sich um ihre sonst so zarten Lippen, als sie diese fester aufeinander drückte. „Sicher. Du wolltest schlafen.“ Beinahe erschreckten die Worte die Rothaarige, obwohl die Lautstärke wenig aufmerksamkeitserregend war. Doch der befehlende Tonfall, kühl und arrogant, den sie eigentlich schon kannte, traf sie wieder einmal wie ein Schlag ins Gesicht. Scheinbar war da noch immer Hoffnung auf eine noch so winzig kleine Veränderung. Töricht. Plötzlich huschten Kaibas Finger erneut über die Tasten und gleich darauf verschwand das bläuliche Licht des Laptops und zurück blieb nur eine tintenschwarze Dunkelheit. Kerry schluckte, als sich ihr Nachbar bewegte und die Decke bei einer Bewegung von ihr wegzog. Möglichst lautlos und ohne bedeutsame Bewegungen ließ sie sich zurück in die Kissen gleiten, zog das rote Satin ein Stück weiter über ihren Körper und drehte sich zur anderen Seite. Kurz darauf beendete auch Seto seine Machenschaften, nämlich den Laptop wegzulegen und sich ebenfalls auf die Seite zu drehen und beinahe gleichzeitig schlossen die beiden ohne weitere höfliche Gute Nacht Wünsche die Augen, obwohl beider Gedanken, positive als auch negative, bei dem anderen waren.
Regelrecht spürbar war der Vorgang des Aufwachens an diesem Morgen für Kerry. Bevor sie die Augen öffnete, bemerkte sie, dass sich der Schleier ihrer Traumwelt langsam hob und da kein lästiger Wecker klingelte, der sie dazu ermahnte sofort aus den Federn zu hüpfen, zog sie es vor ihre Lider weiterhin geschlossen zu halten. Schläfrig zupfte sie unter der Decke ein wenig an derselben herum um sie bis zum Kinn hochzuziehen, was sich jedoch als unmöglich herausstellte, also kuschelte sie sich einfach tiefer in den weichen Stoff und an den anschmiegsamen, warmen Körper neben ihr. Sofort riss die Rothaarige die großen Augen auf, so dass man sich hätte wundern können, dass sie nicht sofort aus ihren Höhlen sprangen. Doch dies war die einzige Bewegung zu der sie in dieser kleinen Ewigkeit des Denkens fähig war. Kein Zweifel. Ein schlanker, aber kräftiger Arm lag auf ihrer Hüfte und ihre hintere Front schmiegte sich eng, eindeutig viel zu eng an den athletischen Oberkörper eines Mannes. In diesem Moment war es erst einmal völlig unwichtig, dass es sich dabei um Seto Kaiba handelte, viel schlimmer in Kerrys Augen, war der Umstand, dass sie sich überhaupt körperlich einem Mann so weit genähert hatte und wenn es auch nur im Schlaf gewesen war. Spielte ihr Unterbewusstsein ihr jetzt schon böse Streiche? Noch immer ihres Körpers nicht Herr, fiel der jungen Frau erst jetzt auf, dass ihr Bettnachbar anscheinend noch schlief. Seine Atemzüge, die in der morgendlichen Stille deutlich zu hören waren, gingen tief und langsam, eben der Atem eines Schlafenden. Aber es hatte etwas skurril Friedliches. Skurril deshalb, weil sie aus irgendeinem wenig scharfsinnigem Grund angenommen hatte ein Seto Kaiba könne nicht einmal im Schlaf friedlich wirken. Und obwohl sie mit zunehmend verrinnender Zeit das warme, wohlige Gefühl an ihn gekuschelt unter der Decke zu liegen mehr und mehr genoss und schätzte, rumorte ihr Verstand doch weiterhin auf der Suche nach einem Weg aus dieser verzwickten Lage. Gar nicht auszudenken, was sie sich wieder anhören müsste, wenn Kaiba in diesem Moment aufwachen würde oder besser, was sie sich ansehen müsste, nämlich seine eiskalten Augen, die mit kleinen Splittern gefrorenen Wassers Löcher in ihre Brustgegend schießen würden. Doch während sie sich dies alles ausmalte und nicht dementsprechend handelte, kam es wie es kommen musste. Ob es daran lag, dass Seto irgendwie spürte, dass seine Bettnachbarin nicht aufleuchtende Glühbirnen über ihrem Kopf produzierte, indem sie angestrengt nachzudenken versuche, oder ob es schlichter Zufall war, jedenfalls erwachte auch der junge Mann in diesem Moment. Etwas langsamer als Kerry und für diese ohnehin nicht bemerkbar, aber er wachte auf. Nur für den Bruchteil einer Sekunde schienen seine stechend blauen Augen ein wenig getrübt vom Schlaf, dann war da wieder der ‚normale’ Seto Kaiba, der eiserne Geschäftsmann mit völlig klarem Blick. Und ebenso schnell wie er von der verschwommenen Welt der Träume zur klaren Realität wechselte, erfasste er die Situation. Sofort zog er seinen rechten Arm zu sich und richtete sich kerzengerade im Bett auf, nur um einen Moment zu verharren, Kerry herabwürdigend anzufunkeln und dann stocksteif aufzustehen. Kein Kommentar, keine Zurechtweisung, keine Frage, nichts. „Guten Morgen.“ Beinahe ärgerte sich die Rothaarige über die peinlich berührte Freundlichkeit in ihrer Stimme. Er wollte anscheinend nicht reden, dann musste sie es auch nicht. Punkt. Oder doch ein Fragezeichen? Kerry beobachtete den jungen Mann noch eine Weile, doch er verschwand kurz darauf schweigend im Badezimmer und zog die Tür hinter sich mit einer kontrolliert kräftigen Bewegung zu. Das entstehende, durchaus laute Geräusch hatte etwas Endgültiges, damit war die Sache offensichtlich abgeschlossen.
Immer noch ein wenig verdattert schwang sich nun auch Kerry über die Bettkante und sammelte sich langsam. „Oder auch nicht.“, fügte sie ihrem eigenen Satz hinzu und machte sich dann erst einmal auf zum Kleiderschrank. Wieso noch darüber ärgern. Bewusst entschloss sich Kerry nun dazu, dass sie ab diesem Zeitpunkt nichts mehr von Seto Kaiba erwarten würde, weder positive noch negative Reaktionen oder Veränderungen. Sie wollte einfach nur noch akzeptieren. Doch mit diesem Denken ging zugleich einher, dass sich ihr Verhalten ihm gegenüber verändern würde. Wenn man nichts von jemand erwartete, konnte man auch nicht enttäuscht oder frustriert werden und so würden Aggressionen und Frustrationen ausbleiben. Diese, für sie positiven, Konsequenzen zeigte sie sich selbst als Belohnung für den schweren Vorsatz der Gleichgültigkeit und des Herunterdrehens ihres Temperaments auf um es durchhalten zu können.