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Wenn das Licht erlischt...

...bleibt nur die Hoffnung
von

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Zwischen den Fronten

Kari ging die Strasse entlang, wie sie es seit Jahren immer tat. Früher hatte sie sich immer mit ihren Freunden bei einer Kreuzung getroffen, doch heute ging sie alleine. Sie ging alleine, wie auch in den letzten Monaten schon so oft. Zu Beginn wollte sie einfach ein wenig Zeit für sich haben, weil sie am Morgen nicht mehr die Lust verspürte, mit den anderen zu sprechen. Doch das änderte sich allmählich. Sie wollte überhaupt alleine sein. Immer öfter ging sie zu früh oder zu spät aus dem Haus, mied die anderen, auch wenn sie sie von weitem sah und, wenn es doch einmal vorkam, dass die andern sie entdeckten, sprach sie kaum ein Wort. Eigentlich wusste sie auch nicht, warum es so war. Sie fühlte sich jedes Mal unwohl in der Gegenwart der anderen und heute wollte sie schon gar niemanden vor dem Unterricht sehen. Doch wie das Leben so spielte kamen Ken und Miyako um die Ecke geschlendert. Auch sie pflegten es seit neustem, früher aus dem Haus zu gehen, da sie für den Weg mehr Zeit benötigten.
 

"Hey, Kari! Guten Morgen!"
 

Ein einstimmiger Chor rief ihr diesen Gruss entgegen und sie spürte, wie sie innerlich fror. Was konnte an diesem Morgen überhaupt gut sein? Nichts war auch nur annährend gut. Sie konnte die zwei Turteltauben nicht begrüssen, sondern nickte bloss mit dem Kopf. Sie fühlte sich scheusslich und der Anblick ihrer zwei glücklichen Freunde war es ebenso. Am liebsten hätte sie die beiden auseinander gerissen. Nur mit Mühe konnte sie sich beherrschen. Sie bemerkte, dass Miyako Ken etwas ins Ohr flüsterte und sie verstand auch sofort, dass es sich um ihr Person drehen musste, doch die beiden sprachen nicht mehr und gingen ruhig neben ihr her.
 

Im Schulzimmer setzte sie sich an ihren angestammten Platz und packte ihre Schulsachen aus. Der Unterricht hatte bereits seit einigen Minuten begonnen, als Daisuke ins Zimmer gestürmt kam. Die Lehrerin hielt ihm eine, fast schon allmorgendlich gewordene Standpauke, denn es war mittlerweile schon zur Gewohnheit geworden, dass er sich verspätete. Sie musste eigentlich stets kichern, wenn sie seinen Gesichtsausdruck sah, während er zurechtgewiesen wurde. Sie nahm sogar an, dass er absichtlich zu spät kam, nur um ihr ein Lächeln von den Lippen zu zwingen. Doch jetzt mochte sie nicht einmal einen Mundwinkel zu verziehen. Unbeteiligt sass sie in ihrem Pult zwischen Takeru und Daisuke und liess die Minuten vorüberziehen. Sie antwortete auf keine von Daisukes Fragen und beteiligte sich auch nicht am Unterricht. Sie kritzelte ihr Heft mit unerkennbaren Symbolen voll, bis sie plötzlich von Takeru Seite her einen leichten Stups verspürte, welcher sie aufschrecken liess. Takeru zeigte nach vorne.
 

"Hikari Yagami! Wie sieht also der Lösungsweg aus?"
 

Die Lehrerin wollte, dass sie die eben besprochene Mathematikaufgabe zusammenfasste.
 

"Ich, äh, ja..."
 

Hilflosigkeit machte sich auf ihrem Gesicht breit. Es war kaum zu übersehen, dass sie keinen einzigen Moment ihrer Aufmerksamkeit an diese Aufgabe verschwendet hatte.
 

"Hikari, du hast nicht aufgepasst! Glaubst du, dass ich nicht gemerkt habe, dass du schon die ganze Stunde abwesend bist? Also, kannst du die Lösung selber herleiten?"
 

Auch das noch! Der ganze Morgen war bereits der reinste Horror und jetzt wurde sie auch noch von der Lehrerin blossgestellt. In ihrem Kopf arbeitete es, doch sie kam nicht ansatzweise dahinter.
 

"Frau Higashi, wenn Sie einmal in ihrem Leben eine einigermassen interessante Stunde unterrichten würden, hätte ich vielleicht aufgepasst!", entfuhr plötzlich aus ihrem Mund und ihre Hand schnellte ebenso schnell vor diesen.
 

Die Klasse blickte sie plötzlich ungläubig an. In Takerus Gesicht war das blanke Entsetzen zu erkennen. Daisuke hob seine Augenbrauen an und grinste breit. Es war wohl weniger das, was sie gesagt hatte, sondern der Tonfall. Sie sprach in einem herablassenden, frechen Ton.
 

"Nun, Hikari, wenn du so denkst, dann musst du meiner langweiligen Stunde nicht weiter beiwohnen. Raus!"
 

Der Zeigefinger der Lehrerin wies in Richtung der Tür und genau auf der anderen Seite dieser fand sie sich wenige Sekunden später wieder.
 

Ein paar Minuten später klingelte die Glocke zur grossen Pause. Kari hatte sich bereits auf den Pausenplatz begeben, als sie anderen von weitem kommen sah. Doch es war einzig Takeru, der zu ihre herüber kam.
 

"Kari, was ist vorhin in dich gefahren?"
 

Was sollte sie ihm sagen? Sie wusste es ja selber nicht. Es war schon das zweite Mal an diesem Tag, dass sie die Beherrschung verloren hatte.
 

"Ich weiss es nicht, es ist mir einfach so herausgerutscht."
 

Sollte sie ihm auch von dem Vorfall am frühen Morgen erzählen? Nein, dass schien ihre nicht angebracht.
 

"Irgendetwas stimmt nicht mit dir. Du bist schon die ganze Zeit abwesend und es ist schlimmer als in den letzten Wochen. Ich mache mir wirklich Sorgen um dich. Du siehst auch nicht gut aus. Was ist nur los mit dir?"
 

Es stimmte, sie hatte sich verändert, schon seit längerem, doch es wurde immer deutlicher.
 

"Ich weiss, Takeru, es wird immer schlimmer, ich weiss..."
 

Da wurde sie brutal aus ihrem Gespräch gerissen, als sie plötzlich Takeru neben ihn zu Boden gehen sah und gleichzeitig einen vor Wut schäumenden Daisuke ihn am Kragen packte.
 

"Was soll das? Was soll dieser Mist?"
 

Daisuke deutete mit seinem Finger auf das Titelblatt der neuen Schulzeitung, deren Schlagzeile wohl Grund für seinen Ausraster war.
 

"Daisuke Motomiya - die personifizierte Unfähigkeit. Im Wahlkampf topp, als Klassensprecher eine Null!"
 

Kari riss Daisuke die Zeitung aus der Hand. Zweifelsohne, es stand alles da, was er vorgelesen hatte, in fetter Druckschrift - geschrieben von Takeru Takaishi.

Dieser Artikel war der Tropfen auf den heissen Stein. Es war nicht neu, dass Daisuke nicht gut auf Takeru zu sprechen war. Vor Jahren bereits war er eifersüchtig auf ihn wegen Kari. Takeru schien dies immer kalt zu lassen, doch in der letzten Zeit begann auch er sich zu wehren. Es fing mit einfachen, sarkastischen Anmerkungen an und artete immer mehr zu einem Konkurrenzkampf um Karis Gunst aus. Seitdem Takeru vor Monatsfrist dann auch Daisuke gegenüber nicht mehr abgestritten hatte, dass er für Kari durchaus mehr empfand, war das Klima äusserst angespannt und eigentlich war es nur eine Frage der Zeit, bis die tickende Zeitbombe explodierte. Und genau das tat sie nun in heftiger Art und Weise.
 

"Es stimmt, was ich geschrieben habe! Schau dich doch an. Du würdest alles machen, wirklich alles, um in Karis Gunst höher zu steigen. Du hast dir erhofft, mit deinem Posten als Klassensprechen einen Vorteil zu verschaffen. Doch ein Klassensprecher hat auch einige Aufgaben und du kümmerst dich nicht einmal ansatzweise darum! Du warst, bist und wirst in diesem Amt immer eine Null bleiben! Glaube ja nicht, dass ich auch nur ein Wort zurücknehme!"
 

Kaum gesagt, flog auch schon Takerus Faust in Richtung Daisuke. Die beiden gingen jetzt richtig aufeinander los. Sofort kamen auch andere Schüler angelaufen. Ken versuchte, die beiden auseinander zubringen und steckte dabei selbst einen ziemlich heftigen Schlag ein und torkelte rückwärts, wo er von Miyako aufgefangen wurde. Kari stand nun auf.
 

"Hört auf, hört endlich mit diesem Quatsch auf! Es geht um mich und jeder weiss, dass es um mich geht. Warum stellt ihr nicht endlich einmal die Frage?"
 

Die beiden liessen voneinander ab. Kari erschrak, denn erneut hatte sie etwas gesagt, dass sie nicht hatte sagen wollen. Sie sollten aufhören, sich zu prügeln und da rutschte es aus ihrem Mund und Takeru antwortete postwendend.
 

"Vielleicht hast du Recht. Ja, sicherlich hast du Recht. OK, Kari, dann sag es uns jetzt. Wen von uns beiden willst du? Lass uns die Sache jetzt ein für allemal klären."
 

Es war unfassbar. Daisuke stellte tatsächlich die Frage. Was sollte sie jetzt darauf antworten? Im Grunde wäre die Antwort klar gewesen. Sie war es schon seit langer Zeit. Doch sie brachte es nicht übers Herz, den anderen zu verletzen. Beide würden so tief getroffen, dass sie vielleicht nie mehr mit ihr sprechen würden.
 

"Also wisst ihr...ich kann euch das nicht einfach so sagen. Ich kann mich nicht entscheiden für einen von euch. Ich werde das vermutlich niemals können. Es geht nicht."
 

Ein einhelliges Nicken gefolgt von einem Kopfschütteln und einem kurzen Lachen des Unverständnisses war bei beiden zu erkennen.
 

"Kari, das reicht. Du wolltest, dass die Frage gestellt wird und nun wurde sie gestellt. Du hättest reinen Tisch machen können und hast es trotzdem nicht getan. Ich weiss, dass nicht Daisuke mein wahres Problem ist, sondern du! Vor Jahren schon hast du es genossen, ihn eifersüchtig zu machen. In den letzten Monaten hast du es jetzt auch bei mir erreicht. Findest du das toll? Gefällt es dir, uns gegeneinander auszuspielen? Ich glaubte dich, nach all unseren gemeinsamen Erlebnissen, dass sich dich kenne, doch ich habe mich vermutlich getäuscht. Ich kannte dich nie! Wäre ich früher zu dieser Einsicht gekommen, hätte es diese Eskalation niemals gegeben. Doch ich bin nicht so dumm, wie du denkst. Ich habe es verstanden und ich akzeptiere dein Verhalten nicht mehr länger. Entscheide dich und nimm dir ruhig ein wenig Zeit dabei. Du musst dir wirklich sicher sein. Doch eines verspreche ich dir. Wenn du dich entschieden hast, wirst du einen von uns verlieren. Also, lass es mich einfach wissen."
 

Takeru hob seinen Hut auf, drückte ihn Kari in die Hände und verliess den Pausenplatz. Daisuke meinte nur, dass alles gesagt sei und ging ebenfalls. Als die Schulglocke wieder läutete, blieb sie alleine zurück und betrat das Gebäude nicht mehr.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Rachelle_Jade
2004-04-27T19:59:16+00:00 27.04.2004 21:59
hey!
die zwei neuen kapitel gefallen mir wirklich richtig gut!! du kannst sehr gut schreiben.. ^^
ich hoffe, du machst bald weiter! =)


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