Cassie von abgemeldet (Verrücktes Internatsleben (abgeschlossen!)) ================================================================================ Kapitel 7: "Warum sollte ich dir glauben?" ------------------------------------------ Kapitel 7 - "Warum sollte ich dir glauben?" Montag, Montag, Montag - Cassie hasste Montage! Und diesen ganz besonders, denn wo würde dieses Miststück Tatjana eher erwarten, dass sie ihre Wette einlöste, als in der Schule? Cassie könnte kotzen! Und hätte es auch beinahe getan, ehrlich: An diesem Morgen war sie das erste Mal in ihrem Leben versucht gewesen, sich einfach den Finger in den Hals zu stecken. Dann könnte sie sagen, sie hätte sich eine Magenverstimmung eingefangen. Sie würde ein paar Tage das Bett hüten oder sich nach Hause schicken lassen... Dann war ihr jedoch eingefallen, dass das alles gar nichts bringen würde, da sie seit über 48 Stunden nichts mehr gegessen hatte und ihr Magen dementsprechend leer war. Deshalb hatte sie sich auch, bevor sie den einsamen Weg zum Schulgebäude angetreten hatte dazu gezwungen, ein Nutellatoastbrot zu essen. Gut, jetzt war ihr richtig schlecht. Aber immerhin bezeugte der benutzte Teller, dass sie entgegen Scarletts sensibler Bemerkung nicht "auf einmal magersüchtig geworden" war. "Cassandra?" Och nö, nicht schon wieder... "Ja?" Fragend richteten sich die grünen Augen auf den Französischlehrer. « Traduis vers l'allemand s'il te plaît. » Aha, ins Deutsche übersetzen. Schön. Nur was ? In diesem Moment zeigte Gil, die neben ihr saß, unauffällig mit dem Finger auf eine Textstelle ihrer Lektüre. Schnell suchte Cassie den Abschnitt bei sich selbst, überflog ihn und fing gelangweilt an zu übersetzen. "Stephanie schreibt, dass ihr eine Sache jetzt klar war, nämlich dass sie sicher sein konnte, die Tochter ihrer Mutter zu sein. Ziemlich lange hatte sie sich nämlich selbst eingeredet, dass sie nicht das Kind ihrer Eltern war, sondern dass man sie adoptiert hatte. Denn-" "D'accord. Aaron, peux-tu continuer?" Armes Bruderherz. Sprachen lagen ihm einfach nicht, im Gegensatz zu Cassie. Aber so war nun mal das Leben und wenn es momentan jemand verdient hatte, im Unterricht dranzukommen und nicht mal zu verstehen, was der Lehrer von ihm wollte, dann der dunkelhaarige Junge eine Reihe vor ihr! Denn ein weiterer Grund, warum Cassie seit zwei Tagen das Essen verweigerte war, dass Aaron gestern noch zu ihr gekommen war. Er wollte mit ihr reden, hatte er gesagt! Zuerst hatte er wissen wollen, was los war, ob sie nicht mit ihm reden wolle und schließlich hatte er die Bombe platzen lassen: Er und Scarlett waren seit Samstag Abend ein Paar! Überflüssig zu erwähnen, dass Cassie seitdem nicht mehr mit ihm redete. Mit Jessica war es ähnlich, nur dass sie nicht mehr mit Cassie sprach und das Verhältnis zu Gil war auch ziemlich abgekühlt. Allerdings konnte das Mädchen hier nicht sagen, ob Gil sie wegen der Sache mit Pascal mied oder umgekehrt Cassie sich ohne es zu merken von der Freundin fern hielt. Irgendwie war alles kaputt gegangen. Innerhalb von einem Wochenende hatte sie auf einmal keine Freunde und auch keinen Zwillingsbruder mehr. Dafür eine Schlampe, die sie hinterhältig in irgendwelche selbstmörderischen Wetten verstrickte und deren Freund, von dem Cassie zu ihrem Leidwesen immer häufiger träumte. Ach ja, und einen ältesten Bruder, der ihr tatsächlich riet, den Schulpsychologen aufzusuchen! Cassie wäre fast in Tränen ausgebrochen, als sie gestern Abend mit Chris telefoniert hatte und er diese sehr einfühlsame Bemerkung fallen ließ. Gerade noch rechtzeitig hatte Chris eingelenkt und gesagt, es sei doch nur ein Scherz gewesen. Und dabei hatte er sich kaum das Lachen verkneifen können. Irgendwie nahm er ihre Probleme nicht ernst, vor allem die Sache mit Aaron und Scarlett ließ ihn kalt. Und über die Wette hatte er ebenfalls nur lachen können. Und so was nannte sich dann Bruder! Aber wahrscheinlich hatte er ganz andere Probleme, zu Hause mit George und Mama. Denn Cassie war das Gefühl nicht losgeworden, dass Chris' Lachen ein bisschen gekünstelt geklungen hatte. Wie auch immer, es gab genug Dinge, über die sich das Mädchen momentan den Kopf zerbrechen musste. Da konnte sie auf die Probleme anderer echt verzichten! "Hey." Cassie wandte den Blick etwas belämmert nach rechts. Gil lächelte sie an. Das Mädchen schielte argwöhnisch nach vorne und stellte fest, dass kein Lehrer mehr in Sicht war. "Hat's schon geklingelt?" "Ja", meinte Gil sanft und schien über die Frage nicht im mindesten überrascht zu sein. "Hast du Lust, mit mir runter zu gehen? Kaffe holen oder so?" Cassie nickte, ohne überhaupt darüber nachzudenken. In diesem Moment war sie einfach viel zu froh darüber, dass sie vielleicht doch noch jemanden hatte. Jemanden, der sie trotz allem mochte und am Wochenende möglicherweise nur zu beschäftigt mit den eigenen Problemen gewesen war. Also stand Cassie wortlos auf und folgte dem anderen Mädchen aus dem Klassenraum, die Treppe hinunter zum Kaffeeautomaten. Gil warf ein Eurostück in den Schlitz und wenig später hielten sie jeder einen Plastikbecher mit Cappuccino in der Hand. Gil nickte mit dem Kopf in Richtung einer wenigstens größtenteils ruhigen Ecke in der Pausenhalle und dann saßen sie auch schon nebeneinander auf einer Bank. "Wie geht es dir?" Cassie war überrascht, dass sie selbst so etwas fragte. Wie war das noch mit den Problemen anderer? Gil antwortete nicht gleich und Cassie dachte schon, sie wäre dem Mädchen zu nahe getreten, dann jedoch seufzte die andere und meinte: "Um ehrlich zu sein: Mir geht's so schlecht wie lange nicht mehr. Nicht nur, dass Nick seit diesem Vorfall am Freitag so tut, als würde ich nicht existieren und ich ständig Angst hab, Pascal und er könnten aufeinander losgehen. Ich hab auch das Gefühl, dass ich meine beste Freundin seit langer Zeit schon nach einer Woche wieder verloren habe." Cassies Kehle schnürte sich zu, als sie den Blick in Gils Augen sah. Sie meinte es ernst. Schluchzend warf sich das blonde Mädchen in die Arme ihrer besten Freundin, allerdings erst, nachdem sie den Pappbecher abgestellt hatte. Gil strich ihr beruhigend über den Rücken. "Es tut mir leid, dass ich nicht mit dir geredet habe, aber die ganze Sache ist so schrecklich. Mit Lara, Nick und Pascal. Ich wollte dir schon viel früher sagen, dass ich mit ihm zusammen bin, aber irgendwie..." "Schon gut", flüsterte Cassie und wischte sich die Tränen weg. "Ist ja nicht so schlimm.“ "Aber es ist schlimm, dass ich zu sehr mit mir selbst beschäftigt war, um mitzukriegen, wie es dir geht. Erst als Scarlett gestern das mit der Magersucht gesagt hat ist mir aufgefallen, dass ich dich die letzten Tage gar nicht gesehen habe." Endlich löste sich Cassie von der Freundin und starrte in eine andere Richtung. Schön, Gil hatte eigene Probleme und ihr Verhalten vom Wochenende hatte nichts mit ihr zu tun gehabt. Aber reichte das jetzt nicht? Tränenreiche Versöhnung, mit Umarmung und allem drum und dran. Konnte Gil es jetzt nicht gut sein und Cassie mit ihren eigenen Problemen allein lassen? Aber sie wusste ja nicht, dass die Geheimnisse der eben wieder gewonnenen Freundin viel zu peinlich waren, als dass man sie ebenfalls erzählen konnte. "Komm schon, Cassie. Was ist passiert?" "Nick...", murmelte das Mädchen wider Willen und dann strömten die Ereignisse der letzten drei Tage nur so aus ihr heraus. Sie erzählte von Jessies Bitte, von Nicks Kuss, von der Barbie, Jessies Reaktion auf ihre Lügenbeichte, Aaron und Scarlett, die Wette...nichts ließ sie aus. Schlussendlich rang Cassie sich sogar dazu durch, von ihren verwirrenden Träumen zu erzählen. "Chris hat gesagt, ich soll zum Schulpsychologen gehen", meinte Cassie scherzhaft. "Was denkst du, würde der mir raten?" "Wahrscheinlich ein Traumtagebuch anzulegen und durch Yoga mit deiner Seele Kontakt aufzunehmen." Gil grinste. "Aber Tatjana ist gar nicht so schlimm." "Was...wieso?", fragte Cassie perplex. "Sie ist total arrogant und hochnäsig und verführt mich zu..." "...abartigen Wetten, ja ich weiß, Cassie, aber sie ist nett und intelligent. Was soll ich sagen, sie ist einfach in Ordnung. Und es ist doch normal, dass man um seinen Freund kämpft. Vielleicht nicht gerade auf diese Weise, aber es sind nun mal nicht alle Menschen gleich." Cassie verschränkte demonstrativ die Arme vor der Brust. "Und was Nick angeht, der ist im Moment sowieso komisch drauf. Liegt wahrscheinlich an diesem Streit. Andererseits...sag mal, magst du ihn und ich habe es nicht mitgekriegt?" "Oh bitte..." Angewidert verzog Cassie das Gesicht. "Wenn es ein Mädchen in diesem Universum gibt, das nicht auf diesen Vollidioten steht, dann bin das ja wohl ich." "Ja, du hast Recht, auch wenn es noch ein paar mehr Mädchen in diesem Universum gibt, die nicht auf Nick stehen..." "Mmh...wohl wahr. Die Welt steht noch nicht ganz am Abgrund. Weißt du was, ich hab jetzt irgendwie Lust auf eine Zigarette, was denkst du?" Gil verdrehte die Augen. "Cassie, du weißt doch, dass ich nicht rauche..." "Ich doch normalerweise auch nicht, aber nach den letzten Tagen..." Cassie fragte sich, warum sie nicht früher darauf gekommen war. Denn bisher war es immer so gewesen, dass Rauchen ihr irgendwie geholfen hatte, wenn sie total am Ende war. Ob es nun am Nikotin lag, das seit neuesten Untersuchungen schon nach wenigen Sekunden ihr Gehirn vernebelte oder an der Ruhe zum Nachdenken, während sie nichts tat als ab und zu an dem Glimmstängel ziehen, aber es half. "Ich kann sowieso nicht, Pascal wollte mich noch in dieser Pause sehen." Na toll, Freundin. "Ja ja, verstehe", grummelte Cassie und stand auf. "Wir sehen uns dann in Chemie. Und tu ja nichts Unsittliches während ich weg bin!" Sie winkte der alten-neuen Freundin zu, die ihr als Antwort nur die Zunge herausstreckte. Cassie lachte in sich hinein und machte sich auf den Weg zum Hinterausgang, denn die Raucherecke befand sich draußen. Innerhalb des Schulgebäudes waren jede Menge Rauchmelder installiert und wer die auslöste, bekam echte Probleme. Während das Mädchen, völlig berauscht von der wieder gewonnenen guten Laune, die Pausenhalle entlang tapste, sah sie sich nach Aaron um. Der konnte es gar nicht leiden, wenn seine Schwester rauchte. Was wiederum Cassie auf die Palme brachte, da es verdammt noch mal ihr Leben war und sie sich, wenn es hinkam, vielleicht alle zwei, drei Wochen eine Zigarette ansteckte. Andererseits...sollte der sich doch aufregen, ihr konnte es ja so was von egal sein. Sollte er sich doch bei der Hexe über seinen fast schon kriminellen Zwilling ausheulen gehen. Mit diesem Gedanken, der ihre Laune zusätzlich anhob, trat sie nach draußen in den immer noch kühlen Frühlingsvormittag. Vielleicht hätte sie sich doch eine Jacke mitnehmen sollen? Aber eine Zigarette zu rauchen nahm ja keine zwei Stunden in Anspruch. Also schlang das Mädchen nur die Arme um sich selbst und ging nach links, in die entgegen gesetzte Richtung des Sportfeldes, auf dem aufgrund der Pause ein paar Jungs Fuß- und Basketball spielten. Dann noch mal links, sodass sie sich jetzt auf der von hinten gesehen rechten Seite des Gebäudes befand...und dort blieb sie wie angewurzelt stehen. Warum passierte so etwas immer ihr? Sie hatte doch gerade so gute Laune gehabt! Sogar die Wette hatte sie vergessen, aber jetzt... Gefrustet wollte sie den Rückzug antreten, aber pech! Die Person, die Cassie eigentlich auf keinen Fall sehen wollte, hatte sie gesehen. "Willst du eine?" "Was?" Cassie kam vorsichtig einen Schritt näher. Nick, der in der Mitte des kleinen Kreises stand, der von Steinhockern gebildet wurde, hielt ihr eine halbvolle Packung Lucky Strikes hin. Okay, okay, okay. Tief durchatmen. 1.Wieso war hier, in einer großen Pause, in der Raucherecke, niemand außer ihm? 2.Wieso bot er ihr eine Zigarette an? Und das in einem für ihn recht umgänglichen Ton? 3.Seit wann, zum Teufel, rauchte dieser Junge überhaupt? "Ähm ja, danke." Cassie ging zu ihm und nahm sich eine Zigarette. Ein Feuerzeug besaß sie selbst und im nächsten Moment spürte sie den ersten entspannenden Zug in der Lunge. Sie fragte sich, ob sie nach diesem Gedanken zu urteilen, wirklich noch nicht süchtig war. Aber nein, nicht von ein oder zwei Zigaretten im Monat. Und öfter konnte sie gar nicht rauchen, da sie sich nie selbst Zigaretten kaufte sondern immer schnorren ging. Und sie kannte echt keinen, der ihr das regelmäßig durchgehen lassen würde. "Seit wann rauchst du?" Hey, die Frage hatte sie doch eigentlich stellen wollen! "Schon seit ich vierzehn bin, aber nur wenn ich Stress hab." Sie blies den Rauch aus. "Und du?" "Weiß nicht mehr. Hab, glaub ich, in der siebten Klasse angefangen. Damals hab ich täglich geraucht, dann für fast ein Jahr gar nicht mehr und so ging es ständig hin und her, bis ich dieses Wochenende wieder angefangen hab." Er sah ihr in die Augen und grinste. Das war echt unglaublich! Nicht nur, dass sie beide hier schon wieder standen und ein völlig normales Gespräch führten wie erst Freitagabend. Nein, er hatte auch noch dieses Wochenende wieder mit Rauchen angefangen. Hatte das vielleicht einen besonderen Grund? Aber nein. Cassie schüttelte mental den Kopf. Als ob ihn die Sache so mitgenommen hätte. Wahrscheinlich steht Tatjana einfach auf Raucher und da er sie rumkriegen will...okay, Ende! Magen an Gehirn: Hör sofort auf zu denken! Sie wandte ihre Aufmerksamkeit wieder dem Jungen zu. Nick zog an seiner Zigarette, während er das Mädchen nicht aus den Augen ließ. Ihr Blick jedoch haftete jetzt an seinem Mund, als er den Rauch fast schon sexy ausblies. Gott, machte er das extra oder was? Wahrscheinlich, so wie sie den Jungen kannte. Nach einiger Zeit war er fertig, ließ die Kippe fallen und trat sie aus. Nick sah sie an. Wollte er gehen? Irgendwie hatte Cassie momentan gar nichts gegen seine Gesellschaft, vor allem, da sie die Wette hier draußen ohnehin nicht einlösen konnte. Schließlich sah keiner zu. Also kein Stress, was sich jedoch ändern würde, wenn der Junge beschloss, wieder reinzugehen. "Wo ist eigentlich Tatjana?" Als Nick die Stirn runzelte und sein Blick durchdringender wurde, sah Cassie schnell woanders hin. Hey, das war nur eine einfache Frage gewesen. Und in vollkommen lockerem Tonfall. Also sollte der sich ja nichts einbilden, Idiot! "Weiß nicht. Wieso?" "Nur so." Okay, okay. Cassandra, du warst auch schon mal geistreicher. "Ach komm schon, warum solltest du nur so fragen?" "Nur so halt!" Ganz ruhig, alles wird wieder gut.... "Hey!" Abwehrend und zugleich grinsend hob Nick beide Hände. "Reg dich ab!" Schmollend drehte sich Cassie, immer noch ihre Zigarette in der Hand, um. Sie wusste genau, blieb sie noch eine Minute länger hier, würde das alles in einer Katastrophe enden. Wieder mal. "Warte." Nanu, hatten wir diese Szene nicht schon mal? Doch diesmal blieb das Mädchen tatsächlich stehen. Nick ging um sie herum und versuchte, ihr in die Augen zu sehen, doch Cassie starrte stur zu Boden. "Was ist?", fragte sie genervt. Das Mädchen zuckte erschrocken zusammen, als sie eine leichte Berührung an ihrem Kinn spürte. Nick schob es mit zwei Fingern sachte nach oben, bis sie ihm in die Augen sah. "Was ist?", fragte Cassie noch mal und bemühte sich, einfach nur sauer zu klingen. Nicht irgendwie irritiert aufgrund der sanften Berührung, die sie dem Jungen gar nicht zugetraut hätte und die sich, zugegebenermaßen, gar nicht so schlecht anfühlte. "Ich will-" "Was denn, suchst du dir dein nächstes Opfer?" Augenblicklich ließ Nick von dem Mädchen ab und wirbelte herum. Pascal, der schräg vor ihnen stand, starrte seinen Halbbruder mit hasserfülltem Blick an. Cassie konnte ein frustriertes Stöhnen nicht unterdrücken. Warum, wusste sie allerdings selbst nicht. "Wenn ich du wäre, würde ich mich von ihm fernhalten. Er ist gefährlich. Und damit meine ich nicht, dass er ein Aufreißer ist!" Pascal hatte bei diesen Worten Cassie angesehen. "Halt die Klappe, du weißt doch gar nicht, was du da redest!", fauchte Nick. Cassie blickte von einem zum anderen. Was ging denn hier? Und sollte Pascal nicht drinnen bei Gil sein? Die Antwort auf die zweite Frage kam prompt, als das schwarzhaarige Mädchen nun ebenfalls um die Ecke gehetzt kam. "Pascal, lass es gut sein, bitte...", keuchte sie atemlos. Offensichtlich waren die beiden nur spazieren gewesen, als der Junge die Stimme seines Bruders gehört hatte. So jedenfalls reimte es sich Cassie zusammen. "Du kennst ja nicht mal die ganze Wahrheit, Gil", meinte Pascal und ließ Nick, der immer noch so vor dem blonden Mädchen stand, keinen Moment aus den Augen. "Ach, aber du?" Nicks Stimme triefte vor Ironie. Cassie wagte sich ein paar Schritte nach vorne, so dass sie jetzt wenigstens sein Profil sehen konnte. Komischerweise wirkte der Junge äußerlich vollkommen ruhig. "Ich weiß, du hast nicht damit gerechnet, aber ich hab es rausgefunden! Lara selbst hat es mir klargemacht." "Pascal..." "Er hat sie vergewaltigt, Gil." "Das ist nicht wahr!" Nick verlor die mühsam aufrecht erhaltene Beherrschung. "Lara hätte so etwas nie gesagt, weil es verdammt noch mal gelogen ist!" Cassie ließ die Kippe fallen und suchte geschockt den Blick der Freundin, doch die war damit beschäftigt, auf die beiden Jungs einzureden, um zu verhindern, dass es zu einer Prügelei kam. Cassie jedoch bekam von Gils Worten überhaupt nichts mit. Sie hörte einfach nichts mehr, so als hätte ihr jemand eine Glocke über den Kopf gestülpt. Nick sollte ein Mädchen vergewaltigt haben? Sie konnte es nicht glauben. Nicht der Nick, den sie kennen gelernt hatte! Er war nicht so, er würde so etwas nie tun, außerdem hatte er es gar nicht nötig! Andererseits...war diese Lara nicht lesbisch und somit unerreichbar für den Jungen gewesen? Vollkommen betäubt machte das Mädchen einen Schritt vorwärts. Dann noch einen und noch einen. "Cassie!" Für das Mädchen hörte sich Nicks Ruf an, als befände sie sich unter Wasser. Total verschwommen und unverständlich. Also ging sie einfach weiter. Als sie den Hintereingang erreichte, drückte sich jemand mit ihr durch die Tür. "Cassie..." Doch sie hörte immer noch nicht. Wie in Trance lief sie weiter, an dem großen Eingang zur Cafeteria und den Schließfächern vorbei. "Cassie!" Plötzlich wurde das Mädchen so grob gegen die Wand gedrückt, dass ihr ein Aufschrei entfuhr. Sie starrte den Junge an, der sie an den Schultern und mit dem eigenen Gewicht gegen den harten Hintergrund presste. Nick sah nicht besser aus, als sie sich fühlte. Er wirkte verwirrt, seine Wangen waren völlig blutleer und die hellen Augen weit aufgerissen. Ein paar Strähnen fielen ihm ins Gesicht. "Du darfst nicht glauben, was Pascal da erzählt, hörst du? Er lügt!" Das Mädchen antwortete nicht. Sie starrte nur den Jungen an, der ihr völlig fertig erschien und verbot es sich selbst, zu denken und zu reagieren. "Was ist los? Cassie?" Doch das Mädchen hatte sich völlig von der Außenwelt abgeschirmt. Nicks Worte ergaben einfach keinen Sinn für sie. Das Mädchen war zu geschockt. Deshalb registrierte sie auch nicht, wie sich immer mehr Schüler neugierig in ihre Richtung drängten. Auch Pascal und Gil befanden sich nur einige Meter von ihnen entfernt und das Mädchen schaffte es gerade so, ihren Freund davon zu überzeugen, dass er Nick und Cassie in Ruhe ließ. "Cassie!" Der dunkelhaarige Junge begann, das Mädchen sachte zu schütteln, doch sie zeigte noch immer keine Reaktion. Außer, dass sie ihm starr in die nun sorgenvollen Augen sah. "Verdammt, was ist denn los?" Verzweifelt betrachtete Nick das Mädchen, überlegte fieberhaft, was er tun sollte. Vielleicht jemanden holen, vielleicht brauchte sie wirklich Hilfe? Und dann legte er kurzerhand seine Lippen auf ihre. Überwältigt schloss er die Augen - denn obwohl Cassie diesmal nicht zurückküsste war das Gefühl nicht weniger berauschend als das letzte Mal. Nick löste sich von den Lippen des Mädchens, nur um sie gleich darauf wieder zu streifen und wieder leidenschaftlich zu küssen. Er wusste selbst nicht, warum er das tat. Es war nur so ein Gefühl. Und auf einmal kam Leben in das Mädchen. Sie schloss ebenfalls die Augen, legte eine Hand in Nicks bloßen Nacken und erwiderte die Zärtlichkeit. Allerdings nur kurz. Kaum einen Augenblick später riss sie panisch die Augen auf, schubste den perplexen Jungen grob von sich und rannte, ohne ihn noch einmal anzusehen, den Gang entlang. "Warte!" Nick wusste nicht, warum er ihr das immer wieder hinterher rief, doch er konnte sie nicht gehen lassen, nicht jetzt. Nicht in dieser Situation, nicht mit diesem Bild, dass sie von ihm mit sich herumtrug. Warum ihm das so wichtig war, darüber dachte er gar nicht erst nach, wusste er doch, dass ihm die Antwort nicht gefallen würde. Also hastete er dem Mädchen einfach hinterher. Immer noch, ohne die teils dreckig grinsenden, teils verwirrt wirkenden Mitschüler zu registrieren. Cassie, die nichts weiter wollte, als endlich Abstand von Nick zu gewinnen, bog so schnell sie konnte links ab, riss die Tür zur Mädchentoilette auf und knalle sie dem Jungen vor der Nase zu. Der jedoch stieg großzügig über das unausgesprochene Verbot hinweg und öffnete ebenfalls die Tür. Ein brünettes Mädchen, an das sich Nick dunkel erinnerte, weil er mal mir ihr aus gewesen war, starrte ihn etwas perplex an und verließ dann achselzuckend den Raum. Cassie und er waren allein. Nick ging langsam auf das Mädchen zu, welches mit dem Rücken zu ihm stand und ihn durch den Spiegel hindurch finster ansah. "Kannst du nicht lesen? An der Tür steht MÄDCHENKLO!!!" Oh wunder, sie hatte ihre Sprache wieder gefunden! Nick seufzte, teils erleichtert, teils aufgrund einer dunklen Vorahnung, dass es das auch nicht einfacher machen würde. "Was Pascal gesagt hat-" "Halt endlich die Klappe und verschwinde!" Cassie wirbelte herum und starrte Nick wütend an. Sie hatte sich im Grunde nicht vorstellen können, dass der Junge das getan hatte, wofür sein Bruder ihn beschuldigte. Aber jetzt.... Wenn er sie küsste, nur um sie zum Reden zu zwingen, zu was war er dann noch fähig? Okay, ihr war klar, dass man das nicht vergleichen konnte, aber trotzdem. Cassie war so enttäuscht von diesem Jungen, der da vor ihr stand und sie mit diesem seltsamen Blick musterte, dabei war sie sich selbst nicht sicher, warum. "Nein. Ich gehe nicht, bevor du mir zugehört hast, Cassie." Seine Stimme war ruhig, sachlich. Und das Mädchen tickte aus. "ICH DIR ZUHÖREN, WARUM SOLLTE ICH? LASS MICH ENDLICH IN RUHE! GEH, VERDAMMT, GEH!" Nick zuckte bei diesem hysterischen Wutanfall zurück, dann begann er auf das Mädchen einzureden, das ihn mit schriller Stimme immer wieder anschrie. Doch seine Worte gingen einfach unter. "HAU AB, ICH WILL DICH NICHT MEHR SEHEN, GEH, GEH, GEH, GEH, GEH, GEH, GEH!" Cassies Kopf flog aufgrund des plötzlichen Schlages nach rechts, das Klatschen hallte im gesamten Raum wider. Das Mädchen stand noch völlig unter Schock, da packten sie zwei kräftige Hände an den Oberarmen und zogen sie leicht nach vorne. "Sieh mich an", flüsterte Nick und seine Stimme klang ungewöhnlich sanft. Doch Cassie konnte nicht. Stattdessen sah sie weiter zur Seite, während ihr Tränen in die Augen stiegen. Die ganze Energie, die sie eben noch durchströmt hatte war mit einem Mal verschwunden. Zurück blieb nur die Erkenntnis: Nick hatte sie geschlagen. Nicht besonders fest, aber er hatte sie geschlagen. "Bitte", flehte Nick und diesmal kam das Mädchen der Aufforderung nach. Mit aller Macht gegen die Tränen kämpfend sah sie dem Jungen in die blau-grünen Augen. "Ich habe niemals ein Mädchen vergewaltigt. Pascal lügt entweder oder steigert sich da in was rein. Und ich habe dich eben nicht aus Berechnung geküsst. Ich hab mir Sorgen gemacht, weil du so apathisch warst und dann ist es eben passiert. Es tut mir leid." Cassie erwiderte nichts. Was sollte sie auch sagen? "Und...", begann der Junge wieder und biss sich etwas unbeholfen auf die Unterlippe. "Und es läuft nichts zwischen mir und Tatjana. Bitte glaub mir." Cassie starrte Nick an und sah im Grunde doch nichts. Beinahe fühlte sie sich wie vorhin in der Pausenhalle. Einfach vollkommen ausgelaugt und nicht fähig, irgendetwas zu tun. Doch diesmal riss Cassie sich zusammen, blinzelte kurz und suchte dann mit klarem Blick den des Jungen. "Dir glauben...", murmelte sie und befreite sich aus Nicks Griff. "Warum sollte ich dir glauben?" Cassie wartete kurz mit verengten Augen, wartete auf eine Antwort. Doch der Junge blieb stumm und sie wandte sich von ihm ab. Die Tür fiel mit einem kalten Klicken zu und Nick war allein. Sein Blick streifte den Spiegel und er wunderte sich über die Verlorenheit, die er ausstrahlte. Außerdem war da ein schwacher Schimmer in seinen Augen, der versuchte, sich einen Weg zu bahnen. Tränen? Also bitte, er würde doch jetzt nicht heulen. Nicht wegen ihr. Nick fuhr sich mit der Hand durch die Harre und schließlich über die Augen, während er mit einem bestimmten Gedanken spielte. Doch dann schüttelte er den Kopf. Diesmal würde er ihr nicht hinterherlaufen. Draußen war es dunkel, nur der Mond verbreitete schwaches Licht. Er war die einzige Quelle, die ein wenig Helligkeit in das finstere Zimmer warf. Nick saß auf seinem Bett und starrte aus dem Fenster. Er lächelte freudlos, als ihm klar wurde, dass er das viel zu häufig in letzter Zeit tat. Es war halb elf, einfach lächerlich früh, um so melancholisch wie er allein in einem dunklen Zimmer zu sitzen. Er musste ein wirklich jämmerliches Bild abgeben. Raphael hatte ein Date, mit wem wusste der Junge nicht und es war ihm ehrlich gesagt auch egal. Tatsache war nur, dass sein Freund sicher nicht allzu früh wiederkommen würde. Aber Raphael war in letzter Zeit sowieso eine Sache für sich. Meistens war Nick froh, wenn er ihm nicht über den Weg lief. Denn dieser Junge fing einfach immer wieder an, dummes Zeug zu plappern und in solchen Situationen fiel es Nick äußerst schwer, sich im Zaum zu halten. Und warum? Ja, das war die Frage. Eine Frage, über deren Antwort er nachdenken könnte, jetzt, wo er sowieso nur nichtstuend auf seinem Bett saß. Aber er hatte keine Lust, viel lieber dachte er an gar nichts. Und das war das Seltsamste. Er war lustlos. Er hatte einfach keine Lust auf gar nichts, dabei hatte er sonst immer alle mit seiner Lebhaftigkeit in den Wahnsinn getrieben. Aber jetzt – niente. Raphael vertrat ja immer noch die Theorie, dass es an Cassie lag. Ein Gedanken, bei dem Nick nur ironisch grinsen konnte. Gerade sie. Schön, er konnte nicht leugnen, dass er sich, wenn es um sie ging seltsam aufführte. Er war nicht so kindisch, es abzustreiten. Das Rumgezicke, die Provokationen, der Kuss, die Phasen der Nettigkeit, die Sorge, der wiederholte Kuss, die Ohrfeige. All das war nicht Nick. Nicht normalerweise jedenfalls. Ihm war es egal, was andere von ihm dachten und er machte sich auch keine Sorgen um Mädchen, die er küsste. Und er mischte sich nicht ein, wenn sie hysterische Anfälle bekamen. Er wusste immer noch nicht so genau, warum er eigentlich versucht hatte, Cassie zu beruhigen. Er hätte einfach abhauen können, sie mit ihrer Wut allein lassen. Aber irgendwie hatte er es wichtig gefunden, sie auf den Boden zurückzuholen, es war so ein Gefühl gewesen. Und Angst. Angst, dass sie sich in ihrer Verzweiflung etwas tat. Und deshalb hatte er sie geschlagen, als er keinen anderen Ausweg mehr gesehen hatte. Er wusste nicht, ob es richtig oder falsch gewesen war, doch rückgängig machen konnte er es ohnehin nicht. Nick dachte an Cassies Reaktion, aber er kam nicht weit, denn plötzlich klopfte es an der Tür. Nick stöhnte genervt und blieb reglos sitzen. Vielleicht würde der Störenfried wieder abziehen, wenn er dachte, das Zimmer wäre leer. Falsch gedacht. Nick hörte, wie die Türklinke heruntergedrückt wurde und sah wenig später den Umriss einer Gestalt im Türrahmen. "Nick?" "Was ist?" Ja, er wusste, er war schon freundlicher gewesen, aber was wollte denn bitte Tatjana hier? Hatte er sie etwa eingeladen oder lief sie ihm überall hinterher? "Ich hab dich gesucht, darf ich reinkommen?" "Du bist doch schon so gut wie drin", maulte der Junge. Tatjana bewegte sich keinen Zentimeter. "Ich will dich nicht stören und wenn du mich nicht sehen willst, geh ich wieder." Das Mädchen ging einen Schritt rückwärts und zog die Tür mit sich. "Nein, schon in Ordnung. Komm rein", sagte Nick, einem plötzlichen Impuls nachgebend. Tatjana konnte ja auch nichts dafür und vielleicht tat ihm Ablenkung ganz gut. "Danke." Sie lächelte ein wirklich schönes Lächeln, trat ein und schloss die Tür hinter sich. "Wieso hast du mich gesucht?" "Ich wollte wissen, was mit dir los ist." Tatjana stand etwas unbeholfen mitten im Zimmer, denn offensichtlich hatte sie Angst, sich unaufgefordert neben Nick auf das Bett zu setzen. "Ich hab dich heute mit Cassandra in der Pausenhalle gesehen. Und ich wollte fragen, ob alles in Ordnung ist." Nick lachte freudlos und stand auf. Er sah in die großen braunen Augen des Mädchens. "Warum sollte etwas nicht in Ordnung sein, Tatjana?" "Ich meine ja nur. Wegen dem Kuss. Und du sahst heute nicht so glücklich aus", murmelte das Mädchens. "Der Kuss...", Nick lächelte charmant und irgendwie ging es ihm gleich besser. Das war der richtige Nick. "Es war kein Kuss, nur...", er überlegte kurz, während er verspielt die Augen verdrehte. "Weißt du, eigentlich war es gar nichts." Er ging auf Tatjana zu, legte die rechte Hand an ihren Hals und presste seine Lippen auf ihre. Sie war zu überrascht um zu reagieren, doch es störte den Jungen nicht. Schon im nächsten Moment drang er mit seiner Zunge in ihren Mund ein und spielte verführerisch mit ihrer. Nach einiger Zeit löste sich Nick von Tatjana und grinste. Es war ein Grinsen, das bei dem Mädchen einen wohligen Schauer auslöste. "Siehst du, das war ein Kuss." Er hielt ihren Blick gefangen und begann, ihre Bluse aufzuknöpfen bis er sie ihr schließlich von den zierlichen Schultern schob. Tatjana begann einen zweiten Kuss und zog ihm nun ihrerseits sein Shirt aus. Sie wusste, sie würde dieses Zimmer heute Nacht nicht mehr verlassen. Hi, vielen Dank für all die lieben Kommis! Könnte mir vorstellen, dass einige mit dem Verlauf diesen Kapitels nicht so zufrieden sind ^.^ Aber was soll man machen? Über eure Meinung, egal welche, würde ich mich freuen! Tut mir auch leid, dass ich solange gebraucht habe. Mal sehen, ob ich es das nächste mal schneller hinkrieg! Bye Eure Kendra Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)