Treffpunkt: 19.00 Uhr, Nirgendwo in Tokyo von Kokomiko ================================================================================ Kapitel 1: Das erste Treffen ---------------------------- "Sorry, das ich jetzt erst komme." Kokomiko kam ins Zimmer gehetzt. Die bereits Wartenden schauten sie an. "Mir ist ständig was dazwischen gekommen. Aber nun gibts was neues. Fürs WE sozusagen. Bin gespannt wie das euch diesmal gefällt." Alle Anwesenden setzten sich und Kokomiko begann. ________________________________________________________________________________ Ran schreckte hoch. Irritiert rieb sie sich die Augen. War sie bei den Hausaufgaben eingeschlafen? Sie warf einen Blick auf die Uhr auf ihrem Schreibtisch. Es war 19.00 Uhr. Schon? Ran sah sich um. Am Fenster blieben ihre Augen hängen. Draußen war es schon dunkel. Nachdenklich erhob sie sich und begab sich gedankenverloren zum Fenster. Irgendetwas zog sie magisch dorthin. Sie wusste nur nicht was es war. Mit leerem Blick schaute sie auf die Straße unter sich. Die Straßenlaternen gaben nur ein schwaches Licht ab. Hin und wieder eilte ein Passant vorbei. Nichts besonderes an einem Abend wie diesen. Ran wollte sich gerade abwenden und um sich wieder ihren Hausaufgaben zuwidmen, als sie im Augenwinkel einen Schatten vorbeihuschen sah. Schnell schaute sie ihm hinterher. Aber so schnell dieser Schatten erschienen war, so schnell war er auch verschwunden. Sollte sie sich getäuscht haben? Sollten ihre Augen ihr etwa einen Streich gespielt haben? Nein bestimmt nicht. Hastig schlüpfte sie in ihre Schuhe und rannte auf die Straße. Niemand war zu sehen. Langsam ging Ran auf die Ecke zu. Hier war der Schatten verschwunden. Sie spähte die Straße hinab. Konnte sie ihn noch sehen? Nein. Nichts. Also hatte sie sich am Ende doch getäuscht? Nein! Ran war sich sicher, sie hatte diesen Schatten gesehen. Mechanisch setzte sie einen Fuß vor den anderen und folgte der Straße weiter hinab. Ja schon fast zwanghaft wollte sie dieses Rätsel um den Schatten lösen. Er zog eine unsichtbare Spur hinter sich her, der sie unaufhörlich folgte, ob sie wollte oder nicht. Und so glaubte sie den Weg zu kennen. Schritt um Schritt ging sie ins nirgendwo. Immer weiter dieser Schattengestalt hinterher. Nach einiger Zeit sah Ran sich um. Sie hatte nicht die geringste Ahnung wo sie sich nun befand. Von ihr unbemerkt und den Weg zurück verloren, war sie in einer gottverlassenen Gegend angekommen. Hier gab es nur Lagerhallen und unzählige verwinkelte Straßen. Alles erinnerte an ein Labyrinth. Der Mond erhellte die Gegend nur spärlich. Mehr Licht gab es nicht. Ran begann zu zittern. Einerseits vor Kälte, denn in ihrer Eile hatte sie vergessen sich eine Jacke anzuziehen, andererseits vor Angst. Diese Gegend hier machte nicht gerade den seriösesten Eindruck. Und hier wollte sie den Schatten wiederfinden? Ein aussichtloses Unterfangen. Aber zurück nach Hause konnte sie auch nicht mehr. Sie musste weiter. Da! Ihre Augen fingen trotz Dunkelheit eine Bewegung ein. Sollte das derjenige sein den sie suchte, sollte das der Schatten gewesen sein. Geräuschlos huschte er dahin, kaum zu erkennen. Ran sprintete los. Noch einmal wollte sie ihn nicht aus ihren Augen verlieren. Sie bog in die Gasse ein, in der er verschwunden war und blieb stehen. Doch da war nichts. Aber sie hatte genau gesehen wie er hier in diese Straße geschlüpft war. Und nun stellte sich diese als Sackgasse dar und weit und breit war keine Menschenseele zu sehen. Kaum hörbar drangen leise Stimmen an ihr Ohr. Oder war es doch der Wind? Schritte näherten sich hinter ihr. Da! Das ist er. Wieso er nun aus einer anderen Richtung kam, das war Ran jedoch schleierhaft. Sie drehte sich um und wollte ihm gerade entgegenlaufen, als sich eine Hand auf ihren Mund presste und ein Arm sich um ihren Körper legte. Ran erstarrte vor Schreck und vergaß, das es für sie eigentlich kein Problem darstellte, sich aus dieser Umklammerung zu befreien. "Sscht." Eine vertraute Stimme zischte ihr ins Ohr. Im gleichen Moment wurde sie nach hinten in die Dunkelheit gezogen. Dort blieben sie beide stehen. Noch immer hielt die Person ihre Hand auf Rans Mund und den Arm um ihren Körper. Wie versteinert, verfolgte Ran mit großen Augen, wie zwei Männer an der Straße vorbeigingen ohne sie zu bemerken. Kaum waren sie zu erkennen. Die Dunkelheit ließ ihre Konturen verschwimmen. Wie Geister schwebten sie dahin. Hätte man nicht ihre Schritte oder ihre Stimmen gehört, hätte man glauben können, sie würden nicht existieren. Ein Kälteschauer kroch ihr den Rücken hoch. Nachdem die zwei Männer verschwunden waren und wieder Stille eingekehrte, lockerte die Person ihre Griffe und ließ Ran los. Sie drehte sich um. Eine Schattengestalt stand hinter hier. Der Schatten! Wie bei den anderen beiden eben, konnte man seine Gestalt kaum erkennen. "Was machst du denn hier?" Fauchte sie die bekannte Stimme an. "Ich habe dich gehen." Antwortete Ran ihr. "Du solltest nicht hier sein. Komm, es ist besser wenn ich dich nach Hause bringe." Flüsterte der Schatten und schob sich an Ran vorbei. Ran folgte ihm. Bevor sie die Straße verließen, blieb der Schatten stehen. Er hob einen Arm und hielt Ran zurück, hinderte sie daran an ihm vorbeizugehen. Und Ran gehorchte wortlos und blieb stehen. Vorsichtig spähte der Schatten um die Ecke. "Weiter!" Sagte er "Aber halte dich dicht an den Hauswänden." Dann lief er los. Ran folgte, als wären sie unsichtbar miteinander verbunden. "Wir müssen da durch." Kurz tauchten sie beide im Mondlicht ein. Kurz nur, aber lang genug damit Ran erkennen konnte, wem sie da folgte. Ran war sich nun ihrer Sache sicher. Der Schatten hatte einen Namen bekommen. Shin-ichi. Endlich hatte sie ihn gefunden. Zügig liefen sie weiter. Bald würden sie diese unheimlichen Lagerhallen hinter sich lassen. Doch plötzlich stoppte Shin-ichi und horchte. "Mist." Murmelte er. Er griff nach Rans Hand und zog sie vom Weg ab in eine kleine Seitenstraße. "Hallo? Ist da wer?" Eine tiefe Stimme rief laut durch die Nacht. Ran erstarrte erneut vor Schreck. Shin-ichi lugte um die Lagerhalle. "Mist." Wiederholte er sich. "Ich glaube sie haben uns entdeckt." Shin-ichi schob Ran weiter nach hinten. Aber nirgends konnte er ein Versteck entdecken, hinter dem sie sich verbergen konnten. Schritte kamen immer näher. Ran geriet in Panik. Nicht nur das diese Gegend ihr Angst einflößte, auch diese tiefe Stimme war ihr unheimlich. War das einer von den beiden Männern, vor denen sie sich verborgen hatten? Ran spürte, sie und Shin-ichi sollten eigentlich nicht hier sein. Sehnlichst wünschte sie sich, sie hätte dieses Abenteuer nie begonnen. Sie drückte sich gegen die Wand und schaute Shin-ichi ängstlich an. Konnte er sie beide hier wieder rausholen? Shin-ichi fixierte Ran mit seinen Augen. In seinem Kopf schien es zu arbeiten. "Wehr dich nicht." Sagte er und griff sie sich. Er zog sie in seinen Arm und drückte ihr einen Kuss auf die Lippen. "Hey ihr." Rief die tiefe Stimme. Shin-ichi löste sich von der zitternden Ran und drehte sich kaum merklich zu dem Rufer um. Immer bedacht, das der Fremde weder ihm noch Ran ins Gesicht sehen konnte. "Hey ihr zwei was macht ihr hier?" Wollte die Stimme wissen. "Lass die beiden. Siehst du doch. Das ist ein verliebtes Pärchen, was einen ruhigen Platz zum knutschen gesucht hat." Ließ eine zweite Stimme vernehmen. Ran linste vorsichtig an Shin-ichi vorbei. Diese zwei Männer, es waren die gleichen von vorhin. Ran erkannte schwach ihre Siluetten. Auch wenn sie nicht deutlich zu erkennen waren. Sie spürte, das sie es waren. Wie vorhin schoss ihr eine Gänsehaut über den Rücken. "Los haut ab. Und lasst euch nicht noch mal hier blicken. Verstanden?" Meckerte der Mann mit der tiefen Stimme. "Ja verstanden." Antwortete Shin-ichi, nahm Ran bei der Hand und beeilte sich an den beiden vorbeizukommen. Tief hielt er den Kopf gesenkt. Ran tat es ihm gleich. Schon bald waren sie außer Sichtweite und in einer belebteren Gegend. Die Straßenlaternen spendeten sanftes Licht und Ran beruhigte sich allmählich wieder. Shin-ichi ließ Rans Hand los und lief wortlos vor ihr her. Ran folgte ihm schweigend. Sie achtet nicht auf den Weg den sie nahmen. Ein innerer Zwang sagte ihr, das sie ihm nur folgen musste. Dieses unsichtbare Band hielt sie lediglich 2 Schritte hinter ihm. Änderte er die Richtung, tat sie es auch, ohne nachzudenken. Stattdessen kreisten die eben geschehen Ereignisse durch ihren Kopf. Woher wusste sie das der Schatten den sie gesehen hatte Shin-ichi war? Woher wusste sie wo er war? Wie hatte sie den Weg zu diesen unheimlichen Lagerhallen, den Weg zu ihm gefunden. Warum benahm Shin-ichi sich so eigenartig? Warum versteckte Shin-ichi sich vor diesen Männern? Aus Angst? Er wollte nicht, das sie ihn erkannten. Und wieso hatte sie selbst so eine panische Angst vor diesen Männern, von denen sie nicht mal wusste wer sie waren? Weil Shin-ichi Angst hatte? Ran schaute zu Shin-ichi vor ihr. Warum tat sie das was er wollte? Warum wehrte sie sich nicht dagegen? War es das Vertrauen das sie von jeher zu ihm besaß? Das Vertrauen das er immer eine Lösung wusste, das er immer das richtige tat, ihr immer half? Weil er eigentlich immer bei ihr war? Weil sie ihn heimlich liebte? Dieser Kuss eben! Ihr erster Kuss! Irgendwie hatte sie ihn sich anders vorgestellt. Nicht so grob und roh, eher sanfter und zärtlicher. Verliebt wollte sie in seine Arme sinken und sich dem berauschenden Gefühl hingeben. Aber ihn rührte das nicht. Ran blieb stehen. Er hatte es nicht verdient, das sie ihm vertraute. So gefühllos wie er mit ihr ungegangen war. Nicht nur das er sie angefaucht hatte, nein, er hatte mit diesem Kuss ihre geheimen Gefühle verletzt. Sie hatte ihn gesucht und gefunden. Nun bereute sie es. Sollte er doch wieder verschwinden. Kaum das sie stehen blieb, so stoppte auch er, in nur einem Bruchteil einer Sekunde. Shin-ichi schien zu spüren, das sie angehalten hatte. Er wandte sich Ran zu. Sie standen da und starrten sich an. Ran zitterte immer noch. Diese ganzen Ereignisse ließen sie nicht zur Ruhe kommen. Ihr Körper rebellierte und außerdem war ihr immer noch kalt. "Warum läufst du ohne Jacke bei dieser Witterung herum." Fuhr Shin-ichi sie an. "Das geht dich nichts an. Lass mich vorbei ich will nach Hause." Und schon lief sie los. "Weißt du überhaupt wo wir sind?" Ran blieb stehen, drückte fest ihre Arme an den Oberkörper und versuchte ihr Zittern zu unterdrücken. Sie schaute sich um. Tatsache sie hatte immer noch keinen blassen Schimmer wo sie sich befand. Und dabei hatte sie sich eingebildet, sich in Tokyo auszukennen. Sie würde den Rückweg nicht finden. Hoffentlich merkte er es nicht. "Warte." Shin-ichi zog sich seine Jacke aus und streifte sich seinen Pullover vom Körper. "Hier." Mit diesem Wort stülpte er ihr den Pullover über den Kopf. "Ich habe Gott sei Dank noch ein wenig mehr angezogen." Dann zog er sich seine Jacke wieder über. "Und nun komm, damit du nach Hause kommst." Beide setzten sich wieder in Bewegung. Sie zwei Schritte hinter ihm, mit gesenktem Haupt. Ran schlang ihre Arme um den Oberkörper und ließ ihre Gedanken treiben. Shin-ichis Pullover spendete ihr Wärme, die Wärme die sie spüren wollte, wenn er sie in den Arm nahm. Noch eben war sie sauer auf ihn, fühlte sich verletzt. Und dann kümmerte er sich so rührend um sie. Dieser Pullover er gab ihr nicht nur Wärme, nein er gab ihr auch Geborgenheit. Es klang unsinnig, aber es war so. Er umhüllte sie wie eine Schutzmantel. Sorgte er sich etwa um sie? Ran hob den Kopf und schaute auf seinen Rücken. Er brachte sie immerhin zurück, zurück an den Ort der ihr Sicherheit geben sollte. Er hätte sie auch nur wegschicken können. Aber nein, er begleitete sie, persönlich. Als wolle er sich davon überzeugen das sie auch gesund ankam. Das hieße doch, er sorgte sich doch um sie. Nur seine Worte, seine Worte ließen nicht darauf schließen. Ehe Ran sich versah, standen sie vor der Detektei. "Mach nicht wieder so einen Unsinn." Sagte Shin-ichi und verabschiedete sich von ihr mit einem Stups auf ihre Nase. Und im nächsten Augenblick war er verschwunden. So schnell, das sie ihm nicht mal hatte antworten können. Ran stieg die Treppe hoch. Sie fühlte sich total geschlaucht. Das was eben passiert war, schien ihr so unwirklich. Müde betrat sie ihr Zimmer. Die Hausaufgaben lagen immer noch auf dem Tisch und warteten das man sie erledigte. Egal, sie schlug Hefte und Bücher zu und verstaute sie in ihrer Schultasche. Dann habe ich morgen eben keine, dachte sie so nebenbei. Es würde das erst Mal sein, das sie ohne gemachte Hausaufgaben in die Schule ging. Und sie hatte nicht einmal ein schlechtes Gewissen dabei. Ran begab sich zu Bett. Ihr Inneres war aufgewühlt. Hunderte Fragen schwirrten in ihrem Kopf herum. Fragen zu denen sie keine Antworten fand. Und dann war da noch dieser Kuss. Immerhin hatte der ihnen dazu verholfen, das sie keine unangenehmen Fragen beantworten mussten. War das der Sinn und Zweck gewesen? Rans Gefühle purzelten durcheinander, sie wusste nicht mehr ob sie ihnen vertrauen sollte oder nicht, was sie von ihnen halten sollte. Sie schloss ihre Augen und fiel in ein tiefes schwarzes Loch. Ein Loch, das ihr all ihre Gefühle und Gedanken raubte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)