Zum Inhalt der Seite

STARRE

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Das Aufeinandertreffen

Wir verließen gemeinsam das Haus und Marcus zündete sich erst einmal eine Zigarette an. „Meinst du, sie sind auch abgehauen?“, fragte ich Marcus zögerlich. Doch dieser schüttelte nur den Kopf. „Niemals, dafür sind sie beide nicht der Typ“, antwortete Marcus und klopfte die Asche von seiner Zigarette ab. Dann fuhr er fort: „Sie sind bestimmt vom Jugendamt abgeholt worden und sind jetzt in einem Heim oder so“. Ich nickte verstehend und fragte ihn, was er jetzt vorhabe. Er überlegte kurz und antwortete nachdenklich: „Es gibt ein Heim hier in der Nähe“. Dann zog er wieder an seiner Zigarette und setzte nach: „Aber ich denke, wir gehen erstmal zu Jona. Er ist ein Kumpel von mir und weiß vielleicht, was mit den beiden passiert ist. Falls der Alte gestorben sein sollte, dann hat das bestimmt die Runde gemacht“. Ich nickte ernst und wir zogen los. Wir kamen an einem verfallenen Mehrfamilienhaus an. Im Flur mischten sich die Gerüche von Müll, Zigaretten und exotischen Gewürzen. Ein wirklich seltsamer Gestank. Ich hatte wieder ein mulmiges Gefühl im Magen und wollte am liebsten umdrehen. Doch ich vertraute Marcus und so folgte ich ihm die Treppen hoch.
 

Als wir an der Wohnung angekommen waren, drückte er die Klingel. Es dauerte nicht lange, bis uns jemand die Tür öffnete. Aus der Wohnung kam ein intensiver Gras-Geruch und vor uns stand ein großer blonder Junge. Er war ein paar Jahre älter als wir und hatte überall am Körper Tätowierungen. Der Junge fing an zu lächeln und begrüßte Marcus mit: „Marcus, du lässt dich auch mal wieder blicken“, und klopfte ihm auf die Schulter. Danach bat er uns herein. Als wir uns auf eine alte braune Couch gesetzt hatten, sagte er mit einer ernsten Miene: „Dein Bruder war letztens bei mir und hat dich gesucht, aber wir konnten dich nicht erreichen“. Noch bevor Marcus antworten konnte, bot er uns ein Bier an, was wir beide annahmen und einen Schluck tranken. Dann erwiderte Marcus: „Es ist viel passiert und ich musste mein Handy abschalten“. Jona nickte verstehend und antwortete: „Ich habe schon gehört, was passiert ist. Das muss echt hart gewesen sein. Aber mach dir keine Sorgen, Michael und Jen geht es gut und auch dein Vater ist noch am Leben. Jedoch hatte der Tag so seine Konsequenzen. Warte ich rufe mal Michael an, dann kann er es dir selber erzählen und so wie der letztes drauf war, wird er sich bestimmt auch riesig freuen von dir zu hören“. Marcus wirkte sichtlich erleichtert und die beiden riefen Michael an.
 

Es dauerte nur knapp eine halbe Stunde, dann klingelte es an der Tür. Ein Junge und zwei Mädchen betraten den Raum. Der Junge von dem Foto, bei dem es sich vermutlich um Michael handelte, ging sofort auf Marcus zu und umarmte ihn herzlich. Doch das Mädchen, welches Jen zu sein schien, wirkte recht reserviert und schaute auf den Boden. Als Michael von Marcus abließ, ging Marcus ohne zu zögern auf sie zu und nahm sie fest in den Arm. Jen fing direkt an zu weinen und entschuldigte sich mit zitternder Stimme, wie sie an dem Tag reagiert hatte und bedankte sich für die Rettung bei Marcus. Marcus lächelte und winkte das ganze mit einem „Kein Problem, ist bereits vergessen“ ab. Als sich Jen wieder beruhigt hatte und sich alle hingesetzt hatten, stellten wir uns einander vor. Dann beschrieb Michael, was in Marcus Abwesenheit alles passiert war und dass ihn die Polizei suchen würde. Marcus nickte verstehend und erwiderte, dass er sich sowas schon gedacht hatte. Dann änderte sich sein Ausdruck. Er wirkte auf einmal sehr bedrückt und beteuerte, dass es ihm furchtbar leid tut, dass die beiden seinetwegen ins Heim mussten. Doch bevor er weiterreden konnte, fiel ihm Jen ins Wort. Sie schüttelte hastig mit dem Kopf und sagte energisch: „Das stimmt zwar, aber du siehst das dennoch falsch. Erst habe ich mir auch große Sorgen gemacht, man wusste ja nicht wie es jetzt weitergeht, aber so wie es jetzt ist, ist es auf jeden Fall besser. Wir hätten dort schon viel früher raus gemusst. Wer weiß, was er als Nächstes mit uns angestellt hätte. Wenn du mich fragst, sollten wir uns eher bei dir bedanken!“. Dann fing sie wieder an zu weinen und Michael stimmte nickend zu.
 

Michael und Anna hielten die ganze Zeit Händchen und gaben sich hin und wieder einen Kuss. Als Marcus das bemerkte, musste er schmunzeln. Wirkte aber sehr glücklich, dass Michael jemanden wie Anna gefunden hatte. Ich für meinen Teil war aber ein wenig eifersüchtig auf die beiden, da ich das Gleiche am liebsten auch mit Marcus machen würde. Dann ergriff Marcus das Wort und erzählte, dass er jetzt in Berlin „wohnte“, aber zurzeit noch bei mir übernachtete und von seinem neuen Job. Als seine Geschwister das Wort „Callboy“ hörten, mussten sie beide schlucken. Man konnte merken, dass sie große Bedenken hatten. Vor allem Jen merkte man an, dass es sie sehr störte und sie etwas dazu sagen wollte. Doch sie behielt es für sich. Das schlechte Gewissen schien sie immer noch nicht loszulassen. Anschließend erkundigte sich Jona, ob Marcus und ich hier übernachten wollten. Wir freuten uns über das Angebot und nahmen dankend an. Nachdem was letztes Mal passiert war, rief ich sofort meine Mutter an. Wenn sie wütend war, konnte sie einem echt Angst machen… Auch Jen, Anna und Michael riefen im Wohnheim an. Die Angestellten dort schienen echt nett zu sein, denn aufgrund der besonderen Umstände bekamen sie eine Sondergenehmigung und durften heute wesentlich länger außer Haus bleiben. Mussten aber versichern, dass sie noch etwas vernünftiges Essen würden.
 

Gemeinsam tranken wir ein wenig Alkohol, bestellten Pizza und Jona ließ einen Joint herumwandern, von dem wir einer nach dem anderen zogen. Es war für mich das erste Mal, dass ich mit Drogen in Berührung kam und ich war dementsprechend sehr aufgeregt. Wollte es mir aber nicht anmerken lassen. Marcus schien es aber bemerkt zu haben. Er nahm meine Hand und drückte sie ganz fest. Dann flüsterte er mir zu, dass ich mir keine Sorgen machen muss und dass Marihuana sehr harmlos sei. Ich war mit der Situation total überfordert und mein Herz begann unaufhaltsam gegen meine Brust zu hämmern.
 

„Gibt es da vielleicht etwas, was ihr uns sagen möchtet?“, fragte Jen mit einem sarkastischen Unterton und alle starrten uns an. Ich spürte, wie mir gleichzeitig heiß und kalt wurde. Eingeschüchtert schaute ich zu Boden. Ich hatte große Angst vor Marcus Antwort. Was ist, wenn er das ganze abwinkte und sagte, dass wir nur gute Kumpels seien? Könnte ich damit umgehen? Doch Marcus legte seine Hand an mein Gesicht und drehte es vorsichtig zu sich. Dann schaute er mir tief in die Augen, lächelte mich an und gab mir einen langen und ausgiebigen Kuss. Der ganze Raum war still, keiner sagte einen Ton. Ich hatte die Augen geschlossen und das Gefühl, als würde es auf der Welt nur uns beide geben. Als Marcus Lippen sich langsam von meinen lösten, hatte ich das Gefühl, als ob die Zeit, die vorher stillgestanden hatte, so langsam wieder an Fahrt aufnehmen würde. So lange hat der Kuss gedauert. Ich öffnete vorsichtig die Augen und sah in Marcus, sein Gesicht, das vor Glück strahlte. Dann wandte er sich an die anderen und sagte ganz locker: „Ach so, das hatte ich ja noch gar nicht erwähnt, wir sind seit ein paar Tagen zusammen“.
 

Alle mussten über Marcus seine Reaktion lachen. Als sie sich wieder beruhigt hatten, gratulierten sie uns aufrichtig. Und ließen es sich nicht nehmen, ausgiebig über Marcus seine „erfolgreichen“ Beziehungen mit Frauen zu reden und das es ein Wunder sei, dass noch keiner bemerkt hatte, dass er homosexuell war. Auch Marcus musste lachen und erzählte von ein paar witzigen Situationen, die er während seiner Dates erlebt hatte. Ich für meinen Teil war in Gedanken versunken. Ich konnte nicht fassen, was gerade passiert war. Das, was ich mir jetzt schon seit Wochen erträumte, ist jetzt einfach so passiert. Ich war extrem glücklich, aber konnte es wirklich so einfach sein?



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück