Vom Regen bis zur Nachtigall von Ryuura (Crowley x Erziraphael) ================================================================================ Kapitel 1: Vom Himmel niedergefahren ------------------------------------ Mit einem tiefen Seufzen saß Erziraphael an einem weißen Schreibtisch, während er einen strahlend weißen Kugelschreiber zwischen seinen Fingern drehte, vor sich ein Stapel ebenso weißer Papiere. Alles hier im Himmel war so wahnsinnig...steril. Der Boden: weiß. Die Decke: weiß. Die Wände: weiß. Sein Engelsgewand: weiß. Es stach ihm regelrecht in den Augen. Der Engel fragte sich ernsthaft, wie er das hier bereits Jahrtausende aushalten konnte. Er hatte Sehnsucht nach Abwechslung, nach Farbe. Grün, Blau, auch seine Lieblingsfarbe Gelb suchte man hier vergeblich. Er wollte warme Farben sehen, wie... rot. Eine Farbe, die ihm unweigerlich Sicherheit und Geborgenheit versprach. Nachdem Erziraphael zugestimmt hatte, die Position des Erzengels Gabriel einzunehmen, waren 7 Jahre vergangen. Normalerweise für Wesen wie ihn ein simpler Wimpernschlag, wenn man ewig lebte. Doch für den Engel fühlte es sich wie eine Ewigkeit an. Vor allem nachdem er so lange Zeit unter den Menschen verbracht hatte, nebenbei bemerkt wahrhaftig famose Lebewesen. Deren Erfindungen waren wahre Meisterwerke der Evolution. Und das Essen erst. Wieder seufzte Erziraphael. Wann hatte er das letzte mal Crêpes? Sich selbst einen Narren schaltend stand der blonde Engel von seinem Schreibtisch auf und strich sein akkurat sitzendes Gewand glatt. Das hatte alles keinen Sinn mehr, er würde sich heute so oder so nicht mehr konzentrieren können. Mit einem Wink seiner rechten Hand ließ er die Dokumente verschwinden und ließ einen leeren Schreibtisch zurück. Ziellos wanderte er durch die unendlichen Gänge des Himmelreichs. Wie schon so oft in den letzten Jahren ließ Erziraphael einige Episoden seiner Zeit auf der Erde Revue passieren. Und ein ganz gewisser Jemand kam ihm dabei immer wieder in den Sinn. Egal in welcher Epoche er sich aufgehalten hatte, egal auf welchem Kontinent er gewesen war, der Dämon Crowley, Gott möge seiner Seele gnädig sein, war nicht weit. Wieso war ihm das nie aufgefallen? Es konnte einfach kein Zufall gewesen sein, dass Crowley immer zur Stelle war ihn zu retten. Ob er Erziraphael nun vor der Guillotine während der französischen Revolution 1793 gerettet und mit ihm daraufhin Crêpes gegessen hatte oder als er London 1941 während des zweiten Weltkrieges eine Kirche für ihn betreten hatte, obwohl sich der Boden für ihn wie glühend heiße Kohlen angefühlt haben musste. Und was hatte er für Crowley getan? Er hatte ihm immer nur Schwierigkeiten bereitet, hatte den Dämon in Situationen gebracht, für die er sich vor dem dämonischen Konzil wieder und wieder verantworten musste, da er ja „Gutes“ getan hatte. Diese Meinung vertrat der Engel auch konsequent: Crowley war schon immer einer der Guten gewesen, auch wenn er dies nicht hören wollte. Und es hatte nie lange gedauert bis der Dämon wieder da war, immer mit einem breiten Grinsen im Gesicht und einem kessen Spruch auf den Lippen. Doch nie hatte der Engel das alles mal hinterfragt. Im Gegenteil, er hatte es als vollkommen selbstverständlich hingenommen und zum Schluss ihrer gemeinsamen Zeit auf der Erde absolut egoistisch gehandelt, wollte ihn wieder in den Engelsstand erheben, ohne sich darum zu kümmern, wie der Dämon darüber dachte. Wofür er sich immer noch sehr schämte. Er konnte gar nicht genug Buße dafür tun, dass er Crowley so vor den Kopf gestoßen hatte. Erziraphael konnte es noch nie leugnen. Er mochte einen Dämon. Und er vermisste ihn, schmerzlich sogar. Er. Ein Engel. Vermisste einen Dämon. Was war nur aus dieser Welt geworden? Und dieses Gefühl, das sich Tag für Tag mehr in ihm ausbreitete, fraß ihn nach und nach von innen auf. Es fühlte sich an, als würde sein inneres Weiß getrübt werden. Das war gar nicht gut. Jedes mal, wenn er an Crowley dachte, trugen ihn seine Füße ohne sein Zutun zu dem göttlichen Aufzug, der Himmel und Erde verband. Und da war er wieder. Stand unschlüssig vor dem Aufzug. Hob die Hand um den Knopf zu drücken damit sich die Türen öffnen würden. Doch wie schon die tausenden Male davor schaffte Erziraphael es einfach nicht, die wenigen Zentimeter zu überbrücken um den Schalter zu betätigen. Er hatte schlichtweg Angst. Angst davor was kommen könnte, was werden würde und was nicht mehr war. Vor allem letzteren hatte der Engel große Angst. "Wieso drücken Sie nicht den Knopf?" Erschrocken fuhr Erziraphael herum und erblickte hinter sich einen jüngeren Engel mit einem naiv-freundlichen Gesichtsausdruck. Sich wieder sammelnd strich er über sein Gewand. "Ich... ich wüsste nicht, weshalb ich den Knopf drücken sollte. Ich muss ihn nicht drücken, musste ich noch nie. Die Frage ist doch eher, was tust du hier, Muriel? Müsstest du nicht auf der Erde sein?“ Stolz, als hätte man ihr einen Orden verliehen, strahlte Muriel dem Blonden entgegen, drückte dabei ein dickes Bündel Papiere an sich. "Ich habe den ehrenwerten Auftrag erhalten, den Namen unseres Herrn und Gebieters unter den Menschen wieder groß zu machen, da die Population in den irdischen Kirchen immer mehr abnimmt. Deshalb habe ich diese Flyer gestaltet, die ich unter den Menschen verteilen möchte." "Du sollst Gottes Namen, gelobt sei er, wieder groß machen? Hat die Menschheit wirklich derart seinen Glauben in ihn und sein großes Tun verloren?" Ein wenig betrübt nickte Muriel. "Leider scheint dem so zu sein. Deshalb habe ich mir überlegt, in meine menschliche Gestalt zu schlüpfen und den Namen des Herren den Menschen wieder in Erinnerung zu rufen." Ein nachsichtiges Schmunzeln umspielte die Lippen Erziraphaels als der jüngere Engel stolz mit seinen Flyern wedelte. Er erinnerte sich daran, als Muriel das erste Mal auf die Erde kam und versucht hatte, ihn und Crowley in seinem Buchladen zu beschatten. Schon damals hatte sich der Engel ein Lachen verkneifen müssen, ein Lachen, das Crowley augenblicklich aus der Kehle gebrochen war, unverschämt wie dieser Dämon war. Allgemein war der Rothaarige nie um eine sarkastische Aussage verlegen. Bei dem Gedanken an ihn kam Erziraphael plötzlich eine Idee. "Diese Aufgabe, die du erhalten hast, ist wirklich groß und zusammen mit der Führung eines Buchladens nicht einfach zu händeln..." Kurz tat der Engel so, als würde er angestrengt überlegen, den aufgeregten und neugierigen Blick Muriels auf sich ruhend. Eigentlich wusste Erziraphael ganz genau, was er sagen wollte, aber ein gewisser Jemand hatte ihm vor langer Zeit beigebracht, dass ein wenig Dramaturgie einem Standpunkt noch etwas Würze verleihen konnte. "Ich würde vorschlagen, dass du nicht alleine zurück auf die Erde gehst. Diese heroische Aufgabe, der du dich widmen möchtest, bedarf es deiner vollen Aufmerksamkeit. Du brauchst Unterstützung in der Verwaltung des Buchladens. Und da ich mich, ohne mich jetzt in den Vordergrund drängen zu wollen, bereits seit mehreren Jahrzehnten um den Laden gekümmert habe, würde ich mich hierfür gerne anbieten." Mit einem milden Lächeln auf den Lippen und den Händen vor dem Bauch gefaltet hatte Erziraphael seine Worte gesprochen, innerlich war er aufgeregter denn je. Ein oberster Engel seiner Position konnte nicht einfach so auf die Erde verschwinden, er brauchte einen triftigen Grund. Und das hier war doch einer. Konnte es wirklich so einfach sein? Das Strahlen, das sich auf Muriels Gesicht bildete, unterstrich Erziraphaels Meinung. "Wi...wirklich? Das würde mir die Arbeit ungemein erleichtern! Also...wenn es Ihnen nichts ausmacht." In einer gütigen, jedoch mahnenden Geste erhob Erziraphael seine Hand, gebot so Muriel zu schweigen. "Nicht doch, es wäre mir eine Ehre, dir in dieser großen Wende des Glaubens zu helfen. Und höre auf so förmlich mit mir zu sprechen, schließlich bist du nun die offizielle Inhaberin des Buchladens und ich nur eine helfende Hand, eine Art...Aushilfe." Kurz blinzelte der jüngere Engel verwirrt, als ihr Erziraphael verschwörerisch zuzwinkerte. Doch es dauerte nur wenige Sekunden, bis sie, ohne es überhaupt zu verstehen, diese Geste mit einem naiven Kichern erwiderte. "Aber natürlich. Meine...'Aushilfe'. Nach Ihn... ich meine... Nach DIR." In einer fließenden Bewegung hatte Muriel den Aufzug geöffnet und bat den älteren Engel mit einer einladenden Geste einzutreten. Dieser folgte direkt und betrat mit flatternden Herzen die ihm bereits wohlbekannte kleine Kabine, die ihn an den Ort bringen würde, den er bereits vor 7 Jahren mit schweren Herzen verlassen hatte. Kapitel 2: Abschied bedeutet auch ein Wiedersehen ------------------------------------------------- Was würde wohl geschehen? Hatte sich die Straße, in der der Buchladen stand, sehr verändert oder waren 7 Jahre in der Menschenwelt genau so wenig wert wie im Himmel? Während Erziraphael grübelte, glitt sein Blick zu der großen Spiegelfront des Aufzuges und stockte bei seinem eigenen Anblick. So brauchte er in London nicht auf die Straßen treten. Eine kleine Handbewegung und ein noch kleineres Wunder später hatte sich der Engel in seine wohlbekannte menschliche Kleidung gehüllt. Zufrieden schnaubte der Blonde. So fühlte er sich doch gleich viel wohler. Ein leises „Pling“ signalisierte ihnen, dass sie angekommen waren. Mit großen Augen trat Erziraphael langsam durch die geöffneten Türen hinaus auf die Straße. Wie er es vermisst hatte. Das ständige Gewusel an Menschen auf der Straße, der gemischte Geruch aus Regen, frischen Gebäck aus den Bäckereien und Kaffee. Die Stimme Muriels holte ihn aus seiner Schwärmerei. "Wollen wir? Ich kann es kaum erwarten, mit meiner Botschaft die Menschen zu verzücken und ihnen Gottes Worte in die Herzen zu schreiben." "Oh ja. Ja, natürlich. Lass uns gehen. Ich werde für dich auf den Buchladen achtgeben. Sag... hast du in der Zwischenzeit die Bücher...?" Mit vor Stolz geschwellter Brust und den Flyern im Arm ging Muriel über die Querstraße auf den unscheinbaren Buchladen zu. "Kein einziges. Ich habe in all den 7 Jahren nichts verkauft." Ein wenig erleichtert atmete Erziraphael auf, folgte dem jungen Engel über die Straße. "Oh. Das ist...erfreulich. Weißt du, ich..." "Der Dämon hat mir mit den schlimmsten Qualen und Foltern der Hölle gedroht, wenn ich es wagen würde, tatsächlich auch nur ein einziges Exemplar zu verkaufen. Ich habe nicht so wirklich verstanden, was es ihn angeht, aber...er war sehr überzeugend mit seinen Worten, von denen ich lieber keine Taten folgen sehen wollte." Das Flattern in seinem Herzen nahm wieder zu. Crowley? Er hatte sich tatsächlich dafür eingesetzt, dass nichts aus seinem Buchladen, der eigentlich nur ein Aufbewahrungsort für seine persönliche Sammlung war, verkauft wurde? Andächtig schritt Erziraphael auf das Gebäude zu, in dem sich das befand, was er bis vor 7 Jahren als sein Zuhause betitelt hatte. Nein, nicht nur dann. Auch jetzt war es für ihn, als würde er nach Hause kommen. Als Muriel vortreten wollte um die Tür zu öffnen, hielt der Engel sie jedoch zurück. "Nicht doch. Du musst mich nicht begleiten. Ich kenne diesen Laden, schon vergessen? Ich finde, du solltest keine Zeit verlieren, um die Worte Gottes zu verbreiten. Fang am Besten sofort an, ich komme zurecht." "Ja. Natürlich! Du hast Recht, ich kann die Worte des Herren nicht schnell genug unter die Menschheit bringen. Danke, ich weiß deine Hilfe wirklich zu schätzen!" "Ach... nicht doch. Der Herr sei mit dir." "Und mit deinem Geiste." Mit diesen Worten nickten sich die beiden Engel zu und der Jüngere von ihnen machte kehrt, um die Straße hinab zu laufen und ihre Flyer zu verteilen. Lächelnd sah Erziraphael Muriel hinterher, die voller Euphorie die Menschen ansprach und ihnen Zettel in die Hand drückte. Tief Luft holend wand sich der Engel wieder der Ladentür zu. Hier war er nun wieder. 7 Jahre lang hatte er es mal besser, mal schlechter geschafft, diesem Ort in Gedanken fern zu bleiben. Ein leises Klingeln ertönte, als er die Tür öffnete und in das gedämpfte Licht trat. Mit einem Handwink wirkte er ein kleines Wunder, das die Tür verriegelte und das "Open"-Schild auf "Closed" drehte. Allein der Geruch nach Büchern, der ihm entgegenschlug, ließ Erziraphael hart schlucken. Er verband so viel mit diesem Gebäude. So viele schöne und auch weniger schöne Erinnerungen. Doch am Meisten überwiegte eine Erinnerung: Crowley. Wie dieser mit seinem typischen legeren Gang durch die Regale schritt, auf die bronzene Vogelstatue seine Sonnenbrille ablegte die seine raubtierartigen Augen verbarg und sich in den bequemen Sessel fallen ließ um für sich und Erziraphael eine Flasche Wein zu wundern. Wie hatte der Engel diese Abende genossen, in denen sie sich schier unendlich lang unterhalten hatten und dabei mehr als nur einen guten Tropfen getrunken hatten. Langsam schritt der Engel auf eines der Regale zu, ließ dabei seine Hände über die Buchrücken gleiten. Schmunzelnd stellte er fest, dass die Bücher immer noch nach Jims...oder eher Gabriels Ordnung sortiert waren. Erziraphael war bis heute nicht dahinter gekommen, was das für eine Sortierung sein sollte. Der Gedanke, dass der Dämon sich darum gekümmert hatte, das alles blieb wie es war, erwärmte sein Herz. So lief er gedankenverloren durch die Gänge seiner eigenen privaten Bibliothek, zog hier und da ein Buch heraus, um kurz lächelnd darin zu blättern bevor er es ordentlich zurück stellte. So vergingen mehrere Minuten, in denen Erziraphael stumm durch den Laden schritt und in Erinnerungen schwelgte. Das Klingeln der Ladentür und laute Schritte ließen den Engel hellhörig werden. War Muriel mit ihrer Mission etwa schon fertig? Doch eine laute, energische, ihm sehr wohlbekannte Stimme ließ ihm die Worte im Hals stecken bleiben. "HEY KLEINER MISTENGEL! Wer hat gesagt, dass du den verdammten Buchladen geschlossen halten sollst?" Jede Faser im Körper Erziraphaels spannte sich an. Crowley. Er war hier. Er war tatsächlich hier. Und er hatte überhaupt keine gute Laune, wie sich das anhörte. "Du willst nicht reden? Gut! Dann rede ich! Wir hatten nen verfickten Deal! Du hältst den Laden offen und in Schuss ohne etwas zu verkaufen, dafür kann ich frei kommen und gehen wie ich will. Und was muss ich feststellen? ICH MUSSTE GERADE EIN SCHEISS WUNDER WIRKEN UM REINZUKOMMEN!" Tief einatmend fuhr sich der Engel mit der Hand gestresst durch die kurzen blonden Haare, richtete sich sein Jackett. Er war überhaupt nicht bereit, dem Dämon jetzt schon gegenüber zu treten. Aber irgendwann musste er da durch. Mit weichen Knien und Herzklopfen bis zum Hals trat Erziraphael aus dem Gang hervor, in dem er verborgen war. Da stand er. Und sah keinen Tag älter aus. Zumindest was er von hinten an Crowley erkennen konnte. Klar, der Dämon war wie er selbst ein unsterbliches Wesen. Er trug immer noch den markanten Kurzhaarschnitt, der ihm mit seiner roten Haarfarbe ein verwegenes Aussehen verlieh. Erziraphael war zwar noch nie ein Fan von Schwarz gewesen, doch den adretten Körper des Dämons kleidete diese Farbe perfekt, von der Brille bis zum Schuh. "HEY! MISTENGEL! Komm raus oder ich hol dich aus deinem Versteck! Und glaube mir, du WILLST NICHT dass ich dich hole!" Mit einem leichten Räuspern lenkte der Engel die Aufmerksamkeit Crowleys auf sich. Dieser drehte sich in dieser ganz bestimmten eleganten Bewegung um, die nur den Dämonen zuteil war, da diese wirkliche Koryphäen im Tanzen waren. Durch die getönten Sonnengläser konnte Erziraphael leider nicht die ausdrucksstarken Augen des Dämons erkennen, doch dessen Mimik sprach Bände. Kein Zucken der Mundwinkel nach oben zu einem erstaunten Lächeln, eher ein verziehen derer und wütendes Zähne fletschen. "Du...kleiner Scheißengel... Die Nummer zieht nicht nochmal bei mir. Du bewegst dich auf seeeehr dünnem Eis, also lass den Mist und..." "C...Crowley...?" Verunsichert von den Worten des Dämons wich der Engel einen kleinen Schritt zurück. Wie redete er denn mit ihm? Okay, Crowley war noch nie ein Men... ein Dämon der netten Worte gewesen, aber gegenüber Erziraphael hatte er sich noch nie derart schroff ausgedrückt. Dieser schien von der Reaktion des Engels irritiert zu sein und riss sich die Brille von der Nase, um sein Gegenüber ohne Tönung zu betrachten. Verschüchtert lächelte Erziraphael und hob seine rechte Hand leicht an zum Gruß. "H...Hallo. Wie schön dich zu sehen, Crowley." Dieser schwieg immer noch und starrte Erziraphael einfach nur an, nach und nach bekam dessen Blick etwas ungläubiges. Langsam hob der Dämon seine Hand an und schnippte. Einmal. Zweimal. Doch nichts passierte. Verwirrt von dem Tun Crowleys blinzelte der Engel fragend. "Crowley? Wolltest du gerade ein Wunder wirken? Nicht ziemlich erfolgreich, wie mir scheint." Mit großen Augen starrte dieser Erziraphael immer noch an. Langsam schien Erkenntnis in dessen Gehirn zu sickern, da der Ausdruck in den gelben Augen sich änderte. Der Engel schien einen Hauch Freude erkennen zu können, der jedoch schnell von Wut überdeckt wurde. "...Engel?" Seine Arme ausbreitend lächelte dieser bei dem Spitznamen, den Crowley nur für ihn verwendete. Es gab viele Engel in diesem Universum, aber keinen nannte der Dämon so, wie er es bei Erziraphael tat. "Ja. Ich bin es. Überraschung." Als wäre er ein Fisch, der auf dem Trockenen nach Luft schnappte, öffnete Crowley mehrere Male seinen Mund und schloss ihn wieder ohne etwas zu sagen. Freute er sich, Erziraphael wieder zu sehen? Denn dieser tat es, aus tiefstem Herzen freute er sich, diesen Dämonen wieder zu sehen. Dessen Miene erfinsterte sich jedoch und mit jedem Schritt, den er energisch auf den Engel zutrat, presste er wütende Wörter zwischen seinen Zähnen hervor. "WAS. IN. DREI. TEUFELS. NAMEN. TUST. DU. HIER?!" Mit jedem Wort, das Crowley sagte, wurde Erziraphael gefühlt kleiner und kleiner. War es wirklich ein Fehler, wieder auf die Erde zu kommen? Der Dämon war nun nur noch wenige Schritte von ihm entfernt, seine raubtierartigen Augen glühten bedrohlich. "W...warum sollte ich nicht hier sein? Immerhin ist das mein Buchladen..." "...der dem kleinen Scheißengel anvertraut wurde, weil DU meintest, ein verfickter Erzengel werden zu müssen." "Muriel." "Was?" "Ihr Name ist Muriel und nicht...ich wage es nicht, diese blasphemischen Wörter überhaupt in den Mund zu nehmen." "Wie auch immer." Sichtlich gestresst von der ganzen Situation fuhr sich Crowley mit der Hand über das Gesicht. Er drehte sich wieder um, sodass Erziraphael sein Gesicht nicht erkennen konnte. Ein wenig betrübt ließ der Engel den Kopf hängen. Was hatte er auch erwartet? Dass der Dämon ihn mit einem freudigen Lachen empfangen würde, nach allem, was passiert war? Diese Reaktion war nur gerecht, nachdem er Crowley derart vor den Kopf gestoßen hatte. "Ich...es tut mir leid." "WAS tut dir leid?!" "...alles?" "Wenn du nicht mal weißt, wofür du dich entschuldigst, dann tu es nicht, HERRGOTT NOCHMAL!" "...entschuldige." Mit einem genervten lauten Aufschrei packte sich Crowley den gepolsterten Stuhl, der am Schreibtisch stand, stellte ihn mitten in den Raum und ließ sich darauf fallen. Auffordernd sah er Erziraphael an, der immer noch verunsichert an Ort und Stelle stand. "Ich verstehe nicht, was du..." "SETZ DICH HIN, ZUM TEUFEL!" "Oh. Ja. Natürlich." Ein wenig ungelenk ließ sich der Engel auf die kleine Couch gegenüber Crowleys sinken, den Rücken kerzengerade. Ihm gegenüber saß der Dämon, breitbeinig und fast schon liegend. Wieder einmal wurde Erziraphael bewusst, dass sie beide nicht gegensätzlicher sein könnten. Gestresst massierte Crowley seine Nasenwurzel, seufzte dabei. "Also. Nochmal. Was tust du hier, Engel? Wieso bist du nicht im Himmel, für den du dich entschieden hast damals?" Ein wenig zögerlich, ohne Crowley dabei anzusehen, begann Erziraphael zu erzählen, ab dem zufälligen Treffen mit Muriel bis hin zum aktuellen Augenblick. Nachdem der Engel geendet hatte, ließ er seinen Blick langsam wieder zu Crowley gleiten, der ihn während der Geschichte kein einziges Mal unterbrochen hatte, sondern ihm seltsamerweise still zugehört hatte. Dann schnalzte dieser missbilligend mit der Zunge. "Die Aufgabe den Namen Gottes wieder groß zu machen? So ein Quatsch, als ob ein paar mickrige Flyer die Menschen davon überzeugen könnten, wieder zu glauben." "...Muriel hat sich wirklich Mühe gegeben und ich wollte sie bei ihrem Vorhaben unterstützen." "Indem du anstatt beim Zettelchen verteilen zu helfen, auf den Buchladen acht gibst, den eh keiner betritt? Wem willst du hier was erzählen?" Ertappt zuckte Erziraphael zusammen und nestelte mit seinen Fingern an den Knöpfen seines Jacketts herum. Natürlich war er nur hier um Muriel zu helfen, wozu auch sonst? Er war sicherlich nicht hier, um in Erinnerungen zu schwelgen, in seinen geliebten Erstausgaben zu blättern und darauf zu hoffen, einem ganz bestimmten Dämonen über den Weg zu laufen. "I...ich erzähle es dir ganz genau so wie es ist. Ich bin hier um zu helfen, nicht mehr und nicht weniger." "Mach dir doch nichts vor, Engel. Du konntest noch nie lügen und noch schwerer konntest du deine Fehler zugeben." Mehrere Male setzte Erziraphael an, etwas zu sagen, brachte aber keinen Ton heraus. Weil er ganz genau wusste, dass Crowley Recht hatte. So zog er es vor, betreten zu schweigen, immer noch besser als sich die Worte vom Dämon im Mund herumdrehen zu lassen. Kurz war es still zwischen ihnen, bis ein genervtes Schnauben die Ruhe unterbrach. "ARGH! Das ist ja nicht zum Aushalten hier! Auf rohen Eiern zu tanzen ist leichter als das hier!" Verwirrt von dem plötzlichen Ausbruch sah der Engel zu Crowley, der aufgestanden war und unruhig auf und ab lief. Dann blieb er auf Höhe Erziraphaels stehen und blickte hinab zu diesem. Sein Blick hatte etwas versöhnliches, etwas, was dem Engel Hoffnung machte. "Wie lange warst du schon nicht mehr hier? 6, 7 Jahre? Wie wärs...wenn wir essen gehen? Hast du auf was Lust?" Augenblicklich hellte sich die Miene des Engels auf, schnell stand er auf und strahlte Crowley an. "Sushi! Oh ich würde sterben für eine Sushiplatte von Takano-san!" "Dann wäre das entschieden." Kapitel 3: Des Engels Himmel ist das Essen ------------------------------------------ Es waren nur wenige Meter vom Buchladen zum Sushirestaurant, das wie immer sehr gut besucht war. Mit einem Schnippsen Crowleys standen 2 Personen im hinteren Bereich von einem Tisch auf und gingen. Grinsend ließ sich der Dämon auf einen der 2 Stühle fallen.   "Oooh, das grenzt ja an ein WUNDER, dass wir hier so spontan einen Tisch bekommen haben, nicht wahr Engel?"   Mit einem leisen Kichern ließ sich Erziraphael gegenüber Crowleys nieder und nahm kurz die Karte in die Hand, obwohl er bereits wusste was er essen würde. Irgendwie fühlte sich das Ganze wie früher an. Über den Kartenrand schielte der Engel zu dem anderen, dessen Aufmerksamkeit gerade darauf lag, eine der Bedienungen auf sie aufmerksam zu machen mit einer eher rüden Attitüde.   Als diese sich auf den Weg zu ihnen machte, lehnte sich der Engel leicht zu Crowley über den Tisch.   "Weißt du schon, was du essen willst? Wenn du möchtest, kann ich dir..."   "Ich esse nicht. Mir reicht ne Flasche Sake. Anders krieg ich das hier gerade sonst nicht gebacken."   Fragend blinzelte Erziraphael, kam aber nicht mehr zum Nachfragen, da die Bedienung an ihrem Tisch angekommen war um ihre Bestellung aufzunehmen. Als der Dämon den Mund öffnen wollte um seinen Wunsch mitzuteilen, hielt der Engel ihn mit einer Geste auf.   "Lass mich das machen."   Mit vor Stolz geschwellter Brust sah er zu der jungen Frau, die ihn fragend ansah und bestellte im perfekten Japanisch.   "Ich hätte gerne das Sushimenu A und eine Kanne grünen Tee. Und für meinen grummeligen, jedoch sehr netten Freund hier eine große Flasche Sakurasake."   Nickend tippte die Dame die Bestellung in das mobile Gerät, das sie mit sich trug und bedankte sich mit einem Lächeln. Nachdem die Bedienung weitergegangen war, tippte Crowley auf die Tischkante, um die Aufmerksamkeit des Engels auf sich zu lenken.   "Ernsthaft? Ich bin nicht NETT. Ich bin ein verdammter Dämon. Dämonen sind nicht NETT."   "Doch, doch das bist du. Auch wenn wohl nur ich das zu schätzen weiß."   "...das hat sich vor 7 Jahren nicht so angefühlt."   Schmollend hatte Crowley sein Kinn auf der Hand abgelegt und starrte stur aus der Fensterfront neben ihnen. Ein Stich fuhr durch das Herz des Engels. Ganz Unrecht hatte er natürlich nicht, aber Erziraphael war der festen Überzeugung, damals alles richtig gemacht zu haben. Außerdem...so böse konnte der Dämon ihm doch gar nicht sein, sonst würden sie hier nicht gemeinsam sitzen, oder?   Kurz wurden die Gedanken des Engels unterbrochen als die Bedienung ihre Getränke brachte. Mit einem "Vielen Dank." auf den Lippen nahm er die kleine Kanne und den dazugehörigen Tonbecher entgegen, von Crowley war nur ein Grummeln zu hören als der Sake vor ihm abgestellt wurde. Eben diesen schenkte er sich postwendend ein und lehrte das Schälchen in einem Zug, nur um sich abermals nachzuschenken. Stumm beobachtete Erziraphael dieses Schauspiel, nippte selbst nur mal kurz an dem noch heißen Tee.   "Vor...7 Jahren, weißt du, da war ich...von meinem Standpunkt durchaus überzeugt. Ich war der festen Überzeugung, es besser machen zu können. Dass ich...etwas verändern konnte. Ich war so voller Euphorie mit der Aussicht, dich wieder in den Engelsstand aufsteigen zu lassen. Dich wieder zu dem Guten bekehren, schließlich warst du schon immer einer der Guten."   Schnaubend stellte Crowley das Sakeschälchen grob auf der Holzplatte ab, fixierte den Engel mit einem wütenden Blick, der durch die getönten Brillengläser kaum zu erkennen war.   "Jetzt sag bloß nicht, du willst mir den Scheiß noch mal aufschwatzen? Ich bin ein Dämon, ich gehöre nicht zu den GUTEN! Verdammt, ich brauche das nicht. Ich brauch keine Hölle und erst recht keinen Himmel. Die sind doch eh allesamt korrupt, ich hoffe, das ist dir mittlerweile auch klar geworden. Ich brauche meinen Bentley, meine Pflanzen und..."   Den Satz unbeendet lassend kippte sich der Dämon ein weiteres volles Sakeschälchen nach hinten. Und was? Was brauchte Crowley noch? Neugierig lehnte sich Erziraphael etwas nach vorne.   "Crow..."   "Ihre Bestellung, bitte sehr. Lassen Sie es sich schmecken."   Verdutzt blickte der Engel hinab auf die große Sushiplatte, die soeben direkt vor seiner Nase abgestellt wurde.   "Oh. Vielen Dank."   Sich Sojasoße in eine kleine Schüssel kippend grübelte Erziraphael über die unvollendeten Worte des Dämons nach. Was meinte der andere nur damit? Doch jegliche Überlegungen seitens des Blonden waren vergessen, als er die hölzernen Essstäbchen auseinander brach, mit ihnen das erste Sushiröllchen nahm und sich in den Mund steckte. Augenblicklich schloss der Engel genießend die Augen. Er meinte fast, seitens Crowleys ein amüsiertes Schnauben zu hören.   "Schmeckts?"   "Hmmm~ Himmlisch."   Für diese Sünde war Erziraphael dem Dämon tatsächlich dankbar. Damals, 2500 v. Chr., hatte ihn der Rothaarige dazu verführt, von einem Ochsen zu probieren. Der Engel war empört und regelrecht angewidert gewesen von diesem unmoralischen Angebot, aber die Neugierde hatte dann überwogen. Nach seinem ersten Bissen hatte ihn eine Offenbarung heimgesucht, die ihn bis heute begleitete. Die Menschheit hatte so viele tolle und vielseitige Gerichte zu bieten. Gerichte, die dem Engel auf der Zunge zergingen, seine Geschmacksknospen tanzen ließen und ein wohliges Gefühl in seinem Bauch auslösten.   "Oh wie habe ich das vermisst... Nigiri, Maki... Es ist ein Gedicht."   Seine Sorgen über das Hier und Jetzt schoben sich weit nach hinten, einzig der Genuss über das vorzügliche Sushi dominierten sein Denken. Wie hatte er nur so lange darauf verzichten können? Gut, er war ein Engel und Engel waren, was das Verzichten anging, durchaus Profis.   Mit vollen Backen und mit einem Strahlen in den Augen sah Erziraphael zu dem Dämon, der ihn einfach weiterhin stumm dabei beobachtete, wie er aß und hin und wieder an seinem Sake nippte, anstatt ihn sich sinnlos nach hinten zu kippen.   „Möchtest du nicht auch probieren? Du weißt gar nicht was dir entgeht!“   „Naaah, lass mal. Toter Fisch war noch nie so meins.“   Nachdem der Engel sein Menü ohne etwas übrig zu lassen, aufgegessen hatte, tupfte sich dieser zufrieden mit einer Serviette die Mundwinkel ab. Es ist nicht so, dass Erziraphael kleckern würde, doch es war in seinen Augen gute Sitte, dies zu tun. Sein Blick glitt wieder zu Crowley, der die Beine übereinandergeschlagen hatte und nachdenklich aus der Fensterfront zu ihrer Seite blickte. Als dieser bemerkte, dass der Blonde nicht mehr aß, glitt dessen Blick zu diesem.   „Fertig?“   Stumm nickte Erziraphael, legte die benutzte Serviette auf dem Tisch ab. Für ihn war das vorherige Gespräch noch lange nicht beendet. Er hatte dem Dämon so viel zu sagen. Doch dieser tat so, als hätte die Konversation, bevor das Essen kam, überhaupt nicht stattgefunden. Mit einem Handwink holte Crowley die Bedienung her und sagte ihr, dass sie zahlen würden.   Nach seiner Geldbörse in der Hosentasche fischend stand der Engel auf, um die Rechnung zu übernehmen, schließlich war er es, der ein durchaus teures Sushimenü bestellt hatte und nicht der Dämon. Doch dieser schnippte einmal mit den Fingern und ein Bündel Geldscheine erschien in seiner Hand. „Denk nicht mal dran bezahlen zu wollen.“   „Was? Aber...ich habe doch…“   „Nichts da.“   „Aber ich…“   „Ich habe NEIN gesagt!“   Verdutzt von dieser in Erziraphaels Augen nicht angebrachten Großzügigkeit ließ er sich langsam wieder auf seinen Stuhl sinken, murmelte ein leises „Vielen Dank.“, was von Crowley mit einem Schulterzucken quittiert wurde. Warum war der Dämon nur so? Im einem Moment, als er ihn im Buchladen wiedergesehen hatte, schrie er herum und schimpfte mit dem Engel und nun saßen sie hier, wie früher, aßen und tranken zusammen als wäre es nie anders gewesen. Was soll er davon denn nur halten?   Nachdem Crowley bezahlt hatte, nicht ohne eine SEHR großzügiges Trinkgeld zu geben, stand er auf und begann sich in Richtung des Ausgangs zu begeben, dicht gefolgt von dem Blonden, der fast ein wenig joggen musste, um mit dem schnellen Schritt des Dämons mitzuhalten.   Draußen auf der Straße angekommen steckte der Rothaarige seine Hände in die Hosentaschen und drehte sich zu Erziraphael um. „...Also dann. Ich denke...du wirst wohl wieder in den Himmel auffahren, nicht? Schließlich hast du da oben nen verdammten Job zu erledigen.“   Verwirrt von dieser Aussage blieb der Engel neben dem Dämon stehen. Er verstand diese Frage nicht. Solange Muriels Aufgabe hier nicht erledigt war, würde er nirgends anders hingehen. Genau dies versuchte er auch, Crowley mitzuteilen.   „Wieso...sollte ich? Ich habe noch eine Aufgabe zu erledigen. Möchtest du nicht noch auf einen Drink mit in den Buchladen kommen? Wenn Muriel sich nicht an meinen Vorräten vergriffen hat, müsste ich noch eine halbe Kiste Mas Amiel aus dem Jahre 1969 haben, ein hervorragender Jahrgang.“   Eine kurze Stille legte sich über die beiden, eine Stille, die Erziraphael nicht wagte zu unterbrechen. Der Dämon schien ernsthaft zu überlegen, was den Engel sehr verunsicherte. Sonst war es immer so gewesen, dass dieser ohne Umschweife zugesagt hatte und bereits mit einem Bein in seinem Laden stand. Doch seit dem verhängnisvollen Tag von vor 7 Jahren war so vieles zwischen ihnen anders geworden.   „...Tut mir leid. Heute nicht.“   Ein Stich fuhr durch das Herz des Engels. Mit einer Abfuhr hatte er nun wirklich nicht gerechnet, war der Dämon doch schon immer ein Freund von alten und vor allem guten Tropfen gewesen. Doch die Worte Crowleys schürten auch Hoffnung in dem Blonden.   „Heute...nicht? Dann vielleicht ein anderes Mal? Morgen oder...übermorgen?“   Wieder schien Crowley ernsthaft zu überlegen, die Hände immer noch tief in seinen Hosentaschen vergraben ohne den Engel dabei anzusehen. Wieso war alles nur so schwierig zwischen ihnen geworden?   „Hm...vielleicht. Ich mein…“   Ein zischender Laut war zu hören und genervt stöhnte der Dämon auf, ließ seinen Blick gen Himmel gleiten.   „Ich weiß es nicht, okay? Das ist alles nicht so einfach für mich, was für dich wohl kein Problem darstellt!“   Von dieser Aussage überrumpelt wurde ein völlig verdutzter Engel zurückgelassen, mit schnellen Schritten war Crowley zu seinem Bentley gelaufen und eingestiegen. Als die Autotür hinter dem Dämon zuschlug, ging ein Blitz durch Erziraphael, als wäre er von einer Paralyse befreit worden. Er folgte dem anderen zum Auto und blieb an der Fahrerseite stehen, klopfte leise gegen die Scheibe.   „Crowley...ich…“   Doch weiter kam er nicht, da der Dämon den Wagen startete und in die Nacht hinaus fuhr. Zurück blieb ein völlig verwirrter Engel, der nicht wusste, wie er mit diesen widersprüchlichen Gefühlen in sich umgehen sollte. Kapitel 4: Des Dämons Leid -------------------------- „Scheiße… Scheiße… Scheiße!!!“ Mit einer Geschwindigkeit, die eindeutig WEIT über der erlaubten Geschwindigkeitsbegrenzung lag, jagte Crowley in seinem Bentley durch die Londoner Straßen zu seinem Apartment. Warum musste der Engel ausgerechnet jetzt zurückkommen? 7 Jahre sind definitiv nicht lang genug für den Dämon gewesen, um über ihn hinwegzukommen. Er war eigentlich nur in den Buchladen gegangen, um kurz nach dem Rechten zu sehen. Dies hatte er in den letzten Jahren regelmäßig getan, seit der kleine Mistengel, Crowley konnte und wollte sich den Namen einfach nicht merken, darauf aufpasste. Es war nicht so, dass er Wert darauf legte, das alles in Ordnung war, aber...irgendwie war der Laden ja auch ein klitzeklein wenig seiner. Außerdem hatte er in ein paar Ecken des Ladens seine Pflanzen verteilt, damit wenigstens so etwas wie Leben darin herrschte, wenn schon das einzige Wesen, dass diese Räume mit seiner bloßen Präsenz gefüllt hatte, nun nicht mehr hier war. Vor seiner Wohnung angekommen parkte der Dämon den Wagen mit quietschenden Reifen an der Straße, stieg aus dem Bentley aus und lief, als wäre der Allmächtige persönlich hinter ihm her, zu der Haustür. In seinen 4 Wänden angekommen schloss Crowley die Tür hinter sich und blieb an diese gelehnt einen Moment stehen, zog sich die Sonnenbrille von der Nase und blickte an die Decke. „Fuck. Wieso, Engel? Wieso bist du ausgerechnet jetzt wieder zurück?“ In Gedanken ließ er alles noch einmal Revue passieren. Erst war er stinksauer, als er Erziraphael gesehen hatte, jedoch nicht auf ihn, sondern auf den anderen Engel. Diese hatte nämlich vor 4 Jahren die glorreiche Idee, Crowley eine Art „Freude“ machen zu wollen und hat sich mit einem Wunder in Erziraphael verwandelt. Im Nachhinein betrachtet hätte ihm auffallen müssen, dass das nicht sein Engel war, da weder die Augenfarbe noch die Proportionen gestimmt hatten. Doch er war damals so überrumpelt gewesen, dass er auf diese Scharade hereingefallen und ihm tatsächlich Tränen in die Augen gestiegen waren, die Teufel sei Dank durch die Tönung der Gläser nicht sichtbar waren. Spätestens als Muriel jedoch ihren Mund geöffnet hatte und eine weibliche Stimme aus dem Körper Erziraphaels gekommen war, hatte Crowley begriffen was los war. Der jüngere Engel hatte schnell lernen müssen, was es bedeutete, einen Dämon wie ihn auf den Arm nehmen zu wollen, auch wenn diese bis heute keine Ahnung hatte, weshalb Crowley so ausgerastet war. Doch diesmal war es anders gewesen. Der Engel hatte seinen Mund geöffnet und mit seiner unverkennbaren Stimme den Namen des Rothaarigen gesagt. In dieser Sekunde war Crowley sprichwörtlich das Herz in die Hose gerutscht. Er hatte es kaum glauben können, dass hier wirklich Erziraphael vor ihm stand. Er hatte zu dem Zeitpunkt noch immer die Hoffnung gehabt, dass der kleine Mistengel dahinter steckte und hatte mehrfach versucht, mit einem Wunder dessen Verkleidung auffliegen zu lassen. Zu Crowleys Missfallen jedoch ohne Erfolg. Und was hatte er getan? Anstatt ihm eine gehörige Standpauke zu halten, wie er es all die Jahre immer und immer wieder durchgegangen war, hat er Erziraphael halbherzig Vorwürfe gemacht und war beim Anblick des Engels doch wieder weich geworden. Genervt seufzte Crowley, stieß sich von der Haustür ab und betrat seine Wohnung. Ein Raunen schien durch die Luft zu gehen, als alle Zimmerpflanzen seine Präsenz wahr nahmen und zu zittern begannen. Doch der Dämon hatte gerade wenig Lust, sich um sein Grünzeug zu kümmern. Er hatte gerade weiß Gott andere Sorgen. Sich einen Whiskey aus der Küche wundernd ließ sich der Rothaarige auf seine schwarze Couch fallen, streckte erst mal alle Glieder von sich. Auch wenn er es als Dämon absolut nicht gerne zugab, er hatte eine Schwäche, die für ihn sogleich eine Sucht war. Und diese Schwäche war ein blonder, etwas untersetzter, aber verdammt niedlicher Engel. Dafür hasste sich Crowley selbst. Er war seiner Sucht schneller verfallen, als er „Engel“ sagen konnte und hatte Erziraphael zum Essen eingeladen. Crowley konnte es einfach nicht leugnen, er liebte den Engel viel zu sehr als er sollte. Der Blonde hatte ihn verletzt, seine Gefühle regelrecht mit Füßen getreten, hatte ihn auf der Erde zurückgelassen und jetzt kam er wieder, einfach so! Und er war auch noch so ein Idiot und FREUTE SICH! Er sollte sauer sein, Erziraphael wütend anschreien, ihm sagen dass er sich zurück in den Himmel scheren soll wo er hergekommen ist. Aber...er konnte es einfach nicht. Er wollte das auch nicht. Er würde den Blonden am liebsten anflehen bei ihm zu bleiben, nicht mehr zu gehen. Zähneknirschend richtete sich Crowley auf der Couch wieder auf und griff nach dem gefüllten Whiskeyglas vor sich, von dem er sich einen großen Schluck genehmigte. „Das halt ich nicht aus. Das kann ich echt nur mit Alkohol ertränken.“ Was sollte er denn jetzt tun? Erziraphael würde eh schon denken, er sei verrückt geworden, so seltsam wie er sich verhalten hatte. Seine Gefühlswelt schwankte zwischen Freude, Wut, Trauer und absoluter Glückseligkeit. Wobei bei letzterem dem Dämon fast schon die Galle hoch kam. Nachdem der Engel verschwunden war, um seinem göttlichen Auftrag zu folgen, hatte sich Crowley ein paar Jahre etwas gehen lassen, ging kaum vors Haus und ertränkte seine Sorgen in Alkohol. Und jetzt wo er glaubte, sich endlich wieder gefasst zu haben und wieder nach vorne blicken zu können, da tauchte Erziraphael plötzlich wieder auf. Was sollte er denn davon halten? Das mittlerweile leere Glas stellte Crowley mit einem lauten Knall zurück auf den Tisch, am liebsten würde er irgendetwas anschreien, seinem Frust in irgendeiner Form Luft machen. Doch ein anderer Ton durchdrang die Stille der Wohnung, ein ihm wohlbekanntes Telefonklingeln. Der Dämon wusste, ohne abzuheben, wer am anderen Ende der Leitung war. Und er war nicht bereit dazu, mit Erziraphael zu reden. So ließ er es klingeln, wunderte sich sein Whiskeyglas wieder voll und lehnte sich auf der Couch zurück, das Glas an die Lippen gesetzt als sein Anrufbeantworter ran ging. „Hier ist Anthony Crowley. Ihr wisst was zu tun ist, tut es mit Stil.“ Kurz knackte es in der Leitung, ein tiefes Einatmen war zu hören und dann ertönte die Stimme des Engels aus dem Gerät. „Crowley. Ich bin es. Ich habe mich gar nicht richtig für das Essen bei dir bedankt. Es war wirklich vorzüglich. Nunja… du wirst selbst wissen, dass das aber nicht der Grund ist, weshalb ich anrufe. Würdest du bitte ran gehen? Ich weiß, dass du da bist.“ Seinen Kopf in den Nacken legend seufzte Crowley. Er würde ganz sicher NICHT abheben. Er traute es sich gerade nicht zu, mit dem Engel zu reden. Sonst würde er wieder seiner Schwäche verfallen, das musste aufhören. Dieses Treffen heute hätte gar nicht stattfinden dürfen. „Gut. Du willst wohl nicht reden, das habe ich verstanden. Aber falls doch, mein Angebot mit dem Mas Amiel aus `69 steht noch. Die Tür zum Buchladen steht dir immer offen. Ich warte auf dich.“ Nein, er würde nicht abheben. Mit diesen Gedanken stand der Dämon auf, stellte das Glas ab und ging zu dem Schreibtisch hinüber, auf dem das Telefon und der Anrufbeantworter standen. Erziraphael schien noch nicht aufgelegt zu haben, sagte aber auch nichts mehr. Unentschlossen, was er nun tun sollte, ließ sich Crowley in den Stuhl vor dem Tisch fallen, griff in Richtung des Hörers, den er aber nicht abnahm. Fast schon zitternd schwebte seine Hand über dem Gerät. Nein, er würde nicht abheben, er würde nicht nachgeben, er würde verdammt nochmal nicht schwach werden. „Dann...vielleicht bis später. Tschüss, Crowley.“ Just in der Sekunde, als ein kleines „Klick“ zu hören war als Zeichen, dass der Engel aufgelegt hatte, stand Crowley mit lautem Gepolter auf und riss den Hörer von der Basis. „ERZI….!“ Doch in der Leitung war nur noch das bekannte Freizeichen zu hören, ein beständiges Tuten. Mit weit aufgerissenen Augen stand der Dämon vor dem Telefon, stützte sich mit der freien Hand auf der Tischplatte ab und starrte auf den Hörer in seiner anderen. Verdammt, er hatte es schon wieder getan. Wütend auf sich selbst legte Crowley grob den Hörer zurück und fuhr sich mit beiden Händen sichtlich gestresst durch die roten Haare. „Fuck… Vermurckster dreckiger Drecksmist!“ Kapitel 5: Erste Aussprache --------------------------- Ein wenig enttäuscht, dass Crowley nicht ans Telefon gegangen war, hatte der Engel wieder aufgelegt. Was hatte er denn erwartet? Natürlich war der Dämon sauer auf ihn und das auch vollkommen zurecht. Doch nach dem gemeinsamen Abendessen, das sich so angefühlt hatte wie immer, hatte Erziraphael gedacht, dass sich die Wogen bereits ein wenig geglättet hatten. Wohl ein Irrtum seinerseits. Er hatte ganz genau gewusst, dass der andere zu Hause gewesen war, er hatte es einfach gespürt. Und er wusste auch, dass Crowley ihm zugehört hatte. Mehr konnte er auch nicht verlangen. Er hatte zwar dem Dämon angeboten, vorbei zu kommen, aber Erziraphael hegte ehrlich gesagt wenig Hoffnung, dass dieser auch der Einladung folgen würde. Trotzdem richtete der Engel auf dem Schreibtisch 2 Flaschen von dem Wein und 2 passenden Gläsern her. Wie hieß noch dieses menschliche Sprichwort? Die Hoffnung stirbt zuletzt. Doch einfach nur still rumsitzen und warten konnte Erziraphael nicht. So machte er sich daran, die Ordnung in seinen Bücherregalen wieder herzustellen. Fein säuberlich begann er damit, die Bände wieder alphabetisch nach den Autoren zu ordnen und unter den einzelnen Autoren dann noch nach Titeln. Das machte es dem Blonden deutlich leichter, nach einzelnen Büchern zu suchen. So vergingen mehrere Stunden, in denen nur das leise Murmeln des Engels im Laden zu hören war und das Rascheln von Seiten und Büchern. Das helle Klingen der Türglocke ließ den Blonden hochschrecken und aufgeregt schritt er schnell zwischen den Regalen hervor. „Crowley, ich dachte schon du…“ Doch nicht der Dämon war in den Buchladen gekommen, sondern Muriel war von ihrer Mission, den Menschen Gott wieder näher zu bringen, zurückgekommen. Von dem dicken Stapel an Flyern, den sie mitgenommen hatte, waren nur noch wenige Blätter übrig. Stolz strahlte sie zu dem älteren Engel. „Sieh nur, ich habe so gut wie alle Handzettel verteilen können! Die Menschen waren außer sich vor Freude!“ Mit einem gütigen Lächeln auf den Lippen, das seine Enttäuschung verbarg, legte Erziraphael die Bücher, die er in der Hand hielt, beiseite. „Wirklich? Das sind famose Neuigkeiten, Muriel. Wie wäre es, wenn du mir davon erzählst? Vielleicht bei einer Tasse Tee?“ So machte sich der Engel daran, den Wein und die Gläser wegzuräumen um stattdessen für sie beide einen Tee zuzubereiten um den restlichen Abend dann damit zu verbringen, sich die Geschichte Muriels anzuhören. Denn wenn er ehrlich zu sich selbst war: Er wusste seit seinem Anruf, dass Crowley nicht mehr kommen würde. ~~~~~ Am nächsten Morgen hatte es sich Erziraphael mit der tagesaktuellen Zeitung an seinem rustikalen Schreibtisch bequem gemacht, vor sich eine Tasse Kakao stehend. Er war noch nie der Kaffeetrinker gewesen, das war schon seit jeher Crowleys Morgengetränk der Wahl gewesen. Der Engel konnte mit diesem Getränk einfach nichts anfangen, es war ein unangenehmes Zungengefühl und auch das bittere Aroma im Abgang war mehr als unbefriedigend. Aber Kakao...diese Süße gepaart mit dem reichhaltigen Bouquet der Milch war ein wahres Feuerwerk an Aromen für den Blonden. Gedankenverloren blätterte der Engel durch die Seiten der Zeitung, nahm die einzelnen Nachrichten, die fast durchgehend negativ waren, kaum zur Kenntnis. Er wusste nicht mal, weshalb er dies tat, aber seine Hände brauchten irgendeine Beschäftigung, sonst würde er in Grübeleien über den gestrigen Abend verfallen und sich grün und blau darüber ärgern, was er in seinen Augen alles falsch gemacht hatte. Er müsste es doch besser wissen, er wusste doch, wie Crowley tickte. Sie waren seit mehreren Jahrtausenden Freunde. Das schrille Klingeln seines Telefons ließ Erziraphael hochschrecken, irritiert blickte er kurz auf die Wanduhr. Wo war nur die Zeit hingegangen? Er hatte überhaupt nicht mitbekommen, wie mehrere Stunden vergangen waren. Hier traf wohl das menschliche Sprichwort „Die Zeit verging wie im Flug“ durchaus zu. Sich mit dem Stuhl zum Telefon drehend nahm der Engel ab. „A.Z. Fell und Co, wir sind uns ziemlich sicher, dass wir geschlossen haben.“ „Ich bin´s. Triff mich am dritten Alternativtreffpunkt.“ Aufgeregt von der ihm wohlbekannten Stimme am anderen Ende der Leitung drückte Erziraphael seinen Rücken durch. „Crowley. Wie schön, dass du anrufst, ich…“ „Ich bin in 15 Minuten dort.“ „Oh ja. Ja, natürlich, ich werde…“ Doch da war schon das Tuten zu hören, das signalisierte, dass Crowley bereits aufgelegt hatte. Von seinem Platz aufstehend richtete der Engel nervös seine Weste und zupfte seine Schleife zurecht. Der Dämon war auf ihn zugekommen. Das war ein gutes Zeichen, oder? 10 Minuten später war Erziraphael bereits an dem Pavillon angekommen, der von Crowley als Treffpunkt genannt wurde. Er war nicht weit von seinem Buchladen entfernt, weswegen der Engel die Strecke zu Fuß zurückgelegt hatte. So wie er den Dämon kannte, würde dieser bis zum letztmöglichen Punkt mit seinem geliebten Bentley fahren, bis dieser von einer menschlichen Barrikade aufgehalten wurde und der Rothaarige zu Fuß den Park betreten musste. Bei dem Gedanken musste der Engel schmunzeln. Crowley war schon immer so gewesen, er nutzte jegliche Chance, sein Auto zu bewegen. „Was grinst du so? Ist was witziges passiert? Lass mich daran teilhaben, Engel.“ Erziraphaels Blick glitt zu der Stimme, die zu der Person gehörte, die ihm gegenüber aufgetaucht war. Sein Herz setzte einen Takt aus beim Anblick des Dämonen, der betont lässig auf ihn zuschritt. „Crowley. Ich bin ja so froh, dass du hier bist.“ „Du tust ja so, als wärst du derjenige, der das Treffen initiiert hat. Naja, wie auch immer. Ich muss dir was sagen. Und ich würde dich bitten, mich nicht zu unterbrechen.“ Mit einem stummen Nicken und der Geste, sich den Mund mit einem Reißverschluss zuzuziehen, blieb der Engel wie gewünscht stumm. Er hatte schon einmal den Fehler begangen, Crowley zu unterbrechen als dieser ihm etwas wichtiges mitteilen wollte. Das würde ihm nicht noch einmal passieren. Tief Luft holend sah der Dämon kurz an die Decke des Pavillon, zog sich die getönte Brille von der Nase. „Weißt du, ich bin sauer. Ich bin stinksauer. Ich bin so wütend, ich könnte alles kurz und klein schlagen.“ Betreten ließ der Blonde seinen Kopf sinken. Das verstand er, doch trotzdem hoffte er tief in sich, dass Crowley ihm irgendwann vergeben würde. Schließlich war er auch mal ein Engel gewesen. Da sprach dieser weiter. „Ich bin sauer auf DICH, ich bin sauer auf MICH, ich bin sauer auf die GANZE WELT. In den letzten 7 Jahren habe ich mir immer wieder gedacht, ich mach jetzt die Biege. Alpha Centauri, da wollte ich schon lange mal hin. Aber ich hab´s nicht getan. Weißt du wieso?“ Auffordernd sah Crowley zu Erziraphael, der weiterhin schwieg, nur fragend mit den Schultern zuckte. „Weil DU nicht dort bist. Was bringt es mir, dorthin zu gehen, wenn ich am Ende ganz alleine bin? Das Nachtleben dort soll schrecklich sein, wie soll ich dort bitte die Ewigkeit verbringen? Also bin ich hier geblieben. Weil ich irgendwie...doch gehofft hatte, dass du wieder kommst.“ Während der Dämon sprach, lief er immer und immer wieder im Pavillon auf und ab, konnte nicht still stehen während seines Monologs. „In den letzten 2 Jahren, da wurde es für mich besser. Ich kam langsam darüber hinweg. Und gestern sehe ich dich plötzlich wieder. Weißt du, was das für ein Schock war, so ganz ohne Vorankündigung?“ Wild gestikulierte Crowley mit seinen Händen, versuchte er so, seinen bereits gewichtigen Worten noch mehr Ausdruck zu verleihen? Wenn dem so war, dann funktionierte es. Das schlechte Gewissen in Erziraphael stieg und stieg. „Du kannst nicht von mir verlangen, dass ich so tue, als wäre nichts gewesen! Dem ist einfach nicht so! Es wäre um ein vielfaches einfacher, wenn ich mich einfach von dir fern halten würde.“ Geschockt sah der Engel zu Crowley, der mittlerweile stehen geblieben war und mit einem schmerzhaften Ausdruck in den gelben Iren zu ihm sah. Erziraphaels Lieblingsfarbe war gelb. Aber nicht so. Nicht mit diesen Emotionen darin. „Aber ich kann das einfach nicht. Engel, ich kann dir nicht fern bleiben. Seitdem ich weiß, dass du wieder hier bist, zieht es mich zu dir hin. Und ich HASSE es, dass ich nichts dagegen tun kann.“ Etwas hilflos hob Erziraphael seine Hände und ging ein paar Schritte auf Crowley zu. Er sah den Schmerz in dessen Augen, all das Leid, für das der Blonde selbst verantwortlich war. Das war das Letzte, was er wollte. Schließlich war er ein ENGEL, ein gutes spirituelles Wesen, das normalerweise nicht das auslöste, was er gerade zu sehen bekam. Dicht bei dem Dämon angekommen kratzte Erziraphael all seinen Mut zusammen und legte seine zuvor noch erhobenen Hände vorsichtig auf die Unterarme Crowleys, als wäre dieser aus zartem Glas gefertigt und könnte jederzeit zerbrechen. Wobei diese Metapher gar nicht mal so weit hergeholt war, fand der Engel. Gerade kam ihm der Rothaarige wie das zarteste Geschöpf auf Erden vor, was Schwachsinn war, immerhin war er ein Dämon. Ein Dämon, der aber auch mal ein Engel wie er selbst gewesen war. „Crowley… Es tut mir so… so unendlich leid. Ich wollte nie, dass so etwas passiert.“ Der schmerzerfüllte Blick, der die blauen Iren des Engels trafen, schienen Bände zu sprechen. Erziraphael schluckte hart, es war wohl doch nicht so einfach, wie er sich das ursprünglich vorgestellt hatte. Während er in den letzten 7 Jahren in Arbeit versunken war, hier und da an den Buchladen und den Dämon gedacht hatte, hatte Crowley die letzten 7 Jahre damit verbracht zu leiden und war an dem Versuch gescheitert, alles vergessen zu wollen. Der Engel konnte sich nicht mal ansatzweise vorstellen, wie sich das anfühlte. Resigniert seufzte Crowley, sah bedrückt zur Seite. „Ja. Ich weiß. Ich wollte das auch nicht.“ Ein betretenes Schweigen breitete sich zwischen ihnen aus. Erziraphael wusste nicht, was er noch sagen konnte, um den Dämon davon zu überzeugen, dass es ihm leid tat. Oder erwartete Crowley etwas anderes von ihm? Sicherlich keine Vergebung, nach seiner Aussage wurde Dämonen nicht vergeben. Zudem nagte die letzte Aussage des Rothaarigen an ihm. Was wollte er auch nicht? Bereute er es etwas, ihm damals seine Gefühle gestanden zu haben oder vielleicht sogar, sie überhaupt entwickelt zu haben? Wäre dem so gewesen, hätte sich wohl nie etwas zwischen ihnen geändert, alles wäre so geblieben wie immer. Ein Stich fuhr durch das Herz des Engels, was ihn verwirrt blinzeln ließ. Nein, dieser Gedanke gefiel ihm nicht. Ein leises Murmeln, das von Crowley ausging, riss Erziraphael aus seinen Grübeleien. „Sorry, nur...ganz kurz, ja?“ Mit diesen Worten war der Dämon dichter an ihn herangetreten, legte seine Stirn auf der Schulter des Blonden ab, atmete dabei kontrolliert tief ein und wieder aus. Geschockt von dieser plötzlichen intimen Nähe versteiften sich Erziraphaels Muskeln, das fühlte sich fast wie damals an, als Crowley ihn geküsst hatte. Physisch sträubte sich sein gesamter Organismus gegen diese Berührung, die im Vergleich zu damals deutlich unschuldiger war. Sein Körper signalisierte, dass das falsch war, dass es falsch war einen Dämon so nahe an sich heranzulassen. Schließlich war er ein himmlisches Wesen und Crowley war auf der bösen Seite. Doch gab es das überhaupt noch? Eine gute und eine böse Seite? Schließlich hatte der Dämon in den letzten Jahrtausenden mehrfach versichert, dass er weder auf der Seite der Hölle, geschweige denn auf der des Himmels stand, sondern schlicht und ergreifend auf seiner eigenen. Damals hatte Erziraphael gemeint, dass das sehr einsam klang. Doch war es das wirklich? Stand Crowley alleine auf seiner Seite? Trotz der Alarmzeichen in seinem Körper tat der Engel dann etwas, was im völligen Gegensatz dazu stand. Mit pochenden Herzen, dass ihm bis zum Hals schlug, erhob er seine bleischweren Arme und legte sie vorsichtig um den Dämon, der immer noch an ihn gelehnt stand. War das richtig so? Er war zwar kein Experte in Sachen körperlicher Nähe, aber Crowley nach all der Zeit in seine Arme zu schließen, durfte sich einfach nicht falsch anfühlen. Und das tat es auch nicht. Die Alarmglocken, die in seinem Kopf schrillten, wurden nach und nach immer leiser, wurden von einer dumpfen, aber willkommenen Stille abgelöst. Einzig und allein sein Herz nahm Erziraphael überdeutlich wahr. War das überhaupt seins? Der Blonde schien einen zweiten Herzschlag wahrzunehmen, der beständig einen Takt vorgab, in den sein eigenes einzustimmen versuchte. Er bemerkte gar nicht, wie die Sekunden verstrichen, wie die tröstliche Umarmung, die er Crowley versuchte zu geben, in eine unnatürliche Länge gezogen wurde. Doch Erziraphael wollte dieses Gefühl nicht hergeben, wollte es weiter analysieren um festzustellen, weshalb sein Körper so reagierte. Doch als der Dämon leicht zuckte und sich verhalten räusperte, löste der Engel schnell die innige Umarmung, trat einen Schritt von dem Rothaarigen zurück als hätte er sich verbrannt. Was gar nicht so weit hergeholt war. Eine ihm bis dato unbekannte Hitze stieg aus seinem Magen empor und gipfelte in seinen Wangen, deren helle Haut sich kirschrot einfärbte. „Oh also ich...bitte entschuldige, ich wollte dich nicht…“ Doch ein schiefes Grinsen breitete sich im Gesicht Crowleys aus, der seine Hände in die Hosentaschen steckte und mit einem Nicken in Richtung Park deutete. „Ist schon gut. Eigentlich sollte ich mich entschuldigen. Lust auf ein Eis?“ Kapitel 6: Die Freuden des Tanzes --------------------------------- Nachdem der Dämon ihn zu dem Eis im Park eingeladen hatte, war nichts mehr dergleichen geschehen. Es waren bereits mehrere Tage vergangen, in denen Erziraphael nichts mehr von ihm gehört oder gesehen hatte. Doch er hatte nicht wie zuvor das Gefühl, dass Crowley ihn mied. Viel mehr kam es dem Engel vor, dass der andere einfach etwas Zeit für sich brauchte um seine Gedanken zu sortieren. Was der Blonde durchaus verstehen konnte, er selbst hatte auch eine Menge nachzudenken, er versuchte immer noch die Gefühle, die Crowley in ihm ausgelöst hatte, zu sortieren und zu verstehen. Er mochte den Dämon, hatte er schon immer getan. Aber war dieses warme Gefühl wirklich nur „mögen“? Gab es da denn mehr? Der Rothaarige hatte vor 7 Jahren etwas von „ein wir sein“ erzählt. Konnte es vielleicht dieses „wir“ sein? Verwirrt von seinen eigenen Gedanken begann Erziraphael damit, in seinem Buchladen zu stöbern, nachdem er seinen Plattenspieler mit dem Vinyl „Johannes Strauss – An der schönen blauen Donau“ gestartet hatte. Die leise klassische Musik im Hintergrund half dem Engel, seine Gedanken besser zu ordnen. An der Tür hatte er das Schild auf „Closed“ gedreht, gerade konnte er keine Menschen gebrauchen, die ihn bei seiner Suche störten. Für Crowley galt dieses Schild selbstredend nicht, dieser wusste genau, dass er jederzeit ein- und ausgehen konnte wie ihm beliebte. „Stolz und Vorurteil… Stolz und Vorurteil… Wo habe ich es denn bloß?“ Akribisch suchte Erziraphael nach und nach seine Regale ab, er hatte zwar in den letzten Tagen viel Zeit gehabt, seine persönliche Bibliothek wieder zu sortieren, jedoch war ihm einer seiner liebsten Romane nicht wieder in die Hände gefallen. Er war sich sicher, in diesem eine Antwort auf seine brennenden Fragen zu finden. Vielleicht hatte Muriel es gelesen und verlegt? Er musste sie bei Gelegenheit fragen. Schließlich war das Buch eine Erstausgabe mit persönlicher Widmung von Jane Austen. Eine begnadete Autorin, von deren Romanen der Engel alle gelesen hatte. Er fand auch alle...bis auf eines. Das Öffnen und Schließen der Ladentür ließ den Blonden aufhorchen, mit einem kleinen Stapel Bücher in der Hand ging er zurück in den offenen Bereich, wippte dabei im Takt der Musik. „Muriel, du musst mir dringend helfen. Ich suche Stolz und Vorurteil von Jane…“ „...Austen. Juwelenraub 1810 und anscheinend Autorin von Romanen, von denen ich nichts wusste. Stille Wasser sind ziemlich tief, findest du nicht auch?“ Mit einem erfreuten Blitzen in den Augen sah Erziraphael zum Ursprung der Stimme. Crowley, er war hier. Sein Herz machte beim Anblick des Dämons einen Sprung, obwohl er doch gar nicht anders aussah als sonst. Doch der Fakt, dass es ER war, reichte anscheinend aus für dieses seltsame Gefühl, das sich gar nicht mal so schlecht anfühlte. „Crowley! Wie schön, dass du hier bist. Was verschafft mir das Vergnügen, dich begrüßen zu dürfen?“ „Ich wollte dir das hier zurückgeben.“ Überrascht sah der Engel, dass der Rothaarige doch tatsächlich genau das Buch in der Hand hatte, nach dem er schon die ganze Zeit gesucht hatte und dieses nun auf dem Schreibtisch des Blonden ablegte. „Stolz und Vorurteil! Wo hast du das denn jetzt so schnell gefunden?“ Kopfschüttelnd kam ihm Crowley ein paar Schritte näher, kratzte sich verlegen am Nacken. „Ich hatte es mir ausgeliehen, da du damals so schwärmerisch von ihren Romanen gesprochen hattest und ich dachte mir: Jane Austen hat Romane geschrieben? Ich hab echt geglaubt, ich habe die Frau gekannt, aber da hatte ich mich sehr getäuscht.“ Erleichtert lächelte Erziraphael, er wusste nicht, was es war, aber dass der Dämon tatsächlich ein Buch gelesen hatte aufgrund seiner Empfehlung, bescherte ihm ein warmes Gefühl in der Brust. Hieß das denn nicht, dass er Wert auf ihn und seine Worte legte? Den Stapel Bücher beiseite stellend, wohl darauf achtend, keines seiner wertvollen Erstausgaben zu beschädigen, sah der Engel zu Crowley, der unschlüssig wirkend im Raum stand. „Ich habe es gerade tatsächlich überall gesucht, vielen Dank. Als hättest du meine Gedanken gelesen. Wie hat es dir gefallen?“ Mit den Schultern zuckend sah der Rothaarige augenscheinlich zur Seite, Erziraphael konnte nicht genau erkennen, wohin Crowley sah durch die getönte Brille. Dieser schien das Thema über das Buch schnell abhaken zu wollen und antwortete deshalb nur knapp. „War ziemlich aufschlussreich. Aber sag mal… Ist das nicht Johannes Strauss?“ Hell lächelnd war der Blonde näher an den Dämon herangetreten, er konnte kaum in Worte fassen, wie glücklich er war, den anderen zu sehen. „Das hast du gut erkannt. Ich liebe seine Musik, schließlich war ich auch nicht ganz unbeteiligt daran. Die ein oder andere Inspiration habe ich ihm durch ein kleines Wunder zukommen lassen. Ich muss bescheiden zugeben, dass ich nicht ganz unbeteiligt am 1867 erschienenen ‚Donauwalzer‘ bin.“ Mit einem knappen „Aha.“ lauschte Crowley der leisen rhythmischen Musik im Hintergrund. Ein wenig mehr Begeisterung hatte Erziraphael nun doch erwartet, schließlich war der Donauwalzer das weltweit bekannteste Werk von Strauss. Er war ein guter Mann gewesen, wobei der Blonde dessen viele Ehen nicht wirklich gutgeheißen hatte. Er hatte sogar einmal die Staatsbürgerschaft geändert um noch einmal heiraten zu können, was Erziraphael damals mit durchaus gemischten Gefühlen verfolgt hatte. Während der Engel seinen Gedanken nachhing, wippte er wieder im Takt der Musik, was dem Dämon nicht verborgen blieb. „Kannst du Walzer?“ Fragend sah der Blonde zu dem anderen, der seine Sonnenbrille abgenommen hatte und ihn auffordernd ansah, auf eine Antwort wartete. Ein wenig verlegen lächelte Erziraphael. „Ich kann Gavotte tanzen.“ Mit dem Zeigefinger deutete Crowley einen Kreis in der Luft an. „Das ist aber nicht Musik zum Gavotte tanzen, das ist Walzer. Außerdem, so leid es mir tut dir das sagen zu müssen, Gavotte ist tot. Kein Mensch tanzt das mehr.“ Entrüstet von dieser Aussage plusterte sich der Engel regelrecht auf. „Wie kannst du nur? Gavotte ist nicht tot, solange es ein Wesen auf der Welt gibt, das ihn tanzt. Außerdem musst du gerade was sagen. Das unvorhersehbare Gezappel, das ihr Dämonen veranstaltet, kann man nun wirklich nicht als Tanzen bezeichnen.“ Die getönte Brille von seiner Nase ziehend und in sein Jackett steckend rümpfte der Rothaarige die Nase. „Das was meine Kollegen veranstalten gleicht mehr einem epileptischen Anfall. Vergleich mich nicht mit denen, ich KANN tanzen. Verschiedene Stile. Walzer, Foxtrott oder wenn es etwas verführerischer sein soll, Tango.“ „Das kann ich mir vorstellen, dass ein Dämon wie du den Tango anwendet um die guten Menschen auf Abwegen zu bringen. Das zeigt nur wieder, dass du nicht zur guten Seite gehörst.“ Entsetzt über seine eigenen Worte schlug sich Erziraphael die Hände vor den Mund. Wie waren sie nur wieder hier gelandet? Er wollte doch gar nicht mit Crowley diskutieren, er wollte mit ihm wieder normal reden können. Aber der Engel hatte das Gefühl, dass das Gespräch in eine ganz andere Richtung ging als er erwartet hatte. Er hatte gehofft, sie würden sich einfach ein wenig locker über das Buch, die Musik oder von ihm aus auch über das Tanzen austauschen, aber sie schlitterten geradewegs auf einen Streit zu. Der Blonde wusste, dass er das nicht hätte sagen sollen. Aber er konnte einfach nicht aus seine gewohnten Haut. Er war ein Engel, ein göttliches Wesen, dass die Pläne Satans und dessen Dämonen zu unterbinden hatte. Aber das hier war kein teuflischer Plan. Das war einfach nur Crowley, der vorbeigekommen war um ihm ein Buch zurückzugeben und Erziraphael schmiss ihm so was an den Kopf. Von seinen eigenen Gefühlen geplagt sah er schuldbewusst zu dem Dämon, der ihn mit einem undurchdringlichen Blick ansah. „Crowley, bitte entschuldige, ich woll…“ „Willst du es lernen?“ Überrascht blinzelte der Engel. Der Rothaarige keifte nicht zurück, sondern fragte ihn das mit ruhiger Stimme? „Wie meinen?“ Seufzend blickte Crowley zuerst an die Decke, als würde er sich kurz sammeln müssen. Dann sah er wieder zu Erziraphael und breitete auffordernd die Arme etwas aus. „Tanzen. Walzer, Foxtrott, Tango. Möchtest du eines davon lernen? Ich kann es dir beibringen.“ Durchaus positiv angetan von diesem Angebot sah der Engel den anderen stumm an. War das sein Ernst? Wobei Crowley und Witze noch nie gut miteinander harmoniert hatten, also musste er es ernst meinen. Doch auch wenn sich der Blonde darüber freute, etwas neues zu erlernen, so nistete sich doch eine gewisse Nervosität bei ihm ein. Er wollte einen der Tänze lernen, wirklich. Aber...musste man sich dafür nicht sehr nahe sein? Die Erinnerung an ihr letztes Treffen war noch durchaus präsent im Denken Erziraphaels, das machte es nicht unbedingt leichter für ihn. Doch der Dämon kam ihm zuvor, der grübelnd laut nachdachte. „Ich würde dir vorschlagen, mit einem langsamen Walzer zu beginnen. Foxtrott ist für einen Anfänger doch etwas kompliziert und was den Tango angeht…“ Ein verschmitztes Grinsen bildete sich auf den Lippen Crowleys, der mit einem frechen Blitzen in den Augen zu dem verunsicherten Engel sah, wackelte provokant mit den Augenbrauen. „Der Tango ist sehr intim. Wobei ich zugeben muss, dass das durchaus seinen Reiz hat.“ Nervös seine Schleife am Hals zurechtrückend hüstelte Erziraphael verlegen, was war denn nun wieder los? Gerade hatten sie eine hitzige Diskussion, die fast in einen Streit ausgeartet wäre und jetzt war er wieder ganz der Alte? „Ich würde deinen Rat annehmen und den Walzer wählen.“ Nickend zog Crowley sich das Jackett aus und hängte dieses über die Lehne des kleinen Sofas, auf dem sie schon viele gemeinsame Abende verbracht und dabei interessante Gespräche geführt hatten. Dann stellte sich der Dämon vor Erziraphael auf, schnippte einmal mit dem Finger und die Nadel sprang von der Platte wieder zum Start zurück, sodass der „Donauwalzer“ von neuem startete. Dann breitete der Rothaarige seine Arme in einem runden Bogen aus. „Zuerst die Basis. Ich führe. Du legst deine rechte Hand auf meine Schulter und deine Linke legst du in meine offene Hand.“ Zögerlich folgte Erziraphael den Anweisungen, stellte sich mit einem gewissen Sicherheitsabstand vor den Dämon und legte seine Hände in die gewünschte Position. Ein Zungenschnalzen und ein ziehender Ruck an seiner Taille ließ den Engel erschrocken aufkeuchen. Crowley hatte ihn gepackt und dicht an sich herangezogen, Brust an Brust. „Nicht so, was soll der riesige Abstand? Beim Tanzen geht es darum, sich aufeinander einzulassen und zu vertrauen. Wie sähe das denn aus, wenn wir so weit voneinander entfernt stehen?“ So dicht an Crowley stehend nahm der Blonde dessen Präsenz nun überdeutlich wahr. Die ruhige Aura, die dieser ausstrahlte, übertrug sich auf ihn. Jedoch löste diese nicht die gewünschte Gelassenheit bei ihm aus, viel mehr befeuerte diese weiter die Nervosität des Engels. „Wir starten mit der einfachen Schrittfolge ohne Drehungen oder dergleichen. Immer im Takt der Musik. Folge mir einfach, am besten lernt man es, indem man es einfach tut.“ Sich leicht auf die Unterlippe beißend versuchte Erziraphael sich zu konzentrieren und sich auf die leise klassische Musik im Hintergrund zu fokussieren. Angestrengt hatte der Engel die Stirn in Falten gelegt und starrte stur nach unten auf ihre Füße, um dem Rothaarigen nicht auf die makellos polierten Schuhe zu treten. Einige Sekunden verstrichen, in denen die beiden mehr gestelzt als elegant hin und her wippten. Dann war ein Seufzen seitens des Dämons zu hören. „So geht das nicht. Du bist viel zu verkrampft. Schau nicht ständig nach unten, das ist unhöflich deinem Tanzpartner gegenüber.“ Etwas eingeschnappt drehte der Engel seinen Kopf zur Seite. Er versuchte es gerade zum ersten Mal, was erwartete Crowley denn bitte von ihm? „Es tut mir ja leid, aber ich muss das lernen. Vielleicht sollte ich erst ein Buch darüber lesen.“ „Daran gibt es nichts zu lernen, lass es einfach geschehen und lass locker. Entspann dich, so ein Tanz soll Spaß machen und keine Herausforderung sein.“ „Wie soll er mir Spaß machen, wenn ich nicht weiß, wie es geht?“ Genervt schnaubte der Dämon, dann tippte er energisch mit dem Zeigefinger gegen die Stirn von Erziraphael, der verdutzt blinzelte. „Nicht hiermit.“ Dann glitt dessen Hand tiefer und tippte gegen die linke Brust des Engels. „Hiermit. Schalte deinen Kopf aus und fühle es. Fühle die Musik, fühle die Schwingungen. Dann überträgt sich das ganz von alleine auf deinen Körper. Los, nochmal. Und sieh jetzt nur mich an, kein Blick nach unten!“ Der intensive Blick, mit dem Crowley ihn ansah, schien den Blonden regelrecht zu fesseln. Diese schönen Augen, die seine Lieblingsfarbe hatten, hielten seinen Blick fest. Dann setzten sie sich wieder in Bewegung. Und ohne dass es Erziraphael bemerkte, bewegten sie sich langsam und sicher im Takt der Musik wieder vor und wieder zurück. Jegliche Anspannung war vergessen, jegliche Schrittfolge, die einzuhalten war, wurde ignoriert. Es zählte für den Engel nur dieser Moment. Dieser Blick, mit dem ihn der Dämon ansah, sagte ihm so viel aber doch zu wenig. Erziraphael verstand und war doch ratlos. Ging es Crowley genau so? Er fühlte sich wie in der Schwebe zwischen… ja zwischen was denn nun? Was waren sie? Bekannte? Freunde? Mehr als das? Gerade in diesem Augenblick fühlte es sich für den Engel wie „mehr als das“ an. Er glaubte, langsam zu verstehen, was Crowley mit „wir“ von vor 7 Jahren gemeint hatte. Weiter glitt das ungleiche Duo langsam durch den Buchladen, auch als die Musik bereits verklungen war, hörten sie nicht auf, im Takt ihrer eigenen stummen Melodie weiter zu tanzen. Doch etwas änderte sich. Die Hand, die zuvor noch die des Engels gehalten hatte, hatte losgelassen, stattdessen war sie ebenfalls an dessen Taille gewandert. Da Erziraphael nicht so wirklich wusste, wohin nun mit seiner freien Hand, hatte er diese auf der anderen Schulter Crowleys abgelegt. Ob das überhaupt noch Tanzen war, konnte der Blonde nicht mit Sicherheit sagen. Sie waren mittlerweile zum Stillstand gekommen, wippten nur noch eng umschlungen leicht hin und her. Was dem Engel nicht unbedingt zuwider war. Nein, anders als bei ihrer letzten Umarmung schrillten keine Alarmglocken in seinem Kopf, viel mehr flüsterte eine leise Stimme „Mehr, dichter, näher.“. Dem der Erziraphael nur zu gerne nachkam. Es fühlte sich gut an, dem Rothaarigen auf diese Art so nahe zu sein und was sich so gut anfühlte, konnte doch nicht falsch sein. In einer fließenden Bewegung glitten seine Hände über die Schultern in den Nacken Crowleys, zog den Dämon so noch ein klein wenig dichter an sich. Dieser blinzelte sichtlich überrascht. „Erzi… was tust du?“ Doch die Antwort blieb der Engel dem anderen schuldig, ihm war gerade nicht nach reden. Er wollte diesen Moment einfach weiter genießen. In einer geschmeidigen Bewegung lehnte sich Erziraphael an den Oberkörper des Rothaarigen, dessen Griff um seine Taille wurde fester. Zufrieden seufzend schloss der Engel seine Augen und legte seinen Kopf an der Brust Crowleys ab. Wenn ein Augenblick wirklich perfekt sein konnte, dann war es dieser. Kapitel 7: Die Schwäche des Dämons ---------------------------------- Als Crowley sich mit dem Engel unter dem Pavillon getroffen hatte und der Dämon Erziraphael ein Stück weit sein Herz ausgeschüttet hatte, war der körperliche Kontakt von dem Rothaarigen ausgegangen. Er hatte einen schwachen Moment, das Mitgefühl im Blick des Blonden, der ehrlich zu bereuen schien ihm damals so vor den Kopf gestoßen zu haben, hatte Crowley dazu verleitet ihm nahe zu kommen. Sein Herz hatte mehr als nur einen Takt zugelegt als er gespürt hatte, dass der Engel sehr unbeholfen versucht hatte die Umarmung zu erwidern. Unbeholfen, aber so unglaublich liebenswert. Aber diese Umarmung jetzt war anders. Sie war inniger, intimer. Und war größtenteils von Erziraphael ausgegangen. Crowley konnte das Herz des Blonden an seiner Brust schlagen spüren. Es schlug in einem stetigen Takt, aber ob es als normal war, vermochte der Dämon nicht zu sagen. Schon seit mehreren Sekunden hatte es der Rothaarige aufgegeben zu tanzen, schließlich war auch die Musik schon verebbt, trotzdem bewegten sie sich weiter wie zu einer romantischen Sonate, die nur sie hören konnten. Wie waren sie nur in diese Situation geraten? Eigentlich hatte Crowley vorgehabt, direkt wieder zu gehen nachdem er das Buch zurückgebracht hatte. Aber beim Anblick Erziraphaels war dieser Vorsatz schnell von ihm in den Wind geschossen worden. Wie er hinter den Regalen hervorgelugt hatte, mit einem Stapel Büchern auf den Armen und wie sich dessen konzentrierter Blick bei seinem Anblick aufgehellt hatte. Wie hätte er da einfach gehen können? Crowley hatte es wirklich nur nett gemeint, als er dem Engel angeboten hatte ihm das Tanzen beizubringen. Er hatte so glücklich davon erzählt, dass er am "Donauwalz" beteiligt war, dass der Rothaarige versucht hatte, dem anderen damit eine kleine Freude zu bereiten. Schließlich tanzte der andere doch gerne den Gavotte, was absolut untypisch für einen Engel war. Nur ein bisschen. Nur ein bisschen länger noch. Dieser Satz schoss immer und immer wieder durch Crowleys Gedanken. Und der Kopf, der sich nach seiner unbeantworteten Frage an seine Brust lehnte, feuerte diesen Wunsch noch mehr an. Nur ein bisschen. Nur ein bisschen näher noch. Fester griff der Dämon um die Taille Erziraphaels, zog ihn so dicht an sich, dass kein Stück Papier mehr zwischen sie passen könnte. Kein Mensch, kein Dämon, kein Engel sollte sich zwischen sie drängen. Das leise überrascht klingende Keuchen des Blonden goss nur noch mehr Öl ins Feuer, Crowley festigte abermals seine Umarmung und vergrub seine Nase in den hellen Haaren. Es mag seltsam klingen, diese Bezeichnung zu wählen, doch für den Dämon roch Erziraphael einfach himmlisch. Er roch süßer als jedes Crêpe und machte ihn betrunkener als jede Flasche Wein. "...Engel..." "Hm?" "Engel..." "Ja?" "Engel." "...ich bin hier." Diese Worte trafen Crowley mitten ins Herz. Ja, er war hier. Er war wieder gekommen. Und lag nun in seinen Armen, so perfekt schmiegte sich dessen weicher Körper an seinen. Als hätte er schon immer dort hingehört. Ein wenig zerknirscht über sich selbst musste es sich der Dämon wohl eingestehen. Er hatte auf ganzer Linie verloren. Eigentlich hatte er sich fest vorgenommen, Erziraphael nicht zu nahe zu kommen. Hatte ja sehr gut geklappt. Aber wenn er schon in seinem eigenen Vorsatz derart versagte, dann schon so richtig. Seinen Kopf wieder anhebend ließ der Rothaarige seine rechte Hand von der Taille des Engels nach oben gleiten und legte sie an dessen warme Wange. Mit sanften Druck zwang er dessen Kopf hoch, sodass sie sich in die Augen sehen konnten. Was für tiefe blaue Seeen doch die Iren des Engels waren. Crowley hatte das Gefühl in diese eintauchen zu können. Was waren das nur für Emotionen, die diese widerspiegelten? Dieses Schimmern in seinen Augen, was wollte das ihm sagen? "Crowley?" Fragend blinzelte dieser, legte leicht den Kopf schief und strich gedankenverloren mit dem Daumen über die weiche Wange des Engels. War ihm das zuwider? "Hm? Ist was?" Große blaue Augen starrten den Dämon an, schienen in seinen etwas zu suchen, aber nicht zu finden. Dann war ein leises Seufzen von Erziraphael zu hören und ein kleines Lächeln schlich sich auf seine Lippen, ein Lächeln das nur Crowley zu gehören schien. So vergnügt, amüsiert und doch schüchtern und verlegen. Dieses Lächeln löste eine Schar Schmetterlinge in seinem Bauch aus. Durfte der Rothaarige sich darauf was einbilden? "Meine Lieblingsfarbe ist gelb. Wie deine Augen." Überrascht von dieser Aussage hielt Crowley den Atem an, sein Herz machte einen Sprung bis in seinen Hals und schlug daraufhin hart gegen seine Brust. Die Hand, die zuvor noch an der Wange des Engels geruht hatte, wanderte nun nach hinten und vergrub sich in den hellen welligen Haaren. "Oh Erzi...was tust du nur mit mir?" Nur ein bisschen. Nur ein bisschen mehr. Sanft übte der Dämon am Hinterkopf Erziraphaels Druck aus, lehnte seine Stirn an die des Blonden ohne den Blickkontakt zu unterbrechen. Ihre Nasen stupsten aneinander und Crowley rieb seine vorsichtig an der des Engels. Die Hände, die im Nacken des Dämons lagen, begannen kaum spürbar über seinen Haaransatz zu streichen. "Erzi. Erziraphael. Engel." Und dann geschah etwas, was den Rothaarigen das letzte Stückchen Zurückhaltung vergessen lies. Diese wunderschönen blauen Augen, die ihn die ganze Zeit gefesselt hatten, ihn angesehen hatten als gäbe es nur ihn auf dieser Welt, schloßen sich langsam. Geschah dies, weil der Engel diesen Moment der Zweisamkeit einfach genoss? Oder gab er dem Dämon damit eine stummes Signal? Ohne weiter darüber nachdenken zu wollen, welche der beiden Optionen es denn nun sein konnte, handelte Crowley einfach instinktiv. Er überbrückte die letzten Zentimeter zwischen ihnen und verschloss die Lippen Erziraphaels mit einem sehnsüchtigen Kuss. Es fühlte sich an wie eine wahre Offenbarung. Verdammt, eigentlich hatte er versucht abzuschließen, zu vergessen. Aber diese weichen Lippen, die sich so perfekt an seine zu schmiegen schienen, ließen Crowley etwas ganz anderes vergessen: Seine Zurückhaltung. Das zarte Keuchen, dass der Engel von sich gab, feuerte den Dämon wie eine Cheerleader-Gruppe an. Seine zweite Hand glitt ebenfalls nach oben und bettete sich in das weiche blonde Haar. Sich weiter nach vorne lehnend stolperte der Dämon mit Erziraphael in den Händen nach vorne, spürte wie sich der andere fest an seinem Nacken festhielt, was ihn ein wenig in den Kuss grinsen ließ. Als er auf Widerstand traf und herunterfallende Bücher hörte, war ihm klar, dass er den Blonden gegen eines der Bücherregale gedrängt hatte. Ein entrüstetes Schnauben an seinen Lippen ließ Crowley kurz aufhorchen. In seinen vernebelten Gedanken kam ihm kurz in den Sinn, dass es dem Engel sicherlich nicht gefallen würde, dass einige seiner geliebten Bücher zu Boden gefallen waren. Doch gerade konnte dem Dämon nichts egaler sein. Für ihn zählte nichts außer diese süßeste Versuchung, die er gerade sehnlichst an sich presste. Kurz löste er seine Lippen, nur um sie nach kurzem Luftholen abermals auf die des Blonden zu legen. Das war doch wahnsinnig, er war wahnsinnig. Wahnsinnig nach Erziraphael, der sich gerade so entzückend gefügig in seine Arme legte und den noch durchaus keuschen Kuss zögerlich erwiderte. Denn das war er. Keusch. Nur ein sanftes Bewegen zweier Lippenpaare, die sich zärtlich aneinander rieben. Keine Austauschen von heißem Atem, keine fremde Zunge in der warmen Mundhöhle des jeweils anderen. Noch mehr. Mehr. Mehr. Gierig geworden wagte sich der Rothaarige noch weiter. Sein rechtes Bein schob er zwischen die Erziraphaels, übte so mit seinem Oberschenkel sanften Druck auf dessen mittlere Körperregion aus. Was ihm prompt mit einem lauteren, erschrocken wirkenden Keuchen und einem Zucken durch den ganzen Organismus belohnt wurde. Er war zwar ein Engel, ein sittsames Wesen, aber ganz sicher kein Eunuch. Der Blonde hatte das Erscheinungsbild eines Mannes gewählt, dessen Körper auf dieselben Reize reagierte wie jeder andere männliche Mensch auch. Mehr. Mehr. Mehr. Crowley wollte nicht nur die weichen Lippen spüren, er wollte sie spalten, mit seiner Zunge ins innerste des Engels vordringen, ihn schmecken. Bei dem Gedanken konnte sich selbst der Rothaarige ein leises Aufstöhnen nicht verkneifen, strich auffordernd mit der Zunge über die noch so ungeküssten Lippen des Blonden, versuchte so Erziraphael aufzufordern, es ihm gleich zu tun. "Hallo hallo hallo. Sowas hab ich schon mal gelesen. Nennt man das nicht küssen?" Die Stimme Muriels ließ Crowley für eine Sekunde in seinem Tun gefrieren, es fühlte sich für ihn an, als würde die Welt stehen bleiben. Als wäre sein Körper mit Eiswasser übergossen worden, riss der Rothaarige seine Augen auf. Realisierend, was er gerade imstande war zu tun, rückte der Dämon entsetzt von seinem eigenen Handeln von Erziraphael ab, der ebenso geschockt wirkte. Er musste etwas sagen, irgendwas um die Situationen zu entschärfen. Doch der Anblick des Engels, wie er so unschuldig und verwirrt vor ihm stand, ließ ihm jegliche Wörter im Hals stecken bleiben. Die blauen Augen sahen ihn fragend, fast schon flehend an, die von den Küssen gerötete Lippen öffneten sich zu einer Aussage, von der Crowley sich sicher war, sie nicht hören zu wollen. Er wollte von keinem Vergebung, erst recht nicht von Erziraphael. Nicht noch einmal. So tat der Rothaarige das Einzige, was ihm in diesem Kontext logisch erschien. "Crow..." "Lass gut sein. Ich will es nicht hören. Und...entschuldige." Ohne eine Antwort abzuwarten drückte er sich an der sichtlich verwirrt dreinblickenden Muriel vorbei, die ihm noch etwas hinterherrief. Er verstand nicht, was sie sagte, da das Rauschen in seinen Ohren so laut war, dass es ihm sogar schwer fiel seine eigenen Gedanken zu hören. Im Stechschritt ging er zu seinem Bentley und startete den Motor. Er musste hier weg, sehr schnell sehr weit weg. Kapitel 8: Treffen im Park -------------------------- "Mr. Crowley! Sie haben Ihre Sonnenbrille vergessen!" Doch der Ruf Muriels blieb ungehört, ein Klingeln der Glocke und ein lautes zuschlagen der Tür signalisierte, dass Crowley gegangen war. Atemlos von den just passierten Ereignissen sah Erziraphael perplex auf die wieder geschlossene Ladentür. Was war gerade geschehen? Wie damals griff er sich mit den Fingern an die Lippen, er spürte den sanften, jedoch bestimmenden Druck immer noch. Doch er war nicht geschockt, einfach nur überrascht. Dieser Kuss oder viel mehr die Küsse waren auf den Engel eingeprasselt, ohne dass er etwas dagegen hätte tun können. Oder hatte er nichts dagegen tun wollen? Es war sicher nicht in seinem Sinn gewesen, derartig unzüchtiges mit dem Dämon zu tun. Dieser selbst hatte die Initiative ergriffen, nachdem der Blonde, um den Moment des gemeinsamen Friedens voll auskosten zu können, seine Augen geschlossen hatte. Die Fehlinterpretation Crowleys hatte zu dieser Situation geführt. Doch war dem wirklich so? Erziraphael hatte das Gefühl, sich nur selbst etwas vorzumachen. Hatte er denn auf so etwas in der Art insgeheim gehofft? Diese Küsse waren anders gewesen als der eine von vor 7 Jahren. Der damalige Kuss war verzweifelt, flehend, regelrecht bettelnd gewesen. Das heute war sehnsüchtig, leidenschaftlich, geradezu liebevoll. Was wäre wohl passiert, wenn Muriel nicht gekommen wäre? Hätte er sich noch weiter hinreißen lassen? Zu seiner eigenen Scham musste es sich Erziraphael eingestehen: Er hatte Crowley nicht wie er sollte von sich gestoßen, sondern hatte die Berührungen willkommen geheißen, hatte die Geste zögerlich erwidert und den Dämon dicht bei sich gehalten. Was wäre wohl gewesen, wenn er der streichelnden Zunge an seinen Lippen nachgegeben hätte? Was wäre dann passiert? "Mr. Crowley ist ja noch grummeliger als sonst." Zu dem anderen Engel blickend realisierte Erziraphael, dass er ja nicht alleine im Buchladen war. Sich verlegen räuspernd richtete er seine leicht schief sitzende Schleife wieder zurecht. Er würde sich später, wenn er wieder alleine war, Gedanken darum machen können. Aber jetzt wäre es Muriel gegenüber einfach nur unhöflich in Grübeleien zu versinken. "Muriel. Ich habe dich so früh nicht zurück erwartet. Wolltest du nicht in den Himmel um deinen Bericht über deine guten Taten abzugeben?" Mit einem Lächeln, dass so unschuldig anmutete wie eine Rudel Hundewelpen, sah Muriel zu dem älteren Engel. Sie schien stolz auf etwas zu sein und der Blonde hatte das Gefühl, sie würde platzen, wenn sie nicht direkt damit rausrücken durfte. Wohlwollend signalisierte er ihr, dass sie doch auf dem kleinen Sofa Platz nehmen sollte. Dieser Geste kam sie direkt nach, Erziraphael setzte sich neben sie. "Also, was ist los, Liebes?" Begeisterung war ihrer Miene abzulesen und stolz verkündete sie dem Blonden die Nachricht. "Ich bin ja in den Himmel aufgefahren, um meine Berichte über meine guten Taten zu schreiben und neue Flyer zu gestalten. Als ich schon wieder auf dem Rückweg war, hat mich Michael am Aufzug angesprochen." Alarmiert von dem Namen setzte sich Erziraphael noch ein Stückchen aufrechter hin als sonst. Weshalb sollte Michael, ein Erzengel, einen Engel des 37. Ranges ansprechen? "Michael?" "Ja, ich wurde noch nie von einem derart hochrangigen Erzengel angesprochen, was mir eine äußerste Ehre war. Sie hat mich gefragt, ob ich wisse, wo du seist, also habe ich gesagt, dass du mir helfen würdest." Fragend legte der ältere Engel die Stirn in Falten. "Und was hat sie dazu gesagt?" Das Strahlen im Gesicht Muriels wurde noch heller, aufgeregt wippte sie auf dem Sofa vor und zurück. Ein nachsichtiges gütiges Lächeln schlich sich bei dem Anblick in das Gesicht Erziraphaels. Er fand es entzückend, wie erfrischend der jüngere Engel in seinem ganzen Wesen war. "Dass ich ein vorbildlicher Engel sei und ich mich, wenn ich weiter so fleißig bin, bald auf eine Beförderung freuen kann. Kannst du das glauben? Ich werde aufsteigen!“ Unsicher lächelte Erziraphael, lobte Muriel für die guten Nachrichten. Das konnte doch nicht alles gewesen sein. Der ältere Engel war sich sicher, das es bereits negativ aufgefallen war, dass er nicht mehr im Himmel aufzufinden war. Sonst hätten sie sich nicht dazu hinreißen lassen, einen derart rangniedrigeren Engel zu befragen. Wobei es nahe lag, die Person zu befragen, die mit der Aufgabe auf den Buchladen acht zu geben betraut worden war, und das vom Metatron höchstpersönlich. Schließlich war dieser Laden für Erziraphael so etwas wie seine Heimat, sein Zuhause. Es war ein offenes Geheimnis im Himmel, dass der Blonde die Erde allen anderen Planeten vorzog. Er mochte die Menschen, deren Art zu leben und vor allem das Essen. Und es war auch durchaus bekannt, dass er ein über Jahrtausende anhaltendes Bündnis mit einem bestimmten Dämon unterhielt. Hatte nicht Uriel mal etwas fallen lassen, was darauf hingewiesen hat, dass der Himmel sehr wohl über Crowley Bescheid wusste? Erziraphael musste diese Sache dringend bereinigen, er ahnte übles. Noch nie hatte sich einer der anderen Erzengel dafür interessiert, was er tat. Wieso ausgerechnet jetzt? Weil er nicht mehr nach Vorschrift handelte? Wobei der Blonde dort oben schon seit Jahrhunderten als eine Art Rebell abgestempelt war. Mit seiner ganzen Art und seiner Leidenschaft für die Menschen war er im Himmel schon immer angeeckt. „Muriel, bitte entschuldige, aber kannst du heute alleine auf den Laden acht geben? Ich habe dringendes zu erledigen.“ Stolz nickte der jüngere Engel. „Aber natürlich! Schließlich werde ich bald den 36. Rang eines Engels erklimmen!“ Mit einem schmalen Lächeln dankte Erziraphael Muriel, stand auf und zog seinen beigen Mantel vom Kleiderständer. Er musste noch einmal nach oben um die Sache zu klären. Nicht dass die anderen Engel noch auf Ideen kamen. Doch er würde nicht gehen, ohne einem bestimmten Wesen auf dieser Erde Bescheid zu geben. So ging der Blonde aus dem Laden, sah sich hektisch nach recht und links um in der Hoffnung, einen roten Schopf in der Menschenmenge zu erkennen oder den markanten schwarzen Bentley, der heutzutage absolut nicht mehr zeitgemäß war und dementsprechend auffiel zwischen all den neuartigen Automobilen. Doch keines von beidem fiel ins Blickfeld des Engels. Crowley war wohl schon weg. Verständlicherweise. Er schien ziemlich durcheinander gewesen zu sein, nachdem Muriel sie unterbrochen hatte bei...was auch immer das gewesen war. Die Stirn in Denkfalten gelegt ging Erziraphael schnellen Schrittes die Straße hinunter, vorbei am „Gib mir den Kaffee oder gib mir den Tod“, in dem nicht wie sonst geschäftiges Treiben war. Nur hier und da saßen Kunden, die lieber ihren Kaffee genossen als den endgültigen Tod. „Mr. Fell? Wo kommen Sie so plötzlich her?“ Erschrocken von der plötzlichen doch wieder sehr ungewohnten Ansprache sah der Engel zu der ihm bekannten Stimme. Eine dunkelhäutige Frau mit einer Schürze war aus dem Geschäft getreten und sah ihn ebenso ungläubig an. „Nina. Oh, wie schön Sie zu sehen...“ „Wie lange ist es her? 7 Jahre? Wo waren Sie die ganze Zeit über? Sie haben sich überhaupt nicht verändert. Genau so wie Mr. 6-Shots-Espresso-in-eine-Kaffeetasse, was ist Ihr Geheimnis?“ Nervös lächelte Erziraphael und hob seine Hände in einer leicht abwehrenden Geste vor sich. Unter normalen Umständen wäre es ihm eine schiere Freude sich mit Nina zu unterhalten, schließlich würde es ihn schon interessieren, ob der Versuch, sie und Maggie zusammenzubringen, gefruchtet hatte. Doch gerade hatte er keine ruhige Sekunde für ein derartiges Gespräch, er musste dringend Crowley finden. „Wissen Sie, Nina, ich würde nur allzu gerne mit Ihnen plaudern, aber ich muss…“ „Ihrem grummeligen Freund hinterher? Dann würde ich mich an Ihrer Stelle aber beeilen, er ist mit dem Auto in diese Richtung gerast. Mir kann keiner erzählen, dass das noch eine vorschriftliche Geschwindigkeit war.“ Augenblicklich hellte sich das Gesicht des Engels auf. Ja, so kannte er Crowley. Geschwindigkeitsbegrenzungen waren für ihn höchsten eine Empfehlung, keine Vorschrift. Zumindest wusste er nun, in welche Richtung der Dämon verschwunden war. Dankbar für diese glückliche Fügung ergriff Erziraphael die Hände der Frau und schüttelte diese. „Oh vielen Dank, Sie haben etwas gut bei mir! Wenn Sie mich nun entschuldigen würden.“ Ohne eine Antwort abzuwarten ging der Blonde in die von Nina gedeuteten Richtung davon. In dieser Richtung lagen insgesamt 3 Möglichkeiten, an die Crowley fahren würde. Konnte er nur hoffen, das einer dieser Orte auch der Richtige war. Ein Stoßgebet gen Himmel sendet bat der Engel darum, dass es der erste sei, den er nun aufsuchen würde. ~~~~~ Am St. James Park angekommen ging Erziraphael andächtig den geschotterten Kiesweg entlang. Bei jedem Schritt, den er tat, knirschte es unter seinen Schuhen. Wie lange hatte er dieses Geräusch nicht mehr gehört. Oben im Himmel gab es nichts, was auch nur ansatzweise einen Ton beim Laufen verursachen könnte. Wenn man dort nicht bewusst hart auftrat, waren die Schritte kaum wahrnehmbar. Deshalb genoss der Engel diese sonst so banale Kleinigkeit und schritt mit einem leichten Lächeln auf den Lippen den Weg entlang. Er hatte lange überlegt, wo Crowley hingegangen sein könnte. Seine Wohnung war einer dieser Orte, ein ruhiges Apartment, dessen Inneneinrichtung Erziraphael nur als „modern“ bezeichnen konnte und das war noch nett ausgedrückt. Die Wohnung war kahl, leer und sehr unpersönlich bis auf ein paar Kleinigkeiten, die andeuteten, dass dort jemand leben musste. Zweiteres wäre das Pub gewesen. Eigentlich wäre das eine ziemlich clevere Wahl gewesen, da es den Engel widerstrebte, ein derartige Lokalität zu betreten. Er war kein Freund dieser lauten und vollgestopften Läden, Erziraphael bevorzugte dann doch ein privates Separee oder seinen Buchladen um dem alkoholischen Genuss zu frönen. Und drittens dieser Park. Die erste Station, die der Blonde angesteuert hatte. Seit es diesen Park gab hatte es Crowley genossen sich auf einer der Sitzbänke zu entspannen, den Enten beim Schwimmen zuzusehen und optional die Menschen schroff darauf hinzuweisen, die Tiere nicht mit Brot zu füttern. „Herrgott nochmal! Hört endlich mit dem Brot auf, füttert die Enten wenigstens mit gefrorenen Erbsen!!!“ Noch bevor Erziraphael den Dämon sehen konnte, hörte er ihn. Erleichterung machte sich in ihm breit, er war mit seiner Vermutung goldrichtig gelegen. Seine Schritte beschleunigend bog der Engel um die Ecke, vorbei an den dichten Büschen, die ihm den Blick auf den Kanal und die dort aufgestellten Sitzbänke nahm. Und auf einer dieser Bänke saß ein roter Haarschopf, der wild gestikulierend die Menschen anschrie. Glücklich machte das Herz des Blonden einen Satz, er war sehr froh, Crowley so schnell gefunden zu haben. Nicht, weil er schnell mit diesem über seinen Verdacht reden wollte, sondern Erziraphael hatte Angst, dass die unsichtbare Mauer, die zwischen ihnen zu stehen schien, unüberwindlich wurde. Die Hände vor seinen Bauch faltend machte der Engel hinter dem Rothaarigen Halt. „Wie schön, dass du immer noch so auf das Wohl der Enten bedacht bist. Ich finde es erfrischend wie du nie müde wirst, die Menschen diesbezüglich zu belehren.“ Ein giftiger Blick wurde ihm über die Schulter zugeworfen bevor der Dämon seinen Blick wieder nach vorne richtete. Wie zum Schutz verschränkte er die Arme vor seiner Brust. „Die bringen die Viecher noch um und wissen es nicht mal.“ In zwei schnellen Schritten war Erziraphael um die Bank getreten, deutete mit einer Hand auf den freien Platz neben Crowley. „Darf ich?“ „Wirst du wieder gehen, wenn ich nein sage?“ „...Nein.“ „Was fragst du dann?“ Seufzend schüttelte Erziraphael leicht seinen Kopf und setzte sich neben den Dämon, der sichtlich bemüht schien, nicht zu ihm zu sehen. Diese Gefühlsachterbahn brachte ihn noch an den Rand der Resignation. Vor circa einer Stunde hatte Crowley seinen Blick, seine Hände und seine Lippen nicht von dem Blonden lassen können und jetzt war er wieder so. Er verstand einfach nicht, woran er bei dem Rothaarigen war. „Ich habe dich gesucht.“ „Mhm.“ „Ich glaube, wir müssen dringend reden.“ „Müssen wir?“ „Ich denke schon.“ Nervös nestelte Erziraphael an seiner beigen Weste herum, spielte mit der goldenen Kette seiner Taschenuhr. Das leise Klimpern war durch die typischen Geräusche eines öffentlich zugänglichen Parks um sie herum kaum wahrnehmbar. Die Enten quackten, Hunde bellten und deren Besitzer riefen ihnen die fantasievollsten Namen hinterher. "Prince Jr. der Dritte, hol den Ball!" Heimlich fragte sich der Engel, ob es je einen ersten und zweiten Prince Jr. gegeben hatte. Da schnaubte Crowley neben ihm deutlich genervt auf. "Engel, hör auf meine Nerven zu strapazieren und rück endlich mit der Sprache raus. Wenn es um vorhin geht, ich hab dir bereits gesagt, dass es mir leid tut. Und wage es ja nicht, den Entschuldigungstanz einzufordern!" Entrüstet von der forschen Ansage sah der Engel zu dem Rothaarigen, dessen Blick immer noch auf das Wasser im Kanal und den dort schwimmenden Enten lag. Wenn er ihn doch wenigstens ansehen würde! Seinen Oberkörper zu Crowley drehend stützte sich der Blonde auf dem Holz der Bank ab und lehnte sich näher an den anderen heran. "Darum geht es hier doch gar nicht! Gut, aber wenn du darüber reden willst, bitte. Ich gebe zu, ich war sehr überrascht, aber ich habe nie nach einer Entschuldigung verlangt. Daran gibt es nichts zu Entschuldigen. Viel mehr bin ich derjenige, der sich entschuldigen sollte." Da. Er hatte es geschafft. Endlich waren die gelben Augen des Dämons auf ihn gerichtet. Zwar konnte Erziraphael diese durch die Sonnenbrille kaum erkennen, aber er wusste, dass der andere ihn beinahe ungläubig anstarrte. "Was hast du gerade...?" Ein sanftes Lächeln breitete sich auf dem Gesicht des Engels aus, mit einem warmen Schimmer in den Augen sah er Crowley an. Der irritierte Gesichtsausdruck des Dämons amüsierte ihn, war es denn wirklich so abwegig, dass Erziraphael nichts gegen die Berührungen des anderen hatte? Leicht mit den Schultern zuckend schmunzelte er. "Du hast mich schon verstanden. Nur weil du glaubst, dass ich etwas dagegen habe, heißt das nicht, dass dem auch so ist. Wenn ich wirklich nicht damit einverstanden gewesen wäre, dann hätte ich dich schon längst zurecht gewiesen. Es wäre schön, dass du in Zukunft erst mal abwartest, was ich zu sagen habe bevor zu einfach abhaust." Der Rothaarige schien sichtlich überrumpelt von dem Geständnis des Engels. Verdattert stotterte dieser zusammenhanglose Worte, die davon zeugten wie sehr ihn die Situation gerade überforderte und gestikulierte dabei ziemlich ziellos mit den Händen in der Luft. "Ich... das war... ich mein, du..." Indem Erziraphael seine Hand erhob bat er den Dämon zu schweigen, kippte wieder zurück in eine bequemere Sitzposition. "Ich habe dir gesagt, was ich sagen wollte. Alles weitere besprechen wir, wenn wir nicht in einem öffentlichen Park sitzen, ja? Ich bin eigentlich wegen etwas anderem hier, worüber ich mit dir reden wollte." Das Gesicht des Engels wurde ernster, während er sprach sah er angestrengt gen Himmel. "Muriel hat erzählt, dass sie von Michael aufgehalten wurde. Es wurde gefragt wo ich sei. All die letzten Jahre hat sich keiner der anderen Erzengel dafür interessiert, wo ich war oder wie es mir erging. Ich habe tatsächlich keinen von ihnen gesehen. Und jetzt, wo ich wieder auf der Erde bin, interessieren sie sich für mich?" Sein Blick glitt wieder zu Crowley, dessen Miene ebenso wieder ernster geworden war, nur ein leichter Hauch Rot auf dessen Wangen zeugte von der vorherigen Aufregung. "Was willst du damit sagen, Engel?" "Dass...ich wieder in den Himmel..." "IST DAS DEIN VERDAMMTER ERNST?!" Der Rothaarige war von der Bank aufgesprungen, hatte sich die Brille von der Nase gezogen und seine Augen schienen Funken zu sprühen. Erschrocken gingen die Passanten, die in ihrer Nähe waren, schnell weiter, wollten nur nicht in diesen Konflikt des sehr ungleichen Duos hineingezogen werden. Sich unsicher um blickend erhob Erziraphael beschwichtigend die Hände. "Crowley, bitte, hör mir zu..." "NEIN! Du hörst jetzt MIR zu! Das kann doch nicht dein Ernst sein! Willst du mit damit sagen, dass du wie damals einfach abhaust nachdem ich dich geküsst habe? Hätte ich das gewusst, hätte ich nie....!" Von den Worten Crowleys tief getroffen sprang nun auch der Engel auf, griff nach den Händen des Rothaarigen, der sich dem versuchte zu entziehen. Doch Erziraphael ließ nicht locker, hielt die Hände des Dämons fest in seinen. Er würde nicht loslassen, nicht bevor er ihm alles gesagt hatte. "Nein, bitte. Sag das nicht. Bitte sag nicht, dass du mich nicht geküsst hättest. Bitte bereue es nicht." Stille breitete sich zwischen ihnen aus, neugierige Menschen liefen an ihnen vorbei, tuschelten über das so ungleiche Paar. Unter normalen Umständen wäre es Erziraphael durchaus unangenehm, eine derartige Szene zu verursachen, aber er hatte das Gefühl, nur so richtig zu Crowley durchdringen zu können. Dieser sah zuerst unsicher auf ihre Hände, bevor sein Blick wieder nach oben glitt und sich in den des Engels zu haften schien. "Engel. Was tust du?" „Das Einzige, was zu helfen scheint, damit du mir zuhörst.“ Sich seinem Schicksal ergebend atmete Crowley einmal tief ein, schloss seine Augen und stieß die Luft stoßweise wieder aus. Dann öffneten sich seine Lider wieder und er sah Erziraphael ernst an, nickte stumm. Erleichtert atmete auch der Engel auf, er war gewillt ihm zuzuhören. Ohne die Hände in seinen loslassend sprach er weiter. „Danke. Ich weiß das zu schätzen. Also… wo war ich?“ „In den Himmel.“ „Ah ja, genau. Ich werde in den Himmel...hör auf so ein Gesicht zu ziehen wenn ich das sage.“ Sichtlich genervt rollte der Rothaarige demonstrativ mit seinen Augen. „Was erwartest du denn von mir? Dass ich freundlich lächle, wenn du so was sagst und dir den Weg noch mit Rosenblättern auslege?“ Ein fester Zug an den Händen Crowleys und ein paar stolpernde Schritte von dessen Seite hatte der Blonde ihn näher an sich gezogen, bettete ihre Hände auf seiner eigenen Brust damit er dem Dämon direkt ins Gesicht sehen konnte. „Hör auf damit, das habe ich nie behauptet und würde ich auch nie. So gut müsstest du mich doch nach über 6000 Jahren kennen. Ich werde in den Himmel gehen und mich um horchen, woher plötzlich dieses rege Interesse an mir kommt. Ich werde nicht länger als 3 Tage weg sein, das verspreche ich dir. Ich möchte nicht, dass es wieder so läuft wie damals.“ Der Gesichtsausdruck Crowleys zeugte von dem Unglauben, den er in die Worte des Engels legte. Erziraphael konnte ihn sogar verstehen. Doch er ließ nicht locker, er würde den anderen davon überzeugen, ihm zu glauben, ihm zu… „Vertrau mir.“ Die Miene des Dämons wurde weicher. Erinnerte er sich? 1941 nach der fast missglückten Magieshow, in der Crowley auf Erziraphael mit einem Gewehr geschossen hatte. Damals hatten sie bei einer Flasche Wein darüber geredet, dass sie einander vertrauten, sich immer aufeinander verlassen konnten. „Ganz dunkles Grau.“ Ein Lächeln schlich sich auf des Gesicht des Engels. Ja, das waren sie. Sie waren weder schwarz, noch weiß. Sie waren grau. Erziraphael spürte, wie Crowley eine Hand aus seinem Gefängnis befreite und diese an seine Wange legte. Leise seufzend schmiegte sich der Blonde in die warme Handkuhle, weiterhin das leichte Lächeln auf den Lippen. Er fühlte sich wohl und geborgen. Ein Gefühl, dass er seit mehreren Jahren nicht mehr erlebt hatte. Im Himmel, da war er immer alleine, selten, dass er mal einen anderen Engel gesehen hatte. Bis zu dem Moment, an dem er Crowley endlich wiedergesehen hatte, war ihm nicht bewusst gewesen, wie sehr er dieses Gefühl vermisst hatte. „Grautöne der sehr hellen Art.“ Ein spielerisches Kneifen in seine Wange ließ Erziraphael erschrocken aufquiecken, seine blauen Augen sahen ungläubig zu dem Dämon, der nun die leicht pochende Stelle streichelte, dabei ein Grinsen im Gesicht. „3 Tage. Nicht mehr. Wenn du danach nicht zurück bist, fahr ich persönlich hoch und hol dich.“ „Einverstanden.“ Kapitel 9: Zurück im Himmel --------------------------- Ein leises Pling signalisierte Erziraphael, dass er im Himmel angekommen war. Er war nervös. Sehr sogar. Vielleicht bildete er sich alles auch nur ein? Er war nur hier, um schnell nach dem Rechten zu sehen, sich um seinen liegengebliebenen Papierkram zu kümmern und sich ein wenig um zu horchen. Ein kleines Lächeln stahl sich auf die Lippen des Engels, als er daran dachte, dass Crowley diesmal wirklich auf ihn warten würde. Ihr erneutes Wiedersehen würde ohne Wut oder Enttäuschung stattfinden, da sie sich ein Versprechen gegeben hatten. Nach 3 Tagen würde Erziraphael wieder hinab auf die Erde kommen und wenn dem nicht so war, würde der Dämon kommen und ihn holen. Und der Blonde traute es ihm auch zu, das zu tun. Diese Erkenntnis erwärmte das Herz des Engels auf eine sehr angenehme Art. Durch die offene Aufzugtür tretend schlug Erziraphael wieder das sterile Weiß entgegen. Er musste zugeben, vermisst hatte er das nicht. Sich in sein Engelsgewand wundernd schritt er durch die hellen Hallen, stellte dabei frustriert fest, dass seine Schritte nicht zu hören waren, nicht wie im St.James Park, in dem jeder Schritt so herrlich knirschte und knackte unter seinen Füßen. Er war nur wenige Minuten hier und vermisste bereits die bunte Vielfalt der Erde. Machte ihn das zu einem schlechten Engel? An dem farblosen Schreibtisch angekommen, den er 7 Jahre lang seinen Arbeitsplatz nannte, setzte sich Erziraphael an den dazugehörigen Stuhl und holte sich die Erdenberichte der letzten Tage auf den Tisch. War darin irgendwas über ihn vermerkt? Doch auf keiner der Seiten war seine Abwesenheit, noch sein wortloses Verschwinden vermerkt worden. Als...wäre er nie dort gewesen. Ein wenig erleichtert über diesen Umstand ließ der Engel die Dokumente wieder verschwinden und holte sich die Schriften her, für die er zuständig war. So widmete er sich fast 2 Tage lang der liegengebliebenen Papierarbeit. ~~~~ Inmitten des zweiten Tages spürte Erziraphael plötzlich eine ihm bekannte Präsenz hinter sich. Er hätte gerne in seiner Zeit im Himmel darauf verzichtet, aber irgendwann musste er sich dem stellen. "Erziraphael. Was für eine Freude dich wiederzusehen." Sich auf seinem Bürostuhl umdrehend erblickte er Engel Michael hinter sich. Entgegensetzt ihrer Worte konnte ihr Gesicht nicht strenger aussehen. Mit einem höflichen Lächeln auf den Lippen stand der Blonde auf, sah auffordernd zu dem anderen Engel. "Michael. Die Freude liegt ganz auf meiner Seite. Wie lange ist das nun her? 4 Jahre? Was verschafft mir die Ehre?" Gewissenhaft erwähnte Erziraphael nichts von seinem außerplanmäßigen Besuch auf der Erde, hoffend, dass es vielleicht doch nicht weiter von Belang war. Wenn heraus kam, dass er wieder mit Crowley verkehrt hatte und Dinge getan hatte, die sich nun wirklich nicht für einen Engel ziemten, geschweige denn für einen Erzengel, dann wusste der Blonde nicht, was geschehen würde. Seines Wissens nach war er bisher tatsächlich der einzige seiner Art, der eine derartige Liaison unterhielt und sich trotzdem noch im Himmel aufhielt. Gabriel hatte damals mit dem Himmel gebrochen. Ein wenig neidisch war Erziraphael auf diesen schon gewesen, wie gerne hätte er auch diesen Schritt gewagt. Doch er war zu feige und zu blind gewesen. "Uns ist zu Ohren gekommen, dass du die letzten Tage auf der Erde verbracht hast. Nicht unbedingt ein Ort für einen Engel deines Ranges, findest du nicht?" In Gedanken alle Optionen durchgehend versuchte Erziraphael die Ruhe zu bewahren. Das hieß noch gar nichts. Sie hatten es mitbekommen, was solls? Der Blonde hatte sich nichts zu Schulden kommen lassen. So lächelte er tapfer weiter. "Ich weiß nicht, was du... Oh! Ach so, ja genau. Mein kurzer Besuch auf der Erde. Das war nichts wichtiges, ich habe nur Muriel geholfen bei ihrer Aufgabe. Nicht mehr und nicht weniger." Skeptisch zog Michael die Augenbrauen nach oben. Der andere Engel wirkte, als würde er Erziraphael nicht wirklich Glauben schenken. Da erklang hinter dem Blonden eine weitere Stimme, die ihn erschrocken zusammenfahren ließ. "Nicht mehr und nicht weniger? Mach uns nichts vor, du hast dich mit dem Dämon Crowley getroffen. Ich rieche den Schwefel bis in mein Büro." Er erkannte die Stimme ohne sich umzudrehen. Uriel. Tief einatmend um seine Fassung zu wahren drehte sich Erziraphael mit einem schmalen Lächeln zu dem anderen Engel um. Michael mochte ihm seine Geschichte abkaufen, aber Uriel war ein ganz anderer Brocken. Sie war die Strengere von ihnen beiden. "Uriel. Welch unerwartete Freude dich hier zu sehen. Wie ich bereits sagte, ich habe Muriel geholfen. Die Sache mit dem Schwefel ist die..." Fieberhaft grübelte der Blonde nach einer plausibel klingenden Ausrede, der strenge Blick Uriels ruhte auf ihm und schien ihm ein Loch in die Stirn zu bohren. "Natürlich bin ich ihm begegnet, es ist ja nicht das erste Mal in meinem Dasein, dass ich Crowley über den Weg gelaufen bin. Er lebt schließlich auf der Erde, da ist es kaum möglich, ihm nicht über den Weg zu laufen." Nervös lachte Erziraphael um seine Geschichte zu untermauern und zu zeigen, wie sehr die Verdächtigungen der anderen Engel an den Haaren herbei gezogen waren. Uriel schien zu überlegen, schritt langsam um den Blonden herum bis sie neben Michael angekommen war. Er drehte sich mit ihr wieder um, wollte den skeptischen Engel nicht aus den Augen lassen. Uriel schnalzte missbilligend mit der Zunge. "Nun gut. Dann will ich dir das mal so glauben. Aber nur zu deiner Erinnerung, die wohl eine kleine Auffrischung nötig hat: Du bist ein Erzengel. Ein höheres Wesen. Unsereins unterhält keine Liaison mit einem Dämon. Dessen solltest du dir klar sein. Du weißt, was mit Engeln passiert, die sich nicht daran halten?" Irritiert von der plötzlichen Feindseligkeit sich gegenüber trat Erziraphael einen kleinen Schritt zurück, als ihm Michael näher kam um den Standpunkt, den sie und Uriel vertraten, noch einmal deutlich zu machen. Nervös sah sich der Blonde kurz nach Hilfe suchend um, schallte sich dann aber selbst einen Narren. Hier musste er sich selbst helfen. So straffte er seinen Rücken durch. "Das ist mir durchaus klar. Und ich habe keine Lust, mein Gedächtnis wie Gabriel aufs Spiel zu setzen." Ein höhnisches Grinsen bildete sich in den Gesichtern der beiden Engel, Michael kam noch ein Stückchen näher sodass Erziraphael zurückwich, da diese mehr als deutlich in seine Komfortzone eindrang. "Das wäre nur der Anfang. Vom Verlust der Flügel bis hin zum Fall könnte alles passieren mit Deserteuren." Hart schluckte der Blonde. Er wusste, dass diese Drohung alles andere als leer war. Crowley war damals fallen gelassen worden weil er zu viele Fragen gestellt hatte. Erziraphael wanderte auf sehr dünnem Eis, ihm war dies mehr als klar. Plötzlich, als wäre nichts zwischen ihnen geschehen, lächelten die beiden Engel und Michael zog sich wieder zurück. Uriel sprach mit ruhiger, jedoch nicht minder bedrohlichen Stimme. "Du verstehst. Das ist gut. Wir sehen uns dann bei der Versammlung?" Stumm nickte Blonde und blickte den beiden Engeln hinterher, die in der Unendlichkeit der offenen Räume verschwanden. Er musste nur noch diese Versammlung hinter sich bringen, dann konnte er wieder zurück. Zurück auf die Erde. Zurück...zu ihm. Ein warmes Flattern machte sich in der Stelle breit, in der zuvor noch eisige Kälte geherrscht hatte. Die Gewissheit, dass Crowley auf ihn wartete, machte es ihm leichter, die Zeit in dieser sterilen Umgebung zu überstehen. ~~~~ Einen halben Tag später war es so weit, die Versammlung wurde mit Engelstrompeten einberufen. Laut dröhnten die Fanfaren durch die großen Hallen des Himmels. Ein wenig genervt stöhnte Erziraphael auf, dafür dass der Himmel sich immer so bescheiden gab, trugen sie hier ziemlich dick auf. In seinem weißen Engelsgewand lief er durch die unendlichen Hallen des Himmels, die ihn scheinbar kein Ziel erreichen ließen. Doch es dauerte jedoch nur wenige Momente, da stand er plötzlich vor einem langen Tisch, an dem die Engel Michael, Uriel, Saraqael und Sandalphon saßen. An der Stirnseite des Tisches saß der Metatron und beäugte Erziraphael mit einem strengen Blick. "Du bist zu spät." Innerlich verdrehte der Blonde die Augen, ließ sich jedoch nichts anmerken. Mit einem schmalen Lächeln, das seine Augen nicht erreichte, nickte er den Engeln am Tisch kurz zu, setzte sich auf seinen Platz neben Saraqael. Kurz war es still, bevor der Metatron wieder seine Stimme erhob. "Wir sind heute für etwas wichtiges zusammengekommen. Wie ihr alle wisst, steht die zweite Wiederkunft bald bevor. Es wird ein denkwürdiger Abschnitt der Geschichte der Welt, alle Vorbereitungen sind so weit abgeschlossen. Uns fehlt nur noch eine Sache." Ein leises aufgeregtes Raunen ging durch die Engel, Erziraphael versteifte sich. Es war bereits so weit? Er dachte er hätte mehr Zeit! Die Wiederkunft stand kurz bevor. Das musste er verhindern. Aber wie? Sagte der Metatron nicht gerade, dass noch etwas fehlte? Vielleicht konnte er ja das letzte Puzzlestück vor allen anderen finden. Signalisierend, dass er etwas sagen wollte, hob der Blonde seine Hand. "Und was wäre diese eine Sache?" Alle Blicke hafteten erwartungsvoll auf dem Metatron, der ein Lächeln im Gesicht trug, dass Erziraphael nur als hinterhältig bezeichnen konnte. Ein kalter Schauer lief über seinen Rücken. Was hatte der Himmel vor? "Der Sternemacher." Abermals ging ein Raunen durch die Engel, Erziraphael wurde blass. Das Lächeln im Gesicht des alten Mannes wurde breiter. "Wir brauchen die Kraft des Sternemachers. Und du, Erziraphael, bist genau der richtige Engel für diese wichtige Aufgabe. Du wirst ihn zu uns bringen, damit wir seine Fähigkeiten für uns nutzen können. In 2 Wochen ist es so weit, bis dahin betraue ich dich ihn zu finden und ihn zu uns zu bringen." Der mahnende Gesichtsausdruck des Metatrons signalisierte dem Blonden, dass es keinen Widerspruch gab. Geschockt von dieser Erkenntnis drehte sich alles um ihn. Deshalb das plötzliche rege Interesse an ihm und wo er gewesen war. Sie brauchten ihn, sie wollten Crowley. Und nur er wusste wo er zu finden war. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)