Vom Regen bis zur Nachtigall von Ryuura (Crowley x Erziraphael) ================================================================================ Kapitel 6: Die Freuden des Tanzes --------------------------------- Nachdem der Dämon ihn zu dem Eis im Park eingeladen hatte, war nichts mehr dergleichen geschehen. Es waren bereits mehrere Tage vergangen, in denen Erziraphael nichts mehr von ihm gehört oder gesehen hatte. Doch er hatte nicht wie zuvor das Gefühl, dass Crowley ihn mied. Viel mehr kam es dem Engel vor, dass der andere einfach etwas Zeit für sich brauchte um seine Gedanken zu sortieren. Was der Blonde durchaus verstehen konnte, er selbst hatte auch eine Menge nachzudenken, er versuchte immer noch die Gefühle, die Crowley in ihm ausgelöst hatte, zu sortieren und zu verstehen. Er mochte den Dämon, hatte er schon immer getan. Aber war dieses warme Gefühl wirklich nur „mögen“? Gab es da denn mehr? Der Rothaarige hatte vor 7 Jahren etwas von „ein wir sein“ erzählt. Konnte es vielleicht dieses „wir“ sein? Verwirrt von seinen eigenen Gedanken begann Erziraphael damit, in seinem Buchladen zu stöbern, nachdem er seinen Plattenspieler mit dem Vinyl „Johannes Strauss – An der schönen blauen Donau“ gestartet hatte. Die leise klassische Musik im Hintergrund half dem Engel, seine Gedanken besser zu ordnen. An der Tür hatte er das Schild auf „Closed“ gedreht, gerade konnte er keine Menschen gebrauchen, die ihn bei seiner Suche störten. Für Crowley galt dieses Schild selbstredend nicht, dieser wusste genau, dass er jederzeit ein- und ausgehen konnte wie ihm beliebte. „Stolz und Vorurteil… Stolz und Vorurteil… Wo habe ich es denn bloß?“ Akribisch suchte Erziraphael nach und nach seine Regale ab, er hatte zwar in den letzten Tagen viel Zeit gehabt, seine persönliche Bibliothek wieder zu sortieren, jedoch war ihm einer seiner liebsten Romane nicht wieder in die Hände gefallen. Er war sich sicher, in diesem eine Antwort auf seine brennenden Fragen zu finden. Vielleicht hatte Muriel es gelesen und verlegt? Er musste sie bei Gelegenheit fragen. Schließlich war das Buch eine Erstausgabe mit persönlicher Widmung von Jane Austen. Eine begnadete Autorin, von deren Romanen der Engel alle gelesen hatte. Er fand auch alle...bis auf eines. Das Öffnen und Schließen der Ladentür ließ den Blonden aufhorchen, mit einem kleinen Stapel Bücher in der Hand ging er zurück in den offenen Bereich, wippte dabei im Takt der Musik. „Muriel, du musst mir dringend helfen. Ich suche Stolz und Vorurteil von Jane…“ „...Austen. Juwelenraub 1810 und anscheinend Autorin von Romanen, von denen ich nichts wusste. Stille Wasser sind ziemlich tief, findest du nicht auch?“ Mit einem erfreuten Blitzen in den Augen sah Erziraphael zum Ursprung der Stimme. Crowley, er war hier. Sein Herz machte beim Anblick des Dämons einen Sprung, obwohl er doch gar nicht anders aussah als sonst. Doch der Fakt, dass es ER war, reichte anscheinend aus für dieses seltsame Gefühl, das sich gar nicht mal so schlecht anfühlte. „Crowley! Wie schön, dass du hier bist. Was verschafft mir das Vergnügen, dich begrüßen zu dürfen?“ „Ich wollte dir das hier zurückgeben.“ Überrascht sah der Engel, dass der Rothaarige doch tatsächlich genau das Buch in der Hand hatte, nach dem er schon die ganze Zeit gesucht hatte und dieses nun auf dem Schreibtisch des Blonden ablegte. „Stolz und Vorurteil! Wo hast du das denn jetzt so schnell gefunden?“ Kopfschüttelnd kam ihm Crowley ein paar Schritte näher, kratzte sich verlegen am Nacken. „Ich hatte es mir ausgeliehen, da du damals so schwärmerisch von ihren Romanen gesprochen hattest und ich dachte mir: Jane Austen hat Romane geschrieben? Ich hab echt geglaubt, ich habe die Frau gekannt, aber da hatte ich mich sehr getäuscht.“ Erleichtert lächelte Erziraphael, er wusste nicht, was es war, aber dass der Dämon tatsächlich ein Buch gelesen hatte aufgrund seiner Empfehlung, bescherte ihm ein warmes Gefühl in der Brust. Hieß das denn nicht, dass er Wert auf ihn und seine Worte legte? Den Stapel Bücher beiseite stellend, wohl darauf achtend, keines seiner wertvollen Erstausgaben zu beschädigen, sah der Engel zu Crowley, der unschlüssig wirkend im Raum stand. „Ich habe es gerade tatsächlich überall gesucht, vielen Dank. Als hättest du meine Gedanken gelesen. Wie hat es dir gefallen?“ Mit den Schultern zuckend sah der Rothaarige augenscheinlich zur Seite, Erziraphael konnte nicht genau erkennen, wohin Crowley sah durch die getönte Brille. Dieser schien das Thema über das Buch schnell abhaken zu wollen und antwortete deshalb nur knapp. „War ziemlich aufschlussreich. Aber sag mal… Ist das nicht Johannes Strauss?“ Hell lächelnd war der Blonde näher an den Dämon herangetreten, er konnte kaum in Worte fassen, wie glücklich er war, den anderen zu sehen. „Das hast du gut erkannt. Ich liebe seine Musik, schließlich war ich auch nicht ganz unbeteiligt daran. Die ein oder andere Inspiration habe ich ihm durch ein kleines Wunder zukommen lassen. Ich muss bescheiden zugeben, dass ich nicht ganz unbeteiligt am 1867 erschienenen ‚Donauwalzer‘ bin.“ Mit einem knappen „Aha.“ lauschte Crowley der leisen rhythmischen Musik im Hintergrund. Ein wenig mehr Begeisterung hatte Erziraphael nun doch erwartet, schließlich war der Donauwalzer das weltweit bekannteste Werk von Strauss. Er war ein guter Mann gewesen, wobei der Blonde dessen viele Ehen nicht wirklich gutgeheißen hatte. Er hatte sogar einmal die Staatsbürgerschaft geändert um noch einmal heiraten zu können, was Erziraphael damals mit durchaus gemischten Gefühlen verfolgt hatte. Während der Engel seinen Gedanken nachhing, wippte er wieder im Takt der Musik, was dem Dämon nicht verborgen blieb. „Kannst du Walzer?“ Fragend sah der Blonde zu dem anderen, der seine Sonnenbrille abgenommen hatte und ihn auffordernd ansah, auf eine Antwort wartete. Ein wenig verlegen lächelte Erziraphael. „Ich kann Gavotte tanzen.“ Mit dem Zeigefinger deutete Crowley einen Kreis in der Luft an. „Das ist aber nicht Musik zum Gavotte tanzen, das ist Walzer. Außerdem, so leid es mir tut dir das sagen zu müssen, Gavotte ist tot. Kein Mensch tanzt das mehr.“ Entrüstet von dieser Aussage plusterte sich der Engel regelrecht auf. „Wie kannst du nur? Gavotte ist nicht tot, solange es ein Wesen auf der Welt gibt, das ihn tanzt. Außerdem musst du gerade was sagen. Das unvorhersehbare Gezappel, das ihr Dämonen veranstaltet, kann man nun wirklich nicht als Tanzen bezeichnen.“ Die getönte Brille von seiner Nase ziehend und in sein Jackett steckend rümpfte der Rothaarige die Nase. „Das was meine Kollegen veranstalten gleicht mehr einem epileptischen Anfall. Vergleich mich nicht mit denen, ich KANN tanzen. Verschiedene Stile. Walzer, Foxtrott oder wenn es etwas verführerischer sein soll, Tango.“ „Das kann ich mir vorstellen, dass ein Dämon wie du den Tango anwendet um die guten Menschen auf Abwegen zu bringen. Das zeigt nur wieder, dass du nicht zur guten Seite gehörst.“ Entsetzt über seine eigenen Worte schlug sich Erziraphael die Hände vor den Mund. Wie waren sie nur wieder hier gelandet? Er wollte doch gar nicht mit Crowley diskutieren, er wollte mit ihm wieder normal reden können. Aber der Engel hatte das Gefühl, dass das Gespräch in eine ganz andere Richtung ging als er erwartet hatte. Er hatte gehofft, sie würden sich einfach ein wenig locker über das Buch, die Musik oder von ihm aus auch über das Tanzen austauschen, aber sie schlitterten geradewegs auf einen Streit zu. Der Blonde wusste, dass er das nicht hätte sagen sollen. Aber er konnte einfach nicht aus seine gewohnten Haut. Er war ein Engel, ein göttliches Wesen, dass die Pläne Satans und dessen Dämonen zu unterbinden hatte. Aber das hier war kein teuflischer Plan. Das war einfach nur Crowley, der vorbeigekommen war um ihm ein Buch zurückzugeben und Erziraphael schmiss ihm so was an den Kopf. Von seinen eigenen Gefühlen geplagt sah er schuldbewusst zu dem Dämon, der ihn mit einem undurchdringlichen Blick ansah. „Crowley, bitte entschuldige, ich woll…“ „Willst du es lernen?“ Überrascht blinzelte der Engel. Der Rothaarige keifte nicht zurück, sondern fragte ihn das mit ruhiger Stimme? „Wie meinen?“ Seufzend blickte Crowley zuerst an die Decke, als würde er sich kurz sammeln müssen. Dann sah er wieder zu Erziraphael und breitete auffordernd die Arme etwas aus. „Tanzen. Walzer, Foxtrott, Tango. Möchtest du eines davon lernen? Ich kann es dir beibringen.“ Durchaus positiv angetan von diesem Angebot sah der Engel den anderen stumm an. War das sein Ernst? Wobei Crowley und Witze noch nie gut miteinander harmoniert hatten, also musste er es ernst meinen. Doch auch wenn sich der Blonde darüber freute, etwas neues zu erlernen, so nistete sich doch eine gewisse Nervosität bei ihm ein. Er wollte einen der Tänze lernen, wirklich. Aber...musste man sich dafür nicht sehr nahe sein? Die Erinnerung an ihr letztes Treffen war noch durchaus präsent im Denken Erziraphaels, das machte es nicht unbedingt leichter für ihn. Doch der Dämon kam ihm zuvor, der grübelnd laut nachdachte. „Ich würde dir vorschlagen, mit einem langsamen Walzer zu beginnen. Foxtrott ist für einen Anfänger doch etwas kompliziert und was den Tango angeht…“ Ein verschmitztes Grinsen bildete sich auf den Lippen Crowleys, der mit einem frechen Blitzen in den Augen zu dem verunsicherten Engel sah, wackelte provokant mit den Augenbrauen. „Der Tango ist sehr intim. Wobei ich zugeben muss, dass das durchaus seinen Reiz hat.“ Nervös seine Schleife am Hals zurechtrückend hüstelte Erziraphael verlegen, was war denn nun wieder los? Gerade hatten sie eine hitzige Diskussion, die fast in einen Streit ausgeartet wäre und jetzt war er wieder ganz der Alte? „Ich würde deinen Rat annehmen und den Walzer wählen.“ Nickend zog Crowley sich das Jackett aus und hängte dieses über die Lehne des kleinen Sofas, auf dem sie schon viele gemeinsame Abende verbracht und dabei interessante Gespräche geführt hatten. Dann stellte sich der Dämon vor Erziraphael auf, schnippte einmal mit dem Finger und die Nadel sprang von der Platte wieder zum Start zurück, sodass der „Donauwalzer“ von neuem startete. Dann breitete der Rothaarige seine Arme in einem runden Bogen aus. „Zuerst die Basis. Ich führe. Du legst deine rechte Hand auf meine Schulter und deine Linke legst du in meine offene Hand.“ Zögerlich folgte Erziraphael den Anweisungen, stellte sich mit einem gewissen Sicherheitsabstand vor den Dämon und legte seine Hände in die gewünschte Position. Ein Zungenschnalzen und ein ziehender Ruck an seiner Taille ließ den Engel erschrocken aufkeuchen. Crowley hatte ihn gepackt und dicht an sich herangezogen, Brust an Brust. „Nicht so, was soll der riesige Abstand? Beim Tanzen geht es darum, sich aufeinander einzulassen und zu vertrauen. Wie sähe das denn aus, wenn wir so weit voneinander entfernt stehen?“ So dicht an Crowley stehend nahm der Blonde dessen Präsenz nun überdeutlich wahr. Die ruhige Aura, die dieser ausstrahlte, übertrug sich auf ihn. Jedoch löste diese nicht die gewünschte Gelassenheit bei ihm aus, viel mehr befeuerte diese weiter die Nervosität des Engels. „Wir starten mit der einfachen Schrittfolge ohne Drehungen oder dergleichen. Immer im Takt der Musik. Folge mir einfach, am besten lernt man es, indem man es einfach tut.“ Sich leicht auf die Unterlippe beißend versuchte Erziraphael sich zu konzentrieren und sich auf die leise klassische Musik im Hintergrund zu fokussieren. Angestrengt hatte der Engel die Stirn in Falten gelegt und starrte stur nach unten auf ihre Füße, um dem Rothaarigen nicht auf die makellos polierten Schuhe zu treten. Einige Sekunden verstrichen, in denen die beiden mehr gestelzt als elegant hin und her wippten. Dann war ein Seufzen seitens des Dämons zu hören. „So geht das nicht. Du bist viel zu verkrampft. Schau nicht ständig nach unten, das ist unhöflich deinem Tanzpartner gegenüber.“ Etwas eingeschnappt drehte der Engel seinen Kopf zur Seite. Er versuchte es gerade zum ersten Mal, was erwartete Crowley denn bitte von ihm? „Es tut mir ja leid, aber ich muss das lernen. Vielleicht sollte ich erst ein Buch darüber lesen.“ „Daran gibt es nichts zu lernen, lass es einfach geschehen und lass locker. Entspann dich, so ein Tanz soll Spaß machen und keine Herausforderung sein.“ „Wie soll er mir Spaß machen, wenn ich nicht weiß, wie es geht?“ Genervt schnaubte der Dämon, dann tippte er energisch mit dem Zeigefinger gegen die Stirn von Erziraphael, der verdutzt blinzelte. „Nicht hiermit.“ Dann glitt dessen Hand tiefer und tippte gegen die linke Brust des Engels. „Hiermit. Schalte deinen Kopf aus und fühle es. Fühle die Musik, fühle die Schwingungen. Dann überträgt sich das ganz von alleine auf deinen Körper. Los, nochmal. Und sieh jetzt nur mich an, kein Blick nach unten!“ Der intensive Blick, mit dem Crowley ihn ansah, schien den Blonden regelrecht zu fesseln. Diese schönen Augen, die seine Lieblingsfarbe hatten, hielten seinen Blick fest. Dann setzten sie sich wieder in Bewegung. Und ohne dass es Erziraphael bemerkte, bewegten sie sich langsam und sicher im Takt der Musik wieder vor und wieder zurück. Jegliche Anspannung war vergessen, jegliche Schrittfolge, die einzuhalten war, wurde ignoriert. Es zählte für den Engel nur dieser Moment. Dieser Blick, mit dem ihn der Dämon ansah, sagte ihm so viel aber doch zu wenig. Erziraphael verstand und war doch ratlos. Ging es Crowley genau so? Er fühlte sich wie in der Schwebe zwischen… ja zwischen was denn nun? Was waren sie? Bekannte? Freunde? Mehr als das? Gerade in diesem Augenblick fühlte es sich für den Engel wie „mehr als das“ an. Er glaubte, langsam zu verstehen, was Crowley mit „wir“ von vor 7 Jahren gemeint hatte. Weiter glitt das ungleiche Duo langsam durch den Buchladen, auch als die Musik bereits verklungen war, hörten sie nicht auf, im Takt ihrer eigenen stummen Melodie weiter zu tanzen. Doch etwas änderte sich. Die Hand, die zuvor noch die des Engels gehalten hatte, hatte losgelassen, stattdessen war sie ebenfalls an dessen Taille gewandert. Da Erziraphael nicht so wirklich wusste, wohin nun mit seiner freien Hand, hatte er diese auf der anderen Schulter Crowleys abgelegt. Ob das überhaupt noch Tanzen war, konnte der Blonde nicht mit Sicherheit sagen. Sie waren mittlerweile zum Stillstand gekommen, wippten nur noch eng umschlungen leicht hin und her. Was dem Engel nicht unbedingt zuwider war. Nein, anders als bei ihrer letzten Umarmung schrillten keine Alarmglocken in seinem Kopf, viel mehr flüsterte eine leise Stimme „Mehr, dichter, näher.“. Dem der Erziraphael nur zu gerne nachkam. Es fühlte sich gut an, dem Rothaarigen auf diese Art so nahe zu sein und was sich so gut anfühlte, konnte doch nicht falsch sein. In einer fließenden Bewegung glitten seine Hände über die Schultern in den Nacken Crowleys, zog den Dämon so noch ein klein wenig dichter an sich. Dieser blinzelte sichtlich überrascht. „Erzi… was tust du?“ Doch die Antwort blieb der Engel dem anderen schuldig, ihm war gerade nicht nach reden. Er wollte diesen Moment einfach weiter genießen. In einer geschmeidigen Bewegung lehnte sich Erziraphael an den Oberkörper des Rothaarigen, dessen Griff um seine Taille wurde fester. Zufrieden seufzend schloss der Engel seine Augen und legte seinen Kopf an der Brust Crowleys ab. Wenn ein Augenblick wirklich perfekt sein konnte, dann war es dieser. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)