Vom Regen bis zur Nachtigall von Ryuura (Crowley x Erziraphael) ================================================================================ Kapitel 5: Erste Aussprache --------------------------- Ein wenig enttäuscht, dass Crowley nicht ans Telefon gegangen war, hatte der Engel wieder aufgelegt. Was hatte er denn erwartet? Natürlich war der Dämon sauer auf ihn und das auch vollkommen zurecht. Doch nach dem gemeinsamen Abendessen, das sich so angefühlt hatte wie immer, hatte Erziraphael gedacht, dass sich die Wogen bereits ein wenig geglättet hatten. Wohl ein Irrtum seinerseits. Er hatte ganz genau gewusst, dass der andere zu Hause gewesen war, er hatte es einfach gespürt. Und er wusste auch, dass Crowley ihm zugehört hatte. Mehr konnte er auch nicht verlangen. Er hatte zwar dem Dämon angeboten, vorbei zu kommen, aber Erziraphael hegte ehrlich gesagt wenig Hoffnung, dass dieser auch der Einladung folgen würde. Trotzdem richtete der Engel auf dem Schreibtisch 2 Flaschen von dem Wein und 2 passenden Gläsern her. Wie hieß noch dieses menschliche Sprichwort? Die Hoffnung stirbt zuletzt. Doch einfach nur still rumsitzen und warten konnte Erziraphael nicht. So machte er sich daran, die Ordnung in seinen Bücherregalen wieder herzustellen. Fein säuberlich begann er damit, die Bände wieder alphabetisch nach den Autoren zu ordnen und unter den einzelnen Autoren dann noch nach Titeln. Das machte es dem Blonden deutlich leichter, nach einzelnen Büchern zu suchen. So vergingen mehrere Stunden, in denen nur das leise Murmeln des Engels im Laden zu hören war und das Rascheln von Seiten und Büchern. Das helle Klingen der Türglocke ließ den Blonden hochschrecken und aufgeregt schritt er schnell zwischen den Regalen hervor. „Crowley, ich dachte schon du…“ Doch nicht der Dämon war in den Buchladen gekommen, sondern Muriel war von ihrer Mission, den Menschen Gott wieder näher zu bringen, zurückgekommen. Von dem dicken Stapel an Flyern, den sie mitgenommen hatte, waren nur noch wenige Blätter übrig. Stolz strahlte sie zu dem älteren Engel. „Sieh nur, ich habe so gut wie alle Handzettel verteilen können! Die Menschen waren außer sich vor Freude!“ Mit einem gütigen Lächeln auf den Lippen, das seine Enttäuschung verbarg, legte Erziraphael die Bücher, die er in der Hand hielt, beiseite. „Wirklich? Das sind famose Neuigkeiten, Muriel. Wie wäre es, wenn du mir davon erzählst? Vielleicht bei einer Tasse Tee?“ So machte sich der Engel daran, den Wein und die Gläser wegzuräumen um stattdessen für sie beide einen Tee zuzubereiten um den restlichen Abend dann damit zu verbringen, sich die Geschichte Muriels anzuhören. Denn wenn er ehrlich zu sich selbst war: Er wusste seit seinem Anruf, dass Crowley nicht mehr kommen würde. ~~~~~ Am nächsten Morgen hatte es sich Erziraphael mit der tagesaktuellen Zeitung an seinem rustikalen Schreibtisch bequem gemacht, vor sich eine Tasse Kakao stehend. Er war noch nie der Kaffeetrinker gewesen, das war schon seit jeher Crowleys Morgengetränk der Wahl gewesen. Der Engel konnte mit diesem Getränk einfach nichts anfangen, es war ein unangenehmes Zungengefühl und auch das bittere Aroma im Abgang war mehr als unbefriedigend. Aber Kakao...diese Süße gepaart mit dem reichhaltigen Bouquet der Milch war ein wahres Feuerwerk an Aromen für den Blonden. Gedankenverloren blätterte der Engel durch die Seiten der Zeitung, nahm die einzelnen Nachrichten, die fast durchgehend negativ waren, kaum zur Kenntnis. Er wusste nicht mal, weshalb er dies tat, aber seine Hände brauchten irgendeine Beschäftigung, sonst würde er in Grübeleien über den gestrigen Abend verfallen und sich grün und blau darüber ärgern, was er in seinen Augen alles falsch gemacht hatte. Er müsste es doch besser wissen, er wusste doch, wie Crowley tickte. Sie waren seit mehreren Jahrtausenden Freunde. Das schrille Klingeln seines Telefons ließ Erziraphael hochschrecken, irritiert blickte er kurz auf die Wanduhr. Wo war nur die Zeit hingegangen? Er hatte überhaupt nicht mitbekommen, wie mehrere Stunden vergangen waren. Hier traf wohl das menschliche Sprichwort „Die Zeit verging wie im Flug“ durchaus zu. Sich mit dem Stuhl zum Telefon drehend nahm der Engel ab. „A.Z. Fell und Co, wir sind uns ziemlich sicher, dass wir geschlossen haben.“ „Ich bin´s. Triff mich am dritten Alternativtreffpunkt.“ Aufgeregt von der ihm wohlbekannten Stimme am anderen Ende der Leitung drückte Erziraphael seinen Rücken durch. „Crowley. Wie schön, dass du anrufst, ich…“ „Ich bin in 15 Minuten dort.“ „Oh ja. Ja, natürlich, ich werde…“ Doch da war schon das Tuten zu hören, das signalisierte, dass Crowley bereits aufgelegt hatte. Von seinem Platz aufstehend richtete der Engel nervös seine Weste und zupfte seine Schleife zurecht. Der Dämon war auf ihn zugekommen. Das war ein gutes Zeichen, oder? 10 Minuten später war Erziraphael bereits an dem Pavillon angekommen, der von Crowley als Treffpunkt genannt wurde. Er war nicht weit von seinem Buchladen entfernt, weswegen der Engel die Strecke zu Fuß zurückgelegt hatte. So wie er den Dämon kannte, würde dieser bis zum letztmöglichen Punkt mit seinem geliebten Bentley fahren, bis dieser von einer menschlichen Barrikade aufgehalten wurde und der Rothaarige zu Fuß den Park betreten musste. Bei dem Gedanken musste der Engel schmunzeln. Crowley war schon immer so gewesen, er nutzte jegliche Chance, sein Auto zu bewegen. „Was grinst du so? Ist was witziges passiert? Lass mich daran teilhaben, Engel.“ Erziraphaels Blick glitt zu der Stimme, die zu der Person gehörte, die ihm gegenüber aufgetaucht war. Sein Herz setzte einen Takt aus beim Anblick des Dämonen, der betont lässig auf ihn zuschritt. „Crowley. Ich bin ja so froh, dass du hier bist.“ „Du tust ja so, als wärst du derjenige, der das Treffen initiiert hat. Naja, wie auch immer. Ich muss dir was sagen. Und ich würde dich bitten, mich nicht zu unterbrechen.“ Mit einem stummen Nicken und der Geste, sich den Mund mit einem Reißverschluss zuzuziehen, blieb der Engel wie gewünscht stumm. Er hatte schon einmal den Fehler begangen, Crowley zu unterbrechen als dieser ihm etwas wichtiges mitteilen wollte. Das würde ihm nicht noch einmal passieren. Tief Luft holend sah der Dämon kurz an die Decke des Pavillon, zog sich die getönte Brille von der Nase. „Weißt du, ich bin sauer. Ich bin stinksauer. Ich bin so wütend, ich könnte alles kurz und klein schlagen.“ Betreten ließ der Blonde seinen Kopf sinken. Das verstand er, doch trotzdem hoffte er tief in sich, dass Crowley ihm irgendwann vergeben würde. Schließlich war er auch mal ein Engel gewesen. Da sprach dieser weiter. „Ich bin sauer auf DICH, ich bin sauer auf MICH, ich bin sauer auf die GANZE WELT. In den letzten 7 Jahren habe ich mir immer wieder gedacht, ich mach jetzt die Biege. Alpha Centauri, da wollte ich schon lange mal hin. Aber ich hab´s nicht getan. Weißt du wieso?“ Auffordernd sah Crowley zu Erziraphael, der weiterhin schwieg, nur fragend mit den Schultern zuckte. „Weil DU nicht dort bist. Was bringt es mir, dorthin zu gehen, wenn ich am Ende ganz alleine bin? Das Nachtleben dort soll schrecklich sein, wie soll ich dort bitte die Ewigkeit verbringen? Also bin ich hier geblieben. Weil ich irgendwie...doch gehofft hatte, dass du wieder kommst.“ Während der Dämon sprach, lief er immer und immer wieder im Pavillon auf und ab, konnte nicht still stehen während seines Monologs. „In den letzten 2 Jahren, da wurde es für mich besser. Ich kam langsam darüber hinweg. Und gestern sehe ich dich plötzlich wieder. Weißt du, was das für ein Schock war, so ganz ohne Vorankündigung?“ Wild gestikulierte Crowley mit seinen Händen, versuchte er so, seinen bereits gewichtigen Worten noch mehr Ausdruck zu verleihen? Wenn dem so war, dann funktionierte es. Das schlechte Gewissen in Erziraphael stieg und stieg. „Du kannst nicht von mir verlangen, dass ich so tue, als wäre nichts gewesen! Dem ist einfach nicht so! Es wäre um ein vielfaches einfacher, wenn ich mich einfach von dir fern halten würde.“ Geschockt sah der Engel zu Crowley, der mittlerweile stehen geblieben war und mit einem schmerzhaften Ausdruck in den gelben Iren zu ihm sah. Erziraphaels Lieblingsfarbe war gelb. Aber nicht so. Nicht mit diesen Emotionen darin. „Aber ich kann das einfach nicht. Engel, ich kann dir nicht fern bleiben. Seitdem ich weiß, dass du wieder hier bist, zieht es mich zu dir hin. Und ich HASSE es, dass ich nichts dagegen tun kann.“ Etwas hilflos hob Erziraphael seine Hände und ging ein paar Schritte auf Crowley zu. Er sah den Schmerz in dessen Augen, all das Leid, für das der Blonde selbst verantwortlich war. Das war das Letzte, was er wollte. Schließlich war er ein ENGEL, ein gutes spirituelles Wesen, das normalerweise nicht das auslöste, was er gerade zu sehen bekam. Dicht bei dem Dämon angekommen kratzte Erziraphael all seinen Mut zusammen und legte seine zuvor noch erhobenen Hände vorsichtig auf die Unterarme Crowleys, als wäre dieser aus zartem Glas gefertigt und könnte jederzeit zerbrechen. Wobei diese Metapher gar nicht mal so weit hergeholt war, fand der Engel. Gerade kam ihm der Rothaarige wie das zarteste Geschöpf auf Erden vor, was Schwachsinn war, immerhin war er ein Dämon. Ein Dämon, der aber auch mal ein Engel wie er selbst gewesen war. „Crowley… Es tut mir so… so unendlich leid. Ich wollte nie, dass so etwas passiert.“ Der schmerzerfüllte Blick, der die blauen Iren des Engels trafen, schienen Bände zu sprechen. Erziraphael schluckte hart, es war wohl doch nicht so einfach, wie er sich das ursprünglich vorgestellt hatte. Während er in den letzten 7 Jahren in Arbeit versunken war, hier und da an den Buchladen und den Dämon gedacht hatte, hatte Crowley die letzten 7 Jahre damit verbracht zu leiden und war an dem Versuch gescheitert, alles vergessen zu wollen. Der Engel konnte sich nicht mal ansatzweise vorstellen, wie sich das anfühlte. Resigniert seufzte Crowley, sah bedrückt zur Seite. „Ja. Ich weiß. Ich wollte das auch nicht.“ Ein betretenes Schweigen breitete sich zwischen ihnen aus. Erziraphael wusste nicht, was er noch sagen konnte, um den Dämon davon zu überzeugen, dass es ihm leid tat. Oder erwartete Crowley etwas anderes von ihm? Sicherlich keine Vergebung, nach seiner Aussage wurde Dämonen nicht vergeben. Zudem nagte die letzte Aussage des Rothaarigen an ihm. Was wollte er auch nicht? Bereute er es etwas, ihm damals seine Gefühle gestanden zu haben oder vielleicht sogar, sie überhaupt entwickelt zu haben? Wäre dem so gewesen, hätte sich wohl nie etwas zwischen ihnen geändert, alles wäre so geblieben wie immer. Ein Stich fuhr durch das Herz des Engels, was ihn verwirrt blinzeln ließ. Nein, dieser Gedanke gefiel ihm nicht. Ein leises Murmeln, das von Crowley ausging, riss Erziraphael aus seinen Grübeleien. „Sorry, nur...ganz kurz, ja?“ Mit diesen Worten war der Dämon dichter an ihn herangetreten, legte seine Stirn auf der Schulter des Blonden ab, atmete dabei kontrolliert tief ein und wieder aus. Geschockt von dieser plötzlichen intimen Nähe versteiften sich Erziraphaels Muskeln, das fühlte sich fast wie damals an, als Crowley ihn geküsst hatte. Physisch sträubte sich sein gesamter Organismus gegen diese Berührung, die im Vergleich zu damals deutlich unschuldiger war. Sein Körper signalisierte, dass das falsch war, dass es falsch war einen Dämon so nahe an sich heranzulassen. Schließlich war er ein himmlisches Wesen und Crowley war auf der bösen Seite. Doch gab es das überhaupt noch? Eine gute und eine böse Seite? Schließlich hatte der Dämon in den letzten Jahrtausenden mehrfach versichert, dass er weder auf der Seite der Hölle, geschweige denn auf der des Himmels stand, sondern schlicht und ergreifend auf seiner eigenen. Damals hatte Erziraphael gemeint, dass das sehr einsam klang. Doch war es das wirklich? Stand Crowley alleine auf seiner Seite? Trotz der Alarmzeichen in seinem Körper tat der Engel dann etwas, was im völligen Gegensatz dazu stand. Mit pochenden Herzen, dass ihm bis zum Hals schlug, erhob er seine bleischweren Arme und legte sie vorsichtig um den Dämon, der immer noch an ihn gelehnt stand. War das richtig so? Er war zwar kein Experte in Sachen körperlicher Nähe, aber Crowley nach all der Zeit in seine Arme zu schließen, durfte sich einfach nicht falsch anfühlen. Und das tat es auch nicht. Die Alarmglocken, die in seinem Kopf schrillten, wurden nach und nach immer leiser, wurden von einer dumpfen, aber willkommenen Stille abgelöst. Einzig und allein sein Herz nahm Erziraphael überdeutlich wahr. War das überhaupt seins? Der Blonde schien einen zweiten Herzschlag wahrzunehmen, der beständig einen Takt vorgab, in den sein eigenes einzustimmen versuchte. Er bemerkte gar nicht, wie die Sekunden verstrichen, wie die tröstliche Umarmung, die er Crowley versuchte zu geben, in eine unnatürliche Länge gezogen wurde. Doch Erziraphael wollte dieses Gefühl nicht hergeben, wollte es weiter analysieren um festzustellen, weshalb sein Körper so reagierte. Doch als der Dämon leicht zuckte und sich verhalten räusperte, löste der Engel schnell die innige Umarmung, trat einen Schritt von dem Rothaarigen zurück als hätte er sich verbrannt. Was gar nicht so weit hergeholt war. Eine ihm bis dato unbekannte Hitze stieg aus seinem Magen empor und gipfelte in seinen Wangen, deren helle Haut sich kirschrot einfärbte. „Oh also ich...bitte entschuldige, ich wollte dich nicht…“ Doch ein schiefes Grinsen breitete sich im Gesicht Crowleys aus, der seine Hände in die Hosentaschen steckte und mit einem Nicken in Richtung Park deutete. „Ist schon gut. Eigentlich sollte ich mich entschuldigen. Lust auf ein Eis?“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)