Gradual
Ich bereue nichts.
Ich gehe zur Schule, lasse mich von den Problemen meiner Freunde ablenken.
Alles läuft, wie es soll.
Kain und unser Sorgenkind Yako wissen nichts von letzter Woche.
Nichts über Kaibas Möchtegern-Arsch und dem tuntigen Kiffer.
Ist mir recht. Über niemanden wird abgelästert.
Die Abschlussprüfungen stehen an, derbst Konzentration wird von den kleinen Schülern abverlangt.
Das Rumstreben lenkt mich ab.
" Ich kann nicht mehr, Kain..." In Gedanken versunken, knallt mein Kopf gegen die Schulbücher.
Meine Freundin mit dem Lektüren-Tick rüttelt an meinem Arm, der schützend mein Gesicht verdeckt.
" Bist des Wahnsinn? Du hast nicht mal die Hälte geschafft. Weiterarbeiten!!",
" Eine kurze Pause...", bettele ich. Mich übermahnt Müdigkeit, dazu ein Gefühl der Kraftlosigkeit.
Bereue ich es nicht?
Drüben in der KC sollte ich meiner Lieblingsbeschäftigung nachgehen:
Singen, rumhüpfen, klar soweit?
Zitat einer lebenden Tiefkühltruhe.
Hätte ich mir Kaibas Kritik bei jedem sonstwas und die tausend Kameraobjektive wegdenken können - von dem Technikkram fühle ich mich provoziert, angegriffen.
'Ich bin das Mikrofon.
Ich bin ein 250-er Objectiv und der da ein überdimensionales Hologram
und wir machen dich fertig!!!'
Der dröhnende Bass und die provokanten Texte machten den Aufenthalt erträglich. Auch die Vorbereitung des ersten Auftrags, nur wurde ich mit Fragen über den Inhalt dieser Diskette mit brennender Zunge im Dunkeln sitzen gelassen.
Víelleicht war Herrn Devlin ein gefährlicherer Konkurrent, als Kaiba zugegeben hatte.
Hier im normalen Alltag als kleine Schülerin werde ich auch fertig gemacht. Man verlangt perfekte Leistung, 101% davon hole ich aus mir raus - reicht das nicht?
Keinem kann man's recht machen.
Jetzt pickt Kains Stift an meinem Kopf herum.
Ich versuche mich schlafend, unbeeindruckt zu geben; ruhig.
Es gelingt nicht. " Ok, ok. Ich mache weiter!" Entwaffnet ragen meine Arme in die Höhe.
" Schon besser." Die Gewinnerin nickt sich selber zu und macht auf "erwachsenes Beispiel".
Keinem kann man's recht machen!
Es war schon die richtige Entscheidung.
Du hast alles richtig gemacht, Kaoru.
Soll Arrogantenschwein Kaiba zusehen, wie er die visuelle Hölle fertigstellen wird.
Du bist für 'n Abkrepeln von Klein Kaiba nicht verantwortlich.
Kaoru, du behälst dein reines Gewissen!
Ich bereue es.
+
Trubelnder Verkehr herrscht auf den Straßen.
Überfüllt mit exquisiten Automarken von Beamten, welche nach ihrem Feierabend dürsten.
Ich durste nach einer Dusche, entledige mich den Klamotten um nackt unter dem Wasserstrahl zu stehen.
Ich betrachte meine Hand, welche den Hahn langsam, fast genüßlich hinunter drückt.
Werfe den Kopf in den Nacken.
Und das nasse Haar klebt schwer auf den Schultern. Die Gedanken schweifen ab, weg vom plappernden Wasser, hin zu der Dienstnutte.
Die bestimmte Dienstnutte.
Ich bete, sie würde ihre roten Krallen einfahren.
Es bei Träumereien belassen, wie es mit Seto Kaiba sein müsste.
Lass die faszinierende Ausstrahlung, der schimmernde Wasserfall von langen, schwarzen Haaren, der sinnliche Mund und sonst irgendwelche erotischen Vorzüge wirkungslos bleiben.
Warum wurde sie eingestellt? Wegen einem Intelligenzhorizont, der ausschließlich Vorteile für'das KC-Imperium einbringt?
Stroh ist nicht intelligent!
Was denke ich...
Warum denke ich?
+
" Selbst Yako hat die Prüfung geschafft!"
" Ich weiss..."
" Du hast echt 0 im Kopf - was ist los mit dir, verdammt?" Sie hört sich an wie ein Erziehungsberechtigter, der sich daran festgebissen hat, mich zu formen - mich mit Fachwissen vollzustopfen.
" Weiss nicht." Fragt mich nicht, wie viele Demütigungen ich ertragen muss, wieviele Schläge ins Gesicht. Habe resigniert, dass ich zu den Losern gehöre.
Zu den Menschen, die unter Gedächtnisschwund leiden.
Ich habe kein Unterbewusstsein. Ich denke mit 10%iger Gehirnkapazität.
Kains Moralpredigt zieht an mir vorbei, schänden die Ohren.
" Kaoru, du bist soo-o dumm!! Was wirst du jetzt machen?"
" Weiss nicht." Die Stimme klingt tonlos.
" Mädchen, du bist durchgefallen!" Ich verkrampfe mich immer weiter.
Mit gesenkten Kopf nähert man sich der Straßenkreuzung.
" Rede mit mir, Kaoru!!"
Ich lasse meine Freundin rumquitschen, lasse sie ohne ein "Thüß" stehen. Bleibe stehen, während andere Passanten wie ich auf das Umschalten der Ampel warten.
Der hektische Verkehr erliegt und man kann die Straße überqueren.
Ohne zu befürchten, von 1000 Karosserien zermatscht zu werden.
Kurz stelle ich mir vor, mit eingeschlagenen Schädel unter einem der Fahrzeuge wegzusterben.
Ich bin durch die Prüfung gefallen.
Kain hat vollkommen recht.
Jedes Wort aus ihrem Mund ist wahr. Vielleicht wird der nächste Test besser, obwohl ich nicht klar denken kann.
Nächste Woche, Freitag, Japanisch.
3te Stunde.
Mein rätselhaftes Verhalten wird mysteriöser.