Cockaigne
" Kaoru-san, my Beauty-guenn!!" Quitschende Schwuchtelstimme.
Noch fester halte ich das Handy an mein Ohr.
Der Empfang ist gestört, nerviges Rauschen - liegt es an meinem veralteten Kommunikationsteil?
Ich bin kein Sorgentelefon. Ein Therapeut, welcher Abhilfen auf Toeiletten führt.
'Ey, hiers der Kiffer. Ich brauch Graß.
Spendierst mir n neuen Bong?'
" Kaiba-Schätzchen wanna see you today.
Some discussion about... yeah, you know?"
"Aha..." Halte einen Arm ausgestreckt, stütze mich an der gegenüberliegenden Wand. " Ich freu mich", sage ich, bevor der Kiffer auflegt.
'What the hell, dein Stoff is voll teuer.
Fuck... leihst mir die Moneten?'
Werde den eisblauen Äuglein ausgeliefert sein, werde kurz vor'm Orgasmus stehen, vor...
GAHAHAHAAAH.
sofort Schluss damit!
+
Ich lasse die bekannte Innenausstattung auf mich wirken.
Eine halbgeleerte Champagnerflasche steht geöffnet auf einer gekühlten Ablage.
Schlamperei.
Stoße das Gesicht auf meine geballten Handkuppen ab, die sich weisslich verfärben. Mein Arm liegt auf einem Amaturenbrett nahe der verdunkelten Glasscheibe, während ich die perlende Flüssigkeit in der Flasche betrachte.
Denke an die angestellte Nutte.
Voller, rötlich schimmernder Mund.
Tiefschwarze Haare, welche sich wasserfallmäßig über die zerbrechlich Schultern ergiesen.
Wahrscheinlich saß die Angestellte auf diesen Ledersitzen, nippte an einem Wasserglas, voll teurem Champagner gefüllt.
In der Anwesenheit von Seto Kaiba.
Perfektion trifft auf Perfektion.
Der Gedanke scheint mir nicht weit hergeholt.
Er, die männliche Geilheit überhaupt - distanziert, gelassen, unberechenbar und kalt.
Sie, unvergleichlich makellos - ein BMI von 18 im Alter von vielleicht 20 Jahren. Seidengesponnene Haare, welche sich bei Taifunen, Erdroutationen, Regenattacken oder staubige Dürre nicht zersausen oder ineinander verknoten.
Hergezaubert ist das fehlerlose Liebespaar, das sich perfekt ergänzt.
So'n Mensch wie ich fällt bei diesem Niveau aus dem Rahmen.
Perfektion trifft auf Mach-dein-Ding Mädchen - passt nicht.
Nackte Baumäste in der blaßtürkis gefärbte Atmosphäre.
Wilde Windboen bewegen sich auf mich zu, um mein Gesicht zu misshandeln.
Mit einem Mal fällt mein Haargewusel nach hinten, ziehe den knappen Stoff Jacke enger an meinen Körper.
" Hier lang..." Befehlender Cchaffeur-Stimmton.
Son Gehetze.
Immer schön Kaibas Befehlen Folge leisten.
Immer ganz perfekt das eingebildete Chefchen da oben ehrwürdig zufrieden stellen.
Wo spielen die Meschenrechte eine dominante Rolle?
- Nicht in der KC.
Meine Schuhe knallen gegen das Fundament.
Die massive Metalltür wird von Beamten bewacht.Der Chaffeur ist davongeschlichen.
Sehe haufenweise Gruppen von Menschen.
Über ihren allesamt Anti-schwarzhaarigen Köpfen schweben Rauchlinien, welche sich in verzerrter Form an der Raumdecke stauen. Allerdings verrät sich der Empfangssaal nicht durch die nikotinreiche Duftnote.
Es herrscht Kühle und unverbrauchte Luft.
Ich sage Danke zu den Klimaanlagen.
+
9. Tag, Kaiba Villa, 16:03pm, Auftrag - Game start: Domino-Museum
Sein kritischer Blick sticht mein Selbstvertrauen nieder.
Unter dem Ausdruck in seinen eisblauen Augen komme ich mir unecht und
versteckt vor.
An Versteckspiele bin ich gewohnt.
Er wirkt entnervt. Wegen meinem bevorstehenden Auftritt? Haha.
Zweite Möglichkeit: Er ekelt sich wegen meiner Aufmachung.
Eine aufgemotzte Tussi in mir, die ihren Lebensinhalt darin sieht, sich in hautenge Kleidung zu zwängen, um von Männern als Sache gesehen zu werden.
Wenn ich mich selber unwohl, steif und künstlich finde, kann man seiner Reaktion beistimmen. " Nur dieses Essen, klar soweit?!"
" Essen? Mir wurde von einem wichtigen Geschäftsmeeting vorgelabert."
" Unqualifizierte Frauen haben dort nichts verloren."
Seine tonlose Antwort kann man so auffassen: ' Der Schwerpunkt einer Geschäftsbesprechung liegt nicht darin, einen Mann am schnellsten flach zu legen.'
Mir wird bewusst, dass ich einem frauenfeindlichen Mann hinterherlatsche.
Perfekter Wortwechsel, wir sind astreine Schauspieler. Alles Tarnung.
Verschlüsseltes Palaber, du verstehen?
Die niveauvolle Menschenklasse lungert noch in der Empfangshalle.
Ihre Blicke scheinen mir bis nach draussen zu folgen.
+
Jetzt hängen graugrüne Wolken an der gelöcherten Atmosphäre.
Schwüle Nachtluft schlägt ins Gesicht, als einer von Millionen Chaffeuren die Limousinentür öffnet.
Vier-Meter-Karren ziehen vorbei, Materialisten versinken in ihre, Luxus.
" Was mit dem 2ten Kaiba?" Wie ein Kleinkind habe ich mich in die schwarzmatte Ledergarnitur geschmießen.
Jetzt ernte ich gefühlslose Blicke. So totales Unverständnis gegen meine Frage.
Ich bin hier, um was zu leisten und Kaiba dafür einiges an Knete abzuziehen.
Und nicht als Grapsch-mein-Knackarsch-Tussi zu fungieren.
" Was interessiert's dich?"
" Ich verschwende gerne so manchen Gedanken an ihn, an Mokuba.
Es ist die falsche Taktik den kleinen Bruder von tausenden Dienstnutten versorgen zu lassen."
" Ich habe nicht nach deiner Meinung gefragt." Kaiba schließt die Augen.
Dazu die Arme an seinem Oberkörper aufeinandergeschlagen.
Die abwehrende Körpersprache.
" Oh, natürlich. Hab' ich glatt vergessen." Ich grinse wieder.
+
" Wahnsinn."
Es thront ein meterlang - sowie breites Gemälde.
Es soll die drei Pyramiden von Gizeh darstellen.
Die größte Pyramide überhaupt ist die Cheops-Pyramide.
Sie ist 230m lang, ursprünglich fast 150m hoch. Besteht aus über zwei Millionen Steinblöcken, ein einziger von denen wiegt mehr als zwei Tonnen.
Die Hitze, die Macht. Ein Weltwunder.
Ehrfürchtig schleiche ich über den Gang. Er ist mit Kalkfliesen verlegt, beeindruckende Konstraste liefern die Gemälde.
Links von mir ein anderes Bild mit ägyptischen Hieroglyphen, Pharaonen und Abbildungen von Göttern.
Rechts auch sowas angebracht und über mir genauso.
Der Griche Herodot berichtete, dass über 100 000 Sklaven 20 Jahre an der Cheops-Pyramide gebaut haben.
" Wir verschwenden Zeit."
Kaiba präsentiert seinen eingehüllten Rücken. Sinnlich lange Beine stehen weit auseinander, nehmen eine Herrscherposition ein.
Einen auf: ' Ich habe die Kontrolle. Ich einflussreich potenzbeladener Gott, ihr die billigen Untertanen.'
" Halt die Klappe!"
Was war schwerer - Blicke von sexy-Kaiba-Beine oder von Kunst abzuwenden?
Ausdruck von konstrastreichen Augen zu braun wirrem Haar kontrollieren meine Gedankenwelt.
Ich könnte mich ohrfeigen.
Er sieht geil aus, zugegeben - stellt er provozierend zur Schau.
Grob zieht mich Kaiba aus den Gängen, weg von der Kunst.
" Ssssseeeeettttooooooooooolllllleeeeiiinnnnnnnnnnn!! Yeah, yeah - here we're!"
Schrill quitschende Frauenstimme ertönt durch den gesamten Flur.
Meine Ohren sind taub.
Angespannt fährt er sich durch das lange Haar.
Während ich meine Hände von den Öhrchen nehme, sehe ich giraffenähnlich straffe Beine, eingebettet in so welch' kotzigen Stöckeldingern.
Der Rest dieses Körpers pervers eingebettet in pink, rosarötlichen trägerlosen Kleid.
Enger Lack.
Widerwillig lässt Seto sich permanent angedeutete Küsschen eingravieren. Dabei lässt er beide Hände in den Manteltaschen, starrt die Raumdecke über uns an.
Ist er nicht cool?
Währenddessen greift ein fetter Mann nach meiner Hand, küsst sie - lässt sie eine grauenhafte Ewigkeit in seinen fleischigen Fingern verweilen.
Ich muss kotzen.
Verstelle mich nicht, die verzerrte Mimik bleibt auf meinem Gesicht.
" Willkommen in Room 47 - eine reizende Frau haben Sie diesmal angeschleppt, Herrn Kaiba."
Lüsternt und sabbernd brennen seine Blicke auf mein Abbild.
Iiieeehhh.
" Deine neue Sekretärin?" Der Ton in der Lacknutten-Stimme ist eindeutig.
Diese Nutte scheint nicht entzückt auf mein Abbild zu reagieren.
So einen auf Begrüßung zu machen ist nicht angesagt, eher zickenmäßiger Terror.
Ein gigantisches Portal öffnet sich.
Purpune Wände treten zum Vorschein und unzählige Sitzplätze an vergitterten Glasfenstern.
Unzählige Peoples tümmeln sich in den Zwischenräumen.
Location.
Der Raum ist von Koversationen vollgepumpt.
Dass mich fette Grapschfinger an einen Tisch dirigieren, Nutte ihren Arsch neben Kaiba ausbreitet und gleichzeitig jemand die Bestellungen aufnehmen will, nehme ich nicht wahr.
Intensiv umschließt mich die Room 47-Atmosphäre.
Tausend und eine Nacht.
Orient.
Typhet, klares Nilwasser oder sich kilometerweite Savanen würden diesen Ort beschreiben können. Die ägyptischen Gemälde von vorhin verlieren ihren Reiz.
" Einfach krass...", wispere ich.
Nutte kichert, schlingt ihre braungebrannten Krallen um Kaibas Arm;
Fleischgespenst links von mir verfällt in ein Lachen.
" Wie heißen Sie?" Gefühlskalt richte ich meine Aufmerksamkeit der unattraktiven Männlichkeit.
" Nekhbet Kaoru."
Wieder schallt sein Lachen durch die Wände. Es klingt nicht verstellt, sondern ehrlich und ungehemmt. " Sie gefallen mir!"
Zuviel Ehrlichkeit ist nicht gesund!
" Kommen wir zum Geschäftlichen, Herr Devlin."
Kaiba, der chronische Workaholic.
Geil, oder?
