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An Elf on a Mission

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Wer Katzenpapa kennt, weiß, dass ich dort Opa Kinomiya Demenz andichte, deshalb: kleine Content-Warnung für angedeutete Demenz. Komplett anzeigen

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Unfuckingfassbar

Es ist immer noch seltsam, das Gelände zu betreten, ohne von Kinomiya Ryou (“Nennt mich einfach Opa!”) überfallen/begrüßt zu werden. Sowohl das Haupthaus als auch das Dojo liegen ruhig dar, als sie beide mit einem gemurmelten “Ojama shimasu” die Schwelle ins Haupthaus überschreiten. Es ist Gewohnheit oder Erziehung oder beides; Hiromi und Kai grinsen einander an, nachdem sie ihre Schuhe gegen Pantoffeln getauscht haben.

“Wo sollen wir anfangen?”, überlegt Hiromi laut, während ihre Schritte durch die Engawa hallen. “Im Dojo?”

Kai zuckt mit den Schultern. “Nur keinen Kleister auf die Tatami-Matten kleckern”, gibt er schmunzelnd zu bedenken; die Erinnerung an die Standpauke ihrer letzten Halloween-Bastelaktion mit Daichi ist noch zu frisch.

Hiromi scheint denselben Gedanken zu haben. Sie schielt im Vorbeigehen in den Tatami-Raum, wo in einer Ecke noch immer Spuren der besagten Aktion in Form von orange-roten Flecken zu sehen sind. “Zum Glück haben wir heute kein Pappmaché dabei.”

Ob bewusst oder nicht, ihre Schritte beschleunigen sich, wie um der Erinnerung an die unangenehme Auseinandersetzung mit Kinomiya Ryou zu entgehen.

 

Sie bahnen sich den Weg zum Dojo, wo sie die doppelten Schiebetüren aufschieben und in die geschlossene Engawa hinein offen lassen, ehe sie ihre Taschen abstellen. Hiromi macht sich daran auszupacken: Sie befördert falsche Tannenzweige, Lichterketten und Girlanden zutage, die in Anbetracht der Größe des Raums gar nicht mehr nach einer so großen Menge wirken wie noch in Kais Wohnung.

“Ich gebe es ja nur ungern zu, aber du hattest recht.”, Kai beäugt den Haufen an Dekorationsmaterial, ehe er sich im Raum umsieht. “Die paar Extra-Meter Lichterkette werden wir brauchen.”

Das Zugeständnis ist das selbstzufriedene Grinsen, das sich über Hiromis Gesicht zieht, wert. Sie stemmt die Hände in die Hüften und nickt entschlossen. “Na dann mal los!”

Sie machen sich an die Arbeit, hängen Girlanden und falsche Tannenzweige, Temari und Kokeshi auf - selbst ein kleiner Ded Moroz ist unter den Puppen. Kai schmunzelt, als er eine kleine Snegurotschka auf einer der bemalten Temari-Kugeln neben Bildern von Schneeaffen entdeckt. Er macht mit einem Geräusch auf sich aufmerksam und hebt sie hoch. “Dass du sowas gefunden hast”, bemerkt er mit einer Spur Anerkennung in der Stimme.

Hiromi zuckt scheinbar beiläufig mit den Schultern. “Vielleicht hatte ich ein bisschen Hilfe von Sergej”, gibt sie dann zu und kann auch den Stolz in ihrer Stimme nicht verhehlen.

Der Haufen, der am Anfang noch nach schrecklich viel aussah, wird immer kleiner, und als Hiromi die letzten Lichterketten über den Schiebetüren zur Engawa anbringt, ist er bis auf ein paar lose künstliche Tannennadeln ganz verschwunden.

Das Dojo sieht recht feierlich aus, so gebadet im Kitsch, stellt Kai fest, während er das Ergebnis ihrer Arbeit betrachtet. Es ist beinahe wie in den letzten Jahren, wenn Kinomiya Ryou das Schmücken übernommen hat – um seinen Kendo-Schülerinnen und Schülern eine Freude zu machen, wie er immer betont hat, aber weder Kai noch Hiromi noch irgendwer sonst hat seinen Seitenblick in Richtung seines längsten Schülers Takao übersehen, außer Takao selbst vielleicht.

Hiromi lehnt sich an Kai. “Denkst du, er freut sich?”

Dieser nickt wortlos.

 

Wie aufs Stichwort hallt das Knallen des zufallenden Tors über den Hof. Jemand summt und Schlüssel klingeln. “Tadai– … ma?”, ist zu hören, ein irritiertes Stolpern in den Silben, wohl als Takao Kais und Hiromis Schuhe im Eingangsbereich sieht.

Kai und Hiromi grinsen einander an. “Okaerinasai!”, ruft Hiromi dann, ein wenig zu laut für Kais Geschmack. Er zuckt zusammen und sie drückt Kais Hand, ehe sie mit einem Blick über ihre Schulter in Richtung der offenen Schiebetüren geht.

Man hört ein Poltern und gleich noch ein Poltern, als Takao offensichtlich seine Schuhe von den Füßen kickt. Ein, zwei Laute, als würde er hopsen – vielleicht, um die Hausschuhe anzuziehen? – und dumpfes Poltern von Schritten in der Engawa, das lauter wird, je näher Takao ihnen kommt. Hiromi lehnt sich in die Engawa hinaus, sieht ihm entgegen, wie er zu ihnen poltert.

Takao bremst scharf und schlittert den letzten Meter über den glatten Holzboden der Engawa. Kai beobachtet selbstzufrieden, wie er das Bild, das sich ihm bietet, aufnimmt, die Augen aufgerissen: “Nicht euer Ernst!”

Hiromi, ein verschmitztes Grinsen auf den Lippen, streckt die Arme aus und geht rückwärts zwei Schritte ins Dojo hinein. “Überraschung!”, sagt sie dann, und Takaos Gesichtsausdruck verrät, dass die Überraschung gelungen ist.

Er stolpert beinahe über seine eigenen Füße, während er ins Dojo hineintritt, den Kopf nach links und nach rechts wendet, um alles in sich aufzunehmen. Er schweigt lange, während er alles in sich aufnimmt. Es geht eine ganze Reihe von Emotionen über sein Gesicht, die Kai gar nicht erst zu deuten versucht. Er blickt besorgt zu Hiromi, doch sie schüttelt nur kaum merklich den Kopf. Ihre Augen sind auch ein bisschen feucht, aber sie hält sich tapfer, während sie Takao den Raum gibt, den er braucht. Kai streckt die Hand aus und umschließt die ihre. Er drückt zu, ein nonverbales gut gemacht, das Hiromi erwidert.

Da kommt Bewegung in Takao, der die letzte Distanz zwischen ihnen mit ausgestreckten Armen überbrückt. Ehe Kai es sich versieht, schlingt Takao einen Arm um Kais Hüfte, während die andere Hiromis Schultern umschließt und Takao seinen Kopf an Kais Schulter und Hiromis Kopf lehnt.

Kai hat kaum Zeit, seine freie Hand aus der Hosentasche zu ziehen und sie Takao auf die Schulter zu legen, da schnieft Takao einmal laut und feucht auf. Und dann – dann lacht er, während er seine Wangen an Kais Hemd und Hiromis Kaschmir-Pullover trocknet. “Ihr seid einfach unfuckingfassbar.”

Kai lächelt schief, während er hilflos Takaos Schulter tätschelt. “Kinomiya-san soll sich ja wohlfühlen, wenn wir ihn nachher abholen”, erklärt er dann und Hiromi nickt.

 

Und tatsächlich hat Kinomiya Ryou einen guten Tag, als sie ihn abholen: Er erkennt Takao als Takao und verwechselt Kai nicht mit Hitoshi wie letztes Jahr. Er wirkt sogar ganz wie er selbst, als er begleitet von Takao das Dojo betritt und sich umsieht. Er lächelt dasselbe breite Lächeln, das auch Takao hat, während er erklärt: “Zu meiner Zeit gab es den ganzen Firlefanz ja nicht, aber das macht der Jugend eine Freude” – so selbstverständlich, als hätte er das Dojo selbst geschmückt. Der Blick, den er Takao zuwirft, wirkt jedenfalls so, als sei er davon überzeugt.

 

Viel, viel später sind die Lichterketten aus und Kinomiya Ryou im Bett in seinem Schlafzimmer, wo er immer noch einen Großteil der Nächte während einer Woche verbringt. Takao lässt sich mit einem Seufzen neben Kai nieder und lehnt sich schwer an ihn, während er eine Tasse Tee von Hiromi annimmt.

“Danke”, sagt er dann und Kai schlingt einen Arm um ihn, während Hiromi sich vorbeugt, um einen Kuss auf seine Stirn zu drücken.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Nein, Opi ist natürlich noch da, was denkt ihr denn von mir? (;
Dieses Kapitel ist entstanden, während ich bei meiner Family Baum geschmückt habe - das ist so unsere Tradition am 24.12. Ob ihr selbst Weihnachten feiert, einfach nur ein Wochenende genießt oder ganz anders an die Jahresendzeit herangeht, ich wünsche euch einen schönen Jahreswechsel!
Das Wort "unfuckingfassbar" stammt übrigens von Norrsken. Es hat sich hier eingeschlichen und passt, finde ich, einfach gut. (: Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Phoenix-of-Darkness
2022-12-25T20:07:41+00:00 25.12.2022 21:07
Ich kann mich Larka nur anschließen.
Wirklich ein bittersüßes Kapitel, umso schöner dass "Opa" einen guten Tag hatte
Antwort von:  FreeWolf
05.03.2023 18:26
Wie habe ich so lange nicht auf diesen Kommentar reagiert? Danke danke danke fürs Lesen, ich freu mich natürlich mega, dass es dir gefallen hat, auch wenn das Kapitel bittersüß war. <3
Von:  WeißeWölfinLarka
2022-12-24T23:28:45+00:00 25.12.2022 00:28
Ach ja, Demenz. Das hatte ich vergessen. Ich war auf seinen Tod gefasst.
Was beides seine ganz eigene Schwere und Umgangsform hat.
Ich mag das Kapitel sehr. es hat einen bittersüßen Beigeschmack. Kai und Hiromi sind unfassbar lieb und zusammen mit Takao sind sie ein tolles Gespann. Ich bin sehr zufrieden, dass die Überraschung geglückt ist und auch der Opa einen guten Tag hatte. (Mit Hitoshi verwechselt zu werden, armer Kai )
Danke für dieses Türchen!

Antwort von:  FreeWolf
05.03.2023 18:27
Um ganz ehrlich zu sein, wusste ich am Anfang nicht, ob ich den Opi leben lasse oder nicht, aber es hat sich so einfach besser angefühlt, weil es - wie du sagst - beides so seine Schwere und Umgangsform hat.
Ich mag auch total, wie lieb Kai und Hiromi zu Takao sind. Und Danke ganz besonders fürs dich-Trauen und Lesen <3


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