Warsong von Ceydrael ================================================================================ Kapitel 7: Die Schwestern ------------------------- »Nun, wie kann ich euch helfen, Jungs?« Kuleha betrat vor ihnen den düsteren Raum, in dem es unangenehm nach kaltem Rauch und schalem Bier stank. Im Grunde war es ein vollgestopftes Büro - fast mannshohe Papierstapel türmten sich auf dem abgegriffenen Schreibtisch, einige, flackernde Monitore hingen schief an der Wand und zeigten das Außenareal des Purgatory, sowie den Eingangs- und den Barbereich des Clubs. Kuleha stolzierte beachtlich sicher auf ihren absurd hohen High Heels hinter ihren Schreibtisch, wühlte sich durch ein paar alte Zeitungen, bevor sie eine Zigarettenpackung hervor zog und sich eine davon anzündete. »Will dein arroganter Boss wieder irgendwas, Law?«, fragte sie mit kratziger Stimme, nachdem sie einen tiefen Zug inhaliert hatte. »Der sollte endlich mal lernen, dass man mit Mädchen wie mir anders umgehen muss. Keine Manieren, dieser Bursche...«, murrte sie und beobachtete Law und Marco scharf durch eine ausgestoßene Rauchwolke. »Ich bin heute nicht für Joker hier...«, berichtigte Law tonlos, der sich inzwischen einen Platz an der schmutzig-grauen Wand gesucht und dagegen gelehnt hatte. Von seiner Position aus hatte er die Überwachungsmonitore im Blick und Marco bemerkte, dass die grauen Augen des jungen Mannes unter der tiefsitzenden Mütze das Geschehen draußen aufmerksam im Auge behielten. »Ach, nicht?!«, hob Kuleha hellhörig eine Braue, dann räumte sie eine Ecke des Schreibtisches von den Papieren frei und schob ihren knochigen Hintern selbst auf die Platte. Mit einem Gesichtsausdruck, der vielleicht vor sechzig Jahren verführerisch gewesen wäre, schürzte sie die Lippen und rückte ihren hageren Leib etwas mehr in Pose. »Was kann die liebe Kuleha denn dann für zwei so hübsche Kerle wie euch tun, hm?« Der riesige, weiße Hund hatte zu Laws Stiefeln Stellung bezogen und drückte den Kopf bittend gegen den Oberschenkel des jungen Mannes. Law ließ geistesabwesend eine Hand sinken und kraulte Bepo den Kopf. Er schien Kulehas anzügliches Verhalten überhaupt nicht wahr zu nehmen... oder aber er war schlichtweg gut darin, so etwas einfach zu ignorieren. »Mein... Bekannter hier«, dabei nickte Law zu Marco hin, »möchte zu Spider. Kannst du ein Treffen vereinbaren?« »Ach...«, interessiert ruckte Kulehas Kopf zu Marco, den sie nun mit einem geschäftigen Interesse betrachtete. Gemächlich zog sie erneut an ihrer Zigarette und legte den Kopf dann ein wenig schief, als sich ihre Augen prüfend verengten. »Sag, mein Schöner, dich hab' ich hier noch nie gesehen, aber du kommst mir irgendwie so bekannt vor... wie heißt du?«, verlangte sie mit schmeichelnder Stimme zu wissen. Marco holte schon rein instinktiv Luft für eine Antwort, doch Law fuhr ihm eigensinnig dazwischen. Sein schneidender Blick kreuzte den von Marco und darin lag eine unmissverständliche Anweisung: Überlass' mir das Reden. »Er ist möglicherweise ein neuer Anwärter für Trebols Offiziersposten. Der alte Kerl wird in letzter Zeit nachlässig und Doflamingo gefällt das gar nicht... er überlegt schon länger, Trebol abzusetzen«, log er ungerührt. Kuleha wirkte mit einem Mal sehr begierig und schob sich auf dem Schreibtisch ein wenig weiter vor, wie gebannt an Laws Lippen hängend. »Oh, was du nicht sagst...«, wisperte sie mit diebischer Freude. Es war ein offenes Geheimnis, dass sie und Trebol eine alte Feindschaft hegten. Kuleha konnte den Offizier von Doflamingo noch nie ausstehen und sie würde wahrscheinlich so einiges unterstützen, was Trebol schaden könnte. »Wir brauchen ein paar Infos von Spider und wenn wir es geschickt anstellen, ist Trebol wahrscheinlich bald Geschichte«, erklärte Law kurz angebunden. »Mehr musst du nicht wissen.« »Verstehe...«, grinste die alte Frau gehässig, doch mit einem Mal wurde ihr Lächeln gefährlich und sie fragte arglistig: »Doch sag' mir, Law... warum hilfst du deinem Bekannten so bereitwillig? Gehörst du nicht genauso wie Trebol zu Jokers geliebter Familie. Das zeugt aber von einer schlechten Erziehung, mein Lieber. Hintergeht man sich in einer Familie denn gegenseitig, hm?« Law hielt dem prüfenden Blick Kulehas ungerührt stand. »Trebol steigt schon seit geraumer Zeit meiner Schwester nach. Ich will, dass er aus Lamys Nähe verschwindet... am besten in irgendein namenloses Grab.« Seine Stimme trug genug Abscheu und kalte Wut, um seine Geschichte glaubhaft wirken zu lassen. Die Lüge kam ihm leicht über die Lippen. »Haha, Trafalgar... du bist wirklich eiskalt, nicht wahr?!« Kuleha lehnte sich zurück und überschlug die dünnen Beine, während sie nachdenklich an ihrer Zigarette zog und Law eingehend musterte, doch aus dessen ausdruckslosem Gesicht konnte man wie immer so gut wie gar nichts herauslesen. »Na schön... aber du weißt, dass das etwas kosten wird? Ein Gefallen für einen Gefallen, so sind die Regeln, meine Hübschen«, informierte sie die beiden Männer und strich etwas Asche von ihrer Zigarette in den eh schon übervollen Aschenbecher auf dem Schreibtisch. »Natürlich«, bestätigte Law seelenruhig und glitt mit den tätowierten Fingern durch Bepos flauschiges, weißes Fell, bevor er ihm auf den Hals klopfte. Als wäre das ein geheimes Zeichen, erhob sich der Hund und trottete gemächlich zu Kuleha zurück, um sich unter deren Schreibtisch nieder zu legen, den Kopf auf den riesigen Pfoten gebettet. Kuleha rieb sich geschäftig die Hände, die Zigarette in den Mundwinkel geklemmt, dann sprang sie überraschend gelenkig vom Schreibtisch und wühlte sich durch den Pult an Dokumenten und Dossiers der Büroeinrichtung. Mit kalkuliertem Blick checkte sie den Kalender und die Uhrzeit. »Nun, ich glaube, ich habe da genau das Richtige für euch... immerhin hat man nicht jeden Tag die Gelegenheit, dass Jokers Henker für einen arbeitet, nicht wahr?!«, giggelte sie maliziös. Laws Kiefermuskeln verkrampften sich und er verschränkte die Arme vor der Brust, als könnte er so das unangenehme Gefühl zurückhalten, das bitter in seiner Kehle lauerte. Er war sich Marcos Anwesenheit sehr bewusst und zum ersten Mal war es ihm vielleicht nicht völlig gleichgültig, was ein anderer von ihm dachte. Doch der Konzerner schien sich an Kulehas Wortwahl - oder der unterschwelligen Offenbarung - gar nicht zu stören, zumindest ließ er sich nichts dergleichen anmerken. »Hier«, drückte Kuleha Marco ein kleines, leuchtendes Pad mit den Details des Auftrages in die Hand. »Am University Hospital hier in Akihabara ist eine Lieferung abzuholen. Ein Mitarbeiter der Klinik wird am Lieferanteneingang auf euch warten. Bringt die Ware dann unbeschädigt und vollständig zu dieser Adresse in der Red Zone und sagt, dass ich euch schicke.« Ihr langer, lackierter Nagel klickerte auf dem Display, als sie mit dem Zeigefinger darauf wies. »Die Red Zone...?!«, fragte Marco gedehnt nach, als er das Auftragsdossier etwas unsicher an sich nahm. Die Red Zone war ein nördlicher Außenbereich von Tokio, ein ehemals fortschrittliches Randgebiet der Megametropole und für die Erweiterung der Industrie gedacht, das aber nach den Scornangriffen vor vierzehn Jahren größtenteils aufgegeben wurde. Seither war das Gebiet fast nicht mehr als eine Geisterstadt, wohin sich eher selten jemand verirrte, vor allem, da immer noch vereinzelt Scorn dort zu finden waren. Der Bereich wurde größtenteils von gesetzlosen Banden und vom System vergessenen Obdachlosen beherrscht. »Angst, sich die Finger schmutzig zu machen, mein Schöner?«, kicherte Kuleha amüsiert. Ihre dünnen Finger glitten begierig und ungefragt über Marcos Oberarm, der zu höflich war, um sie in ihre Schranken zu verweisen. Etwas gequält hielt er ihrer Begutachtung stand. »Hm, dabei siehst du doch aus, als könntest du dich durchaus deiner Haut erwehren... was für Muskeln, meine Güte...«, murmelte sie bewundernd. »Schon gut, wir übernehmen den Auftrag«, bestimmte Law unterkühlt und nahm Marco das Pad aus der Hand, wobei er sich absichtlich zwischen ihn und Kuleha drängte. Das ungebührliche Verhalten der Frau war ihm unangenehm und es nervte ihn irgendwie, dass sie den Konzerner so schamlos berührte... eine Frau in ihrem Alter sollte wirklich wissen, wie man sich benahm. »Na dann, meine Vögelchen... husch husch, macht euch auf den Weg!«, scheuchte Kuleha die Männer dann aus ihrem Büro. »Ein junges Mädchen muss noch arbeiten. Wenn der Auftrag erledigt ist, sorge ich für das Treffen mit Spider.« Damit schlug sie hinter Law und Marco die Tür zu, kaum, dass die beiden draußen waren. »Spider?!«, fragte Marco jetzt mit gehobener Braue nach. Law überflog nochmals kurz die Daten des Pads, dann sah er in Gedanken auf. »Hm, so nennt er sich selbst. Er betrachtet sich als Spinne in ihrem Netz, die alles überwacht. Der Cyberkinet ist ein bisschen exzentrisch«, erklärte er, als sie die Treppe zum Club wieder nach oben stiegen. »Aber er ist der Beste seines Fachs. Glaub' mir, wenn irgendjemand etwas über dieses Metallding weiß, dann Spider.« Erneut bahnten sie sich ihren Weg durch die feiernde, zugedröhnte Menge des Purgatory wieder nach draußen, begaben sich zu Marcos Rayfield Caliburn und fuhren das Krankenhaus hier im Bezirk an. Wie Kuleha es vorausgesagt hatte, wartete ein recht nervöser Pfleger am Lieferanteneingang, der ihnen wortlos ein großes Paket überreichte und sich dann flink verkrümelte... ein fast untrügliches Indiz dafür, dass der Auftrag vielleicht nicht gänzlich legal war. »Warum hast du Kuleha eigentlich diese Geschichte aufgetischt, von wegen, ich wolle Trebol ersetzen...?«, wollte Marco dann doch wissen, als sie wieder im Wagen saßen, den sie etwas abseits vom Krankenhaus geparkt hatten. Law ließ sich in den Autositz zurücksinken und wog das Päckchen argwöhnisch in den Händen. »Kuleha ist als Vermittlerin von Söldner- und Kopfgeldaufträgen weitestgehend neutral in der Stadt. Aber wenn sie eine gute Information riecht, wird sie diese ohne Skrupel an den Meistbietenden verkaufen. Und ich schätze, dein Name und die Tatsache, dass du nach Spider suchst, sind definitiv Infos, für die jemand Geld bezahlen würde. Aber in die internen Machtkämpfe der Kartelle wird sie sich nicht einmischen, das würde ihre Unparteilichkeit gefährden und ihre Stellung als neutrale Vermittlerin. Außerdem hasst sie Trebol«, meinte Law gleichgültig. »Also wird sie vermutlich so schlau sein und die Klappe halten.« »Vermutlich...?!«, zog Marco die Stirn in Falten. Law zuckte mit den Schultern. »Man kann nie zu hundert Prozent sicher sein...« »Danke, dass du so umsichtig bist«, sagte Marco ehrlich. Er hätte vermutlich gar nicht so weit gedacht, dass es vielleicht besser wäre, nicht allzu schnell erkannt zu werden und sich eher unter dem Radar zu bewegen. Shanks hatte ihn förmlich ins kalte Wasser geworfen mit diesem dämlichen Senatsposten, ohne ihm wirklich zu erklären, wie er sich am besten verhalten sollte. Law nickte knapp. »Schon in Ordnung...«, raunte er abwehrend, da er Dank sonst kaum gewohnt und der ihm eher fremd war. Meist verfluchten ihn die Menschen, als das sie ihm für irgendetwas danken würden... oder sie gaben ihm Befehl und erwarteten schlichten Gehorsam. Er legte sein Schwert beiseite, dann stellte er das Päckchen auf seinem Schoß ab und riss es kurzerhand auf. »... sagte die gute Frau nicht eigentlich, dass wir es unbeschadet am Zielort überbringen sollen?«, wagte Marco mit einem gehobenen Mundwinkel einzuwerfen, während er sich über das Kinn rieb und Law mit eher gemischten Gefühlen beobachtete. Entgegen seines rationalen Verstandes - und Shanks' Rat - vertraute er dem jungen Mann zwar irgendwie, aber grundsätzlich war er selbst es eben gewohnt, Anweisungen auch zu befolgen. »Ich weiß gern genau, was mich erwartet. Ich habe hier schon einige böse Überraschungen erlebt...«, erklärte Law, während seine tätowierten Finger die Verpackung fliegend öffneten. Marco lehnte sich ein wenig zu ihm hinüber, nun ebenfalls neugierig geworden auf den Inhalt des Pakets. »Und, was ist drin?« Der junge Mann zog eine kleine Tablettenschachtel und ein paar gläserne Ampullen heraus, die er mit gerunzelter Stirn studierte und dann verwundert das Offensichtliche aussprach: »Das sind Medikamente...« »Naja, wir haben es ja auch von einem Krankenhaus... Was hast du denn erwartet?« »Etwas offensichtlichere Hehlerware...!? Warum sollte man uns wegen ein paar Medikamenten in die Red Zone schicken?«, murmelte Law grübelnd und legte alles in das Päckchen zurück, das er dann vorsichtig wieder verschloß. Eine Seitenstraße weiter fuhr eine Polizeistreife mit kreisendem Blaulicht vorbei. »Vielleicht sollten wir lieber langsam verschwinden«, schlug Law vor und Marco startete den Motor des Caliburn, während der junge Mann die Adresse in das Navigationssystem eingab, die Kuleha ihnen mitgeteilt hatte. Die Red Zone war genau das, was man sich unter einem vergessenen Stadtviertel und ehemaligen Kampfgebiet vorstellen würde - aufgegebene und verlassene Industriegebäude, die sich an kleine, ehemals sicher hübsche Wohngebiete, bestehend aus Einfamilienhäusern mit Vorgärten anschlossen, die inzwischen doch verwaist und verwildert waren. Wo innerhalb des Großraums Tokio Gebäude aus Platzmangel hauptsächlich nur noch in die Höhe wuchsen, hatte man hier vor Jahren versucht, sich wieder am Stil der kleinen, amerikanischen Vororte zu orientieren - Industrialisierung gepaart mit einer familienfreundlichen Wohnsituationen. Doch die Scorn hatten den westlichen Traum schnell platzen lassen. Inzwischen waren die Gebäude hauptsächlich verlassen und verfallen, nur hier und da brannte noch Licht hinter schmutzigen Gardinen. Irgendwo schien eine Untergrund-Party stattzufinden, da der Bass aus einem der Häuser wummerte. Hartgesottene Banden drängten sich um offene Feuerstellen der Trailer Parks, die inzwischen in den heruntergekommenen Gärten entstanden waren und verfolgten den auffälligen Caliburn mit gierigen Augen. Von der einstigen Aufbruchsstimmung war nur noch wenig zu sehen. Marco fuhr langsam die Straße mit den flackernden Straßenlaternen entlang und näherte sich gemächlich der Auffahrt, die ihren Zielort markierte und zu einem kleineren Fertigteilhaus mit schmuckloser Veranda führte, das sich an eine alte, abgewetzte Lagerhalle anschloss. Hinter dem schräg hängenden Zaunsfeld parkten einige Rostlauben im Garten vor dem großen Rolltor der blechernen Lagerhalle, in der noch schummriges Licht brannte. Marco wollte schon einlenken und den geschotterten Kiesweg hinauffahren, als Law ihm überraschend eine Hand auf den Arm legte und den Kopf schüttelte. »Wir sollten etwas abseits parken...», schlug der junge Mann bestimmt vor, dann zog er seine Finger auch schon überhastet wieder zurück, als wäre die Berührung aus einem Reflex heraus passiert und ihm unangenehm. »Dein Auto ist ziemlich auffällig. Besser, man sieht es nicht sofort hier in der Auffahrt stehen...«, sagte Law. Marco nickte verstehend und fuhr noch ein Stück die glücklicherweise leere Straße entlang, bevor er den Caliburn hinter einer Häuserecke abstellte, sodass er zumindest nicht auf den ersten Blick zu sehen wäre. Sie stiegen beide aus und näherten sich dem Haus nun langsam. Law hatte sein Schwert zwar nicht gezogen, doch Marco erkannte bereits an der Art und Weise, wie er die Straße auf und ab blickte, wie er jeden Schritt bedacht setzte, dass der junge Mann ihre Umgebung aufmerksam im Blick behielt und jederzeit für einen Angriff gewappnet schien. Er selbst folgte Law dich auf nach, das Päckchen mit den Medikamenten unter den Arm geklemmt und öffnete beiläufig seine Jacke, um jederzeit an die Waffen in seinem Holster heranreichen zu können. Er kannte sich in diesem Milieu überhaupt nicht aus und vertraute so ziemlich auf Laws Einschätzung und Erfahrung, wobei er natürlich abermals darüber nachgrübelte, was den jungen Mann und seine Schwester wohl in diese Welt der Kartelle geführt hatte... Gedankenverloren blieben Marcos Augen an Laws schlanker Gestalt hängen, der unweit vor ihm lief und ihm einen kurzen Blick über die Schulter zuwarf, als sie die Straße querten. Der Mann schien ein einziges Rätsel mit vielen Geheimnissen und das machte ihn unheimlich interessant. Doch Marco machte sich auch keine Illusionen - sobald Lamy geheilt wäre, würden die beiden mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder aus seinem Leben verschwinden, auch wenn er das wirklich... bedauerlich fand. Sie erreichten die recht lädierte Haustür, von der bereits die Farbe abblätterte und Law betätigte die Klingel, die scheppernd im Haus nachhallte. Irgendwo in der verlassenen Nachbarschaft bellte ein Hund und ein Zug zog in der Ferne vorbei, sonst war es fast schon gespenstisch still hier draußen, wenn man die ständigen Geräusch der Megastadt gewohnt war. Law lauerte angespannt auf Schritte hinter der Tür, während sein Blick abermals über die Umgebung glitt und er nach verräterischen Anzeichen eines Hinterhaltes Ausschau hielt. Dabei war ihm Marcos ruhige Präsenz im Rücken nur allzu bewusst. Er wirkte wesentlich gelassener als Law selbst, jedoch nicht leichtsinnig oder unaufmerksam, denn Law war durchaus aufgefallen, dass Marco eine Hand bewusst freihielt, um jederzeit seine Waffe ziehen zu können. Irgendwie... war es befremdlich für Law, jedoch auch seltsam beruhigend, einmal nicht auf sich allein gestellt unterwegs zu sein. Von drinnen waren nun zögerliche Schritte zu hören, die sich der Tür näherten. Dann klirrte eine Kette und ein Schloß wurde dumpf entriegelt, bevor die Tür einen Spalt breit aufgezogen wurde. Heraus spähte eine junge Frau mit kinnlangen, fliederfarbenen Haaren, die sie sich mit einem Haarreif aus dem Gesicht hielt, das mit Streifen von Motoröl und Bremsstaub beschmiert war. Sie hatte hübsche grüne Augen, die allerdings misstrauisch verengt waren, als sie die beiden Männer vor ihrer Tür jetzt musterte und unfreundlich zu wissen verlangte: »Wer seid ihr und was wollt ihr?« Aus dem Hintergrund hinter ihr war das Miauen einer Katze und das Krächzen eines Vogels zu vernehmen. Der Kopf eines munteren Schäferhundes mit einem kybernetischen Auge tauchte neben ihr im Türrahmen auf und versuchte sich an ihrem Oberschenkel vorbei zu drücken, doch sie schob den Hund mit einer Hand bestimmt hinter sich, die ebenfalls komplett kybernetisch war. Irgendwo im Haus erklang gedämpfte Musik und das Knattern eines alten Generators. »Kuleha schickt uns«, erläuterte Law tonlos und deutete mit dem Finger hinter sich, wo Marco das mitgebrachte Päckchen kurz anhob. »Wir sollen hier etwas abliefern.« Entweder tappten sie jetzt sehenden Auges in eine Falle der alten Hexe - Kuleha hatte manchmal einen merkwürdigen Sinn für Humor - oder aber sie würden endlich erfahren, was sie hier sollten. Ein schlichter Botengang war eigentlich fast zu einfach. Die junge Frau hob eine Braue und Law konnte förmlich sehen, wie es hinter ihrer Stirn arbeitete und sie sie einzuschätzen versuchte. Sie wischte sich die mechanische Hand an ihrer grauen Latzhose ab und ihre Augen huschten abermals abschätzend zwischen Marco und Law umher. Ihre Aufmerksamkeit blieb dann an Marcos großer Gestalt hängen. Der Blonde schenkte der verunsicherten Frau ein charmantes Lächeln, was wahrscheinlich auch einen Eisberg hätte erweichen können. Das schien sie tatsächlich irgendwie zu überzeugen, wie Law verwundert feststellte, da sie nun einen Schritt zurück trat und die Tür gänzlich aufzog. Der Konzerner hatte wirklich eine außergewöhnlich interessante Wirkung auf andere Menschen... und da nahm Law sich selbst nicht einmal aus. »Kommt rein...«, gewährte sie nicht gerade einladend, aber auch nicht mehr so eisig wie am Anfang. Die beiden Männer traten ein und Law nutzte die Gelegenheit, da die junge Frau den Schäferhund abermals am ausbüchsen hinderte, sich rasch umzusehen. Die Einrichtung des Hauses war sehr schlicht, wirkte aber durchaus bewohnt und trotz eines hohen Grades von Abnutzung behaglich. Nichts deutete darauf hin, dass dies hier etwas anderes war als ein Wohnhaus. Der Eingangsbereich öffnete sich gleich in ein großes, gemütliches Wohnzimmer mit angrenzender Küchenzeile, eine verschlossene Tür zweigte vom Flur noch ab, ebenso wie eine Treppe, die offenbar ins obere Stockwerk führte. Auf einer abgewetzten Wohnlandschaft lag ein weiterer Hund mit einer verbundenen Pfote, der jetzt neugierig den Kopf hob. Neben ihm hatte sich eine Katze zusammengerollt und um die vergilbte Deckenlampe flatterte ein Papagei, dessen Flügel komplett mechanisch waren. Er landete auf der Gardinenstange und beäugte sie, während er sich mit den ebenfalls metallisch glänzenden Klauen den Schnabel putzte. Die Frau schloß die Tür hinter ihnen fast hektisch und schob eine Vielzahl an Riegeln und Schlössern vor, wie Law mit einem Heben der Braue zur Kenntnis nahm. Entschlossen zog sie die Vorhänge vor die Fenster, erst dann wandte sie sich den Männern wieder zu. »Wir haben hier oft Probleme mit... unerwünschten Besuchern«, erklärte sie kurz angebunden. »Nojiko, wer ist da?«, erklang eine helle Stimme. Eine weitere, junge Frau mit kupferroten, langen Haaren kam die Treppe herunter, ein maunzendes Kätzchen mit kybernetischen Augen und Ohren auf dem Arm. Sie blieb wie angewurzelt auf dem unteren Treppenabsatz stehen und musterte die beiden Männer aus großen, braunen Augen, nicht so feindselig wie Nojiko, eher verwundert und neugierig. »Kuleha hat die beiden geschickt...«, klärte Nojiko die junge Frau mit einer unbestimmten Handbewegung auf. »Oh... Hallo«, lächelte die Rothaarige verzückt. Sie war wirklich hübsch und hatte einen ansehnlichen, perfekten Körper, was in ihrem knappen Top und der engen Hotpants auch kaum zu übersehen war, doch mehr als professionelles Interesse hatte Law für sie nicht übrig - schon gar nicht, da sie zu einem Auftrag gehörte. Seit Jahren hatte er bis auf ein paar Abenteuer und unpersönlichen Sex kein weitergehendes Verlangen nach Frauen und erst recht nicht nach einer engeren Bindung. Emotional hielt er - bis auf Lamy - jeden bewusst auf Abstand. Seine gesamte Aufmerksamkeit galt Doflamingo, seinen eigenen Plänen und dem Schutz seiner Schwester. Nojiko presste die Lippen aufeinander und schloss entnervt die Augen. »Ich sagte doch, du sollst oben bleiben, Nami... kannst du nicht einmal hören?«, meckerte sie resigniert und wischte sich mit den kybernetischen Fingern ihres rechten Armes durch die violetten Haare. Die mechanische Schulter grenzte an die schlimm vernarbte Haut ihres Brustkorbes, was wie eine alte Brandwunde aussah. »Ich hab' Stimmen gehört... und außerdem wollte ich Patty füttern«, murmelte Nami, als würde das alles erklären, dann trat sie die letzte Stufe herunter und lief geschmeidig und mit einem kleinen Lächeln an Law und Marco vorbei, bevor sie das gähnende Kätzchen in einem Körbchen im Wohnzimmer absetzte. »Ich dachte schon, Arlong wäre wieder da...« »Und... was hättest du dann getan!?«, fragte Nojiko herausfordernd. »Du weißt genau, wie es ausging, als du das letzte Mal die Beherrschung verloren hast...« Fast anklagend deutete sie auf eine rußgeschwärzte, gezackte Schmauchspur an der Decke, die Law erst jetzt auffiel. »Ich hab' es jetzt schon viel besser unter Kontrolle...«, murrte Nami beleidigt und holte eine Dose Futter aus dem Kühlschrank, die sie öffnete und in zwei quietschbunte Futternäpfe für die Hunde füllte, die sich sofort schwanzwedelnd darüber hermachten. Dann stellte sie ein Schälchen mit Futter für das Kätzchen auf den Boden. Nojiko schüttelte nur den Kopf, dann wandte sie sich wieder an Marco und Law, die bisher recht verloren im Wohnzimmer standen. »Zeigt mal, was ihr mitgebracht habt...«, streckte sie eine Hand aus. Marco übergab ihr das Päckchen und Nojiko betrachtete die aufgerissene Verpackung zwar mit finster zusammengezogenen Brauen, sagte aber nichts dazu. Sie wühlte kurz in dem Paket, sichtete den Inhalt und nickte dann wohlwollend. »Sieht vollständig aus. Nami, bring' das hoch zu Genzo.« Nami rollte mit den Augen auf Grund des Befehlstones, kam aber zu ihnen herüber und schnappte sich das Paket. »Kommt ruhig mit hoch«, meinte sie mit einem einladenden Lächeln zu Law und Marco. »Wenn Genzo zufrieden ist, könnt' ihr Kuleha Bericht erstatten.« Sie lief vor ihnen die Treppe hinauf und Law kam es so vor, als würde sie sich dabei besonders viel Zeit lassen und ihre Hüfte demonstrativ vor ihren Augen bei jedem Schritt lasziv wiegen. Er schielte zu Marco hinüber, doch der Konzerner achtete überhaupt nicht auf die Frau. Er sah Law von der Seite her an und lächelte amüsiert, als der Schäferhund ihnen ebenfalls folgte, die Schnauze gegen Laws Oberschenkel drückte und um Aufmerksamkeit heischend neben ihnen die Treppe übermütig hinauf tänzelte. »Scheint, als hättest du einen neuen Freund gewonnen...« Law schmunzelte leicht und kraulte dem Hund die weichen Ohren. Er hatte seltsamerweise schon immer einen guten Draht zu Tieren und mochte sie teilweise auch einfach lieber als Menschen, da sie für ihn oftmals wesentlich einfacher zu verstehen und einzuschätzen waren als die menschlichen Eigenarten. Ein Tier würde ihn niemals auch reiner Bosheit heraus einfach anfallen oder versuchen ihn arglistig für seine Zwecke einzuspannen... Die obere Etage des Hauses diente nur teils als Wohnraum, die andere Hälfte war ein Übergang zu der anliegenden Lagerhalle, die ebenfalls in zwei Etagen geteilt war, was von außen kaum ersichtlich schien. Der untere Teil wurde offenbar als Werkstatt genutzt, wahrscheinlich die Wirkungsstätte von Nojiko, die sich gerade auch wieder an einem alten Transporter zu schaffen machte, der mit offener Motorhaube in der Halle stand. Die obere Etage der Halle jedoch führte geradewegs in eine überraschend gut ausgestattete Tierklinik, die unerwartet hell und sauber war und wo ein älterer Mann gerade einen kleineren Hund auf einem metallischen Untersuchungstisch aufrecht hielt und die Mobilität von dessen Gliedmaßen prüfte - das Tier hatte kybernetische Beine und schien diese nicht richtig koordinieren zu können. In einem angrenzenden Nebenraum sah Law eine Vielzahl an geräumigen Käfigen, Zwingern und kleineren Gehegen, wo allerlei Vierbeiner offenbar zur Genesung ruhten. Ein munteres Äffchen mit künstlichen Pfoten klammerte sich an die Käfiggitter und betrachtete die Neuankömmlinge neugierig und in einem der Zwinger lief ein Fuchs mit mechanischer Schnauze und zusätzlich implantierten, buschigen Schwänzen seine Runden. Das Ganze hier mutete wie eine Auffangstation für Tiere mit kybernetischen Implantaten an. »Genzo... Kuleha hat neue Medikamente geschickt.« Nami trat zu dem älteren Mann hinüber und hielt ihm das Päckchen unter die Nase. »Danke, bring' es in den Vorratsraum, ich seh' es mir später an«, meinte Genzo beschäftigt, dann schien er Law und Marco aber zu bemerken, die etwas abseits stehen geblieben waren und blickte auf. Mit geschmälerten Augen fixierte er sie kritisch. »... und wer sind die zwei?« Nami zuckte mit den Schultern, meinte dann aber grinsend: »Kuleha hat sie hergeschickt. Ich glaube, sie wollte mir damit eine Freude machen. Sie haben die Medikamente gebracht.« Genzo runzelte verwundert die Stirn und murmelte: »Persönlich hergebracht... aber warum...-« Plötzlich brach in der Werkstatt unten Hektik aus. Das große Rolltor fuhr scheppernd hoch und ein dunkler Transporter schob rückwärts herein. Die Hecktüren wurden von drei Männern aufgerissen, kaum das der Wagen angehalten hatte. Nojiko eilte zu den schwarz gekleideten Fremden hinüber und half ihnen, einen großen Käfig von der Laderampe des Transporters zu rollen, in dem eine riesige, schwarze Raubkatze umher tigerte, die sich nun im Neonlicht nach der Finsternis des Wagens fauchend gegen die Gitterstäbe warf und mit den Krallen nach einem der Männer langte. »Mist...! Bringt was zum sedieren, das Vieh reißt uns sonst noch die Eingeweide raus!«, brüllte einer der Kerle fluchend, nachdem er abermals den Klauen ausgewichen war. Er zog sich die Mütze vom Kopf und wischte sich damit über die schweißbedeckte Stirn. Allgemein wirkten die Kerle ziemlich gehetzt und mitgenommen. In den goldenen Augen des Panthers standen Panik und Schmerz, den langen Schweif hatte er angespannt eingeklemmt und die Lefzen zitternd hochgezogen. Die Flanken und Seiten des wunderschönen Tieres waren mit Metallplatten, ähnlich einer Rüstung überzogen, die man ihm mehr als stümperhaft implantiert hatte und die der Körper des Tieres abzustoßen schien, denn es gab geschwollene und entzündete Wundränder, die offensichtlich nicht heilen wollten. Nojiko riss geistesgegenwärtig ein Betäubungsgewehr aus einer Wandhalterung, die hinter einem Werkzeugschrank verborgen war, legte einen der Pfeile ein und setzte der Raubkatze einen gezielten Schuss in den sehnigen Hals. Das Tier fauchte und fuhr herum, doch beinahe sofort trübten sich seine Augen ein und es sackte benommen zu Boden, grollte die Männer aber noch immer warnend an, als diese sich dem Käfig wieder näherten. »Verpass' ihm noch 'ne Ladung, Nojiko!« »Nein! Wir wollen ihn nur ruhigstellen und nicht ins Koma verfrachten!«, fuhr Genzo aufgebracht dazwischen, der nun die alte Metalltreppe in die Werkstatt hinunter hinkte. Ihm schien eine alte Verletzung zu schaffen zu machen. Er schob einen der Kerle aus dem Weg, um sich selbst einen Überblick über den Zustand der Raubkatze zu verschaffen. Nami hatte inzwischen den kleinen Hund von der Liege genommen und diesen zurück in einen der Käfige gebracht. Unter Genzos fachlicher Anleitung luden die Männer die träge Raubkatze auf eine breite Trage und brachten sie auf eine Laderampe, die wohl vormals dazu benutzt wurde, Autos anzuheben, jetzt aber als provisorischer Lift diente, um größere und schwere Lasten in die Klinik zu befördern. »Hat einer von euch beiden ruhige Hände? Ich könnte hier etwas Hilfe gebrauchen, wo ihr schon mal hier seid...«, meinte Genzo an Marco und Law gewandt und musterte die beiden abschätzend, während die anderen Männer den Panther auf den stabilen Untersuchungstisch hievten. Sehr bestimmt winkte der alte Mann dann Law heran. »Du! Komm' her!« Marco hätte eigentlich mit Widerspruch gerechnet, da Law auf barsche Anweisungen bisher eher empfindlich reagiert hatte, doch der junge Mann schüttelte ohne zu Zögern seine Jacke ab und drückte diese mit seinem Schwert und seiner Mütze Marco in die Hand. Dann trat er an Genzos Seite, rollte die Ärmel seines Shirts hoch und folgte ganz selbstverständlich den Anweisungen des alten Mannes. »Halt seinen Kopf ruhig, bis die Betäubung richtig wirkt... ich muss wahrscheinlich sofort operieren, die Implantate müssen aus seinem Körper raus... Nami, bereite das Operationsbesteck vor!«, wies Genzo an und zog sich nebenher Handschuhe und eine Gesichtsmaske über. Während die junge Frau einen Wagen mit sterilen OP-Materialien heranrollte, positionierte sich Law am Kopfende des Tisches und schlang einen Arm um den kräftigen Hals der Raubkatze, mit der anderen Hand hielt er den großen Kopf des Tieres sanft unten. Er beugte sich über den Panther, strich ihm mit den schlanken Fingern über den Kopf und schien ihm beruhigende Worte zuzuflüstern, denn das Tier wurde tatsächlich ruhiger und der aufgeregt peitschende Schweif legte sich regungslos nieder. Die goldenen Augen der großen Katze fixierten den jungen Mann mit einem seichten Laut aus der Kehle, der von Angst und Schmerz zu sprechen schien, dann drückte sich der große Kopf der tätowierten Hand entgegen, die sanft über ihre Stirn und die empfindliche Nasenpartie strich. Marco war einige Schritte zurückgetreten, um Platz zu schaffen, doch seine Augen konnte er kaum von Law losreißen - da war plötzlich eine Nachgiebigkeit in den sonst so harten, eher ausdruckslosen Zügen des jungen Mannes, eine entspannte Ruhe, die ihn sehr... menschlich erscheinen ließ und die sonstige Kälte seiner Art Lügen strafte. Genzo begann inzwischen die schlimmen Wunden des Panthers mit professionellen, sicheren Handgriffen zu versorgen, nebenher setzte Nami der großen Katze eine weitere Infusion mit einer milden Dosis Sedativum, die Genzo pedantisch kontrollierte. Der alte Mann arbeitete ruhig, aber sehr zügig und als die Betäubung des Panthers endlich gänzlich wirkte und das Tier einschlief, begann er die so dilettantisch implantierten, kybernetischen Platten zu entfernen. Dabei ließ er sich von Law helfen, der sehr souverän die benötigten Instrumente beireichte und hier und da Hilfestellung leistete. Inzwischen hatte er auch Handschuhe und eine Maske übergezogen. Marco war sich bewusst, dass einige Firmen für die Erprobung kybernetischer Verbesserungen gern Tierversuche nutzten und einige Hersteller von Militärtechnik schon lange daran arbeiteten, auch Tiere für schwierige Kampfeinsätze zu verbessern und zu optimieren, immerhin waren sie einfacher zu bekommen und leichter zu entsorgen als menschliche Probanden. Die Newgate Corp. hatte solche Methoden immer abgelehnt, denn für Whitebeard war jedes Leben kostbar und gleich viel wert. So langsam dämmerte ihm, dass wahrscheinlich ein großer Teil der Tiere hier aus solchen Versuchen stammen musste... Unten stiegen die fremden Männer wieder in ihren Transporter, nachdem sie sich von Nojiko verabschiedet hatten und fuhren davon. Der Konzerner legte Laws persönliche Sachen sachte beiseite, damit er Nami helfen konnte, die sich eben mit einer großen Kiste Verbandsmaterialien die lädierte Treppe der Lagerhalle heraufquälen wollte. Sie bedankte sich mit einem erleichterten Lächeln, als Marco ihr entgegen kam und die Kiste abnahm, dann zeigte sie ihm, wohin er die Sachen bringen sollte. »Dein Freund hat ein wirklich gutes Händchen für Tiere... und ruhige Finger noch dazu«, wisperte Nami nun regelrecht bewundernd, die die Hände in die Hüften stemmte und neben Marco stehen blieb, um einen Moment zu verschnaufen und dabei die laufende Operation beobachtete. Doch ihre hauptsächliche Aufmerksamkeit und ihr eindeutig weibliches Begehren lagen wenig überraschend auf Law. Ihre braunen Augen glitten ohne Scheu über die schlanke Gestalt des schwarzhaarigen Mannes, durch dessen hochgeschobene Ärmel man die sehnigen Muskeln unter der tätowierten, gebräunten Haut beobachten konnte. »Er hat nicht zufällig Lust sich umzuorientieren? Jemanden wie ihn könnte Genzo hier wirklich gut gebrauchen...«, meinte sie mit einem schnurrenden Unterton in der Stimme. Du meinst wohl eher, dass du ihn hier gut gebrauchen könntest... Marco sah mit einem eigenartigen Unwillen zu der jungen Frau hinüber, die sich eine Strähne ihres kupferroten Haares um den Finger wickelte und ihn jetzt versonnen angrinste. Sie schien sich ihres makellosen Aussehens und ihrer Wirkung auf Männer sehr bewusst. »Das müsstest du ihn schon selbst fragen...«, erwiderte er ungewöhnlich distanziert. Sie war schön, ohne Frage, aber sie ließ Marco in dieser Hinsicht völlig kalt. Ihr Blick glitt wieder zurück zu Law. »Hm, vielleicht mache ich das auch...« »Woher kommt die Raubkatze und was ist dem Tier passiert...?«, wechselte Marco sicherheitshalber das Thema. Nami wandte sich ihm nun wieder gänzlich zu. Den ersten Teil der Frage ignorierte sie gekonnt. »Keine Ahnung, vielleicht hat eine Firma mal wieder ein Experiment aussortiert, das überflüssig geworden ist... die Tiere sind doch für die meisten nichts weiter als billige Rohstoffe...«, sie versuchte Gleichgültigkeit vorzutäuschen, doch in ihren Augen flammte Entrüstung und stille Wut. »Oder einer dieser reichen Schnösel wollte einfach mal ein extravagantes Haustier, mit dem er vor seiner Schnalle angeben und seinen kümmerlichen Schwanz überspielen kann, wer weiß das schon...« Der Transporter, die überhastete Aktion und die schwarz gekleideten Kerle... »Ihr habt das Tier von jemanden gestohlen?!«, vermutete Marco offen heraus. Mutig. Wahrscheinlich dumm, aber mutig. Ein vermögender, weniger philanthropisch veranlagter Firmenchef... oder noch schlimmer, ein skrupelloser Kartellboss, würde über den Verlust seines Spielzeuges vermutlich gar nicht begeistert sein. »Wir haben ihn gerettet!«, verbesserte die junge Frau angriffslustig. »Wir tun das, was sonst keiner tut und kümmern uns um die, um die sich sonst keiner sorgt... willst du uns dafür verurteilen?!«, fragte sie provozierend und musterte Marco mit trotzig, aber stur gehobenem Kinn. Marco hob beschwichtigend die Hände und schüttelte den Kopf. »Nein, keinesfalls... ich bewundere, was ihr hier tut. Wirklich. Aber ihr spielt mit dem Feuer, das sollte euch klar sein«, versuchte er ein wenig Vernunft walten zu lassen. »Vielleicht solltet ihr euch lieber an eine offizielle Stelle oder die Polizei wenden...« Ihre Truppe war ein idealistischer, doch kleiner Haufen, hauptsächlich zwei Frauen und ein alter Mann. Was könnten sie schon einer ausgebildeten Privatarmee entgegen setzen, wenn man ihnen auf die Schliche kam und irgendjemand entschied, dass sie von der Bildfläche verschwinden mussten? Nami schnaubte spöttisch. »Natürlich... die Polizei...«, rollte sie sarkastisch mit den Augen. Vor dem nur wieder halb heruntergelassenem Rolltor der Halle erklangen jetzt einige Automotoren, die hörbar schnell näher kamen und die geschotterte Auffahrt geräuschvoll herauffuhren. Scheinwerfer durchschnitten die Nacht und strahlten hell über den Boden der Werkstatt, als die Wagen draußen vor der Halle stehen blieben. Autotüren schlugen zu, dann waren die Schritte vieler Stiefel auf dem Kies zu vernehmen. Nami fluchte verhalten und Nojiko, die erbleichend unten in der Werkstatt stand, wirbelte zu ihnen herum und zischte fast panisch: »Nami, Licht aus! Verschwindet nach drinnen! Ich regel' das, hörst du?!« Von ihrer selbstsicheren Haltung war kaum noch etwas geblieben, Panik schwamm in ihrem Blick. Nami packte Marco hektisch am Arm und zerrte ihn mit sich aus dem Sichtfeld der Werkstatt. Sie hämmerte die Hand auf einen Schalter an der Wand und ein weiteres, metallenes Rolltor schepperte hier oben herab und verbarg die medizinischen Geräte und die kleine Klinik vor neugierigen Augen. Die Neonröhren gingen aus, dann schlug die Notbeleuchtung an. Nur die Operationsleuchte blieb davon unberührt und obwohl sich Genzos hagere Schultern anspannten, als ahnte er, was los war, arbeitete er kontinuierlich weiter. Auch Law blickte sich kurz irritiert um, doch da der alte Mann einfach weiter machte, als wäre nichts passiert, verließ auch er seinen Platz nicht und konzentrierte sich wieder auf die vor ihnen liegende Raubkatze. »Was ist los...?«, wagte Marco leise zu fragen. Nami neben ihm hatte die Arme fest verschränkt, als suchte sie nach Wärme. Das Kinn hatte sie gehoben, versuchte Stärke zu demonstrieren, doch die Nägel ihrer Hände krallten sich in ihre nackte Haut. »Ärger...«, murmelte die junge Frau und ihre Stimme zitterte ein wenig. »Großer Ärger...« Es war unschwer zu erahnen, dass dort nicht bloß ein paar Freunde zum plaudern vorbei sehen würden. Namis Augen flimmerten regelrecht gehetzt und um die Nase war sie recht blass geworden. Sie und Marco blieben hinter einer Ecke des provisorischen Sichtschutzes stehen, sodass sie den unteren Bereich um das alte, rostige Rolltor im Auge behalten konnten, unter dem sich jetzt einige Männer in Uniform hindurch duckten und die Werkstatt betraten. Nojiko baute sich mit leicht gespreizten Beinen und einem Schraubenschlüssel in der kybernetischen Hand vor dem großen Mann auf, der an der Spitze der Gruppe stand. »Was willst du hier, Arlong? Bis zum Zahltag sind noch zwei Wochen Zeit... und wir haben uns nichts zu Schulden kommen lassen.« Der Anführer der Gruppe, ein fast zwei Meter Hüne lüftete das Visier seines stromlinienförmigen, silbernen Helms. Er war der Einzige der Truppe, der nicht den typischen silber-weißen Vollschutz der Polizei trug. Sein Gesicht war kantig, scharf und das Lächeln auf seinen fahlen Lippen bösartig. Er nahm seinen Helm ab, unter dem dunkles Haar zum Vorschein kam, und schlenderte jetzt an Nojiko vorbei, als wäre sie gar nicht da und als würde ihm das Gebäude gehören. Die Einheit hinter ihm nahm schweigend, aber wachsam Aufstellung. Jeder der fast zwanzig Männer trug eine Waffe in der Hand, eine übertrieben große Gruppe für eine Routinekontrolle. »Was wollen die hier? Was sind das für Kerle...?«, fragte Marco Nami leise, die neben ihm an die Wand gepresst stand und angespannt an ihren Nägeln kaute, während sie das Schauspiel unten in der Werkstatt mit einem unglücklichen Gesichtsausdruck beobachtete. Ein statisches Knistern zuckte über ihre Haut, Funken tanzten flüchtig um ihre Finger und fast erschrocken ließ sie die Hand fallen, als sie Marcos Blick bemerkte. Sie ließ den Kopf gegen die Wand sinken, dann erzählte sie mit gedämpfter Stimme: »Korrupte Polizisten. Arlong kassiert gut Geld von so einigen Konzernern, aber auch Kartellmitgliedern, damit er hier und da wegsieht oder Beweise für illegale Machenschaften verschwinden lässt. Nojikos Werkstatt ist nicht angemeldet, ganz zu schweigen von der Klinik... Arlong ahnt schon lange, was wir hier machen, hat uns bisher aber deswegen meist in Ruhe gelassen, wenn wir ihm regelmäßig Schweigegeld bezahlt haben und es seine Interessen nicht gestört hat... er weiß, dass wir nirgendwo anders hin können und nutzt das schamlos aus... ohne Kulehas regelmäßige Unterstützung wären wir schon längst am Arsch...« Unzufrieden, fast verzweifelt ballte die junge Frau die Hände zu Fäusten und es war ihr anzusehen, dass sie am liebsten in die Werkstatt gestürmt wäre, um Nojiko beizustehen. »Nojiko, es ist mir doch immer wieder so eine Freude dich zu sehen, da konnte ich einfach keine zwei weiteren Wochen warten...«, säuselte der Riese unten schmierig, während er durch die Werkstatt lief und sein Sturmgewehr über die Schulter schwang, damit er ein paar Papiere von einem kleinen Schreibtisch aufnehmen und mit vorgetäuschtem Interesse betrachten konnte. »Wo ist eigentlich deine hübsche Schwester, hm?«, fragte er gespielt beiläufig, nachdem er die Dokumente auf den Tisch zurückgeworfen hatte und nun um eines der abgestellten Autos mit offener Motorhaube ging, um in den dunklen Innenraum spähen zu können. Ein gelangweilter Fingerzeig von ihm und die restlichen Männer schwärmten auf den stummen Befehl hin aus und durchstöberten ebenfalls die Werkstatt. »Nami ist nicht da...«, log Nojiko mehr schlecht als recht, während sie angespannt die Männer beobachtete, die ohne besondere Rücksicht Schränke und Wagentüren aufrissen. Ein paar Werkzeuge landeten klirrend auf dem Boden, als einer der Polizisten eine Plane von dem ausgeschlachteten Skelett eines alten Transportpanzers riss, der im hinteren Teil der Halle gelagert war. Zwei der Polizisten trafen sich vor der klapprigen Metalltreppe, die nach oben zur verborgenen Klinik führte. Die blickdichten Visiere scannten den oberen Bereich ab und Nami und Marco drückten sich dort in die Schatten. »Ach Nojiko, du weißt doch ganz genau, dass ich es hasse, wenn man mich anlügt...«, schnalzte Arlong mit der Zunge, griff nach der geöffneten Motorhaube und zog diese so ruckartig nach unten, dass sie krachend in die Verriegelung fiel. Nojiko zuckte zusammen, doch sie blieb an Ort und Stelle stehen, als der Anführer auf sie zukam und so nah vor ihr stehen blieb, dass sie den Kopf in den Nacken legen musste, um ihn anzusehen. »Einem meiner besonders wertgeschätzten... Schutzbefohlenen ist etwas abhanden gekommen. Eine sehr wertvolle Investition und ich habe Gemurmel und Gerüchte gehört, dass sich wieder mal Gesindel in dieser Gegend umtreibt...«, sagte er verdächtig ruhig, bevor er Nojikos Kinn packte und ihren flackernden Blick unsanft zu sich zwang. Grobe Finger gruben sich in ihre Wange. »Zwing' mich bitte nicht dazu, unfreundlich werden zu müssen... also, wo ist das Vieh?«, bellte er sie barsch an. »Ich hab' keine Ahnung, wovon du redest...«, presste Nojiko heraus und umklammerte den schweren Schraubenschlüssel in der Hand wie eine Rettungsleine. Ihre mechanischen Gelenke zuckten, als müsste sie an sich halten, das Werkzeug nicht als Waffe zu verwenden. »Ach, wirklich nicht? Nun...«, Arlongs listige Augen glitten fast mitleidig zu der provisorischen Waffe in Nojikos Hand, dann lächelte er gefährlich schmal, »... wenn du dich bereit erklären möchtest, ein bisschen nett zu mir und meinen Kollegen zu sein... dann könnte ich ja vielleicht davon absehen, deinen ganzen, kleinen Scheißladen hier heute auffliegen zu lassen und dich und deine Schwester in das dreckige Loch zu stecken, wo ihr hingehört... na, was sagst du?« Arlong neigte sich noch näher zu der angststarren Nojiko herab. Seine Zunge befeuchtete gierig seine Lippen und der Ausdruck in seinen Augen wurde gnadenlos. »Nimm' deine dreckigen Flossen von meiner Schwester!«, brüllte Nami. »Nami... nicht!«, rief Nojiko, doch ihre Warnung ging in Donnergrollen unter. Die junge Frau mit den kupferroten Haaren explodierte förmlich. Eben stand sie noch neben Marco... und plötzlich raste sie mit der Geschwindigkeit eines knisternden Blitzes die Treppe hinunter in die Werkstatt. Sie krachte förmlich in zwei der Polizisten, riss diese in einem Blitzhagel von den Füßen, sodass die Wucht ihrer ungesteuerten Attacke die Männer gegen das erbebende Rolltor schleuderte. Die junge Frau hatte ihre Kräfte nicht gänzlich unter Kontrolle, Blitze schlugen unkontrolliert um sie herum in die Technik der Werkstatt ein und wanderten zuckend über die metallischen Karosserien, verursachten einen Kurzschluss in einer Autobatterie und ließen einige der Neonröhren an der Decke funkensprühend zerplatzen. »Ach, sieh an, da ist sie ja...«, Arlong pflügte Nami wie einen ungehorsamen Hund aus der Luft, als diese auf ihn zusprang und packte sie, um sie folglich auf die Motorhaube des nächsten Wagens zu werfen, wo sie keuchend abprallte und sofort aus Arlongs Reichweite zu kriechen versuchte. »Widerstand gegen die Staatsgewalt, das wird euch aber teuer zu stehen kommen...«, tadelte er genüsslich und stieß Nojiko mit einer Wucht einfach beiseite, die schier übermenschlich schien, als die ihrer Schwester zu Hilfe eilen wollte und mit dem Schraubenschlüssel zu einem Schlag gegen Arlongs Schläfe ausgeholt hatte. Nojiko krachte ungebremst in ein Werkzeugregal, wo sie benommen liegen blieb, während Arlong Nami von der Motorhaube schnappte und an der Kehle hochhob, als würde die Frau nicht mehr als eine Feder wiegen. Sein Arm überzog sich mit einer Art knöcherner Rüstung, an der Namis Blitze wirkungslos abprallen, die die junge Frau in Verzweiflung aus ihren Händen beschwor. Sie krallte die Nägel in Arlongs riesige Hand und strampelte mit den Füßen in der Luft, doch vergeblich. Der Kampfeswille in ihren funkensprühenden Augen war jedoch ungebrochen und sie spuckte Arlong angewidert ins Gesicht. »Lass' die Frau los«, verlangte Marco, als er jetzt langsam die Treppe zur Werkstatt herunter stieg, seine beiden silbernen Sig Sauer gezogen, mit denen er gleichzeitig auf Arlong und den ihm am nächsten Polizisten zielte. Als der Ordnungshüter etwas zu motiviert seine Waffe hob und zum Schuss ansetzte, feuerte Marco eine gezielte Kugel ab, die dem Mann den Daumen zerfetzte und das Gewehr aus der Hand riss. Der Mann ging fluchend in die Knie und presste die blutende Wunde an seine Brust. Die Brillengläser seiner Schläfenimplantate schnappten über Marcos Augen zusammen und schärften seinen Blick, als er die letzte Stufe herabstieg und den Anführer der Einheit mit finsterem Blick fixierte. Er näherte sich dem Mann sehr bedacht, denn offensichtlich war auch er ein MAG - wie es aussah ein Osteomant, der seinen Körper mit Knochenplatten verstärken konnte. Gewalt gegen Frauen und das von einem Polizist, der seine Stellung schamlos ausnutzte, um einfache Bürger zu terrorisieren... wenn das nicht ausgereicht hätte, um Marco richtig anzupissen, dann gewiss das selbstgefällige Grinsen auf Arlongs schmalen Lippen, als der sich jetzt bewusst drehte, um Nami wie einen Schutzschild vor sich zu halten und die Nase gierig in dem Haar der jungen Frau vergrub, die er an sich drückte. »Sag bloss, ihr könnt euch jetzt etwa einen Leibwächter leisten, Nami? Ich war wohl doch immer ein bisschen zu nett zu euch. Kommt schon... ist das wirklich euer Ernst? Was soll dieser Schnösel gegen mich ausrichten?«, grollte Arlong mehr amüsiert, als wirklich beunruhigt. »Ich sag' es ein letztes Mal... lass' die Frau los und dann verzieh' sich mit deinen Männern. Das wäre besser für dich«, sagte Marco mit tödlicher Ruhe und schob sich weiter langsam auf den Hünen zu. Das aufschwappende Adrenalin schärfte seine Sinne, er war sich der Gewehrläufe glasklar bewusst, die sich jetzt alle auf ihn richteten und das HUD seiner Brillengläser erfasste bereits jeden einzelnen Mann in seinem Zielvisier. Arlong gab seinen Männern einen lapidaren Wink mit der Hand. »Räumt ihn aus dem Weg, er ist lästig...«, befahl er gelangweilt. Namis brauen Augen weiteten sich besorgt und sie schüttelte den Kopf, schien Marco so bedeuten zu wollen, dass er lieber verschwinden sollte. Aber Marco dachte gar nicht daran, einfach das Weite zu suchen... sein Vater würde ihm vermutlich selbst jetzt noch die Ohren langziehen, wenn er jemanden in Not im Stich ließ. Er wich dem ersten Schuss mit einem gleitenden Schritt zur Seite aus, schnappte sich den am nächsten stehenden Polizisten und wirbelte ihn herum, um hinter ihn in Deckung zu gehen. Hinter dessen Rücken hervor schaltete er mit gezielten Schüssen die nächsten beiden Männer aus, die auf sie zu kamen, bevor er den Ordnungshüter im Arm mit einer Kugel in die Nieren außer Gefecht setzte. Der Polizist ging zu Boden, Marco mit ihm - er duckte sich hinter den zusammensackenden Körper, feuerte eine Kugel in den heranstürmenden Polizisten von rechts, wirbelte auf der Hacke herum und schoss dem nächsten Mann seitlich ins Knie, einer der wenigen Schwachpunkt des Vollschutzes. Haltlos stürzte dieser zu Boden und sein Gewehr schlitterte über den Beton, um dann vor einer Lagerkiste liegen zu bleiben. Ein weiterer Gesetzeshüter näherte sich Marco von hinten, er stand fliegend wieder auf, drehte sich herum und wehrte den Gewehrlauf mit einem Arm ab, während er die andere Sig Sauer dem Mann in die Seite setzte und abdrückte. Die Kugel drang genau unter der ungeschützten Achsel ein und zerfetzte dem Mann die Lunge. Blutspuckend taumelte er zur Seite und rutschte an der nächsten Wand zu Boden. Wieder tauchte Marco unter einem Gewehrlauf hinweg, entging einer fahrig geführten Messerattacke, bevor er zwei weitere Männer mit jeweils einem Schuss in die ungeschützte Stelle zwischen Hals und Helm zu Boden schickte. Marco dachte gar nicht wirklich nach, er reagierte instinktiv und innerhalb von Sekunden hatte er sich eine Schneise durch die Männer gebahnt und fast die Hälfte von Arlongs Truppe kampfunfähig gemacht. Arlongs Gesicht hatte sich merklich verdüstert, er ließ von Nami ab, pflügte nun selbst in vollem Sprint zu Marco hinüber und verpasste diesem einen Schlag mit der knochenverstärkten Faust in die ungeschützte Seite, die der Blonde eine Sekunde zu spät kommen sah, da er gerade den Angriff eines anderen Polizisten abwehrte. Mit einem Ächzen krachte Marco gegen die Front einer alten Limousine und der harte Aufprall trieb ihm die Luft aus den Lungen. Eine seiner Waffen flog ihm aus der Hand. Blitzendes Licht flirrte ein paar Sekunden vor seinen Augen und möglicherweise war eine Rippe angebrochen, denn ein ziehendes Stechen fuhr durch seine rechte Seite, wo ihn der ungebremste Schlag getroffen hatte. Trotzdem hob Marco verbissen den linken Arm und feuerte das ganze restliche Magazin seiner Sig auf Arlong, jede Kugel eigentlich ein Volltreffer, doch der Hüne überzog seinen ganzen Körper mit einer knöchernen, harten Rüstung, an der alles wirkungslos abprallte. Arlong schmetterte Marco die Waffe mit einem wilden Lächeln und einem Tritt aus der Hand und unvermittelt sah sich der Konzerner einer ganzen Menge Gewehrläufen gegenüber, die jetzt alle auf seine Brust zielten. »Arlong... hör' auf«, flehte Genzo, der inzwischen mit der Operation fertig schien und nun fast panisch die Treppe zur Werkstatt herab kam. Mit einem Blick erfasste er die Situation und eilte zu Nami und Nojiko hinüber, die sich bleich und überfordert hinter ein Auto gekauert hatten. »Das reicht doch jetzt wirklich... lass' gut sein, bitte! Wir bezahlen dir, was du willst!« »Aufhören?! Ich fang' doch gerade erst an«, erwiderte der Anführer der Truppe mit einem verzerrten Grinsen und einem wahnsinnigen Licht in den dunklen Augen. »Oh, ihr werdet mir alles geben, was ich will... das ist mal sicher«, prophezeite er mit einem gierigen Blick zu Nami und Nojiko, bevor er sich wieder Marco zuwandte, über dessen Körper die roten Zielsuchlaser bedrohlich schwebten. »Du hättest dich hier nicht einmischen sollen...«, knurrte Arlong, hob die Hand und erteilte seinen Männern damit den Befehl zum Abschuss. Die Abzüge wurden betätigt, Mündungsfeuer blitzte auf und die Kugeln schossen auf Marco zu... nur um dann unweit vor dessen Brust zitternd in der Luft stehen zu bleiben. Marco riss den Kopf herum und eine Welle aus Erleichterung und Überraschung überrollte ihn, als er den Grund für dieses unerwartete Wunder erblickte. »Die Staatsgewalt, die ihre Macht nutzt, um Frauen und alte Männer zu terrorisieren... wie armselig. Eine Schande«, schnitt Laws dunkle Stimme wie eine eisige Klinge durch die Werkstatt. Alle Köpfe wandten sich ihm zu, Arlong und seine Männer wirkten überrumpelt und verwirrt. Der junge Mann stand auf der Empore wie ein unheilbringendes Omen, seine Augen glühten in goldenem Feuer, als er sein Katana mit der rechten Hand zog und die Linke gleichzeitig in die Luft riss. Laws Macht überrollte die Werkstatt wie eine ungebremste Flutwelle und Marco traute seinen Augen kaum, als die ganze Truppe der Polizisten einschließlich Arlong in die Höhe geschleudert wurde, als wären die Regeln der Schwerkraft gar nicht existent. Hilflos wie kleine Kinder im Wasser glitten die schwer gerüsteten Polizisten durch die Luft, drehten sich unkontrolliert um sich selbst und versuchten irgendwo Halt zu finden... bevor Law die Hand mit einem Ruck wieder senkte und die Körper schonungslos zu Boden krachten. Geschmeidig sprang Law über das Geländer in die Werkstatt hinab, seine Kräfte schienen seinen Sturz zu bremsen, sodass er mit katzengleicher Anmut auf dem Hallenboden aufkam. Er ließ den benommenen Männern gar keine Zeit, sich erst wieder zu organisieren. Seine goldenen Augen - Leuchtfeuer in der düsteren Werkstatt - brannten, während er sich mit seinem Katana einen Pfad durch die sich mühsam wieder aufrappelnden Männer bahnte. Seine nun bläulich schimmernde Klinge glitt durch die Schutzausrüstung der Ordnungshüter, als wäre es kaum mehr als Butter, während seinen Bewegungen eine Ästhetik innewohnte, die einem tödlichen Tanz glich. Marco hatte sich inzwischen ebenfalls an dem Wagen wieder in die Höhe gezogen und seine Waffen aufgelesen, die er rasch nachlud. Schuss um Schuss drängte er den überrumpelten Arlong jetzt in eine Ecke der Werkstatt, über dessen Stirn ein rotes Rinnsal an Blut in sein rechtes Auge lief. Er musste sich bei dem Sturz eben den Kopf irgendwo angeschlagen haben. Arlong wehrte zwar jede von Marcos Kugeln mit den knochenverstärkten Unterarmen ab, doch seine Kräfte schwanden zusehend. Er versuchte einen letzten Verstoß, stürmte auf Marco zu und wollte ihn mit der reinen Wucht seines massigen Körpers von den Füßen reißen, doch der Blonde glitt im letzten Augenblick zur Seite, ließ seine Waffen fallen und griff nach einer der herabhängenden Ketten, mit denen normalerweise schwere Motorblöcke in die Höhe gewuchtet werden konnten. Marco schlang die Kette um Arlongs Hals und riss den riesenhaften Polizisten daran zurück. Der Kerl wehrte sich vehement und donnerte Marco einen knochenharten Ellenbogen in die eh schon angegriffenen Rippen, was ihm fast das Bewusstsein raubte, doch er stemmte die Füße entgegen des tobenden Hünen auf den Boden und zog mit aller Anstrengung an der sich straffenden Kette. Die restlichen Metallketten, die von der Decke baumelten, entwickelten plötzlich ein unheimliches Eigenleben und schlängelten sich zusätzlich um die Gliedmaßen von Arlong, um den Polizisten zu fesseln und bewegungslos in die Höhe zu verfrachten. Der große Kerl knurrte heiser und wandte sich mit zornfunkelnden Augen in den Kettengliedern, als Law mit ausgestreckter Hand gemächlich auf ihn zulief. Hinter ihm lagen die restlichen Männer von Arlongs Team geschlagen und besiegt auf dem Boden. »Missgeburt! Was bist du?«, zischte Arlong Law atemlos entgegen und die Augen des jungen Mannes verfinsterten sich flüchtig. Seine Mundwinkel zogen sich bitter nach unten, eine winzige Regung, doch Marco bemerkte sie durchaus. Arlong tobte mit hochrotem Kopf weiter und sein Blick richtete sich mit beängstigender Rage nun auf Nojiko und Nami, die langsam näher kamen. Bei jedem seiner wutschnaubenden, hektischen Worte löste sich Speichel von seinen Lippen. Wahrscheinlich war er lang nicht mehr so in Bedrängnis geraten. »Das werdet ihr büßen, ihr Maden! Denkt ihr wirklich, das könnt ihr ungestraft mit mir machen?! Ich habe mächtige Freunde, ich werde euch vernichten, ich werde...-« »Das wird jetzt langsam langweilig«, unterbrach Law ihn emotionslos und nickte Nami auffordernd zu. Die junge Frau hielt sich den geprellten Arm, doch sie lief entschlossen zu dem gefesselten Hünen hinüber, der die Zähne bleckte. In seinen tiefdunklen Augen flirrte jetzt nackte Panik. Sie beschwor einen knisternden, funkensprühenden Kugelblitz in der Hand, welchen sie mit grimmiger Genugtuung auf die Ketten schleuderte und diese damit unter Strom setzte. Arlong bäumte sich zuckend und stöhnend auf, seine massige Gestalt verspannte sich schmerzhaft und Rauch stieg aus seiner Nase und seinem Mund, bevor er ohnmächtig in sich zusammen sackte. Das Gold aus Laws Augen zog sich zurück und die Ketten lösten sich, sodass der nun bewusstlose Polizist dumpf auf dem Boden aufschlug und dort dampfend liegen blieb. »Der ist jetzt euer Problem...«, raunte Law zu Nojiko, die näher trat und Arlong die Fußspitze in die Seite drückte. Doch der Kerl rührte sich vorerst nicht mehr. Angewidert spuckte sie neben ihm aus. Law senkte das Katana in seiner Hand und Marco bemerkte, dass der junge Mann kurz schwankte, bevor er sich an die angestrengt gefurchte Stirn griff und scheinbar für den Moment wieder fing. Dann schob er das Schwert in die Halterung auf seinem Rücken, was er unüblich erst beim zweiten Versuch schaffte. Marco rieb sich die Rippen, die Arlong mit seinem Schlag erwischt hatte, dann las er seine Waffen vom Boden auf und schob die beiden Sig Sauer wieder in das Holster unter seiner Jacke. »Habt Dank für eure Hilfe... für alles«, sagte Genzo ehrlich, der erschöpft an ihre Seite hinkte und Law flüchtig eine Hand auf die Schulter legte. »Ohne euch wäre das heute vermutlich böse für uns ausgegangen.« Der junge Mann nickte nur schlicht. Genzos düsterer Blick fiel auf den bewusstlosen Arlong und die beiden jungen Frauen, die zwar mitgenommen und erschüttert wirkten, doch sonst schien ihnen glücklicherweise nichts zu fehlen. »Es wird Zeit, dass wir gehen...«, bestimmte Law. Er drehte sich einfach auf dem Absatz herum und duckte sich unter dem Rolltor der Werkstatt hinweg, um nach draußen zu gelangen. Sein Schatten fiel lang in die Werkstatt, da die Scheinwerfer der Polizeiwagen draußen noch immer auf die Lagerhalle gerichtet waren. Marco sah ihm nachdenklich nach, dann überblickte er das entstandene Chaos mit einem Seufzen und rieb sich ein wenig unschlüssig den Nacken. Eigentlich wollte er gerade nichts mehr, als sich davon überzeugen, dass es Law gut ging, doch... er kam sich schlecht dabei vor, den alten Mann und die beiden Frauen einfach so allein zu lassen, immerhin lagen ihr einige tote und verletzte Polizisten. »Seid ihr sicher, dass ihr klar kommt...?«, fragte er, doch Genzo winkte großmütig ab. »Ihr habt mehr für uns getan, als ihr hättet je tun müssen. Arlong wird sich in Zukunft vermutlich zweimal überlegen, ob er uns behelligt. Er hat am eigenen Leib erfahren, dass wir uns wehren können und dass auch wir Freunde haben. Geht ruhig, wir räumen hier auf... ich werde Kuleha ausrichten, dass ihr euren Auftrag mehr als zufriedenstellend erledigt habt. Diese alte Füchsin...«, murmelte Genzo mit einem amüsierten Lächeln. Tja, also doch nicht nur ein einfacher Botendienst, erkannte Marco. Kuleha hatte sie testen wollen. Er stellte sich gar nicht erst die Frage, woher die alte Frau gewusst hatte, dass Arlong gerade heute hier auftauchen würde. Marco folgte Law nach draußen und hob die Hand gegen die blendenden Scheinwerfer. Er konnte den jungen Mann nicht gleich ausmachen, fand ihn dann aber an eines der verwaisten Polizeiautos gelehnt. Sein Gesicht hatte wieder eine geisterhafte Blässe angenommen, unter seinen Augen lagen erneut tiefe Schatten und Marco bemerkte das Zittern von Laws tätowierten Fingern durchaus, als der sich bei den näherkommenden Schritten aufrichtete und seine Jacke zuzog, als würde ihm frösteln. »Geht es dir gut?«, fragte Marco und bemühte sich um eine neutrale Stimmlage. Er konnte sich die Frage einfach nicht verbeißen, obwohl er natürlich ahnte, dass Law ihm kaum die Wahrheit sagen würde. Jedes Mal, wenn der seine telekinetischen Kräfte einsetzte, schien ihm das körperlich sehr zuzusetzen. Wenn Marco nur wüsste, woran das lag, könnte er ihm vielleicht helfen... »Sicher...«, antwortete der junge Mann abweisend, löste sich von dem Polizeiauto und lief die Auffahrt hinunter. Marco folgte ihm schweigsam zurück zu seinem Auto, obwohl sich wieder einmal tausend Fragen in seinem Kopf drängten. Auch die Fahrt über zurück in die Stadt blieb Law still, er hatte sich erschöpft in den Sitz zurückgelehnt und die Augen geschlossen und Marco hasste dieses Gefühl von Hilflosigkeit, das ihn beschlich, wenn er den offensichtlich leidenden jungen Mann neben sich ansah. Law indes verfluchte sich innerlich selbst für seine akute Dummheit. Er wusste es doch, dass es ihm nichts als Ärger und Schmerzen brachte, wenn er seine Kräfte einsetzte und trotzdem hatte er es wieder getan.. weil Marco in Gefahr gewesen war. Weil er für einen verschwindend kleinen Moment vorhin ehrliche Furcht wegen einem anderen Menschen als seiner Schwester empfunden hatte. Und das nicht etwa nur, weil er gefürchtet hätte, dass Lamys einzige Hoffnung mit Marcos Tod damit vielleicht verloren wäre, nein, er hatte Angst um den Konzerner selbst gehabt - die eisige Furcht hatte in dem Moment übermächtig nach ihm gegriffen, als die Männer das Feuer auf Marco eröffnet hatten und seine Macht war unkontrolliert aus ihm herausgebrochen. Das ist doch lächerlich... und dumm... und absolut irrational. »Wie geht es dir? Du hast vorhin auch so einiges einstecken müssen...«, entschlüpfte es Law. Die Stille zwischen ihnen war irgendwie bedrückend gewesen, doch er fragte das nicht nur aus reiner Höflichkeit, wie er eben erkannte, sondern weil er es wirklich wissen wollte und durchaus bemerkt hatte, dass sich Marcos Haltung verändert hatte. Er saß recht steif hinter dem Steuer des Caliburn, als wollte er seine rechte Seite entlasten. Law hatte schon mitbekommen, dass Marco überraschend zäh war und sich Schmerzen kaum anmerken ließ, doch er hatte vorhin ein paar heftige Treffer einstecken müssen. Law war ehrlich beeindruckt vom dem Kampfgeschick des Blonden und fragte sich insgeheim, welche Ausbildung er wohl durchlaufen hatte, um sich so bewegen und so schießen zu können... zum Standardrepertoire eines Firmenleiters gehörte das wohl sicher nicht. Marco war fast verwundert, dass Law das Wort tatsächlich von sich aus an ihn richtete, denn damit gerechnet hatte er nicht mehr wirklich. Aber es freute ihn irgendwie. Er hob eine Schulter leicht an. »Naja, ich hab' mich ehrlich schon besser gefühlt... vermutlich habe ich mir ein paar Rippen geprellt, der Kerl hatte einen ziemlichen Schlag drauf, aber sonst ist noch alles dran«, meinte er mit gehobenem Mundwinkel. »Hast du Hunger? Ich kenne einen guten Ramen-ya in Downtown, wir könnten noch etwas essen gehen... bis sich Kuleha meldet, dauert es sicher eh noch etwas«, schlug Law dann verhalten vor, nachdem er Marco prüfend gemustert hatte und entschied, dass der wohl die Wahrheit sagte und nicht zwingend sofort ärztliche Behandlung benötigte. Er hatte tatsächlich nichts dagegen, noch ein wenig Zeit mit Marco zu verbringen und... er hatte ehrlich Hunger. Die Digitalanzeige des Wagens teilte ihm mit, dass es inzwischen schon Mitternacht war und er hatte das Letzte gegessen, als Marco ihn zum Frühstück eingeladen hatte. Eine ordentliche Mahlzeit würde dem eh drohenden Migräneanfall vielleicht etwas entgegen wirken. »Falls du noch Zeit hast...«, fügte er an, immerhin konnte der Konzerner sicher wichtigere Dinge zu tun haben... oder gar keine Lust. Marco spürte jetzt selbst, dass seine letzte Mahlzeit einige Stunden her war und durch das nachlassende Adrenalin meldete sich tatsächlich der Hunger. Laws Vorschlag war also ziemlich willkommen. »Klar, gerne«, stimmte er daher mit einem kleinen Lächeln zu. »Sag' mir einfach, wo ich hin muss.« Law beschrieb Marco den Weg zu seinem Lieblingsrestaurant in Downtown, das etwas außerhalb von Akihabara lag und weit genug von Doflamingos Territorium entfernt, dass sich Law ab und an hierher zurückziehen konnte, um seine Ruhe zu haben. Er kannte den Besitzer schon eine Weile, da er ihm durch Zufall mal mit einer Bande halbstarker Rowdys geholfen hatte und seitdem war Law in dem Laden immer gern gesehen, der in einer ruhigen Seitengasse abseits der Hautverkehrsstraßen lag. Und auch jetzt, als er den traditionellen Noren anhob und mit einer leichten Verbeugung das kleine, urige Restaurant betrat, blickte der ältere Herr hinter dem Tresen von seiner Arbeit auf und sein faltiges Gesicht erhellte sich sofort. »Law-kun!«, begrüßte er ihn mit einem strahlenden Lächeln und klatschte auffordernd in die Hände. Sofort rollte die mechanische Küchenhilfe heran und selbst der Roboter zeigte auf der kreisrunden Anzeige seines Kopfes einen herzlichen Smiley. »Schenk' zwei Becher warmen Sake ein, Tori«, sagte der alte Mann bestimmt und der Roboter brauste mit einem fröhlichen »Aye, Aye« davon. Die kleine Ramenküche war ein echter Geheimtip - Law hatte selten so ausgezeichnete Ramen gegessen, wie hier - und zu den Stoßzeiten meist ziemlich gut besucht, dass man oft kaum einen Platz bekam. Nun jedoch saß nur ein weiterer Gast an dem Tresen über seinem Essen und beachtete die Neuankömmlinge gar nicht. Das Licht war angenehm gedämpft, ein Windspiel klimperte leise am Eingang und aus der Küche wehte ein köstlich würziger Duft heran. Marco betrat hinter Law den Laden, der zum Glück um die Uhrzeit ziemlich leer war, denn durch den großen Konzerner wirkte die kleine Kneipe gleich noch winziger. »Er gehört zu mir«, erklärte Law beruhigend, da der Wirt fast sofort ein bisschen eingeschüchtert wirkte. Der alte Mann bekam große, staunende Augen, verständlich, denn Law war viele Jahre stets allein gekommen. »Tori, bring' noch eine Schale Sake!«, rief er nach hinten und Marco verkniff sich den Einspruch, dass es nicht nötig wäre, da er eh keinen Alkohol mochte. Aber er wollte nicht unhöflich sein. »Setzt euch, setzt euch!«, lächelte der Ladenbesitzer und wies seinen beiden Gästen einladend zwei Plätze an der Theke, die er flink mit einem Lappen nochmals abwischte. Dann legte er ihnen die O-shibori bereit und schob ihnen die Speisekarte mit einer Verbeugung entgegen. »Kannst du etwas empfehlen?«, neigte sich Marco leicht zu Law hinüber und wackelte etwas ratlos mit der Karte. Er mochte das japanische Essen zwar, hielt sich aber tatsächlich meist privat doch eher an westliche Mahlzeiten. Bei traditionellem Ramen kannte er sich so gut wie gar nicht aus und da Law den Laden gut zu kennen schien, wollte er sich auf dessen Rat verlassen. Law nickte, bestellte beim Koch zweimal Shio-Ramen und es dauerte kaum fünf Minuten, bis die dampfenden Schüsseln mit dem wirklich köstlich aussehendem Nudelgericht vor ihnen standen. Der heiter summende Roboter brachte ihnen ein Tablett mit dem warmen Sake und reichte ihnen diesen bei, bevor er wieder in die Küche rauschte. Sie säuberten sich die Hände, Law legte sogar seine Mütze ab und anschließend nahm Marco mit eher gemischten Gefühlen und einem tiefen Seufzen die Stäbchen auf. Es war keine Lüge gewesen, als er Law früher am Abend von seiner Feindschaft mit diesen Dingern erzählt hatte... Trotzdem musste er zugeben, dass Law recht hatte - die Nudelsuppe war köstlich. Da konnte nicht einmal dieses überteuerte Luxusrestaurant mithalten, in dem er mit Boa Hancock essen gewesen war. Nach ein paar Bissen wagte Marco einen Vorstoß. »Du schienst vorhin nicht zum ersten Mal in einem Operationssaal zu stehen... zumindest hast du dich ziemlich schnell problemlos zurechtgefunden«, ließ er beiläufig fallen und Law damit sämtliche Optionen offen, wie er darauf reagieren wollte. Der stockte kurz in der Bewegung, schob sich dann noch ein paar Nudeln in den Mund und kaute ausgiebig, als bräuchte er etwas Bedenkzeit, bevor er tatsächlich antwortete: »Mein Vater war Arzt. Er hat mich schon frühzeitig an sein Handwerk herangeführt. Wenn es nach ihm gegangen wäre... hätte ich in seine Fußstapfen treten und Arzt werden sollen.« Marco zog die Brauen ergründend zusammen. »Aber das bist du nicht... warum?« Es war eine kühne Frage, das wusste er, aber er wollte die Gelegenheit auch nicht verstreichen lassen, doch mehr über den jungen Mann zu erfahren. Es dauerte eine Weile, bis Law wieder etwas sagte - einige Sekunden, in denen seine Essstäbchen reglos über der Schüssel schwebten und er einen unbestimmten Punkt in der Ferne fixierte. Seine Augen wirkten mit einem Mal sehr leer, er selbst eigenartig verloren. »Weil er mich irgendwann nicht mehr anleiten konnte. Weil er viel zu früh gestorben ist... und mit ihm mein Glaube an die Menschen und das Gute in der Welt«, war Laws erschreckend emotionslose Antwort. Marco holte tief Luft. »Das tut mir leid... ich hätte das vermutlich nicht fragen sollen, entschuldige...« Law schüttelte den Kopf und schien aus seinen Erinnerungen wieder aufzutauchen. »Nein, schon gut...«, gewährte er. »Es ist lang her.« Tatsächlich war es für ihn ein Stück weit befreiend, dass er es einfach einmal hatte aussprechen können. Auch mit Lamy sprach er - aus gutem Grund - nicht oft über die Vergangenheit. Aber Marcos Anteilnahme fühlte sich echt an. Sie widmeten sich still wieder ihrem Essen, wobei sich Marco mehrmals ein frustriertes Fluchen verkneifen musste, weil ihm ein ums andere mal die Nudeln von den Stäbchen glitten. Es war ihm irgendwie unangenehm, dass er etwas so scheinbar einfaches nicht auf die Reihe bekam... Das musste auch Law bemerkt haben, denn er beobachtete ihn mit einem winzigen Schmunzeln aus dem Augenwinkel, bevor er seine eigenen Stäbchen beiseite legte. »Du hältst sie nicht richtig... warte, ich zeig' es dir«, bot er entgegenkommend an. Marco ließ die Hände recht resigniert sinken und meinte wegwerfend: »Ach, das haben schon viele versucht, ich glaube, das ist etwas, was ich wohl nie begreife...« »So schwer ist das gar nicht....« Law rutschte ein wenig näher, wandte sich dem Konzerner zu und griff nach Marcos rechter Hand, um ihm die Stäbchen korrekt in die Finger zu legen. »Siehst du? Du bewegst eigentlich nur das obere Stäbchen, das untere liegt immer fest in der Hand«, leitete er ihn an, während er die eigene Hand nun über Marcos legte, um ihm die typische Zangenbewegung zu demonstrieren. Laws schlanke Finger waren überraschend warm und der unerwartete Hautkontakt schickte ein angenehmes Prickeln durch Marcos Arm. Er verspürte eine seltsame Nervosität, die seinen Herzschlag ein wenig befeuerte. Diese Berührung fühlte sich eigenartig intim an, obwohl sie eigentlich alles andere als allein waren. Wie von selbst rutschte sein Augenmerk von ihren Händen zu Laws Gesicht, das seinem eigenen plötzlich so unerwartet nah war. Fasziniert betrachtete er Laws schmale Lippen beim Sprechen und diese unglaublich fesselnden, stahlgrauen Augen, die sich jetzt zu ihm anhoben und ihn ansahen - zurückhaltend, ein bisschen unsicher... aber keinesfalls so kalt und distanziert, wie Marco es fast schon gewohnt war. Da flimmerte eine Spur dieser versteckten Sanftheit, die sonst fast nur für Laws Schwester reserviert schien. Er ist wirklich ein ungewöhnlich attraktiver Mann, musste Marco Thatch im Stillen einfach recht geben. Law selbst bemerkte ein bisschen verspätet, dass er ziemlich nah bei Marco saß und sich ihre Beine fast berührten... und dass er leichtfertig und ohne viel zu überlegen nach der großen Hand des Konzerners gegriffen hatte. Er hielt sich sonst stets bewusst von anderen Menschen fern und schon gar nicht suchte er nach Körperkontakt mit Fremden, warum also... schien er die Nähe von Marco Phoenix zu suchen?! Der Kerl hatte irgendetwas an sich - neben seinem unglaublich angenehmen Körpergeruch, der Law schon wieder in die Nase stieg - was ihn anzog. Er sah in diese außergewöhnlich blauen Augen, die ihm ein eigenartiges Flattern in der Magengegend bescherten und rückte sofort wieder von Marco ab. Law räusperte sich ein bisschen befangen. »Versuch' es...«, raunte er mit belegter Stimme und einem kleinen Nicken auf die nun korrekt liegenden Essstäbchen zwischen den Fingern des Konzerners. Marco musste sich förmlich zwingen, sich wieder auf sein Essen zu konzentrieren, aber tatsächlich... durch Laws Anweisung kam er mit einem Mal wirklich fast problemlos mit den Stäbchen zurecht. »Danke... ich dachte nicht, dass ich das mal wirklich noch lerne«, wandte er sich mit einem Lächeln an Law, der dieses sogar durch ein winziges Heben der eigenen Mundwinkel erwiderte. Der Noren hob sich erneut, das Windspiel klingelte aufgeregt und sieben Männer drängten in das kleine Restaurant, die Law eher nur aus dem Augenwinkel wahrnahm. Allerdings änderte sich das schlagartig, als er eine nur allzu bekannte Stimme hörte, die mit eiskalter Abscheu sagte: »Also ist es wahr, was der Wind mir zutrug... du bist tatsächlich hier, Trafalgar Law.« Law erstarrte in der Bewegung und schloss die Augen in einem kläglichen Versuch von Beherrschung, bevor er die Stäbchen säuberlich neben seiner Schale ablegte und langsam aufstand. Das Schicksal meinte es heute offenbar nicht gut mit ihm. Marco neben ihm hielt ebenso inne und musterte die Neuankömmlinge abschätzend und mit irritiertem Gesichtsausdruck. Die Männer waren japanischer Herkunft, auffällig tätowiert und allesamt bewaffnet. Der offensichtliche Anführer, ein jüngerer Mann mit androgynen Gesichtszügen und einem schwarzen Katana in der Hand, fixierte Law mit brennendem Hass in den dunklen Augen. Über seine rechte Gesichtshälfte zog sich eine wulstige Narbe, die seinen Mundwinkel höhnisch anhob. Der einzige Gast neben Marco und Law nahm nun schweigsam die Beine in die Hand und türmte. Laws Kopfschmerzen meldeten sich mit doppelter Härte und das Hämmern hinter seinen Schläfen war nicht einfach nur unangenehm, sondern inzwischen schlichtweg tödlich. Eine Auseinandersetzung in seinem jetzigen Zustand konnte er sich kaum leisten. Schwarze Schlieren tanzten am Rande seines Sichtfeldes. »Riku Shin...«, raunte Law angestrengt und wandte sich dem Mann zu, der nur ein paar Jahre jünger als er selbst war. Er kannte dieses Gesicht, diese Narbe... denn es war seine Klinge gewesen, die dafür verantwortlich war. »Ich bin überrascht, dass du meinen Namen überhaupt noch kennst, Oni...«, spie der junge, dunkelhaarige Mann voller Abscheu aus, der ihn mit einem Blick voll zorniger Kälte fixierte. Law konnte es ihm nicht einmal verdenken, denn Riku Shin hatte allen Grund, ihn zu hassen. »Am Grab meines Großvaters habe ich es geschworen, ich habe ihm versichert, dass ich dich und deinen Herrn vom Antlitz dieser Welt wischen werde«, erklärte er mit felsenfester Entschlossenheit. Law erinnerte sich mit erschreckender Deutlichkeit an diese eine Nacht vor fast zehn Jahren... an diese Nacht, in der Doflamingo mit seiner Bande im Anwesen der stolzen Riku-Familie eingefallen war, um Riku Doldo zu töten, dessen Territorium zu übernehmen und sich seinen Platz in Tokio damit zu sichern. Es war ein beispielloses Gemetzel gewesen und es war mehr als recht, dass Riku Doldos Enkel Vergeltung forderte. Aber Law konnte sie ihm nicht gewähren, nicht heute und nicht in nächster Zeit. Nicht, bis er seine eigenen Ziele erreicht hatte... vielleicht hätte Riku Shin in einer anderen Welt sogar sein Verbündeter sein können, doch er würde Law niemals verzeihen. »Und... was willst du jetzt tun, Riku Shin. Willst du mich hier töten? Mit deiner Handvoll Männer? Du beleidigst mich...«, erwiderte Law mit einer eisigen Gelassenheit, die er nicht gänzlich empfand. Die bohrenden Kopfschmerzen raubten ihm fast jeden klaren Gedanken und wenn er seine Kräfte jetzt einsetzen würde, konnte ihn das vielleicht sein Leben kosten... »Geh. Es ist besser für dich und hier ganz gewiss nicht der richtige Ort für einen Kampf.« »Meine Herren, bitte... richtet hier kein Chaos an und klärt das draußen...«, bat der Besitzer des Ladens mit einer ehrerbietenden Verbeugung, der hinter dem Tresen stand und ein Geschirrtuch mit flehendem Blick zwischen den knochigen Händen wrang. Tori, der Küchenroboter, rollte ebenfalls heran und versuchte seinem Herrn beizustehen. Er näherte sich der kleinen Gruppe und wies ihnen höflich, aber bestimmt den Ausgang. »Mein Herr möchte, dass sie jetzt...-« Einer der Männer holte aus und stieß den Roboter mit einer rüden Bewegung einfach beiseite, der um seine eigene Achse kreiselte und dann quietschend gegen die Wand krachte. Eine Platte seines Gehäuses sprang ab und spuckte einige Drähte aus. Der Wirt zog erschrocken den Kopf zwischen die Schultern. »Du und dein abscheulicher Meister, ihr habt einen Großteil meiner Familie einfach abgeschlachtet... hast du auf ihr Flehen gehört? Bist du gegangen, als dich Oba-san um Gnade anflehte?!«, mit jedem wuttriefendem Wort kam Riku Shin näher und die Männer hinter ihm rückten ebenfalls auf. »Ich werde nie vergessen, wie du in dieser regnerischen Nacht in der Tür standest, wie die fleischgewordene Verdammnis, wie du Leben um Leben genommen hast... wie du mir alles genommen hast!« Der erste der Männer schnellte nach vorn, ein Wakizashi gezogen und zielte auf Laws Seite, der ebenfalls nach dem Katana auf seinem Rücken griff, aber wusste, dass er zu langsam sein würde... er spürte, wie seine Augen aufflammten und er blockte den Angriff mit seinem puren Willen in der Luft. Ein stechender Schmerz in seinem Kopf antwortete. Er packte den überraschten Angreifer an der Schulter und rammte ihm seine Klinge gezielt in den Unterleib - eine schmerzhafte, aber keine tödliche Wunde. Dann stieß er den blutenden Mann in die Arme seiner Kumpanen. »Geht«, zischte Law erneut. Eine letzte Warnung. Die Männer sahen Laws goldene Augen und für einen Moment ließ Aberglaube und Furcht ihre Züge entgleisen. Sie murmelten Gebete und verhaltene Flüche und packten ihre Waffen deutlich fester, als könnte sie ein bisschen Stahl vor ihm beschützen... »Goldäugiger Dämon...« »Missgeburt...« »Oni...« Der nächste Mann löste sich aus der Gruppe, offenbar wollte er seinem Anführer etwas beweisen und sprang auf Law zu, der sich für den Angriff wappnete. Doch... Marco erhob sich plötzlich und stellte sich vor Law. Er ergriff den ausgestreckten Arm des Mann mit dem Katana, zog ihn zu sich heran und packte ihn im Nacken. Darauffolgend kollidierte das Gesicht des Angreifers mit der hölzernen Theke, als Marco ihm vermutlich - dem widerlichen Knirschen nach - die Nase brach. Der Mann ging stöhnend zu Boden und drückte die Hand auf sein blutverschmiertes Gesicht, während Riku Shin Marco zum ersten Mal wirklich wahrzunehmen schien... denn der hatte sich jetzt vor ihm aufgebaut und drückte ihm den Lauf seiner Sig Sauer in die Seite. »Der Besitzer hat euch höflich gebeten, hier drinnen kein Chaos zu veranstalten... also nimm' deine Männer und verschwinde jetzt, denn die Wünsche des Hausherrn sind zu respektieren«, grollte Marco düster und entsicherte die Waffe gut hörbar. Riku Shin schluckte und presste die Lippen unzufrieden zu einer dünnen Linie zusammen. Doch widerwillig ließ er sein Schwert sinken, während er den Konzerner nicht aus den Augen ließ, der nur abzudrücken bräuchte und sein Leben wäre vorbei. Selbst Law starrte den Blonden verwundert an. So sauer und offensiv hatte er Marco noch nie erlebt... Der Anführer warf Law einen letzten, hasserfüllten Blick zu. »Wir sehen uns...«, zischte er versichernd, dann gab er seinen Männern ein Zeichen und sie verließen das Restaurant, wobei sie ihre verwundeten Kameraden mühsam mit sich schliffen. Marco starrte noch einen Augenblick wachsam auf den Noren, dann steckte er seine Waffe weg und drehte sich zu Law herum, der in diesem Moment kraftlos zurück auf seinen Stuhl sank. »Habt Dank, meine Herren...«, hörte der alte Wirt gar nicht mehr auf, sich ehrfürchtig zu verbeugen. Marco streckte ihm das Handgelenk für das Begleichen der Rechnung entgegen und überwies ihm deutlich mehr, als für das Essen allein nötig gewesen wäre. Die Augen des alten Mannes weiteten sich fast entsetzt. »Für die Unannehmlichkeiten...«, erklärte Marco und deutete auf den angeschlagenen Roboter, der noch immer funkensprühend auf dem Boden zappelte. Law griff sich seine Mütze von der Theke, dann stemmte er sich mühsam wieder auf die Beine und meinte murrend: »Eigentlich wollte ich dich diesmal einladen...« Seine Stimme schwankte bedrohlich und seine blutleeren Lippen zitterten. Die Schatten unter seinen Augen waren inzwischen besorgniserregend finster und tief. »Das kannst du gern beim nächsten Mal machen, wenn dir das so wichtig ist...«, meinte Marco mit einem recht verunglückten Schmunzeln und obwohl er schon mit Protest rechnete, schlang er Law einen Arm um die Taille und stützte ihn, als der kurz davor schien, das Gleichgewicht zu verlieren. Er sorgte sich ungewöhnlich heftig um den jungen Mann und hielt es für das Beste, ihn schnellstmöglich in den Tower zurückzubringen. Doch Law beschwerte sich nicht, sondern lehnte sich an den Konzerner. Er war eindeutig zu erschöpft für einen Widerspruch und Marco schien gerade auch der Einzige, den er in seinem Zustand irgendwie ertragen konnte. Der Blonde bugsierte ihn zu seinem Wagen zurück und wich ihm die ganze Zeit nicht einmal von der Seite. Auf der Rückfahrt blickte Marco immer wieder sorgenvoll zu dem jungen Mann hinüber, als hätte er tatsächlich Angst, dass er ihm hier unversehens wegsterben könnte. Law selbst hielt die Stille dann irgendwann nicht mehr aus und obwohl ihm der Kopf dröhnte, murmelte er: »Willst du gar nichts dazu sagen, was eben passiert ist...? Hast du gar keine Fragen?« Marco lachte angespannt. »Tausende... aber ich schätze, du wirst mir nicht mal die Hälfte davon wirklich beantworten wollen«, erwiderte er abgeklärt. Er wirkte nicht verstimmt oder beleidigt darüber, eher schien er Laws Privatsphäre und seine Zurückhaltung einfach zu akzeptieren. »Du hättest dich nicht einmischen sollen«, meinte Law mit rauer Stimme. Ich hätte es vielleicht verdient zu sterben... »Du weißt nicht wirklich, wer ich bin und was ich getan habe, ich...-« »Und du weißt nicht, was ich bereits in meinem Leben getan habe«, unterbrach Marco ihn ungewöhnlich hart und mit einem bitteren Nachhall in der Stimme. »Glaub' mir, es gibt so einiges, worauf ich selbst alles andere als stolz sein kann... ich kann und werde nicht über dich urteilen«, entschied er bestimmt, obwohl er doch gewiss gehört hatte, wie ihn die Männer genannt hatten... was Riku Shin erzählt hatte... Law drehte den Kopf leicht und musterte das markante Profil von Marcos Gesicht verwundert. Der Konzerner blickte geradeaus, doch trotzdem meinte Law einen alten, noch immer schwärenden Schmerz in seinen Augen sehen zu können. Seine Haltung war angespannt und Law dämmerte, dass sie möglicherweise mehr verband, als er sich eingestehen wollte... und das Marco Phoenix ihm vielleicht nicht gänzlich gleichgültig war. Und diese Erkenntnis machte Law Angst. Er wollte sich keinem anderen öffnen oder verbunden fühlen, er wollte nicht vertrauen, er wollte sich nicht darauf verlassen, dass da jemand war, jemand, dem er vielleicht wichtig wäre... nur, damit derjenige dann irgendwann mit Sicherheit wieder verschwinden würde... »Passiert das eigentlich immer - diese Schmerzen und diese Schwächeanfälle - wenn du deine telekinetischen Kräfte einsetzt...?«, fragte Marco dann zaghaft. Er lehnte sich an einer roten Ampel zu Law herüber, griff über dessen Schoß zum Handschuhfach und holte eine Wasserflasche heraus, die er dem jungen Mann anbot. Law zögerte kurz, dann schob er seinen Stolz allerdings beiseite und nahm die Flasche dankbar entgegen. »Ja...«, antwortete er kurz angebunden, nachdem er ein paar Schlucke getrunken hatte. Er hoffte wirklich, dass die freundliche Ärztin im Newgate-Tower die weltgrößten Kopfschmerztabletten in ihrem Vorrat hätte... sonst würde die Nacht ein Alptraum werden. »Law, das scheint alles andere als natürlich...«, sprach Marco ihn nun ungewohnt vertraulich an. Ein Umstand, der Laws Blick wie ferngesteuert zurück zu den blauen Augen zog, die ihn musterten - nicht mitleidig, nicht angewidert, sondern wirklich einfach nur besorgt. »So etwas kann auf eine mentale Blockade hindeuten. Ich könnte mir das einmal ansehen und vielleicht kann ich dir helfen...-« Law versteifte sich sofort. Allein die Vorstellung verursachte ihm Schweißausbrüche. »Nein, danke«, bellte er barscher als beabsichtigt. »Ich brauche wirklich niemanden, der in meinem Kopf herumwühlt...« Marco schnaufte. »Ich glaube, du hast eine falsche Vorstellung davon, wie das abläuft...« »Und ich glaube, dass du in deiner Welt kein Nein akzeptieren kannst«, fauchte Law eisig. Sein Kiefer verspannte sich und er griff sich mit einem Zischen an die Schläfe. Die Schmerzen raubten ihm den Verstand, ließen ihn bissig und unfair werden. Marcos Zuwendung und Sorge verwirrte ihn noch zusätzlich. »Was soll das eigentlich? Warum willst du mir unbedingt helfen? Uns verbindet doch nichts... mir jedenfalls bist du vollkommen egal.« Lüge. »Und ich sollte dir besser genauso egal sein.« Law sah Marco mit einem schneidenden Blick an, der normalerweise andere sofort in die Flucht schlug, er spießte ihn förmlich mit seinen stahlgrauen Iriden auf, hielt ihn bewusst auf Abstand... doch der Konzerner war gänzlich unbeeindruckt. Er wich nicht zurück, zuckte nicht einmal mit der Wimper. Er konnte Laws kühle, abweisende Art einfach aushalten. »Wie kommst du darauf, dass du mir egal sein könntest?«, fragte Marco ruhig. »Das bist du ganz und gar nicht. Und deshalb will ich dir helfen. Ich seh' dich ungern leiden«, offenbarte der Blonde aus heiterem Himmel und so selbstverständlich, als würden sie hier nur belanglosen Smalltalk führen. Diese gnadenlose Ehrlichkeit nahm Law schlagartig den Wind aus den Segeln... und ließ ihn zerschlagen und kraftlos zurück. Er zog sich seine Mütze tief ins Gesicht und schloss die Augen. Seine Arme verschränkte er fest vor der Brust, um das Beben zurückzudrängen, das seinen Körper überrollen wollte. Mit einem Mal war ihm unsäglich kalt. »Können wir einfach nur zurück fahren und das Thema vergessen. Was ich jetzt am dringendsten brauche, sind Kopfschmerztabletten, einen dunklen Raum und meine Ruhe...« »Wie du willst.« Die restliche Fahrt über sagte Marco wie gewünscht kein weiteres Wort... und Law musste feststellen, dass ihn das am Ende gar nicht so sehr zufrieden stellte, wie er erwartet hatte. Aber die Scham über seine unbedachten Worte ließen ihn ebenfalls schweigen und er versuchte sich zumindest einzureden, dass es so eh besser wäre... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)