Warsong von Ceydrael ================================================================================ Kapitel 6: Erste Schritte ------------------------- 07.12.2069, 19.20 Uhr, Tokio Nach ein paar wirklich nötigen Stunden Schlaf machte sich Law am Abend tatsächlich wieder auf den Weg nach Ikebukuro. Nun stand er mit seinem Motorrad - einer schwarz-gelb, getunten Yaiba Kusanagi CT-3X* - vor dem Newgate Tower, die Tasche mit seinen wenigen Habseligkeiten und dem Katana über der Schulter und starrte an dem riesigen, Ehrfurcht gebietenden Gebäude hinauf. Einen Augenblick lang war er wirklich versucht einfach wieder umzudrehen... doch dann stieg er von seiner Kusanagi und näherte sich langsam dem Wachposten vor dem Tor. Fast erwartete er schon, dass man ihn wieder wegschicken und er sich lächerlich machen würde, überhaupt anzunehmen, dass ein Konzerner wie Marco Phoenix sein Haus für ihn öffnen würde, doch... das große, schwere Tor schwang auf, als hätte man tatsächlich bereits auf ihn gewartet. Ein Wachmann nickte ihm sogar kurz grüßend zu und Law erkannte den dunkelhaarigen Scharfschützen von ihrem Rückflug wieder. Law gab sein Motorrad wirklich ungern aus der Hand, da es zu den wenigen, materiellen Dingen gehörte, an denen er tatsächlich hing, doch der Mann, der sich ihm als Izou vorstellte, versprach ihm, dass man es gut behandeln und in der zugehörigen Tiefgarage des Towers unterbringen würde. Drinnen im Gebäude beäugte ihn der riesige, stämmige Sicherheitsmann zwar ziemlich kritisch, doch er winkte Law heran, damit er sich ins Register der Zutrittsberechtigten eintragen konnte, während er seinen Identifikationschip für den Fahrstuhl entsperrte, seine Tasche durch den Sicherheitsscanner jagte und ihm nebenher grob erklärte, wo sich was im Tower befand. Dann entließ er ihn mit einem knappen Nicken, doch Law spürte Jozus Blick deutlich im Nacken, als er zu den Fahrstühlen ging und war sich auch ziemlich sicher, dass der Kerl ihn sehr genau im Auge behalten würde. Rein aus Neugier versuchte Law im Lift die Etage, die mit 'Forschung und Entwicklung' beschriftet war, anzuwählen, doch diese blieb ihm versperrt. Nun, das war zu erwarten, war er wenig überrascht. Marco Phoenix mochte freundlich sein, doch er war kein Idiot. Law beobachtete die rasch aufsteigenden Zahlen auf dem Digitaldisplay, während er sich seitlich gegen die Wand des Aufzuges lehnte und die Finger etwas fester um den ausgefransten Riemen seiner schwarzen Tatsche schloss. Darin war eigentlich das Wenigste für ihn selbst, viel eher hatte er für Lamy ein paar Sachen mitgebracht, einige ihrer Lieblingspullover und Wechselsachen, ihr Datenpad und dieses alberne Neko-Plüschtier, das er ihr einmal auf einem Flohmarkt in Downtown gekauft hatte. Seitdem wollte sie das Ding einfach nicht mehr hergeben und zog Law ständig damit auf, dass die Katze genauso mürrisch aussehen würde wie er. Eine dezente Nervosität beschlich Law nun doch und er rieb geistesabwesend einen seiner Ohrringe zwischen Daumen und Zeigefinger, während er nur noch zehn Stockwerke von seinem Ziel entfernt war - eine dumme Angewohnheit, wenn er nachdenklich oder angespannt war und als er sich derer gewahr wurde, ließ er die Hand mit einem unwilligen Murren sinken. Er konnte das Gefühl einfach nicht gänzlich abschütteln, dass er gar nicht hier in diesem Tower sein sollte und eigentlich völlig fehl am Platz war. Er fühlte sich wie ein Eindringling in dieser strahlenden, perfekten Welt, nach allem, was er bereits in seinem Leben getan hatte... noch dazu waren Konversation und Interaktion mit anderen wirklich nicht seine Stärke. Normalerweise war Lamy stets diejenige, die alle Leute bei Laune hielt und mit ihrer fröhlichen Art bezauberte und das ganz ohne ihre Kräfte, während er allein darin gut war, irgendwo grimmig in der Ecke zu stehen und fies aus der Wäsche zu gucken... zumindest würde es seine Schwester wohl so ausdrücken. Jetzt aber würde er sich wohl zwangsläufig mit jemanden unterhalten und sogar zusammenarbeiten müssen... zumindest wenn er an dem Stückchen wiederentdeckten Gewissen festhielt, das ihm sagte, er sollte seinen Argwohn abschütteln und Marco Phoenix helfen, den Informationshändler aufzusuchen, weil es das Mindeste war, was er dem anderen schuldete. Der Lift stoppte sanft und die Türen glitten beinahe lautlos auf. Der Aufenthaltsraum der Gästeetage war verwaist, der Tisch leer. Gedämpfte Abendbeleuchtung war eingeschaltet und die Außenjalousien völlig geöffnet, sodass ein fast spektakulärer Ausblick über Tokio gewährt wurde. Ungewollt zog es Law zu der Fensterfront hinüber, wo er fasziniert auf die abendliche Stadt hinab sah, deren Lichter sich wie ein unendliches Meer aus Sternen bis zum Horizont erstreckten, so weit, das man beinahe keinen Übergang mehr zwischen Stadt und Nachthimmel erahnen konnte... so einen Anblick bekam man wirklich nicht alle Tage zu Gesicht und selbst Law konnte sich der Magie dieser Aussicht nicht entziehen. »Guten Abend, Mister Trafalgar«, erklang eine Stimme plötzlich erschreckend nah hinter ihm, dabei hatte er gar keine Schritte gehört. Law wirbelte herum, im Bruchteil einer Sekunde hatte er sein Schwert gezogen und die Tasche von sich geworfen. Er reagierte einfach völlig automatisch, denn sein Körper und sein Geist waren jahrelang so auf Angriff und Selbstverteidigung gedrillt wurden, dass es ihm inzwischen in Fleisch und Blut übergegangen war, stets einen Überfall zu erwarten und darauf vorbereitet zu sein. Die Spitze seines Schwertes zielte auf das holografische, freundliche Gesicht einer jugendlichen Gestalt mit braunen Haaren, die ihn offen anlächelte und die Arme hinter dem Rücken verschränkt hatte. Eine verdammte KI, schnaufte Law aus und senkte fast unangenehm berührt die Klinge, während er sich die Nasenwurzel massierte. Seine Nerven waren offenbar wirklich ziemlich strapaziert. »Haruta, du sollst doch nicht unsere Gäste erschrecken«, schnalzte ein blonder, junger Mann mit der Zunge, der eben um die Ecke zum Flur kam, ein durchsichtiges, leuchtendes Datenpad in der Hand, auf das er fast manisch mit einem Stift eintippte. Er trug einen offenen Laborkittel, darunter ein buntes Shirt und eine lockere Hose. Auf seinem Kopf zwischen seinen leicht gelockten Haaren saß eine Laborbrille und seine linke Hand steckte in einer Art mechanischem Handschuh. Er sah auf und musterte Law aus klugen, grünen Augen, bevor er entschuldigend meinte: »Tut mir leid, die KI ist noch nicht richtig ins Gebäude integriert. Normalerweise sollte man sie hören, aber die Funktion steckt noch in den Kinderschuhen. Ich arbeite daran«, erklärte er geschäftig, während er offenbar ein paar Einstellungen der Projektion nachschärfte, denn die KI flackerte ein paar Mal, bevor der Blonde zufrieden nickte. Er kam zu Law herüber und schob sich seinen Stift hinter das Ohr, bevor er Law die Rechte mit einem breiten Grinsen entgegen streckte. »Hey, ich bin Sabo. Der technische Leiter der Forschungsabteilung.« Law war so überrumpelt von diesem Bündel an Freundlichkeit, dass er sein Schwert zurück in die Halterung auf seinem Rücken schob und dem jungen Mann nach einem kurzen Zögern tatsächlich fast automatisch seine Hand reichte. »Law«, stellte er sich zurückhaltend vor. »Ah, ja... der Boss sagte schon, dass du kommst. Du bist der Bruder von unserem Dornröschen, wie ich hörte«, sagte Sabo fröhlich, bevor er deutlich ernster wurde. »Schlimme Sache, das mit deiner Schwester, tut mir echt leid. Aber Marco bekommt das schon hin, du wirst sehen. Er ist der Beste«, nickte er überzeugt. »Haruta kann dir erst einmal dein Zimmer zeigen«, schlug er dann vor, bereits schon wieder in seine Arbeit vertieft. Die Projektion verbeugte sich höflich vor Law und wies ihm dann den Weg mit einer einladenden Handbewegung. Law hob seine Tasche wieder auf und schwang sie sich über die Schulter. »Oh...«, Sabo war gerade im Begriff zu gehen, als ihm offenbar etwas einfiel und er sich nochmal zu Law herum drehte, »... falls er versucht dich zu indoktrinieren oder irgendetwas von der Vernichtung der Menschheit schwafelt, dann sag' mir bitte Bescheid! Ich teste gerade ein paar Variablen in seinem Persönlichkeitscode und bin mir noch nicht sicher, wie sich das auswirkt.« Damit war er im Aufzug verschwunden. Law starrte die KI abschätzend an. »... Du bist männlich?« Haruta legte den Kopf schief. »Interessant, dass Sie gerade das beschäftigt und gar nicht die Möglichkeit, eines grausamen Todes durch die Allmachtsphantasien einer künstlichen Intelligenz sterben zu können«, bemerkte er mit wissenschaftlichem Interesse. Law verzog den Mund zu einem humorlosen, kühlen Grinsen. »Mir trachten so viele Menschen aus persönlichen Gründen oder bloßer Abneigung nach dem Leben, da wäre es wohl beinahe erfrischend, einfach nur aus einem rein kalkulierten Anlass und völlig emotionslos eliminiert zu werden...« Irgendwie war es fast schockierend einfach, diese Dinge der künstlichen Intelligenz gegenüber auszusprechen, zuzugeben, dass jeder Tag in seinem Leben eigentlich einem Russisch Roulette mit ungewissem Ausgang glich und er den Tod als ständigen Begleiter ansah. Haruta betrachtete ihn wie ein hochspannendes Studienobjekt, dann meinte die KI schlicht: »Ich glaube, ich mag Sie, Mister Trafalgar. Wahrscheinlich würde ich Sie im Fall der Fälle als Letztes beseitigen, Sie können also beruhigt sein«, eröffnete die KI, bevor der Junge schelmisch grinste. Humor schien seiner Programmierung also nicht gänzlich fremd zu sein. »Kommen Sie, ich zeige Ihnen Ihr Zimmer.« Mit unheimlich lautlosen Schritten lief die Projektion voran und Law folgte in einigem Abstand nach, während er sich wachsam umsah. Er befand sich auf fremdem Terrain und es war eine beinahe natürliche Reaktion, sich ein Bild der Umgebung zu machen - zumindest wollte er wissen, wo sich Ein- und Ausgänge und mögliche Fluchtwege befanden. Interessiert nahm er die vielen, fast unsichtbar angebrachten Sensoren in beinahe jedem Winkel des Gebäudes wahr, über welche die KI sich offenbar im Gebäude bewegen konnte. Der holografische Junge stoppte vor einer Zimmertür, die nur ein paar Räume von Lamys provisorischem Krankenzimmer entfernt war. »Das Türschloß ist schon auf Ihren Identifikationschip abgestimmt«, erklärte die KI. »Falls Sie noch etwas benötigen, lassen Sie es mich gern wissen. Sie können mich jederzeit rufen.« Damit verschwand die Projektion in einem Flackern. Law drückte die Klinke zum Zimmer herab und betrat den Raum zögerlich. Eigentlich hatte er nicht mehr als eine Besenkammer erwartet, doch das Zimmer war überraschend komfortabel und ausreichend groß. Durch ein bodentiefes Fenster hatte man einen guten Blick über die Stadt. Auf einem flachen Podest aus Holz nahe dem Fenster lagen zwei schlichte Futons, es gab eine kleine Sitzecke, einen Kleiderschrank und sogar eine Minibar, dazu führte eine weitere Tür in das kleine Badezimmer, in das Law einen flüchtigen Blick warf. Die Ausstattung des gesamten Towers war edel und schlicht, kostspielig, aber nicht übertrieben protzig. Edward Newgate schien es nicht nötig zu haben, jedem Besucher seinen Reichtum gleich wie eine Provokation unter die Nase reiben zu müssen. Law fand das Zimmer durchaus geschmackvoll. Es war einfach, schnörkellos, die Einrichtung in Schwarz und Weiß gehalten und sehr sauber. Nach einem kurzen Zögern legte er sein Schwert ab, stellte seine Tasche auf das kleine Sofa und kramte Lamys Plüschtier - die Katze mit dem überdimensionierten Kopf und dem mürrischen Gesichtsausdruck heraus -, dann verließ er das Zimmer wieder und machte sich auf, seine Schwester zu sehen. Obwohl es still war und auch die KI sich nicht sehen ließ, war sich Law doch darüber im klaren, dass man ihn garantiert überwachte. Bedacht öffnete er die Tür zum Krankenzimmer und blieb dann doch ein wenig unschlüssig im Türrahmen stehen. Die Ärztin war nicht anwesend, der rothaarige Kerl zum Glück auch nicht, doch Marco Phoenix saß am Kopfende des Bettes seiner Schwester, hatte sich leicht über Lamy gelehnt und die Fingerspitzen über deren Schläfen gespannt, während seine Augen konzentriert geschlossen waren. Normalerweise begehrte in Law meist sofort etwas auf, gerade wenn fremde Männer seiner Schwester zu nah kamen - offenbar der Fluch des älteren Bruders - doch dieses Mal störte ihn das irgendwie überhaupt nicht. Marco strahlte angenehme Ruhe und Sanftheit aus, selbst die Magie, die von ihm ausging und in trägen Wellen um Laws mentale Barrieren strich, war warm, behaglich und friedfertig. Law war fast ein wenig überrascht, den Konzerner hier zu sehen - er hatte zwar gesagt, dass er Lamy helfen würde, aber irgendwie hatte Law wohl insgeheim immer noch erwartet, nur leere Phrasen gehört zu haben. Doch Marco war tatsächlich hier und tat das, was er versprochen hatte... und das sorgte dafür, dass Law sich mit seiner fast krankhaften Skepsis eigentlich reichlich dumm vorkam. »Du kannst ruhig reinkommen«, sprach der Blonde plötzlich und öffnete die Augen langsam, bevor er sich aufrichtete und seine Hände zurückzog. Er rollte mit den Schultern und bewegte den Kopf leicht von einer Seite auf die andere, als hätte er lange in dieser Haltung gesessen, bevor er für Law einladend auf den Stuhl neben dem Bett wies. Marco hatte den ganzen Tag bereits auf Law gewartet, war zwischenzeitlich gar nicht mehr so sicher gewesen, ob er überhaupt kommen würde und nun schon fast überrascht, dass er tatsächlich im Türrahmen stand - irgendwie ungewöhnlich unsicher und mit einer wirklich außerordentlich grimmig aussehenden Plüschkatze in den tätowierten Händen, wodurch Marcos Mundwinkel zu einem Schmunzeln in die Höhe zuckten. »Ich wollte nicht stören...«, meinte Law, kam aber zögerlich ins Zimmer und schob die Tür wieder zu. Er trug ein neues, schwarzes Shirt, das weit genug geschnitten war, um die Ausläufer seiner Tattoos zu enthüllen, darüber eine leichte, auffällig neongelbe Jacke mit weißem Fellbesatz und eine ausgewaschene, gepunktete Jeans. Seine Füße steckten in dunklen Halbstiefeln und auf seinen schwarzen Haaren saß eine weiße Fellmütze mit Schirm und schwarzen Flecken. »Du störst nicht, ich war eh gerade fertig«, meinte Marco beruhigend und rieb sich den angespannten Nacken, während er den Kopf nach hinten kippte und die Schultern hochzog. Die Sitzung hatte ihn doch mehr gefordert, als anfänglich noch gedacht. »Hat Haruta dir dein Zimmer gezeigt?«, fragte er. Der junge Mann nickte, während er sich neben das Bett setzte und seiner Schwester das mitgebrachte Plüschtier in den Arm legte. Marco war froh, dass sich die KI offensichtlich gut in das Gebäudes zu integrieren schien. Nach Shanks' Enthüllungen und dessen Abreise nach Osaka hatte er Sabo angewiesen, Harutas Begrenzungen aufzuheben, sodass die künstliche Intelligenz inzwischen nicht mehr nur auf das Penthouse beschränkt war, sondern den gesamten Tower überwachen konnte. Ein paar zusätzliche, künstliche Augen wären sicher nicht verkehrt beim Schutz des Gebäudes. Marco erwartete zwar nicht unmittelbar einen Angriff, aber man konnte schließlich nie wissen. »Wie geht es ihr?«, fragte Law mit rauer Stimme und seine angespannte Haltung verriet, dass er schlechte Nachrichten fürchten mochte. Er war völlig auf seine Schwester fixiert und hatte Marco bisher kaum angesehen, doch jetzt hob er den Blick, unausgesprochene Beklommenheit in den grauen Augen. »Wie schlimm ist es...?«, wollte er gefasst wissen. »Schlimm...«, gab Marco unumwunden zu, denn er wollte Law nicht anlügen. »Aber ich kann ihr helfen, mach' dir keine Sorgen. Ich denke, sie wird wieder ganz gesund«, fügte er rasch an, als bittere Pein durch Laws graue Augen glitt. Diese Verzweiflung bei dem jungen Mann zu sehen, der sonst so bemüht darum war, stets stark und unerschütterlich zu wirken, traf Marco irgendwie wirklich sehr. »Es wird nur etwas Zeit brauchen, aber ich werde versuchen jetzt tägliche Sitzungen mit ihr einzuplanen.« Marco hatte sich heute für die erste Behandlung entschlossen, nachdem er ein paar Stunden Schlaf nachgeholt hatte, eigentlich nur, um sich einen groben Überblick über die Schäden an Lamys Geist verschaffen zu können. Wie er Law gesagt hatte, war das Ausmaß wirklich verheerend, doch er hatte schon damit begonnen, die ersten Stränge wieder zu verknüpfen - seine Magie hatte tatsächlich viele der schlimmen Wunden mühelos heilen können und daher war Marco ernsthaft überzeugt, dass Trafalgar Lamy wieder ganz die Alte werden konnte. »Ich lass' euch mal allein...«, sagte Marco umsichtig, erhob sich leise und brachte seinen Stuhl wieder zu der kleinen Sitzecke zurück. »Du kannst ruhig hierbleiben, solange du willst. Makino wird nachher sicher nochmal vorbei kommen. Falls du etwas brauchst, dann sag' mir ruhig Bescheid oder wende dich an Haruta«, gewährte er großzügig. Marco wollte das Zimmer gerade verlassen, die Hand schon auf die Türklinke gelegt, als Law überraschend fragte: »... hast du heute Abend etwas Zeit?« Verwundert hielt Marco inne und drehte sich wieder herum. »Nun, theoretisch schon, aber... Zeit wofür?«, fragte er den jungen Mann, der noch mit dem Rücken zu ihm saß. Law rückte das mitgebrachte Plüschtier in Lamys Arm zurecht und zupfte wahrscheinlich unnötigerweise an der Bettdecke des Mädchens, bevor er ein letztes Mal mit der Fingerspitze ihre Haarsträhnen richtete und sich dann langsam erhob. Erst dann fand sein verhaltener Blick unter der Schirmmütze hervor Marcos Augen. »Du sagtest, du willst den Informationshändler treffen. Ich werde dir dabei helfen… falls du noch Hilfe brauchst«, bot er zögerlich an und schob die Hände in seine Jackentaschen. »Deine Hilfe wäre mehr als willkommen«, nickte Marco Law ehrlich dankbar zu. »Wohin müssten wir dafür?«, fragte er nach. Er war wirklich froh, dass Law das Thema von sich aus ansprach - er hätte ungern betteln wollen und ehrlich gesagt auch kaum eine Ahnung gehabt, wo er mit der Suche in der Stadt hätte anfangen sollen. Shanks hatte sich wieder nach Osaka aufgemacht, um seine Geschäfte dort zu klären und mehr über diese ominöse Gruppierung herauszufinden, die offenbar hinter den Morden steckte. Marco sollte hier in Tokio mehr über den Gegenstand in Erfahrung bringen, den Trafalgar Lamy bei sich gehabt hatte und der offensichtlich von Wert für diese Leute war. »Ins „Purgatory“, das ist ein Nachtclub in Akihabara«, erklärte Law. Er sah kein Erkennen bei der Erwähnung des Namens in Marcos blauen Augen, was aber nicht weiter verwunderlich war. Ein Mann wie er verirrte sich wohl eher selten nach Downtown. Die High Society hatte ihre eigenen Szenetreffpunkte und Umschlagplätze für Geschäfte, die eher im westlichen Teil von Tokio lagen, der von den Konzernen beherrscht wurde, wohingegen sich der östliche Teil der Stadt inzwischen fast vollständig in den Händen der Kartelle befand. »Wenn wir gehen, vielleicht ziehst du aber besser etwas an, indem du nicht so...«, Law zog eine Hand aus seiner Jackentasche und schloss mit einer unbestimmten Geste Marcos gesamte Gestalt damit ein, »... reich aussiehst.« Nicht, dass es Law persönlich gestört hätte, aber in Downtown würde Marco in seinen maßgeschneiderten Klamotten vermutlich auffallen wie ein bunter Hund - vor allem dort, wohin sie unterwegs waren und es war definitiv besser, wenn sie unter dem Radar blieben. Marco hob eine Braue und seine Lippen kräuselten sich ungewollt zu einem schiefen Schmunzeln. »Ich weiß nicht, ob ich das jetzt als Beleidigung oder als Kompliment auffassen sollte...«, schnaubte er amüsiert. Law versteifte sich leicht, er hob die Finger und spielte an den goldenen Ringen in seinem Ohr, während er Marcos Blick nicht wirklich erwidern konnte und die Augen im Schatten seiner Mütze barg. »Ich... meinte nur, dass man allein an deinen Klamotten sieht, dass du nicht nach Downtown gehörst...-« »Schon gut... ich weiß schon, was du meinst«, erlöste ihn Marco, obwohl er Laws Reaktionen durchaus interessant fand. Manchmal schien die eisenharte Maske des jungen Mannes zu verrutschen und dahinter wirkte er kaum so selbstsicher und abgebrüht, wie er offenbar alle Welt glauben machen wollte. »Gibst du mir eine halbe Stunde? Ich hol' dich dann hier ab.« Law nickte und Marco machte sich auf den Weg hinauf ins Penthouse. Dort erwartete ihn schon wie zuvor am Morgen kontrolliertes Chaos, eine Unmenge an Umzugskartons, die einerseits die Sachen seines Vaters beinhalteten und andererseits sein eigenes Hab und Gut, das eine Umzugsfirma bereits hierher gebracht hatte. Die organisatorischen Dinge, bei denen Kalifa seinem Vater heute hatte helfen sollen, waren nichts anderes als dessen Umzug. Whitebeard hatte beschlossen, das Penthouse für Marco als neuen CEO zu räumen und sich etwas außerhalb von Tokio in seinem ländlichen Urlaubsresort zur Ruhe setzen zu wollen. Marco hatte es sich gleich gespart mit seinem Vater darüber noch diskutieren zu wollen, denn wenn sich Edward Newgate erst einmal etwas in den Kopf gesetzt hatte, blieb er auch dabei. Marco streifte die Schuhe ab und bahnte sich seinen Weg über und an Kartons vorbei in das Wohnzimmer, wo sein Vater die letzten seiner persönlichen Sachen einräumte. Thatch war ebenfalls anwesend, der Marketingmanager saß auf der Wohnlandschaft und sprach mit Whitebeard gerade die letzten Details der Pressekonferenz für die Firmenübergabe in der nächsten Woche durch, während er sich ein Glas Wein einschenkte. »Oh, gut, dass du kommst, Marco...«, hob Thatch den Blick von seinem Datenpad. »Ich müsste auch mit dir noch ein paar Sachen...-« »Keine Zeit, Thatch, entschuldige. Ich muss dann gleich nochmal los«, meinte Marco an seinen Vater gewandt, der gerade einige Bücher aus dem Arbeitszimmer in einen Karton auf der Küchenanrichte stapelte. »In einer halben Stunde will ich mit unserem Gast in die Stadt wegen diesem Cyberkineten...« Whitebeard winkte beruhigend ab. »Schon in Ordnung, Marco. Den Rest schaffe ich auch allein und vielleicht erinnert sich Thatch ja auch noch daran, dass er eigentlich zwei gesunde Hände hat, um mit anzupacken...«, murmelte er zurechtweisend in Richtung des Braunhaarigen. Doch der überhörte das Tadel geflissentlich, denn er war viel mehr damit beschäftigt, Marco entrüstet anzufunkeln, der gerade einen Karton mit seinen Klamotten kurzerhand auf der Wohnlandschaft auskippte. »Tz, das soll mal einer verstehen... da rede ich mir monatelang den Mund fusselig, dass du mal aus der Firma raus muss und Party machen sollst, aber wenn dann plötzlich so ein unbekannter Kerl daher kommt, gehst du freiwillig?! Du meine Güte, das nehm' ich persönlich«, meinte Thatch mit beleidigt geschürzten Lippen. Ein wenig ratlos wühlte sich Marco durch seine Sachen, begutachtete hier und da das ein oder andere Stück, warf es aber gleich wieder beiseite. Plötzlich erschien es ihm wie eine Ewigkeit lang her, dass er das letzte Mal wirklich einfach nur locker und ohne besonderen Grund ausgegangen war. »Also erstens geh' ich nicht Party machen, sondern das ist eine Senatsangelegenheit…« »… wofür du dich extra in Schale schmeißen musst!? Na sicher...« »… und zweitens glaube ich nicht, dass Law mich den ganzen Abend dazu nötigen würde, dass ich irgendwelche fremden Frauen zu einer Orgie einladen soll...«, brummte er mürrisch in Richtung seines Freundes. Die meisten der Partynächte, zu denen ihn Thatch überredet hatte, waren Marco meist nicht sonderlich freudig in Erinnerung geblieben. »Ach, Law heißt unser Gast, du hättest ihn ja wenigstens mal vorstellen können…«, murrte Thatch, schlug die Beine übereinander und verlangte mit einem Fingerschnippen von der KI: »Haruta, zeig‘ mir doch bitte mal unseren geheimnisvollen Besucher.« Der riesige Flatscreen an der Wand flammte auf und zeigte die Kameraüberwachung der Gästeetage. Law hatte sich inzwischen im Aufenthaltsbereich niedergelassen, er saß in der Leseecke auf der Couch und hatte ein Bein hochgelegt, sodass der Fußknöchel auf seinem Knie ruhte. Sein Schwert stand aufrecht an seine Schulter gelehnt neben ihm. Er hatte den Kopf leicht gesenkt und wirkte vertieft in ein kleines, dunkles Notizbuch, in das er... etwas zu zeichnen schien?! Seine schmalen, dunklen Brauen waren konzentriert gesenkt, seine sonst so strengen Lippen dafür leicht geöffnet. Thatch lehnte sich fasziniert ein wenig nach vorn und strich sich angetan über die Unterlippe. »Ach, jetzt wird mir so einiges klar... also mit dem würde ich auch überall hin gehen, Himmel nochmal«, murmelte er entzückt, bevor er Marco anzüglich grinsend fragte: »Es besteht nicht eventuell die Möglichkeit, Harutas Beschränkungen noch ein wenig mehr aufzuheben... eventuell für die Überwachung der Gästezimmer?!« Marco betrachtete Thatch mit einem missbilligend verzogenem Mundwinkel. »Dir ist schon bewusst, dass es mehr als unhöflich wäre, den Hausgästen hinter zu stalken... davon mal abgesehen, dass es ziemlich wahrscheinlich auch noch illegal ist!?« Thatch griff sich betroffen an die Brust, dann deutete er erklärend auf den Bildschirm. »Hallo, hast du dir den Kerl mal richtig angesehen?! Der sieht aus, als hätten ein Engel und ein Psychopath ein Baby gemacht, da kann man doch gar nicht anders als kriminell werden! Aber Law dürfte sehr gern bei mir für Recht und Ordnung sorgen...«, fügte er mit einem zweideutigen Grinsen an. Marco rollte nur mit den Augen auf Grund des wirklich schlechten Witzes. »Oh Gott...« Thatch hatte noch nie einen Hehl daraus gemacht, dass er beide Geschlechter gleichermaßen körperlich anziehend fand. Grundsätzlich bevorzugte der Marketingmanager zwar Frauen, doch ab und an ging er auch mit Männern aus und eins musste man Thatch stets lassen bei seiner Partnerwahl - er hatte ein gutes Auge und einen ausgezeichneten Geschmack. Alle, mit denen er sich traf, besaßen dieses eine gewisse Etwas, das anziehend machte und auch jetzt musste Marco Thatch durchaus recht geben... ja, Law war tatsächlich für einen Mann ziemlich attraktiv und das sah selbst er, der bei anderen Männern sonst kaum auf deren Aussehen achtete. Laws Gesicht hatte die klassische, ästhetische Makellosigkeit eines Gemäldes - absolut symmetrisch, geradlinig und durch kantige Züge begrenzt, die allein wegen seines Kinnbarts und den markanten Koteletten etwas weniger perfekt wirkten und ihn menschlicher erscheinen ließen. Seine Lippen waren schmal, aber sinnlich geschwungen und die ausdrucksstarken, stahlgrauen Augen bildeten den faszinierendes Mittelpunkt unter den wilden, schwarzen Haaren. Dafür erschien alles an Law auf den ersten Blick irgendwie hart und kühl, er selbst auf gewisse Weise bedrohlich und unnahbar - ein Umstand, der sicher locken konnte, eigentlich das Gegenteil herausfinden zu wollen… »Seine Schwester liegt dort unten in einem Krankenzimmer. Du wirst ihn nicht belästigen, Thatch«, stellte Marco entschieden klar. Manchmal war es besser, bei dem Marketingmanager deutliche Grenzen zu ziehen. »Belästigen?!«, empörte sich Thatch. »Der Mann hätte sicher die Zeit seines Lebens! Vielleicht braucht er ja mal etwas Entspannung, er wirkt irgendwie ziemlich ernst, der Gute...« Marco seufzte schwer. »Was er braucht, ist wahrscheinlich seine Ruhe. Und ich glaube, an ihm würdest selbst du dir die Zähne ausbeißen…«, prophezeite er kopfschüttelnd. »Also lass' es lieber.« »Oh, ich kann sehr beharrlich sein und habe eine wirklich bestechende Ausdauer...«, meinte Thatch anrüchig mit wackelnden Augenbrauen. »Kinder, bitte… noch bin ich hier und kann euch hören«, stöhnte Whitebeard im Hintergrund entnervt. »'tschuldige, Pops...«, riefen Thatch und Marco unisono. »Hilf' mir lieber, passende Klamotten zu finden, anstatt unsere Gäste anzuschmachten«, verlangte Marco an Thatch gewandt und schaltete den Bildschirm entschieden ab, obwohl er nicht leugnen konnte, dass es sicherlich unangenehmere Anblicke gab. »Wo ich hingehe, sollte ich vielleicht nicht unbedingt wie der typische Konzern-Schnösel aussehen, sondern irgendwie... normal.« Thatch blickte ihn zwar mit kritisch gehobener Braue an, stellte dann aber seufzend sein Weinglas beiseite und stand auf, bevor er sich das Jackett zurecht zog und zu Marco herüber geschlendert kam. »Aha, und wohin soll es eigentlich genau gehen?«, fragte er interessiert nach, nachdem sein gezielter Griff eine dunkle Jeans auswählte und er diese Marco in die Hand drückte, gefolgt von einem dunkelgrauen Hemd in Used-Look. »Irgendwo nach Downtown.« Thatchs Augen wurden bedrohlich groß und er presste sich die eben herausgepickte Lederjacke gegen die Brust. »Downtown?! Oh Marco, bitte keine schlechte Publicity vor der Pressekonferenz...«, jammerte er mit flehendem Gesichtsausdruck. »Ich hab' alles schon so perfekt durchgeplant!« Marco entriss seine Jacke Thatchs Klammergriff und packte diese zum Rest der ausgewählten Sachen auf seinem Arm, bevor er auf dem Absatz kehrt machte und in Richtung Badezimmer lief. »Jaja, schon gut, ich werd‘ die Drogen diesmal weglassen und auch nicht ganz so viele Autos anzünden…«, versprach er ironisch. Als ob gerade er derjenige wäre, der ständig in den Medien auftauchte! »Das ist nicht witzig!«, rief Thatch ihm noch hinterher. Marco sprang noch schnell unter die Dusche, bevor er sich anzog, zwei Sig Sauer wie gewohnt unter seiner Jacke holsterte und sich dann von Thatch und seinem Vater verabschiedete. Er sammelte Law wie versprochen auf dem Weg nach unten ein und betrat mit ihm zusammen den Fahrstuhl in Richtung Tiefgarage. Während der Fahrt ins Kellergeschoss bemerkte Marco durchaus, wie Law ihn verstohlen musterte, aber da der junge Mann nichts sagte, schien seine Kleiderwahl zumindest seinen Ansprüchen zu genügen. Der Fuhrpark der Newgate Corp. bestand aus einigen gepanzerten Limousinen, zwei Truppentransportern, etlichen Lieferwagen und einer Auswahl von Whitebeards geliebten Oldtimern. Ein paar der persönlichen Autos einiger Mitarbeiter reihten sich dort zwischen den Firmenwagen mit ein, wie Sabos blau-gelber Mizutani Shion M22* und Thatchs silberner Porsche 911 II*. Marcos eigener weiß-goldener Rayfield Caliburn* erwachte beim Näherkommen mit blinkenden Scheinwerfern zum Leben, da das Auto seinen Identifikationschip erkannte. Normalerweise hielt Marco ja nichts davon, übermäßig viel Geld für extravagante und vor allem unnütze Dinge auszugeben - er mochte vermögend sein, doch deswegen musste er es nicht der ganzen Welt zwanghaft zeigen - aber bei seinen Klamotten und seinen fahrbaren Untersätzen machte er doch gern mal eine Ausnahme und er hatte einfach eine Schwäche für schnelle Autos, sowie für... »Nein, ist nicht wahr... Wow... sag' bloß, die gehört dir?!«, entdeckte er diese einfach unübersehbare Yaiba Kusanagi CT-3X zwischen den Autos und steuerte schon auf das schwarz-gelbe Juwel zu. Die Kusanagi war fast so etwas wie eine urbane Legende, da nur so wenige von diesen Dingern in Produktion gegangen waren. Man munkelte, dass nicht mehr als zweihundert der außergewöhnlichen Motorräder jemals gefertigt wurden - ein Traum für jeden Sammler und Liebhaber. »Ja, die gehört mir«, eröffnete Law mit einem leicht gehobenen Mundwinkel und zum ersten Mal konnte Marco eine unverhüllte Emotion im Gesicht des jungen Mannes ausmachen, ein Hauch von Stolz und Hingabe, gepaart mit einer Spur von eigentümlicher Wehmut in der dunklen Stimme. »Die waren so streng limitiert, ich hätte nie gedacht, dass ich jemals eine Echte sehen würde...« Marco ließ sich vor der Kusanagi in die Hocke sinken und begutachtete fasziniert den glänzenden, umlackierten Rahmen und den außergewöhnlich guten Zustand des Motorrads. Er streckte die Finger aus, berührte das Metall jedoch nicht, sondern zog die Hand zurück und fuhr sich damit fast schon ein wenig überfordert durch die Haare, was Law tatsächlich leicht zum Schmunzeln brachte. Die offene Begeisterung des Blonden war beinahe ansteckend. »Gottverdammt... woher hast du sie?«, fragte Marco ehrlich interessiert, er stützte eine Hand auf sein Knie und sah zu Law auf. Laws winziges Lächeln wurde bedrückt, bevor es gänzlich schwand, was Marco irgendwie bedauerte. »Sie gehörte einem... wichtigen Freund. Ich habe sie von ihm übernommen... nach seinem Tod«, antwortete er zögerlich. Bisher hatte er noch nie jemanden davon erzählt, noch nicht einmal Lamy - davon, dass die Kusanagi einst Corazon gehört hatte, dass sie sein kleines Geheimnis gewesen war und Law es nach dessen Tod nicht über sich gebracht hatte, sich von dem Motorrad zu trennen und es heimlich behalten hatte. Selbst Doflamingo hatte nie etwas von diesem Hobby seines Bruders gewußt und Law hatte es bis jetzt auch weiter bewahrt. Es war ein Stück greifbare Erinnerung, an die er sich albernerweise noch immer klammerte und er wusste wirklich nicht, warum er nun gerade Marco davon erzählte. Der Blonde erhob sich wieder und meinte ehrlich: »Dein Freund wäre sicher froh, sie in so guten Händen zu wissen. Sie ist in einem hervorragenden Zustand«, meinte er mit einem bewundernden Blick auf das Motorrad und strich vorsichtig, fast ehrfürchtig über die Sitzfläche. Keine gekünstelten Mitleidsbekundungen, kein betretenes Schweigen, keine weiteren Fragen - Marco schien instinktiv zu spüren, dass Law das Thema nahe ging und er beließ es einfach dabei. »So einige Leute würden dir vermutlich unheimlich viel Geld für dieses Schmuckstück bieten.« »Sie ist nicht verkäuflich«, wurde Laws Stimme nun deutlich kühler, beinahe bissig, denn genügend Personen hatten schon versucht, ihm das Motorrad abzuluchsen, entweder mit abnormal lächerlich hohen Summen Geld oder auf eher hinterhältigere Art und Weise. Eigentlich wartete er nun schon auf das Angebot des Blonden, was garantiert...- »Das verstehe ich völlig, ich würde so ein wichtiges Andenken auch nicht verkaufen«, sagte Marco jedoch und wandte sich nach einem letzten, staunenden Blick von dem Motorrad ab. »Schließlich gibt es einfach Dinge, die mit keinem Geld der Welt aufzuwiegen sind«, meinte er unbekümmert, sah Law ohne jedweden Neid oder Gier an und schob die Hände in die Taschen seiner lässigen Lederjacke. Sein Lächeln war aufrichtig, offen... und traf Law fast wie eine Abrissbirne. Du meine Güte..., Laws Herz machte einen holprigen Satz und um ein Haar wäre er aus Überforderung einen haltlosen Schritt zurückgewichen. So langsam kann ich irgendwie nachvollziehen, warum er offenbar so beliebt ist. Wie konnte jemand nur so... so anständig sein, gerade als stinkreicher Firmenleiter!? Law verstand es einfach nicht, er wurde nicht schlau aus diesem Mann. Marco Phoenix war irgendwie das völlige Gegenteil von allem, was Law kannte und zu kennen glaubte und das brachte ihn wahrlich durcheinander. Marco konnte offenbar problemlos akzeptieren, dass Law etwas besaß, was er nicht hatte, ohne gleich darum feilschen zu wollen. Eigentlich alle vermögenden Menschen, die Law bisher kennengelernt hatte, waren stets der Meinung, mit Geld alles kaufen und besitzen zu können und hatten keinen Funken Respekt vor dem persönlichen Eigentum anderer. Die Gier der Menschen war normalerweise unersättlich und Law hatte schon Leute für viel weniger als ein Motorrad sterben sehen. So wirklich konnte Law seine Grübeleien auch während der Fahrt über nicht abstellen, als sie endlich in Marcos Wagen stiegen und sich in Richtung Akihabara auf den Weg machten. Immer wieder musste er fast zwanghaft zu dem Blonden hinübersehen, der den eleganten, schnittigen Caliburn ziemlich souverän und sicher durch Tokios Straßen lenkte. Er war positiv überrascht von Marcos persönlichem Autogeschmack, die vielen PS schnurrten sachte, aber prägnant unter der Motorhaube und Law hätte eigentlich nichts dagegen gehabt, wenn Marco den Wagen etwas mehr gefordert hätte… was in den vollgestopften Straßen der abendlichen Stadt aber eher ein Ding der Unmöglichkeit war. Der Blonde hatte sich wirklich an Laws Vorschlag gehalten und sich relativ normale, schlichte Klamotten angezogen, wobei das tiefgraue Hemd wohl schon etwas älter war, denn es spannte sich ein wenig um die wahrscheinlich breiter gewordenen Schultern und Oberarme des Blonden. Für einen Bürohengst war der Kerl eigentlich viel zu trainiert. Seine schwarze Lederjacke hatte Marco ausgezogen und auf den Rücksitz geworfen, dadurch lagen die silbernen Schusswaffen in seinem Schulterholster offen. Er sah zwar immer noch privilegiert aus - was auch einfach seiner selbstsicheren Haltung und seinem gepflegten Äußeren geschuldet war - jedoch würde man nicht sofort auf den ersten Blick erkennen, dass er in der Führungsriege eines Konzerns mitmischte. An Marcos Mund zupfte ein Schmunzeln und er warf Law einen Blick aus dem Augenwinkel zu. »Du starrst mich die ganze Zeit an, als würdest du darüber nachdenken, wie du mich möglichst schnell los wirst… sollte ich mir Sorgen machen?«, meinte er eher amüsiert als wirklich besorgt. Die dünnen Brillengläser seiner Schläfenimplantate hatten sich wieder aktiviert und schärften seinen Blick wohl nicht nur für das Fahren, sondern verbesserten offensichtlich auch sein peripheres Sehvermögen. Nun kam sich Law wirklich fast töricht vor, da Marco die ganze Zeit bemerkt hatte, wie er ihn anstarrte. Das war nicht nur unhöflich, sondern auch schlichtweg gedankenlos von ihm. »Entschuldige...«, murmelte Law. Er zwang seinen Blick aus dem Fenster und sich selbst dazu, etwas zu entspannen. Der Griff um die Schwertscheide auf seinem Schoß wurde ein wenig fester, bevor er die Finger entschieden entkrampfte. »Ich wollte nicht unhöflich sein. Ich bin es einfach gewohnt, stets aufmerksam sein zu müssen, die Menschen zu beobachten und einzuschätzen...«, erklärte er, bevor ihm überhaupt auffiel, dass er vielleicht zu viel gesagt hatte. »Wegen deinem… Job?!«, fragte Marco unbestimmt nach. Er hätte tatsächlich gern mehr über Law gewusst, machte sich aber auch keine Illusionen, dass der junge Mann nun seine Lebensgeschichte vor ihm ausbreiten würde. Er vertraute ihm nicht und Marco konnte es ihm noch nicht einmal übel nehmen, denn wenn man in Downtown - noch dazu in einem Kartell - überleben wollte, musste man wohl immer Augen im Hinterkopf haben... »Unter anderem…«, erwiderte Law vage und mahnte sich innerlich zur Vorsicht. Er durfte nicht vergessen, dass Marco Phoenix nicht nur ein Konzerner war, er war auch ein Senatsmitglied. Dabei erschien es so bedrohlich einfach, ihm Vertrauen schenken zu wollen... der Mann war gefährlich und das gänzlich ohne Waffen oder Arglist. Law lenkte das Gespräch auf ein weniger prekäres Terrain für sich selbst. »Hast du schon öfter Menschen in Lamys Zustand geholfen?«, fragte er daher und tatsächlich interessiert ihn das sogar, da er bisher keinen Mentokineten persönlich kennengelernt hatte. Marco bremste leicht und schaltete runter, da vor ihnen der Verkehr stoppte. Dabei streifte sein Arm leicht an Laws vorbei, der die Wärme des Blonden durch seine dünne Jacke hindurch fühlen konnte. Normalerweise war ihm erzwungene Nähe zu anderen Menschen eher unangenehm, jetzt jedoch störte es ihn gar nicht so sehr. »Im gleichen Zustand wie deiner Schwester? Nein. Aber es gibt eine Versehrtenklinik etwas außerhalb von Tokio, für traumatisierte Soldaten aus Kampfeinsätzen oder durch Scornangriffe. Wenn ich etwas Zeit habe, fahre ich oft dort hin und helfe den Patienten, wenn sie es möchten, mit ihren Ängsten und erschütternden Erlebnissen fertig zu werden«, erzählte Marco bereitwillig. »Meine Fähigkeiten sind dabei recht nützlich und können unterstützend wirken.« »Also bist du auch eine Art... Therapeut?« »Ach Gott, nein...«, lachte Marco und gab nach der nächsten Ampel wieder Gas, da sie auf den stadtinternen Highway abbogen. Law wurde angenehm in den Sitz gedrückt, als der Caliburn nach vorn schoss und er begrüßte das kurze, aufregende Kribbeln im Magen. Geschwindigkeit war schon immer einer seiner Schwachpunkte. »Das nun wirklich nicht, aber ich weiß aus eigenem Erleben, wie verstörend so manches im Krieg und in Kampfeinsätzen sein kann... ich kann mich ganz gut in andere einfühlen...«, erläuterte Marco mit einem gedankenschweren Lächeln. Aber anscheinend hat sich niemand bisher um deine Ängste gekümmert, sinnierte Law im Stillen, da er sich erinnerte, wie Marco ihm von den eigenen, traumatischen Erlebnissen vor vierzehn Jahren berichtet hatte. War er wirklich so aufopferungsbereit, immer erst anderen zu helfen, bevor er an sich selbst dachte? Law kam es fast unwirklich vor, dass so ein Mensch in dieser Welt tatsächlich existieren sollte. »Kannst du mir beschreiben, wie deine Magie wirkt? Ich meine, wie kann ich es mir vorstellen, wie du einen Geist heilst?« Für Law war das alles recht abstrakt. Seine eigenen MAG Kräfte ließen sich zwar auch grob in die mentale Sparte einordnen, doch die Telekinese war eher wie eine unbeherrschbare Naturgewalt, wie ein lauernder Leopard, der unruhig und aggressiv durch seinen Geist strich, jederzeit bereit zum Sprung - zumindest hätte er es so beschrieben. Marco wechselte konzentriert die Spur, um einige Autos vor ihnen zu überholen, während er tatsächlich einen Moment nachdachte, wie er das am besten bildlich erklären könnte. »Nun, es ist ein bisschen so, als versuchte man ein Puzzle zusammenzufügen, dessen Motiv man nicht kennt und auch nicht sieht. Der Verstand besteht aus unzähligen Verbindungen und ich muss sehr viel probieren und testen, um die zueinander passenden Enden zu finden, wenn diese durch einen Angriff auseinandergerissen wurden.« »Das klingt ziemlich anstrengend…«, urteilte Law schlicht und sah zu Marco hinüber, der seinen Blick mit einem schiefen Grinsen erwiderte. »Naja, man braucht schon ein bisschen Geduld«, meinte er achselzuckend. »Es ist eben ein langwieriger Prozess. Ich kann leider nicht die Hand auflegen wie ein Vitakinet und dem Körper quasi nur den Schubs in die richtige Richtung geben, damit er den Rest selbst erledigt.« Marco beobachtete eigentümlich gebannt, wie Law nachdenklich die Stirn in Falten zog und über das Gesagte nachzudenken schien. Er wandte den Blick wieder seitlich aus dem Fenster und seine tätowierten Finger strichen gedankenverloren durch seinen dunklen Kinnbart, bevor sie einen seiner goldenen Ohrringe einfingen. Marco gab sich einen Ruck und lenkte seine Aufmerksamkeit wieder auf die Straße. Der junge Mann war heute ja fast redselig und irgendwie gefiel das Marco, vor allem, da er sich fast sicher sein konnte, dass Law wohl kaum daran gelegen war, sich durch Geplauder bei ihm zu profilieren - wenn er etwas fragte, dann schien es ihn auch tatsächlich zu interessieren und das war recht angenehm. Marco hasste nichts mehr als bedeutungslosen Smalltalk, den er allerdings in seiner Rolle viel zu oft führen musste. »Du stammst nicht aus Japan«, bemerkte Law messerscharf und im nächsten Augenblick schon barg er das Gesicht hinter seinen gespreizten Fingern und senkte den Blick. Sehr geistreich..., das lag ja wohl auf der Hand, allein, wenn man Marco Phönix mit diesen blauen Augen sah. Marco musste ehrlich lachen, ein rauer, kehliger Laut, der Law irgendwie gefiel. »Ach je... was hat mich verraten?! Mein Akzent oder meine offene Feindschaft zu Essstäbchen?!«, gluckste er amüsiert und Law konnte nicht verhindern, dass sich seine Mundwinkel ebenfalls leicht nach oben bogen. »Nein, ich stamme nicht von hier. Pops hat mich in den USA... aufgelesen und dann vor zwanzig Jahren mit hierher nach Tokio genommen, als er seinen Firmensitz verlagerte.« »Pops?«, hob Law fragend eine Braue. »Du meinst Edward Newgate?« »Hm...« »Er ist aber nicht dein leiblicher Vater...?« Über Marcos Gesicht huschte neben den rasch vorbeiziehenden Neonlichtern auch ein flüchtiger Schatten. »Nein, aber er ist der einzige Vater, den ich brauche...« Nun war Law fast neugierig, doch er verbiss sich weitere Fragen in diese Richtung und wechselte lieber das Thema - zum einen, um Marco nicht weiter so persönlich zu bedrängen und anderseits... hielt er es für sicherer, gar nicht so viel über den blonden Konzerner zu wissen. Das hätte nur eine Bindung beschworen und er war sich unschlüssig, ob er damit umzugehen wüsste, da er den Kerl jetzt schon sympathischer fand, als wahrscheinlich gut für ihn war. Er fragte Marco unverfänglich nach seiner Arbeit in der Firma, nach den Produkten der Newgate Corp. und schließlich landeten sie am Ende ihres Gespräches sogar bei einer Diskussion über Musik und Popkultur. Es war lange her, dass Law sich mit einem Unbekannten so zwanglos hatte unterhalten können und dass jemand nicht sofort Jokers Offizier oder Vollstrecker in ihm sah, sondern ihn als Person wahrnahm. Die einzigen, halbwegs normalen Konversationen hatte er in der nahen Vergangenheit mit Lamy geführt und Law wurde unangenehm bewusst, dass er neben seiner Schwester wohl niemanden hatte, den er wirklich einen Freund nennen konnte... er hatte ja noch nicht einmal enge Bekannte. Zum Glück kamen sie dann endlich in Akihabara an, sodass Law seine Gedanken wieder auf andere, wesentlich vertrautere Dinge fokussieren konnte. Das Purgatory war ein Geheimtipp und ein riesiger, mehrstöckiger Nachtclub in den Tiefen der Häuserschluchten von Tokios Vergnügungsviertel. Von außen hätte man es fast übersehen können, wenn nicht die flammende Illusion des infernalischen Schriftzuges den Eingang markiert hätte, der zwischen eine ranzige Ramenküche, aus der ein fischiger Geruch heranwehte und ein eigentümliches Katzencafé gequetscht war. Hinter der Scheibe des Cafés tummelten sich nicht etwa die schnurrenden Namensgeber, sondern junge Mädchen und Frauen in knappen Kostümen und mit implantierten Katzenohren und -schwänzen, die mit Kissen auf dem Boden oder dem Schoß ihrer zahlenden Kunden lagen. Marco wandte sich schaudernd ab, nachdem er in das Gesicht eines grell geschminkten Katzenmädchens geblickt hatte, das kaum alt genug für so ein Etablissement schien und deren Augen bereits durch eine Operation nun die geschlitzte Pupille einer Katze aufwiesen… Früher war Akihabara das Zentrum für Technik und Fortschritt gewesen - das pulsierende, futuristische, bunte Herz Tokios, ein beliebter und fröhlicher Szenetreffpunkt, doch heute war das Viertel nur noch ein Abklatsch des einstmals fortschrittlichen Stadtteils. Die bunte Reklame und die laute, übertrieben fröhliche Musik waren geblieben, doch heute wirkte alles viel… schäbiger, verwaschener und rauer. Die Illusion einer glänzenden, traumhaften Zukunft war verschwunden und hatte der schmutzigen, ungeschönten Realität Platz gemacht. Sie konnten den Club ohne Probleme betreten, der Türsteher würdigte sie nur eines kurzen Blickes und ließ sie dann passieren. Marco folgte Law dicht nach, der sich immerhin auszukennen schien und zielstrebig durch die dicht gedrängten Menschen im Eingangsbereich steuerte, bevor sie auf eine Art gläserne Empore traten, die den Blick über den Hauptraum des Nachtclubs öffnete. Aggressive, basslastige Musik schlug ihnen entgegen, deren tiefe Töne in Magen und Knochen nachhallten - eine Mischung aus Synth und Industrial Rock, zu der die aufgewiegelte Menge auf der Tanzfläche etatistisch feierte. Der gesamte Club schien hauptsächlich aus gläsernen Elementen zu bestehen, wodurch die fantastische Illusion erzeugt wurde, in einem grenzenlos weiten Raum zu schweben. Hinter den gläsernen Wänden und unter dem transparenten Boden wurden lodernde, purpurrote und orange Flammen projiziert, sodass man sich wirklich fast wie im Fegefeuer vorkommen konnte. In Käfigen an der Decke und auf weiteren, an Ketten hängenden, Plattformen über der Tanzfläche räkelten sich Männer und Frauen, deren Körper allesamt wirklich außergewöhnlich aufwendig kybernetisch verändert waren. Marco sah exzentrisch golden oder silbern glänzende Gliedmaßen, mechanische Flügelprothesen, implantierte Hörner oder Geweihe, zusätzliche Körperteile, selbst künstlich veränderte Geschlechtsteile. Eine Frau mit einem weiteren Paar Armen umgarnte einen Mann, dessen halbe Gesichtshälfte menschlich war, während die andere vollkommen kybernetisch funktionierte. Seine mechanische Zunge schnellte heraus und er zog die Frau zu einem tiefen Kuss an sich heran. Marco war inzwischen froh, dass er auf Law gehört hatte und hier nicht als Businessman aufgetaucht war... er kam sich so schon reichlich overdressed vor, einfach dadurch, dass er überhaupt Klamotten trug. Über die Hälfte der Gäste hier schien von Stoff auf der Haut nicht viel zu halten. Eine kurvige Blondine mit künstlichem Kiefer lief an ihm vorbei, die etwas trug, was man mit viel Wohlwollen vielleicht als Bikini bezeichnen konnte. Diese eigenwillige Kreation aus knallgelbem Leder und Nieten überließ wirklich rein gar nichts der Phantasie. Sie schien Marcos Blick fälschlicherweise als Interesse zu deuten, denn sie stöckelte in Stiefeln - die aus mehr Material als ihr restliches Outfit bestanden - zu ihm herüber und strich mit einem sinnlichen Lächeln angetan über seine Brust, machte aber rasch wieder kehrt, als Law ihr mit einem tödlich eisigen Blick und ausgestrecktem Mittelfinger zu verstehen gab, dass sie sich verziehen sollte. Er zog Marco am Arm zu sich und reckte sich zu dessen Ohr hinauf. »Lass' besser niemanden zu nah an dich heran«, warnte er den Blonden über die Musik hinweg. Wenn man hier nicht acht gab, konnte man ganz schnell alles los sein - seine Sinne, seinen Verstand und ganz besonders sein ganzes Geld. Marco nickte verstehend und folgte Law dann die verschlungene, gläserne Wendeltreppe hinab zur Tanzfläche. Unten gab es kleinere Separees, in denen sich die Gäste mit ihren leuchtenden Cocktails tummelten, sich unterhielten oder... für ein schnelles Vergnügen trafen. Eine Frau mit blauen Haaren und künstlichen Dämonenschwingen hatte ihren eh schon knappen Rock hochgezogen und saß auf dem Schoß eines Kerls, mit dem sie großzügig ihren Speichel austauschte. Über die Schulter des Mannes hob sie den verklärten Blick und Marco erkannte auch hier den Einfluss von Beta in ihren violett schimmernden Augen. Ein paar Tische weiter schoben sich ein paar eh schon zugedröhnte Männer Betapillen wie Bonbons in den Mund und spülten diese mit reichlich Alkohol herunter. Einer der Kerle mit schlohweißem Haar hatte den Kopf apathisch in den Nacken gekippt und über ihm kreiste eine knisternde Elektrokugel, die im nächsten Moment funkensprühend in die Höhe schoß. Die Meute jaulte begeistert. Marco wandte den Blick ab und fokussierte sich darauf, Law zwischen den wogenden Körpern und den flackernden Lichtern nicht aus den Augen zu verlieren. Der junge Mann bahnte sich seinen Pfad unaufhaltsam und schob die Leute in seinem Weg einfach rigoros und wenig umsichtig beiseite, doch die meisten schienen das in ihrem Rausch gar nicht zu bemerken. Plötzlich wirbelte Law zu Marco herum, packte ihn an der Jacke und riss den Blonden förmlich an sich, während er sich selbst an die Wand des Clubs drückte und mit unruhig klopfendem Herzen über Marcos breite Schulter wachsam in die Menge spähte. Diamante erhob sich gerade von einem der Tische unweit von ihnen, presste dem kleinen Kellnerroboter seinen Identifikationschip am Handgelenk ruppig vor die Stirn, bevor er die Arme um zwei käufliche, kybernetisch optimierte Damen schlang. Marco wirkte etwas irritiert, wehrte sich allerdings nicht, als er eine Hand neben Laws Kopf an die gläserne Wand stützte und recht fragend auf ihn herab sah. »Eine nervige Exfreundin…!?«, mutmaßte er mit zuckendem Mundwinkel, während er Law bereitwillig mit seinem Körper abschirmte. Neugierig spähte er über die eigene Schulter, doch es war unmöglich zu sagen, von wem Law nicht gesehen werden wollte. »Das wäre mir lieber…«, murmelte Law düster, kaum zu verstehen gegen die dröhnende Musik, sodass Marco die Worte eher an seiner Lippenbewegung erahnte. Diamante unterhielt sich noch kurz mit einem fremden Mann, dann verschwand er mit den Frauen in der Menge. Mit einem knappen Seufzen ließ sich Law gegen die Wand fallen und gab Marcos Jacke wieder frei, in dessen Material er bis eben die Finger gekrallt hatte. Nun war ihm seine überzogene Reaktion fast ein bisschen unangenehm, doch er hatte wenig Lust hier von Doflamingos Offizier gesehen zu werden, noch dazu in Begleitung von Marco Phoenix. Das würde nur unbequeme Fragen aufwerfen, die er gerade nicht beantworten wollte. »Entschuldige, aber es gibt ein paar Leute, denen ich gerade ungern über den Weg laufen will...«, erklärte Law sein Verhalten, indem er sich wieder zu Marco lehnen musste, um die Musik überhaupt zu übertönen. Erst jetzt, da sie so nah beieinander standen, fiel Law auf, dass Marco tatsächlich fast noch einen halben Kopf größer war als er... und das der Kerl wirklich verdammt gut roch. Zwischen all den schwitzigen Körpern umher, zwischen dem kratzigen Aroma von Magie und Drogen und dem scharfen Geruch nach Alkohol, war Marcos frischer, herber Duft ziemlich angenehm und eine Wohltat für Laws empfindliche Nase. »Schon okay«, meinte Marco gelassen, bevor sie sich zusammen weiter durch die Menge schoben. Law steuerte einen Bereich hinter der gigantischen Bar an, in deren gläsernem Tresen die Projektion von sich in Ekstase und Pein windender, ineinander verschlungener nackter Körper abgebildet wurde. Dahinter schien eine weitere Treppe noch eine Etage tiefer zu führen, vermutlich in den Keller, denn das gußeiserne Gestell war weniger gut in Schuss, eher ziemlich verbeult und schäbig. Davor stand ein bulliger Kerl mit massiven, kybernetischen Armen und dem Gesicht eines Gorillas, der ihnen in den Weg trat, doch Law fischte eine kleine, goldene Münze, geprägt mit Jokers Emblem aus der Jeans und schnipste diese dem Mann entgegen. Der fing die Münze in der riesigen Faust, beäugte sie kurz prüfend, bevor er mit einem Schnauben beiseite trat und sie passieren ließ. Marco stieg hinter Law die schwankenden Stufen hinunter und tatsächlich ähnelte der karge Raum hier unten einem Getränkelager und Abstellraum. Einige Kisten, Kartons und Paletten türmten sich an den kalten Wänden, der Boden war aus blankem Beton und die flackernde, klinische Neonröhre an der Decke beleuchtete ein paar simple Regale mit Reinigungsmitteln. Von hier unten zweigte nur eine weitere Tür ab, auf die Law nun zielgerichtet zulief. Doch bevor er sie erreichte, öffnete sich die schwere Tür von selbst und aus der Dunkelheit dahinter stürmte ein weißer, massiger Körper heran, der sich wie ein Bulldozer auf vier Pfoten vor ihnen aufbaute. Der Hund war gigantisch, unter dem kurzen, weißen Fell bewegten sich massive Muskeln, als er jetzt in geduckter Haltung vor ihnen anhielt und die Lefzen hochzog. Die dunklen Augen funkelten bedrohlich und viel zu intelligent und er knurrte guttural in Marcos Richtung, der beim Anblick der fast handtellergroßen Pfoten und des kräftigen Kiefers mit den perlweißen Fängen ein ganzes Stück zurückwich. Law dagegen trat einen Schritt nach vorn und befahl mit herrischer Stimme und unbeugsamer Haltung: »Sitz, Bepo!« Marco traute seinen Augen kaum, als sich dieses Riesenvieh von einem Hund tatsächlich sofort auf die Hinterpfoten nieder ließ und den jungen Mann treudoof ansah... und noch ungläubiger blinzelte er, als sich die Steroide in Fellform unterwürfig auf den Rücken rollten, der Hund glücklich mit dem Schwanz wedelte und zufrieden winselte, als Law sich neben ihm in die Hocke sinken ließ und dem Ungetüm den Bauch kraulte. »Guter Hund...«, raunte der junge Mann freundlich und eine ungewohnte Sanftheit erhellte sein ernstes Gesicht. »Oh man, Bepo... du bist mir ja ein feiner Wachhund, du treulose Tomate...«, krächzte eine Stimme wie altes Eisen. Eine Frau lehnte inzwischen im Türrahmen, die ihre besten Jahre eindeutig schon überschritten hatte... das schien sie aber nicht davon abzuhalten, ein bauchfreies Top und eine tiefsitzende Hüftjeans zu tragen, die ihrem hageren Körper wenig schmeichelten. »Law, du verdammt hübscher Bastard - hör' endlich auf, aus dem Köter einen Schmusebären zu machen!« Law kraulte Bepo nochmals mit den tätowierten Fingern hinter dem Ohr, dann erhob er sich geschmeidig und schenkte der grauhaarigen Frau ein schmales Lächeln. »Hallo Kuleha.« Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)