Geburtstage am Heiligen Abend von Makoto17 (24.12 Fanfiction-Adventskalender 2021) ================================================================================ Kapitel 1: Ein Geburtstag fernab der Feiertage ---------------------------------------------- Am nächsten Abend war die Gruppe nur mit sechs Leuten unterwegs. Sie planten eine Überraschungsparty für Nadine, weil diese zwei Wochen später 23 Jahre alt werden würde. Und Thorben sollte Nadine davon abhalten, heute in die Altstadt zu gehen.   Martina hatte bereits zwei Geburtstagsfeiern in dieser Gruppe mitgekommen. Alle wussten, dass das entsprechende Geburtstagskind zu dem Zeitpunkt der Partyvorbereitungen von jemand anderem aus der Gruppe ferngehalten wurde. Daher wunderte Nadine sich auch nicht darüber, als nur Thorben sich gestern mit ihr verabredet hatte. Er war also das Ablenkungsmanöver.   Gemeinsam überlegten die anderen sechs, was sie dieses Jahr mit Nadine veranstalten würden. Es war kein runder Geburtstag. Daher reichte eine kleine Aktion unter Freunden. Ansonsten hätten sie auch Nadines Familie einweihen müssen.   „Apropos Familie einweihen, wann rufen Nadines Eltern denn meistens an, um ihr zu gratulieren?“, fragte Martina, nachdem ihr der Gedanke kam. Schon bei Thorbens Geburtstagsfeier hatte seine Familie zu den unmöglichsten Zeiten angerufen.   „Unterschiedlich. Letztes Jahr war es am Abend, kurz vor dem Essen.“ Marina schob sich eine Strähne aus der Stirn, welche sie langsam zu ärgern begann.   „Ja, und vorletztes Jahr ganz früh am Morgen, als wir reingefeiert haben, und die beiden uns damit geweckt haben.“, ergänzte Mareike die Ausführungen ihrer Schwester.   „Es kommt darauf an, wann genau Nadines Eltern arbeiten müssen. Die beiden werden vermutlich wieder dann anrufen, wenn beide frei haben. Allerdings denken die beiden dann nicht daran, dass auch ihre Tochter arbeitet.“ Yasmin kannte Nadine schon am längsten, da die beiden bereits im Kindergarten in derselben Gruppe zusammen gespielt hatten.   „Vielleicht denken die beiden dieses mal doch daran.“ Alexander hob sein Glas an die Lippen, um einen großen Schluck zu trinken.   „Aber Alex, da brauchen die beiden dieses Mal nicht daran zu denken. Nadines Geburtstag ist an einem Samstag. Da hat sie immer frei.“ Im Gegensatz zu mir, dachte Yasmin, als sie Alexander darauf aufmerksam machte.   „Langsam aber sicher sollten wir uns wirklich mal überlegen, was wir denn so machen. Wir können die Handys ja mitnehmen, wenn wir unterwegs sind.“ Mareike lehnte sich nach vorne, bereit, die Pläne der anderen zu hören, weil sie selber noch keinen eigenen hatte.   Auch die anderen hatten so schnell keine Idee. Nach einiger Zeit und dem Checken der Wettervorhersage für diesen Tag entschlossen sie sich, eine Schnitzeljagd durch die Stadt zu veranstalten. Die Orte der Schnitzeljagd sollten sich auf Nadines Kindheit beziehen, weshalb Martina nicht viel dazu beisteuern konnte. Yasmin überlegte sich zwei Orte aus der Kindergartenzeit, Marina und Mareike tüftelten über gemeinsame Ausflugsziele, die sie während ihrer Schulzeit unternommen hatten.   Nun brauchten sie noch einen Ort, wo die Überraschungsparty steigen sollte, quasi das Ziel der Schnitzeljagd. Nachdem die Orte feststanden, planten sie den eigentlichen Verlauf der Party.   „Wo werden wir eigentlich starten?“ Martina wusste nicht, ob sich die Gruppe standardmäßig an einem bestimmten Ort traf, wenn eine Geburtstagsparty anstand.   „Stimmt, wir brauchen ja noch den Startpunkt?“ Bei dieser Feststellung schauten sie alle dumm aus der Wäsche. Sie hatten für jeden der geplanten Orte eine Hinweiskarte erstellt, anhand dessen Nadine den nächsten Ort identifizieren können sollte. Aber auch zu dem ersten Ort musste Nadine erst einmal hinfinden.   „Warum machen wir es uns nicht einfach. Wir könnten ja Nadines Wohnung als Startpunkt nehmen?“ Phillip hob die Hand, um eine weitere Runde bestellen zu können, wobei die Kellnerin gerade damit beschäftigt war, zwei Tabletts Getränke auf einen der Nachbartische abzustellen.   „Und wie platzieren wir den Zettel dann in ihre Wohnung? Also, dass nur sie ihn sieht.“ Marina blickte nach unten auf ihr Handy, welches sie gerade aus der Hosentasche geholt hatte. Sie wischte die drei Nachrichten von ihrer Familie weg und las die Vierte von Thorben. Dann begann sie, eine Antwort zu tippen.   „Müssen wir den Zettel überhaupt so anbringen, dass kein anderer ihn sieht?“ Martina achtete nicht auf Marinas Handy, genauso wenig wie auf ihr eigenes, weil dies ohnehin ausgeschaltet zu Hause lag.   „Denke nicht.“ Phillip drehte sich zu der Kellnerin um, welche in Kürze an ihrem Tisch vorbeilaufen würde. Wieder hob er die Hand, doch diese Mal passte er sie explizit ab und bestellte noch eine Runde.   „Wenn wir uns an ihrer Wohnungstür platzieren, können wir sie abfangen, wenn sie rauskommt.“ Alexander ging schon mal in Gedanken die Plätze durch, an denen man gut erkennen konnte, wenn die Haustür geöffnet wurde.   „Weiß denn einer von euch, wann sie vorhat, rauszugehen?“ Mareike selber hatte immer unterschiedliche Zeiten, wann sie am Wochenende rausging. Insbesondere, wenn sie nicht explizit verabredet war. Sie konnte sich vorstellen, dass dies bei Nadine ähnlich aussah.   „Gute Frage. Halten wir Wache?“ Alexander schaute grinsend in die Runde. Er wusste genau, dass es mindestens zwei Personen gab, denen dieser Gedanke nicht behagte.   „Gegenfrage: Bist du bescheuert?“ Yasmin war eine von den beiden. Sie hob ihre rechte Hand, streckte ihren Zeigefinger aus und tippte mit diesen mehrfach an die Stirn, während sie zu Alexander blickte.   „Wieso? Weil ich denke, dass wir sie abfangen können, wenn sie rauskommt?“ Alexander stellte sich dumm. Es wäre viel einfacher, Nadine zu fragen, wann sie vorhat, an dem Samstag nach draußen zu gehen. Die andere Idee gefiel ihm aber deutlich besser.   „Nein, weil du ernsthaft darüber nachdenkst, die ganze Nacht, den ganzen Morgen und eventuell auch den ganzen Tag draußen im Schlafsack zu verbringen; ohne Klo, ohne etwas zu essen und zu trinken, nur um Nadine beim Rauskommen nicht zu verpassen.“ Bei diesen Gedanken schlang Yasmin ihre Arme um ihre Brust und schüttelte sich. Dies wäre ihr eindeutig zu kalt.   „Nun, Yasmin, den ganzen Tag werden wir bestimmt nicht warten. Wir werden den Tag ja alleine schon benötigen, Nadine beim Lösen der Rätsel zu begleiten.“ Phillip schaute zu Marina. „Und, etwas interessantes auf dem Handy?“   Erst da bemerkten auch die anderen, dass Marina nicht mehr an dem Gespräch teilnahm. Sie nippte an ihrem Glas, und erkannte die Gelegenheit, den anderen eine Frage zu stellen: „Thorben fragt, ob wir schon etwas geplant haben. Hab ihm eben von der Schnitzeljagd geschrieben, und dass wir bei Nadine zu Hause starten wollen. Soll ich ihm noch etwas fragen?“   „Ist Thorben noch bei ihr?“, unterbrach Yasmin sie. „Wenn ja, kann er sie dann fragen, wann wir sie an ihrem Geburtstag abholen können?“   „Schreib ich ihm.“ Wieder schaltete Marina ihr Handy ein, diesmal, um eine andere Frage weitergeben zu können. Alle warteten gespannt auf die Antwort. Denn wenn Thorben noch bei Nadine war, und er die Nachricht rechtzeitig sah, brauchten sie sich keine weiteren Gedanken über eventuelle Übernachtungen und Abfangversuchen zu machen. Es vibrierte in Marinas Hand. „10 Uhr, schlägt Nadine vor.“   „Thorben hat ihr doch wohl hoffentlich nicht erzählt, was wir vorhaben?“, fragte Mareike erschrocken. „Sonst ist ja die Überraschung weg.“   „Natürlich nicht, Schwesterchen.“ Marina zwinkerte Mareike zu.   „Du bist auch nur eine Minute älter als ich!“   „Lassen wir das M&M alleine austragen?“, flüsterte Martina, die vom Namen her durchaus auch mit 'M' gemeint sein könnte. Sie wusste genau, dass Einmischungen während einer geschwisterlichen Kabbelei nichts brachten.   Die Kellnerin brachte die Getränke an den Tisch. Am Abend war der Plan ausgearbeitet, und auch Nadine wusste, dass sie ab 10 Uhr von mindestens einen ihrer Freunden abgeholt werden würde. ******   Eine Stunde vor der mit Nadine vereinbarten Zeit traf sich der Rest der Gruppe, um die entsprechenden Hinweiszettel an den jeweiligen Orten zu platzieren. Sie hatten sich in zwei Gruppen aufgeteilt, um die Zettel rechtzeitig anbringen zu können und wieder bei Nadines Wohnung anzukommen, noch bevor die Stunde vorbei war.   Kurz nach 10 traf die zweite Gruppe vor Nadines Wohnungstür ein. Marina klingelte. Nadine kam in einem blauen Kleid und Stöckelschuhen nach draußen.   „An deiner Stelle würde ich mir andere Schuhe anziehen.“, begrüßte Marina sie, noch bevor sie Nadine umarmte und ihr mit einem Küsschen auf die Wange zum Geburtstag gratulierte.   „Noch hast du die Gelegenheit dazu.“, stimmte auch Mareike zu.   „OK? Was habt ihr vor?“ Nadine befreite sich aus der Gruppenumarmung und stemmte ihre Arme in ihre Hüften.   „Verraten wir dir erst, wenn du entsprechend angezogen bist.“ Martina kam erst jetzt dazu, Nadine zu umarmen, weil sie während der Gruppenumarmung außerhalb gestanden hatte.   „Eines vorweg. Du wirst viel laufen.“ Thorben zwinkerte ihr zu.   Viel Laufen? Das klang tatsächlich danach, dass sie sich bequemere Schuhe anziehen sollte. „Bin gleich wieder da.“, sagte Nadine beim Öffnen der Haustür, ging nach oben und suchte sich ihre Joggingschuhe heraus. Als sie wieder nach draußen kam, hatte sie vorsorglich auch ein einfaches Shirt sowie eine Jeanshose in die Tasche gepackt.   Da die Schnitzeljagd Phillips Idee war, überreichte er Nadine den ersten Zettel. Nadine schaute verwundert zu ihm, ehe sie den Zettel aufklappte und las:   Den nächsten Hinweis für das Ziel findest du an dem Beginn unserer Freundschaft.   Jetzt stand Nadine vor einem Rätsel. Nicht nur, dass der Beginn der jeweiligen Freundschaft von Person zu Person unterschiedlich war, nein, auch die Sichtweisen, wann eine Freundschaft zwischen zwei Freunden begonnen hatte, konnte sich unterscheiden. Erstmal musste sie wissen, von wem dieser Zettel stammte. Daher schaute sie sich die Schrift genauer an.   Eine geschwungene Schrift, feine Buchstaben, die trotz der kleinen Schriftgröße gut zu lesen waren. Die Form der Buchstaben hatte nichts mit der Schreibschrift zu tun, die sie in der Grundschule gelernt hatten. Ihre ehemaligen Klassenkameraden fielen daher als Kartenschreiber aus. Diese Schrift kam ihr so vor, als wenn sie von einer Frau stammen würde. Also blieben noch Martina und Yasmin als mögliche Autorin.   Nadine schaute Yasmin und Martina durchdringend an. Martinas Schrift kannte sie nicht. Und an Yasmins Schrift konnte sie sich gerade nicht erinnern. „OK, wer von euch hat dies geschrieben?“   „Das musst du schon selbst herausfinden.“, antwortete Martina, bevor Yasmin etwas erwidern konnte.   „Wie denn, wenn keiner von uns die Schrift der anderen kennt.“ Theatralisch hob Nadine die Arme hoch. Sie selbst schrieb schließlich auch das meiste digital.   Das war einer der Nachteile, wenn man das meiste, was man schrieb, tippte. Dies mussten die anderen sich auch eingestehen. Würden sie denn die Schrift der jeweils anderen erkennen? Marina und Mareike waren sich sicher, dass sie zumindest die Schrift ihrer Schwester kannten. Aber keiner von ihnen kam zu dem Ergebnis, die Schrift aller anderen sicher identifizieren zu können.   „Also gut, es ist mein Zettel.“, gestand Yasmin daher.   Nun, da Nadine wusste, wer den Zettel geschrieben hatte, konnte sie sich der eigentlichen Frage widmen. Yasmin war mit ihr in derselben Kindergartengruppe, weshalb ihr ehemaliger Kindergarten ein möglicher Ort war. Ein weiterer möglicher Ort waren die Häuser, in denen sie damals gewohnt hatten. Diesen Ort verwarf sie allerdings wieder, weil man sich erst anfreundete und danach in der Wohnung traf. Außerdem glaubte Nadine nicht, dass ihre Freunde den nächsten Zettel einfach so an einem Haus befestigen würden, in dem inzwischen fremde Leute wohnten.   Nadine setzte sich in Bewegung. Sie gingen zum ehemaligen Kindergarten. Bei der Wanderung überließen sie Nadine die Führung. Sie wussten noch nicht, wohin Nadine sie führte. Für Yasmin sah die Richtung richtig aus, und sie nickte den anderen daher zu.   Erst als sie beim Kindergarten ankamen, wusste Yasmin, dass Nadine den Ort nicht richtig erkannt hatte. Nadine schaute sich den Briefkasten, die Türe, den Fußabtreter an, konnte aber keinen Zettel finden. Dann lief sie an den Fenstern vorbei. Dort waren zwar viele Zettel zu sehen, allerdings waren auf den meisten Kinderzeichnungen abgebildet. Die Zettel, die tatsächlich Text beinhalteten, kündigten die nächsten Aufführungen der ältesten Gruppen an.   „Sollten wir ihr nicht sagen, dass sie sich am falschen Ort befindet?“, fragte Martina, nachdem sie Nadine eine viertel Stunde beim Suchen nach dem Hinweis beobachtet hatten.   „Wir warten noch zehn Minuten, und wenn sie danach zu uns kommt, sagen wir es ihr.“, schlug Thorben vor.   „Oder wir warten, bis sie von selbst darauf kommt. Sonst machen wir es ihr zu einfach.“, entgegnete Alexander.   „Wie lange darf sie denn für einen Ort brauchen, bis wir es nicht mehr zur Party schaffen?“ Phillip begann, alles im Kopf auszurechnen. Sie hatten sieben Orte ausgewählt, die sich über die Stadt verteilten. Sie waren zu Fuß unterwegs. Die Orte alle anzusteuern würde schon über drei Stunden dauern.   „Die Party wird schon nicht ohne uns stattfinden.“ Dennoch schaltete Mareike ihr Handy ein, um die Uhrzeit im Blick zu behalten. Es war inzwischen schon 11 Uhr.   „Aber doch wohl noch am heutigen Tag.“ Eigentlich hatte Thorben gerade ein ganz anderes Problem. Er hielt Ausschau nach einem Ort, an dem er sich kurz zurückziehen konnte. Aber dennoch wollte er nicht den ganzen Tag auf den Beinen sein. „Sagt mal, ist der Kindergarten eigentlich gerade geöffnet?“   „Ich an eurer Stelle würde mir eher um die Öffn...“ Martina unterbrach, was sie sagen wollte, weil Nadine sich ihnen gerade etwas zu zielstrebig näherte. Thorben lief unterdessen zur Tür, nur um festzustellen, dass diese verschlossen war.   „Und, wo ist der Zettel?“, fragte Nadine, während sie Thorben bei dem Versuch, die Tür zu öffnen, beobachtete. Keiner der anderen antwortete.   „Gegenfrage, wie sicher bist du dir, dass dieser Ort damit gemeint ist?“ Thorben fing sich einen Ellbogen von Alexander ein, als er Nadine diesen Hinweis gab.   „Wenn du schon so fragst, eher nicht.“, antwortete Nadine. Nun dachte sie noch einmal nach. Wenn es nicht der Kindergarten war, wo könnte ihre Freundschaft sonst entstanden sein. Wo waren sie sonst zusammen. „Es war aber keines unserer alten Häuser, oder?“ Nadine hatte diesen Gedanken zwar zuvor verworfen, wollte dies aber vorher wissen, bevor sie sich weitere Gedanken über den möglichen Ort machte.   „Nein“, antwortete Yasmin erschrocken. „Wenn man bedenkt, wie die Leute drauf sind, die dort jetzt wohnen, wäre dies keine gute Idee.“   „Gut, dann muss ich wohl weiter nachdenken.“ Ihre alten Häuser waren es nicht, und auch nicht der Kindergarten. In der Schule waren die beiden nicht in einer Klasse, außerdem waren sie zu diesem Zeitpunkt schon befreundet. Blieben noch die Spielplätze, auf denen sie als Kinder gespielt hatten. „Welcher Spielplatz ist es? Spee'scher Graben oder der am Schwanenmarkt?“ Sie versuchte, anhand von Yasmins Reaktion den richtigen Spielplatz zu ermitteln.   „Find's heraus.“, forderte Yasmin sie heraus. Sie schaffte es, Nadine keinen Anhaltspunkt zu geben. Dies war besonders einfach, da sie die Namen der Spielplätze nicht kannte. Für sie war es damals viel wichtiger gewesen, den Weg dorthin zu kennen.   Nadine ging los. Da der Schwanenmarkt-Spielplatz näher lag, steuerte sie diesen an. Als Kinder durften sie keine allzu weiten Wege alleine zurücklegen, weshalb ihre Eltern ihnen nur die Spielplätze erlaubten, die in der Nähe ihrer Wohnung lagen. Und in ihrem Fall waren es zwei.   Dort angekommen, überlegte Nadine, was sie als Kinder immer gemacht hatten. Die Schaukel war inzwischen erneuert worden, wie auch die Drehscheibe. Die Wippe hingegen hatte noch dieselben ausgeblichene Blumenzeichnung auf beiden Seiten.   Da heute Samstag war, und es aktuell nicht regnete, spielten dort auch einige Kinder. Die Schaukeln waren besetzt, weshalb Nadine sich nicht ihre damalige Lieblingsschaukel anschauen konnte. Zielstrebig steuerte sie daher die Drehscheibe an. Sie setzte sich rein. Im Gegensatz zu früher musste sie ihre Beine anziehen, weil sie inzwischen zu groß für die Drehscheibe war.   An dem Teil, an dem man die Drehung einleiten konnte, klebte kein Zettel. Zumindest oben nicht, weshalb sie sich bückte und versuchte, unter dem Drehrad zu schauen. Nur musste sie bei dem Versuch feststellen, dass sie eindeutig zu groß, oder zu dick war, um unter dem Rad nachschauen zu können.   Wären ihre Freunde in der Lage, einen Zettel unter dem Rad zu befestigen, während diese davon ausgingen, dass sie diesen Zettel fand? Da sie dies nicht ausschließen konnte, tastete Nadine unter dem Rad alles mit ihren Fingern ab. „Iiihhhh“, quietschte sie, als sie den ersten noch feuchten Kaugummi ertastete. „Hoffentlich gibt es nachher die Möglichkeit, die Hände zu waschen.“ Doch jetzt, wo sie den ersten Kaugummi angefasst hatte, konnte sie auch weitersuchen, nur um festzustellen, dass unter dem Drehrad wirklich kein Zettel angebracht wurde.   Sie stieg wieder aus dem Kreisel, nachdem dieser die Drehungen gestoppt hatte. Ihr Blick streifte über die Schaukel, die immer noch belegt war, zu dem Kletterhäuschen mit der Rutsche hin zu den Wippen. Ihre Lieblingswippe von damals war aktuell nicht besetzt, weshalb sie diese als nächstes inspizieren wollte.   Nadine setzte sich auf die Wippe. Auch diese war viel zu klein für sie. Aber hier gab es nicht so viele Verstecke. Sie griff um die Halter und stellte fest, dass dort kein Zettel war. Hier brauchte sie keinen Kaugummi zu befürchten. Doch auch hier war kein Zettel zu finden.   Auf einmal wurde es in dem Kletterhäuschen recht laut. Die Kinder redeten alle durcheinander, doch etwas, was einer der Kinder rief, erregte Nadines Aufmerksamkeit: „Da auf dem Zettel steht 'Der nächste Hinweis findest du an den Ort...'“   Jetzt wusste Nadine, wo sich der Zettel befand. Sie ging zu dem Kletterhäuschen. Im Gegensatz zu früher konnte sie inzwischen in das Häuschen reinschauen. Sie hörte nicht einmal bis zum Ende des Hinweises zu, da sie diesen gleich selbst lesen konnte.   „Hallo Jungs, könnt ihr mir den Zettel mal geben?“, fragte Nadine in die Gruppe. Da keiner der Jungen antwortete, wiederholte sie das Hallo etwas lauter.   Nun registrierten die Jungen sie zwar, aber ihrem Hinweis war sie immer noch nicht näher gekommen. Die Jungen schauten sich gegenseitig an. Einer von ihnen nahm den Zettel von der Wand und knüllte ihn zusammen. Er warf diesen Zettel einem anderen Jungen zu. Nadine sah noch, wie der Junge mit dem Zettel zur Rutsche lief und runterrutschte.   Nadine lief zum Ende der Rutsche, um den Jungen dort abfangen zu können. Die anderen Jungen kletterten oder stiegen währenddessen die Leiter herunter, um Nadine anschließend zu umkreisen. Ihren Blick richtete Nadine weiterhin auf den Zettel. Während der Junge die Rutsche runterrutschte, bemerkte er jedoch diese seltsame Frau, die den Zettel unbedingt haben wollte, wie auch seine Kumpel. Alle Kumpel hielten die Arme hoch. Einer der Kumpel stand in Wurfnähe. Also rief der Junge nur: „Arthur, Fang!“ und warf den Hinweiszettel in Richtung des entsprechenden Jungen.   Eigentlich war dies Nadine zu doof. Sie wollte nicht mit den Kindern spielen, die offenbar beschlossen hatten, sie in ihr Spiel mit einzubeziehen. Dennoch wollte sie den Hinweiszettel haben. Also ging auch sie mit großen Schritten zu der Stelle, an der sie meinte, den Zettel fangen zu können. Immerhin war sie als erwachsene Frau noch etwas größer als die Jungen. Doch der Zettel flog an ihrer Hand vorbei.   Nun richtete Nadine ihre Aufmerksamkeit auf Arthur, der den Zettel in der Hand hielt und mit diesem wedelte. Auch er hielt Ausschau nach seinen Kumpels und überlegte, wen von denen er den Zettel zuwerfen könnte. Auch dieses Mal schaffte Nadine es nicht, den Zettel zu fangen. Sie hatte einfach keine Übung mehr darin.   Nach ein paar weiteren Fehlversuchen gab sie auf. Sie verließ die Gruppe von Jungen, die sich weiterhin den Zettel zuwarfen, und ging zu ihren eigenen Freunden rüber. „Also gut, den Hinweis werde ich nicht bekommen. Was stand da drauf.“   Als die Jungen erkannten, dass es dieser fremden Frau tatsächlich zu viel war, gingen sie zu ihr hin. Arthur, der den Zettel wieder in der Hand hielt, tippte Nadine schüchtern auf den Rücken und hielt ihr den Zettel hin. Nadine nahm diesen entgegen. ******   Auch die nächsten Hinweise fand Nadine, wenn auch nicht in der geplanten Zeit, die die Gruppe vorgesehen hatte. Zu dem Café gelangten sie etwa zwei Stunden später, als ihre Reservierung galt. Dennoch bekamen sie einen Tisch. Und auch, als sie zu der Scheune kamen, die bereits für die Party dekoriert war, war es bereits dunkel. Sie feierten bis tief in die Nacht, bevor sie mit dem Taxi nach Hause fuhren. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)