See you at the bitter end von rokugatsu-go ================================================================================ Kapitel 8: There's never been so much at stake ---------------------------------------------- „There's never been so much at stake“   Placebo, „Every you every me“   Atsushi hatte schon die ganze Zeit, die er hinter Kyoka herrannte, ein ungutes Gefühl gehabt. Dass sie in einer dunklen Seitengasse in ein noch dunkleres Loch im Boden stiegen, machte aus dem unguten Gefühl ein wirklich, wirklich Mieses. „Kyoka?“, fragte er vorsichtig, „wohin gehen wir?“ „Zu meinem Informanten“, antwortete sie ihm, während sie vorauslief und nach einer Weile, in der die beiden durch den finsteren unterirdischen Gang rannten, auf eine Leiter traf, die sie prompt begann, emporzuklettern. „U-und, wer ist dein Informant?“ Atsushi kletterte hinterher. „Er ist nur über diesen Weg hier zu erreichen. Wir können nicht den Vordereingang nehmen.“ Die Leiter führte zu einem Schacht, durch den sie nun hindurch krabbelten. Sie waren ziemlich hoch gestiegen. Befand der Informant sich in einem Hochhaus? Wieso konnten sie nicht den Vordereingang nehmen? Wieso wurde dieses miese, miese Gefühl immer schlimmer? Sie krochen und krochen immer weiter, bis Kyoka an einem Lüftungsgitter anhielt. „Hier ist es.“ Durch die gerasterte Abdeckung konnte man kaum etwas sehen. Darunter schien ein Zimmer zu liegen, aber mehr ließ sich nicht erkennen. „Kannst du das Gitter abnehmen, ohne zu viel Aufmerksamkeit zu erregen?“, fragte sie ihren Begleiter. Atsushi nickte, verwandelte seine rechte Hand in eine Tigerpranke, schlug das Gitter weg und griff hastig nach der fallenden Abdeckung. Unglücklicherweise verlor er dabei das Gleichgewicht und fiel aus dem Schacht hinaus. Sein Sturz was immerhin nur aus geringer Höhe und zu einem Glück, das er kaum fassen konnte, war er auf einem Bett gelandet. Erleichtert atmete er aus. Kyoka sprang derweil gekonnt aus dem Lüftungsschacht und landete elegant neben dem Bett. „Dein Informant wohnt hier?“ Atsushi sah sich in dem Raum um. Obwohl es Tag war, waren die dunkelroten Vorhänge fast vollständig zugezogen und ließen nur wenig Licht in das Zimmer. Im Allgemeinen wirkte der Raum eher dunkel und kühl und unpersönlich. Selbst die Bettdecke, auf der der Junge nun saß, war schwarz. Wer hatte denn schwarze Bettwäsche? So etwas war doch eher ungewöhnlich …. Abrupt überkam das miese Gefühl Atsushi mit voller Wucht. „Kyoka, sag mir bitte, dass dein Informant nicht-“ Eine Tür an der gegenüberliegenden Wand ging auf. Offensichtlich ein angrenzendes Badezimmer. Und derjenige, der dort hinauskam, war der Letzte, den Atsushi hatte sehen wollen. Aber das beruhte auf Gegenseitigkeit. „MENSCHENTIGER??? WAS MACHST DU AUF MEINEM BETT??!!“ Eine Sekunde später war das Bett Geschichte, denn Rashomon hatte es zu Kleinholz zerlegt. Geistesgegenwärtig war Atsushi in Sicherheit gesprungen und stand nun bei Kyoka. „Was zur Hölle macht ihr in meiner Wohnung??!! Habt ihr Todessehnsucht??!!“ Akutagawa setzte zum nächsten Angriff an, als der junge Detektiv panisch mit den Händen wedelte. „Nein! Ich wollte sicher nicht hierher. Kyoka“, er drehte sich fahrig zu dem Mädchen um. „Warum sind wir hier?? Warum sind wir ausgerechnet hier??“ „Ich muss dich etwas fragen.“ Kyoka machte einen Schritt nach vorn. Sie schien überhaupt keine Angst zu haben. „Wenn wir unsere Antwort haben, sind wir sofort wieder weg.“ „Wieso glaubst du, ich würde euch irgendwelche Fragen-“ „Es geht um Dazai“, unterbrach sie ihn forsch. „Dazai?“ Akutagawa löste das bis gerade um ihn herumwabernde Rashomon auf. „Ist in letzter Zeit noch jemand anderes bei dir gewesen, um nach ihm zu fragen?“, fuhr das Mädchen fort und Atsushi blinzelte erstaunt. „Wenn die Angreifer Informationen über ihn und uns sammeln wollten, dann ist es wahrscheinlich, dass sie auch bei Akutagawa waren“, erklärte sie ihm umgehend. „Angreifer?“, hakte der Mafioso interessiert nach. „Dann stimmt es also, was man so hört …. Ihr lästigen Detektive seid tatsächlich angegriffen worden.“ Atsushi schluckte. Das war nicht gut. Wenn die Hafen-Mafia erfuhr, wie es momentan um die Detektei bestellt war, würden sie ihre Vereinbarung womöglich über den Haufen werfen und versuchen, sie endgültig auszulöschen. „Mach dir nicht gleich ins Hemd, Menschentiger. Ist ja peinlich, wie ängstlich du gleich dreinblickst“, sagte Akutagawa verächtlich. „So gerne ich dem Büro der bewaffneten Detektive auch den Gnadenstoß versetzen würde, im Moment bin ich leider mit anderen Dingen beschäftigt.“ Er stutzte. „Ihr denkt die Angriffe auf eure Kollegen haben mit Dazai zu tun?“ „Das denkt er“, antwortete Atsushi. „Er glaubt, die Attentate seien ein Akt persönlicher Rache an ihm.“ „Würde mich nicht wundern“, erwiderte Akutagawa ungerührt. „Ein Mann, der so viele Gräueltaten begangen hat, macht sich nun mal halt Feinde.“ Der silberhaarige Junge unterdrückte das Bedürfnis nachzufragen, was der Ältere mit Gräueltaten meinte. Das war jetzt nicht wichtig … oder? „Sagst du uns jetzt, was du weißt?“, stocherte Kyoka nach. Akutagawa gab ein mürrisches „Hmpf“ von sich, während er nachdachte. „Der Grund, dass ich momentan mit lästigen Arbeiten beschäftigt bin, hat tatsächlich mit den Leuten zu tun, die mich nach Dazai gefragt haben.“ Die beiden Detektive horchten auf. „Zuerst tauchten zwei Briten auf, als Chuuya und ich eine Waffenlieferung in der Speicherstadt überwachten“, erklärte Akutagawa weiter. „Sie waren auf der Suche nach Dazai und Chuuya sagte ihnen, dass er nicht mehr zur Hafen-Mafia, sondern zu dem lächerlichen Büro der bewaffneten Detektive gehörte. Irgendwie kam es zu einem Kampf-“ Atsushi und Kyoka tauschten verstohlen an dieser Stelle wissende Blicke aus. Es kam zu einem Kampf, wenn man Akutagawa und Chuuya über den Weg lief? Wie überraschend. „- und über die Hälfte unserer Waffenlieferung wurde zerstört“, fuhr Akutagawa fort. „Die Briten hatten sich aus dem Staub gemacht. Kurze Zeit später, als eine neue Lieferung kommen sollte, tauchten zwei Iren auf und es gab den gleichen Ärger!!“ Der Mafioso schnaubte zornig bei dieser Erinnerung. „Zwei … Iren?“ Das Entsetzen in Atsushis Gesicht war deutlich und ihm selbst wurde grässlich heiß. „Diese Iren haben auch nach Dazai gefragt??“ „Einer der Iren hat mich in den Wahnsinn getrieben!!“, grollte Akutagawa. „Sagte andauernd etwas von 'Gothic-Style' und wie gut mir das stehen würde!!“ Atsushi wusste sogleich, welchen der beiden er meinte. Es gab keinen Zweifel. Das mussten die beiden gewesen sein, die ihn nach der Detektei gefragt hatten. „Dann habt ihr auch gegen die Iren gekämpft?“, hakte Atsushi nach. „Ja“, Akutagawas Antwort war schon mehr ein Knurren. „Sie tauchen immer mal wieder in der Speicherstadt auf und gehen allen Mitgliedern der Hafen-Mafia auf die Nerven mit ihren Fragen nach Dazai! Mori hat sie längst zum Abschuss freigegeben, aber einer von ihnen hat eine nervige Fähigkeit, mit der sie ständig entkommen. Verdammte Feiglinge!!“ „Kyoka“, entschlossen wandte sich Atsushi an seine Kameradin, „wir müssen die beiden Iren finden!“   Atsushi hatte immer noch Akutagawas erzürntes Grollen im Ohr, das er ihnen wütend hinterhergeschickt hatte, als sie wieder in den Schacht verschwunden waren. „Wenn du noch einmal hier auftauchst, töte ich dich, Menschentiger!!!“ Was glaubte der denn? Dass er ihm noch einen Hausbesuch machen wollte? Der erste war ja schon unfreiwillig gewesen. Nachdem sie wieder aus dem Loch im Boden der Seitengasse geklettert waren, hatten die beiden jungen Detektive sich sofort auf den Weg in die Speicherstadt gemacht. „15:34 Uhr“, murmelte Atsushi sorgenvoll nach einem Blick auf sein Handy. Was wohl mit Kunikida und Dazai war? „Konzentrier dich“, raunte Kyoka ihm zu, als sie zwischen den Lagerhäusern herumschlichen. „Im Moment scheint es hier zwar ruhig zu sein, aber wir sollten es auf jeden Fall vermeiden, zuerst gesehen zu werden.“ „Ja, du hast Recht.“ „Du denkst, du hättest einen Fehler gemacht, als du mit den beiden Iren geredet hast“, stellte Kyoka unumwunden fest. „Aber das hast du nicht. Das, was sie dich gefragt haben, lässt sich immer noch nicht für die Vorbereitung eines Attentats nutzen.“ „Ja, aber das ist es gerade, was keinen Sinn ergibt“, stimmte er ihr nachdenklich zu. „Es ist … als hätten sich mich nach einem Grund gefragt, jemanden nicht zu töten.“ Die Erkenntnis traf Atsushi plötzlich wie ein Blitz. „Wenn die Briten und die Iren zusammengehörten, wären sie nicht getrennt voneinander bei Akutagawa und Chuuya aufgetaucht! Das heißt, die zwei Gruppen verfolgen nicht das gleiche Ziel!“ Kyoka hatte gerade einmal genug Zeit das Gehörte zu verarbeiten, als ihre Instinkte Alarm schlugen. „Hier ist je-mmmppfh!“ Mit Schrecken registrierte der Junge, dass jemand pfeilschnell aus den Schatten der Gebäude getreten war, seine Kameradin von hinten gepackt hatte und ihr den Mund zuhielt. „Sei nicht so grob, Jimmy. Das arme Mädchen“, hörte Atsushi eine Stimme hinter sich leise nörgeln und wirbelte aufgeschreckt zu dieser herum. Wilde stand dort und gab ihnen eine Zeichen, dass sie leise sein sollten. Derweil hatte Kyoka sich so weit frei strampeln können, dass sie Joyce, der sie festgehalten hatte, einen kräftigen Stoß mit ihrem Ellbogen hatte versetzen können. „Autsch!“ Er ließ sie los. „Shht“, ermahnte Wilde ihn. „Leise. Die Hafen-Mafia lungert die Straße weiter unten herum und aus unerklärlichen Gründen sind die gar nicht gut auf uns zu sprechen.“ „Ich spüre gar keine Tötungsabsicht bei den beiden.“ Kyoka hatte eigentlich nach ihrem Schwert greifen wollen, aber stattdessen blinzelte sie irritiert die Männer an. „Das … sind sie.“ Atsushi brauchte einen Moment, um sich zu fassen. „Die Iren.“ „Tötungsabsicht?“ Joyce humpelte nach Kyokas Schlag in seine Körpermitte zähneknirschend zu seinem Gefährten. „Wie kommt ihr denn auf so etwas?“ „Bitte!“, rief Atsushi aus, ehe Wilde ein erneutes „Shht!“ dazwischen zischte und der Junge seine Stimme senkte. „Sie müssen uns alles sagen, was Sie über die Angriffe auf das Büro der bewaffneten Detektive wissen.“ Die beiden Iren tauschten einen betretenen Blick aus. „Nun gut“, sagte Wilde nach einer Weile des Schweigens, „das ist wohl das Mindeste, was wir tun können.“ Ein trauriges Lächeln huschte über sein Gesicht. „Es ist wahrscheinlich das einzige, was wir tun können und nach allem, was ihr bereits durchmachen musstet, ist es lächerlich wenig.“ Ein Hauch von Erleichterung machte sich in Atsushi breit. Endlich würden sie ein paar Informationen erhalten. Vielleicht ließ sich das Ganze so endlich stoppen und keiner ihrer Freunde würde mehr in Gefahr gebracht werden. Ein Klingeln riss ihn aus seinem Hoffen. „Shht!“, machten Wilde und Joyce gleichzeitig und Atsushi beeilte sich, an sein Handy zu gehen. „Ja?“ „A … tsu … shi ...“ Panikartig zog sich alles in dem Jungen zusammen. „Haruno? Was ist los? Ist etwas passiert??“ Schier endlose Sekunden verstrichen, in denen die Sekretärin nicht antwortete und als sie es endlich tat, klang ihre Stimme merkwürdig, nicht nur weil sie zitterte, sondern auch weil sie klang, als hätte sie Schwierigkeiten, die Worte herauszubringen. „Der … der Ch-chef … du musst … ihr müsst … kommt … schnell ...“ Oh nein! Oh nein! Bitte nicht!, war alles, was Atsushi angsterfüllt durch den Kopf ging. „Wir sind gleich da!“   15:00 Uhr. Angespannt sah Fukuzawa zu der Uhr, die im Flur des Krankenhauses an einer Wand hing. Es war die Zeit, zu der Dazai und Kunikida sich auf dem Platz vor den alten Backstein-Lagerhäusern einfinden sollten. Er musste ihnen vertrauen. Er musste darauf vertrauen, dass sie die Lage unter Kontrolle bekämen und dabei nicht selbst verletzt würden. Niedergeschlagen blickte er in das Zimmer zu seiner Rechten. Yosano, Ranpo und Kenji lagen darin, nach wie vor alle bewusstlos. Haruno saß an ihrer Seite. Seine Augen wanderten zu seiner Linken. Er hatte das Krankenhaus darum gebeten, Tanizaki, der eben erst aus dem OP gekommen war, in das gegenüberliegende Zimmer zu betten, sodass Fukuzawa vom Flur aus beide Räume im Blick behalten konnte. Alles, was er jetzt für sie tun konnte, war, darüber zu wachen, dass ihnen nicht noch mehr Schaden zugefügt werden konnte. Und trotzdem – schon lange hatte er sich nicht mehr so hilflos gefühlt. Die Detektei hatte für sie alle ein sicherer Ort sein sollen, aber jetzt sahen sie sich einem Feind ausgesetzt, der so geschickt und hinterlistig vorging, dass nicht einmal Dazai ihm beikommen konnte. Dazai. Fukuzawa atmete gedankenschwer aus. Wenn er Recht hatte, und das hatte Dazai meistens, dann waren diese Attentäter hinter ihm her. Doch auch daraus ließ sich kein Entschluss zum Handeln ableiten. Es kam nicht in Frage, Dazai auszuliefern. Er war ein wertvolles Mitglied der Detektei, ein Kamerad und ihnen allen wichtig. Im Besonderen Atsushi. Die Gedankengänge des Chefs wurden jäh unterbrochen, als er bemerkte, wie am anderen Ende des Flurs sich plötzlich Krankenhauspersonal und Patienten, die sich dort aufhielten, krümmten und ohnmächtig zusammenbrachen. Sie waren hier. „Chef.“ Haruno kam aus dem Zimmer und klammerte sich an den Türrahmen. Offensichtlich hatte sie Schwierigkeiten aufrecht zu stehen. „Irgend … etwas … ist … selt … sam ...“ Instinktiv schritt Fukuzawa zu ihr und hielt sie fest, ehe sie tatsächlich umkippen konnte. „Haruno?! Was ist mir dir?“ Sie war kaum noch ansprechbar. Da kam Naomi zur anderen Tür heraus und tastete sich ebenfalls an der Wand entlang. „Mein … Kopf ...“, sagte das dunkelhaarige Mädchen und schwankte dabei immer schlimmer. „Mein Kopf … fühlt sich … so seltsam an … so leicht … und doch so … schwer ...“ Als Fukuzawa sah, dass Naomi ebenso zu stürzen drohte, legte er Haruno geschwind und doch behutsam auf dem Boden ab und fing gerade noch rechtzeitig Naomi auf. Er stutzte, als ihm plötzlich schwindelig wurde. Sicher, seine Bewegungen waren hastig gewesen, aber unter normalen Umständen würde ihm so etwas niemals etwas ausmachen. Irgendetwas musste in der Luft sein. Mit der gleichen Sorgfalt wie bei Haruno legte er Naomi auf dem Boden ab und stand wieder auf. Mit einem Mal dröhnte sein Kopf, die Sicht vor seinen Augen verschwamm und Fukuzawa musste sich mit einer Hand gegen die Wand abstützen, um auf den Beinen zu bleiben. Sollte das das Gift sein, mit dem Yosano und Kenji angegriffen worden waren? Sein Blick ging zu der Lüftungsanlage, die sich über ihm in der Decke des Flurs befand. Konnten sie das Gift etwa über die Luft verteilen? „Ich hatte schon befürchtet, dass Sie es mir nicht einfach machen werden.“ Die Stimme eines jungen Mannes ließ Fukuzawas Blick in den Gang zurückschnellen. Er musste ein paar Mal blinzeln, damit seine Sicht wieder etwas klarer wurde. Wenige Meter vor ihm stand ein junger Mann mit kurzen, rotbraunen Haaren und einem Kurzschwert, das an seiner Hüfte baumelte. „Sie bekommen so viel Soma ab und stehen immer noch?“, fuhr er fort. „Das ist wirklich eine beachtliche Leistung.“ „So … ma?“, hakte Fukuzawa atemlos nach. Er hatte das Gefühl, dass seine Lunge brannte. „Seien Sie aber nicht zu stolz auf Ihre Leistung“, sagte der Jüngere und lächelte ein eiskaltes Lächeln. „Denn für die anderen Patienten und das Personal und auch die beiden jungen Damen hier“, er zeigte auf die bewusstlosen Bürokräfte, während er näher kam, „wäre eine noch höhere Dosis eher schädlich. Daher zwingen Sie uns bitte nicht, noch mehr Soma einsetzen zu müssen.“ Hatte dieser Junge eine Fähigkeit, mit der er dieses Gift freisetzen konnte? Wieso sonst war er scheinbar immun dagegen? Aber er war hier und nicht in der Nähe der Lüftungsanlage …. Fukuzawa kämpfte gegen den Nebelschleier an, der sich über sein Denken legen wollte. Nein, er musste einen Komplizen haben, der dieses Gift verteilte und ihn dagegen immun gemacht hatte. „Was … wollen Sie?“ Es kostete ihn unheimlich viel Anstrengung, einen zusammenhängenden Satz zu bilden. Der junge Mann zog sein Kurzschwert. „Nur eine Botschaft hinterlassen. Für einen Ihrer Angestellten.“ Nur einen Augenaufschlag, nachdem er dies gesagt hatte, ging er in Windeseile zum Angriff über. Noch während der Angreifer auf ihn losstürmte, ging Fukuzawa seine Möglichkeiten durch. Sein Körper fühlte sich viel zu schwer und erschöpft an, um seine übliche Kampftechniken auszuführen und auch sein Denken war beeinträchtigt. Lange würde er so nicht durchhalten, doch jetzt in diesem Moment blieb ihm gar keine andere Wahl. Die Klingen beider Schwerter trafen mit einem lauten metallischen Klirren aufeinander. Schnell wuchs Fukuzawas Frustration darüber, wie sehr dieses Gift oder was es war, nicht nur seine Stärke negativ beeinflusste, sondern auch seine Reaktionsfähigkeit. Er konnte gerade so die Angriffe seines Widersachers parieren, obwohl es ihm als erfahrenem Schwertkämpfer rasch aufgefallen war, dass die Technik des Jüngeren bei weitem nicht so ausgefeilt war wie die seine. Trotzdem. Er musste, alles, was er aufbringen konnte, in diesen Versuch legen. Es ging darum seine Mitarbeiter zu beschützen und obwohl sein Körper seinen Befehlen nicht so gehorchte, wie er es gewohnt war, setzte Fukuzawa mit aller Kraft einen Fuß vor den anderen, um den Kampfplatz an einen anderen Ort zu verlagern. Er wehrte einen Hieb seines Gegners ab und schaffte es, im gleichen Atemzug einen Gegenschlag auszuführen, der den Anderen am Arm verletzte. Wenn er es vollbrachte, ihn kampfunfähig zu machen, dann könnten sie durch ihn in Erfahrung bringen, wie viele weitere Attentäter es noch gab. Der jüngere Mann brachte geschwind Distanz zwischen sich und den Chef, nachdem er getroffen worden war und begann, höhnisch zu lachen. „Das ist wirklich herzerwärmend und sehr edelmütig von Ihnen“, sagte er, als er trotz der blutenden Wunde an seinem Arm lachte. „Glauben Sie, ich hätte noch nicht bemerkt, dass Sie versuchen, mich von den Zimmern ihrer Untergebenen wegzudrängen?“ Fukuzawa antwortete mit einem harschen Blick und umklammerte den Griff seines Schwertes noch etwas fester. Seine Hände hatten angefangen zu zittern. Was auch immer er hier eingeatmet hatte, es ließ seinen Körper immer träger und unkontrollierbarer werden. „Das Tragische ist“, fuhr sein Kontrahent fort, „dass Sie wahrscheinlich wirklich kein schlechter Mensch sind. Und auch Ihre Untergebenen vermutlich nicht.“ „Warum … trachten Sie uns dann … nach dem Leben?“ „Weil Sie alle einen Fehler gemacht haben.“ „Und welchen?“ Der letzte Rest des Lachens verstummte und die Miene des jungen Mannes verfinsterte sich drastisch. „So gesehen ist es doch Ihre Schuld, dass Ihre Angestellten verletzt wurden. Wie konnten Sie ein Monster wie Osamu Dazai bei sich aufnehmen?“ Wie zuvor hatte Fukuzawa dafür als Reaktion nur einen unerbittlichen Blick übrig, ehe er seine letzte Kraft bündelte und zu einem weiteren Angriff übergehen wollte. „Stopp!“ Noch bevor er seinen Gegner hatte erreichen können, hallte die Stimme eines weiteren Mannes durch den Gang, der sich nun hinter ihnen befand. Fukuzawa hielt abrupt inne und warf einen Blick zurück. Auch wenn seine Sicht inzwischen so verschwommen war, dass er alles nur noch schemenhaft wahrnehmen konnte, erkannte er, dass bei den Mädchen ein dunkelhaariger Mann in einem beigefarbenen Anzug kniete. Jede seiner Hände berührte ein Handgelenk der Bürokräfte. „Werfen Sie das Schwert weg, sonst haben Sie diese jungen Damen auf dem Gewissen.“ Umgehend tat Fukuzawa wie ihm befohlen worden war. „Drehen Sie sich zu mir um“, ordnete der Dunkelhaarige an und auch dies tat der Chef, wohlwissend, dass man einem bewaffneten Gegner nicht den Rücken zuwandte. Die kleine Bewegung des Umdrehens ließ Fukuzawa beinahe das Gleichgewicht verlieren. „Sie haben inzwischen herausgefunden, wie Sie Ihre Leute vor weiterem Schaden bewahren können, nicht wahr?“, fragte der Mann im Anzug, während er schwerfällig aufstand. „Wenn wir ihn haben, wird es aufhören.“ „Ich werde … keinen meiner Leute … ausliefern ...“ „Richten Sie ihm dies trotzdem bitte aus.“ Im nächsten Moment spürte Fukuzawa einen stechenden Schmerz in seiner rechten Schulter und kurz darauf die Wärme seines eigenes Blutes, das aus der ihm gerade zugefügten Verletzung quoll und sich über seine Brust und seinen Rücken verteilte. Der junge Mann hatte ihm hinterrücks das Kurzschwert durch die Schulter gerammt. Geschwächt durch Gift und Verletzung fiel Fukuzawa sofort auf die Knie und ging schließlich völlig zu Boden. „Ich hatte das hier unter Kontrolle, Aldous“, beschwerte sich der Jüngere der Attentäter, als sie an ihm vorbei schritten und weggingen. „Du blutest“, entgegnete der Angesprochene fürsorglich. „Und du sollst nicht unnötig Soma freisetzen. Du siehst ganz blass aus.“ Ihre Stimmen verstummten in der Ferne und vollkommen kraftlos am Boden liegend ging Fukuzawa immer und immer wieder nur ein einziger Satz durch den Kopf: „Wie konnten Sie ein Monster wie Osamu Dazai bei sich aufnehmen?“ „Dazai ...“, raunte er, ehe sein Körper der Erschöpfung nachgab und er das Bewusstsein verlor. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)