Wintergeschichten von WeißeWölfinLarka (Adventskalender-Aktion des YuKa-Zirkel 2020) ================================================================================ 06.12.: ES WAR EIN UNFALL, ich schwör! - Kooperation von FreeWolf und WeißeWölfinLarka -------------------------------------------------------------------------------------- „Papa? Paaapaaa!“  Gous Ruf hallte erfolglos durch den Flur hinein in das Bücherzimmer des Hiwatari-Anwesens. Eigentlich hatte der Siebenjährige seinen Vater dort vermutet. Frustriert schnaubte er. Er rückte den Schokoladennikolaus, den Mathilda ihm vor ihrer Abreise in seinen Hauspantoffel vor dem Bett versteckt hatte, unter seinem Arm zurecht, damit er nicht hinunterfiel, und setzte seine Suche fort. Immerhin musste er seinem Papa doch sein neues Hobby zeigen! Und dann würden sie zusammen spielen und dann würde er den Schokoladen-Nikolaus von Mathilda ganz alleine aufessen! Er zog weiter gen Küche. Da waren sie ja beide, sein Papa und Papotchka. Wie immer mit roten Köpfen und Gesichtern, die sie immer hatten, wenn Gou sie länger suchen musste, obwohl sie eigentlich da waren. Sie sahen dann immer ein bisschen so aus, wie Gous Gesicht sich anfühlte, wenn er etwas Verbotenes getan und von Mathilda oder Misaki Obaa-chan dabei ertappt worden war.  Kai hätte schwören können, dass Gou sie mit einem sehr prüfenden Blick musterte, bevor er auf sie zugelaufen kam und seine Hände ausstreckte. Yuriys Hand streckte sich automatisch aus, um dem Stöpsel durchs wuschelige Haar zu fahren, er war in den vergangenen anderthalb Jahren so groß geworden! „Nicht die Haare, Papotschka! Guckt!“  Die beiden Erwachsenen sahen hinab auf die Handflächen. In der einen lag so etwas wie eine Spielzeugpistole, auf eine sehr abstrakte Art; daneben eine Reißleine. In der anderen lag ein ... ja, wie sollte man das beschreiben, ein moderner Brummkreisel aus Hartplastik, der mit Stickern von Peppa Pig übersäht war. In Kais Nacken stellten sich die feinen Härchen auf und „War Flashbacks“ langer Autofahrten mit der Titelmelodie zogen vor seinem inneren Auge vorbei. Als hätte Yuriy das gespürt, rieb er liebevoll über Kais Nacken (was nicht hilfreich war, da das dessen Aufmerksamkeit auf seine Mitte lenkte, weil an seinem empfindlichen Hals gerade noch Yuriys Lippen gewütet hatten).  „Was hast du da, Gou?“, fragte er und fühlte, wie Kai sich sichtlich entspannte. „Das ist ein Bähblet. Mathilda und ich gucken eine neue Zeichentrickserie! Da machen die das, um die Welt zu retten!“  „Um die... Ja, natürlich, klar. Und wie geht das?“, fragte Yuriy betont interessiert und hockte sich, von Kai ablassend, neben Gou.  „Zeichentrickserie?“, hakte Kai ein bisschen streng nach.  „Wenn Kinderstunde läuft!“, versicherte sein Sohn ihm hochheilig. Kai gestattete zwanzig Minuten bis eine halbe Stunde TV täglich und da konnte er sich auch auf Mathilda verlassen. Meistens forderte Gou diese „Kinderstunde“ am Fernseher auch gar nicht mehr ein, weil ihn neuerdings viele andere Dinge interessierten, seit Kai mit Yuriy zusammen war. „Mathilda hat den Bähblet mit mir zusammen gekauft. Von meinem Sparschweingeld!“ Stolz zeigte Gou Yuriy alle bunten Sticker auf dem dunkelblauen „Bähblet“, wie der Kreisel offensichtlich in Fachkreisen genannt wurde.  „Guck mal, den tut man hier drauf...“, erklärte Gou anschließend fachmännisch und klickte den Kreisel in die vorgesehener Halterung.  „Jetzt muss die Reißleine hier rein... In meinen Starter!“, kommentierte er und schob die gelbe Reißleine in den Zackentunnel, wobei sich der „Bähblet“ in der Halterung mehrmals um sich selbst drehte. Beeindruckt nickte Yuriy.  „Du bist ja technisch sehr versiert!“  Kai rollte die Augen, wie immer, wenn Yuriy mit seinem Sohn so eloquent sprach. Dadurch hatte Gou viel zu viele blasierte Worte gelernt. (Insgeheim liebte Kai das eigentlich...) „Und jetzt?“, fragte Kai. Gou musste feststellen, dass er durch den Nikolaus unter seinem Arm in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt war und drückte Yuriy den vorbereiteten Kreisel in die Hand, bevor er davon eilte und seine Schokoladigkeit neben dem Wohnzimmertisch in Sicherheit brachte. Er hatte gelernt, dass Dinge, die irgendwo drauf standen, auch runterfallen konnten, und ein solches Unglück wollte er seinem Nikolo ersparen. Anschließend grabschte er sein Spielzeug wortlos aus Yuriys Händen zurück, um seinen Vätern zu zeigen, was nun kam.  „Dann muss ich ganz doll ziehen!“ Gou riss mit Schmackes an der Reißleine, und der Kreisel flog surrend aus der Halterung, kam zweimal hüpfend auf den Fliesen auf, um dann nach kurzer Zeit an Geschwindkeit zu verlieren und umzukippen.  „Seht ihr? In der Serie kämpfen die Guten immer gegen die Bösen, und die müssen dann trainieren, damit die das schaffen.“ „Ist das etwa mit Blut?!“ „Neiiin, boah Papa! Das ist Sport! Und die machen auch bei einer Weltmeisterschaft mit, denn wer der beste ist, muss auch die Welt retten!“ „Verstehe...“ Kai schmunzelte. „Ich spiel das immer mit Makoto, aber der ist mit seinen Eltern im Urlaub“, schmollte Gou und sammelte den „Bähblet“ wieder auf.  „Spielt ihr mit mir?“ „Mischka, dein Papa und ich wollten eigentlich...“, begann Yuriy sanft, wurde aber unterbrochen. „Ihr müsst mit mir spielen!“, forderte der Siebenjährige resolut. Yuriy warf einen hilflosen Blick zu Kai, der nur mit den Schultern zuckte. Mathilda war für einen (wohl verdienten) verlängerten Weihnachtsurlaub zu ihren Eltern nach Deutschland geflogen. Auch wenn Misaki versprochen hatte, sie an Wochenenden zu unterstützen, würden sie ihren Sohn wohl alleine beschäftigen müssen. Nicht, dass das etwas Schlechtes wäre - aber der kleine Wirbelwind verlangte ihnen beiden schon einiges ab, und scheinbar immer genau dann, wenn sie einander eigentlich gerade die Kleider vom Leib reißen wollten oder postkoitales Serotonin genossen.  „Aber Gou, bräuchten wir nicht zwei... ähm... Bäibläds? Du hast schließlich erzählt, dass die Guten gegen die Bösen kämpfen und man trainiert, dann können wir das ja gar nicht mit dir spielen“, kam Kai Yuriy zu Hilfe. Gous Gesicht erhellte sich.  „Makoto hat seinen hier vergessen, den nehmen wir!“, triumphierte er und rauschte davon.  „So viel zu Quickie in der Küche...“, seufzte Kai. „Du und deine unersättliche Libido“, zog Yuriy ihn auf.   „Wir trainieren jetzt!“, verkündete Gou wenig später. Freudestrahlend hielt er einen violetten Kreisel mit orangenem Starter in der Hand. Auch dieser war mit Stickern übersäht - mit keiner geringenen Ikone der kindlichen Früherziehung als Dora the Explorer! Yuriy akzeptierte den Beyblade mit stoischem Blick und bedachte Kai mit einem mitleidigen, der die zweifelhafte Ehre hatte, Peppa Pig zu führen. „Stellt euch in Position!“, befahl da Gou und das ... Training ging tatsächlich sofort los. Kai folgte den Anweisungen seines Sohnes halb enthusiastisch, während er mehrmals den Beyblade startete und der kleine Mann seine Haltung korrigierte. „Der Spirit deines Beyblades wird dir zeigen, wie du deine Arme richtig halten musst!“, gab Gou altklug das Wissen, das er sich wohl durch die Zeichentrickserie angeeignet hatte, weiter. Kai verbiss sich ein Lachen und schielte zu Yuriy, der wenigstens eine genauso dumme Figur machte wie er: Sie hockten auf dem Küchenboden, Plastikkreisel in den Händen, ein überglückliches Kind zwischen sich. „Mache ich das so richtig?“, kam es da vom Rotschopf, der seinen Starter absichtlich verkehrt hielt, damit Gou ihn korrigierte. Dies tat der Siebenjährige auch sogleich mit fröhlichem Glucksen. „Nein, Papotchka, du machst das ja ganz falsch! Das geht anders!“   Eine gefühlte Ewigkeit später schien es auch Yuriy zu langweilig zu werden, der die ganze Prozedur bislang mit einer Engelsgeduld über sich ergehen ließ. Er stupste Kai an, der dadurch beinahe aus dem Gleichgewicht geriet. „Wie wäre es mit einem Wettrennen?“, schlug er also vor, was ihm einen empörten Ausruf von Gou erntete. „Mit Beyblades macht man keine Wettrennen!“, protestierte er. „Man kämpft gegeneinander!“ Kai blickte Yuriy mit hochgezogener Augenbraue an. „Eben, Yura, man kämpft gegeneinander“, wiederholte er triezend. Ein schelmisches Grinsen zog sich über das Gesicht des Rotschopfes. „Der erste, dessen Beyblade aufhört zu kreiseln, macht für die ganze nächste Woche den Abwasch“, forderte er Kai heraus. Dies juckte den Ehrgeiz des Japaners. „Deal“, stimmte er nickend zu. Die beiden Männer maßen einander mit Blicken, während sie die Spielzeugkreisel in die dafür vorgesehenen Starter steckten und sich auf den Boden in Position hockten. Gou stellte sich in Schiedsrichtermanier - das hatte er wohl in dem Anime gesehen, das Mathilda neuerdings mit ihm schaute, wenn Kai und Yuriy beide in Arbeit versanken - zwischen sie und hob die Hand. „Die Regeln sind: Wer zuerst einen Punkt macht, gewinnt! Man bekommt einen Punkt, wenn man den anderen Beyblade aus der Arena kickt oder wenn der Gegner aufhört zu kreiseln!“ Kai verbiss sich ein Lachen und zwinkerte zu Yuriy. Der Rothaarige sah ernst zu Gou, und der Anblick allein ließ das Herz des Japaners weich werden wie Butter in der Sonne. Er schüttelte den Kopf als Gou das Signal zum Starten gab. „Drei, zwei, eins, let it rip!“, krakehlte er und Kai zog an der Reißleine. Yuriy tat es ihm gleich, und gleich darauf eierten zwei Beyblades voller Sticker - Dora the Explorer versus Peppa Pig - aufeinander zu. Sie hatten überraschend viel Schwung und trafen mit überraschender Stärke aufeinander. Die beiden Plastikkreisel schlingerten in unterschiedliche Richtungen. Während Dora the Explorer gegen die Kücheninsel prallte und dort einen Kratzer im Holz der Fußleiste hinterließ, taumelte Peppa Pig unaufhaltsam auf den Schokoladen-Nikolaus zu. Kai hielt unwillkürlich den Atem an, während er beobachtete, wie die Katastrophe sich entfaltete. Der Beyblade traf auf den Nikolaus und man hörte ein bedenkliches Knacken - ähnlich wie bei einem Osterhasen aus Schokolade, dem man den Kopf abbiss - und der Nikolaus kippte nach vorne, um Peppa Pig unter sich zu begraben. Nur noch der feine Aluminiummantel hielt ihn am Rücken zusammen. Er war entzwei gebrochen. Yuriy zog scharf die Luft ein, während Gou, der ihn gerade noch lautstark angefeuert hatte plötzlich sehr, sehr, sehr still wurde. Kai musste nicht hinsehen, um zu wissen, dass sein Gesicht sich auf die Weise verzog, die nur eines bedeuten konnte: eine Sintflut aus Tränen.   Misaki kam in dem Moment zur Tür herein, als Gou lauthals zu weinen begann und Kai und Yuriy das Opfer ihres Duells ratlos in den Händen hielten. Misaki war sich nicht sicher, wen sie zuerst trösten sollte: ihren Sohn oder ihren Enkel. Gou nahm ihr die Entscheidung ab, indem er sich in ihre Arme stürzte. „Obaa-chan-“, schluchzte er, seine Stimme eine Anklage. „Si-sie ha-haben d-den Nikolaus getötet!“ Misaki hob eine Augenbraue in Richtung ihres Sohnes und seines Partners. „Wie habt ihr denn das geschafft?“ Kai und Yuriy hoben die Starter in ihren Händen und wiesen zeitgleich auf den jeweils anderen, nachdem sie sich einen Moment lang mit Blicken gemessen hatten. „Es war ein Unfall!“ - „Er war's!“ Yuriy ignorierte den anklagenden Blick, den Kai auf ihn richtete und verschränkte grinsend die Arme vor der Brust. „Fest steht jedenfalls, dass wir die Schokolade jetzt alle essen müssen“, stellte er fest. Gous Weinen wurde augenblicklich leiser und er drehte sich halb in Misakis Armen. „Müssen wir?“, hakte er skeptisch nach. „Ja. Nur bei deinem Papa bin ich mir nicht ganz sicher. Immerhin hat er das Match verloren“ „Hey! Es gab kein offizielles Ende des Matches!“, protestierte der Angesprochene. Misaki hob eine Augenbraue. „Sehr erwachsen“, Misaki sah sich um, um das Opfer des ... Beybladekampfes? Was war nur in Kai und Yuriy gefahren? - zu identifizieren und nickte in Richtung des zerstörten Schokoladennikolauses. Dann wandte sie sich ihrem Enkel zu. „Ich glaube, die Schokolade ist nur für uns zwei gedacht. Oder?“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)