Falling From Grace von Last_Tear ================================================================================ Kapitel 1: With Broken Wings (Issay - Teil 1) --------------------------------------------- Langsam schloss Issay die Augen und atmete tief durch. Jeden Tag der gleiche Ablauf. Es war ermüdend. Sicherlich war es gut für die Disziplin, aber er langweilte sich. Obwohl ihm alles weh tat, er Akira dafür verfluchte, dass er ihnen den Auftrag versaut hatte und der Hunger an ihm nagte. Sein Geist kam einfach nicht zur Ruhe, seine Gedanken sprangen wild hin und her, wie gefangene Eichhörnchen in einem Käfig. Dies wurde erst gestoppt, als sich jemand neben ihn auf die Matratze fallen ließ und ein warnendes Knurren entkam ihm. Keita. Natürlich. Wer würde es auch sonst wagen, ihn jetzt noch zu belästigen? „Was willst du?“ Sein Gegenüber lachte leise und Issay verdrehte die Augen. Natürlich war der Andere noch genau so fit wie er selbst. Sie waren auf einem Level was ihre Fitness anging, aber körperlich war er stärker. Dafür konnte sich Keita schneller auf neue Situationen einstellen und in Sekundenschnelle einen Ausweg für gefährliche Situationen finden. So auch heute, sonst wäre wohl nicht nur einer von ihnen gestorben. Und genau dieser Umstand war es auch, der Issay davon abhielt, Keita zu erwürgen. „Ich kann nicht schlafen und wollte mich mit jemandem unterhalten. Der Rest schläft tief und fest und du weißt, dass wir nicht mehr raus gehen dürfen, wenn es dunkel ist.“ Ja, das wusste er. Das wussten sie alle nur zu gut und Issay verdrehte die Augen, bevor er von seinem Bett aufstand und ans Fenster trat, dass er einen Blick hinaus werfen konnte. Viel half es ihm nicht, alles was er sehen konnte, war endlose Dunkelheit, als hätte jemand das Licht gefangen genommen und weigerte sich, es wieder frei zu lassen. Aber theoretisch wäre das alles absolut kein Hindernis gewesen, ihren Schlafsaal doch zu verlassen. Nur praktisch war mehr als ein Junge verschwunden, der sich nach der Sperrstunde hinaus gewagt hatte und das war das Letzte, was er wollte. Einfach so verschwinden. Dafür hatte er zu hart gearbeitet, sich zu viel erkämpft, zu viele Prüfungen bestanden und Narben davon getragen. Er war nicht bereit, sein Leben leichtfertig wegzuwerfen, so wie Akira. „Du hast mir immer noch nicht gesagt, worüber du dich unterhalten willst, Keita und meine Geduld ist längst aufgebraucht.“ Statt eine Antwort zu erhalten, spürte er, wie der Andere sich an ihn kuschelte und ein Seufzen entkam seinen Lippen. Wie sollte er es ihm verübeln nach allem was passiert war heute? Es war nur eine Umarmung, nichts was ihn schwächen würde. Ihr Ausbilder mochte der Meinung sein, dass Gefühle in dieser Welt unnötig waren, etwas dass kein Auftragsmörder besitzen sollte, aber Issay selbst war in diesem Punkt anderer Meinung und er wusste, dass es Keita genau so ging. Dementsprechend verschränkte er nur ihre Finger miteinander, hielt den Anderen eng bei sich und starrte weiter vor sich hin in die Finsternis. Eine Ewigkeit schien zu vergehen in welcher sie nur da standen und aus der Anwesenheit des Anderen Kraft zogen, bis Keita die Stille schließlich doch durchbrach. „Ich hab Angst, Issay. Was ist, wenn mir genau so ein Fehler passiert, wie Akira? Oder schlimmer? Wenn ich die nächste Prüfung nicht schaffe?“ Oh. Natürlich. Damit hätte er rechnen müssen, früher oder später. „Mit diesem Selbstbewusstsein schaffst du nicht mal die Trainingsrunde zum Frühstück.“ Erneut breitete sich Stille zwischen ihnen aus, nur ab und an unterbrochen wenn einer der anderen Jungs im Schlafsaal sich unruhig im Bett hin und her drehte aber auch das hörte nach kurzer Zeit auf. Keita schien nichts mehr zu sagen zu haben und als er müde davon wurde, zu stehen, zog er den Anderen einfach richtig in seine Arme und zurück ins Bett. Wenn niemand etwas davon mitbekam, würde niemand sie zurecht weisen können. Der neue Tag hingegen kam beinahe zu schnell. Schlaf war nicht einfach zu finden gewesen und kurz vor Sonnenaufgang hatte sich Keita zurück in sein eigenes Bett geschlichen um dort noch zumindest eine halbe Stunde zu verbringen, bis ihr Ausbilder den Raum betrat und das Licht anschaltete. Issay fühlte sich schwindlig als er aufstand, aber er zwang sich, ruhig zu stehen. Er war nicht in Stimmung direkt zurecht gewiesen zu werden. Davon ab, würde es an seinem Ego kratzen, wenn er wegen so einer Kleinigkeit Minuspunkte sammeln und in der Gunst ihres Ausbilders sinken würde. Die Inspektion dauerte keine zehn Minuten - in den letzten fünf Jahren hatten sie alle gelernt, worauf es ankam und dass es besser war, keinen Ärger für eine falsche Haltung zu riskieren oder zerrissene, unsaubere Kleidung. Es wunderte Issay kein bisschen, dass sie statt in den Speisesaal heute direkt nach draußen geführt wurden und kaum, dass sie ihre erste Runde rannten, schweiften seine Gedanken wieder ab. Natürlich war es normal, dass sie Zweifel hatten, ob sie gut genug waren, sie hatten zwar so weit überlebt, aber es gab immer einen nächsten Tag, der ihr letzter sein könnte. Einen Gegner, den sie nicht überwältigen konnten. Sicherlich wurden sie im Team ausgebildet aber Issay machte sich keine Illusionen. Ihre Ausbildung näherte sich dem Ende. Sieben Jahre waren ihnen an ihrem ersten Tag zugesprochen worden. Sieben Jahre, welche nichtmal die Hälfte soweit überlebt gehabt hatte. Wer wusste, wie viele von den anderen neun Jungs in den nächsten zwei Jahren noch übrig bleiben würden? Nein, acht, korrigierte er sich in Gedanken. Sie waren durch Akiras Verlust vielleicht durcheinander geraten, aber keiner seiner Kameraden zeigte eine Regung, während sie Runde um Runde auf dem alten Fabrikgelände liefen und diese Tatsache entlockte ihm doch ein kleines Schmunzeln. Er hätte nie gedacht, dass ihm überhaupt jemals jemand wichtig werden würde, aber diese Jungs waren längst zu seiner Familie geworden. Gut, mit zehn Jahren hatte er eben eine sehr düstere Sicht aufs Leben gehabt, nachdem er in einem Waisenhaus aufgewachsen war und ihn keiner hatte haben wollen. Geändert hatte sich daran eigentlich nur sein Überlebenswille. Egal was noch passieren würde, diese Welt würde es nicht schaffen, ihn in die Knie zu zwingen, weswegen er ruhig weiter lief, selbst als sein Magen zu knurren begann. Es war unwichtig. Nicht von Belang. Fast wäre er wieder in Gedanken versunken, konnte sich jedoch gerade noch rechtzeitig davon abhalten und stoppte mitten im Schritt, als ein Stein vor seinen Füßen landete. Beinahe automatisch sprang Issay zur Seite, rollte sich ab und kniff die Augen zusammen. Verdammt. „Wäre das eine Granate gewesen, wie hoch schätzt du deine Überlebenschancen ein?“ Die Stimme ihres Ausbilders war bar jeglicher Emotionen und Issay schluckte, als er zu dem älteren Mann aufsah. „Fünf oder zehn Prozent. Ich war nicht schnell genug und es gab keinen ausreichenden Schutz.“ Einige Sekunden lang sahen sie sich gegenseitig an, dann bückte sich ihr Ausbilder um den Stein wieder aufzuheben und in seinen Händen zu drehen. „Richtig. Und jetzt sag mir, was will ich mit einem toten Jungen, Issay? Wir haben gestern Akira verloren. Willst du der Nächste sein?“ Verdammt. Statt zu antworten starrte Issay auf den Boden vor sich, zwang sich ruhig zu atmen. Er wusste, dass er immer noch zu oft in Gedanken abschweifte wenn sie liefen. Aber es war schwer, sich zu konzentrieren, wenn er nicht sicher sagen konnte wie lange er geschlafen hatte. Ausreden. Alles Ausreden. Schweigen war offenbar ebenfalls die falsche Entscheidung gewesen, da ihm der Kopf in den Nacken gerissen wurde und automatisch versuchte er sich zu wehren, was zur Folge hatte, dass er schlussendlich von ihrem Ausbilder in den Schwitzkasten genommen wurde, welcher ihm gleichzeitig die Luft abdrückte. „Denkst du wirklich, ich werde meine Zeit mit jemandem verschwenden der so langsam ist, dass eine Granate ihn problemlos in Stücke reißen kann? Wenn du gegen Riku verlierst, wars das. Haben wir uns verstanden?“ Er konnte nicht mal nicken, nur erstickt nach Luft schnappen als er wieder los gelassen wurde und stolperte automatisch einige Schritte nach hinten. Er würde nicht verlieren. Ihr Ausbilder hatte sich bereits abgewandt, aber Issay brauchte einige Sekunden, bis er wieder etwas anderes sehen konnte, als dessen Rücken. Das perfekte Ziel. Ein gezielter Stich in den Lungenflügel…Es war so viel leichter jemanden von hinten zu erstechen, wenn man sich mit Anatomie auskannte und genau wusste, wo die Knochen lagen. Schade, dass er nichts bei sich trug, was er als Stichwaffe verwenden konnte…Issay schüttelte langsam den Kopf, nein das war zu früh. Auch wenn er sich das als Ziel gesetzt gehabt hatte, notfalls ihren Ausbilder zu töten, bevor er selbst getötet wurde. Noch nicht. Allein wie schnell dieser ihn überwältigt gehabt hatte, zeigte ihm dass er noch mehr Training brauchte und deswegen stellte er sich brav neben seine Kameraden, welche ihr Ausbilder mittlerweile hatte antreten lassen und konzentrierte die Wut in seinem Inneren darauf, zu atmen. Wut machte blind, wenn man sich ihr komplett hingab. Die Kampfteams für den Tag waren schnell verteilt und als Riku ihn düster angrinste, konnte Issay nicht anders, als ebenfalls zu grinsen. Einfach würde das nicht werden. Riku schien von ihnen allen am Meisten Muskeln angesetzt zu haben, außerdem war er mindestens einen halben Kopf größer als er selbst und bekannt dafür, erst zuzuschlagen und dann Fragen zu stellen, sofern das Opfer noch am Leben war. Zwar war es ihnen verboten, ihre Trainingspartner zu töten oder schwer zu verletzen, aber Riku hatte so einigen von ihnen bereits eine Schulter ausgerenkt. Und das war eine Erfahrung auf die Issay dankend verzichten konnte. Wie erwartet durften sie den Anfang machen - wenn er verlor würde ihr Ausbilder ihn für den Rest des Trainings so lange als Sandsack nutzen, bis es einen Grund gab ihn zu töten. Dann, wenn die anderen Jungs fertig waren, mit ihm zu spielen. Issay seufzte leise, während er sich seine schulterlangen Haare mit einem Band zusammenfasste. Dann würde er sich wohl was überlegen müssen. Hatte er nicht gestern seine Schlagringe eingesteckt gehabt? „Na was ist denn? Ich dachte, Mädchen machen immer den Anfang.“ Riku lachte amüsiert, während die restlichen Jungs langsam einen Kreis um sie gebildet gehabt hatten und Issay hob knapp eine Augenbraue. „Hat dir keiner beigebracht, dass du deinen Feind nicht unterschätzen sollst, Riku?“ Damit schob sich Issay die Schlagringe über die Fingerknöchel, prüfte kurz ob diese richtig saßen, bevor er einen lässigen Schritt auf den anderen Jungen zu gemacht hatte. Im nächsten Moment hatte er Riku hart in den Magen getreten und beobachtet befriedigt, wie dieser einige Schritte zurück taumelte und auf die Knie sank. Ein Knurren kam von Riku und als dieser sich wieder erhob, war Issay vorsorglich einige Schritte zurück gegangen, wich dem folgenden Schlagangriff gekonnt aus und schlug selbst zurück. Riku mochte den Vorteil haben, stärker zu sein, als sie alle, aber das bedeutete auch eines - er vernachlässigte seine Deckung. Massiv. Und genau diesem Umstand hatte es Issay zu verdanken, dass seine Faust problemlos mit der Wange des Anderen kollidiert war. Auf den ersten Schlag folgte direkt ein zweiter und als Riku sich soweit gefangen gehabt hatte um ebenfalls anzugreifen, reichte es Issay, sich zu ducken und abzurollen, als Riku versuchte ihn zu treten. In diesem Moment war alles aus seinem Kopf verbannt, das was zählte war sein Gegenüber - welches mit jeder Sekunde wütender wurde, weil er es nicht schaffte, ihn ebenfalls zu treffen. Ein gezielter Tritt gegen Rikus Schienbein ließ diesen vor Wut brüllen und dieses Mal schaffte es Issay nicht, dem Angriff ausweichen, weswegen er sich im Staub wieder fand und sich gerade noch abrollen konnte, bevor Rikus Ellenbogen dort mit dem Boden kollidierte wo zuvor noch sein Kopf gewesen war. Das reichte. Offenbar wollte der Andere ja wirklich Blut sehen und ein Knurren verließ Issays Lippen, bevor er dazu übergegangen war, Riku mit angetäuschten Schlägen und Tritten so sehr zu verwirren, dass es ein leichtes für ihn war, diesem das Nasenbein zu zerschmettern. Der Anblick war wirklich erbärmlich und Issay hatte gerade ausholen wollen, um es zu beenden, als ihr Ausbilder sich zwischen ihn und Riku stellte und ihn zurück in die Realität brachte. „Offenbar habe ich mich ja doch in dir getäuscht, Issay. Weiter so.“ Ein Schlag auf seine Schulter ließ ihn leicht zucken und er starrte stumm auf seinen Trainingspartner. Riku lag zusammengekauert auf dem Boden, presste die Hände an seine blutende Nase und weinte. Ihr Ausbilder hatte sich längst dem zweiten Trainingskampf zugewandt und Issay hatte sich gerade umdreht um seine Schlagringe wieder in der Hosentasche zu verstauen, als ihm auf die Schulter getippt wurde. Der Schlag kam so schnell, dass ausweichen unmöglich war und als Rikus Faust mit seiner Schläfe kollidierte, wurde alles um ihn herum schwarz. Als Issay wieder zu sich kam, lag er in seinem Bett und kniff erstmal die Augen gegen die Helligkeit zusammen. Was hatte er sich auch ausgerechnet das Bett direkt neben dem Fenster aussuchen müssen? „Du bist wieder wach…“ Huh. Er blinzelte irritiert und als er den Kopf auf die andere Seite drehte, sah er direkt in Keitas besorgtes Gesicht. „Entschuldige, ich hab nicht aufgepasst, Riku hat dich böse erwischt, du bist umgefallen wie ein Stein.“ Issay verzog das Gesicht und fluchte im nächsten Moment. Das erklärte wenigstens wieso er so grauenvolle Kopfschmerzen hatte. Dass Keita ihm ein nasses Tuch auf die Stirn gelegt gehabt hatte, merkte er jedoch erst, als dieser das Tuch vorsichtig wendete und Issay schnaubte leise, durfte doch echt nicht wahr sein. „Du kannst nichts dafür, Kei. Ich bin selbst Schuld, ich weiß, dass man einem Feind nicht den Rücken zu dreht, solange er noch lebt. Aber ich dachte, dass er sich an die Regeln hält.“ Keita seufzte leise und Issay zwang ein zuversichtliches Lächeln auf seine Lippen, griff vorsichtig nach der Hand des Anderen und drückte diese sanft. „Hey…Sag mir lieber wie dein Trainingskampf lief.“ Jetzt war es an Keita zu lächeln und Issays Herz machte einen kleinen Satz. Keita hatte so ein wunderschönes Lächeln, er tat es nur viel zu selten. „Gut. Ich hab Neji den rechten Arm ausgerenkt und musste ihn dann K.O. setzen, weil er trotzdem weiter gemacht hätte. Aber du musst dir keine Sorgen machen, Ishikawa-sensei meinte dass du dich gut geschlagen hast und der Überraschungsangriff von Riku gegen die Regeln war, also schläft er die nächste Zeit im Bunker.“ Immerhin etwas. Auch wenn Issay erschauderte bei der Erwähnung des Bunkers - sie nannten dieses Zimmer so, weil es absolut keine Fenster hatte, eine Tür und gerade so groß war, dass zwei Personen darin Platz hatten. Es war dunkel, kalt und man hörte dort drinnen immer Geräusche, egal ob Wind wehte oder nicht. Perfekt um jemanden in den Wahnsinn zu treiben und er war wahnsinnig froh dass er dort nur drei Tage verbracht hatte. „Heißt, keine Nachtwanderung heute?“ Keita schmunzelte nur und auch Issay musste lächeln, so wie sein Kopf dröhnte, wäre er wirklich nicht zu gebrauchen um irgendetwas im Wald aufzuspüren. Weder Tiere, noch Menschen. „Ich bring dir was mit. Wenn dir langweilig wird, kannst du dich ja mit Neji unterhalten, er spricht nicht mehr mit mir. Ansonsten solltest du versuchen liegen zu bleiben, wenn es geht, ja? Und ich hab dir was zu trinken besorgt.“ Issay murrte, als er den Kopf wieder in die andere Richtung gedreht hatte und machte große Augen, als ihm bewusst wurde, dass dort nicht nur eine Trinkflasche standen, sondern zwei. „Keita…“ Dieser hingegen grinste nur, bevor er sich vom Bett erhob und ihm nochmal zuzwinkerte. „Lauf nicht weg, ich komm zurück.“ Damit hatte er den Raum verlassen und Issay starrte ihm nach, während er zu verarbeiten versuchte, wieso Keita seine Wasserration für ihn aufgegeben hatte. Kapitel 2: With Broken Wings (Issay - Teil 2) --------------------------------------------- Einatmen, ausatmen. Ruhig bleiben und nicht die Panik die Oberhand gewinnen lassen. Issay ließ den Kopf in den Nacken kippen und presste sich eine Hand auf den Mund um seinen Atem zu regulieren, was schwer war, wenn man die Umstände bedachte, die ihn in diese Situation gebracht gehabt hatten. Natürlich hatte er gewusst, dass dieser Tag irgendwann kommen, aber er hatte nie erwartet, dass es so schlimm werden würde. Riku war tot. Hingerichtet durch einen Kopfschuss vor ihren Augen während ihr Ausbilder ihnen lachend mitgeteilt gehabt hatte, dass die Spiele eröffnet waren. Dreißig Jungs waren sie an dem Tag gewesen, an welchem sie ihre Ausbildung begonnen hatten. Jetzt waren nur noch fünf übrig, mit ihm eingeschlossen. Er hatte absolut keine Ahnung wo die anderen Jungs waren, aber er wusste, dass sie ihn töten würden, wenn sie ihn erwischten. Genau wie es von ihnen erwartet wurde. Weil das ihre Abschlussprüfung war. Mord an den Kameraden, die sie seit Jahren kannten. Es war grausam, aber erschreckend effektiv. Wer auch hier keine Skrupel zeigte, würde diese nie wieder im Leben haben. Perfekte Mörder hatten schließlich kein Gewissen und waren nur sich selbst treu. Für einige Sekunden erlaubte sich Issay die Augen zu schließen, um sich wieder fangen zu können. Er musste nur darauf achten, dass er nicht gehört wurde, immerhin war er doch deutlich im Nachteil mit seinen Schlagringen. Vielleicht hätte er sich doch auf eine Waffe spezialisieren sollen, wie der Rest. Aber er hatte einfach keine gefunden, die sich gut anfühlte auf Dauer. Er hatte Grundkenntnisse mit Schuss- und Klingenwaffen, wie alle Jungs. Aber am Wohlsten fühlte er sich einfach ohne Waffen. Es war seltsam zu erklären, aber wenn er jemandem das Genick brach, konnte er fühlen, dass das Zielobjekt tot war. Bei Waffen war ihm das Risiko zu hoch, dass das Opfer doch noch überleben konnte. Ein Schrei ganz in seiner Nähe ließ Issay zusammen zucken und er biss sich auf die Unterlippe um gegen den Reflex anzukämpfen, zurück zu laufen. Ein zweiter Schrei folgte, deutlich lauter, welcher jedoch urplötzlich abbrach als hätte jemand einen Schalter umgelegt und Issay fluchte lautlos. Also war Aki bereits aus dem Rennen. Dabei hatte jeder darauf gewettet, dass dieser noch am Weitesten von ihnen kommen würde. Ob Keita noch lebte? Was war mit Neji? Er hatte gerade zwei Schritte nach links gemacht, als etwas direkt neben ihm an die Wand schlug und er rannte. Issay hatte es gerade noch geschafft, von der Galerie zu springen, auf welcher er sich bisher verschanzt gehabt hatte, dann erschütterte eine Explosion die Lagerhalle in welcher sie ihre Abschlussprüfung durchstehen mussten und er rollte sich in die Ecke, schlang die Arme um seinen Kopf und hoffte auf das Beste. Wider Erwarten traf ihn kein herabfallender Schutt, aber ein Stahlträger fiel knapp neben seinem Bein zu Boden und Issay verzog das Gesicht. Das hätte zu schweren Verletzungen führen können, wenn er getroffen worden wäre. Mindestens ein Knochenbruch…Und dann hätte er sich gleich vom Leben verabschieden können. Verdammt. Also war Neji noch am Leben. „Komm raus, Issay. Ich weiß dass du da bist.“ Noch eine Explosion zwang Issay sich aus seinem Versteck zu bewegen und er huschte geduckt in die nächste Ecke, aus welcher er die Galerie noch im Blick hatte. Wenn Neji ihn ebenfalls sah…Wäre er wohl am Ende. Die Lagerhalle war zum größten Teil leer, das war sein Nachteil. Nichts, wo er sich würde verstecken können. Andererseits war es fraglich ob man sich vor einem Sprengstoffexperten überhaupt würde verstecken können? „Hab dich, Häschen.“ Es lief Issay eiskalt über den Rücken bei diesen Worten und gleich noch mal, als er das wahnsinnige Grinsen auf Nejis Lippen wahrnehmen konnte. Das war definitiv nicht gut. Genau so wenig wie die Handgranate welche er in der Hand des Anderen erkennen konnte. „Neji, bitte…“ Dieser schüttelte langsam den Kopf und Issay sah sich beinahe panisch nach einer Fluchtmöglichkeit um. „Nein mein Hübscher, hier kommt nur einer lebendig raus…“ Weiter kam Neji gar nicht und Issay beobachtete mit schreckensweiten Augen wie dieser lautlos zusammen sank und die Handgranate fallen ließ. Alles was er hatte tun können, war sich in die Ecke zu drängen, in die Hocke zu gehen und die Hände auf die Ohren zu pressen. Trotzdem war die Explosion laut genug, dass ihm die Ohren klingelten und seine komplette Wahrnehmung durcheinander geriet. Erst als er von der Wand wegstolperte, spürte er einen brennen Schmerz am Rücken und verzog das Gesicht. Offenbar war es eine gute Idee gewesen, dem Raum den Rücken zuzudrehen, ansonsten hätte er mit Pech Splitter in die Augen bekommen oder keine Nase mehr. Nach kurzem Nachtasten war er wenigstens beruhigt, dass die Haut halbwegs intakt war, keine Knochen welche hervor standen und er wischte sich die blutige Hand an seiner Hose ab. Dann musste er nur schauen dass er weiter kam. Nach drei weiteren Schritten jedoch war er erstmal zusammen gesunken als ihn eine unerwartete Welle Schwindel und Übelkeit erreichte und erschauderte. Das war nicht gut. Es kostete Issay einiges an Mühe zumindest soweit auf die Beine zu kommen, dass er krabbeln konnte, immer darauf bedacht, voran zu kommen und weg von der Stelle an welcher die Granate explodiert war. Dass Neji so einfach außer Gefecht gesetzt worden war, ließ nur einen Schluss zu - Keita. Und der war der Letzte, gegen den er kämpfen wollte. Irgendwo hinter mehreren Kisten war er schließlich zusammen gesunken und schloss die Augen. Er spürte nur zu deutlich dass er am ganzen Körper zitterte und wie flach sein Atem geworden war. Wieso war ihm eigentlich jetzt so wahnsinnig kalt? Er musste doch weiter. Er musste schauen, dass er ihren Ausbilder erledigte, bevor ihn einer der anderen Jungs erwischte. An sich konnten allerdings nur noch Fumio und Keita übrig sein. Ein Messerwerfer und ein Scharfschütze, was sollte da schon schief gehen? Ein leises Schluchzen entkam Issay und er brauchte einige Momente, bis ihm bewusst wurde, dass er sich gerade in einer Schockphase befand. Ausgelöst durch die Verbrennungen seines Rückens und er biss sich hart auf die Unterlippe. Würde er so sterben? Hilflos und nicht im Stande sich zu verteidigen? Er wollte das nicht. Allerdings begann alles vor seinen Augen zu verschwimmen und er fluchte leise. Hätte er nur eine andere Ausrüstung gewählt. Oder wenigstens eine Distanzwaffe bei sich geführt. So aber war er sich mehr als sicher dass das hier das Ende war. Er hatte keine Chance mehr und als sich ihm leise Schritte näherten, kniff Issay die Augen zusammen. Er wollte nicht sehen, wer ihn gefunden hatte. Er wollte nur noch, dass es vorbei war. So hatte er sich diesen Tag zwar nicht vorgestellt, aber dass sowieso nie passierte, was man wollte, war er schon gewohnt. Die Schritte stoppten vor seinem Versteck aber er machte sich keine Illusionen, er lag hier wortwörtlich auf dem Präsentierteller. Er hatte keine Kraft gehabt um sich soweit hinter die Kisten zu ziehen, dass man ihn gar nicht mehr sehen konnte und die schwarzen Militärstiefel waren doch ziemlich verräterisch. Allerdings machte die folgende Stille ihn nervös und als er es unter einiger Anstrengung doch geschafft gehabt hatte, die Augen wieder zu öffnen, stand Keita vor ihm und musterte ihn stumm. Verdammt. Einerseits bedeutete es, dass es schnell vorbei sein würde, der Tod durch eine Kugel war weniger schmerzhaft als durch eine Klinge. Aber andererseits…hatte er ihm doch noch so viel sagen wollen. Immerhin war der Andere die ganzen Jahre über an seiner Seite gewesen. Sie hatten so viel zusammen durchgestanden. Womit er nicht gerechnet hatte, war dass Keita seine Jacke ausziehen würde und während dieser ihm noch half, die schwere Lederjacke über seine Arme zu bekommen, begann sich alles um Issay zu drehen. Erneut und ihm wurde wieder bewusst, wie wenig sie eigentlich auf diese Situation vorbereitet waren. Er war so schrecklich durstig mit einem Schlag. „Kei…Keita.“ Issay musste schlucken, zuckte leicht, als der Andere ihn auf seinen Schoß zog und er gab ein leises Wimmern von sich, bevor er das Gesicht an Keitas Halsbeuge vergrub und tief einatmete. Kaffee, Schießpulver und Leder. Eine eigenartige Mischung, vor allem der Kaffeegeruch irritierte ihn, aber er fand nicht die richtigen Worte um nachzufragen. „Sht. Ruh dich ein bisschen aus und dann beenden wir das hier.“ Issay schluchzte erneut auf, dieses Mal kamen ihm auch die Tränen, aber er war schneller eingeschlafen, als er noch hätte protestieren können. Immerhin schien Keita ihn wirklich nicht erschießen zu wollen, dessen Jacke war wunderbar warm und er wusste einfach, dass er ihm vertrauen konnte. Als er wenige Stunden später wieder wach wurde, dauerte es etwas, bis Issay sich soweit orientiert hatte, dass er wieder wusste, wo er war. Sein Kopf dröhnte nicht mehr ganz so schrecklich, das Zittern hatte aufgehört und für einen Moment war er wirklich versucht, die Augen wieder zu schließen um weiter zu schlafen. Allerdings wäre das hier wohl der falsche Ort dafür. Keita hatte die Augen geschlossen gehabt, aber als Issay vorsichtig von dessen Schoß rutschte, blinzelte der Andere kurz, dann legte sich ein Lächeln auf seine Lippen, welches Issay nur schwach erwiderte. „Fühlst du dich besser?“ „Du meinst, von den Schmerzen abgesehen? Ja.“ Issay grinste schief, bevor er sich zögerlich durch die Haare fuhr und irritiert bemerkte, dass sie offen waren. Dabei hatte er sie doch heute morgen zusammen gemacht…“Danke, dass du auf mich aufgepasst hast.“ Statt einer Antwort hielt ihm Keita stumm sein Haarband entgegen und Issay hob eine Augenbraue, bevor er dieses annahm und seine Haare wieder zusammen fasste. „Fumio ist tot. So wie es klang hat Ishikawa ihn bei lebendigem Leib in Stücke geschnitten.“ Keita zuckte mit den Schultern und Issay atmete tief durch. Das konnte nur eines bedeuten. „Dann holen wir uns dieses Arschloch und beenden das alles.“ Auf Keitas überraschten Blick konnte er gar nicht anders, als zu lachen. „Dachtest du echt, ich überlass dir die Ehre? Vergiss es.“ Damit hatte er ihm die Hand hingehalten und als Keita diese zögerlich ergriff, wippte Issay summend mit den Augenbrauen. „Lass uns gehen. Wenn er tot ist, spricht nichts mehr dagegen uns eine neue Zukunft aufzubauen.“ Der sanfte Händedruck des Anderen war ihm Bestätigung genug und als Keita nach seiner Waffe griff, lag eine grimmige Genugtuung in dessen Blick. Wenn nur noch sie übrig waren, welchen Sinn hatte es denn noch, sich gegenseitig zu bekämpfen? Etwas, dass die anderen Jungs nicht hatten verstehen können oder wollen. Auftragsmörder oder nicht, im Team war man stärker. Verletzlicher, aber auch abgesichert. Und genau das war der Grund, wieso Issay zuversichtlich war, dass sie es schaffen würden, ihren Ausbilder zu töten. Weil dieser niemals damit rechnen würde, dass zwei seiner Jungs sich verbünden könnten. Ishikawa war leicht zu finden gewesen. Dieser hatte sich in das ehemalige Büro zurück gezogen und ging dort auf und ab. Ob er sie erwartete, stand jedoch in den Sternen, da dieser immer wieder etwas vor sich hin murmelte. Vielleicht telefonierte er ja auch einfach nur? Oder er war wahnsinnig geworden. Eventuell rechnete er sich auch die Chancen aus, dass alle seine Jungs sterben würden. DAS wäre sicherlich nicht das, was ihr Ausbilder gewollt hätte, aber solche Dinge ließen sich nur schwer planen. Was wenn war der größte Feind in solchen Szenarien und Issay empfand eine fast schon bösartige Genugtuung bei dem Gedanken daran, dass dieser Mann wahnsinnig werden könnte, weil sein toller Plan nicht aufging. Aber das war eben das Überraschungselement, welches man nie einberechnen konnte. Theoretisch hätten sie auch einfach gehen können. Alles hinter sich lassen und verschwinden, jedoch wussten sie beide, dass es das nicht beenden würde. Sie waren hier, um zu töten und sie würden töten. Issay wechselte einen Blick mit Keita, welcher sich mittlerweile in Position gebracht gehabt hatte und nickte ihm zu, dieser zeigte ihm einen Daumen nach oben. Perfekt dann waren sie bereit. Keita hatte vielleicht nicht mehr viel Munition übrig, aber es würde reichen. Issay atmete noch mal tief durch, bevor er einen Schritt zurück trat, dass er jetzt selbst gut sichtbar war durch das große Fenster. Theoretisch hätte ein Kopfschuss ausgereicht. Aber dieser Mann sollte leiden. Sicher würde es ihre Kameraden nicht mehr zurück bringen oder lebendig machen, die Strapazen der vergangenen Jahren würden nicht urplötzlich ungeschehen sein. Allerdings gab es ein Gefühl, welches all das mit sich bringen würde. Freiheit. „Hey, Ishikawa. Versteckst du dich da oben, weil du Angst hast, dass dich jemand finden kann?!“ Issay lachte leise, als er beobachten konnte wie der Kopf des Mannes sich zu ihm drehte und jegliche Farbe aus dessen Gesicht wich. „Wie kann es sein, dass ausgerechnet DU überlebt hast? Du hättest als Erstes drauf gehen sollen!“ Oh. War das etwa ein wunder Punkt? So wütend hatte er ihren Ausbilder noch nie gesehen. „Mit dieser miesen Ausrüstung…!“ Issay wich vorsorglich ein paar Schritte zurück, als Ishikawa auf ihn zugestürmt kam und er konnte sich gerade so unter dem ersten Schlag ducken. So wie es aussah, erinnerte ihr Ausbilder sich nicht mehr an seine eigenen Worte sich niemals von seiner Wut leiten zu lassen. Umso besser für ihn. So war es ein Leichtes für Issay, jetzt zurück zu schlagen und zu treffen. Der erste Schlag traf das rechte Schulterblatt und er war verdammt froh, immer noch seine Schlagringe zu tragen. Auch der zweite Gegenangriff seines Ausbilders war nicht präzise genug um ihn zu treffen, dafür schaffte er es, ihm einen harten Schlag gegen die Wange zu verpassen, der sein Gegenüber ins straucheln brachte. Gerade als dieser versuchte sich zu fangen, sank er zusammen und Issay war wahnsinnig dankbar dafür, dass Keita seinen Schalldämpfer immer noch hatte. Allein der irritierte Blick auf dem Gesicht ihres Ausbilders war es wert, als er realisierte, dass ihm gerade eine Kugel in die Kniescheibe gejagt worden war. Bevor dieser sich von dem Schock erholt gehabt hatte, hatte Issay ihm mit einem düsteren Lächeln den Fuß auf die Kehle gestellt und schüttelte den Kopf. „Game Over!“ Hätte er schneller zugetreten, hätte Ishikawa keine Zeit gehabt, ihn am Knöchel zu packen und Issay fand sich schneller auf dem Boden wieder, als ihm lieb war. Dass er dabei auf dem Rücken gelandet war, machte die Sache nicht besser und für einige Sekunden versuchte er wieder zu Atem zu kommen, bevor er sich aufrappeln könnte. Hätte Keita ihrem Ausbilder nicht in die Schulter geschossen, hätte Issay nicht mehr aufstehen können. So aber war Ishikawa abgelenkt genug und dieses Mal schlug Issay direkt zu. Jeder Treffer den er landen konnte, war mehr als eine Genugtuung und als er deutlich hören konnte, wie die Nase seines Gegenübers brach, lachte er leise auf. „Ist der alte Mann etwa müde geworden?“ Vielleicht war es keine gute Idee gewesen, sein Gegenüber zu provozieren, aber er konnte nicht anders. Er wollte sehen, wie weit er diesen Mann reizen konnte. Mit einem abfälligen Schnauben wischte sich Issay das Blut aus dem Gesicht und spuckte auf den Boden. Der Kampf hatte sich länger gezogen, als gedacht. Er hatte ein paar unschöne Tritte abbekommen, die es ihm schwer gemacht hatten, zu atmen und hätte er es nicht geschafft, ihrem Ausbilder das Messer am Bein zu entwenden, wäre das vielleicht doch anders ausgegangen. So aber hatte er ihm die Kehle durchgeschnitten, nachdem Keita mit einer seiner letzten Kugeln ihren Ausbilder zurück auf den Boden geschickt gehabt hatte. Was für eine Sauerei. „Ey Keita…Komm her.“ Lange dauerte es nicht bis sein bester Freund neben ihm stand und mit einem dunklen Grinsen hatte dieser seine Waffe angesetzt und ihrem Ausbilder eine Kugel ins Herz gejagt. Issay schwankte etwas und als Keita sich hin kniete um die Leiche zu durchsuchen, begann er einen Ausweg für sie zu suchen. Langsam ging das Adrenalin zurück, dafür kam das Zittern wieder und er war sich nicht sicher, wie lange er noch stehen bleiben konnte. Es war endlich vorbei. „Hey, Issay.“ Als Keita zu ihm aufgeholt gehabt hatte, war er froh, dass dieser ihn wieder an sich zog und schloss für einige Sekunden die Augen. „Weißt du, was der Mistkerl dabei hatte? Ein Handy.“ Issay lachte leise und auch Keita stimmte mit ein, bevor er stehen blieb und in die Hocke ging. „Komm hoch. Ich will noch eben das Büro durchsuchen und du schaust, als ob du mir gleich zusammen klappst, da lass ich dich nicht allein.“ Issay brummte nur noch, während er auf den Rücken des Anderen kletterte und die Augen schloss. Er schien eingeschlafen zu sein, denn als er das nächste Mal die Augen öffnete, befanden sie sich irgendwo im Wald, Keita hatte einen Rucksack an seiner Brust baumeln und er hörte ein paar Vögel zwitschern. Es war so eine absurde Situation dass Issay sich nicht sicher war, ob er nicht doch halluzinierte oder gestorben war. „Kei…“ Dieser sah kurz zu ihm, dann konzentrierte er sich wieder auf den Weg vor ihnen und Issay schloss die Augen. „Ich bring uns in Sicherheit, alles gut.“ Als Issay dieses Mal die Augen wieder öffnete, befanden sie sich am Waldrand, Keita saß auf dem Boden, an einen Baumstamm gelehnt und schien zu dösen, während er Issay wieder eng in seine Arme gezogen und eng an sich gedrückt gehabt hatte und automatisch fühlte er sich schlecht. Er hätte nicht schlafen dürfen. Aber er war so erschöpft gewesen. Er wagte es nicht, sich zu bewegen, aber als Issay Sirenen hören konnte, welche sich ihnen näherten, konnte er nicht anders, als zusammen zu zucken. Keita jedoch zog ihn enger sich heran und Issay sah irritiert zu diesem hoch. „Ich hab uns einen Krankenwagen gerufen, Issay. Alles wird gut.“ Keita hatte gerade so ausreden können, bevor er ihn geküsst hatte und während dieser den Kuss grinsend vertiefte, war Issay wahnsinnig dankbar, dass er sich mit dem Anderen angefreundet gehabt hatte damals. Die Sirenen kamen näher, aber gerade hätte die Welt untergehen können und es hätte ihn nicht gestört. Erst als sie Stimmen hörten, hatten sie den Kuss gelöst und Issay ließ die Fingerspitzen sanft über Keitas Wange gleiten. „Ich liebe dich.“ „Ich liebe dich auch.“ ▬▬▬▬▬▬▬▬▬▬▬▬▬▬▬▬▬▬▬▬▬▬▬▬▬▬▬▬▬▬▬▬▬▬▬▬▬▬▬▬▬▬▬▬▬▬▬▬▬▬▬▬▬▬▬▬▬▬▬▬▬▬▬▬ Noch ein paar Fakten zu diesem Kapitel (die eh keinen interessieren werden) 1. Issay hat durch die Explosion Verbrennungen zweiten Grades erlitten - zehn Meter näher und es wäre schlimmer geworden 2. Ja Verletzungen+Stresssituationen können zu einem Schock führen 3. So absurd es auch klingt - ein Brandopfer muss warm gehalten werden damit es nicht auskühlt 4. Ja es ist möglich nach Verbrennungen zweiten Grades noch ein paar Stunden durch die Gegend zu spazieren und zu kämpfen - je nach Willensstärke der verletzten Person. Kapitel 3: With Broken Wings (Issay - Teil 3) --------------------------------------------- Mit einem müden Lächeln auf den Lippen betrachtete Issay sein Gegenüber wie dieser die letzten Umzugskisten ins Auto räumte, dann fuhr er sich seufzend durch die Haare. „Hast du alles?“ Keita verdrehte die Augen, bevor er nickte und einen Arm um Issays Schulter schlang. „Natürlich. Haben wir doch überprüft - zwei Mal. Es ist alles gut, Issay.“ Dieser zuckte mit den Schultern, bevor er ebenfalls einen Arm um Keita legte und diesen eng an sich heran zog. „Es ist einfach so ungewohnt, weißt du?“ Keita gab einen zustimmenden Laut von sich und kuschelte sich mehr an Issay heran, was dieser zum Anlass nahm ihn richtig zu umarmen und die Stirn an die seines Gegenübers zu lehnen. „Ich weiß. Wir hatten eine schöne Zeit zusammen.“ Seit sie damals aus der Fabrikhalle gerade noch so entkommen waren, waren sie ein festes und glückliches Paar gewesen. Sie waren zusammen gezogen und hatten die letzten zehn Jahre einträchtig miteinander verbracht, nicht immer einer Meinung, aber durchaus in der Lage ihre Streitigkeiten zu klären, ohne dass Blut geflossen war. Es war alles gut gewesen, sie hatten beide einen normalen Beruf angenommen gehabt, Keita als Verkäufer in einem Süsswarenladen und Issay bei einem Goldschmied. Das perfekte Leben ohne die Angst töten zu müssen, oder getötet zu werden. Letztes Jahr jedoch hatten sie gemerkt, dass es einfach nicht mehr funktionierte. Sie sahen sich zwar regelmäßig, kochten zusammen und schliefen noch in einem Bett, aber der alte Funke war weg. Die Liebe welche sie verbunden hatte, war verschwunden, ersetzt worden von einer tiefen Zuneigung welche nur Freunde miteinander teilten, die wussten, dass sie einander bedingungslos vertrauen konnten, aber dass ihre Zeit vorüber war. Keita hatte zuerst den Wunsch geäußert, auszuziehen und Issay hatte zugestimmt. Welchen Sinn hätte es noch, etwas zusammen zu halten, dass doch so offensichtlich bereits beendet war? „Warum ausgerechnet Okinawa, Keita?“ Dieser zuckte mit den Schultern, lachte amüsiert auf. „Mir gefällt die Gegend, Issay. Wieso ausgerechnet Osaka?“ Jetzt war es an Issay schief zu grinsen und er zuckte ebenfalls mit den Schultern. „Ich mag die Menschen hier.“ Dann brachen sie beide in Gelächter aus, gefolgt von einer festen Umarmung. „Keita…Kommst du wirklich klar?“ Angesprochener nickte langsam, während er die Umarmung löste und auch Issay nahm die Arme langsam runter. Wenn er es noch länger hinaus zögerte, würde keiner von ihnen glücklich sein. „Willst du doch, dass ich dir schreibe wenn ich da bin?“ Issay schüttelte den Kopf, auch wenn tief in seinem Inneren eine Stimme schrie, dass er ein Idiot war. Aber es musste sein. Sie mussten abschließen können und dazu gehört auch kein Kontakt mehr. Ein sanftes Lächeln legte sich auf Keitas Züge, dann hatte er Issay an sich gezogen und geküsst, bevor dieser überhaupt reagieren konnte. „Es wird alles gut. Ich kann auf mich aufpassen. Was ist mit dir?“ Sollte er es ihm sagen? Aber was für einen Zweck hätte es denn, zu lügen? „Mein Boss ist der Lieblingsgoldschmied eines Yakuzabosses. Ich dachte, ich hör mich mal in die Richtung um, vielleicht springt eine Beförderung für mich raus.“ Erneut lachten beide, dann wurde Keita wieder ernst. „Du willst zurück in diese Richtung gehen? Wirklich?“ Issay zuckte mit den Schultern, dann nickte er. „Ein Mal ein Mörder, immer ein Mörder. Aber ich hoffe, dass du glücklich wirst.“ „Ich auch.“ Einige Sekunden sahen sich beide tief in die Augen, keiner gewillt, den ersten Schritt zu machen, aber schlussendlich brach Keita doch den Zauber, indem er den Autoschlüssel aus der Hosentasche zog und tief durchatmete. „Das wars also?“ „Das wars.“ Keita nickte stumm und öffnete die Fahrertür des Autos, bevor er nochmal zu Issay sah und diesem ein trauriges Lächeln schenkte. „Ich liebe dich.“ Issay musste schlucken und es kostete ihn jegliche Selbstbeherrschung, Keita nicht wieder an sich zu ziehen. So wie es war, war es das Beste für sie. Sie waren noch jung, hatten ihr Leben vor sich. Wer wusste, was passieren würde und wenn es sein sollte, würden ihre Wege sie sicherlich wieder zueinander führen. „Ich weiß.“ Issay folgte dem Auto mit den Augen während es sich entfernte, bis er es nicht mehr erkennen konnte und es dauerte einige Momente, bis ihm bewusst wurde, dass er weinte. Dieses Auto war eines der ersten Dinge gewesen, welche sie sich zusammen gekauft hatten. Damals, nachdem sie sicher gestellt hatten, dass sie genug Geld hatten um ihre Wohnung jeden Monat bezahlen zu können und es hatte ihnen seitdem treue Dienste geleistet. Hoffentlich würde es Keita auch in Zukunft weiterhin begleiten. Erst zurück in ihrer alten Wohnung ließ er den Tränen wirklich freien Lauf, hier traf ihn die Wucht des Verlustes erst richtig und er wusste, dass er nicht hier bleiben konnte. Am nächsten Tag kündigte Issay den Mietvertrag der Wohnung und bat seinen Chef ihn mit dem Yakuza bekannt zu machen. Zwei Wochen war es her, dass er mittlerweile für die Yakuza arbeitete und wenn er ehrlich war, langweilte sich Issay. Die ganzen Aufträge die er bekommen hatte, waren beinahe schon zu einfach gewesen. Und er fragte sich doch, ob es ewig so weiter gehen würde. Vielleicht wollte Akane ihn auch nur testen, wie lange es dauerte, bis er den Verstand verlor? Zumindest hatte er von den Yakuza eine neue Wohnung gestellt bekommen und diese so gut es ging eingerichtet. Viel war es nicht gewesen, dass er aus der alten Wohnung mitgenommen gehabt hatte und er war froh darüber. Je weniger Erinnerungen zurück blieben, desto einfach war es gar nicht mehr darüber nachzudenken. Vielleicht rannte er vor dem Schmerz davon, den Keitas Verlust hinterlassen hatte, aber es war eben verdammt effektiv. Für gewöhnlich bekam er seine Aufträge von Akane persönlich, heute aber war dieser nicht allein als Issay die kleine Lagerhalle am Hafen betrat. Ein perfektes Versteck und doch juckte es ihn jedes Mal in den Fingern das Gebäude bis auf seine Grundfesten nieder zu brennen. Nachdem er sich hingekniet und verbeugt hatte, wartete er auf die Erlaubnis sich wieder zu erheben und zuckte zusammen, als Akane ihm sanft über den Kopf strich als wäre er ein Hund. Es kostete ihn einiges an Selbstbeherrschung, nicht zu beißen. „Mayu, das ist Issay. Issay, das ist Mayu, dein neuer Partner.“ Die Hand auf seinem Kopf verhinderte, dass er aufsah, aber das Schnauben des Anderen hörte er nur zu deutlich. „Oh ich bin sicher, dass ihr euch prächtig verstehen werdet.“ Damit gab Akane ihm das Zeichen sich zu erheben und drückte Issay eine Schriftrolle in die Hand. „Hier steht alles über euren neuen Auftrag. Wenn einer von euch versagt…Na ja, ihr wisst ja was das bedeutet. Tod. Für Beide.“ Das kalte Lächeln auf Akanes Lippen erinnerte Issay nur erneut daran, wieso er diesen Mann niemals enttäuschen wollte und er nickte. „Verstanden.“ Ein Blick zu seinem neuen Partner und Issay wandte sich zum gehen - wenn der Kerl mit kommen würde, sollte er es. Wenn nicht, war das auch völlig egal. Draußen zündete er sich erstmal eine Zigarette an und inhalierte den Rauch tief. Durfte ja wohl alles nicht wahr sein. Was wollte er denn mit einem Partner? Er arbeitete effektiv allein, unter Akanes Leuten gab es niemandem, dem er so weit vertrauen konnte, dass er sich komplett auf ihn einlassen konnte und vielleicht hätte er Keita einfach nach Okinawa folgen sollen. Ein ruhiges Leben führen. Aber…“Hey, hast du Feuer für mich?“ Völlig unerwartet aus seinen Gedanken gerissen starrte er sein Gegenüber einige Sekunden lang an, bevor er wieder reagieren konnte und ihm das Feuerzeug hin hielt. Hübsch war das Kerlchen ja. Lange braune Haare, dunkle Augen, schlank gebaut. Eigentlich niemand von dem man erwartete, dass er für die Yakuza arbeitete. Andererseits nur die wenigsten Kerle sahen so aus wie in den Filmen. „Bist du überhaupt alt genug um zu rauchen?“ Daraufhin traf ihn ein böser Blick und er lachte amüsiert auf. Konnte nur besser werden. Wie sie ihren Auftrag erfolgreich abgeschlossen und auch noch überlebt hatten, verstand Issay bis heute nicht. Sie hatten kaum miteinander geredet, nur das Nötigste und irgendwie hatte es ausgereicht. Akane war sogar zufrieden gewesen und seitdem hatten sie sich damit arrangieren müssen, dass sie Partner waren. Zuerst hatten sie beide versucht zu protestieren, dann es schweigend hingenommen. Und irgendwann nach zwei Jahren war das Eis zwischen ihnen Stück für Stück gebrochen und sie hatten sich eingesehen müssen, dass der Andere doch gar kein so schlechter Mensch war. Noch ein Jahr später hatte Issay ein weiteres Problem entwickelt - er hatte sich verliebt. In Mayu, seinen Partner. Sie waren zusammen essen gewesen, nichts spektakuläres, nur eine einfache Nudelsuppe und während Mayu in der Karte geblättert hatte, war sich Issay bewusst geworden, wie dankbar er dafür war, jemanden an seiner Seite zu haben der so verständnisvoll war, obwohl sie sich erst hatten zusammen raufen müssen. Es war einfach der Gedanke gewesen, dass er sein Gegenüber nicht mehr verlieren wollte, egal was noch kam. Mayu hatte ihm den ganzen Abend lang schiefe Blicke geschenkt, aber er hatte geschwiegen. Teils aus Angst, teils weil er selbst verwirrt war von diesen plötzlich aufgetretenen Gefühlen. Probleme, wohin man sah. Zuerst hatte er sich nicht getraut etwas zu sagen, aus Angst, dass es ihre Kampfdynamik zerstören würde, dann war er sich wieder sicher gewesen, dass er immer noch an Keita hing und diese Gefühle nur auf Mayu projizierte. Es war alles nicht so leicht gewesen. Zwischen den ganzen Aufträgen für Akane, welche sich gehäuft hatten, je höher sie im Rang aufgestiegen waren, war es auch schwer geworden, Zeit für sie allein zu finden und so hatte er schließlich einfach aufgegeben weil er sicher gewesen war, dass es sowieso nicht funktionieren würde zwischen ihnen. Er hatte keine Ahnung von Mayus Vergangenheit, aber dieser erzählte auch nicht viel über sich und er hatte sich nie getraut, nachzufragen aus Angst, eine Grenze zu überschreiten ab der es kein zurück mehr gab. Denn eins war Issay klar geworden - wenn er Mayu je nahe gekommen wäre, hätte es keine Chance gegeben, das wieder zu beenden. Selbst als sie in Akanes Kreis der besten Kämpfer aufgenommen worden waren, hatte er geschwiegen. Gefühle machten angreifbar und verletzlich und all das, was er mit Keita gehabt hatte und doch zerbrochen war, hatte ihn nachdenklich werden lassen. Natürlich waren sie noch jung, aber das war keine Ausrede. Vielleicht hatten er und Keita von Anfang an keine Zukunft haben sollen, aber es doch irgendwie geschafft, zumindest einige Jahre miteinander zu leben. Er hätte dankbar sein sollen, für das, was er gehabt hatte. Die ganzen Akten ihrer Freunde hatte Keita ihm bei seinem Auszug zurück gelassen und wenn sie einen Abend frei hatten, hatte Issay sich damit aufs Sofa geworfen, Bier getrunken und so lange auf die Steckbriefe gestarrt, bis alles vor seinen Augen verschwommen war. Es war ein Wunder gewesen, dass sie überlebt hatten, Glück und Zufall mit eingerechnet. An einem dieser Abende hatte Issay schließlich auch einen Entschluss gefasst - mit Mayu zu reden. So schnell wie möglich. Mit einem schiefen Grinsen streckte sich Issay auf dem Sofa aus und blinzelte unschuldig zu seinem Liebsten nach oben. „Na~ Sag schon, dass das eine gute Idee war.“ Mayu verdrehte leicht die Augen und tätschelte seinem Freund sanft den Kopf. „Jaja. Takeout und unsere Serie weiter schauen ist definitiv besser als jemanden beschatten zu müssen. Aber nächstes Mal gehen wir wieder essen, sonst wirst du noch faul.“ Issay lachte nur leise, bevor er sich etwas aufgerichtet hatte um Mayu sanft küssen zu können. „Ok, machen wir. Ich zahle auch und wir teilen uns eine Flasche Wein, hm? Bevor du mir wieder vorwirfst dass mein Bier keinen Geschmack hat.“ Noch ein Kuss bevor Mayu protestieren konnte und Issay machte es sich wieder richtig bequem. Mit dem Kopf auf dem Schoß seines Liebsten lag es sich wirklich wahnsinnig gut. Zwar war ihr neues Sofa auch so traumhaft, aber das war etwas völlig anderes. Während sein Blick wieder in Richtung Fernseher schweifte, konnte er nicht anders als zu grinsen. Es war alles Bestens gelaufen damals. Nachdem er seinen Rausch ausgeschlafen gehabt hatte wohlgemerkt. Wider Erwarten hatte Mayu ihn nicht für verrückt erklärt, sondern hatte freudig einem Date zugestimmt. Aus einem Date war ein zweites Date geworden, gefolgt von einem dritten Date. Irgendwann hatten sie begonnen, auch ihre freien Tage miteinander zu verbringen. Nicht nur um zu lernen oder zu trainieren. Auch wenn Issay zugeben musste, dass er anfangs Mayus Sprachbegabung genutzt hatte, um sich ein paar Stunden zusätzliche Zeit mit ihm zu erschleichen. Thailändisch war einfach eine faszinierende Sprache, er hatte nur nie die Gelegenheit gehabt, eine andere Sprache zu erlernen, außer japanisch. Ihr Ausbilder hatte das für unnötig befunden. Da war es praktisch, dass Mayu nicht abgeneigt gewesen war, Lehrer zu spielen. Wenn sie mit thailändisch fertig waren, würde er sich vielleicht noch an koreanisch versuchen. „Hey Machan?“ Issay gähnte leise bevor er wieder zu seinem Liebsten aufsah. „Hm?“ „Ich liebe dich.“ Mayu schwieg, aber begann ihm durch die Haare zu streicheln und Issay gähnte erneut, schloss langsam die Augen. Auch wenn er keine Antwort bekam, so wusste er, dass seine Gefühle erwidert wurden. Man zog mit niemandem zusammen, für den man nicht mindestens freundschaftliche Gefühle hegte. Außerdem teilten sie sich jede Nacht ein Bett. Und er wusste, wie schwer sich Mayu eigentlich damit tat, Gefühle zu zeigen. Er hatte ihm Kleinigkeiten erzählt, Bruchstücke über seine Ausbildung, von seinen Eltern und seiner Kindheit. Sie mochten unterschiedlich trainiert worden sein, aber während er selbst immer noch Keita gehabt hatte als Lichtblick in der Dunkelheit, war Mayu allein gewesen und hatte gelernt, dass es einfacher war, sich von allem abzuschotten, nichts mehr an sich heran zu lassen. Vielleicht würde es Jahre dauern, bis dieser sich ihm noch mehr öffnen und ihm seine komplette Vergangenheit anvertrauen konnte, aber es war gut wie es war. Er konnte es nachvollziehen. Sie waren beide kaputt, auf ihre eigene Art und Weise, aber ihre Bruchstücke passten perfekt zusammen. Und das war doch alles, was wirklich zählte. Kapitel 4: Blood Rain (hide - Teil 1) ------------------------------------- Ein ganz normaler Tag. Langweilig wie sonst auch. Seufzend schloss Hideto die Haustür auf und schleppte seinen müden Körper in den Flur. „Mama? Ich bin wieder da.“ Stille antwortete ihm und erst als er sich seine Schuhe ausgezogen und sicher gestellt gehabt hatte, dass die Haustür wieder verschlossen war, wurde ihm bewusst, dass er allein war. Natürlich. Wie immer. Seine Mutter schob ja tagtäglich Überstunden seit sein Vater verschwunden war. Zum kotzen. Aber er wollte nicht schon wieder darüber nachdenken und schlurfte murrend ins Wohnzimmer um sich dort aufs Sofa fallen zu lassen und den Fernseher anzuschalten. Diese Welt war einfach wahnsinnig ungerecht und er würde sich wohl nie damit abfinden können, geschweige denn sich daran gewöhnen. Sein großer Bruder war vor zwei Jahren bei Nacht und Nebel einfach verschwunden und trotz allem beharrte seine Mutter darauf, dass er jeden Tag wieder zurück kommen würde. Wenn es nach ihm ging, so war sich Hideto mehr als sicher, dass Hiroshi irgendwo in der Gosse gelandet war und dort sein Leben fristete, sofern er überhaupt noch am Leben war. Es war hart, aber was sollte er tun mit seinen dreizehn Jahren? Sicher hatte er ab und an die Gedanken gehabt, nach seinem Bruder zu suchen. Nach Tokyo zu fahren und dort die Punkszene abzuklappern und seinen Bruder am Ohr zurück nachhause zu bringen. Aber realistisch gesehen war Hiroshi selbst Schuld an seiner Situation, welche auch immer das sein mochte. Seufzend fuhr sich Hideto durch die Haare, während er mit halbem Ohr einem Zahnpastawerbespot zuhörte. Absolut unnötig. Die Menschen, welche Zahnpasta wirklich brauchten konnten sie sich meist nicht mal leisten und der Rest war ja beinahe schon gezwungen sich mit dem Zeug auseinander zu setzen. Murrend angelte er sich die Fernbedienung vom Wohnzimmertisch um umzuschalten und verdrehte die Augen als er bei einer Soap landete. Auch nicht viel besser. Natürlich hätte er sich mit seinen Hausaufgaben befassen können, aber das würde seine Langeweile auch nur für eine halbe Stunde im Zaum halten, nicht mindern. Es war grauenvoll. Kopfschüttelnd hatte er sich schließlich erhoben und war in die Küche gegangen um sich eine Flasche Cola zu holen und mit dieser wieder auf dem Sofa Platz zu nehmen. Keine fünf Minuten später hatte er erneut umgeschalten, dieses Mal auf einen Nachrichtensender. Das klang doch schon besser. Auch wenn es ein internationaler Sender war, fiel es ihm nicht schwer das Thema zu verfolgen und ein Grinsen huschte über seine Lippen. Wenn seine Mutter nur hier wäre, hätte er ihr problemlos alles übersetzen können. Fremdsprachen waren noch nie ein Problem für ihn gewesen, aber was nützte es ihm, hier, wo das einzige Fremdsprachenbuch in ihrer Bibliothek ein Übersetzungsbuch war? Nachdem sich die Nachrichten drei Mal wiederholt hatten, schaltete er den Fernseher aus und begab sich seufzend auf sein Zimmer. Es wurde ja doch nicht besser wenn er nur hier herum saß. Also widmete er sich dem Einzigen, dass es momentan schaffte seine Aufmerksamkeit bei sich zu behalten - seinem Skizzenblock. Lange dauerte es nicht und er war vollkommen darin vertieft, die Nachbarskatze zu zeichnen. Er liebte Katzen, aber seine Mutter hatte gesagt, dass sie keine halten konnten. Vielleicht auch einer der Gründe, wieso er gern allein durch die Gegend streifte und versuchte Streuner anzulocken. Bis jetzt jedoch ohne großen Erfolg, die Straßenkatzen waren viel zu misstrauisch um sich allein durch etwas Futter um die Pfote wickeln zu lassen. Leider. Als er nach mehreren Stunden hören konnte wie die Haustür aufgeschlossen wurde, entkam ihm ein leises Seufzen, welches tiefer wurde, als hide merkte dass seine Mutter offenbar nicht allein war. Sie führte sonst keine Selbstgespräche und er verdrehte leicht die Augen und starrte wieder auf das beinahe fertig gestellte Bild vor sich. Es zeigte die Katze ausgestreckt, auf dem Rücken liegen, alle Pfoten in der Luft im Versuch einen Schmetterling zu ergreifen und er musste lächeln. Ja, das war wahnsinnig gut geworden. Er hatte gerade ansetzen wollen die Schattierungen zu vertiefen, als er seinen Namen hörte und ein Murren von sich gab. Er wollte nicht nach unten gehen, seine Mutter hatte doch sicherlich wieder nur eine der Nachbarinnen getroffen und er wollte mit niemandem reden der ihn niedlich fand. Er war nicht niedlich. Was jedoch seine Aufmerksamkeit auf sich zog war ein „Hideto komm endlich runter, dein Bruder ist zurück!“ Und er runzelte irritiert die Stirn. Wieso sollte Hiroshi zurück gekommen sein? Und dann auch noch zu ihnen? Das ergab keinen Sinn, aber er stand auf - und stolperte erstmal einige Schritte, fluchend, weil seine Beine eingeschlafen waren. Offenbar war es keine intelligente Idee gewesen, sich im Schneidersitz aufs Bett zu setzen auch wenn er sich so gut an die Wand dahinter hatte anlehnen können. „Ich komm ja schon!“ Bedeutete das etwa dass sie heute Abend etwas richtiges essen würden? Fleisch oder ähnliches? Wenigstens seine Beine zeigten ein Erbarmen und lange dauerte es nicht, bis Hideto die Treppe erreicht hatte und auf dem ersten Absatz stoppte. Irgendetwas schien ihm plötzlich unstimmig, es war als läge ein unbestimmbarer Geruch von Gefahr über allem und er war versucht zurück in sein Zimmer zu rennen und die Tür zuzuschlagen. Jedoch folgte er schließlich den Stimmen in die Küche - seine Mutter bereitete gerade Tee zu und hatte ihm den Rücken zugedreht, aber der junge Mann der auf einem ihrer Küchenstühle saß fiel ihm sofort ins Auge und er erstarrte. Das war nicht Hiroshi. Das war nicht sein Bruder den er trotz allem geliebt hatte, alles schien verzerrt zu sein und die Haarfarbe war komplett falsch. Hiroshi hatte schwarze Haare gehabt, so wie er selbst, keine braunen. Wie seine Mutter darauf gekommen war, dass das sein Bruder war, würde ihm ein Rätsel bleiben. „Mama…Das ist nicht…“ Weiter kam Hideto jedoch nicht, er hatte gerade einen Schritt auf seine Mutter zugemacht, als der Unbekannte sich bewegt hatte. Seine Mutter hatte sich zu ihm umdrehen wollen, sicher um ihm zu sagen, dass er sich Dinge einbildete, aber dazu kam sie nie. Der Schnitt der ihre Kehle durchtrennte hinderte sie effektiv daran und Hideto schnappte erschrocken nach Luft als ihm ihr Blut ins Gesicht spritzte. Die ganze Welt schien mit einem Schlag still zu stehen, der Körper seiner Mutter sank Stück für Stück zusammen und die Schale mit Grüntee welche sie gerade zubereitet hatte, wurde durch eine letzte Armbewegung von der Küchenzeile geschubst. Tee und Scherben verbreiteten sich auf dem Küchenboden und der logische Teil von Hidetos Gehirn schrie ihm zu, dass er rennen sollte, aber er schaffte es nicht, auch nur einen Schritt zu machen. Es wollte alles keinen Sinn ergeben und erst als der Unbekannte sich ihm zuwandte, schaffte er es sich umzudrehen und zu rennen. Er kam bis ins Wohnzimmer bevor ein heftiger Schlag auf den Hinterkopf ihn traf und er das Bewusstsein verlor. Als er wieder zu sich kam, dauerte es bis Hideto die Augen öffnen konnte. Sein Kopf dröhnte, ihm war schlecht und er wünschte sich, er hätte die Augen geschlossen behalten, da ihn eine Welle der Übelkeit traf, die es beinahe unmöglich machte, irgendetwas von seiner näheren Umgebung wahrnehmen zu können. Mit einem leisen Wimmern rollte er sich zusammen, wurde jedoch im nächsten Moment auch schon am Kragen nach oben gezogen und keuchte erschrocken auf. Der Kerl der seine Mutter umgebracht hatte, schenkte ihm ein kühles Lächeln und er erschauderte. „Schön dass du wach bist. Hätte ungern erklärt wieso du drauf gegangen bist, aber na ja.“ Ein Schulterzucken und Hideto drehte sich erneut der Magen um. Es ergab nach wie vor absolut keinen Sinn für ihn und er war momentan sowieso mehr damit beschäftigt, sich nicht an Ort und Stelle zu übergeben. Nicht dass der Kerl es nicht verdient hätte, wenn er ihn ankotzen würde, aber er hatte das dumpfe Gefühl, dass er es wäre, der dafür dann bestraft werden würde. „Dann wollen wir dich mal abliefern, huh?“ Damit wurde er auch schon über die Schulter des Anderen geworfen und schloss müde die Augen. Vielleicht würde er endlich eine Erklärung für alles bekommen. Ein Teil von ihm hoffte zwar immer noch auf einen Alptraum oder einen makaberen Scherz, aber der rationale Teil in Hideto war sich wohl bewusst, dass es besser war sich zu benehmen. Davon ab fühlte er sich wirklich nicht in der Lage um wegzurennen. So ließ er sich stumm tragen, immer darum bemüht den Wellen der Übelkeit nicht nachzugeben, welche immer noch an ihm zerrten. Lange liefen sie nicht, bevor er auf die Füße gestellt wurde und einen Schubs erhielt, der ihn nach vorne stolpern und zusammen sacken ließ, nachdem seine Beine entschieden hatten, dass sie nicht mehr wollten. Er sah nicht mal auf, auch wenn alles was er von seiner Position aus sehen konnte ein paar Treppenstufen waren und das untere Ende eines Thrones. Hatte der Kaiser ihn etwa entführt? Nein, unmöglich. Hätte er gekonnt, hätte er über diese unsinnigen Gedanken gelacht, so aber blieb er liegen und versuchte so flach zu atmen wie möglich. „Das ist er? Wirklich? Ich dachte, er wäre älter. Aber du hast alle Zeugen beseitigt?“ Die Antwort musste nonverbal gewesen sein, da der Mann der ihn hier her gebracht hatte, keinen Laut von sich gab und dann bohrte sich die Spitze eines Schuhes hart in seine Wange und er verzog das Gesicht. „Nun gut. Hiroshi wird wissen, was er tut. Du kannst dich bei ihm bedanken. Vielleicht mit einer schönen Kugel in den Kopf.“ Hideto erschauderte, aber noch bevor er ansetzen konnte, zu widersprechen, wurde er an den Haaren nach oben gezogen, dass er in einer sitzenden Position verharrte und alle Worte erstarben auf seiner Zunge als er sein Gegenüber sah. Es war, als hätte er dem Tod persönlich ins Gesicht gesehen. Schwarze, ausdruckslose Augen musterten ihn kühl und er fühlte sich automatisch an einen Bauern erinnert, der sich neues Vieh besah, welches er kaufen wollte. Nur dass er das Vieh war. Das Alter des Mannes war schwer zu schätzen, einerseits ließen dessen braunen Haare ihn jung wirken, andererseits wies sein Gesicht die Falten eines alten Mannes auf. Die unzähligen Narben machten es nicht besser und spätestens jetzt war sich Hideto mehr als sicher dass Flucht keine Option war. Und falls er das doch in Angriff nehmen würde, würden ihm die Konsequenzen sicherlich nicht gefallen. Wenigstens wurde er schlussendlich losgelassen und sank erneut zusammen. Er war wahnsinnig müde, sein Kopf dröhnte nach wie vor und die Übelkeit hatte nur ein kleines bisschen nachgelassen. Was wollte diese Person nur von ihm? „Weißt du, eigentlich kannst du einem Leid tun. Dein eigener Vater war so schwach…Er hat mir seine Söhne verkauft, für das Versprechen, ein ruhiges Leben führen zu dürfen. Es hätte alles so schön sein können, hätte er nicht versucht seine Frau zu kontaktieren.“ Ein Schulterzucken und Hideto erschauderte als ihm langsam bewusst wurde, was er da zu hören bekam. Er war an die Yakuza verkauft worden? Zusammen mit Hiroshi? Dann war sein Bruder nicht freiwillig gegangen und auch sein Vater war nicht von heute auf morgen verschwunden, weil er sie nicht mehr ertragen konnte? „Jetzt wird er mit den Konsequenzen leben müssen. Was denkst du, wie wird er das aufnehmen, dass seine Frau und sein erstgeborener Sohn tot sind, nur wegen ihm?“ Hätte er sich aufrichten können, er hätte es in dem Moment getan, so aber blieb Hideto nur auf einen unbestimmten Punkt auf dem Boden zu starren, während er deutlich spürte, wie die Tränen hinter seinen Augen zu brennen begannen. Das durfte alles nicht wahr sein. „Keine Sorge, wir kümmern uns gut um dich.“ Ihm wurde der Kopf getätschelt und dann wurde er auch schon wieder auf die Beine gezogen. Es wunderte ihn nicht mal, dass das nicht der gleiche Kerl von vorhin war und er stolperte mehr oder weniger mit, seine Beine zitterten zu stark um ihn wirklich tragen zu können. Wider Erwarten wurde er in ein Zimmer mit einem Futon geführt, auf dem er zusammenbrach, kaum dass er allein gelassen worden war. Es dauerte nicht lange, bis die Tränen kamen und es dauerte, bis er sich ausgeweint gehabt hatte und im Kopf nochmal alle Fakten durchging, die er bisher gehört hatte. Sein Vater war bei den Yakuza gewesen, aber hatte ein normales Leben haben wollen. Dafür hatte er Hiroshi und ihn verkauft und…Seine Mutter…war tot. Wegen einem Mann der sich mehr um sich selbst kümmerte, als um seine Kinder. Irgendwie hatte er es geschafft, sich gerade noch rechtzeitig zur Seite zu drehen, bevor er sich übergeben musste und danach fühlte er sich zumindest irgendwie besser. Nur wie sollte er sich an so ein Leben gewöhnen? Dass er nicht hier war um gefoltert zu werden, war überdeutlich. Die Yakuza schienen Erwartungen an ihn zu haben die sein Bruder nicht hatte erfüllen können und Hideto erschauderte allein bei dem Gedanken daran was sie von ihm verlangen könnten. Er war doch noch ein Kind verdammt! Andererseits wurden Kinder bei den Yakuza von Geburt an darauf trainiert, nützlich für den Clan zu sein. Würde er also so lange am Leben bleiben, bis er ihnen zeigte, dass er nicht für so ein Leben geeignet war? Oder war das alles nur eine Falle gewesen, der Versuch ihn irre zu machen und ab morgen wäre er wieder zuhause? Mit einem leisen Wimmern hatte er sich schlussendlich auf dem Futon eingerollt, während ihm erneut die Tränen kamen. „Mama….“ Warum tat es nur so schrecklich weh zu wissen, dass er sie nie wieder sehen würde? Hätte er geschwiegen in der Küche, wäre sie immer noch am Leben? Wie sollte das alles nur weiter gehen? Sollte er wirklich kooperieren? Immerhin an sich hatte er keine Wahl. Er war nur ein Kind, ohne Kontakte, ohne eine Ahnung wie die Welt funktionierte in der er sich jetzt befand. Yakuza waren von der Gesellschaft verstoßen, verachtet und er hatte Angst vor dem Tod. Aber die Erschöpfung nahm ihm die Entscheidung fürs Erste ab, indem sie ihn in einen barmherzigen Tiefschlaf fallen ließ. Morgen würde er sich immer noch entscheiden können sofern er die Nacht überlebte. Kapitel 5: Blood Rain (hide - Teil 2) ------------------------------------- Sommer, Sonne, Strand. Was wollte man mehr? hide gähnte leise, während er den Blick träge schweifen ließ. Nach Chiba zu fahren hatte so gut geklungen. Blöd dass auch andere Menschen das toll gefunden hatten und sie jetzt deswegen an einen verlassenen Strand gefahren waren, wo es zu gefährlich war zu schwimmen. Handtücher hatten sie natürlich auch nicht dabei, aber wenigstens hatte sein bester Freund daran gedacht, am Sommeranfang ein Cabrio zu klauen. Es war umlackiert worden, hatte ein neues Kennzeichen bekommen und fuhr sich wie eine Eins. Mit einem erneuten Gähnen streckte er sich zu einer neuen Dose Bier um diese zu öffnen, verschluckte sich jedoch halb als ein Schatten auf ihn fiel und nahm hustend die Beine von der Beifahrertür um sich aufrecht hinzusetzen. An Bier wollte er jetzt auch nicht ersticken. „Boah…Endlich. Dachte schon du bist beim Pinkeln ins Wasser gefallen und ich müsste dem Boss erklären, wieso ich allein zurück komme.“ Miyavi schnaubte nur und hide fand sich seiner Bierdose beraubt, welche der Andere ansetzte und auf Ex austrank, gefolgt von einem lauten Rülpsen. „Ach Schnauze, Pinky. Habn paar Mädels getroffen und mich nett unterhalten, das ist alles.“ hide verdrehte die Augen und griff dieses Mal nach seinen Zigaretten um sich eine anzuzünden, bevor er das Gesicht verzog. „Igitt, Mädchen.“ Miyavi ließ sich lachend auf den Fahrersitz fallen und hatte ihm dann auch die Zigarette abgenommen. „Irgendwann musst du echt mal an deiner Abneigung gegen Frauen arbeiten, die sind nicht alle so schlimm wie du sie siehst. Gibt auch welche mit hübschen Brüsten.“ Der folgende Klaps auf den Hinterkopf ließ Miyavi nur amüsiert lachen, während hide sich die Zigarette zurück geklaut hatte. Also echt. Der Kerl nahm sich manchmal Sachen raus, da wollte er gleich Dinge mit ihm tun. Böse Dinge, bester Freund hin oder her. „Du hast einfach keine Ahnung von Ästhetik.“ „Und du nicht vom Auto fahren.“ hide kicherte, bevor er Miyavi seinen Mittelfinger zeigte. „Fick dich.“ War vielleicht doch schon zu viel Bier, aber völlig egal. Er musste ja nicht nüchtern sein. Im nächsten Moment gab er einen erschrockenen Laut von sich, als Miyavi sich über ihn beugte und ihm die Zigarette abnahm um ihm einen Kuss auf die Lippen zu drücken. „Verzichte, Herzchen. Wenn dann fick ich.“ Es dauerte einige Sekunden bis hide sich wieder gefangen hatte und in der Zwischenzeit war seine Zigarette aufgeraucht worden. Gemeinheit. „Ey…Mach keine Versprechungen die du nicht halten kannst du Bastard!“ Miyavi lachte dreckig und schmollend drehte er den Kopf zur Seite, also wirklich! Dieser dämliche Vollidiot. Wieso gab er sich mit dem Spinner nochmal freiwillig ab?! Konnte ja nicht angehen, was der so alles von sich gab. Hätte er zwar nie gedacht, dass sich das so alles entwickeln würde, damals, aber nun gut. Dass sie sich so gut verstehen würden, hätte wohl keiner wirklich vorher sagen können. Er hatte ja nicht mal vorgehabt, sich den Yakuza anzuschließen, aber nachdem ihm eine Pistole an den Kopf gehalten worden war, hatte er seine Meinung geändert. Leben war ihm in diesem Moment doch zu kostbar erschienen. Nach einer Woche strenger Überwachung hatte er schließlich auch die anderen Kinder kennen lernen dürfen. Straßenkinder, Waisen oder Yakuzasprösslinge, es war ein wilder Mix gewesen. Zwar hatte er sich mit Toshi, Yoshiki und Taiji angefreundet gehabt, aber spätestens als das Kampftraining begann, hatten ihre Wege sich wieder getrennt. Toshi und Taiji hatten Schusswaffen bevorzugt und Yoshiki hatte sich mit Bogenschießen beschäftigt. hide selbst hingegen hatte sich für den Schwertkampf erwärmt und so sah er die Anderen nur noch beim gemeinsamen Mittagessen. Im Gegensatz zu ihm gingen diese nämlich zusätzlich noch zur Schule und so fand er sich oft mit den anderen Kindern allein wieder. Was blieb da schon groß übrig, als zu trainieren oder zu lesen? Einen Zeichenstift hatte er seit seiner Entführung nie wieder angefasst, geschweige denn ansehen können. Das hatte sich bis heute nicht geändert. Obwohl er mittlerweile einen Wirbelwind namens Miyavi in seinem Leben hatte. Dass der damals nicht sofort getötet worden war, war wohl nur der reinen Dreistigkeit geschuldet, die man an den Tag legen musste um überhaupt daran zu denken, einen Yakuza zu beklauen. Hätte es jemand anderen getroffen, hätte Miyavi wohl mindestens eine Hand weniger. Damals war hide einfach fasziniert gewesen, dass sie den Jungen gar nicht bemerkt hatten, bevor es zu spät gewesen war. Aber wenn plötzlich ein Straßenkind mit einem Autoschlüssel an einem vorbei rannte, würde wohl jeder misstrauisch werden. Miyavi war trotz heftiger Gegenwehr zu ihrem Boss gebracht worden, der ihn dann vor die einfache Wahl gestellt hatte - sterben oder sich den Yakuza anschließen. Und obwohl ihm jeder gesagt hatte, dass Miyavi kein guter Umgang war, hatte er sich nicht von ihm fern halten können, er war die Motte gewesen und der andere das verbotene Licht. Vielleicht hatte es daran gelegen, dass sie zu viel gemeinsam hatten, vielleicht war es alles nur Zufall gewesen aber zu fünft waren sie bald eine Gruppe gewesen, die den anderen Kindern beinahe schon Angst gemacht hatte. Das waren schöne Zeiten gewesen. Vor allem als Miyavi bewiesen hatte, dass er Talent dafür besaß um mit Sprengstoff umzugehen. Danach war ihr Training nur noch strenger geworden und was dabei heraus gekommen war, war eine sehr gefährliche Einheit die keine Skrupel hatte, ihre Feinde auch auf ungewöhnliche Arten sterben zu lassen. Es war Miyavis Idee gewesen, Yoshiki mit Giftpfeilen auszustatten und die Kugeln von Taiji und Toshi mit etwas Eisenhut zu tränken, dass auch Streifschüsse das Opfer noch töten konnten. Seitdem waren beide jeweils mit zwei Schusswaffen ausgestattet. Einer die mit vergifteten Kugeln bestückt war und einer, mit normalen Kugeln welche unbeschadet nachgeladen werden konnte. Ein Stoß in die Rippen ließ hide hochschrecken und sich für einige Sekunden panisch umsehen, bevor er Miyavi böse anfunkelte, der ihn kichernd betrachtete. „Ganz ruhig, Schönheit…Wusste gar nicht dass meine Gegenwart so langweilig auf dich wirkt.“ Er verdrehte die Augen und schüttelte langsam den Kopf, während er sich durch die Haare fuhr und versuchte sich zu orientieren. „Wo zum Fuck sind wir?“ Miyavi zuckte mit den Schultern und hide hob skeptisch beide Augenbrauen - warum hatte er überhaupt gefragt? Dass der Kerl zu nichts zu gebrauchen war, wusste er doch schon. Alles was er sehen konnte, waren andere Autos und Beton und er fuhr sich müde durch die Haare. „Miyavi…“ „Du hast geschlafen, also hab ich auch die Augen zu gemacht. Bin dann hier aufgewacht.“ Es dauerte nur Sekunden bis der Andere anfing zu lachen und schließlich hide die Schulter tätschelte. „Entschuldige, aber du bist wirklich eingeschlafen. Mir war so wahnsinnig langweilig die ganze Rückfahrt über!“ Hieß also, dass sie zurück im Hauptquartier waren? „Ich glaub das Bier tut dir nicht gut. Wie viel hast du überhaupt getrunken?“ hide streckte sich leicht, bevor er sich abschnallte und ausstieg. Es hallte, als er die Autotür zurück ins Schloss warf. „Weiß nicht…Ist doch auch egal.“ Damit wurde ein Arm um seine Schultern geschlungen und hide murrte leise, bevor er zugepackt hatte, dass er sich Miyavi über die Schulter werfen konnte. Er hatte gar nicht mitbekommen, dass der ebenfalls ausgestiegen war. Vielleicht sollte er sich wirklich etwas auf das Hier und Jetzt konzentrieren. „Nein, nich egal, aber das haben wir gleich.“ Während er Miyavi durchs Parkhaus trug, wurde ihm langsam bewusst, dass sie ganz offenbar nicht im Hauptquartier waren, sondern in der Tiefgarage seines Wohnblocks. Umso besser. Als er im Treppenhaus einem seiner Nachbarn begegnete, nickte er diesem nur freundlich zu und sah dem Mann dann hinterher, wie dieser beinahe schon panisch um die nächste Ecke verschwand. Seltsame Leute. „Kannst du mal kurz still halten? Ich muss die Tür irgendwie aufbekommen.“ Miyavi kicherte leise, aber wenigstens hörte dieser auf, auf seiner Schulter herum zu zappeln und nach mehreren Versuchen war die Tür dann auch offen. Dieses Mal hielt sich hide nicht damit auf, seine Schuhe auszuziehen, sondern trug Miyavi direkt ins Bad, nachdem er zumindest diesem die Schuhe abgenommen hatte, wo er ihn in der Dusche abgestellt gehabt hatte und ihn unschuldig angrinste. „Tut mir Leid, aber das läuft unter Selbst Schuld.“ Damit hatte er das kalte Wasser aufgedreht. Miyavis Aufschrei konnte sicherlich noch drei Blöcke entfernt wahr genommen werden, aber hide grinste nur. Tja, das war dann nicht mehr sein Problem. „Hör schon auf zu schreien, sei lieber froh dass ich dir keine Standpauke halte, dass du besoffen gefahren bist.“ Miyavi hingegen schenkte ihm nur einen bösen Blick und schlussendlich hatte hide sogar ein Einsehen und drehte die Dusche wieder auf warm. „So jetzt haben wir gleich drei Probleme auf ein Mal erledigt. Du riechst nicht mehr wie ne halbe Brauerei, bist das Salzwasser und den Sand los und bist wieder nüchtern. Also…trockne dich ab und dann sag Danke.“ Damit hatte er sich abgewandt um das Bad zu verlassen, seine Schuhe auszuziehen und sicher zu stellen, dass die Wohnungstür wieder fest verschlossen war. Auf ungebetenen Besuch konnte er wirklich verzichten. hide war in der Küche, als er wieder Schritte hören konnte und wenig später hatte er Miyavi an sich kleben - wie erwartet. Offenbar hatte der zumindest seine Haare halbwegs trocken geföhnt und schmunzelnd lehnte er sich in der Umarmung mehr an die Brust seines besten Freundes. „Na, fertig geschmollt?“ Miyavi summte leise als Antwort und hide tätschelte seufzend eine der Hände welche auf seinem Bauch lag. „Hast echt Glück, dass ich heut nen netten Tag hab, Miya.“ Dieses Mal bekam er ein Brummen zurück, gefolgt von einem Biss in seinen Nacken und hide erschauderte, während er versuchte, sich in der Umarmung zu drehen. Vergeblich. Man mochte es nicht denken, aber wenn er wollte, konnte Miyavi ungewohnte Kraftreserven entwickeln. Dämlicher, sturer Bock. Offenbar sah der das nämlich auch als Zeichen weiter machen zu können und als er dieses Mal in die Schulter gebissen wurde, fluchte hide leise, während er nur erneut versuchte sich zu drehen, natürlich wieder ohne Erfolg. „Ey…Wenn du nen Kauknochen willst, kauf dir einen! Ich steh nicht zur Verfügung!“ Der Satz endete in einem leisen Wimmern als Miyavi die Fingerspitzen über seine Hüfte gleiten ließ und hide biss sich so fest auf die Unterlippe, dass er Blut schmecken konnte. „Miyavi! Lass den Scheiß!“ Natürlich war er mittlerweile im Nahkampf so weit trainiert, dass er sich verteidigen könnte, aber da waren eben immer noch diese Skrupel, welche ihn zurück hielten. Es war sein bester Freund und er wollte ihm nicht weh tun. Auch wenn er hier gerade mehr oder weniger überfallen wurde. Davon ab bot seine Küche nicht wirklich viel Platz um sich zu wehren, ohne Miyavi zu verletzen und… hides Gedanken wurden unterbrochen, als ihm plötzlich in den Schritt gepackt wurde und er stöhnte erschrocken auf, als Miyavis Finger sich um seinen Penis schlossen. Schneller als er hatte schauen können, war er damit auch schon gedreht und verlangend geküsst worden und er klammerte sich schwach an seinem Gegenüber fest, bevor er doch noch umgefallen wäre. Dieses Mal war er es, der sich über Miyavis Schulter wieder fand und hide gab nur noch ein tiefes Seufzen von sich, als er in Richtung Schlafzimmer getragen wurde. Gut, wieso auch nicht. Sprach theoretisch nichts gegen Sex. Wenn man außer Acht ließ, dass er bisher immer davon ausgegangen war, dass Miyavi nur auf Mädchen stand. Außerdem hatte er ihn nicht vorhin sogar selbst heraus gefordert? Na da war er ja mal gespannt. Miyavi schien zumindest soweit nüchtern zu sein, um zu wissen, was er tat und es dauerte nicht lange, bis sie nackt zusammen im Bett lagen. Als Miyavi jedoch zwischen seine Beine gerutscht war um ihm einen Blowjob zu geben, hätte hide schwören können, immer noch zu träumen. Wie konnte jemand, den er nur mit Frauen gesehen hatte, sich da so geschickt anstellen? Nach dem Sex hatte er mindestens fünf Minuten gebraucht um zu verstehen, was da gerade wirklich passiert war und schlussendlich hatte er sich schulterzuckend an seinen besten Freund gekuschelt - war ja auch egal. Alles was zählte war doch, dass sie es beide genoßen hatten. Und dass Miyavi für jeden Knutschfleck hübsche Kratzspuren davon getragen hatte. Da dauerte es nicht lange, bis er mit einem befriedigtem Grinsen im Gesicht die Augen schloss. Sollten sie vielleicht mal wiederholen. Irgendwann. Kapitel 6: Butterfly (Reo) -------------------------- Selbst wenn die Dunkelheit mich verschlingen sollte, werde ich dich immer lieben. Mit einem leisen Summen ließ Reo die Finger durch die rosa Haare seines Liebsten gleiten, ein sanftes Lächeln auf den Lippen. Er hätte nie gedacht, dass ihm jemals jemand so wichtig hätte werden können und er war schnell eines Besseren belehrt worden. Allerdings bereute er keine einzige Sekunde davon und als Sena ein leises Grummeln von sich gab, zog er die Decke noch etwas höher, dass nur noch der Haarschopf seines Liebsten unter der Decke hervor ragte. Dieser hatte gestern einen Auftritt gehabt und sollte sich ausruhen, er selbst jedoch konnte nicht mehr schlafen und sich auch nicht dazu bringen, aufzustehen, weswegen er Sena seit mindestens einer halben Stunde einfach nur in den Armen hielt. Gleichzeitig wunderte er sich, womit er es verdient hatte, überhaupt jemanden an seiner Seite zu wissen. Ihr erstes Treffen war nicht gut verlaufen, damals in dieser dunklen, verschmutzen Seitengasse im strömenden Regen. Er war angeschossen worden und hatte mit seinem Leben bereits abgeschlossen gehabt, dann hatte ihn Sena gefunden und sich nicht mehr abwimmeln lassen. Nach seinen heftigen Protesten, dass er keinen Krankenwagen brauchte, hatte der Andere beschlossen gehabt, ihn dann einfach mit sich zu nehmen und er hatte die nächsten Wochen auf dessen Sofa verbracht, auch wenn er nach einer Woche bereits mürbe genug gewesen war, dass er zugestimmt hatte, einen Arzt sich das ansehen zu lassen… Reo schüttelte schmunzelnd den Kopf und drückte Sena einen liebevollen Kuss auf die Stirn. Hätte dieser damals nicht so auf ihn eingeredet, dann wäre er jetzt vielleicht tot. Oder schlimmeres. Als Sena sich erneut regte, zuckte Reo leicht zusammen, allerdings drehte sich sein Liebster nur etwas und er vergrub das Gesicht in den weichen Haaren, atmete tief ein und schloss die Augen. So seltsam und unglaubwürdig es auch klingen mochte, Sena war eins der besten Dinge die ihm je im Leben passiert waren. Er half ihm, nicht den Verstand zu verlieren in dieser grausamen Welt in welcher er sich tagtäglich bewegte und die Schrecken zu verarbeiten, welche er sah. Er hatte nie Menschen töten wollen, aber seit Jahren längst keine Wahl mehr. Langsam begann Reo doch wieder in Halbschlaf abzudriften, es war selten, dass er mal so ungestört mit Sena kuscheln konnte. Entweder musste er früh raus um einen Auftrag für seinen Boss zu erledigen oder sein Freund war mit der Band beschäftigt. In der Theorie hatten sie jetzt Beide endlich eine Woche frei, aber ob sie die auch würden nutzen können? Er hoffte es inständig. Schließlich war sein Ersatzmann für gewöhnlich durchaus in der Lage, alle anstehenden Arbeiten zu erledigen. Vielleicht nicht zu Tsuzukus perfekter Zufriedenheit, aber doch so, dass keine Spuren blieben, welche Fragen aufwerfen könnten. Und das war doch was zählte. Dass niemand nachverfolgen konnte, was sie getan hatten. Das Letzte, an dass Reo bewusst denken konnte, war wie glücklich er darüber war, dass sie endlich zusammen gezogen waren, dann hatte ihn der Tiefschlaf mit sich genommen. Er erwachte Stunden später durch den Geruch frisch gebrühten Kaffees und als er blinzelnd die Augen aufschlug, fiel ihm zuerst eine schwebende Kaffeetasse auf, welche von einer hübsch manikürten Hand in der Luft gehalten wurde. Nach dem zweiten Hinsehen erkannte er schließlich auch den Rest seines Liebsten und murrte leise, als die Kaffeetasse daraufhin aus seinem Sichtfeld verschwand. Wie gemein! „Guten Morgen, Sonnenschein!“ Sena strahlte regelrecht und Reo kniff die Augen zusammen, während er sich seinen Liebsten schnappte, dass er ihn küssen konnte. „Morgen, Prinzessin.“ Wenigstens bekam er die Kaffeetasse wieder und nahm erstmal einen großen Schluck. Es ging doch nichts über eine Tasse schwarzen Kaffees zum Frühstück. Und zumindest konnte er Sena die Kaffeemaschine bedienen lassen, ohne Angst haben zu müssen, dass sie danach eine neue Küche brauchen würden. Kochen hingegen war eine ganz andere Sache und er hatte sicher gestellt, dass sein Liebster sich von Herd und Ofen fern hielt. „Hast Glück dass der Kaffeetrick geklappt hat ich war kurz davor, zum Konbini zu gehen und mir Frühstück zu holen.“ Reo lachte leise, während Sena vor sich hin schmollte und er konnte gar nicht anders, als seinen Freund erneut zu küssen. „Tut mir Leid, Liebling. Ich mach dir nächste Woche wieder was zu essen, dass du nicht mit leerem Magen ins Studio gehen musst.“ Sena zuckte schwach mit den Schultern. „Musst du nicht. Boogie bringt mir für gewöhnlich was zu essen mit…“ Im nächsten Moment fand sich Sena aufs Bett gepinnt wieder, während Reo seinen Liebsten leise anknurrte. Die Kaffeetasse hatte es gerade noch so auf den Nachttisch geschafft, ohne in Einzelteile zu zerbrechen. „Dass ich mir dann anhören darf, dass ich mich nicht gut um dich kümmere und du dir wen suchen sollst, der besser zu dir passt und auf dich achtet? Vergiss es.“ Sena verzog das Gesicht und ein erneutes Knurren verließ Reos Lippen, bevor er seinem Liebsten in den Hals biss. Als er sich schließlich wieder löste, prangte dort ein hübscher Knutschfleck und Sena wand sich wimmernd unter ihm auf der Matratze. „Reo…“ „Tut mir leid, Schatz. Aber ich fürchte das Frühstück muss warten.“ Damit hatte Reo erneut zugebissen und Sena vergrub stöhnend die Fingernägel in seinen Schultern. Nach dem Sex fühlte er sich definitiv wacher und grinsend schlang Reo die Arme um seinen Freund, welcher sich murrend an ihn kuschelte. „Nicht schmollen, Prinzessin.“ Von Sena kam nur noch ein Schnauben und mit einem breiten Grinsen drückte Reo seinem Liebsten einen Kuss in den Nacken und ließ die Fingerspitzen über seinen Bauch gleiten. „Ihr habt doch Stylisten.“ Dass sein Freund das alles nicht mal halb so lustig fand wie er selbst, war ihm durchaus bewusst, aber da musste er durch. Er selbst hätte auch nie von sich behauptet, ein eifersüchtiger Mensch zu sein, aber seit er mit Sena zusammen war, stand sowieso sein komplettes Weltbild Kopf. Vielleicht lag es auch daran, dass sie so gar nicht zusammen passten. Der Gitarrist und der Yakuza. Oder wie Ricko sie mal genannt hatte Beauty and Beast. Welchen Part davon er einnahm, war mehr als offensichtlich. Sena schien das nie zu stören, aber für ihn selbst war es jedes Mal ein Schlag ins Gesicht zu hören, dass die Freunde seines Liebsten von ihrer Beziehung alles andere als angetan waren. Reos Gedanken wurden unterbrochen, als Sena sich aus seinen Armen befreite und dieses Mal war er es, der leise murrte, bevor er ihn aufstehen ließ und jede Bewegung aufmerksam beobachtete. Es war unglaublich wie wahnsinnig sexy sein Liebster sein konnte, trotz verwuschelten Haaren und einigen eindeutigen Knutschflecken und Bisswunden. Während Sena gedankenverloren ihren Kleiderschrank durchging, hatte sich Reo langsam aufgesetzt und musste schlucken. Da hatte er gedacht, all diese bösen Gedanken dass er nicht gut für Sena war endlich verdrängt zu haben und doch versuchten sie ihn erneut anzuspringen und zu Fall zu bringen. „Hey…Kommst du mit unter die Dusche?“ Der Blick den Sena ihm über die Schulter zuwarf, hätte gereicht um jedes Fangirl in die Knie zu zwingen und Reo nickte stumm, während er deutlich spürte, wie die Schmetterlinge in seiner Magengegend Loopings drehten und es dabei auch noch schafften die Dunkelheit wieder zu verdrängen, welche ihn nur zu gerne erneut in Besitz genommen hätte. Gerettet. Schon wieder. Während er aufstand versuchte er sich nichts anmerken zu lassen, aber spätestens als Sena die Arme um ihn schlag um ihn sanft zu küssen und dabei ihre nackten Körper eng aneinander presste, lief ein Schauer durch seinen Körper und er zog seinen Liebsten noch etwas mehr an sich, bevor er ihn einfach hochgehoben und ins Bad getragen hatte. Er würde es ihm nie sagen können, gab es doch keine Worte für das, was er empfand. Diese seltsame Mischung aus Liebe und Dankbarkeit. Das Gefühl endlich angekommen zu sein und ein zuhause gefunden zu haben. Bevor er sich den Yakuza hatte anschließen müssen, hatte er nie groß Zeit gefunden, sich um Beziehungen zu kümmern, geschweige denn die Energie dafür aufbringen wollen. Dann war Sena gekommen und irgendwie passte mit einem Schlag alles, was ihm vorher noch als sinnlos erschienen war. „Ich liebe dich.“ Vorsichtig hatte er Sena unter der Dusche wieder auf die Beine gestellt und keuchte erschrocken auf, als dieser ihn sofort wieder verlangend küsste. „Nein…Ich liebe dich, Reo.“ Mit einem leisen Lachen hatte er den Kuss erwidert und ihnen nebenbei das Wasser aufgedreht. Er verdiente diesen Mann absolut nicht. Und doch würde er alles dafür geben, dass Momente wie diese ewig andauern könnten. Es war schwer, sich auf irgendetwas zu konzentrieren, Senas Lippen war zu weich, zu ablenkend und schlussendlich hatte er seinen Freund erneut hochgehoben, welcher lachend die Beine um seine Hüfte schlang. Sie hatten heute sowieso nichts vor, was sprach also gegen eine zweite Runde Sex? Dieses Mal war es Reo, der murrte als sie sich von einander lösten und er verzog das Gesicht, während Sena sich kichernd nach dem Duschgel streckte. „Irgendwann schneid ich dir die Krallen…“ „Ach was...Das sagst du nur weil du nichts mehr gewohnt bist!“ Bevor er protestieren konnte, hatte Sena ihm sanft in den Hals gebissen und Reo schloss mit einem genießenden Laut die Augen. Sollte er ihm doch den Rücken blutig kratzen. Völlig egal. Das würde verheilen. Und es hieß doch, gleiches Recht für alle und die Spuren die er an Sena hinterlassen hatte, würde dieser länger tragen. Ihn sah ja niemand halbnackt, außer seinem Freund. Wenigstens die Pfannkuchen waren schnell gemacht und schmunzelnd legte Reo einen Arm um seinen Freund als dieser sich auf seinem Schoß niederließ. „Was soll ich nur je ohne dich machen, Reo?“ Damit hatte Sena bereits einen Pfannkuchen mit der Gabel aufgespießt und mit einem theatralischen Seufzen hinein gebissen und Reo konnte gar nicht anders als zu lachen. „Na, hoffentlich werden wir das nie raus finden müssen, hm? Ich gebe dich nämlich nicht mehr her.“ Sena gab ein zustimmendes Brummen von sich und Reo lehnte den Kopf an den Rücken seines Liebsten während dieser sich übers Essen her machte. Nein, er würde ihn um nichts in der Welt wieder eintauschen. So sehr er ihn auch wahnsinnig machen konnte, so sehr liebte er ihn auch und es war schwer, lange böse auf Sena zu sein. Dessen ganze Persönlichkeit war viel zu einnehmend, zu strahlend. Aber eben auch genau das, was er gebraucht hatte. Erst als sich Sena auf seinem Schoß drehte, sah Reo wieder auf und schnappte gerade noch so nach dem Stück Pfannkuchen, welches seinem Freund ihm vorhielt, bevor dieser die Gabel wieder wegziehen konnte. „Irgendwann werden sie noch merken, dass du das Beste bist, was mir passieren konnte…Ganz sicher.“ Anstatt zu antworten, lächelte Reo nur müde und schloss die Augen, als sein Liebster begann ihm sanft durch die Haare zu streichen. „Doch, Reo. Wirklich. Sie brauchen nur Zeit…Du hast keine Ahnung wie oft wir uns schon gestritten haben, weil sie mich mit anderen Männern verkuppeln wollten.“ Autsch. Eigentlich sollte ihn das nicht überraschen, aber verdammt es tat weh. Was sollte er denn noch tun um Senas Freunde davon zu überzeugen, dass er kein Monster war, geschweige denn gefährlich? Sicherlich die Yakuza an sich waren niemand, mit dem man sich anlegen wollte, aber er liebte Sena. Welchen Grund hätte er da, ihm weh zu tun? „Hey…“ Reo biss sich hart auf die Unterlippe, bevor er langsam aufsah und sich zumindest an einem Lächeln versuchte, welches kläglich scheiterte und als Sena die Fingerspitzen über seine Wange gleiten ließ, hätte er am Liebsten geweint. Wieso war es so schwer zu sehen und zu verstehen, dass er niemanden je so sehr geliebt hatte wie Sena? Er würde doch alles für ihn tun. „Ich werde nie zulassen, dass sie uns trennen, Reo.“ Vielleicht sollten sie doch weg ziehen? Weit weg. Ein liebevoller Kuss auf die Stirn verhinderte, dass er sich den trüben Gedanken komplett hingeben konnte und mit einem schiefen Lächeln hatte er sich noch ein Stück Pfannkuchen in den Mund schieben lassen. Dass Sena dabei leise anfing „You are my Sunshine“ zu singen, machte es schwer, nicht direkt in Tränen auszubrechen und Reo beschloss für sich, die Yakuza so bald wie nur möglich hinter sich zu lassen. Es würde schwer werden, so gut wie unmöglich und vermutlich eines der Dinge die er nie wieder in seinem Leben vergessen würde, aber das war es wert. Er wollte doch nur mit dem Mann den er liebte in Ruhe leben. War das wirklich so viel verlangt? Kapitel 7: Killing Me (Tsuzuku Teil 1) -------------------------------------- Einatmen, zwei Schläge. Ausatmen, drei Schläge. Irgendwo tropfte Wasser von der Decke. Tsuzuku wagte es kaum, einen tieferen Atemzug zu nehmen, während er wartete und hoffte, dass er endlich allein wäre. Dass es vorbei wäre. Im nächsten Moment traf ein besonders harter Schlag seine Wange und er schnappte nach Luft. Natürlich hatte er kein Glück. Das hatte ihn schon vor Jahren verlassen. „Nicht schlafen, Prinzessin. Wir sind noch lange nicht fertig.“ Müde drehte er den Kopf um sein Gegenüber ansehen zu können und allein bei dem dunklen Grinsen auf Akanes Lippen drehte sich ihm der Magen um. Er hätte ja gefragt wieso dieser das tat. Warum er ihn in den Keller ihres Elternhauses gebracht hatte, aber er wusste, dass er keine Antwort erhalten würde. Seit Akane ihn aus dem Schlaf gerissen und an den Haaren die Treppe hinunter geschleppt hatte, hatte dieser alles ignoriert, was ihm nicht gefallen hatte und das war eine Menge gewesen. In den ersten zehn Minuten hatte er sich noch vergeblich dagegen zu wehren versucht, angekettet zu werden, die erste halbe Stunde lang damit verbracht seinen Bruder zu beschimpfen, zu verfluchen und nach Antworten zu verlangen. Dann waren die Schläge gekommen. Nacheinander in variierenden Stärkegraden. Schulter, Magen, Brust. Mittlerweile auch ins Gesicht. Was sein Bruder sich davon erhoffte, würde ihm wohl ewig ein Rätsel bleiben. Oder wieso ihr Vater nicht einschritt. Aber vermutlich war dieser nicht zuhause, sonst hätte sich Akane das nicht getraut. Vielleicht war das auch ein Plan um ihn umzubringen ohne dass jemand Fragen stellen würde. Einige Sekunden lang sahen sie sich einfach nur in die Augen, dann musste Tsuzuku husten und er konnte nicht widerstehen, das Blut welches sich in seinem Mund gesammelt hatte, seinem Bruder ins Gesicht zu spucken. Dass das keine schlaue Entscheidung gewesen war, merkte er, als ein stechender Schmerz durch seinen Körper zog. Akane hatte zugepackt und ihm den Kopf an den Haaren in den Nacken gezogen - und zugebissen. Ein heiserer Aufschrei verließ Tsuzukus Lippen, während seine Knie nachgaben und wäre er nicht mit den Armen über dem Kopf angekettet worden, wäre er komplett zusammen gesunken. Dass der Balken hielt war weniger verwunderlich, auch wenn er sich gewünscht hätte, dass dieser nachgegeben hätte. Allerdings hatte ihr Vater dieses Haus gebaut, inklusive Keller und vermutlich war er nicht die erste Person, die hier gefoltert wurde, geschweige denn die letzte Person. Als sein Bruder endlich wieder von ihm abließ, zitterte Tsuzuku am ganzen Körper und er schnappte hektisch nach Luft. Sein Hals pochte und er konnte nur zu deutlich das warme Blut spüren, welches daran entlang nach unten lief. „Denkst du immer noch, dass es so eine schlaue Idee ist, sich zu wehren, hm?“ Akanes Gesicht tauchte wieder vor ihm auf, verschwamm jedoch vor seinen Augen und es brauchte einige Sekunden bis Tsuzuku bewusst wurde, dass er weinte. Hatte es überhaupt Sinn, zu antworten? „Dachte ich mir.“ Akane lachte leise und Tsuzuku erschauderte, als sein Bruder ihm das Blut vom Hals leckte. „Ich muss allerdings sagen, dass ich doch ziemlich enttäuscht bin. Dachte du hältst mehr aus, aber der alte Mann hat dich bisher ja auch geschont.“ Akane trat kopfschüttelnd einen Schritt zurück und Tsuzukus Gedanken begannen zu rasen. „Wie…wie meinst du das?“ Erneut musste er husten, dieses Mal war er jedoch schlau genug, neben sich zu spucken. Ob er hier unten sterben würde? Er hatte absolut keine Ahnung, aber so wie Akane sich im Moment gab, traute er ihm alles zu. „Dass du bisher mit Samthandschuhen angefasst wurdest, weil du der jüngere Sohn bist. Sein Plan B. Die Lebensversicherung, die erst greifen muss, wenn ich versage.“ Schnaubend verschränkte Akane die Arme vor der Brust und Tsuzuku erschauderte unter dem hasserfüllten Blick, welcher ihn traf. „Unser Vater ist das Oberhaupt eines bedeutenden Yakuzaclans, Tsu. Ein Clan von dem du erst erfahren solltest, wenn ich scheitere. Aber weißt du…Ich habe nicht vor zu versagen.“ Aus dem Augenwinkel konnte er noch ein metallisches Aufblitzen wahr nehmen, gefolgt von einem stechenden Schmerz, wobei er nicht sagen konnte, ob dieser von seiner Schulter oder seine Arm kam. Ein erneuter Aufschrei entkam Tsuzuku, dann wurde alles schwarz um ihn. Es dauerte, bis er seine Augen wieder öffnen konnte, seine Augenlider fühlten sich unglaublich schwer an und er wusste nicht, was ihn geweckt gehabt hatte. Offenbar befand er sich nicht mehr im Keller, denn er lag zumindest wahnsinnig weich. Also war das alles nur ein Alptraum gewesen? „Tsuzuku?“ Unter der Stimme seines Vaters schreckte er panisch hoch, sank jedoch wieder zusammen, kaum dass er sein Gegenüber richtig erkennen konnte. Irgendetwas stimmte mit seinem Arm nicht. Zumindest tat es höllisch weh, wenn er sich darauf abstützte. Tsuzuku runzelte die Stirn, wieso wirkte sein Vater überhaupt so besorgt? Und wo war Akane? „Ruh dich aus, ja? Ich habe ein ernstes Wort mit deinem Bruder gesprochen, er wird dir erstmal nicht zu nahe kommen.“ Tsuzuku nickte müde, es ergab für ihn im Moment alles keinen Sinn, aber er vertraute seinem Vater. Dieser hatte ihn nie angelogen und war immer für ihn da gewesen, wenn er ihn gebraucht hatte. Dementsprechend würde dieser durchaus wissen, von was er redete und was er tat. Lange dauerte es nicht, bis er eingeschlafen war. Als er am nächsten Morgen erwachte, saß seine Mutter neben seinem Bett. Die nächste Woche verlief unerwartet ruhig, er bekam Akane nicht ein einziges Mal zu Gesicht und er war von der Schule befreit. Damit er jedoch nicht zurück fiel, lernte seine Mutter mit ihm. Ab der zweiten Woche waren Besuche bei verschiedenen Ärzten dazu gekommen. Nach wie vor war Tsuzuku unsicher, was genau passiert war, aber er hatte zu große Angst um nachzufragen, weswegen er die Dinge einfach hin nahm. Dass seine Mutter sich offenbar frei genommen gehabt hatte, ihm jeden Tag Frühstück machte und dass sie ihn mindestens ein Mal am Tag spontan umarmte und dann in Tränen ausbrach. Er tat sein Bestes um sie zu trösten, aber es schien nie genug zu sein. So verging ein halbes Jahr und erst, als er wieder in die Schule durfte, wurde Tsuzuku bewusst, dass er seinen Bruder schon sehr lange nicht mehr gesehen hatte. All dessen Sachen waren zwar noch da, aber Akane selbst schien sich in Luft aufgelöst gehabt zu haben. Nicht dass es ihn groß störte, es war wahnsinnig entspannend, sich nicht ständig zu streiten oder rechtfertigen zu müssen. Im Wohnzimmer auf dem Sofa zu sitzen, ohne fürchten zu müssen, dass Akane mit seinen Freunden nachhause kam, nur um ihn zu ärgern, bis er es nicht mehr aushielt und sich in seinem Zimmer einsperrte. Er hatte noch nie mit direkter Konfrontation umgehen können und Akane wusste das und provozierte es jedes Mal aufs Neue. Nur auf die Frage nach dem Wieso war sein Bruder ihm immer ausgewichen. Das letzte Mal hatte er ihm an den Kopf geworfen, dass er doch selbst Schuld war. Und bis heute hatte er nicht heraus finden können, woran er Schuld war und wieso das Akanes Verhalten rechtfertigte. Der erste Schultag beinahe ein Jahr später war komisch. Er bekam aus jeder Richtung seltsame Blicke, seine Mitschüler tuschelten miteinander um die Wette und Tsuzuku überlegte ob er nicht einfach wieder nachhause gehen sollte. Immerhin, sein Vater war geschäftlich unterwegs und auch seine Mutter hatte wieder begonnen zu arbeiten, allerdings nur halbtags. Jetzt um die Uhrzeit wäre er also alleine zuhause…Seine Gedanken wurden unterbrochen als er beinahe angesprungen wurde und er gab einen erschrockenen Laut von sich und taumelte einige Schritte zurück, dankbar dass sein Arm und seine Schulter durch endlose Stunden Physiotherapie wieder wie neu waren. Ansonsten hätte er wohl vor Schmerzen geschrien. „Endlich…Du hast keine Ahnung wie groß meine Angst war dass du nie wieder kommst…“ Damit wurde er nur noch enger an sein Gegenüber gezogen und strich diesem lachend ein paar braune Haarsträhnen aus dem Gesicht. „Ewig kann ich dich doch nicht mit all den Spinnern allein lassen, Koi.“ Dieser nickte bestätigend und zog eine Schmollschnute und Tsuzuku musste erneut lachen, bevor er seinem besten Freund einen schnellen Kuss auf die Lippen drückte und sich dann bei ihm einhakte, dass sie den Rest ihrer Freunde suchen konnten. Es war schön zu sehen, dass sich nichts verändert hatte, auch wenn sie die letzten Monate keinen direkten Kontakt miteinander hatten haben dürfen. Das hatte sie jedoch nicht davon abgehalten, mindestens ein Mal die Woche miteinander zu telefonieren und auch sonst hatten sie regen Kontakt gehabt - nur eben nicht so, wie sie es gewohnt gewesen waren. Aber jetzt würde alles besser werden. Er durfte wieder in die Schule gehen, Akane war kaum noch zuhause und er hatte Koichi wieder an seiner Seite. Was wollte er denn mehr? „Man könnte echt meinen ich hab irgendetwas verbrochen, dass die so starren…“ Tsuzuku seufzte leise, bevor er Haruki begrüßt hatte und Koichi verzog leicht das Gesicht. „Wenn sie nicht bald damit aufhören, verprügel ich sie für dich.“ Tsuzuku schüttelte nur den Kopf, aber innerlich war er wahnsinnig dankbar, dass Koichi durchaus bereit war diesen Schritt zu gehen, ungeachtet was es für Konsequenzen haben würde. „Gemeinheit. Du willst nur den ganzen Spaß für dich haben.“ Tsuzuku verdrehte die Augen, umarmte Nao jedoch schmunzelnd. Hatte er je erwähnt wie sehr er diese Chaotenbande mochte? „Ihr seid klasse, Jungs, aber warten wir erstmal ab, ja? Ich bin sicher die gewöhnen sich wieder an mich. Musste mich ja auch wieder an die Uniformen gewöhnen.“ Tsuzuku streckte sich ordentlich, während er leicht das Gesicht verzog - es war so seltsam wieder ein Hemd zu tragen. Aber vielleicht war er einfach nur etwas verwöhnt von seinem Jahr Auszeit. „Wir haben noch zehn Minuten - wer hat die Zigaretten dabei und wer das Feuerzeug?“ Ja, es fühlte sich richtig an, hier zu sein. Unter seinen Freunden. Auch wenn sie vielleicht nicht rauchen sollten, aber sie waren jung und naiv und solange er zuhause den Musterknaben vorspielte, war alles gut. Koichi das erste Mal zu küssen, war seltsam gewesen. Komisch, ein Gefühl das Tsuzuku nicht hatte beschreiben können, aber damals waren sie auch erst zwölf gewesen und neugierig, wieso die ganzen Erwachsenen immer so taten, als wäre das eines der besten Dinge überhaupt die man tun konnte. Es war nicht eklig gewesen, nur wahnsinnig komisch und sie hatten Beide darüber gelacht. Mittlerweile war es normal geworden, Koichi zu küssen auch wenn Tsuzuku nicht mehr genau sagen konnte, wann das angefangen gehabt hatte. Aufhören würde er damit definitiv nicht. „Hey, Koi?“ Tsuzuku streckte sich gähnend auf dem Bett seines besten Freundes aus, bevor er sich auf die Seite drehte, dass er dem Anderen in die Wange piepsen konnte. „Wieso eigentlich ausgerechnet rosa?“ Koichi verdrehte nur die Augen und ließ die Anleitung der Haarfarbe langsam sinken, dass er Tsuzuku skeptisch mustern konnte. „Seit wann hast du was gegen rosa?“ Dieser zuckte seufzend mit den Schultern, bevor er den Kopf schüttelte. „Keine Ahnung. Vielleicht hab ich einfach Angst, dass dein Vater mir den Kopf abreißt, sobald er das sieht…“ Koichi kicherte leise, hatte sich im nächsten Moment auf seinen besten Freund gerollt und Tsuzuku schlang überrascht die Arme um sein Gegenüber. „Du vergisst, dass wir allein sein. Meine Eltern sind übers Wochenende weg und wir haben Ferien. Und die Farbe wäscht sich nach drei Haarwäschen wieder raus, steht doch extra drauf.“ Damit wurde ihm ein Kuss auf die Lippen gedrückt und Tsuzuku grinste schief. „Stimmt.“ Bevor Koichi sich von ihm lösen konnte, hatte er ihm jedoch einen sanften Klaps auf den Hintern gegeben und ihn noch enger an sich gezogen. „Lass uns noch was anderes machen, vorher, dass mich ablenkt…“ Eigentlich hätte er mit mehr Protest gerechnet gehabt, nicht damit, dass er so verlangend geküsst wurde, dass er keuchend die Fingernägel in Koichis Schultern vergrub und innerlich musste er grinsen. Hatte sein bester Freund etwa auch schon Hintergedanken gehabt? Dann hatte er wohl Glück. Immerhin hatten sie nie darüber gesprochen, was zwischen ihnen war, Anziehung, Freundschaft, alles zusammen. Und doch passte es einfach. Hätte ihm jemand gesagt, dass er den ersten Ferientag nackt in Koichis Bett verbringen würde, hätte er die Person wohl für verrückt erklärt. Selbst wenn es Haruki oder Nao gewesen wären. Aber Tsuzuku wurde nur wieder bewusst, wie egal es eigentlich war, was Andere von ihnen denken mochten und er ließ die Fingerspitzen sanft über Koichis Brust gleiten, erschauderte, als dieser ihm dafür über die Seite kratzte. Niemand würde hiervon erfahren müssen, es konnte auf ewig ihr Geheimnis bleiben und als er sich lächelnd zu Koichi beugte um diesen sanft zu küssen, versank er beinahe in diesen wunderschönen, braunen Augen und ihm wurde erneut bewusst, dass er nie ohne ihn würde leben können. Autsch. Tsuzuku verzog das Gesicht - auf dem Rücken liegen würde so schnell definitiv nicht mehr funktionieren. „Du hättest mich ruhig vor deinen Fingernägel warnen können…“ Koichi kicherte nur leise und er schlug murrend nach seinem besten Freund. Sein ganzer Körper schmerzte, wobei er sich mehr als sicher war, dass es Koichi eben so ging. Nach zwei Runden Sex definitiv nicht verwunderlich. Wenn man dann noch bedachte, dass er es zuerst gewesen war, welcher gekratzt hatte…Er hatte ja nicht ahnen können, dass Koichi ihn so um den Verstand bringen konnte! „Nächstes Mal kette ich dich an.“ Damit hatte er sich mehr an Koichi gekuschelt und die Decke über sie gezogen. Wenigstens konnte er auf der Seite liegen. „Dann verpasst du aber was, wenn ich dich nicht reiten kann.“ Koichi wippte amüsiert mit den Augenbrauen und Tsuzuku lachte, während er seinen besten Freund enger an sich zog, dass er ihm auf den Hintern schlagen konnte. „Jetzt wirst du frech, Bambi!“ Der Rest ging in einem lauten Kreischen unter, als er sich komplett auf Koichi stürzte, um diesen ordentlich kitzeln zu können. Lange hatte er sich den Spaß nicht erlaubt, von Koichi abgelassen, dass dieser wieder zu Atem kommen konnte. "Lass uns deine Haare machen, bevor ich es mir anders überlege." Koichi gab ein belustigtes Schnauben von sich, aber irgendwie hatten sie es ins Bad geschafft, ohne zu stolpern. Zum Glück brauchte die Farbe nicht lange um einzuwirken und kaum, dass Koichis Haare ausgewaschen waren, waren sie zurück im Bett - mit einem Schlag schien es wahnsinnig schwer zu sein, die Fingern voneinander zu lassen. Es war Mittag, als Tsuzuku die Augen wieder aufschlug und erstmal herzhaft gähnte. So ganz konnte er immer noch nicht glauben, was gestern passiert war, dass er wirklich mit Koichi geschlafen hatte und dass sich selten etwas in seinem Leben so richtig angefühlt gehabt hatte. Aber die Schmerzen waren real und ein leichtes Pochen am Hals erinnerte ihn daran, dass Koichi gestern auch noch bissig geworden war. Ups. Wie sollten sie das denn nur erklären? Vorsichtig ließ er die Finger über Koichis Körper gleiten und versuchte heraus zu finden, was ihn geweckt gehabt hatte. Vermutlich die Schmerzen. Irgendwann in der Nacht hatten sie sich wohl gedreht, denn er fand sich selbst auf dem Rücken wieder, während Koichi noch selig auf seiner Brust schlummerte. Solang er still lag, war es allerdings halbwegs ertragbar und mit einem leisen Summen strich er über die nackten Schultern seines besten Freundes, malte sanfte Kreise auf der Haut und hauchte ihm einen Kuss auf die Stirn. Irgendwann würden sie aufstehen müssen, sich um Kaffee und Frühstück kümmern, eine Dusche konnte sicherlich auch nicht schaden. Aber für den Moment genoß er, wie es war. Eine sachte Brise, welche durchs halb offene Fenster kam, sorgte dafür, dass sie Beide erschauderten und während Koichi sich murrend mehr unter der Decke zu verstecken suchte, wanderte Tsuzuku mit den Fingern höher, bis er diese durch Koichis frisch gefärbte Haare gleiten lassen konnte. Das rosa stand seinem besten Freund wider Erwarten verdammt gut, aber er hatte trotzdem noch Angst davor, wie dessen Eltern reagieren würden. Mit Glück würden sie es nicht erfahren, aber man wusste nie. Tsuzuku gähnte leise auf, langsam hatte sich der Entschluss aufzustehen auch wieder in Schall und Rauch verwandelt und er schloss die Augen erneut. Es konnte nicht schaden, noch etwas zu dösen, sie hatten Zeit und während er langsam begann zurück ins Traumland zu driften, schlang er die Arme enger um Koichi und ein sanftes Lächeln legte sich auf seine Lippen. „Ich liebe dich.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)