~Broken Wings~ von BexChan ================================================================================ Kapitel 3: Follow the Evidence... --------------------------------- Der Zeitungsjunge hatte bereits die morgentliche Zeitung vor die Türe gelegt und Erziraphael, bereits in voller Montur ließ es sich wie jeden Morgen nicht nehmen erst einmal einen Blick durch die Seiten zu werfen. Seine Lesebrille lag gemächlich auf seiner Nase während seine Augen über die Zeilen huschten. Er suchte nach Anzeichen, Hinweisen, irgendwas, um Jack the Killer auf die Spur zu kommen aber Fehlanzeige. Er leckte die Zeitung auf den kleinen Beistelltisch neben sich und blickte rüber zum Sessel, wo Crowley letzte Nacht seelenruhig entschlafen war. Der Engel erhob sich und trat näher. Die Decke, die er dem Dämon übergelegt hatte war ein Stück runtergerutscht und gab Blick auf dessen Haut Preis. Immerhin hatte er es trotz des Alkoholkonums letzte Nacht nicht nehmen lassen, sich zumindest seines Mantels und seiner Jacke zu entledigen. Einen Moment lang starrte der Engel den Dämon unentwegt an und für einen Moment überkam ihn das Verlangen, den Dämon zu berühren. Seine Hand fuhr nur zaghaft über die Wange des Dämons. Erziraphael stellte fest, dass seine Haut nahezu makellos war und zudem roch der Dämon von Natur aus sehr angenehm. "Ob ich...nein, das sollte ich nicht tun." Erziraphael bemerkte, wie Crowley das Gesicht in seine Richtung drehte. Seine Lippen waren leicht geöffnet und wirkten auf einmal zu verlockend. Vorsichtig beugte sich Erziraphael hinunter und schloss die Augen. Wenn er ein Herz gehabt hätte, hätte es jetzt sicher bis zum Anschlag geschlagen. "Ich...kann nicht. Ich...darf nicht..." Ihre Lippen waren nur noch wenige Millimeter voneinander entfernt, da klopfte es an der Türe des Buchladens und Erziraphael sowie auch Crowley schreckten so hoch, dass sie mit den Köpfen zusammenschlugen. "AUTSCH!" "Aua! Gott, das tat weh!" "Engel! Was machst du denn?" "Ich? Ich habe gar nichts...ich muss erst mal die Türe aufmachen!" Schlaftrunken erhob sich der Dämon, schnippte einmal mit dem Finger um die Gerüche von Alkohol loszuwerden und nun auch wie gestriegelt und frischer Kleidung den unangekündigten Besuch zu erwarten. Wie sich herausstellte, waren es die Wachen, die den Engel letzte Nacht zu dem Vorfall mit der Prostituierten verhört hatten. "Leider stehen wir auch wieder einmal ohne Beweise da aber wir wissen, dass der Mörder es speziell auf Prostituierte und Huren abgesehen hat. Vielleicht hilft uns das ihn vor seinem nächsten Vergehen auf die Schliche zu kommen." "Nun, wenn die Herren gestatten, mein...Freund und ich würden uns gerne an den Ermittlungen beteildigen wenn es Ihnen recht wäre." Die beide Wachen wechselten irritierte Blicke zwischen Erziraphael und Crowley hin und her aber leider war der Engel entgegen dem Dämon wieder zu naiv um zu bemerken, was er da gerade gesagt hatte. "Nun, jeder Hinweis wäre eine große Hilfe! Eigentlich würden wir ungerne Zivilisten mit in diese Angelegenheit ziehen, es sind bereits zu viele Menschen ums Leben gekommen und wir können kein Risiko eingehen aber ich denke, dass harte Zeiten auch harte Maßnahmen bedeuten. Das Opfer wurde mit genau 38 Stichen eines Messers getötet. Wir gehen davon aus, dass bereits die ersten Stiche ihr das Leben nahmen und sie die weiteren gar nicht mehr mitbekommen hat." Diese Aussage beruhigte den Engel keinesfalls, dies fiel auch Crowley auf. Der andere Polizist schüttelte nur den Kopf. "Tss, auch wenn es schon sein fünftes Opfer war, es waren Huren, die niemand vermisst." Erbost erhob Erziraphael seine Stimme. "Entschuldigen Sie mal bitte! Bei allem Respekt, ich verbitte mir, dass Sie in diesem Ton über das Opfer reden! Dieses Mädchen...vielleicht hatte sie irgendwo Familie..." Der Engel erntete nur einen mahnenden Blick von dem angesprochenen Polizisten, der andere hingegen versuchte die Situation zu entschärfen. "Ich verstehe durchaus Ihre Wut und es tut mir sehr leid, dass Sie das gestern mitansehen mussten. Wenn Sie uns immer noch mit Ihrer Hilfe zur Verfügung stehen würden, dann wären wir Ihnen sehr dankbar!" Crowley mischte sich ein. "Natürlich werden wir das! Mein Freund und ich stehen Ihnen mit Rat und Tat zur Seite und wenn uns was auffallen sollte, so werden wir Sie umgehend informieren! Wir sind doch anständige Bürger!" *~* Dem Engel entglitt ein langer Seufzer als die Polizisten den Buchladen wieder verlassen hatten. Er wandte sich dem Dämon zu, der bereits seinen Gehstock in der Hand hielt und bereit war, Ermittlungen aufzunehmen. "Hast du das mit Absicht gemacht?" "Was meinst du, Engel?" "Naja, ihnen zu sagen, dass ich dein Freund bin?" Crowley konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. "Kommt drauf an, wie du es auffasst!" "Ehm...wie meinst du das?" "Komm, Engel! Wir haben zu tun! Von alleine lässt sich der Mörder nicht schnappen!" Mit geröteten Wangen setzte Erziraphael seinen Zylinder auf, ergriff ebenfalls seinen Gehstock und folgte Crowley auf die Straße. "Ich habe mir überlegt, dass wir uns die örtlichen Bordelle vorknüpfen. Vielleicht auch die Damen oder Angehörige befragen, die wir ausfindig machen können. Ansonsten würde ich vorschlagen, dass wir uns bei Nacht die Bordelle vornehmen, die der Mörder noch nicht angegriffen hat. Es gibt genug solcher Etablissements in London, die Auswahl ist also groß genug." Erziraphael war erstaunt über Crowley's Aussagen. "Wie bereitwillig du mir nun doch hilfst." "Ich konnte doch nicht mitansehen, wie du vor den beiden Polizisten beschämt wirst." "Ach, darum geht es dir nur?" "Ach quatsch, Engel! Du nimmst immer alles direkt so ernst!" "Ernst? Die Sache ist ernst, Crowley! Ich habe nur das Gefühl, dass du mich nicht ernst nimmst." "Nach der Sache von heute Morgen glaube ich das schon fast." "W-was meinst du?" Der Dämon machte kehrt und ging auf den Engel zu. "Denkst du, ich habe nicht mitbekommen, wie du mich angeschaut hast? Wie du mir näher kamst?" Ihm entging nicht die plötzliche Röte, die dem Engel ins Gesicht stieg. Erziraphael schaute verlegen weg. "Ich frage mich manchmal, was es ist, was du möchtest, Erziraphael. So wie du dich verhälst ist es kein Wunder, dass die Polizei dich nicht ernst genommen hat." "Wie meinen?" "Naja, du sagtest, dass ich dein Freund sei!" "Nun...du...bist ja auch mein Freund. Was ist so falsch daran?" Ein Grinsen huschte über Crowley's Lippen. "Engel...du bist so naiv." "Hör auf! Was willst du eigentlich von mir?" "Wie schon gesagt, Engel. Die Frage ist eher, was du willst." Bis sie das nächste Bordell erreichten sprachen sie kein Wort mehr miteinander. Die Zeugenaussagen der dort lebenden Prostituierten half den beiden nicht viel weiter. Angeblich hatte keiner etwas gesehen, einige verfielen in lautes Schluchzen als sie auf die Opfer angesprochen wurden, einige in blanke Panik. Sowohl Dämon als auch Engel konnten es den Frauen nicht verübeln, schließlich kannten sich die Damen untereinander. Crowley bemerkte, wie es dem Engel anfangs sichtlich unwohl war die freizügigen Damen zu interviewen. Ein gewisses Schamgefühl hatte er im Laufe der Zeit dann doch schon entwickelt und sie beide mussten feststellen, dass die Frauen alle nicht gerade unattraktiv wirkten. In den späten Abendstunden zogen sich die beiden in einen Pub zurück, wo sie die Ereignisse des Tages Revue passierten und während Crowley sich ein Bier genehmigte, entschloss sich Erziraphael für einen schwarzen Tee mit einem Schuß Milch. "Letzten Endes sind wir kein bisschen schlauer als vorher. Aber ich glaube auch, dass uns die Damen nicht ganz die Wahrheit sagen." "Was hast du erwartet, Crowley? Ich denke, dass sie alle furchtbare Angst haben." "Nichtsdestotrotz ließen sich einige nicht entmutigen, dich anzuschmachten." "Mich? Hör auf!" "Hast du es nicht bemerkt, wie die eine Dame mit den blonden Haaren dich gemustert hatte? Ich glaube, sie hätte dir sicher mehr erzählt wenn du..." "Sei still! Sowas würde ich nie tun! Vielleicht ist das deine Masche aber ich...ich tue sowas nicht!" "Nein, du bist ja ein Engel und frei von jeglicher Sünde!" "Und du als Dämon scheust dich überhaupt nicht sowas zu tun!" "Wer weiß." Crowley erntete einen wütenden Blick von Seiten des Engels, dieser nahm daraufhin einen tiefen Schluck seines Tees. Crowley versuchte die Situation zu retten. "Aber nett von dir, dass du den Damen ein wenig Geld zugesteckt hast. Auch ohne derartige Geschäfte." "Sie...sahen alle so unterernährt aus und bei der schmutzigen Arbeit...sollten sie dennoch bei Kräften bleiben." Und das war es, warum der Dämon Erziraphael so sehr mochte und schätzte. Er dachte zuerst immer an andere als an sich selbst und vergaß dabei oft sein eigenes Wohl. "Du bist ein guter Engel, Erziraphael." "Manchmal bezweifele ich das sehr aber danke." "Ich würde es nicht sagen wenn es nicht so wäre." Er sah, wie sich die Miene des Engels etwas aufhellte. "Ich denke, ich werde gleich noch einmal die örtlichen Freudenhäuser in der Gegend in Augenschein nehmen. Es kann nicht schaden noch einmal an die Orte zurückzukehren, wo der Mörder bereits zugeschlagen hat. Vielleicht...kommt er nochmal zurück." "Das bezweifele ich, Engel. Mörder kommen meist nie an ein und denselben Ort zurück weil sie davon ausgehen, dass man dort schon auf sie wartet. Außerdem will ich nicht, dass du alleine gehst." "Ich bin Jahr und Tag alleine durch die Straßen Londons gezogen, ich brauche keinen Beschützer, Crowley!" "Nein, brauchst du nicht!" "Wieso...wieso nimmst du mich nie ernst?" "Ich nehme dich durchaus ernst! Aber vielleicht solltest du etwas ehrlicher zu dir selbst sein!" "Das bin ich!" "Nein...bist du nicht! Denn ich weiß ganz genau, wie du da saßt und gezittert hast als ich dich bei der Frauenleiche sah." Schweigen legte sich zwischen die beiden und Crowley musterte den Engel einerseits mit ernstem aber auch mit besorgtem Blick. Der Engel legte ein paar Pfund auf den Tisch und erhob sich. "Wir sehen uns morgen, Crowley!" "Ja...wie du meinst." *~* Crowley hatte nicht Unrecht gehabt und Erziraphael hätte sich dafür ohrfeigen können, dass er diese Verantwortung wieder alleine auf sich nahm. So zog er schweigend und mit bedrückendem Gefühl in der Brust durch die Straßen Londons, in der Hoffnung eine Spur zu finden. Er war ja auch nicht gerade unauffällig in seinem weißen Anzug und dem gleichfarbigen Zylinder und gerade im Schein der Straßenlaternen fiel er natürlich direkt auf. Er beschloss gerade den Rückweg zum Buchladen anzutreten als er aus der Ferne einen Schrei vernahm. "NEIN, BITTE NICHT! STOPP!" Sofort rannte Erziraphael in die Richtung, aus dem der Schrei kam. Es war diesmal nicht weit entfernt von ihm aber als er ankam, war es bereits zu spät. Er erblickte eine dunkle Gestalt, deren Gesicht er nicht erkennen konnte. In ihrer Hand eine Klinge voller Blut und am Boden ein weiteres Opfer, was die Klinge gefordert hatte. Erziraphael war so starr vor Schreck, dass er nicht mitbekam, wie die Gestalt auf ihn zukam und den Engel gegen die Mauer hinter sich drückte. Er konnte das Gesicht des Mannes nicht erkennen, welches von einer Art Maske verdeckt wurde und er war zu perplex, um in jenem Moment die Zeit anzuhalten und so machte sich Panik auf seinem Gesicht breit als er die Klinge spürte, die der maskierte Unbekannte ihm kurzerhand in die Hüfte rammte. Ein weiteres Mal schaffte er nicht, denn der Engel schaffte es mit letzter Kraft die Klinge mit der Hand abzuwehren, wobei sie tief in seine Handfläche schnitt. Das war es also, was Menschen dazu antrieb Schmerzen zu erleiden wenn sie in Paniksituationen waren. Adrenalin pumpte durch Erziraphael's Körper, er war der Ohnmacht nahe aber er gab nicht nach, bis aus der Ferne eine vertraute Stimme ertöhnte und den Unbekannten in die Flucht schlug. "ERZIRAPHAEL! ERZIRAPHEL! OH...oh Gott!" Der Engel brach zusammen. Er bemerkte nicht, wie Crowley ihn auffing, der Schmerz war zu groß. Das Letzte, woran Erziraphael dachte, bevor seine Welt schwarz wurde war, wie stark die Menschen doch waren und dass er wieder einmal feststellen musste, wie sehr er diese für ihren Mut, selbst in Stunden ihrer Angst bewunderte und respektierte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)