~Broken Wings~ von BexChan ================================================================================ Kapitel 1: Trail of Blood... ---------------------------- London, 1888 Die Nacht lag schon fast gespenstisch über London. Die Straßen lagen still da als Crowley sich seinen Weg durch die Innenstadt von London bahnte. Es war lange her gewesen seit er das letzte Mal durch die nebeligen Straßen gezogen war. Seit seiner Auseinandersetzung mit Erziraphael hatte es den Dämon mal hier und mal dahin verschlagen für diverse Aufträge, die er von seiner Zentrale erhalten hatte aber heute Nacht zog es ihn nach langer Zeit wieder in die Stadt des Nebels. Sein Gehstock klackerte über die gepflasterten Steinwege, am Himmel machten sich trotz Dunkelheit schwere Gewitterwolken bemerkbar und die Nacht lag wie eine schwarze Decke über London. Im fiel der kalte Mond auf, der grell am Himmel stand. "Wundervolle Nacht für einen Spaziergang." Er rückte seinen Zylinder zurecht, ließ einen Kutscher die Straße passieren und setzte seinen Weg fort. Er war auf dem Weg zu einem Buchladen. Und zu einem Engel, dem dieser Buchladen gehörte. Crowley hatte eigentlich schon viel früher vorgehabt, Erziraphael zur Eröffnung seines Buchladens in Soho zu gratulieren. Er erinnerte sich, dass es irgendwo in der Zeit zwischen Shakespeare und der französischen Revolution gewesen war. Er wollte den Engel mit Blumen und Pralinen überraschen, eigentlich der perfekte Augenblick, um Erziraphael seine bisher verschwiegene Zuneigung zu zeigen. Doch...leider kam es nie zu der Übergabe. Crowley bekam schnell mit, dass der Erzengel Gabriel Erziraphael in dem Himmel zurückpfeifen wollte, da seine Pflichten auf der Erde erledigt seinen. So fasste Crowley einen Entschluss. Er zog sich zurück und stellte etwas an, damit die Hilfe des Engels noch auf der Erde benötigt wird. So brauchte Erziraphael seinerzeit die Erde, die er so liebt nicht verlassen und...Crowley musste sich nicht von seinem Engel trennen. Der Dämon rückte seine Sonnenbrille zurecht als er an damals zurückdachte, ein sanftes Lächeln umspielte seine Lippen. "Vielleicht...vielleicht ist es an der Zeit, die Wogen wieder zu glätten." 26 Jahre waren seit dem Vorfall im St. James Park vergangen und Crowley hatte seit jenem Tag kein Wort mehr mit dem Engel gesprochen. Er war sich durchaus bewusst, dass er den Engel eindeutig verletzt hatte mit seinen Worten. Sie gingen ihm einfach so über die Lippen und wie immer hatte er nicht nachgedacht. ~"Ich brauche dich nicht!"~ Crowley bereute es. Seine Art und Weise. Er hatte den Engel nur um einen Gefallen gebeten und letzten Endes waren dessen Sorgen durchaus berechtigt gewesen aber wieso musste Crowley so unausstehlich zu ihm deswegen direkt sein? Er bemerkte, dass am Anfang von Soho noch ein kleiner Blumenladen seine Türen geöffnet hatte. Er wunderte sich schnell ein wenig Geld und kaufte den schönsten Strauß, den er zu Gesicht bekam. Langsam und mit einem bedrückenden Gefühl in der Brust setzte er seinen Weg zum Buchladen fort, den er allerdings als er dort ankam leer vorfand. Seine Miene verfinsterte sich und er ließ den Strauß Blumen sinken. "Er scheint gar nicht da zu sein. Wo bist du, Erziraphael?" Vorsichtig legte er die Blumen vor die Türe. Er drehte sich nicht um als er den Rückweg antritt. *~* Es war ziemlich spät geworden wie Erziraphael auf seinem Rückweg zum Buchladen feststellen musste. Er sah davon ab eine Kutsche zu nehmen, denn er genoss den frischen Wind, der durch die Straßen zog und ganz besonders wenn er sich ein oder zwei Gläser genehmigt hatte. Er hatte ich es auch an diesem Abend nicht nehmen lassen, einen Gentlemen's Club zu besuchen, um ein wenig Spaß zu haben. Aber im Laufe der Zeit stellte er immer mehr feste, dass es nicht dasselbe war. Jemand fehlte. Ein gewisser Dämon, den er jetzt schon eine ganze Weile nicht mehr gesehen hatte. Erziraphael gab es nicht gerne zu aber der Dämon fehlte ihm. Er hatte die letzten 26 Jahre damit verbracht, seinen Buchladen in London populär zu machen und kleinere Wunder zu bewirken, die er durch Aufträge von oben erfüllen musste. Dabei geriet Crowley bei ihm mit der Zeit in Vergessenheit. Naja, irgendwie nie so ganz. Es tat weh an ihn zu denken. Vielleicht war Erziraphael seinerzeit ein wenig zu grob gewesen aber er hatte sich doch nur Sorgen um Crowley gemacht. Trotzdem konnte er seine letzten Worte nicht vergessen. ~"Ich brauche dich nicht!"~ Erziraphael hatte es sich nicht anmerken lassen aber als er im Anschluss die Flucht ergriff und weit genug von Crowley entfernt gewesen war, konnte er die Tränen nicht mehr zurückhalten und gerade in solchen Momenten, wo er wie jetzt leicht beschwipst vom Alkohol war, fühlte er den Schmerz in seiner Brust ganz besonders. "Ich...ich wünschte, ich könnte ihn einfach vergessen! Wieso...wieso tut es so weh?" Er stützte sich auf seinem Gehstock ab, atmete tief ein und wieder aus. Sein Blick streifte unruhig über die dunklen Gewässer der Themse, die im Schein des kalten Mondes noch gespenstischer wirkte. "Ich bin ein Engel! Crowley...bedeutet mir nichts. Kein bisschen..." "AAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAHHHHHHH! NEEEEEEEEEEEEEEEEIIIIIIIIIIIIIIIN!" Der Engel riss seine Augen auf als ihn der ohrenbetäubende Lärm aus den Gedanken riss. Eine Frau. Und sie schien unerträgliche Schmerzen zu haben. Wäre Erziraphael ein Mensch gewesen, hätte sich der Schrei durch Erziraphael's Eingeweide geschnitten. Auf einmal war er hellwach und folgte von seinen himmlischen Instinkten getrieben den Schreien der Frau. "Lieber Himmel, das klingt...als ob jemand umgebracht wird! Ich hoffe, ich komme nicht zu spät! Lieber Gott, bitte verschone das Leben dieser armen Frau!" Die Schreie drangen näher an sein Ohr und doch wirkten sie so weit entfernt. Der Weg war weiter weg als gedacht. Die kalte Nachtluft brannte in Erziraphael's Lungen, beinahe wäre ihm der weiße Zylinder vom Kopf geflogen, so schnell rannte er. Dann...von einer auf die andere Sekunde verstummten die Schreie und die Nacht lag Erziraphael wieder schweigend im Ohr als ob nie etwas passiert wäre. Er bog durch mehrere Gassen, seine Schritte hallten an den kalten Wänden der Gebäude wider. Noch eine Abbiegung und... "Nein...Grundgütiger..." Der Engel konnte und wollte sein Gesicht nicht abwenden. Geistesabwesend bewegte er sich auf den Leichnam der Frau zu, der regungslos am Boden lag. Der Anblick war kaum zu ertragen. Er hatte die Stiche nicht gezählt aber wer auch immer das Leben aus der Frau getrieben hatte, er musste eine unglaubliche Wut in sich getragen haben. Aus unzähligen Löchern floss Blut und vermischte sich am Boden mit dem Regen, der sich in den Rinnen des Weges sammelte. Der Engel war den Tränen nah und zitterte am ganz Körper. "IST DA JEMAND? WIR BRAUCHEN HILFE! BITTE!" Es dauerte nicht lange bis die Polizei eintraf. Der Engel hatte sich seitdem nicht mehr vom Fleck bewegt und blieb starr bei der Leiche der jungen Frau sitzen. Es war ihm egal, ob sein weißer Anzug völlig durchnässt vom aufkommenden Regen war oder dass seine Handschuhe voller Blut waren als er versucht hatte einen Puls bei der Frau festzustellen. Er machte sich Vorwürfe, dass er nicht schnell genug gehandelt und zu spät gekommen war. Fast geistesabwesend antwortete er als der Polizist begann Erziraphael auszufragen. "Kannten Sie die Frau?" "Nein! Ich hörte nur...ihre Schreie. Ich wollte ihr...zur Hilfe eilen." "Wir bräuchten auf der Wache noch dringend ihre Zeugenaussage." "Natürlich." Erziraphael erhob sich. Er nahm gar nicht mehr wahr, wie sein Körper zitterte. Er hatte in den letzten tausenden von Jahren viel gesehen, Krieg, Zerstörung und Leid, war immer gefasst gewesen aber diesmal... "Erziraphael?" Eine ihm wohl bekannte Stimme drang an sein Ohr und langsam hob der Engel hoffnungsvoll den Kopf. "Crowley..." Der Dämon sah die Tränen in den Augen des Engels und reichte ihm die Hand. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)