Weiß Kreuz von abgemeldet (Unschuld und Sünde) ================================================================================ Kapitel 12: Pläne [Part Two] ---------------------------- Ran verlor keine weiter Sekunde und hechtete Yoji ins Wasser nach. Wenn Aya etwas zustoßen sollte, wenn sie vielleicht sogar ertrank, dann würde er sich das niemals verzeihen. Er würde sich hassen. Einfach nur hassen. Er hatte doch geschworen, sie zu schützen. Er hatte es geschworen und nun... Nun war er langsamer als der Kerl, den er nicht als ihren Freund akzeptieren wollte. Yoji pflügte vor ihm durch das Wasser und hielt bei den Booten kurz inne. Er holte tief Luft und tauchte ab. Langsam stieg Panik in Ran auf. Er brauchte noch etwas, um an die Stelle zu kommen, an der Aya unter Wasser gegangen war. So lag seine einzige Hoffnung auf Yoji, dem er vertrauen musste. Er musste ihm Aya anvertrauen, auch wenn das schwerer war als alles andere. Denn seine Schwester war die einzige Person, die er nicht mutwillig in irgendwelche Hände gab. Und schon gar nicht in Yojis Hände. Eigentlich... Das Gespräch mit dem Blonden hatte ihm annähernd gezeigt, dass dieser tatsächlich ein gewisses Maß an Interesse für Aya zu hegen schien. Und es schien auch ganz so, als wenn dieses nicht nur darauf beruhen würde, dass er ihr an die Wäsche wollte. Ob es wirklich Liebe war, was Yoji zu der Beziehung mit Aya trieb, war weiterhin fraglich. Mehr als fraglich sogar, denn der Playboy war gewiss nicht die Sorte von Mann, für den eine Beziehung langlebig oder gar von Bedeutung war. Eine Beziehung war viel mehr Mittel zum Zweck. Mehr nicht. Dennoch musste er nun darauf vertrauen, dass Yoji es wirklich ernst mit Aya meinte. Denn nun lag ihr Leben in seinen Händen. Ganz alleine in seinen Händen. Sein Herz zog sich schmerzhaft zusammen. Gedanken an den Unfall ihrer Eltern stiegen wieder in ihm auf und nahmen ihm fast den Atem, während er immer langsamer zu der Stelle schwamm, an der Aya untergegangen war. Langsam wurden seine Glieder immer schwerer. Er fühlte sich beinah gelähmt vor Angst, dass er nun auch noch seine Schwester verlieren würde. Seine Schwester, die er auf seine verquere Weise so sehr liebte. Ein Kloß bildete sich in seinem Hals, der ihm fast den ganzen Atem nahm, der noch in seinen Lungen vorhanden war. Es war ein wahrhaft scheußliches Gefühl, das sich mit alten Empfindungen vom Tag des Unfalls vermengte. Aya hatte ihre Eltern zuerst entdeckt. Sie war so entsetzt und verstört gewesen und ihr Schrei, den sie ausgestoßen hatte, hatte so schmerzverzerrt und verzweifelt geklungen. Er war zu ihr geeilt, hatte die Folgen der Hinrichtung mit eigenen Augen gesehen und dann... dann hatte er diese verdammte Bombe gesehen, die ihre letzten Sekunden bis zur Detonation überbrückte. Geradezu geistesgegenwärtig hatte er Aya in Richtung Haustür gestoßen, doch es war zu spät gewesen. Er war unter den Trümmern des Hauses begraben worden und Aya... Sie musste wohl durch die Wucht der Explosion aus dem Haus geschleudert worden sein. Und dann... Dann kam Takatori und ließ sie von seinem Chauffeur überfahren. Einfach überfahren. Ran erinnerte sich noch genau daran, wie es gewesen war. Er hatte schreien wollen, dass sie aufpassen sollte, aber kein Ton hatte sich aus seiner Kehle gelöst. Dann war ihr schmaler kleiner Körper durch die Luft geflogen und hart auf dem Boden gelandet. In diesem Moment war der letzte Rest von Ran Fujimiya gestorben. In jenem Moment, in dem seine ganze Familie ausgelöscht schien, und nur noch er lebte. Dass Aya das Ganze mehr oder minder auch überlebt hatte, hatte er erst im Krankenhaus erfahren. Genauso wie die Nachricht, dass sie im Koma läge und niemand wüsste, ob und wann sie wieder aufwachen würde. Seine Welt war aus allen Fugen geraten. Der gutmütige Junge, der er einmal gewesen war, wurde hinter eine Fassade aus Eis gesperrt und sollte zu dem werden, was er nun war. Hart und unnachgiebig. Und dann... Dann erwachte Aya. Nach einiger Zeit, in der er nie die Hoffnung aufgegeben hatte, wobei die Ärzte es schon lange getan hatten, erwachte sie. Damals hatte sein Herz angefangen, wieder warmes Blut durch seine Adern zu pumpen, weil die Erleichterung sein zu Eis erstarrtes Herz wieder erwärmte. Doch nun fühlte er wieder das Eis durch seine Adern rinnen, als die Angst immer mehr Besitz von ihm ergriff. Ängste, Gefühle, Schmerzen stürzten auf ihn ein. Und dann war da nur noch Leere. Eine unerträgliche Leere, die sich durch seinen ganzen Körper fraß. Selbst die Tatsache, dass Aya noch nicht verloren war, konnte nichts gegen diese Gefühle tun. Die Angst war einfach zu groß, zu enorm, um noch einen klaren Gedanken fassen zu können. Und auch, als Yoji mit Aya in den Armen durch die Wasseroberfläche brach, änderte sich nichts an diesen Gedanken. Noch lange nicht. Aya hing schlaff in Yojis Armen. Ihr Gesicht war bleich, blutleer. Die vollen Lippen waren blau angelaufen und ihre Haare, die sich auch ihren Zöpfen gelöst hatten, klebten in ihrem Gesicht. Ihre Kleider, die mit Wasser voll gesogen waren, trugen dazu bei, dass Yoji nicht nur gegen das Gewicht seiner eigenen nassen Kleidung ankämpfen musste, sondern auch gegen das von Aya. Zuerst paddelte Yoji beinah schon verzweifelt und versucht sich mit Aya über Wasser zu halten. Zusätzlich zu ihrer nassen Kleidung kam noch hinzu, dass sie bewusstlos war, und deshalb einem nassen Sack gleich in seinem Griff hin. Und nasse Säcke waren bekanntlich alles andere als leicht und gut zu handhaben. Dennoch schaffte er es, gegen den Sog, der ihn durch all diese Faktoren zu umgeben schien, anzukämpfen und bewegte sich, Aya nun doch etwas fester im Griff, von der Stelle. "Ran, hilf mir mal." Yoji schwamm auf Ran zu, der allerdings immer noch wie zur Salzsäure erstarrt im Wasser paddelte. "Hm?" Der Rothaarige sah Yoji und Aya reichlich neben sich stehend an und realisierte eigentlich gar nicht wirklich, dass er angesprochen worden war. Er realisierte gar nichts. Noch nicht mal, dass Aya sich nicht im Geringsten regte. Yoji ruderte mit einer Hand, um sich über Wasser zu halten, während der andere Arm um Ayas schlaffen Körper geschlungen war. "Ran, verdammt. Aya braucht dich." Er war versucht, dem Weiß-Leader einen Schlag ins Gesicht zu versetzen, aber die Gefahr war zu groß, dass Aya dann wieder unterging. "Weißt du was, mach was du willst." Damit schwamm er mit Aya ans Ufer und trug sie auf den trockenen Grund, auf welchem sich bereits ihre Lehrer und Mitschüler versammelt hatten. Der Blonde, der innerlich vor Panik fast verglühte, schien äußerlich ziemlich gelassen. Das lag aber vornehmlich daran, dass er ihr bisher noch nicht ins Gesicht gesehen hatte. Er vermied dies sogar beinah stoisch, weil er ihr Leid nicht noch auch verinnerlichen wollte. Nur seine Gedanken schienen nicht still zu stehen. Denn diese kreisten immer nur um die Frage, ob er rechtzeitig bei ihr gewesen war. Es machte ihm einfach Angst, ihren schlaffen Körper in seinen Armen zu spüren. Und noch viel schlimmer war, dass sich ihr Körper so kalt anfühlte. Erinnerungen an Asukas Tod kamen ihm in den Sinn. An den Tod, den er herbeigeführt hatte. Als er sie gewürgt hatte, er hatte beinah schon spüren können, wie das Leben und damit die Wärme aus ihrem Körper gewichen war. Genau das war es, was ihn damals so gebrochen hatte. Nicht einmal, dass er sie umgebracht hatte. Es war das Gefühl, dass er gehabt hatte, als das Leben aus ihr gewichen war. Und vor diesem Gefühl hatte er nun Angst. Mehr Angst, als er es formulieren konnte. Aus diesem Grund traute er sich auch nicht, wirklich auf ihren kalten Körper einzugehen oder in ihr Gesicht zu blicken. Er hatte schon oft genug gesehen, wie Menschen aussahen, die starben. Zu oft hatte er es gesehen. Ob diese Tode von Weiß herbeigeführt worden waren oder auf natürliche Weise stattgefunden hatten, er hatte es gesehen. Er wusste, wie es aussah. Der Gedanke, dass Aya auch so aussehen konnte, hielt seinen Blick stur geradeaus gerichtet. Er wollte es einfach nicht sehen, selbst wenn dem so war. Er wollte nicht noch einmal die Frau verlieren, die er liebte. Nicht noch einmal. Und schon gar nicht wollte er Aya verlieren. Denn sie war die einzige Frau, von der er wirklich sagen konnte, dass er mit ihr auf ewig zusammen sein wollte. "Du musst bei mir bleiben, Süße. Du musst einfach. Ich ertrage ein Leben ohne dich nicht." Die Worte kamen wie ein tonloser Hauch über seine Lippen, die sich kaum bewegten. Er sprach sie zwar aus, aber niemand, vielleicht nur Aya, hatte Kenntnis von ihrer Existenz. Eine Lehrerin, die aufgeregt auf ihn einredete, trat zu ihm. Sie ergriff Ayas Hand und drückte diese leicht. Doch auch sie erhielt keine Reaktion. Auch sie war nicht in der Lage, ein Zeichen aus dem schlaffen kleinen Körper zu erhalten, das darauf hinwies, dass der Körper noch lebte. "Aya, Kleines..." Sie Lehrerin klopfte ihr leicht auf die Wange, aber Aya rührte sich einfach nicht. Yoji versuchte heroisch seine Angst niederzukämpfen. Er unternahm alles, damit seine Angst nicht die Überhand gewann. Nur war es leider so, dass das Gerede der Lehrerin die Sache nicht wirklich besser machte. Ganz im Gegenteil. Und als sie dann auch noch anfing, hysterisch rumzuzetern, vergrößerte sich sein Unwohlsein und Schweiß trat aus jeder Pore seines Körpers. Er spürte eine Angst in sich aufsteigen, die er noch nie gekannt hatte. Angst, die er nie hatte kennen wollen. Doch nun holte sie ihn ein. Mit aller Gewalt. Nur konnte und wollte er sich von dieser Angst nicht beherrschen lassen. Es war noch lange nicht zu Ende. Jetzt galt erst einmal, dass er versuchte, einen ruhigen Kopf zu bewahren. Und dann würde er Aya.... Er würde Aya.... Was würde er sie? Genau sagen konnte er es nicht. Zu viele Gedanken stürzten auf ihn ein. Zu viele Stimmen taten um ihn herum kund, dass er etwas tun müsste. Dass es lebensnotwendig wäre. Allerdings gab keine Stimme etwas von sich, dass diesen kleinen Schalter, der ihn nun blockierte, wieder umlegte. Mit immer größer werdender Panik trat er auf das Grün, das um den See wuchs. Langsam ging er in die Knie. Zumindest erschien es ihm langsam, denn alles um ihn herum lief wie in Zeitlupe ab. Die Zeit und die Welt schien still zu stehen. Nachdem er Aya auf den Boden gebettet hatte, fühlte er mit zitternden Fingern ihren Puls und stellte fest, dass dieser noch vorhanden war. Zwar fühlte man die Pulsation ihres Blutes nur sehr, sehr schwach, aber sie war vorhanden. Dennoch wäre eine Herzmassage von Nöten, um ihren Kreislauf wieder vollständig in Schwung zu bringen. Das Gerede der Anwesenden und die hysterischen Schluchzer von Reika überhörte Yoji dementsprechend einfach. Zu wichtig war es, dass Aya wieder zu Bewusstsein kam. Sie war viel zu lange unter Wasser gewesen, und er mochte sich gar nicht vorstellen, was sie für eine Angst gehabt haben musste. Immer noch ziemlich gefasst aussehend, begann er damit, Aya von Mund zu Mund zu beatmen, während ihre Lehrerin die Herzmassage vornahm. Ran war immer noch nicht wieder an Land erschienen. Er schwamm noch immer im See auf einer Stelle und war unfähig, sich zu rühren. Yoji wisperte leise in Ayas Ohr, während die Lehrerin weiter ihrer Aufgabe nachging. "Süße, bitte, komm wieder zu dir. Ich ertrage es nicht, dich so zu sehen. Ich brauche dich." Er küsste sie auf die Wange, bevor er sich wieder der Mund-zu-Mund-Beatmung zuwendete. Qualvolle Minuten folgten, während Ayas Herz erst langsam wieder seine Funktion aufnahm. Und noch viel längere qualvolle Minuten folgten, bis sie zu husten anfing. Ein Wasserschwall ergoss sich aus ihrem Mund, und sie krümmte sich schmerzhaft zusammen. Ihre Lunge begehrte gegen sie auf, als sie schmerzhaft den rettenden und lebensnotwenigen Sauerstoff in sich aufnahm. Ihr Herz schlug wieder schneller und sorgte kurzfristig für eine gewisse Enge in ihrem Brustkorb, welche aber alsbald nachließ. "Aya, Süße..." Yoji zog sie sofort an sich und presste ihren Körper an seinen. "Ich hatte so eine Angst um dich." Aya sah ihn nur aus glasigen Augen an, aus denen auf einmal die Tränen rannen. "Ich... ich habe gedacht, ich sehe dich nie wieder." Ihre kleinen schmalen Finger klammerten sich in seinem nassen Hemd fest. "Psst... Beruhig dich. Es ist alles wieder gut, Süße. Alles ist wieder gut." Yoji hauchte ihr einen liebevollen Kuss auf die Stirn. "Wo... wo ist Ran?" Aya blickte ihn fragend, beinah schon panisch an. Yoji war versucht, einen Kommentar von sich zu geben, der nicht wirklich freundlich war. Allerdings besonn er sich darauf, dies zu unterlassen. Das Gespräch, dass er zuvor mit Ran geführt hatte, hatte für ihn nicht nur eine Sache klarer werden lassen. Aya litt zwar in aller Öffentlichkeit wegen des Todes ihrer Eltern, aber auch Ran hatte die ganze Sache härter getroffen, als es jeder, der ihn kannte, wohl vermuten würde. Es erschien Yoji fast so, als wäre Ran damals innerlich zerbrochen. Und wie musste es dann für ihn sein, wenn seine Schwester ein zweites Mal über den schmalen Grat zum Tod wandelte? Der plötzliche Gedanke daran, dass Aya hätte sterben können, ließ ihn fast erstarren. Der Gedanke war einfach zu beängstigend. Und er schmerzte mehr, als dass er es sich jemals hätte vorstellen können. Sie war zum wichtigsten Menschen in seinem Leben geworden, und er wollte sie nie mehr missen müssen. Und dennoch... dennoch hätte es nun passieren können, was mehr als nur schrecklich war. Daran durfte er noch nicht einmal mehr denken. Am besten nie mehr. "Ich bin so froh, dass du.... du...." Seine Stimme brach vor aufgestauter Verzweiflung, die sich plötzlich einen Weg bahnte. Aya blickte ihn aus gequälten, leer erscheinenden Augen an und rang sich ein schwaches Lächeln ab. "Es ist alle gut, Yoji. Ich bin doch hier. Und wir sind zusammen." Ihr schlanker Körper schmiegte sich zitternd an seinen und versuchte verzweifelt, etwas von seiner Körperwärme aufzunehmen. "Ja, das sind wir." Er küsste sie hauchzart auf die immer noch blau angelaufenen Lippen. Das Getuschel der Anwesenden überhörte er einfach. Auch die Protestschreie, die sich plötzlich erhoben, weil einige der anwesenden Damen und Schülerinnen tatsächlich auch in dieser Situation eifersüchtig auf Aya waren. "Yoji, wo ist Ran?" Wieder die Frage nach ihrem Bruder. Yoji drückte sie fester an sich. "Er holt noch etwas. Eine Decke oder so. Er war völlig durcheinander." Vorsichtig spähte er über seine Schulter und entdeckte Ran, der nun tatsächlich aus dem Wasser stieg. Sofort eilte er herbei, um neben den beiden in die Knie zu gehen. "Aya? Ich... es... ich konnte..." "Ran hat dich aus dem Wasser gezogen." Mit einem beinah schon manipulativen Blick schaute Yoji den Rothaarigen an. Es war für die Geschwister besser, wenn Aya glaubte, Ran wäre es gewesen. Und für Ran war es auch besser. Immerhin musste er sich dann nicht vor ihr rechtfertigen, dass er sie nicht aus dem Wasser gezogen hatte. Ran sah ihn daraufhin nur verwirrt an, verstand dann aber schließlich, nickte knapp und schaute ihn fast so an, als wäre er ihm dankbar. "Ich bin so froh, dass es dir gut geht, Aya. Ich hatte panische Angst um dich." Seine kleine Schwester nickte, löste sich von Yoji und rückte zu ihm, um sich nun an ihn zu klammern. Zwar verursachte das etwas wie Eifersucht in Yojis Herzen, aber die beiden waren Geschwister. Und eine Geschwisterliebe, wenn es denn eine Wirkliche war, konnte selbst von einem Freund nicht getrübt werden. So blieb er also neben den beiden sturen Fujimiyas sitzen, die sich fest umklammerten und nicht mal annähernd so aussahen, als würden sie sich jemals wieder loslassen wollen. Aya lag in dicke Sachen eingepackt unter einer dicken Daunendecke in ihrem Bett und hielt ihren Stoff-Pinguin im Arm. Yoji saß auf einem Stuhl neben ihr und strich ihr beruhigend über die blasse Hand, die er in seiner Hand hielt. Er hatte sich stoisch geweigert, sie alleine zu lassen. Und selbst Ran hatte dieses Mal keinen Einspruch erhoben. Immerhin schien er ihm wirklich dankbar. Und das nicht nur wegen der Lüge, die er Aya erzählt hatte. "Wie wäre es, wenn wir übermorgen in den Zoo gehen würden? Es hat dir doch beim letzten Mal so gut dort gefallen. Oder wir gehen ins Kino. Die zeigen da Lilo & Stitch 2." Yoji neigte sich vor und hauchte einen zärtlichen Kuss auf ihre Wange. Ihr Kopf bewegte sich nur ganz leicht. "Können wir auch beides machen? Und kann Ran auch mit?" Sie blinzelte ihn unter halbgeschlossenen Lidern schläfrig an. "Natürlich können wir auch beides machen. Er kann auch gerne mitkommen. Ich habe nichts dagegen. Rein gar nichts." Und das hatte er in der Tat nicht. Nicht nach diesem Tag, an dem er so viele Dinge endlich verstanden hatte. "Schön." Aya lächelte leicht und kuschelte sich tiefer in die Kissen. Yoji wollte noch etwas erwidern, doch da öffnete sich die Tür und Ran kam mit einem Tablett herein, auf dem drei Tassen dampfender Kakao standen. "Ich habe mir gedacht, wir brauchen alle drei etwas zum Aufwärmen." Er stellte das Tablett auf Ayas Nachttischkommode ab und reichte erst Yoji eine Tasse, während Aya sich mühsam aufsetzte. Sie hielt immer noch ihren Pinguin im Arm, als Ran ihr die Tasse reichte. "Danke, Ran." "Nichts zu danken." Er zog sich ebenfalls einen Stuhl heran und blickte auf Yojis Hand, die mittlerweile auf Ayas Bein lag. Allerdings empfand er nicht mal den Hauch von Wut. Er hatte sich nach diesem ganzen verrückten Tag so weit es eben ging mit dieser Beziehung abgefunden. Zumal er wirklich momentan nichts fand, dass vernünftig genug klang, um diese Beziehung zu unterbinden. Schon alleine deswegen nicht, weil Yoji Aya gerettet hatte. "Ran?" Aya blickte ihn über den Rand der großen Blocktasse an. "Hm?" Er hob leicht eine Braue. "Yoji und ich wollen in den Zoo gehen. Und danach ins Kino. Die zeigen Lilo & Stitch 2. Würdest du vielleicht mitkommen? Wir würden das dann in zwei Tagen machen." Ihre dunkelblauen, fast schwarz wirkenden Augen richteten sich schon beinah flehend auf ihn. Ran war ganz kurz versucht, den Kopf zu schütteln, doch dann blickte er Yoji an. "Wäre es dir recht, wenn ich mitkomme? Ich meine, ich will euch nicht stören." Vorsichtig nippte er an seinem Kakao. Yoji nickte knapp. "Natürlich ist es mir recht. Ich meine, Aya würde sich freuen. Und du bist ihr Bruder. Warum sollten wir dann nicht mal etwas zu dritt machen?" Mit dieser Antwort hatte Ran absolut nicht gerechnet. Genauso wenig mit den Worten, die Yoji an Aya gerichtet hatte, als er so herum gestottert hatte, da er nicht fähig gewesen war, seine eigene Schwester zu retten. Allmählich keimte in ihm der schwere Verdacht auf, dass der Blonde vielleicht doch nicht so schlimm war. Absolut nicht schlimm. Und auch der Verdacht, dass Yoji Aya wirklich liebte, erhärtete sich mehr und mehr. Aber dennoch blieb da immer noch die Stimme in seinem Hinterkopf, die nach Vorsicht schrie. Das lag aber vornehmlich daran, dass Yoji nun mal den Ruf eines Playboys hatte. Allerdings sollte dieser so lange keine Rolle spielen, oder nur in einem gewissen Maße, bis Yoji ihn wieder raushängen ließ. Und dann würde Ran ihn in Stücke schlagen. Denn niemals würde er zu lassen, dass Yoji seine Schwester verletzte. Niemals in seinem Leben, Nur war das im Moment nebensächlich. Immerhin hatte Yoji sie gerettet und dafür wäre er ihm erst mal eine sehr lange Zeit dankbar. Yoji bemerkte unterdes den seltsamen Blick, mit dem Ran ihn musterte. Allerdings legte er nicht viel Wert darauf. Zumal es dieses Mal nicht einer dieser hasserfüllten Blick war, sondern vielmehr einer, in dem so etwas wie Dankbarkeit und anfängliches Vertrauen lag. Und dieses Vertrauen würde er auf gar keinen Fall brechen oder missbrauchen. Wirklich auf gar keinen Fall und niemals. "Wie weit bist du?" Brad trat hinter Schuldig, der immer noch mehr als interessiert in eine Akte schaute. "Ich bin zwar nicht so ein Sesselpupser wie du, aber das hier ist tatsächlich interessant." Der Deutsche tippte auf das Bild einer rothaarigen Frau. "Wer hätte das jemals geglaubt, dass sie ihm so verfallen ist?" Brad nahm seine Brille von der Nase und putzte sie gründlich mit einem Brillentuch. "Du weißt doch. Was sich liebt, dass neckt sich." "So wie wir..." Schuldig prustete laut los, als er über die Schulter sah und Brads pikierten Blick einfing. "Keine Sorge. Das hätte ich jetzt auch zu Farfarello oder Nagi gesagt. Außerdem..." Er fischte nach einer anderen Akte und holte ein Bild hervor, das er ihm zu schob. Er tippte mit einem Finger auf die Abbildung eines dunkelhaarigen Mädchens. "Ach...? Wer hätte das gedacht. Hat dir das Nachthemd also doch gefallen?" Der Amerikaner schob sich die Brille wieder auf der Nase zu Recht und musterte das Bild noch eine Weile. "Was wohl die beiden Streithähne zu solch einer Erkenntnis sagen würden?" Schuldig winkte über die Schulter ab. "Irrelevant." Seine blauen Augen glitten weiter über die Zeilen in der Akte. "Interessantes Profil. Daraus lässt sich wirklich was machen. Nagi hat gute Arbeit geleistet. Aber... das sagst du ihm nicht, Boss." Der immer etwas zerzaust aussehende Rothaarige streckte sich und lehnte sich richtig an den Stuhl. Den Kopf ließ er über die Kopflehne nach hinten hängen, so dass er Brad nun auf dem Kopf stehen sah. Der stets gut gekleidete 27-Jährige verschränkte die Arme vor der Brust. "Kannst du damit wirklich etwas anfangen? Wir haben nicht mehr lange Zeit, uns die vier vom Hals zu schaffen. Und wenn Balinese und Abyssinian sich erst einmal bis auf's Blut bekriegen, haben wir mit Siberian und Bombay leichtes Spiel." "Korrektur, der Irre und Nagi haben noch leichteres Spiel als sonst und wir haben frei. Du glaubst doch nicht allen ernstes, dass ich einen Finger gegen die krümme, wenn der schleimige Playboy im Krankenhaus liegt. Bin ich bescheuert. Ich fliege dann in die Karibik und mache Urlaub." Schuldig nickte leicht und richtete sich wieder auf dem Stuhl auf. Den finsteren Blick, den Brad ihm zuwarf, spürte er sogar in seinem Rücken. "Nun reg dich nicht direkt wieder auf, Crawford. Du kriegst irgendwann noch einen Herzinfarkt. Also cool down und such dir eine Freundin, damit du mal vom Schreibtisch weg kommst." Brads Hand legte sich auf Schuldigs Schulter und presste diese fest zusammen, so dass der Telepath leicht zusammen zuckte. "Mach dich lieber wieder an die Arbeit. Es eilt." Er lockerte seinen Griff und verließ das Arbeitszimmer, in dem Schuldig saß. Allerdings hatte dieser gerade gar keine Lust, sich weiter mit dem Plan, den sie für Weiß geschmiedete hatten, auseinanderzusetzen, so dass er lieber aufstand, und die Treppe hinauf ging, um Nagi die Drecksarbeit zu überlassen. Leise klopfte er an der Tür der 15-Jährigen an, welcher auch nach etwa drei Minuten ein leises "Herein" brummelte. "Arbeit für dich, Wunderkind." Er knallte ihm die Akte der Frau auf den Schreibtisch und setzte sich halb auf die Schreibtischkante. Nagi sah wütend von seinem Computerspiel auf und zerfleischte ihn fast mit seinem Blick. Nur leider war es wie immer so, dass Schuldig das nicht einmal interessierte. "Ich spiele. Das ist deine Aufgabe. Also lass mich zufrieden." "Na na na, wer wird denn da so grantig sein? Was spielst du denn?" Schuldig linste auf den Bildschirm und schüttelte entgeistert den Kopf. "Gehörst du eigentlich auch zu der Fraktion, die sich bei dem Spiel einen runterholt?" Er betrachtete eingehend Lara Croft, die gerade durch ein Schwimmbecken schwamm. "Bin ich du?" Nagis Augen glühten rot auf. "Nein, dann würdest du das nicht nur bei dem Spiel machen." Der Deutsche säuselte fröhlich vor sich hin. "Und jetzt..." Er schob ihm die Akte zu. "Weg vom Stuhl, ab auf dein Bett, lies die Akte, sag mir was drin steht, und ich bring das Baby in den sicheren Heimathafen." Bevor Nagi auch noch Protestieren konnte, hatte Schuldig ihn bereits von seinem Stuhl verjagt und auf selbem Platz genommen, um Lara durch die verschiedensten Level zu jagen. Murrend und vor Wut schnaubend setzte Nagi sich auf das Bett und las gelangweilt die Akte, die er, wie er feststellte, bereits kannte. Immerhin hatte er sie zusammengestellt. "Sag mal, willst du mich verarschen? Ich habe dir die Akte gegeben." "Tja, dann brauchst du sie ja nicht mal mehr lesen. Erzähl mal, was drin steht. Bin bis Seite fünf gekommen." Er zündete sich eine Zigarette an und stierte der laufenden Lara mit gierigen Augen auf den wohlgeformten Cyber-Hintern. "Du läufst wirklich nicht mehr ganz rund." Nagi war versucht, ihn mit Hilfe seiner Kräfte vom Stuhl zu katapultieren, allerdings duldete Brad das nicht. Also setzte er widerwillig zur Erklärung der letzten 40 Seiten an, die Schuldig binnen zwei Stunden durchgelesen haben könnte. Da er aber schon für fünf Seiten drei Stunden gebraucht hatte, da seine Aufmerksamkeitsspanne mal wieder gleich Null war, war es vielleicht sogar besser, dass er ihm das nun erklärte. Innerlich zischte der junge Japaner aber immer wieder etwas von "deutsches dummes Wurstbrot", was Schuldig schließlich ein gewaltiges Lachen entlockte. "Sei doch wenigstens ein bisschen kreativer. Da sind ja selbst die Kätzchen gewitzter. Und so was nennt sich Wunderkind." Er blies den Qualm aus dem Mundwinkel in die Luft und schaute fast schon betrübt dabei zu, wie Lara auf einem Felsen zerschellte. "Nun gut... Ich weiß ja nun, worum es geht. Ich statte ihr dann mal einen kleinen Besuch ab." "Heute schon?" Nagi hob leicht eine Braue. "Natürlich schon heute. Allerdings kriegt sie ihren kleinen Teddy erst irgendwann nächste Woche. Ich muss mir noch ein genaues Bild von dem kleinen Teufelchen machen, damit das auch wirklich hinhaut. Es ist eine Sache, sich in die Gedanken anderer einzuschleichen und sie zu manipulieren. Aber Manipulationen, die die Gestaltwahrnehmung angehen, bedürfen kleinerer Vorbereitungen." Er schnappte sich die Akte aus Nagis Hand und winkte ihm beim Verlassen des Raumes über die Schulter zu. "Ach so, ich habe nicht gespeichert. Du bist tot." Seine Schritte wurden im Flur immer leiser. Nagi sprang wütend auf und sah sich die Bescherung an. Level drei ohne einen einzigen Zwischenspeicher in zwei Stunden. Und dann kam Schuldig daher und machte alles kaputt. "Depp..." Der Japaner zischte leise, beendete das Spiel, nur um es kurz darauf wieder zu starten. Schuldig streckte sich leicht. Er saß in seinem roten Auto und beobachtete die Polizeistation. Allerdings hatte sich seit drei Stunden noch nichts getan. Was konnte dieses Frauenzimmer nur so lange da drin machen? War doch nicht mehr normal. Gelangweilt steckte er sich seine zehnte Zigarette an und spielte auf seinem Handy ein Autorennen, um wenigstens ein wenig von der verschwendeten Zeit sinnvoll zu nutzen. Wenn man es als sinnvoll bezeichnen konnte, sich mit so etwas wie einer Observation zu befassen. Als sein Handy klingelte, zuckte er schon fast erschrocken zusammen. Wenn es Brad sein sollte, würde er sich tatsächlich erwischt fühlen. Nachdem er abgehoben hatte, vernahm er jedoch eine weibliche mehr als nur angenehme Stimme, die ihm mitteilte, sie habe sich verwählt. Da das ganze Gespräch aber nun auf ihre Rechnung gehen würde, und er nichts Besseres zu tun hatte, fing er an, mit Engelszungen auf sie einzureden, damit sie vielleicht doch noch ein wenig miteinander reden konnten. Die Frau ging auch tatsächlich darauf ein, so dass Schuldig in der nächsten halben Stunde etwas wirklich Sinnvolles zu tun hatte. Er freute sich wie der Teufel, dass dieses Vergnügen nicht auf seine Rechnung ging. Während die Minuten flogen und es immer später wurde, vergaß er auch beinah seinen Auftrag. Erst als sein "Opfer" aus dem Präsidium kam, würgte er die Frau am anderen Ende der Leitung ab und nahm die Verfolgung auf. In seinen Gedanken malte er sich bereits die Szenerie aus, in die er sie versetzen würde und von der er sicherlich auch sehr bald profitieren sollte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)