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My Heartbeat 2.0

von

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Laia - Bericht I

Radiant Garden. Die Welt des Lichtes und die Welt, in der ich geboren wurde. Trotz der Dunkelheit, die die Welten umgab erstrahlte der Radiant Garden selbst im Angesicht der Unversierten im schönsten Schein.

Natürlich waren die Welten nicht immer getrennt gewesen. Bevor viele Jahre zuvor der legendäre Schlüsselschwertkrieg ausgebrochen war, waren alle Welten miteinander verbunden. Alle Welten lebten im Licht, doch die Herzen der Menschen waren erfüllt von Dunkelheit und so fiel die Dunkelheit nicht nur in den Herzen der Menschen ein, sondern trennte die Welten voneinander und hüllte diese in Schatten. Doch auch wenn sich die Dunkelheit den Welten bemächtigt hatte, so lange es noch Menschen gab, in deren Herzen ein wenig Licht leuchtete, und wenn es auch nur der Hauch eines Schimmerns war und diese Herzen rein und unschuldig waren, so würde das Licht weiterleben und die Welten würden nie vollkommen der Dunkelheit verfallen.

So erzählte es mir jedenfalls mein Bruder als wir noch Kinder waren. Wie oft hatte er mir die Geschichte erzählt? Ich denke, so oft, dass ich sie mittlerweile nicht mehr zählen könnte. Aber sie bewegte mich dazu, einer Aufgabe nachzugehen, zu der ich mich berufen fühlte.
 

Mein Bruder Dilan und das einzige Familienmitglied, das mir alles bedeutete, war bereits in jungen Jahren zu den Gardisten im Radiant Garden dazugestoßen. Seit Kindheitstagen lebten wir alleine, er hatte immer für mich gesorgt und ich hatte mich deswegen sehr schlecht gefühlt. Ich versprach ihm, dass ich eines Tages aus eigener Kraft handeln und meinem Herzen folgen würde. Er lobte mich mit einem zufriedenen Nicken.

Im Gegensatz zu ihm war ich schon immer eher schmächtig als kräftig gewesen. Er dagegen verdiente wirklich den Rang des Gardisten. Als er eines Tages mit mir an der Hand zu Ansem dem Weisen ins Schloß ging und um Audienz bat, war der Herrscher mehr als angetan. Ich wusste damals nicht, dass Ansem so gutmütig war aber er nahm meinen Bruder und mich herzlich auf und so durchlief Dilan ein anstrengendes Training zum Gardisten. Ich beobachtete ihn oft bei seinem Training und bewunderte ihn für seine Ausdauer. Ich fragte mich, ob ich auch so sein könnte.

Ich konnte mich wirklich glücklich schätzen, in diese Welt geboren zu sein. Ich liebte den Radiant Garden, mit seinen vielzähligen Gärten, dem Hauptplatz, den Wasserfontänen, den Bewohnern in der Stadt...und das Glänzen des Schloßes bei Nacht.

Ich habe sehr lange zu meinem Bruder aufgesehen mit Stolz, jedoch bemerkte ich, dass je mehr er seiner Arbeit nachging und je reifer und älter er wurde, desto strenger wurde er. Mit der Arbeit kam die Verantwortung und mit der Verantwortung das Pflichtgefühl. Ich bekam ab und an mehr und mehr das Gefühl, eine Last für ihn zu sein und beschloss etwas zu tun.

Im frühen Kindesalter hatte ich mich bereits mit der Wissenschaft der Herzen auseinandergesetzt, viele Bücher gelesen und war fasziniert von der Funktion der Herzen gewesen. Ich wollte etwas zur Wissenschaft der Herzen beitragen, wollte aber gleichermaßen mich für die Welt, die ich liebte, einsetzen und stark machen.

Ich fasste mir ein Herz und ging eines Tages zu Ansem und bat um eine Audienz. Er gewährte mir Einlass zu seinem Büro und begrüßte mich mit einem herzerwärmenden Lächeln.

"Liebste Laia, was kann ich für dich tun?" Bevor ich antwortete, betrachtete ich höchst interessiert die Reagenzgläser, in denen stetig lilafarbene Herzen in einer Flüßigkeit auf und ab schwebten. Ich konnte meinen Blick kaum abwenden und das, obwohl ich vor Ansem zur Ehrerbietung knien wollte. Als er bemerkte, wie ich die Herzen anblickte, stand er auf und machte eine Handbewegung, dass ich näher kommen sollte. Etwas erschrocken über mein eigenes Verhalten ging ich auf die Knie und verneigte mich.

"Verzeiht Ansem der Weise, ich wollte nicht unhöflich erscheinen! Ich war nur so fasziniert von dem Anblick dieser Herzen."

Doch Ansem lächelte gütig und bat mich, mich zu erheben.

Dann ging ich zu ihm und schaute mir die Herzen genauer an.

"Sie sind wunderschön, nicht wahr? Meine Schüler sind sehr strebsam, was das Forschen an Herzen angeht. Ich wünschte, ich hätte mehr Gelegenheit sie zu erforschen. Aber ich schweife ab. Laia, du hast mich aufgesucht und um meine Audienz gebeten. Wie kann ich dir behilflich sein?"

Ich blickte zu ihm hoch und versuchte selbstbewusst zu wirken. Ich weiß, dass ich seinerzeit noch ein junges Mädchen war aber ich wollte ihm gleichsam Respekt zollen und zeigen, dass ich es wert war, als Wissenschaftlerin in seinem Team angestellt zu werden.

"Werter Ansem, ich habe mich in den letzten Jahren sehr ausgiebig mit der Funktion der Herzen beschäftigt und diese intensiv durch schwere Lektüre studiert. Ihr seid ein sehr gelehrter Mann und ich kann euch nicht genug dafür danken, dass ihr meinen Bruder und mich in eure Obhut genommen habt. Ich möchte auch etwas für die Wissenschaft und diese Welt beitragen. Bitte lehrt mich das Wissen über die Herzen. Ich möchte eure Schülerin werden."

Ich verneigte mich erneut. Einen Moment herrschte Stille, dann sah ich, wie ein Lächeln über Ansem's Gesicht glitt.

"Liebste Laia, dein Interesse an meiner Arbeit ehrt mich sehr. Dein Bruder hat mir in den letzten Jahren stets loyal gedient, er ist ein sehr guter Schüler und ein tapferer Kämper, den ich sehr achte. Wenn es dein Wunsch ist, werde ich dir diesen sehr gerne erfüllen und dich als meine Schülerin ausbilden. Doch gebe ich dir einen Rat, nutze das Wissen und dessen Macht nicht aus. Das Experimentieren an Herzen ist faszinierend sowie gleichsam gefährlich. Du musst mir versprechen, dass du das Wissen der Herzen nicht entweihst. Die Dunkelheit sucht sich schnell einen Platz in den Herzen der Menschen."

Ich dachte einen Augenblick nach, blickte dann aber zu Ansem hoch und lächelte. "Ich verspreche euch, dass ich das Wissen über die Herzen nie ausnutzen und euch loyal zur Seite stehen werde. Wenn ich jemals anders handeln sollte, möchte ich verdammt sein!"

Anscheinend durchaus überrascht über meine Antwort nickte Ansem über meine selbstlose Aussage. „Laia, du bist eine großartige und wissbegierte junge Frau und ich freue mich, dich in meinem Team willkommen zu heißen. Ich werde dich alles lehren, was ich weiß.“

Voller Erfurcht und Dankbarkeit verneigte ich mich so tief, wie ich nur konnte. „Ihr wisst nicht, wieviel mir das bedeutet. Ich werde euch nicht enttäuschen, werter Meister.“

Und so begann meine Geschichte. Wenn ich gewusst hätte, wohin mich meine Reise führt und welche Wege ich einschlagen würde...und das alles...für ihn. Mein Herz...ja, es war wohl mein Herz, was mich in seine Arme trieb. Wenn ich nur gewusst hätte, in was ich dort reingeraten bin. Es sollte zwar einige Jahre dauern aber nie im Leben hätte ich damit gerechnet, dass ich eines Tages den Weg der Dunkelheit einschlagen würde.

Laia - Bericht II

Laia, Schülerin von Ansem, dem Weisen. Ich konnte meiner Freude kaum Einhalt gebieten als ich das erste Mal den weißen Laborkittel anzog. Als ich das erste Mal in die Labore einzog, wurde ich regelrecht von überraschten Blicken der anderen Schüler von Ansem begrüßt. Ich ging zuerst in der Annahme, dass es ungewöhnlich war, dass sich nun unter den fünf Schülern eine Frau hinzugesellte und ich musste zugeben, dass ich Anfangs im Glauben war, es nicht leicht unter den Männern zu haben. Schnell stellten sich die meisten von ihnen allerdings als sehr gute Partner und Lehrer heraus und ich wurde im wahrsten Sinne des Wortes „herzlich“ aufgenommen.

Da war einmal der wissbegierte und kühle Gelehrte Even. Er war Ansem als nächstes unterstellt und einer der hochrangigsten Wissenschaftler und wenn ich sage „kühle“, dann meinte ich das auch so. Er machte seinem Namen wirklich alle Ehre und brachte mir sehr viel bei, allerdings mit einer gewissen Portion Strenge und ich bekam nach und nach das Gefühl, dass er vielleicht Sorge hatte, dass ich ihm den Rang abjagen könnte. Von meiner Seite aus stellte das eher weniger ein Problem dar.

Wen ich unheimlich lieb gewonnen hatte, war der kleine Ienzo, der die meiste Zeit entweder an Even's oder Ansem's Seite blieb. Er sprach nie ein Wort und obwohl er noch ein Kind war, schien er schon seinerzeit sehr viel zu wissen. Er war auf eine gewisse Art schon niedlich, vor allem wenn wir zusammen ein Meersalzeis aßen. Manchmal überkam es mich und ich musste ihn einfach knuddeln. Er wehrte sich nicht dagegen, daher fragte ich mich, ob es ihm gefiel, was ich tat oder er es einfach hinnahm. Wie Ansem mir später erzählte, wurde der Junge eines Tages im Radiant Garden aufgefunden. Wer seine Eltern waren wusste keiner, deswegen nahm Ansem Ienzo in seine Obhut und fand schnell über sein fotografisches Gedächtnis heraus.

Aeleus war wie mein Bruder einer der Gardisten, die das Schloß bewachten. Er war noch ein Stück größer als mein Bruder, schwieg die meiste Zeit und wurde von den anderen häufig als „der stille Held“ betitelt. An sich war er ein friedfertiger Riese aber im Kampf waren er und sein Hammer wahrlich gefährlich. Nachdem ich ihm das erste Mal beim Kämpfen gegen meinen Bruder zugesehen hatte, verstand ich auch, was die anderen mit dem Begriff „er stürzt auf seine Gegner ein wie ein Felsbrocken“.

Mein Bruder Dilan, ich denke, seine Freude hielt sich schon von Anfang an in Grenzen als ich zu der Truppe stieß. Er kannte in mir nur die junge, im Gegensatz zu ihm eher schwächliche Schwester und wenn er sich Sorgen um mein Wohlergehen machte, zeigte er das eher selten. Er hatte eindeutig ein Problem damit, dass ich nun auch zum Wissenschaftsteam gehörte. Dilan schien nicht viel über die Experimente zu wissen, die Ansem in seinem Labor durchführte. Allerdings mahnte er mich andauernd mit strengen Blicken sobald ich in Richtung Labor ging. Ich dagegen bewunderte ihn nach wie vor. Auch wenn er mich ab dem Tag, wo ich Ansem's Schülerin wurde eher meidete, ich liebte und bewunderte ihn trotzdem. Wenn ich am Haupteingang des Schloßes ankam und ihn dort in seiner Gardistenuniform im schönsten Kobaltblau mit den Goldknöpfen und dem roten Herz auf seiner Brust sah, ging mir ein wenig das Herz auf. Im Gegensatz zu mir hatte mein Bruder das gewisse Etwas, sein ganzer Stolz waren vor allem die amethystfarbenen Augen und die langen schwarzen zu Dreadlocks gebundenen Haare. Ich liebte ihn für seine Art, die Dinge anzugehen und bewunderte, dass er seine Aufgaben mit Ehr- und Pflichtgefühl erfüllte. Je mehr ich ihn und Aeleus beim Kämpfen zusah, desto mehr beschlich mich der Gedanke vielleicht eines Tages auch Gardistin zu werden neben meiner Tätigkeit als Wissenschaftlerin.

Und dann...war da der letzte Schüler von Ansem. Derjenige, der sich von allen abhob, das schwarze Schaf der Herde. Der arroganteste und gewiefste Mann, dem ich je begegnet bin. Der in der Lage war, mit Worten seine Menschen in einem kurzen Moment vollkommen aus der Fassung zu bringen und zu manipulieren. Der Mann, mit dem die Dunkelheit in mein Herz kam. Und der Mann, in den ich mich verliebte.

Braig. So wie mein Bruder und Aeleus war auch er ebenfalls ein Gardist des Radiant Garden's. Allerdings schien er, wie ich schnell herausfand, seine Pflichten nicht so ernst zu nehmen wie es Dilan und Aeleus taten. Allein schon am ersten Tag, als ich mich den Schülern von Ansem vorstellte, wusste ich, dieser Mann war auf eine gewisse Art und Weise gefährlich, zumindest wenn man es sich mit ihm verscherzte. Als ich mich ihm vorstellte, studierte er mich mit seinen tiefbraunen Augen wie eines der Herzen, an denen wir experimentierten. Er begrüßte mich mit einem breiten Grinsen, was mich in den kommenden Jahren im Radiant Garden immer wieder verfolgte und einem Tätscheln meines Kopfes.

„Sieh an, hat der gute Dilan seine kleine Schwester in das Team eingeschleust. Es wurde auch langsam mal Zeit, dass Ansem eine junge Frau einstellt, sonst wäre es hier langsam sehr langweilig geworden. Bin mal gespannt, mit was für Ergebnissen du uns überrascht, Sweetheart.“

Sweetheart. Ja, genauso nannte er mich immer wieder. Im ersten Moment, wo er mit mir sprach und ich ihm begegnete, wusste ich, dass er nicht so war wie die anderen. Es war, als hätte ich schon damals eine gewisse dunkle Präsenz an ihm wahrnehmen können, dennoch waren wir von diesen Ereignissen lange entfernt.

Ich sollte eine nicht gerade unbeschwerte Zeit als angehende Wissenschaftlerin. Aber damit nahm alles seinen Anfang.

Laia - Bericht III

Durch mein unerschöpfliches Wissen und die Lehren, die ich die Jahre darauf studierte, wurde ich nach langer Zeit einer der besten Schülerinnen von Ansem. Sogar Even lobte mich für meine herausragende Arbeit, dennoch war mir das einiger Zeit nicht mehr genug.

Ansem erzählte mir eines Tages, während wir eine Tasse Tee zu uns nahmen, dass zwar das ganze Volk ihn Weise nennen würde, jedoch er auch noch nicht alles wüsste, vor allem im Hinblick auf die Funktion der Herzen. Es gäbe so viel, was wir nicht wüssten, jedoch auch das Forschen an den Herzen ein hohes Risiko bürgen würde. Weiter zu gehen als wie wir es jetzt schon täten, könnte zu einem weiteren Schritt in die Dunkelheit führen. Natürlich war ihm bewusst, dass für die Forschung und Wissenschaft auf Opfer gebracht werden müsste aber Herzen sind keine Daten, die man einfach so sammeln kann. Unsere Forschungen beruhten zum größten Teil auf psychologischen Tests, allerdings schloss Ansem nicht aus, dass das Forschen an richtigen Herzen notwendig sei, um ihrer Funktion näher auf den Grund zu gehen. Ich bemerkte, dass eine gewisse Sorge in seinem Blick lag als er zu mir sprach und wies mich nochmals an, nie der Dunkelheit zu verfallen, so sehr sie auch verlocken würde.

Ich konnte damals mit seinen Worten nicht so viel anfangen, mir wurde das alles erst von Zeit zu Zeit klar aber ich versprach Ansem nach wie vor, dass ich das neu gewonnene Wissen niemals ausnutzen würde, um die Dunkelheit näher zu bringen.

Ansem verdeutlichte mir, dass es vielleicht ganz gut sei wenn eine junge Frau wie ich seinen Schülern beiwohnen würde. Frauen denken anders und er hoffte, dass er ich seinen Schülern, die gerne mal über das Ziel hinausstürmten, etwas Vernunft einbläuen könnte. Damals lachte ich über diese Aussage, heute denke ich mir, warum habe ich sie nicht aufgehalten...warum habe ich ihn nicht aufgehalten?

Ich gliederte mich schnell in das Team ein, nach knapp einem Jahr hatte ich mir solches Wissen angeeignet, dass selbst Even mich beneidete. Ich brachte die Forschungen gut voran und das im positiven Sinne ohne, dass jemand zu Schaden kam. Mein Bruder redete nur selten mit mir, er war viel zu sehr mit seiner Arbeit beschäftigt und ich verbrachte die Tage meist im Labor.

In der Zeit hatte ich noch nicht so viel mit Braig zu tun. Braig...alleine seinen Namen auf das Papier zu schreiben treibt mir die Tränen in die Augen und lässt die Zeilen vor meinen Augen zu unleserlichen Lettern verschwimmen. Ich wünschte mir...ja, ich wünschte mir, ich könnte ihn hassen. Was gäbe ich dafür noch einmal in die Zeit zurückzureisen und alles wieder in Ordnung zu bringen?

Ich hätte nicht damit gerechnet, dass er es sein würde, dem ich mein Herz schenkte. Eigentlich müsste es mich selbst wundern. Als ich ihn kennenlernte, hatte er mir bereits deutlich zu verstehen gegeben, dass er keinen Respekt vor den Menschen hat. Wenn ich in seine Augen sah, sah ich tiefe Schatten. Zudem hatte ich andauernd das Gefühl, als ob er ständig am nachdenken sei. Er war ein Rumtreiber, der sich vor seiner Arbeit drückte, stundenlang abwesend war, ohne dass jemand wusste, wo er war und ein absolutes Großmaul. Zu den anderen war er größtenteils auf seine Art nett aber wenn er mich sah, zog er mich belustigend auf. Mir schien es, als ob er mich nicht ernst nehmen würde und ging mir anschließend meist aus dem Weg. Eigentlich würde jeder andere sagen, dass er auch nicht gerade attraktiv war. Würde ich ihn mit meinem Bruder vergleichen, lägen da Welten zwischen. Während mein Bruder neben mir wie ein Berg aussah, war Braig gerade mal ein paar Centimeter größer als ich. Was die Körperstatur anging standen wir uns in nichts nach, denn er war so wie ich eher von schlanker Statur und sehr schlaksig. Seine schulterlangen schwarzen Haare trug er meist glatt nach hinten gekämmt und seine Augen zierten jeweils eine Iris in Kastanienbraun. Was seine Gardistenuniform anging sprang er auch aus der Reihe. Statt das schöne rote Herz auf seiner Brust stolz zu präsentieren, kleidete sein Hals ein zerissenes blutrotes Halstuch und ließ ihn noch mehr wie einen Rowdy wirken.

Trotz seiner bissigen Art hatte er etwas an sich, was ich von Anfang an faszinierend fand. Bei den anderen Schülern hatte er auch nicht gerade den hohen Beliebtheitsgrad, viel Zeit verbrachte er eher mit Dilan und Aeleus. Und doch merkte ich, dass Braig immer wieder alleine war.

Ich musste es zugeben, trotz seiner unausstehlichen Art zog es mich immer mehr zu ihm und beschloss selbst eine Gardistin zu werden.

Laia - Bericht IV

Wie oft hatte ich in dem darauffolgenden Jahr Dilan, Aeleus und Braig beim Training zugesehen? Natürlich war mir die Wissenschaft an den Herzen besonders wichtig aber der Gedanke, die Menschen in dieser Welt vor Unheil zu bewahren reifte jeden Tag mehr in meinem Kopf. Und so beschloss ein Jahr nachdem ich eine vollwertige Wissenschaftlerin geworden war ebenfalls Gardistin im Radiant Garden zu werden.

Ansem rechnete mir meinen Ehrgeiz hoch an und überließ es mir, ob ich diesen Weg ebenfalls gehen möchte. Mein Bruder dagegen...naja, es artete, nachdem ich ihm meine Absichten offenbart hatte in einem lautstarken Streit aus. Er war davon überzeugt, dass ich dieser Aufgabe neben meiner Tätigkeit als Wissenschaftlerin nicht gewachsen sei. Zudem sei ich alles andere als eine Kriegerin. Ich beschloss ihn eines besseren zu belehren und startete kurz darauf mein Training. Natürlich unterstützte mein Bruder mich nicht. Nein, er ging auf Distanz mit mir und hielt sich von mir fern. Natürlich schmerzte es, dass er mir die kalte Schulter zeigte aber da ich schon immer meinen eigenen Sturkopf hatte, setzte ich mein nächstes Ziel in die Tat um. Mit oder ohne seine Hilfe.

Aeleus erklärte sich bereit mich in Kampfsport auszubilden. Das Training war kräftezehrend und es kam nicht selten vor, dass ich unter Schmerzen zusammenbrach. Ich bestand darauf, dass Aeleus mich nicht schonte. Wenn ich etwas erreichen wollte, durfte ich nicht mit Samthandschuhen angefasst werden. Er verstand meine Absichten und ich erlag ihm mehr als genug. Das zeigte mir widerrum, dass ich noch nicht bereit war.

In der Zeit fiel mir auf, dass mich Braig hin und wieder beim Training beobachtete. Seine tiefbraunen Augen studierten jeden meiner Schritte aber sprechen tat er kein Wort mit mir. Ich bekam desöfteren mit, dass er sich häufig aus dem Schloß stahl, um alleine zu sein aber direkten Kontakt baute er nicht auf.

Als mein Training abgeschlossen war und ich von Ansem offiziell als Gardistin ausgezeichnet wurde, staunte ich nicht schlecht als ich mich am Folgetag in meiner eigenen Gardistenuniform im Spiegel betrachtete. Nun war ich ein vollwertiges Mitglied des Radiant Gardens und ich klopfte mir auf die Schulter dafür. Dennoch benötigte ich noch eine geeignete Waffe.

Aeleus hatte seinen Hammer, Dilan seine Lanze und Braig zwei Schusswaffen. Was passte am besten zu mir? Mir fiel etwas passendes ein.

Während mein Körper, darunter mein Busen und bein Bauch im Ganzen relativ klein und schmal ausfiel, waren meine Hüften dafür leicht ausgeprägt und meine Beine schon immer unendlich lang gewesen. Ich liebte meine Beine, schon als Kind bin ich immer gerne gerannt und viel gelaufen. Je älter ich wurde, desto mehr trainierte ich meine Beine während ich gleichzeitig das Wesen und die Funktion der Herzen in meinen Wälzern studierte.

Ich funktionierte schließlich meine Gardistenstiefel um und begann sie mit einem Mechanismus auszurüsten, der über meinen Willen gesteuert wurde. So erlaubte mir diese neu eingebaute Mechanik in den Absätzen meiner Stiefel, für die ich sehr lange brauchte um sie zu entwickeln und zu installieren, mich mit Lichtgeschwindigkeit fortzubewegen, mich in die Luft zu schwingen, zu schweben und zu kämpfen. Als ich sie vollends auf mich abgestimmt hatte, absolvierte ich nach meinen Zeiten im Labor teils noch Abends oder nach meiner Patrouille stundenlanges Training, um die Stiefel als Waffe vollkommen nutzen zu können. Sie mit meinem Verstand zu steuern war nicht schwer, allerdings war mir Anfangs schon etwas komisch im Magen als ich mich hoch in die Luft begab und Radiant Garden wie einen kleinen Punkt von oben sah. Der Gedanke, zu Boden zu krachen und irgendwo auf einem Felsen zu zerschellen nagte an mir aber das kam nach den ersten „Flugstunden“ nicht vor.

Im Kampf waren sie mir sehr von nutzen, da ich mit den Stiefeln auftreten konnte, als würde ich auf schwerstes Metall aufkommen. So griffen uns eines Tages einige Unversierte an und so schnell konnten Aeleus, Dilan und Braig gar nicht schauen, da hatte ich die Unversierten bereits mit kräftigen Tritten ins Jenseits befördert.

In der Zeit verdiente ich mir von den Männern den nötigen Respekt. Selbst mein Bruder gestand ein, dass ich mich als eine würdige Gardistin erwiesen hatte. Natürlich war diese Arbeit auch gefährlich, dennoch wäre es ihm lieber gewesen, wenn ich lieber komplett als Gardistin arbeiten statt an Herzen weiterforschen würde. Diese Experimente seien einfach zu gefährlich.

Das war wohl seine Sorge, die er die ganze Zeit um mich hatte. Dilan war nie derjenige gewesen, der große Gefühle zeigte. Um ehrlich zu sein waren ihm Pflichtgefühl und Loyalität wichtiger als zwischenmenschliche Beziehungen oder Liebe aber das hieß nicht, dass ich ihm nicht wichtig war. Er zeigte es nur auf seine Art und Weise und dafür liebte ich ihn. Wenn ich Dilan nicht gehabt hätte...er war schon immer mein Fels in der Brandung gewesen. Er machte mich stark und hatte mich aufs Leben vorbereitet. Aber ich wollte meinen eigenen Weg gehen und dieser Weg, den ich ging, war meiner und ich war zu allem bereit.

Dilan sagte einst einen Abend im Schloß zu mir, nachdem er mich alleine im Schloßsaal während einer Feier sitzen sah und mich zum tanzen aufgefordert hatte zu lieblichen Violinenmelodien „Egal, wie weit entfernt wir voneinander sind, ich werde immer mit dir tanzen und deine Hand halten. Bis du eines Tages jemand anderem dein Herz schenkst und dieser Jemand mit dir tanzt. Ich werde immer bei dir sein. In deinem Herzen und dich als Wind begleiten.“

Ich weiß, dass ich danach während wir weiter vor den anderen getanzt haben bitterlich geweint habe weil mich seine Worte ganz tief berührt hatten. Aber ich war so erfüllt von Freude und Glück. Ich wollte stark sein und vor allem stärker werden. Ich wollte diese Welt mit ihren Bewohnern und den Menschen, die mich umgaben und meine ganze Familie waren beschützen.

Laia - Bericht V

Meine Beziehung zu Braig festigte sich spätestens, nachdem mein Training als Gardistin vollends abgeschlossen war. Allerdings beschränkte sich die anfängliche Konversation eher darauf, dass er zu mir kam, mir einen sarkastischen Spruch um die Ohren warf, wir daraufhin eine Auseinandersetzung hatten und es meist damit endete, dass er sich mit einem Grinsen auf den Lippen verzog. So ging es die Monate nach Beendigung meines Trainings immer wieder, doch fragte ich mich immer mehr, ob die Art, die er an sich hatte mit Menschen umzugehen, eher ein Hilferuf war, der aber nach wie vor unerhört blieb.

Obwohl er sich meist versuchte von mir fernzuhalten, suchte ich hin und wieder die Konversation zu ihm, um ihn näher kennenzulernen, allerdings gab er mir relativ wenig bis gar nichts über sich bei mir preis. Es kam mir eher so vor, als sei es Braig unangenehm, dass ich plötzlich versuchte Kontakt zu ihm aufzubauen. Anscheinend war er es nicht gewohnt, dass jemand Zeit mit ihm verbringen wollte. Obwohl sein Blick dabei kühl und arrogant blieb, las ich in seinen Augen doch die Einsamkeit, die ihn umgab. Vielleicht genoss er doch auf eine Weise, dass jemand sich für ihn interessierte.

Es war wohl genau diese abweisende und arrogante Art, die mich immer mehr zu Braig trieb. Er war anders als die anderen, sprang aus der Reihe, nahm kein Blatt vor den Mund und hatte im Kampf, so wie ich bereits im Training und danach feststellen musste, einiges auf dem Kasten. Diese rebellische Art, die ich nicht besaß und die Erfahrung, die er mit sich brachte...ich muss dazu sagen, dass Braig um einiges älter war als ich aber Menschen machen schon komische Sachen wenn sie verliebt sind, oder?

Wenn Braig mich aufzog, blieben anzügliche Bemerkungen nicht aus. Anfangs waren sie mir unangenehm. Ja, genau das war es, was er immer als Begründung nahm, um mich aufzuziehen.

„Laia, du bist so jung und so unschuldig.“ Ja, ich war unerfahren auf vielen Arten von Gebieten, das gab ihm aber nicht das Recht, mich andauernd mit anzüglichen Sprüchen aufzuziehen.

Zu solchen Momenten kam es recht häufig, allerdings schweißte es uns wohl mehr zusammen als ich eines Tages gegen einen riesigen Unversierten im Schloßpark kämpfte, ich ihn zwar niederrang, er mich aber so arg verletzte, dass ich mir das rechte Bein brach. Braig war der erste gewesen, der mich fand und anschließend aufnahm, um mich auf die Krankenstation zu bringen. Während ich versorgt wurde, blieb er die ganze Zeit bei mir und ich war mir sicher, dass ich einen Hauch von Sorge in seinem Blick gesehen hatte. Es kam wohl unerwartet für ihn als ich vorsichtig seine Hand nahm und leise „Danke, Braig.“ sagte. Darauf erwiderte er sanft meinen Händedruck und antwortete mit belegter Stimme „Gern geschehen.“

Ich denke, dieser Moment war der Auslöser, der uns danach immer mehr zusammenbrachte. Natürlich war ich es eher, die danach immer wieder auf Braig zukam. Als er einen Abend nicht zum Essen im Speisesaal erschien und mein Bruder es war, der an dem Abend uns wieder mit seinen Speisen überrascht hatte, da er ja gerne nebenher kochte, schnappte ich mir ein paar der leckeren Häppchen und suchte Braig in den Gängen des Schloßes auf. Wieder fand ich ihn alleine an einer Mauer gelehnt, schweigsam und in Gedanken vertieft wie immer.

Auf seine Frage hin, was ich hier mache und ich nicht im Speisesaal sein sollte entgegnete ich, dass ich ihm extra etwas zu Essen rausgeschmuggelt habe, da er ja mal wieder nicht aufgetaucht sei und er etwas Essen müsste. Nach einem Hin und Her überredete ich ihn jedenfalls die Häppchen zu essen. Ich folgte ihm auf die Wasserstraße in der Nähe von Energiereaktor, wo wir uns auf die Mauern setzten und zusammen die Speisen zu uns nahmen.

Braig schien es sichtlich zu irritieren, dass ich mich so viel mit ihm beschäftigte. Ich lächelte ihn an und antwortete sanft „Du bist genauso ein Teil von mir wie mein Bruder und die anderen hier. Ihr seid meine ganze Familie und ich lasse meine Familie nicht im Stich.“

Ich glaube, an dem Abend das erste Mal sein dunkles Herz berührt zu haben. Auf meine Aussage hin sah ich einen Ausdruck auf seinem Gesicht, den ich noch nie zuvor gesehen hatte. Waren das Schmerz? Trauer? Erleichterung? Vielleicht wurde ihm auch bewusst, dass es auch Menschen gab, denen er nicht ganz egal war. Dann fuhr er mir zaghaft über die Wange, streichelte mir ein paar Haarsträhnen aus der Stirn und flüsterte. „Laia...du hast...so wunderschöne blaue Augen.“

Ich spürte, wie mir die Hitze ins Gesicht stieg als er mich daraufhin anlächelte. Dann wandte er allerdings seinen Blick ab. Weinte er etwa? Ich rückte näher an ihn heran, lehnte meinen Kopf an seiner Schulter und ergriff seine Hand. Als er den Druck meiner Hand erwiderte, legte sich ein zufriedenes Lächeln auf meine Lippen, doch kam ich an dem Abend zu einer weiteren Erkenntnis. Mein Herzschlag war an dem Abend höher als zuvor. Konnte es sein, dass ich anfing mich in Braig zu verlieben?

Laia - Bericht VI

Mein erster Kuss. Ich kann mich daran erinnern als ob es erst gestern gewesen war und eigentlich ist es auch ein bisschen traurig.

Braig war nicht der Typ, der gerne seinen Geburtstag feierte aber nachdem ich mich bei den anderen umgehört hatte und herausfand, wann er Geburtstag hatte, begann ich eine kleine Feier zu organisieren. Mit den besten Absichten ihm damit eine kleine Freude zu machen, holten Dilan und Aeleus ihn schließlich von seinem Wachposten ab. Als er in den Aufenthaltsraum trat und die gedeckten Tische sowie die unzähligen Flaschen Bier sah, die ich mit Mühe geordert hatte, staunte er nicht schlecht.

Dilan offenbarte ihm auf Braig's Frage, wer das denn geplant hätte, dass Braig sich bei mir bedanken sollte, da ich das alles eingefädelt hätte. Die Feier lief eher ruhig ab, allerdings fiel mir auf, dass Braig mich die ganze Zeit über kritisch musterte und mir hin und wieder böse Blicke zuwarf.

Ich schaute an dem Abend das erste Mal zu tief ins Glas. Ich vertrug nicht viel Alkohol, dennoch veranstaltete ich ein kleinen Trinkwettbewerb zwischen Dilan und mir. Er ließ eine Flasche seines guten Sake's springen und so lief es darauf hinaus, dass ich am Ende gefühlte zwanzig Shots intus hatte und irgendwann nur noch lachend am Tisch saß.

Braig erklärte sich nach einiger Zeit bereit mich auf mein Zimmer zu bringen, damit das Sweetheart ihren Rausch ausschlafen könnte. Auf dem Weg in meinen Raum hatte Braig einen Arm um mich gelegt, redete aber kein Wort mit mir. Auf meine Frage hin, ob er sich nicht amüsieren würde, antwortete er nur, dass er mich nicht um eine Feier gebeten und was ich mir dabei gedacht hätte. Ich versuchte freundlich zu bleiben und entgegnete, ob er sich nicht doch ein bisschen freuen würde.

Als ich keine Antwort von ihm erhielt, stimmte dies mich zunehmend traurig. Hatte ich einen Fehler begangen? Ich merkte, dass mir etwas schwindelig wurde und bat Braig, mit mir einen Moment an die frische Luft zu gehen. Er verdrehte zwar die Augen, lehnte meine Bitte aber nicht ab und ging mit mir in den Blumengarten, der außerhalb des Wohnviertes lag. Dort setzte ich mich auf den Rand des großen Brunnens und bemerkte, wie Braig sich mit dem Rücken von mir abwandte.

„Ich...ich wollte dir doch nur eine Freude machen. War das denn so falsch?“ Ich spürte, wie mir die Tränen unter dem aufgesetzten Lächeln kamen, doch ich erhielt keine Antwort. „Du...du musst mich wirklich sehr hassen.“

Darauf drehte sich Braig endlich zu mir um und setzte sich neben mich. „Verdammt, nein! Ich hasse dich nicht. Ich verstehe es nur nicht. Warum du das alles für mich tust. Und hör bitte auf zu weinen, du siehst furchtbar aus.“

Er wirkte so unbeholfen, so als ob er vielleicht doch etwas anderes sagen wollte, er aber nicht wusste, wie er es mir sagen sollte. Ich schaute auf meine Knie.

„Ich wollte...dich lächeln sehen. Aber anscheinend habe ich nur das Gegenteil erwirkt. Es...tut mir so leid.“ Warum stimmte es mich so traurig? Der Alkohol hatte sich zwar gefestigt aber ich war noch bei vollem Bewusstsein und ich merkte eindeutig, wie mir die Tränen kamen. Dann merkte ich, wie Braig seine Hand hob und mir vorsichtig die Tränen aus dem Gesicht strich.

„Du musst dich nicht entschuldigen. Du hast es gut gemeint. Und jetzt hör bitte auf zu weinen.“

Ich blickte zu ihm hoch. Ich dachte, mein Herz zerspringt mir gleich in der Brust als ich in seine braunen Augen sah. Sah ich da einen Lächeln in seinem Gesicht? Ich spürte, wie meine Wangen sich röteten.

„Ich wollte dir so gerne noch etwas schenken. Einfach, um dir eine Freude zu machen. Jetzt habe ich noch nicht mal ein Geschenk für dich.“ Erneut streichelte er mir sanft durch die Haare. „Sweetheart, das ist lieb gemeint aber ich brauche nichts. Alleine die Feier...das ist schon Geschenk genug.“

Was mich auf die nächste Frage veranlasst hatte, ich denke, ich war mir vollkommen bewusst, worauf ich abziehlte. „Gibt es nicht...irgendetwas, was ich dir schenken könnte?“

Dann sah ich etwas sanftes, etwas beruhigendes in seinen Augen und ich spürte, wie Braig vorsichtig mein Kinn ergriff. „Doch. Ich denke, da gibt es vielleicht etwas.“

Die Feier, der Garten, die Geräusche um mich herum...alles war auf einmal nicht mehr von Bedeutung als Braig seine Lippen auf meine legte. Meine Augen weiteten sich und ich spürte, wie mir Tränen die Wangen runterliefen. Langsam schloss ich meine Augen und gab mich seinem Kuss hin. Zaghaft erwiderte ich die Berührung seiner Lippen und legte meine Hände auf seine Schultern. Seine Hand hingegen wanderte von meinem Kinn auf meine Wange und zog mich näher zu ihm.

Ich weiß nicht mehr, wie lange wir an dem Brunnen saßen. Für eine ganze Weile dachte ich, dass die Zeit stehen geblieben wäre aber ich war so glücklich. Ich wollte ihn nicht mehr loslassen. Ich wollte, dass er bei mir bleibt. Ich fuhr durch sein schwarzes Haar, sog den Duft seiner Haut ein, lauschte den Seufzern seiner dunklen Stimme.

Als er von mir abließ, bemerkte ich, wie stark mein Herz in meiner Brust raste. Meine Wangen waren erhitzt und langsam richteten wir uns auf. Braig brachte mich danach wirklich auf mein Zimmer oder besser gesagt trug mich. Durch die Intensität des Kusses war mir noch schwindeliger geworden und ich konnte nicht richtig laufen. In meinem Zimmer angekommen legte Braig mich sanft auf mein Bett und streichelte durch meine Haare. „Du solltest nicht mehr so viel trinken, das steht dir nicht. Schlaf dich erst mal aus.“

Einen Moment schaute ich Braig noch an und bemerkte, wie er lächelte. „Danke, Laia.“

Dann verließ er den Raum und ich fiel in einen tiefen Schlaf.

Als Braig mir am nächsten Tag bei der Wacheablösung entgegen kam, lächelte er mich verschmitzt an. Ich konnte dieses Lächeln nur erwidern, legte mir, als er an mir vorbeigegangen war, die Hände auf die Brust weil ich das Pochen meines Herzen immer noch spüren konnte und lächelte.

„Das...war mein erster Kuss.“ Ich berührte meine Lippen mit den Fingerspitzen und kicherte verlegen. Mein Herz hatte ich anscheinend schon lange davor verloren, bevor ich mich der Dunkelheit zuwandt und zu einem Niemand wurde.

Laia - Bericht VII

Nach meinem ersten Kuss begann die Zeit, an der Braig viel öfters weg blieb. Ich versuchte mich mit meiner Forschung abzulenken, den Herzen weiter auf den Grund zu gehen, doch meine Gedanken klammerten sich an Braig.

Es schien mir so, als ob er danach versuchte, mir aus dem Weg zu gehen. Warum er dies tat konnte ich mir bis dahin nicht erklären, dennoch folgte ich ihm nach meiner Arbeit im Labor öfters um herauszufinden, was er im Schilde führte.

Die ersten Monate verliefen ohne jegliche Vorkomnisse, meistens zog er durch die Wasserfontänen hinter dem Schloß und ließ sich dort zwischen den Mauern nieder. Ich beobachtete ihn lange, wie sein Blick zum Himmel glitt und er anscheinend über etwas nachdachte. Vielleicht etwas, was ihn beschäftigte. Ich wäre am liebsten zu ihm gestoßen, wollte aber nicht von ihm entdeckt werden und ließ ihm seine Ruhe.

Dann allerdings kam die Wendung, die alles zum Kippen brachte. Ich folgte Braig eines Tages nach meiner Patrouille in die Aufbereitungsanlage, die unterhalb der Blumenwiese lag und beobachtete, wie er anscheinend mit einem älteren Mann sprach. Ich konnte nicht hören, was sie sagten aber dieser Mann...sah alles andere als unbeholfen aus. Ich spürte eine starke negative Aura von ihm ausgehen und als Braig den Rückweg antritt, bemerkte ich dieses breit, verschwörerische Lächeln auf seinen Lippen. Besorgt und ohne ein Wort darüber bei Ansem oder den anderen darüber zu verlieren kehrte ich zum Schloß zurück und wartete auf Braig's Rückkehr.

Später erwischte ich ihn vor dem Schloßtor. Dilan und Aeleus waren gerade nicht bei der Wache, deswegen ergriff ich die Gelegenheit und stellte Braig am Fuße des Weges hoch zum Haupttor.

„Du warst heute ziemlich lange fort. Ist etwas vorgefallen?“ Braig musterte mich mit einem überraschten Blick, drehte sich aber nicht zu mir. „Laia...warum so misstrauisch? Du weißt doch, dass ich häufig unterwegs bin.“

Ich ging näher auf ihn zu, in meinem Blick lag Sorge. „Heute war es aber ungewöhnlich lang. Braig, wer war dieser Mann, mit dem du gesprochen hast?“

Darauf drehte er sich schon beinah erschrocken um. „Bist du mir etwa gefolgt? Laia, ich mag es nicht, wenn man mich bedrängt oder mir nachstellt.“

Er stellte sich vor mich und schaute mich wütend an. Mein Blick blieb nach wie vor sanft. „Bitte, es war keine böse Absicht. Es ist nur...ich mache mir Sorgen, Braig. Du bist in der letzten Zeit immer so lange weg und dann dieser Mann heute...bitte verzeih mir, ich möchte nur nicht, dass dir etwas passiert. Ich...habe Angst um dich.“

Mir war klar, dass Braig dafür kein Verständnis hatte. „Laia, ich weiß deine Sorge zu schätzen aber ich möchte nicht mehr, dass du mir in Zukunft folgst. Ich mag es nicht kontrolliert zu werden und du musst dir auch keine Sorgen um mich machen. Ich komme schon klar.“

Damit war er bereits in Richtung des Schloßes unterwegs, doch ich wusste, dass ich etwas tun musste. Meine Hände ballten sich zu Fäusten und ich spürte mein Herz in der Brust anschwellen.

„Warte! Bitte warte!“ Auf der Hälfte des Weges blieb Braig stehen und blickte zu mir runter. Ich ging auf ihn zu, ergriff seine Hände und küsste ihn auf den Mund. Eine Weile verharrten wir in dem Kuss und wieder hatte ich das Gefühl, als ob die Welt still stehen würde.

Als ich mich von ihm löste, sah ich mit einem sanften und doch gequältem Lächeln zu ihm hoch.

„Ich liebe dich. Bitte...ich habe Angst um dich. Geh nicht wieder fort. Ich möchte nicht, dass dir etwas passiert.“

Die Tränen liefen mir über die Wangen während diese Worte aus meinem Mund strömten. In Braig's Blick lag die Überforderung, mit diesem Geständnis hatte er wohl nicht gerechnet. Er wich ein Stück zurück, behielt mich aber im Blick.

„Laia...ich...es tut mir leid, ich muss gehen!“ Damit kehrte er mir den Rücken zu und verschwand durch das Haupttor im Schloß während ich mit dem Schmerz in meiner Brust zurückblieb.

„Ich liebe dich. Merkst du nicht, dass ich mir Sorgen um dich mache? Dass du mir etwas bedeutest? Wieso...tut mir das Herz so weh?“
 

Später am Abend als alle schliefen saß ich lange in meinem Bett, die Beine angezogen und schweren Herzens. Ich dachte gar nicht an Schlaf, ich war viel zu wach als dass ich mich jetzt hinlegen könnte. Gedankenverloren erhob ich mich und ging in Richtung von Braig's Zimmer. Mit pochendem Herzen klopfte ich leise an seiner Tür, eine Antwort kam mir aber nicht entgegen.

„Braig, bist du da?“ Meine Stimme war eher ein leises Flüstern, als allerdings wieder keine Antwort kam, trat ich leise in sein Zimmer und bemerkte, wie er die Augen geschlossen und ruhend auf seinem Bett lag. Ich schloss vorsichtig die Türe hinter mir und setzte mich so leise wie ich konnte an den Rand seines Bettes. Eine Weile beobachtete ich ihn, fuhr sanft mit meiner Hand durch sein schwarzes Haar und schob ein paar seiner Strähnen aus seiner Stirn. Ein Lächeln legte sich auf meine Lippen.

„Ich frage mich, ob du gerade von mir träumst. Warum siehst du nicht, wieviel du mir bedeutest? Warum siehst du nicht, dass ich Angst um dich habe? Hast du es nicht gesehen? Hast du nicht gefühlt, wie sehr mein Herz geschlagen hat? Wie sehr es...sich nach dir sehnt?“

Sein Mund war leicht geöffnet, sein Atem ging ruhig und gleichmäßig. Mein Gesicht senkte sich und ich spürte, wie sich meine Lippen vorsichtig auf seine legten. Er schien tief und fest zu schlafen, doch ich dachte nicht daran aufzuhören. In meinem Kopf drehte sich alles, meine Gedanken kreisten nur um ihn. Dann allerdings musste ich ein wenig zu viel Druck auf seine Lippen ausgelöst haben, denn ich spürte, wie ein leichter Ruck durch Braig ging und er langsam die Augen öffnete und mich ansah. Ob er gehört hatte, was ich gesagt hatte?

Ich wich ein Stück zurück und wollte bereits gehen. „Es...es tut mir leid. Bitte verzeih mir, ich...gehe wieder. Ich wollte dich nicht wecken.“ Doch als ich mich erheben wollte, spürte ich, wie Braig nach meiner Hand griff und sie festhielt.

„Bitte...geh nicht. Bleib bei mir, Laia.“ Verwundert und doch erleichtert setzte ich mich wieder an den Rand des Bettes. Ich schaute ihm in die Augen, er blickte mich schweigsam an bis er sich aufrichtete und mir tief in die Augen sah.

Ich konnte nichts anderes tun als seinen Blick zu erwidern. Ich las Trauer und Schmerz in seinen Augen. Wie lange muss er schon alleine gewesen sein?

Vorsichtig legte er seine Arme um mich. Ich spürte, wie mein Herz erneut anfing zu rasen.

„Du bist...so ein wundervoller Mensch, Laia. So ein reines Herz. Warum hat dein Herz mich ausgewählt? Ich habe dich nicht verdient.“

Ich blickte zu ihm auf, legte meine Hand auf seine Wange und lächelte. „Egal, was passiert, ich werde für immer an deiner Seite sein. Egal, welchen Weg du einschlägst. Ich liebe dich...von ganzem Herzen.“

Seine Hand fuhr zärtlich über meine Wange. Dann spürte ich, wie sich seine Lippen auf meine legten. Meine Arme schlungen sich um seinen Rücken, hielten ihn feste.

„Bleib bitte...heute Nacht bei mir. Bitte geh nicht weg, Laia.“ Ich spürte, seine Stimme nah an meinem Ohr und lächelte während mir die Tränen vor Freude in die Augen schossen.

„Ich bleibe für immer bei dir. Bitte...ich...ich möchte mit dir schlafen.“

Eine noch nie gekannte Hitze stieg mir in den Kopf als ich diese Worte aussprach. Auch Braig schien etwas überfordert zu sein mit meiner Aussage aber als sich unsere Blicke trafen, war jedes Wort gesprochen.

Während seine Küsse immer wieder ihren Weg zu meinen Lippen, meinem Hals und meinem Dekollete fanden, begann er mich sanft meiner Kleidung zu entledigen. Auch ich wollte seine Haut fühlen. Vorsichtig löste ich das rote Halstuch von seinem Hals, ließ es zu Boden gehen, entledigte ihn seiner Gardistenuniform. Als ich vollkommen entblößt unter ihm auf dem Bett lag, schaute ich verlegen zu ihm hoch. Ich konnte kaum sprechen, so hart schlug mir das Herz gegen die Brust als ich ihn über mir knien sah und er mich mit seinen Augen studierte aber keinesfalls bösartig, zeigte er mir das erste Mal eine sanfte Seite an sich.

Seine Hand fuhr über meine Wange. „Du bist wunderschön, Laia.“

Ich musste etwas lächeln. „Als ob! Ich bin so furchtbar dünn.“ Braig erwiderte meine Aussage mit einem Grinsen, er wusste, dass ich ihm gerade seinen Spruch geklaut hatte. „Als ob, wir sind uns sehr ähnlich, Laia. Bei mir ist es doch auch nicht anders.“

Langsam legten sich meine Hände auf seine Wangen. „Ich finde dich wunderschön, Braig. Mit all deinen Fehlern und all deinen Narben. Ich liebe dich, so wie du bist.“

Ich denke, es war für ihn immer noch unbegreiflich, dass ihn jemand so sehr begehrte von ganzem Herzen wie ich. Sein Blick sagte mir, dass es in tief berührte und auch wenn er es mir nie gesagt hatte, tief im Inneren wusste ich, dass er auch mich liebte. Diese Gefühle zeigte er mir auf seine Weise.

Als er mich anfing zu berühren, zuckte ich leicht zusammen. „Bitte...sei zärtlich. Das...das ist mein erstes Mal.“

Vorsichtig küsste Braig mich auf den Mund. „Ich werde ganz vorsichtig sein und diese Nacht zu etwas Besonderem für dich machen.“

Wie zärtlich er sein konnte. Jede Berührung mit seiner Hand oder seiner Zunge lösten in mir so viele neue Gefühle aus. Alles, was er tat, fühlte sich unbeschreiblich gut an. War es normal, dass der Körper so intensiv und so sensibel auf diese Berührungen reagierte? Ganz besonders in den Zonen, die in mir ein gewisses Schamgefühl auslösten? Verlegen wandte ich meinen Kopf zur Seite als ich seine Zunge dort fühlte. Waren das meine Lustschreie, die mir immer wieder entglitten? Meine Beine öffneten sich mit jeder Berührung mehr, ich hatte das Gefühl, als ob seine Hände und seine Lippen überall an meinem Körper wären. Wie empfindsam das alles war. Ich schaute hinaus zum Himmel, sah den Mond und wie sein grelles Licht auf unsere Körper fiel bis ich schließlich das erste Mal dieses Gefühl von befreiter Lust empfand. Als mein Körper sich von der Anspannung erholte, lag ich schwer atmend auf dem Bett und spürte, wie Braig meine Stirn küsste. Es hatte sich so unbeschreiblich gut angefühlt aber...ich wollte mehr.

Meine Arme schlungen sich um Braig's Rücken und hielten ihn fest. „Alles in Ordnung, Laia?“ Ich nickte sanft und bettete mein Gesicht an seiner Nackenbeuge. „Ja...bitte, ich...“ Ich traute mich nicht, es auszusprechen, doch Braig nahm mir die Antwort ab. Er legte mir einen Finger auf die Lippen.

„Alles gut, ich verstehe. Bitte sag mir, wenn ich dir weh tue. Dann höre ich sofort auf.“

Schweigend nickte ich und schloss die Augen. Ich war so nervös, mein Herz raste so furchtbar. „Entspann dich.“ Vorsichtig hob Braig eines meiner Beine an. Seinen Körper auf mir zu spüren, so sehr seine Nähe zu fühlen beruhigte mich. Vorsichtig streichelte er meine Oberschenkel, mein Atem wurde ruhiger. Dann nickte ich vorsichtig. „Ich...ich glaube, ich bin soweit.“

Dann spürte ich, wie er langsam anfing in mich vorzudringen. Einen Moment lang war ich in der Versuchung mich zu verkrampfen, doch das hätte noch alles schlimmer gemacht. Ich seufzte und wimmerte und spürte, wie meine Hände sich zitternd in Braig's Rücken gruben.

Als ich komplett mit ihm vereint war, versuchte ich mich an das Gefühl zu gewöhnen. Mein ganzer Körper zitterte und mir war kalt. Tränen liefen mir die Wangen runter.

„Laia, geht es? Bitte sag, wenn ich anfangen soll. Ich warte, bis du so weit bist.“ Als sich mein Körper langsam entspannte, nickte ich und ich spürte, wie Braig langsam anfing in mich zu stoßen. Es fühlte sich anfangs so ungewohnt an. Mit jedem Stoß merkte ich aber, wie mir heißer wurde. Wie die Lust mehr Überhand gewann und ich mich anfing zu entspannen.

Irgendwann zog Braig das Tempo an, ich hielt mich an ihm feste, spürte, wie er immer wieder meine Wange küsste und lauschte meinem Stöhnen. Ich war glücklich. Meine Tränen waren versiegt. Ich hörte, wie Braig immer wieder meinen Namen in mein Ohr flüsterte und Schauer auf meiner Haut auslöste. Irgendwann schlung ich meine Beine um seine Hüften, hielt ihn feste und spürte ihn so intensiv. Wie sehr hatte ich mir gewünscht, dass diese Nacht nicht enden würde?

Als uns schließlich der Höhepunkt einholte, die Lust uns für einen kurzen Moment festhielt, sanken unsere Körper erschöpft auf das Bett. Schwer atmend lag ich da, spürte Braig's Gewicht auf mir und lauschte seinem Atem. Seine Finger hatten sich mit meinen verschränkt und hielten sie so stark feste, als ob er Sorge hätte, mich zu verlieren.

Als wir schließlich nebeneinander einschliefen, ich meinen Kopf auf seiner Brust bettete und meine Hand über seine Brust fuhr, wünschte ich mir, dass wir, so wie ich es ihm gesagt hatte, für immer zusammen bleiben würden. Aber diese Idylle sollte nicht von langer Dauer sein. Denn bereits die Tage darauf kehrte die Dunkelheit in Braig's Herz ein und sollte unser sowie das Leben aller für immer verändern.

Laia - Bericht VIII

Ich habe Dilan nie erzählt, was zwischen mir und Braig passiert war. Ich liebte Braig aber fürs Erste war ich der Meinung, dass es besser wäre unsere Beziehung geheim zu halten. Natürlich fiel es mir schwer, er war mein Bruder und schien auch zu merken, dass ich mich irgendwie verändert hatte. Ich ließ ihn in dem Glauben, dass alles wäre wie immer.

Wenn Braig und ich innerhalb des Schloßes aufeinander trafen, tauschten wir gelegentlich ein Lächeln aus oder er überraschte mich wenn er mich kopfüber von der Decke baumelnd mit einem Kuss überraschte. Ja, er konnte sich tatsächlich teleportieren, gehörte zu seinen Fähigkeiten. Doch gerade als ich dachte, es wäre wieder alles wie immer, tauchte ein junger Mann in dieser Welt auf, der auf der Suche nach jemandem war. Genauer gesagt tauchten drei jungen Menschen auf, die anscheinend alle etwas suchten. In Kontakt kam ich zuerst mit dem Jüngsten von allen. Ich beobachtete, wie Dilan und Aeleus ihm den Weg zum Schloß verwehrten als der Junge darauf drängte, einen seiner Freunde hier lang kommen sehen zu haben. Seine Aufmerksamkeit richtete sich allerdings dann auf einen riesigen fliegenden Unversierten, der sich seinen Weg in Richtung Energiereaktor bahnte. Der Junge rannte los, ich bemerkte, wie Even aus dem Schloß kam und Dilan sowie Aeleus davon abhielt, dem Jungen zu folgen. Während sie abgelenkt waren, folgte ich dem blonden Jungen. Vielleicht konnte ich ihm weiterhelfen.

Auf dem Hauptplatz fing ich ihn ab. „Hey, du! Warte mal einen Moment! Du sagtest, du suchst jemanden! Vielleicht kann ich dir weiterhelfen.“

Überrascht blickte mich der Kleine aus großen blauen Augen an. „Wirklich, das würdest du tun?“ Ich nickte gütig. „Ja. Ich habe gesehen, wie mein Bruder und Aeleus dich davongeschickt haben. Wenn du möchtest, helfe ich dir gerne deinen Freund zu finden. Ich heiße Laia.“

Der Junge stellte sich mir als Ventus vor und erklärte mir, dass er auf der Suche nach einem seiner Freunde namens Terra sei. Er ging nicht weiter ins Detail, es war auch gar nicht nötig, denn er suchte einen Freund und das war alles, was zählte. Ich sah mich ein wenig in dem Jungen wieder, denn er war um seinen Freund genauso besorgt wie ich um Braig.

Ich versprach ihm Bescheid zu geben wenn ich seinen Freund gefunden habe und machte mich auf den Weg. Zuerst fehlte von ihm jegliche Spur. Eigentlich wäre zudem meine Pflicht gewesen, mich um den Unversierten zu kümmern. Als ich allerdings einige Minuten später eine laute Explosion in der Ferne vernahm, kam mir der Gedanke, dass es vielleicht der Junge war, der den Unversierten besiegt hatte. Ich wusste nicht, warum aber ich spürte eine starke Aura, die von ihm ausging. Ich befand mich auf dem Wasserweg als mir schließlich ein junger Mann mit dunkelbraunen Haaren und strahlenden blauen Augen entgegen kam. Ich versteckte mich schnell hinter einer Mauer und bekam nur mit, wie er irgendetwas davon redete, dass er nur noch Meister Xehanort vertrauen könnte. Ich konnte mir keinen Reim darauf machen, als ich jedoch eine bekannte Stimme vernahm, spannte sich mein ganzer Körper an. Braig!

Er redete etwas davon, dass er den ganzen Weg hierher gekommen sei, um Terra zu suchen und dass er seinen Meister in der Gewalt hätte. Dieser sogenannte Meister wäre wohl sein Gefangener und Terra sollte wohl schnell auftauchen bevor Braig seine Geduld verlieren würde.

Ich war vollkommen verwirrt. Was hatte das alles zu bedeuten? Dieser Xehanort...war er vielleicht dieser alte Mann, mit dem Braig vor ein paar Tagen geredet hatte? Als Braig und Terra fortwaren, folgte ich ihnen schnellen Schrittes. Ihre Spur führte mich zur Aufbereitungsanlage unter den Gärten außerhalb des Schloßes. Ich schlich mich leise durch den Gang bis ich oberhalb der Anlage durch die Gitter auf den Platz unten schauen konnte. Dort waren Terra und Braig. Ich erschrak als ich den alten Mann gefesselt an einem der Rohre etwas erhöht erblickte. War das wirklich Braig's Werk?

Er redete irgendetwas davon, dass der alte Mann ihm wohl alles über Schlüsselschwerter erzählt hätte und wie er, nach allem, was er erfahren hatte, jetzt nicht auch ein Schwert haben könnte. Wenn Braig Terra besiegen würde, würde er der Träger eines Schlüsselschwertes werden und drohte im Anschluss damit, den alten Mann in die Luft zu sprengen sollte Terra nicht spuren.

Unbehagen machte sich in mir breit. Das war nicht der Braig, den ich kannte. Diese kalten Augen, dieses fiese Grinsen.

Der junge Mann hielt sich Anfangs zurück doch sein Meister forderte ihn auf gegen Braig zu kämpfen. Ein erbitteter Kampf entbrannte zwischen den beiden und ich sah nun, wie mächtig die Kraft eines Schlüsselschwertes sein konnte. Doch spürte ich auch diese dunkle Macht, die sich immer mehr im Herzen des jungen Mannes ausbreitete.

Ich wusste nicht, ob ich mich einmischen sollte und hielt oberhalb die Stellung. Es dauerte nicht lange bis Braig erschöpft einige Meter von Terra entfernt stand und schwer atmete. Dann sah ich nur noch die dunkle Macht, die Terra aus seinem Schwert erzeugte und auf Braig abschoss. Der Schock riss mich aus meiner Starre als ich sah, wie Braig zu Boden ging und sich das rechte Auge hielt. Ein weiterer Schuss ging in die Höhe und befreite den alten Mann, doch mein Blick war ganz auf Braig gerichtet, der vor lauter Schmerz aufschrie und sich die Hand auf die schmerzende Stelle gelegt hatte. Eine weitere Verbrennung fand sich auf seiner linken Wange und zog sich hoch bis unterhalb seines rechten Auges. Als ich bemerkte, wie Braig sich anfing zurückzuziehen, rannte ich schnellstens aus dem Raum und versteckte mich hinter der Mauer zur Aufbereitungsanlage. Ich beobachtete, wie Braig vor Schmerzen stöhnend zum Schloß rannte. Ich folgte ihm nachdem er sich einige Meter entfernt hatte. Ich brauchte eine Weile bis ich ihn gefunden hatte.

Als ich ihn fand, saß er am Boden eines der Gänge im Schloß mit einem Erste-Hilfe-Kasten zu seiner Linken. Ich blieb einen Moment im Dunklen verborgen und sah die Ausmaße der Verbrennungen im seinem Gesicht. Da, wo einst sein Auge war, war nur noch eine leere Hülle. Sein Anblick schmerzte mich und brach mir das Herz. Warum das alles?

Ich dachte nicht länger nach und rannte zu ihm.

„Braig! Um Himmels Willen, was ist geschehen? Dein Auge! Lass mich das sehen!“ Als er mich bemerkte, schaute er beschämt zur Seite. „Verschwinde, Laia! Ich möchte nicht, dass du mich so siehst!“

Ich reagierte nicht auf seine Worte und kniete mich zu ihm. „Nehm deine Hände runter und lass es mich sehen.“ Seine Hände selbst zitterten, ich ergriff sie vorsichtig und legte sie ihm auf den Schoss. Mit seinem gesunden Auge schaute er mich schon fast traurig, ja, sogar schmerzerfüllt an.

„Ich werde jetzt die Wunden versorgen. Versuch dich ruhig zu halten.“

Ich bin der Meinung, dass er wusste, dass ich ihn gesehen hatte, schwieg aber über die Vorkomnisse und ich sagte ebenfalls kein Wort. Ich war viel zu sehr darauf konzentriert, seine Wunden zu reinigen. Dieses Schwert...was für eine düstere Kraft das war. Von Braig's Auge war nichts mehr übrig und die Verletzung auf seiner Wange würde eine tiefe Narbe mit sich ziehen.

Eine ganze Weile saß ich mit ihm da und versorgte seine Wunden. Nachdem ich ihm die Verbände angelegt und ihm ein Pflaster aufgeklebt hatte, blieben wir beide einen Moment schweigsam.

„Wie konnte das nur passieren?“ Ich spürte Tränen in meinen Augen. Was hatte Braig vor? Dieser alte Mann, ob er mit Braig gemeinsame Sache machte? In jenem Moment fragte ich mich, ob Ventus Terra nach dem Vorfall gefunden hatte. Doch Braig riss mich aus meinen Gedanken.

„Bist du mir wieder gefolgt?“ Ich schaute auf, aus seinem anderen Auge blickte mich Braig enttäuscht an. Was sollte ich jetzt sagen?

„Ich hörte die Explosion vom Energiereaktor und wollte nachsehen, was dort passiert ist. Ich wollte mich um den Unversierten kümmern aber anscheinend hatte das schon jemand anderes erledigt. Als ich zurückgehen wollte, sah ich einen jungen Mann mit braunen Haaren. Hat er dir...diese Verletzungen zugefügt?“

Ich wusste nicht, ob Braig mir glaubte aber er schwieg und nickte nicht mal. Er erhob sich und schaute mich noch einmal an. „Danke für deine Hilfe, Laia. Ich habe noch etwas zu erledigen.“

Er wollte gehen, doch ich hielt ihn am Arm zurück. „Braig bitte, du solltest dich schonen! Bitte bleib hier! Deine Verletzungen sind...“ Doch er drehte sich zu mir um und verschloss meine Lippen mit einem sanften Kuss. Vorsichtig erwiderte ich diesen und klammerte mich an ihn.

„Dank deiner Hilfe fühle ich mich viel besser. Ich bin bald wieder da, mach dir bitte keine Sorgen.“ Ich antwortete nicht und ließ ihn ziehen. Er ließ mich alleine zurück und ich schaute bedrückt zu Boden. Meine Hände ballten sich zu Fäusten.

„Braig, was hast du vor? Was planst du?“ Es sollte nicht lange dauern, bis ich das herausfinden sollte.

Laia - Bericht IX

"Ihr wollt eine Audienz bei Ansem dem Weisen im Schloß? Keine Chance!"

Von Weitem sah ich, wie Dilan die beiden Jungen am Kragen packte und im hohen Bogen zu Boden warf. Ich wusste, dass er nur seiner Pflicht als Gardist und Wachposten nachkam aber musste er dabei direkt so ernst sein und vor allem so grob? Es waren immerhin noch Kinder!

Die beiden Jungs, die sie mir später als Lea und Isa vorstellten, erbaten eine Audienz bei Ansem dem Weisen, warum allerdings habe ich erst später in Erfahrung bringen können.

Ich verwickelte die beiden anschließend auf dem Hauptplatz in ein Gespräch, der eine mit den feuerroten Haaren mehr als den anderen. Beide Jungs waren auf ihre Art sehr freundlich, Lea hatte allgemein schon etwas feuriges und ein hitziges Temperament. Isa dagegen schien eher der ruhigere sowie rationalere von beiden zu sein. Trotzdem schienen sie sich sehr gut zu verstehen.

Es tat gut nach langer Zeit mal wieder zu lächeln, denn seit dem Vorfall mit Braig's Auge hatte ich diesen wochenlang nicht mehr zu Gesicht bekommen. Es war als ob er wie vom Erdbogen verschluckt worden wäre. Natürlich machte ich mir Sorgen aber hätte ich ihn aufhalten können?

Ich baute eine Art freundschaftliche Beziehung zu Lea und Isa auf, ihre Späße mitzumachen und schließlich doch von ihren Zukunftsplänen zu erfahren, heiterten mich wahrlich auf und machten wir neue Hoffnung für die Zukunft.
 

Die Tage verstrichen, in denen ich weder von Braig etwas gehört noch gesehen habe. Ich ging nach wie vor meiner Arbeit als Gardistin und Wissenschaftlerin nach, doch ab da fingen diese Alpträume an.

Ich lag manchmal bei Nacht stundenlang wach bis mich die Müdigkeit doch einholte und ich mich plötzlich auf eine Art Friedhof wiederfand. Um mich herum abertausende von Schlüsselschwertern, die tief in den sandig- sowie steinigen Boden gerammt wurden. Sie sahen uralt aus. Obwohl es ein Traum war, hatte ich das Gefühl einen heißen Wind zu spüren, der mir über das Gesicht und meine Haare fuhr. Der Traum nahm ab da immer dasselbe Ende. Ich ging ein paar Schritte bis ich den höchsten Berg erklommen hatte. Als ich dann nach oben schaute, riss die Wolkendecke unter Donnergrollen auf und ein gigantisches Herz in Mondform erschien am Horizont. Ich blickte nach oben, die Augen starr auf dieses Herz gerichtet bis ich...bis ich auf einmal jemand anderes wurde. Meine Augen veränderten ihre Farbe...ich spürte, wie mein Körper mir nicht mehr gehorchte, ich bekam Kopfschmerzen, hatte das Gefühl, als ob mir der Kopf zerbersten würde und dann...wachte ich auf. Schwer atmend lag ich auf meinem Bett, schaute gegen die Decke meines Zimmers und wisperte den Namen, den ich in meinen Träumen gehört hatte.

"Xehanort..."

Ich konnte mit diesem Namen noch nicht viel anfangen aber es sollte mir bald klar werden.
 

An jenem schicksalhaften Tag sollte sich alles ändern für den Radiant Garden. Wenn ich daran zurückdenke, stockt mir der Atem. Es war als ob ich für einen kurzen Moment eine gewaltige Kraft wahrnehmen konnte. Als ob zwei Wesen gegeneinander kämpfen würden. So schnell, wie dieses Gefühl kam, so schnell verflüchtigte es sich auch wieder. Doch damit war es nicht zu Ende. Meine Wahrnehmung sollte mich nicht im Stich lassen, denn kurze Zeit später vernahm ich eine mir bekannte Stimme auf dem Flur, wie sie nach Ansem dem Weisen verlangte. Braig?!

Ich blickte um die Ecke als ich aus meinem Zimmer trat und...tatsächlich, das war er und er hatte meinen Bruder dabei! Aber...mir blieb vor Schreck beinahe das Herz stehen und musste zweimal hinschauen ehe ich es richtig registrierte. Sein Auge, was bei dem Angriff von Terra verletzt wurde, hatte er mit einer schwarzen Augenklappe verdeckt. Sein anderes Auge hingegen...es war nicht mehr diese schöne kastanienbraune Farbe, die es zierrte. Da war dieser stechende Gelbton. Und was war mit seinen Ohren passiert? Sie ähnelten mehr an einen Elf, so spitz, wie sie nach oben hin zugingen. War das wirklich noch Braig? Und wo hatte er gesteckt?

Ich gab mich noch nicht zu erkennen, beobachtete aber, wie Braig zusammen mit Dilan und Ansem, der sich schließlich zu ihnen gesellt hatte, sich in Bewegung setzte und Richtung Schloßtor gingen. Ich folgte ihnen auf leisen Sohlen bis ich sie am Hauptplatz abfing und von einer Hausecke aus beobachtete.

Oh Gott, war das Terra? Nein...auf dem Platz lag ein junger Mann, er schien verletzt und kaum ansprechbar zu sein. Er trug die Kleider dieses Terra's aber war das wirklich Terra? Ich schaute genauer hin, seine Haare waren von einem tiefen Grau- oder Silberstich durchzogen. Von dem Haselnussbraun war nichts mehr übrig geblieben.

Ansem ging auf die Knie und hob den Jungen ein Stück hoch. So langsam kam er zur Besinnung.

"Junger Mann, was quält dich? Kannst du sprechen? Wie ist dein Name?"

Dann öffnete der Junge seine Augen, ich werde dieses Orangerot nie mehr vergessen sowie die düstere Stimme, die aus seiner Kehle drang.

"Xe...hanort."

"Xehanort?" Wiederholte Ansem der Weise. Ich blickte zu Braig, der sich ebenfalls zu Terra runtergekniet hatte. Dieses verschwörerische fiese Grinsen hatte sich seitdem in meinen Kopf gebrannt. Als ob...ja, als ob er etwas gewusst hätte.

Der junge Mann verlor erneut das Bewusstsein, worauf Ansem den Befehl gab, den Jungen schnellstens ins Schloß zu bringen.

"Ihr könnt auf mich zählen! Dilan, trag die Sachen für mich!" Darauf hob Braig Xehanort, wie er sich vorgestellt hatte, hoch und Dilan ergriff die Teile einer Rüstung sowie einen weiteren Gegenstand. Es war mir damals noch nicht ganz klar aber es handelte sich, so wie ich heute weiß, um ein Schlüsselschwert.

Als die Truppe sich zum Schloß in Bewegung setzte, huschte ich schnellen Schrittes zum Eingang um sie dort zu empfangen. Als Braig mich erblickte, schenkte er mir einen Blick, den ich nicht einordnen konnte aber es wirkte beinahe wie ein schlechtes Gewissen. Ich schaute ihn bestürzt sowie erschrocken an, sagte aber kein Wort und wendete meinen Blick ab.

Dieser Tag...sollte mein...unser aller Leben für immer verändern.

Laia - Bericht X

Das Leben war von Tag an nicht mehr dasselbe seit dieser Xehanort Ansem's Schüler wurde. Nachdem er sich erholt hatte war er wie ausgewechselt. Xehanort schien nicht nur über ausgewöhn liches Wissen zu verfügen, er brachte unsere Forschungen auch stetig und in einem Tempo voran, was sich selbst Ansem nicht hätte vorstellen können.

Alle waren von Xehanort überzeugt, es war, als ob meine Freunde wie ausgewechselt waren. Und allen voran...schien Braig mehr als angetan von diesem Mann zu sein. Ich versuchte immer wieder ein Wort mit Braig zu wechseln, doch es schien mir als ob er mir absichtlich aus dem Weg gehen würde.

Ich hatte von Anfang Bedenken, was die Forschung von Xehanort anging, doch Ansem war wie geblendet von dessen Arbeit und begann mithilfe der anderen Schüler nach kurzer Zeit eine unterirdisches Labor zu bauen, wo sie ihre Arbeit metertief unterhalb von Radiant Garden fortführen konnten.

Ich versuchte Ansem ins Gewissen zu reden, denn anscheinend war ich die einzige, der die ganze Situtation merkwürdig vorkam. Ich drohte sogar mit meinem Ausstieg aus dem Wissenschaftsteam, spätestens kurz, nachdem ich die unterirdische Einrichtung das erste Mal zu Gesicht bekommen hatte. Es war mir nicht geheuer, es war sogar...ja, es war unheimlich. Diese ganzen gläsernen Gefäße, die sich dort befanden. Als ob sie vorhätten, dort etwas zu lagern. Herzen zum Beispiel.

Die graumsame Vorstellung ging mir nicht aus dem Kopf, ich versuchte Ansem weiterhin ins Gewissen zu reden, doch er war zu sehr fasziniert von der Arbeit seines neuen Schülers. Ich weigerte mich diese Art von Forschung weiterhin zu unterstützen, was Ansem als sehr schade empfand, da gerade ich großes Potenzial hatte, doch meine Entscheidung war getroffen.

Seit jenem Tag ging ich meinen Weg weiterhin als Gardistin und wenn mir Xehanort über den Weg lief, mahnte ich ihn mit einem missbilligenden Blick. Seine Augen...sie waren so leer und trotzdem wurde ich den Gedanken nicht los, dass er etwas verbarg.

Ich versuchte Braig immer wieder zu stellen wenn ich ihn auf den Gängen Richtung Labor traf. Als ich ihn eines Tages zur Rede stellen wollte, blieb er tatsächlich stehen und lächelte mich an...ja, so wie er mich anlächelte, dass es mein Herz zu schlagen brachte. Trotz dieses gelben Auges und und den spitzen Ohren...er war doch immer noch Braig, oder?

„Braig, was ist nur geschehen? Seit dieser Xehanort hier aufgetaucht ist, ist jeder hier wie ausgewechselt. Du warst so lange fort, was ist nur mit dir passiert? Ich erkenne dich gar nicht wieder. Braig, bitte...ich habe Sorge. Bitte forscht nicht weiter an dem Wesen der Herzen. Es kann gefährlich werden.“

Langsam fuhr er mir mit einer Hand über die Wange und küsste sanft meine Stirn. „Verzeih mir, Laia, dass ich dich vernachlässigt habe. Vielleicht habe ich mich äußerlich verändert aber ich bin immer noch der Mann, den du kennst.“

Ja, irgendwo da drin war er auch immer noch Braig aber...irgendjemand...hatte ebenfalls seinen Platz in Braig's Herz eingenommen. Ich hinterfragte nicht weiter, denn ich war mir sicher, dass er es mir eh nicht sagen würde.

Bevor ich gehen wollte, spürte ich, wie er seine Lippen auf meine drückte und seine Arme um mich legte. Ich spürte wieder dieses wollige Gefühl, wie wenn wir auch sonst zusammen waren. Meine Arme schloßen sich ebenfalls um seinen Rücken, hielten ihn feste. Ich wusste nicht, wie lang wir in diesem Gang standen und uns in dieser dunklen Ecke küssten. Eine Sache spürte ich auf jeden Fall, diese dunkle Kraft, die von ihm ausging. Die Kraft, die er auf mich ausübte und mich gegen die Wand presste. Als seine Lippen sich von meinen lösten, schaute ich ihm schwer atmend in die Augen und fuhr durch seine Haare.

„An meinen Gefühlen hat sich nie was geändert. Ich weiß nicht, was mit dir geschehen ist und was dich so verändert hat aber...ich liebe dich. Ich habe es dir schon einmal gesagt, egal, wie du aussiehst, egal, wie sehr du dich veränderst und egal, welchen Weg du gehst, ich werde dich immer lieben. Auch wenn du es mir nicht sagen kannst. Ich stehe hinter dir.“

Ich sah ein Lächeln auf seinem Gesicht aber auch wieder dieses schlechte Gewissen. Ich glaube, so wie ich es heute weiß, wäre es ihm lieber gewesen wenn er mir nie zu nahe gekommen wäre. Meine Gefühle haben seine Pläne vollkommen aus der Bahn geworfen, denn am Ende hielt er sich nur so von mir fern, um mich nicht in Gefahr zu bringen. Er hatte nun etwas, was er beschützen wollte. Jemand, der sich um ihn sorgte und damit kam er nicht zurecht.

Er streichelte noch einmal meine Wange. „Danke, Laia. Aber du musst dir keine Sorgen um mich machen. Ich passe auf mich auf.“

Mit den Worten ließ er mich im Gang stehen und ging in Richtung Labor.
 

Ich lag am Abend noch lange wach. Meine Gedanken klammerten sich an Braig, der wie so oft zusammen mit Xehanort Nachtschichten im Labor einlegte. Das Verlangen ihn zu sehen festigte sich immer mehr. Ich wollte bei ihm sein, war aber mit meinen eigenen Vorstellungen im unreinen. Braig ging andere Wege und auch, wenn ich sie nicht hinterfragt habe, es war der Weg der Dunkelheit.

Es war einige Monate her gewesen, seit ich das letzte Mal in dem Labor war. So wollte ich mich aufmachen und einen Blick riskieren. Die Gänge waren schon in Dunkelheit gehüllt und bevor ich die Labore erreichen konnte, lief mir Braig über den Weg, der anscheinend gerade den Rückweg in sein Zimmer antreten wollte.

„Laia, ich wollte gerade zu dir. Ich wollte dich unbedingt sehen.“ Er wollte mich sehen? War das nur Ablenkung, damit ich nicht in die Labore ging oder meinte er es ernst? Ich blieb mit fragendem Blick vor ihm stehen.

„Braig...was tut ihr dort drin? Ich meine es ernst, woran forscht ihr?“ Er gab mir keine Antwort, stattdessen drückte er mich in die dunkelste Ecke des Ganges und küsste mich wild während er mich immer mehr gegen die Wand presste. Seine Küsse...das konnte niemals gespielt sein. Ich versuchte mich von ihm zu lösen, wie konnte ich ihm vertrauen? Ich wollte mich losreißen, spürte aber die Sehnsucht und da war es wieder, diese dunkle Macht, die er auf mich ausübte und mich in seinen Bann zog.

„Ganz egal, was ich tue. Ganz egal, welchen Weg ich gehe...du sagtest, du würdest immer an meiner Seite bleiben.“ Ich spürte, wie sich seine Lippen auf meinen Hals legten und sich seine Hände in meiner Uniform verfingen.

„Das war keine Antwort auf meine Frage. Bitte Braig, ich...ich habe Angst um dich!“ Doch meine Stimme ging unter erregten Wimmern unter. Meine Arme legten sich um seinen Rücken, ich wollte, dass er mich festhielt.

„Hab keine Angst. Denk nur an uns. Ich möchte nicht dein gequältes Gesicht sehen. Verzeih mir, dass ich dir immer wieder Sorgen bereite. Ich werde dafür sorgen, dass du heute Nacht an nichts anderes denken musst.“

Er war mir in der Nacht so nah wie schon lange nicht mehr. Ich sehnte mich nach ihm mit meinem ganzen Körper aber auch mit meinem Herz. Nachdem er mich innig in dieser dunklen Ecke liebte, zogen wir uns in sein Zimmer zurück. Ich wollte die Nacht bei ihm bleiben. Ich wollte einfach seine Haut auf meiner fühlen, seine Wärme, seinen Geruch, seine Stimme ganz in mich aufnehmen. Irgendwo wusste ich, dass er nicht mehr der Braig war, den ich über alles liebte. Da war noch jemand. Jemand, der von ihm zum Teil Besitz ergriffen hatte. Und dennoch war es doch Braig, mit dem ich die Nacht verbrachte.

Während ich ihn innig umschlung und meinen Lustschreien freien Lauf ließ, liefen mir Tränen die Wangen runter und als ich in dieses leuchtende gelbe Auge sah, hatte ich für einen Moment das Gefühl, dass mich noch jemand anderes ansehen würde. Und trotzdem schrie ich ihm immer wieder diese Worte entgegen, denn es sollte das letzte Mal sein, wo ich ihm so nahe sein sollte, bevor wir unser altes Leben aufgaben und der Dunkelheit Einlass gewährten. Ob ich jemals wieder die Gelegenheit hätte, ihm diese Worte zu sagen, die mir so wichtig waren?

„Ich liebe dich, Braig! Ich liebe dich!“

Laia - Bericht XI

Die Stadt von Radiant Garden, die einst so voller Leben war und vor Menschen nur so überschwommen wurde, lag still im Dunst des Nebels in den frühen Morgenstunde als ich meiner Patrouille nachging. Meine Gedanken lagen schwer an diesem schicksalshaften Tag. Natürlich war es mir schon vorher aufgefallen aber wieso kam mir diese dunkle Erkenntnis erst jetzt?

„Die Stadt...sie ist wie ausgestorben. Wo sind all die Menschen, die Bewohner hin? Warum sind sie fort? Was ist mit ihnen geschehen?“

Die Gedanken quälten mich an diesem genannten Tag aber warum wurde es mir erst jetzt bewusst? Eigentlich wusste ich es die ganze Zeit. Spätestens ab dem Zeitpunkt als ich mich heimlich, wie bereits in meinem zehnten Bericht erwähnt, in das Labor schlich war es mir bewusst aber ich wollte es nicht wahr haben. Ich habe geschwiegen und nichts gesagt, dabei hätte ich so viel verhindern können. Wie hätten Xehanort und Braig sonst all diese Container mit Herzen füllen wollen? Die Panik an diesem Tag kroch mir wie ein kalter Schauer durch die Glieder und ließ mich aus dem Labor flüchten, bevor Braig und Xehanort Notiz von mir nehmen konnten. Ohne jemals ein Wort zu Ansem oder gar meinem Bruder zu erwähnen, versuchte ich mich mit der Tatsache abzufinden weil ich der Meinung war eh nichts ändern zu können.

Ich weiß, dass Xehanort mächtig ist. Ich bin heute reifer und habe in den letzten zehn Jahren, in denen ich meine Recherchen in diesem Herrenhaus fortgeführt habe, sehr viel herausgefunden. Aber ich werde den Gedanken nicht los, dass selbst wenn ich nicht stark war wie die anderen, dass ich etwas tun hätte können aber ich war feige und habe versucht die Tatsachen zu leugnen anstatt ihnen ins Auge zu sehen.

Braig hatte mich wenn er mit mir das Bett teilte immer wieder spüren lassen auf seine Art, dass ich ihm etwas bedeutete. Und nein, ich habe es nicht erwähnt aber es waren tatsächlich mehr als nur zweimal, an denen ich Braig so nahe war. Doch das waren die geheimen Momente, wo er noch Braig war und nicht...wieso war ich nur so blind?

Ich konnte selbst meinem Bruder nicht mehr vertrauen geschweige kam ich noch an ihn heran. So wie Braig eben verkroch er sich mit den anderen Schülern im Untergrund und wer weiß, welche furchtbaren Experimente er an diesen armen Leuten durchführte.

So durchtrieben wie Braig war wundert es mich bis heute, dass nachdem ich ihm auf die Schliche gekommen war, er mich nicht beseitigt hatte. An dem Tag, wo alles enden sollte, stellte ich ihn ein letztes Mal und sah den Tatsachen im wahrsten Sinne des Wortes ins Auge. Als er mir antwortete, lagen in seinen Worten Kälte, die ich so noch nie von ihm gehört hatte. Dieser andere in ihm...er hatte Braig verändert und ich rechnete damit, dass er mich töten würde. Doch stattdessen schickte er mich weg, sagte mir, ich könne das Rad des Schicksals nicht mehr aufhalten und bat mich aus Radiant Garden zu verschwinden.

An dem Tag brach er mein Herz und ließ mich mit diesem tiefen Schmerz in der Brust zurück, doch heute ist mir klar, dass er mir auf diese Weise zeigen wollte, dass ich ihm doch irgendwo noch wichtig war und mich nicht in all das hineinziehen wollte. Weil ich die einzige war, der er jemals wichtig gewesen bin.

Als ich zurück ins Schloß kehrte, fand ich die Räume leer vor. Es war als ob den Gängen das letzte bisschen Licht genommen wurde und mit ihm jegliche Wärme, die einst hier herrschte. Selbst angeschlagen von meinem eigenen Scheitern machte ich mich auf den Weg zu Ansem's Büro, den ich zwar schweigend jedoch mit einem Blick erfüllt von Panik in den Augen vorfand. Eine Vorahnung machte sich in mir breit als er mich direkt ansah.

„Laia, die Türe wurde geöffnet. Ich habe ihnen immer wieder verboten, sich den dunklen Mächten hinzugeben aber ich habe versagt. Sie haben sie gefunden. Die Türe zur Dunkelheit und jetzt...können sie nie mehr zurück. Es ist alles meine Schuld, Laia. Wieso habe ich nicht auf dich gehört?“

Ich schwieg über seine Worte und bahnte mir stattdessen den Weg durch den einzigen geheimen Durchgang hinter Ansem's Schreibtisch, der zu den unterirdischen Laboren führte.

„Bitte geh nicht dort rein! Du wirst es nicht ertragen können! Bitte, ich flehe dich an, Laia!“ Mein Kopf überhörte seine flehenden Worte während ich einen Fuß vor den anderen setzte. Ich trat in den Computerraum und...

Es schmerzt so sehr. Selbst zehn Jahre nach den Vorkomnissen. Ich erinnere mich, dass ich schreien wollte. Die Panik ergriff meinen Körper und hielt ihn gefangen. Doch so sehr ich weinen und schreien wollte, ich blieb stumm und meine aufgerissenen Augen waren starr auf die leblosen Körper meiner Freunde...meiner Familie gerichtet. Ienzo, Aeleus, Even...Dilan und Braig...sie alle lagen am Boden und rührten sich nicht mehr. Ich ging auf den leblosen Körper meines Bruders zu und meine zitternde Hand streckte sich ihm entgegen. Sein Gesicht war kalt. Als ob ihm jegliches Leben aus dem Körper entzogen wurde. Ich hörte nur mein eigenes klägliches Wimmern als ich durch sein Gesicht streichelte.

„Bruder...mein Bruder...warum? Warum habe ich nichts getan?“ Ja, ich habe mich in dem Moment selbst bemitleidet aber nicht um meinetwillen, sondern weil ich nichts getan habe und das Schlimmste hätte verhindern können. Dilan hatte immer zu mir gesagt, dass ich im Kontrast zu ihm stünde. Natürlich war ich schwächer als er aber ich war der gute Geist, der über ihn wachte. Das einzige Überbleibsel an Gutem, was in seinem Leben geblieben war und ihm dem richtigen Weg ebnete. Ich habe auf diesem Weg versagt. Ich hätte etwas tun können, damit er nicht in diese Experimente mit reingezogen wird und nun hatte er mit seinem Leben dafür bezahlt.

Eine ganze Weile kniete ich neben seinem leblosen Körper und zog mit dem Finger die markanten Züge seines Gesichts nach. Er wurde mir genommen. Ich war keine gute Schwester, ich habe ihn mit Braig verraten, obwohl Dilan mir immer wieder gesagt hatte, ich sollte mich von diesem Herumtreiber fernhalten. Es war mein Geheimnis. Das erste Mal in meinem Leben, dass ich ihm etwas nicht erzählt habe. Familie heißt Vertrauen. Ich habe dieses Vertrauen missbraucht und diese Liebe, die ich zu Braig empfand, hat mir Dilan am Ende entrissen.

Meine Stirn ruhte auf der von Dilan und ich bemerkte nicht als Ansem in den Raum trat und sich hinter mich stellte.

„Gib dir nicht die Schuld. Am Ende warst du die Einzige, die richtig gehandelt hat. Ich habe mich von meinem Schüler Xehanort verleiten lassen und war zu blind seine wahren Absichten zu erkennen und am Ende konnte ich sie nicht mehr aufhalten. Nun haben sie alle ihre Herzen an die Dunkelheit verloren. Du solltest gehen, Laia. Bevor die Dunkelheit sich auch dein Herz holt.“

Ich schwieg auf Ansem's Worte und blickte rüber zu Braig's Körper. Wut. Hass. Zorn. All diese Gefühle strömten durch meinen Körper und stellten sich der Kälte entgegen. Wenn er nicht gewesen wäre...und wenn dieser verdammte Xehanort hier nie aufgetaucht wäre...

Ich hatte keine Zeit länger darüber nachzudenken. Ein Beben erschütterte das Schloß und ich spürte eine dunkle Macht aus den Tiefen der Labors zu uns hinaufkriechen und mit ihr kamen...die Herzlosen.

Ich spürte, wie Ansem mich grob am Arm packte und mich direkt ansah. „Wir müssen hier weg, Laia! Reiß dich zusammen! Wir können im Moment nichts mehr für sie tun! Wir müssen verschwinden!“ Er wartete meine Antwort nicht ab, ich warf einen letzten Blick auf meine Liebsten, dann folgte ich ihm.

Ich spürte die dunklen Mächte in meinem Rücken und wie sie immer näher kamen. Es blieb mir nichts anderes übrig als Ansem zu folgen. Was sollte ich noch hier an diesem Ort, der nun von der Dunkelheit heimgesucht wurde?

Ich ließ mein Leben und meine Vergangenheit zurück als Ansem mir die Hand reichte und wir zusammen durch einen der dunklen Korridore in die Welt der Schatten flüchteten. Mit dem Durchschreiten starb die Trauer in meinem Herzen und ließ am Ende nur den Gedanken an Vergeltung zurück.

Laia - Bericht XII

Man stelle sich einen in sich abgeschlossen Raum ohne Fenster vor. Kein Geräusch ist zu hören, nicht mal ein Windhauch dringt durch die kalten Wände. Es ist als ob die Zeit still stehen würde. Egal, was man versucht, sie schreitet nicht voran. Es ist endlos. Immer wieder versucht man sich einzureden, dass es da irgendwo doch noch ein Ausweg aus diesem Raum gibt aber man kommt schneller zu der Erkenntnis, dass man dort für immer gefangen ist und am Ende schwindet jede Hoffnung und Mutlosigkeit macht sich breit sowie ein beklemmendes Gefühl, dass sich einem durch den ganzen Körper bis in die Eingeweide schraubt. So empfand ich meinen ersten Kontakt mit der Dunkelheit.

Auf dem Weg eine Zuflucht aus ihr zu finden, durchschritten Ansem und ich die dunklen Korridore, die die Dunkelheit mit unseren Welten verbanden. Die Herzlosen waren uns dauernd auf den Fersen und Ansem versuchte mir trotz allem immer wieder Mut zuzusprechen, denn ein reines Herz wäre es, was die Herzlosen anziehe. Durch seine Forschung an den Herzen und Absichten seiner Schüler, die er im Laufe der Experimente erkannt hatte, waren die Herzlosen das Produkt und das Ergebnis seiner Schüler, welche sie nutzten, um eine größere Macht zu nähren, die sich „Kingdom Hearts“ nannte. Warum sie diese Wesen für diese sogenannte Macht nutzten, war mir zu diesem Zeitpunkt noch nicht klar aber wenn es so mächtig war, müssen ihre Vorhaben schrecklich sein.

Wir mussten uns beeilen. Je länger wir der Dunkelheit anheim bleiben würden, desto mehr beschlich uns das Gefühl mehr und mehr den Verstand zu verlieren. Diese Orte lagen fernab von jeglicher Existenz. Wenn ich nicht versucht hätte so stark zu bleiben obwohl ich in meiner Trauer am liebsten alles aufgegeben hätte, hätte ich mich sicher schon längst in der Dunkelheit verloren. Ansem bewahrte sich seinen Verstand, indem er weiter seine Berichte schrieb. Ich konnte trotz der Verluste einfach nicht aufgeben und während Ansem die Entscheidung traf, sich mit der Dunkelheit ohne einem Anzeichen von Angst zu verbünden und diese zu akzeptieren lernte, damit er die Kräfte der Dunkelheit nutzen konnte, bewahrte ich mir fürs erste noch das bisschen Licht, was in meinem Herzen zurückgeblieben war.

Wir kämpften uns die Wege durch die Dunkelheit bis wir einen Ort fanden, der irgendwo an der Schwelle zwischen Licht und Dunkelheit siedelte. „Twilight Town“. Und so wie der Name dieser ruhigen Stadt war, so fiel auch das Licht dort in einem warmen Strahl auf diese Welt. Als wir das Tor zu dieser Stadt durchschritten und ich die warmen Sonnenstrahlen nach langer Zeit wieder auf meiner Haut spürte, keimte in mir wieder die Hoffnung. In der Dunkelheit existiert sowas wie warm und kalt nicht. Es ist als ob jegliche Gefühle abgestorben wären. Doch in Twilight Town fand ich nach so langem Wandeln durch die Dunkelheit endlich mein Lächeln wieder und Tränen rannen mir vor Freude über die Wangen.

Ich fasste mir ein Herz und beschloss zusammen mit Ansem den Beweggründen seiner Schüler auf den Grund zu gehen, dafür brauchten wir allerdings eine Unterkunft, in der wir in Ruhe weiterforschen konnten. Abgelegen weitab hinter einem kleinen Wäldchen liegend fanden wir ein leerstehendes Herrenhaus, das uns als Zufluchtsort dienen sollte. Wir begangen schnellstmöglich mit der Einrichtung des unterirdischen Kellers, in dem wir unsere Forschungen fortsetzen konnten. Es dauerte nicht lange, bis uns die Forschung neue Erkenntnisse brachte, doch je mehr über die darauffolgenden Jahre über das Vorhaben von Braig und den anderen herausfand, desto betrübter wurde ich.
 

Wieviele Jahre waren seitdem vergangen? Im Laufe dieser Zeit, in der ich nicht nur geforscht, sondern auch ein intensives Training genoss, um meine Kräfte weiter zu entwickeln, verlor ich jegliches Zeitgefühl aber es mussten um die zehn Jahre gewesen sein. In der Zeit war viel passiert, ein guter Freund von Ansem, ein kleiner König namens Mickey, den ich im Schloß seinerzeit oft an Ansem's Seite gesehen habe, hat sich mit den Kriegern der Schlüsselschwerter zusammen getan und bekämpfte nun mit dem sogenannten „Held“ die Herzlosen. Ich wusste, dass es wichtig war und ihre Erfolge gegen die Mächte der Dunkelheit für uns sprachen, doch kümmerte es mich meist danach nicht mehr.

Wenn man so viel Leid und Verluste ertragen musste, härtet man ab und tötet im selben Zuge jegliche Gefühle, die einem einst als wichtig erschienen. Ich weiß, dass ich nicht die einzige war, die Menschen verloren hatte, die ihr wichtig waren, doch quälte mich der Gedanke, dass ich nach wie vor nichts getan habe, um all das zu verhindern. Ansem versuchte mir immer wieder ins Gewissen zu reden, dass es nicht meine Schuld gewesen sei, doch trug ich nicht auch die Schuld an dem Leid so vieler Menschen, die wegen dieser unnötigen Experimente ihr Leben lassen mussten? Ich war ein Wächter, eine Gardistin, die dieses Reich des Lichtes, den strahlenden Garten vor Unheil schützen und dessen Bewohner beschützen sollte. Stattdessen habe ich mich von Braig's schönen Worten blenden lassen und hätte vielleicht doch einmal mehr auf meinen Bruder hören sollen. Ja, er war wirklich gut darin gewesen, Menschen zu manipulieren. Ich habe mich von seinen Worten beeinflussen lassen, so weit, dass ich dachte, dass ich eh nichts mehr bewegen konnte. Stattdessen glaubte ich immer wieder wie vernebelt an die unerschöpfliche Macht der Liebe und dass in Braig irgendwo doch noch etwas Gutes zurückgeblieben war. Wie falsch ich doch lag. Am Ende hatte ich auf ganzer Linie versagt, mit dieser Scham konnte und wollte ich mich nicht mehr eine Wächterin des Lichts nennen.

Während meines Trainings im Herrenhaus und in den Korridoren der Dunkelheit, in dem ich Herzlose bezwang, ertappte ich mich nach meiner Rückkehr immer wieder dabei, wie ich mich selbst im Spiegel betrachtete. Es ist erschreckend wenn man selbst erkennt, wie sehr einen solche Ereignisse abstumpfen und erkalten lassen. Meine Haare, die sonst immer voll und üppig lagen, waren in alle Richtungen kurz und ungebändigt zerstreut und endeten in harten Strähnen. Meine blauen Augen hatten jeglichen Glanz verloren und mein Gesicht hatte harte Züge angenommen, die ich mir nur aus meinen Erlebnissen der letzten Jahre erschließen konnte. Manchmal erkannte ich mich selbst nicht mehr wieder. Es war als ob eine völlig andere Person meinen Platz eingenommen hätte. Seit wann war ich so kalt geworden?

Wenn ich nicht trainierte oder forschte, zog ich mich in die Eingangshalle des Herrenhauses zurück, wo zwischen den beiden Treppenaufstiegen ein Fenster lag, hinter dem ein überwucherter Garten zu sehen war. Dort am Fenster ließ ich mich meist nieder, ließ meine Gedanken schweifen bis ich irgendwo anders war und eine Weile meine Trauer zulassen konnte. Das waren die einzigen Momente, in denen ich weinte. Ich musste es, mich überkam sonst der Gedanke, dass ich meine Menschlichkeit komplett abgelegt und gar kein Herz mehr hätte aber ich war keine leere Hülle. Ich war immer noch ein menschliches Wesen mit einem funktionierendem Herzen und wenn ich trauerte, dann war es nichts verwerfliches, sondern durchgehend menschlich und ein Zeichen von Stärke anstatt Schwäche.

Ansem, der mir dahingehend immer wieder ins Gewissen redete, versuchte mich mit seinen Worten aufzubauen obwohl er auch selbst einiges an Härte dazugewonnen hatte. Er rechnete es mir hoch an, dass ich trotz all seiner Vergehen immer noch an seiner Seite weilte und meine Nähe ihm gut täte. Als wir noch im Schloß lebten, war ich es immer gewesen, die trotz aussichtsloser Situationen immer ihr Lächeln und die Hoffnung bewahrt hätte, obwohl ich mir bewusst war, nicht die Stärkste zu sein. Gerade diese Eigenschaft machte mich zu einem starken Menschen und er bat mich inständig, diese Stärken nie aufzugeben.

Ansem hatte schnell durchschaut, dass Braig einst mehr für mich war und ich mehr in ihm gesehen hatte als es andere taten. Diese Erkenntnis kam ihm an dem Tag, wo wir über die sogenannten „Niemande“ herausfanden und wieso sie „existierten“. Wenn einem Mensch das Herz entzogen wird, wird im selben Zuge ein Herzloser geschaffen, doch es bleibt eine leere Hülle zurück und wenn diese sich materialisert, wird ein Niemand geschaffen. Während meines Trainings wurde ich zum ersten Mal mit Niemanden konfrontiert, die wie die Herzlosen eher zu einer niedrigeren Spezies gehörten und schnell zu besiegen waren. Hatten die Menschen, die sie vorher waren, jedoch einen starken Willen, so materialisiert sich ein Niemand, der seinem Jemand ähnlich sah, also wie ein Mensch. Die sogenannte Organisation XIII, die aus dreizehn solcher starker Niemande bestand, hatte sich im Reich der Dunkelheit eine eigene Welt geschaffen, die sie die Welt, die niemals war nannten und sich zur Aufgabe machten, Kingdom Hearts mithilfe des Schlüsselschwertträgers zu nähren, denn er war der einzige, der die Fähigkeit besaß, Herzlose zu besiegen, ohne dass die darauf freigesetzten Herzen zu Staub zerfielen sondern stattdessen zu Kingdom Hearts aufstiegen. Sie schienen das Ziel zu verfolgen, vollkommen zu werden, also sprich selbst wieder Herzen zu erlangen um wieder menschlich zu werden, jedoch bemerkten sie nicht, wieviel Chaos sie in den einzelnen Welten damit anrichteten.

Ich musste schweren Herzens feststellen, dass auch Braig als auch mein Bruder ein Teil dieser Organisation waren, doch warum sie dies taten, das galt es herauszufinden. Irgendwie wurde ich den Gedanken nicht los, dass da mehr hinter steckte als nur das Vervollständigen ihrer Körper.

Ich musste mit meinem alten Leben abschließen. Ich beschloss an dem Tag mir ein Herz zu fassen und die Dunkelheit als meinen Verbündeten zu akzeptieren, so wie Ansem es getan hatte. Ich schaffte es mir nach Studium der Daten über die Organisation mir einen ihrer schwarzen Mäntel sowie ihre Stiefel zu reproduzieren. Die Stiefel stattete ich mit den Fähigkeiten aus, mit denen ich bereits meinen Gardistenstiefel ausgestattet hatte und nutzte diese als Waffe und zur schnelleren Fortbewegung. Da ich keine magischen Fähigkeiten besaß, musste ich mir mit den Stiefeln einen kleinen Vorteil verschaffen wenn ich in der Dunkelheit wandelte.

Ich stellte fest, dass die Mitglieder der Organisation XIII alle ein X im Namen trugen. So starb an dem Tag, wo ich den Mantel anlegte Laia und Xiala wurde geboren. Um mehr über die Organisation herauszufinden, musste ich selbst ein Teil der Dunkelheit werden und beschloss mich unter falschem Namen als Niemand auszugeben.

Ansem bewunderte meinen Mut und meine Selbstlosigkeit. Bevor ich durch das Portal im Keller des Herrenhauses die Welt der Niemande betreten sollte, gab mir Ansem auf den Weg, dass ich Vorsicht walten lassen und jegliche Emotionen unterdrücken sollte, selbst wenn ich auf Braig oder Dilan treffen würde, denn Niemande können nicht fühlen und Emotionen zeigen ohne Herz. Ich wandte mich zu ihm um, setzte ein Grinsen auf und meinte bevor ich die Schwelle zwischen Licht und Dunkelheit durchschritt. „Mein altes ich ist schon lange tot und damit auch jegliche Gefühle. Ich spüre keine Trauer und keinen Schmerz. Mein Name ist Xiala und ich werde alles tun, was mir eben möglich ist, um die Pläne der Organisation zu vereiteln. Auch wenn ich nicht viel ausrichten kann, mein Mut und meine Hoffnung werden mich nicht verlassen! Auch wenn es ewig dauern wird und ich vielleicht fürs erste nicht zurückkehren kann, ich bin bereit, die Dunkelheit zu betreten und als meinen Verbündeten zu akzeptieren.“

Xiala - Bericht I

Wenn man sich lange genug als eine Person ausgibt, die man in Wirklichkeit gar nicht ist, fängt man an zu denken oder zu fühlen wie diese Person. Man verdrängt auf eine gewisse Weise sein altes Leben aber in dieser unendlichen Dunkelheit lernt man damit umzugehen bis es irgendwann normal ist.

Ich habe begonnen, meine Berichte unter falschem Namen zu schreiben und obwohl ich weiß, dass ich kein Niemand bin, habe ich mittlerweile das Gefühl mich immer mehr wie einer zu verhalten.

Niemande entstehen aus der leeren Hülle, die zurückbleibt wenn einem Körper das Herz entzogen wird. Dementsprechend existieren Niemande auf eine gewisse Art überhaupt nicht und...fühlen nichts. Ja, sie fühlen nichts weil sie kein Herz haben. Jegliche Emotionen, Trauer, Schmerz, Freude...so etwas existiert in ihrem...nennen wir es mal vorsichig „Leben“ nicht.

Diesen schwarzen Mantel zu tragen fühlte sich anfänglich schlichtweg falsch an. Mir war durchaus bewusst, dass ich immer noch ein eigenständig denkender Mensch mit einem Herzen war, der Emotionen empfinden konnte, doch als ich das Tor im Keller des Herrenhauses durchschritt und in die Welt...die Welt der Niemande betrat, beschloss ich meine Emotionen tief in meinem Herzen wegzuschließen um mich möglichst unauffällig in dieser Welt bewegen zu können.

Entgegen all meiner Prinzipien und alles, was ich einst war und nun bin fand ich mich mit dem Gedanken spätestens ab als meine Augen das riesige Schloß erblickten, was die Niemande in der Welt, die niemals war ihr Zuhause nannten. Meine Stimme versagte als ich über dem überragenden Konstrukt dieses riesige mondartige Herz am dunklen Firmament erblickte, was sich in die tiefe Schwärze des Himmels dieser Welt erstreckte. Beinahe schon geistesabwesend verfolgten meine Augen die freigesetzten Herzen, die hin und wieder ihren Weg zu der außergewöhnlichen Monströsität eines Herzens fanden. Der Anblick schnürte mir die Luft ab. Als mein Blick sich senkte, wurde mir erneut bewusst, wie sehr ich versagt habe. Das alles, diese ganze Welt, die sie sich über Jahre geschaffen hatten, all das hätte ich eventuell verhindern können, wäre ich nur mutig genug gewesen und sonst wie immer auf mein Herz gehört hätte.

Ich war schwach und wusste, dass mein Bruder oder Braig stärker waren als ich aber ich hatte nie vor etwas Angst. Angst ist der erste Schritt der Dunkelheit Zugang zum Herzen zu verschaffen. Warum nicht versuchen zu kämpfen? Selbst wenn der Gegner übermächtig ist, solange man es nicht probiert hat kann man auch nicht sagen, dass er nicht zu besiegen ist. Im ausschlaggebenden Moment habe ich entgegen all meinen Prinzipien gehandelt und meine Mitmenschen im Stich gelassen. Eigentlich hätte ich es auch verdient gehabt, zu einem Niemand zu werden. Vielleicht ginge es mir dann ohne ein schlechtes Gewissen über die Vergangenheit zu haben besser. Aber dann würde ich vor der Verantwortung weglaufen und feige war ich auch nicht.

Mein Blick klärte sich und ich blickte auf zu Kingdom Hearts. Ich beschloss in dem Moment meine Gefühle tief in mir zu verschließen und die Emotionen aufzugeben, bis der Tag kommt, wo ich wieder lachen konnte. In dieser dunklen Welt, wo jegliche Existenz vergang, gereichte es mir nur zum Vorteil wenn ich mit meinen Emotionen brach und so dachte wie ein Niemand. Ohne diese Gefühle war ich fürs erste besser dran. Mit diesem Entschluss trat ich meinen Weg in die Dunkelheit an. Ich hoffte nur inständig, dass ich mich auf meinem Weg nicht selbst verlieren würde, denn mir war zu diesem Zeitpunkt noch nicht klar, wie lange ich in dieser Welt verweilen würde.
 

Entgegen der Welt des Lichts scheint die Zeit in der Dunkelheit eingefroren zu sein. Man empfindet nie eine Art Vorankommen der Zeit wenn man sich in der Dunkelheit aufhält und wird stetig von dem Gefühl begleitet, nur in eine Richtung zu laufen. Einem Weg, der nie endet. Zumindest kam es mir erst nach einer gewissen Zeit in dieser Welt zu vor.

Die Welt, die niemals war war somit meine erste Anlaufstelle, wo meine Reise durch die Dunkelheit ihren Anfang nahm. Auf meinem Weg, der mich dem Schloß immer näher brachte, passierte ich enge dunkle Gassen, schlug mich an gen Himmel wachsenden Hochhäusern vorbei, deren Köpfe sich den Firmament entgegenstreckten und einen selbst wie ein Nichts dastehen ließen sowie an kleineren Herzlosen, die wohl zu gerne sich an meinem Herzen zu schaffen machen wollten. Sie waren kein Vergleich zu den riesigen Herzlosen, die mit Emblemen gekennzeichnet waren und wirklich Kingdom Hearts als Nahrung dienten, dennoch sollte man sie in einer größeren Masse nicht unterschätzen. Ich war froh, dass mir meine Stiefel so gute Dienste erwiesen sonst wäre mir ein frühes Ableben sicher gewesen.

Nachdem ich gefühlt unzählige Straßen durchschritten hatte erreichte ich schließlich einen relativ großen Platz, auf dessen Mitte ein Wolkenkratzer ragte, der alle anderen Gebäude mit seiner Größe in den Schatten stellte. Heute weiß ich, dass die Niemande ihn den Wolkenkratzer der Erinnerungen nennen. Ich betrat den Platz mit einem unguten Gefühl im Magen, mein Gesicht streckte sich gen Himmel und ich merkte, dass es anfing zu regnen. Regen in dieser Welt? Tatsächlich! Irgendwie tat diese leichte Nässe gut auf der Haut, so hatte man das Gefühl noch am leben zu sein und wenigstens etwas an Menschlichkeit zu fühlen. Es dauerte jedoch nicht lange, bis ich Gesellschaft kriegen und meine Vergangenheit mich einholen sollte.

Bereits bei meiner Ankunft in diese Welt hatte ich bewusst die Kapuze tief ins Gesicht gezogen, damit ich bei erstem Kontakt mit einem der Niemande nicht direkt erkannt werde. Ich stand still in der Mitte des Platzes und nahm plötzlich eine unglaublich mächtige Aura in meiner Nähe wahr. Sie war nicht weit entfernt. Genauer gesagt über mir. Unglaublich was man auf einmal alles wahrnimmt wenn man die Dunkelheit akzeptiert. Jeder meiner Sinne war bis zum Anspannen geschärft und ich hatte das Gefühl jede Bewegung und jedes kleinste Geräusch sowie mächtige Kräfte in meiner Gegend zu spüren. Ich versuchte ruhig zu bleiben. Ich vernahm das Geräusch als ob jemand eine Sicherung lösen würde. Wie bei einer Waffe. Erneut schaute ich zum Himmel Tatsächlich erblickte ich nicht weit von mir eine Kreatur, die kopfüber am Himmel entlang ging aber ich konnte sie nicht direkt erkennen.

Ich brauchte einen Moment, um mir klar zu werden, wer dort oben am Firmament nunmehr auf mich mit einem breiten Grinsen herabblickte und seinen Finger am Abzug hatte, bereit zu feuern. Um nichts in der Welt könnte ich dieses Grinsen vergessen.

Ich blieb schweigend ohne jegliche Regung an Punkt und Stelle stehen, ich wollte dem Risiko entgehen, dass er jeden Moment auf mich feuern könnte und da ich ihm anscheinend bisher unbekannt war, ging er wohl nur auf Nummer sicher. Dann allerdings verschwand er und tauchte genau vor mir auf. Teleportation, ich wusste es! Und die Waffen, zwar etwas größer aber unverkennbar. Immer noch das Gesicht im Schatten meiner Kapuze gehüllt schaute ich auf und blickte den Mann, den ich einst so sehr geliebt hatte in das stechende gelbe Auge, was mich unaufhörlich im Blick hatte und festhielt. Dieses irre Grinsen verstärkte den Blick seines Auges noch mehr und verlieh ihm einen Ausdruck von Wahnsinn.

„Sieh einer an, da bin ich bereits auf der Suche nach neuen Rekruten für die Organisation und finde direkt einen! Aber keine Sorge, ich gehe nur auf Nummer sicher! Wäre zu schade, wenn ich ein potenzielles neues Mitglied abknallen würde. Zeig mir dein Gesicht!“

Wenn es eine Aufforderung war ging ich diese alles andere als nach. Ich merkte, dass er skeptisch wurde als ich mich nach wie vor nicht rührte aber ich konnte den Schock in meinem Gesicht nicht verschwinden lassen. Ich wollte nicht, dass er mich so sieht.

„Hmmm schwer von Begriff, oder? Oder kannst du nicht sprechen? Ach herrje, nicht noch so ein lebloser Körper wie unsere Nummer 13. Tu uns beide einen Gefallen und nehm die Kapuze runter. Oder bist du ein Spion? Ich warne dich, überlege dir besser gut, was du tust.“

Mein Herz beruhigte sich langsam. Ich atmete tief durch und setzte ein Lächeln auf die Lippen.

„Lange nicht mehr gesehen, Braig. Du hast dich sehr verändert.“

Ich sah, wie die Selbstsicherheit aus seinem Gesicht schwandt und seine Waffen auf einmal zitternd in seiner Hand lagen. Vorsichtig legte ich einen Finger auf den Lauf seiner Waffe und drückte sie nach unten. Daraufhin ließ er sie perplex verschwinden.

„Das kann nicht sein! Es sollte nicht so sein!“ Vorsichtig ergriff ich meine Kapuze und ließ sie nach hinten fallen und ließ ihn sehen.

„Laia...ich wusste es!“ Ich ging einen Schritt näher auf ihn zu und betrachtete ihn. Ein Grinsen legte sich auf die Lippen, die er einst so geliebt hatte.

„Du bist alt geworden, Braig.“

Der Schock wich fürs erste nicht aus seinem Gesicht aber ich bemerkte, wie er langsam die Fassung wieder gewann. „Braig? Den Namen habe ich schon lange abgelegt. In dieser Welt heiße ich Xigbar. Aber was ist geschehen, Laia? Du solltest aus Radiant Garden verschwinden! Bist du...bist du etwa auch ein Niemand?“

Er hatte mich anscheinend noch nicht durchschaut, das sollte mir einen Vorteil verschaffen. Mein Grinsen legte sich zu einem sanften Lächeln.

„Mein Name ist Xiala. Beantwortet das deine Frage?“ Er versuchte es sich nicht anmerken zu lassen, doch ich sah deutlich, dass es ihn mitnahm. Eine intensive Kälte ging von ihm aus, er war nicht mehr der Braig, den ich einst liebte. Ich musterte ihn einen Moment und versuchte mich mit seinem Äußeren vertraut zu machen.

Seine Haare waren immer noch schwarz, doch am Scheitel wurden sie von einem grau bis fast silbernen Stich durchzogen. So alt war er doch noch gar nicht? Eindeutig gewachsen war seine Haarpracht, trug er sie mittlerweile in einem Zopf, da sie ihm bis zum Steißbein reichten. Hager war er nach wie vor, seine dünne Statur zeichnete sich deutlich unter dem hautengen Mantel ab. Auf seiner Wange stach deutlich die gezackte Narbe hervor und die leere Höhle, wo einst sein rechtes Auge war wurde nach wie vor von einer schwarzen Augenklappe bedeckt. Die Jahre hatten ihre Spuren an ihm hinterlassen und ich versuchte mir die Trauer nicht anmerken zu lassen, doch konnte ich die Erinnerungen an den Braig, wenn er mich anlächelte aus diesen wunderschönen braunen Augen hinaus nicht vermeiden. Ich spürte, wie sich ein dünner Schleier vor meine Augen legte, ich musste mich zusammenreißen! Nur einen Moment der Schwäche, eine dumme Emotion und meine Tarnung würde auffliegen.

Braig...nein, ich nenne ihn wohl für dieses Kapitel meines Lebens besser Xigbar, versuchte die Situation mit einem Grinsen zu überspielen und stemmte die Hände in die Hüften.

„Tss, Xiala also. Ich hätte nicht gedacht, dass wir uns unter diesen Umständen wiedersehen würden. Wieviele Jahre sind es nun her? Fast zehn Jahre! Junge, das ist eine lange Zeit. Aber ich muss sagen, dass du im Gegensatz zu mir von deiner Schönheit nichts eingebüßt hast.“

Er versuchte mich mit Worten zu umschmeicheln, anscheinend wollte er mir etwas entlocken, doch ich gab ihm keine Gelegenheit.

„Xigbar...der Name passt irgendwie zu dir. Du bist ein Mitglied der Organisation XIII, nicht wahr?“

Skeptisch musterte er mich, doch er antwortete mir ruhig. „Aha, du hast also schon von uns gehört. Ja, das bin ich. Nummer II der Organisation XIII, der Freischütze. Aber es wundert mich. Kennt man uns in den Welten da draußen schon so gut?“

Ich denke, Xigbar empfand dieses Gespräch als eine Art Spiel. „Nunja, es ist nicht zu vermeiden von den Niemanden zu hören wenn sie in den Welten auftauchen und Chaos stiften. Ich selbst habe mich auf den Weg in die Dunkelheit gebracht, um einen Platz zu finden, an dem ich noch hingehören kann.“ Ich fragte mich, ob meine Maskerade Bestand hatte. Ich konnte in Xigbar's Blick deutlich das Misstrauen lesen aber er spielte nach wie vor mit.

„Dann ist es gut, dass du deinen Weg hierher gefunden hast. Wenn du mir folgst, hast du die Möglichkeit eines Tages wieder vollkommen zu sein! Siehst du das dort oben? Unser Kingdom Hearts? Unsere einzige Möglichkeit, dass wir eines Tages wieder Herzen besitzen werden!“

Was redete er da? Sie erschufen doch die Herzlosen, damit der Krieger des Schlüsselschwertes loszog, die Herzlosen vernichtete und damit die gefangenen Herzen freisetzte, um Kingdom Hearts zu nähren! Meine Hände ballten sich zu Fäusten.

„Komm mit mir, Sweetheart! Trete unserer Organisation bei und wir können eines Tages wieder existieren!“

Er griff nach meiner Hand, doch ich schlug sie grob beiseite. Ein wahrlich großer Fehler.

„Wie...wie kannst du es wagen? Wie kannst du es überhaupt wagen, mich noch so anzusprechen? Nach allem, was du getan hast? Was du...zerstört hast?“

Ich schaute auf und ließ es ihn sehen, meine Tränen! Wie jämmerlich, schon jetzt konnte ich mich nicht an das halten, was ich mir feste vorgenommen hatte und ich war mir sicher, dafür mit dem Leben zu bezahlen.

„Braig...oder Xigbar, wer auch immer du jetzt bist! Ich verstehe es nicht! Wieso sammelt ihr Herzen von Wesen, die ihr selbst erschaffen habt? Das ergibt keinen Sinn! Um vollkommen zu werden? Du warst vollkommen so wie du warst! So...wie ich die geliebt habe! Aber jetzt...ich erkenne dich nicht mehr wieder! Du bist nicht mehr der Mann, den ich einst geliebt habe! Du hast mir alles genommen! Meine Familie, meine Freunde, meinen Bruder! Ich sehe dich an und spüre nur noch das Verlangen nach Vergeltung! Was ist nur aus dir geworden, Braig?“

Xigbar wich erschrocken zurück, doch dann fasste er sich wieder und fing lauthals an zu lachen. „Typisch Laia! Habe ich es mir doch gedacht! Ich wusste doch, dass ich mich nicht verhört habe. Ist das das kleine Herz in deiner Brust, was so aufgeregt pocht? Tut mir leid, Sweetheart aber ich weiß wohl am besten von allen, welche Knöpfe bei dir gedrückt werden müssen, damit ich Emotionen bei dir auslöse. Denkst du etwa, ich hätte es nicht bemerkt? Du bist genauso naiv wie damals. Aber das habe ich immer so an dir gemocht, die leichtsinnige Art. Dein gutes und reines Herz.“

Ich schaute Xigbar geschockt an, also hatte er es die ganze Zeit gewusst und nichts gesagt, bis er einen einzigen Schalter betätigen konnte, um mich zum schreien zu bringen. Ich bekam kein Wort heraus.

„Ich weiß nicht, warum du hierher gekommen bist, Laia aber ich möchte, dass du eins weißt. Trotz meiner Absichten habe ich nie gewollt, dass du den Weg der Dunkelheit gehst. Wenn es nach unserem Anführer ginge, müsste ich dich auf der Stelle auslöschen. Du könntest versuchen zu fliehen aber ich weiß, dass du gegen meine jetzigen Kräfte nicht ankommst. Deswegen...verschwinde von hier. Geh dahin zurück, woher du gekommen bist. Du kannst das Schicksal nicht mehr aufhalten. Unser Schlüsselschwertträger sammelt schon fleißig Herzen für uns, unsere Nummer XIII der Organisation, Roxas. Ich gebe dir diese eine Chance, Laia. Wenn dich die anderen Mitglieder finden, werden sie dich auf der Stelle töten. Überlege dir deshalb gut, was du tust.“

Warum wurde es mir so schwer ums Herz? Ich sollte ihn hassen! Ich sollte es sein, die ihm ein Ende setzen müsste! Stattdessen...ging ich auf ihn zu und ergriff seine Hand während er mir den Rücken zudrehte. Wieso konnte ich diese Gefühle nicht kontrollieren? Wieso konnte ich ihn nicht einfach hassen?

„Stimmt es, Xigbar? Dass ihr nicht fühlen könnt? Irgendwie...stimmt der Gedanke mich traurig. Da ist also nichts mehr? Empfindest du gar nichts mehr für mich? Es würde mich nicht wundern, wenn du mich allgemein nie geliebt hast. Aber...ich fände es traurig, wenn du das alles vergessen hättest.“

Ich weinte. Warum war ich nur so schwach? Ein leichtes Opfer und gefundenes Fressen für die Herzlosen. Ich wusste nicht, warum aber als mir die Tränen kamen, flossen sie nicht nur vor Trauer, sondern irgendwo auch aus Erleichterung und vielleicht ein bisschen Freude. Ich fühlte, dass da etwas an ihm fehlte. Nichtsdestotrotz und trotz allem, dass er sich verändert hatte, ich habe Braig wiedergesehen und...ich liebte ihn immer noch. Von ganzem Herzen.

„Warum habt ihr das alles getan, Xigbar? Diese ganzen Experimente...die Versuche an den Menschen, die ganzen Bewohner von Radiant Garden...warum mussten so viele Menschen sterben? Du wirst es mir nicht sagen, das weiß ich.“

Langsam drehte Xigbar sich zu mir und musterte mich mit einem kühlen Blick. Ich wurde nur mit Schweigen belohnt. „Ich weiß nicht, was ihr vorhabt und ich weiß nicht, warum du so weit gegangen bist aber ich bereue es, dass ich euch damals nicht aufgehalten habe! Ich habe alles verloren, was mir wichtig war. Du gehörtest dazu, Xigbar! Ich habe dich so sehr geliebt. Aber du hast nicht an uns geglaubt. Du hast nicht an mich geglaubt! Du hast dich immer nur als Nummer zwei gesehen, nicht wahr? Ein Nichts, was von anderen verachtet wird. Doch sieh dich an! Wenn ich dich ansehe, sehe ich nicht mehr den Mann, der mir einst alles bedeutet hatte! War es das wert, Xigbar? So viele Leben für ein bisschen Macht? Du sagtest, du bist immer noch die Nummer zwei? Das solltest du auch besser bleiben! Ein Nichts bist du nun wirklich! Eine leere Hülle, die nur Chaos verursacht!“

Sein Auge weitete sich zu einem irren Blick, doch ich hielt ihm stand! „Halt mich ruhig weiter für schwach! Ich bin mir durchaus bewusst, dass ich nicht so stark bin wie du oder die anderen Mitglieder, wer auch immer sie sein sollten! Aber lass dir eins gesagt sein, ich werde nicht noch einmal zusehen, wie du etwas zerstörst! Ich werde nicht noch einmal versagen! Und wenn ich gegen dich kämpfen und dich töten muss!“

Ein breites Grinsen legte sich auf Xigbar's Gesicht. „Sweetheart, dieses Feuer in deinen Augen. Lange ist es her seit ich dieses zu Gesicht bekommen habe. Auch wenn du von deinen Fähigkeiten nicht so stark warst wie wir anderen, so hattest du immer sehr viel Mut und auch eine gewisse Stärke bewiesen. Ich achte dich dafür und ob du mir glaubst oder nicht, ich habe nie gewollt, dass du diesen Weg einschlägst. Lass dir eins von diesem alten Mann gesagt sein, der kein Herz hat. Du weißt nicht, mit wem du dich hier anlegst.“

Nun musste ich über seine Aussage grinsen. „Kein Herz? Bitte, hattest du jemals davor schon ein Herz gehabt? Nein, hast du nicht. Ich habe mich in dir getäuscht, Xigbar. Solche Worte kann nur jemand sagen, der kein Herz hat. Du bist kalt, arrogant und hast dich kein bisschen verändert. Wenn es soweit ist, werde ich bereit sein gegen dich zu kämpfen! Auch wenn es mich dabei mein Leben kostet!“

Sah ich da einen Hauch von Schrecken und Betroffenheit in seinem Blick? Ich musste mich getäuscht haben. Er kam auf mich zu fuhr mit seiner Hand über meine Wange. „Du hast wirklich Mut, Sweetheart. Ja, wenn es soweit ist, werde ich gegen dich antreten! Bis dahin...enttäusche mich nicht und bleib am leben, okay? Du solltest gehen. Die anderen spüren bereits, dass etwas nicht stimmt.“

Warum löste diese eine Berührung so viel in mir aus? Warum konnte es nicht einfach aufhören? Er drehte sich um und wollte gehen. „Du bist...wirklich alt geworden. Du hast dich...so wahnsinnig verändert. Denkst du...denkst du manchmal an damals zurück?“

Bevor Xigbar durch das dunkle Portal ging, welches er sich soeben geöffnet hatte, drehte er sich nochmal zu mir um. „Als ob! Ich habe mit meinem alten jämmerlichen Leben von damals abgeschlossen, Laia. Und wenn ich ehrlich bin, bereue ich es auch nicht. Es würde mir vielleicht noch etwas bedeuten wenn ich irgendein alter Mann wäre. Das bin ich allerdings nicht. Ich bin ein Teil der Organisation, nichts altes über mich.“

Diese Worte zu hören schmerzten. Ich spürte den Riss in meiner Brust nur zu gut und hätte mir das Herz am liebsten herausgerissen.

„Nun, das macht es mir einfacher dich zu vergessen. Dann...warst du einst ein Jemand, den ich mal kannte. Vielleicht sehen wir uns eines Tages wieder. Nur hoffe ich vorher, dass jemand anderes kommt und euch aufhält und eure düsteren Pläne!“

Ich drehte mich um und wollte verschwinden. „Wenn du angegriffen wirst, kann ich für nichts garantieren. Ich werde nicht immer bei dir sein können, um dich zu beschützen. Wohin dich deine Reise führt, Laia. Die Dunkelheit ist gefährlich. Ich bin ein Teil von ihr aber du hast ein reines Herz. Für die Herzlosen ein gefundenes Fressen. Nimm dich in Acht.“

Ich schaute ihn nicht an als er das sagte, doch antwortete mit ernster Stimme. „Ich lege überhaupt gar keinen gesteigerten Wert darauf, dass du mich beschützt! Ich kann selbst auf mich aufpassen! Ich brauche keinen Beschützer! Ich werde euren dunklen Machenschaften schon auf den Grund gehen und eines Tages werde ich euch vernichten!“

Es fiel kein Wort mehr. Ich hörte, wie Xigbar durch das Portal verschwand und sich dieses anschließend schloss. Es dauerte nicht lange bis er fort war, da strömten die Tränen über meine Wangen. Wieso das alles? Wir hätten alles sein können. Ich hätte ihm alles gegeben! Ich wollte, dass er glücklich ist. Jetzt wollte ich ihn hassen! Für seine verletztenden Worte! Für all die schönen Momente, die nichts mehr wert waren! Und doch...hing mein Herz so sehr an ihm. Ich liebte ihn. Ich liebte ihn von ganzem Herzen und egal, wohin ich auch gehen würde, diese Gefühle würden mich immer verfolgen! Er war mein Fluch.

Als meine Tränen versiegt waren, trat ich meinen Weg in die unendliche Dunkelheit an. Es sollte nicht lange dauern, bis ich Xigbar wiedersehen sollte. Ich verbannte diese Gefühle tief in meinem Herzen und war bereit, meinen Weg zu gehen. Den Weg in die Schatten. Ich wusste nicht, wie lange ich fort sein würde aber egal, wie lange es dauern würde, eines Tages würde ich zurückkehren und die Organisation zusammen mit den Trägern der Schlüsselschwerter besiegen. Die Türe zur Zukunft stand weit offen und ich war bereit, sie zu betreten.

Xiala - Bericht II

Der Füller zittert in meiner Hand während ich diese Zeilen auf das Papier schreibe. Das Wandern durch die Dunkelheit...es fühlt sich wie sterben an. Nicht, dass die menschliche Hülle zerfällt. Es sind die Gedanken, die ganzen Erinnerungen. Nach meinem Wiedersehen mit...es fühlt sich falsch an den Namen eines Fremden zu nennen. Nicht Xigbar...ja, nach meinem Wiedersehen mit Braig wurde mir nach und nach bewusst, dass ich mit dem Einbruch der Dunkelheit die Menschen verloren hatte, die ich einst so geliebt habe.

Ich wanderte lange durch die Welt, die niemals war, bis ich ein Tor erschuf, um in andere Welten zu gelangen. Ich gelangte in eine Welt, die einst ein wunderschönes Schloß sein sollte, umgeben von einem traumhaften Wald mit einem kleinen Dorf. Falls dies einst mal eine wunderschöne Märchenwelt gewesen war, war diese nur noch ein Bruchstück von Erinnerungen. Als ich den Pfad in Richtung Schloß bestritt, fühlte ich eine unendliche Leere in mir. Der Moment, wenn einem bewusst wird, dass man die Menschen, die einst einem so wichtig waren, für immer fort waren und nichts mehr so war, wie es einst war. Ja, es fühlte sich wie sterben an. Der einzige Weg, mit dem ich verhinderte, in dieser Dunkelheit den Verstand zu verlieren, waren die Erinnerungen an meine Liebsten, an die ich mich klammerte. Die einzigen Menschen, die mir je etwas bedeutet hatten. Meine Familie.

Abwesend setzte ich einen Fuß vor dem anderen, die Gedanken an diesen einen Faden der Erinnerung klammernt, um nicht den Verstand zu verlieren. Mir wurde bewusst, dass ich mich getäuscht hatte. Die Dunkelheit hatte Risse in meinem Herzen gefunden, einen wunden Punkt, den sich die Schatten nun zu nutze machten, um mich irgendwann selbst in den Abgrund zu reißen. Dieser eine Moment, in dem ich Braig begegnet war, hatte mir bereits gezeigt, dass ich lange zu spät war. Könnte ich überhaupt etwas verändern? War ich überhaupt in der Lage etwas zu verändern?

Als ich den Fuß der Treppe hinauf zum Schloß erreichte, ließ ich mich dort nieder und betrachtete das brüchige Firmament, was fragmentartig über dem zerstörten Dorf dieser Welt lag. Ich war nie ein Mensch gewesen, der ans Aufgeben gedacht hat. Ich hatte nie große Vorlieben außer für das Lesen von Büchern oder das Training oder einem guten Tee gehabt. An erster Stelle war immer meine Familie gewesen. Die Menschen, für die ich bereit gewesen wäre, mein Leben komplett aufzugeben, würde ich sie damit retten. Ich war immer selbstlos, ich war froh ein kleiner Teil von etwas ganz Großem zu sein. Ich lebte. Ich liebte. Und mit einem Augenblick wurde mir dies alles genommen.

Ich spürte, wie mich mein Mut verließ. Ich versuchte mich an meinen ersten Kuss zu erinnern. An die ganzen schönen Momente, die ich mit Braig verbrachte, auch wenn sie geheim waren. Die Momente, die nur uns gehörten. Wo er mir gehörte. Er war kein guter Mensch am Ende. Aber war es seine Schuld? Nein! Ich hätte so viel verhindern können. Wäre ich nur ehrlich zu meinem Bruder gewesen. Wäre ich nur mutig gewesen...hätte ich mich den dunklen Kräften entgegengestellt. Vielleicht wäre ich gestorben. Wenn ich dafür meine Familie hätte retten können...wenn ich Braig hätte retten können...

Selbstmitleid. Es ist so jämmerlich. Aber ich konnte es nicht verhindern. Diese Risse in meinem Herzen...sie hatten ihre Spuren hinterlassen und ich weinte. Weinte in die unendliche Stille der Dunkelheit meinen Schmerz heraus. Ich vermisste sie. Sie alle. Und ich sagte mir „Warum noch kämpfen? Wenn du jetzt aufgibst und dich der Dunkelheit hingibst, vergeht der Schmerz. Dann ist alles vorbei und du musst nie mehr weinen und diese Schmerzen fühlen.“

Es kam mir so vor, als ob der dunkle Teil meines Bewusstseins seine kalte Hand auf meine Schulter legte und mich versuchte in die Versuchung zu führen, mich der Dunkelheit hinzugeben. Ich blickte in einen dunklen Spiegel und erkannte mich selbst. Aber etwas war anders. Da war kein Licht mehr in diesen Augen. Ich sah das breite Grinsen auf meinen eigenen Lippen, die fahle Hautfarbe und...diese Augen. Diese stechenden gelben Augen, die mich aus den tiefsten der Dunkelheit angrinsten. Das Phantom streckte mir seine Hand entgegen und für einen Moment war ich verleitet, zuzugreifen.

„Nein. Nein, das bin ich nicht!“ Ich rannte nicht vor der Verantwortung davon! Ich war eine Kämpferin und schlug die Dunkelheit zurück und ihre kalte Hand, die verbissen nach mir griff. Ich sah in die Augen dieses Phantoms, sah den geschockten Ausdruck in diesen stechenden Augen. Doch dann legten sich die Lippen meiner gegenüber zu einem siegreichen Grinsen.

„Hast du nicht schon alles verloren? Alle, die dir wichtig waren? Du warst immer so mutig, hast dich immer mehr für andere eingesetzt als für dich selbst. Aber du konntest es nicht verhindern, nicht wahr? So wie du es bei dem Jungen nicht verhindern konntest, oder? Du hast nur zugesehen und nichts getan!“

Warum? Warum riss die Dunkelheit diese alten Wunden auf und zeigte mir die Dinge, die schon lange Narben hinterlassen hatten? Ich wollte mich nicht erinnern. An diesen Tag. Als ich...als ich...Herrgott, ich war selbst noch ein Kind! Was hätte ich tun sollen? In den Gärten, als ich sah, wie dieser Junge...wie dieser Junge von den Unversierten geholt wurde. Ich stand nur da und war wie gelähmt. Ich wollte eigentlich auf die Wiese, um in Ruhe ein Buch zu lesen. Dann sah ich, wie dieser Junge, er konnte nicht älter als ich sein, von diesen Kreaturen davon rannte. Doch dann wurde er eingekreist und die Wesen kamen näher. Ich wollte zu ihm, wollte ihm helfen, denn um die eigentliche Hilfe wie meinen Bruder zu holen hätte zu lange gedauert. Stattdessen sah ich in die verängstigten Augen dieses Jungen, dessen Schicksal besiegelt war und er es genau wusste in dem Moment als sich die Unversierten auf ihn stürzten. Mein Körper war wie gelähmt. Ein kalter Schauer ging durch meinen Körper und ich konnte meine Augen nicht abwenden als sie ihn...ich hörte seine Schreie bis seine Stimme versagte und sich die Stille an seiner Stelle legte. Ich hatte nichts getan. Ich konnte den Jungen nicht beschützen. Vor lauter Panik und voller Scham rannte ich zum Schloß zurück und sperrte mich in meinem Zimmer ein. Ich hatte dies alles vergessen...bis zu diesem Tag.

Die Schuld kroch zurück in meine Glieder, mein Körper zitterte vor lauter Angst. Ich hielt mir die Ohren zu als das Phantom zu mir sprach.

„Du hast versagt, Laia! Du hast den Jungen im Stich gelassen, genauso wie du danach deine Familie im Stich gelassen hast! Du bist ein Nichts! Gerade jemand wie du sollte sich in der Dunkelheit verlieren! Du bist genauso grausam wie jeder andere Mensch! Alle Menschen tragen ein dunkles Geheimnis in ihren Herzen. Du bist da nicht anders! Du bist Schuld! Du hast es nicht verdient, ein Wesen des Lichts zu sein! Du verdammter Schwächling!“

Ich spürte, wie ich rückwärts taumelte und mein Atem schnell ging. Ich bekam Panik. „Nein! Nein, das ist nicht wahr! Hör auf mir das zu sagen! Ich bin nicht schwach! Es ist nicht meine Schuld!“ Ich kehrte meinem Phantom den Rücken zu und versuchte die Scheibe des Spiegels zu zerschlagen. Eine Hand packte mich grob an der Kapuze meines Mantels und schleuderte mich einmal quer durch den Raum, der wie aus Glas zu sein schien. Krachend landete ich am Boden und blieb dort liegen. Ich spürte, wie das Phantom näher kam und mir mit seinen Stiefeln in den Rücken trat.

„Gib auf, Laia! Du hast versagt. Möchtest du nicht wieder bei deiner Familie sein? Du könntest dich ihnen anschließen und ein Teil etwas viel größerem sein! Kommt mit mir und du bist frei! Du musst nie wieder leiden!“

Ich schaute auf, die Augen voller Tränen. War ich wirklich so schwach? Wieso war Laia nur so schwach? Wenn ich nur stärker wäre...

Erneut schlug ich ihre Hand beiseite. „Niemals! Auch wenn du mir meine schlimmsten Abgründe zeigen würdest, ich werde niemals, ich wiederhole, niemals ein Teil der Dunkelheit! Eher sterbe ich!“

Ich wusste, dass ich diesen Kampf nicht gewinnen konnte, trotzdem stellte ich mich meinem dunklen Ich entgegen und versuchte sie zu bekämpfen. Mit jedem Tritt, mit jedem Schlag hatte ich das Gefühl, dass das Grinsen auf ihrem Gesicht breiter werden würde, bis es sich zu einer zum Zerreissen angepannten Fratze verzerrt hatte. Sie ergriff mich und trat mich immer wieder in die verschiedensten Regionen meines Körpers bis ich erschöpft zu Boden ging. Mein Körper war schwach aber ich gab nicht klein bei. Sie sah zu, wie ich mich unter Schmerzen aufrichtete und wieder auf sie zuging. „Ich...bin nicht schwach! ICH BIN NICHT SCHWACH!“

„Bist du so verzweifelt? Keine Sorge, ich werde deinem Leben schnell ein Ende bereiten!“ Ich brachte meine letzten Kraftreserven auf und stieß mich so stark, wie ich konnte, vom Boden ab, nur um mit voller Wucht auf den Boden zu knallen und eine ungeheuerliche Schallwelle auszulösen, die selbst meinem Phantom den schrillen Klang in die Ohren trieb. Ich nutzte die Gelegenheit und holte zum Gegenschlag aus und trat so oft auf sie ein, bis sich ihr Körper in tausend dunkle Fragmente auflöste. Ein Moment der Ruhe legte sich in den kalten Raum und der Spiegel hinter mir zerbarst. Als ich wieder am Fuße der Treppe des Schloßes stand, wollte ich einfach nur noch zusammenbrechen. Ich warf mich zu Boden und fing bitterlich an zu weinen. Ich dachte an Dilan und Braig und wollte einfach nur zu ihnen. Ich vermisste sie so sehr und die Schmerzen machten es nicht besser. Ich wollte raus aus der Dunkelheit, wieder nach Twilight Town. Ich hatte solche Angst. Ich wollte mich nicht verlieren. Ich wollte ich bleiben. Ich wollte Laia bleiben.

„Dilan, Braig! Es tut mir so leid! Es tut mir so leid, dass ich euch nicht beschützen konnte! Es tut mir leid, dass ich nichts getan habe! Bitte verzeiht mir! Ich liebe euch so sehr! Ich vermisse euch so sehr!“ Eine ganze Weile lag ich da und weinte mir den Schmerz aus der Brust. Vielleicht war es gut so. Das zeigte mir, dass ich immer noch ein Mensch war. Dann...fühlte ich vorsichtig eine Hand auf meiner Schulter.

„Ich habe dir doch gesagt, dass du die Dunkelheit nicht unterschätzen sollst. Du hast gut gekämpft, Sweetheart.“ Ich blickte vorsichtig auf, die Augen rot unterlaufen vor lauter Tränen. Ich wusste, dass er nicht der echte Braig war aber...in dem Moment war ich einfach nur unendlich froh, Xigbar zu sehen.

„Xigbar...“ Tatsächlich sah ich den Hauch von einem Lächeln auf seinen Lippen und es war mir egal, ob es nur gespielt war. Er war hier und das war das Einzige, was gerade zählte.

„Ach Sweetheart, immer muss ich dich beschützen.“ Ich drehte mich vorsichtig zu ihm und legte mich in seinen Arm. Ich wusste, dass es falsch war aber mir war das Herz so schwer.

„Mir ist egal, ob du nichts fühlst weil du ein Niemand bist! Mir ist egal, ob du nicht existierst! Du bist hier!“ War es Schwäche weil ich ihm zeigte, dass ich ihn irgendwo immer noch liebte? Nein. Die Liebe zu ihm machte mich stark, auch wenn er nicht mehr auf der Seite des Lichts stand. Mein Herz hing so sehr an ihm. Ich weiß nicht, wie lange ich an seiner Brust weinte aber ich konnte und wollte ihn nicht loslassen.

„Verstehst du jetzt, warum ich dich in das alles nicht reinziehen wollte? Du gehörst einfach nicht in diese Welt, Laia. Du bist ein Wesen des Lichts im Gegensatz zu mir. Ich hätte dich niemals so nah an mich ranlassen dürfen. Xemnas wird fragen, warum ich so lange fort war. Ich bringe dich zurück in die Welt des Lichts. Versprich mir, dass du mich nicht mehr suchen wirst. Vergiss mich, Laia.“

Ich wollte ihm so viel sagen. Wollte ihm sagen, dass ich ihn immer noch liebe und an ihn glaube aber meine Lippen blieben stumm. Er öffnete hinter mir ein Portal und begann mich in dessen Richtung zu schieben. Ich krallte mich an seinen Arm.

„Nein! Ich glaube immer noch an dich! Bitte, Xigbar! Braig! Bitte komm mit mir! Lass mich nicht alleine!“ Er zog seine Waffen und richtete sie auf mich. „Geh, Laia! Und komm nie wieder!“ Ich spürte, wie sich das Tor schloss und meine Hand sich ein letztes Mal nach ihm ausstreckte. „Ich liebe dich, Braig! Ich liebe dich!“

Meine Schreie gingen im Korridor der Dunkelheit unter. Eine Weile taumelte ich mit der Ohnmacht kämpfend durch die Gänge, bis eine Stimme nach mir rief. „Bist du Laia? Ich habe dich gesucht.“

Vorsichtig wandte ich mich um und sah diesen Jungen mit den langen silbernen Haaren und dem schwarzen Band vor den Augen. Auch er trug einen Organisationsmantel.

„Wer...wer bist du?“ Ich musterte ihn skeptisch, doch er griff nach meiner Hand. „Ein Freund von Ansem dem Weisen aber wir haben keine Zeit für Erklärungen! Bitte vertrau mir! Ich bringe dich zurück nach Twilight Town. Dort werde ich dir alles erklären!“ Ich zögerte, folgte dem jungen Mann dann aber bis wir ein weiteres Portal durchschritten und ich endlich wieder das Licht der Sonne auf meiner Haut spürte. Als ich nach oben schaute und den Glockenturm von Twilight Town erblickte, legte sich ein Lächeln auf meine Lippen bevor sich meine Augen schlossen, die Stimme des Jungen in weite Ferne rückte und ich unter Erschöpfung zusammenbrach.

Xiala - Bericht III

Ich dachte immer, dass man in Träumen keine Schmerzen empfinden konnte aber als ich vor meinem inneren Auge sah, wie Braig mich vor den Augen meines Bruders attackierte und mich dabei hämisch mit diesem gelben Auge angrinste, spürte ich einen tiefen Schmerz, der bis in mein Herz hervordrang. Ich schrie, dass er wieder zu sich kommen sollte aber das war nicht mehr Braig. Es war dieser andere in ihm und er schoss auf mich. Ich spürte die Geschosse von Braigs Waffen in meinen Körper eindringen. Wie eine heiße Flamme durchfuhren sie meinen Körper als ich das letzte Mal meine Hand nach Braig ausstreckte und sah, wie er anschließend meinen Bruder hinrichtete, ließ ich einen letzten verzweifelten Schrei, bevor ich schweißgebadet aufwachte und das Pochen meines Herzens in meinen Ohren wahrnahm.

Ich schaute mich um. Meine Augen gingen hektisch hin und her, versuchten ihre Umgebung zu erfassen. Langsam klärte sich mein Blick, ich war wieder im Herrenhaus in Twilight Town.

„Laia? Laia, es ist alles in Ordnung. Du bist in Sicherheit.“ Vorsichtig schaute ich auf und erkannte den Jungen, der mich aus der Dunkelheit gerettet hatte als auch Ansem in der Gestalt von DiZ, der etwas abseits vom Bett stand, auf dem ich lag.

Ich kannte diesen Jungen nicht aber ich war unglaublich erleichtert Ansem wiederzusehen, einfach einen Vertrauten, von dem ich wusste, dass ich ihm vertrauen konnte.

Als ich wieder bei vollem Bewusstsein war und nach einer heißen Dusche mich zu Ansem und Riku in den Computerraum mit einem heißen Tee setzte, weihten die beiden mich über ihre bevorstehenen Pläne ein.

Riku erläuterte mir, dass während meiner für mich „kurzen Reise“ durch die Dunkelheit jede Menge passiert war. Ich hatte die Dunkelheit wohl in dem Sinne richtig eingeschätzt, dass es dort sowas wie Zeit nicht gibt. Während meiner Abwesenheit haben Riku und sein Freund Sora, der Held dieser Geschichte, zusammen mit König Mickey das Tor zu allen Welten und der Dunkelheit verschlossen. Riku blieb auf der Seite der Dunkelheit zurück und kämpfte seit jeher gegen die Dunkelheit in seinem Herz. Eine Gestalt, die wohl Ansem's Namen geklaut hatte, kämpfte gegen Sora bevor sie die Türe endlich schließen konnten. Nach besagtem Kampf blieb Riku mit dem König in der Dunkelheit zurück und Sora bahnte sich seinen Weg in ein weiteres Schloß, das den Namen Schloß des Entfallens trug. Er kämpfte wohl dort gegen einige Mitglieder der Organisation XIII und gewann aber wie der Name des Schloß schon sagte, verlor Sora im Laufe seiner Reise alle seine Erinnerungen an seine Vergangenheit. In meinem Kopf rauchte es, da ich immer noch nicht verstand, was die beiden nun an Plänen verfolgten aber ich sollte es schnell erfahren. Riku und Ansem nahmen mich mit in einen Gang, der hinter dem Computerraum lag und sah dort in zwei großen Behältern die Begleiter unseres Helden namens Donald und Goofy. Dann musste ich für einen Moment meine Augen schließen, denn wir betraten einen riesigen weitläufigen Raum in weißes Licht gehüllt. In der Mitte eine weitere Kapsel, in der sich Sora befand und schlief. Dies war meine erste Begegnung mit dem Helden. Meine Hand glitt sanft über das Glas der Kapsel, die Sora einhüllte.

„Er schläft und sieht so friedlich aus.“ Ein Lächeln glitt mir über die Lippen. Alleine durch das bloße Berühren des Glases spürte ich durch dieses hindurch ein starkes Licht, was von Sora ausging. Ob er uns wirklich alle retten und die Dunkelheit besiegen würde?

Riku und Ansem erklärten mir, dass Sora in der Zwischenzeit aufgrund diverser Vorkomnisse kurzfristig zu einem Herzlosen geworden sei, als er Riku's und seine Freundin Kairi vor der Dunkelheit schützen wollte. Im selben Zuge wurde aus Sora's leerer Hülle ein Niemand namens Roxas geboren, der gerade jetzt unter den wachsamen Augen der Organisation als Nummer dreizehn und Träger des Schlüsselschwerts fungierte und Herzen einsammelte, ahnungslos darüber, was die Organisation mit den Herzen vorhabe. Ich erinnerte mich, dass Braig...ich meine Xigbar mir gegenüber eine Nummer dreizehn erwähnte, aber seinen Namen nicht nannte. Ob er damit Roxas gemeint hatte?

Im Schloß des Entfallens trafen Ansem und Riku ein junges Mädchen namens Naminé, die anscheinend in der Lage war, Erinnerungen zu manipulieren, herzustellen und zu löschen. Sie hegte keine bösen Absichten, wurde seinerzeit aber von der Organisation kontrolliert. Ansem erzählte mir, dass diese „Hexe“ die einzige wäre, um Sora's Erinnerungen wieder herzustellen. Um Sora aber zu komplementieren, benötigen sie Roxas, da dieser ein Teil von Sora war und ohne Roxas könnte Sora nicht erwachen. Sora ist der einzige, der die Organisation XIII und ihre dunklen Pläne vereiteln könnte, bevor es zu spät sei.

Ich dachte einen Moment nach, beschloss dann aber die Pläne der beiden zu unterstützen, auch wenn es mir schwer fallen würde.

„Ich werde euch helfen, Roxas zu Sora zu bringen. Wenn Sora der einzige ist, der die Organisation besiegen kann...“ Der Rest meiner Worte blieb mir wie ein Kloß im Hals stecken und Ansem wusste genau, wieso, sagte aber nichts. Ich spürte den Druck, der auf meiner Brust lastete und zog mich, nachdem wir alles restliche besprochen hatte, eine Weile zurück in die Eingangshalle.
 

Ansem fand mich in der Gestalt als DiZ später in der Eingangshalle. Er wusste, dass wenn ich meiner Trauer einen Moment freien Lauf lassen wollte, er mich dort fand. Ich empfand seine neue Gestalt immer noch als gewöhnungsbedürftig aber so wie Riku und ich musste auch er sich tarnen, um in der Dunkelheit seine wahre Gestalt zu wahren und nicht erkannt zu werden.

„Wir sind auf einem guten Wege, unser Ziel, die Organisation zu besiegen, zu erreichen. Mit Riku an unserer Seite wird uns das besser gelingen denn je. Naminé wacht oben in dem weißen Raum und kümmert sich darum, Sora's Erinnerungen wieder herzustellen. Ich kann dieser Hexe nach wie vor nicht viel abgewinnen aber sie ist momentan unsere einzige Möglichkeit, Sora bald wieder erwachen zu lassen.“

Er bemerkte, dass ich ihm nur teilnahmungslos zuhörte, dennoch einfach der guten Ordnung halber nickte um zu bestätigen, dass ich ihm zugehört habe. Vorsichtig setzte er sich neben mich.

„Es tut mir unendlich leid, dass ich dich damit reingezogen habe, Laia. Ich weiß, dass ich in deinen Augen ein rachsüchtiger Mann bin, der sich an seinen Schülern rächen möchte und das stimmt auch. Ich handele egoistisch und auch dich habe ich in Gefahr gebracht.“

Mein Blick war starr auf das Grün hinter dem Glas gerichtet. Ich spürte, wie mein Körper zitterte, antwortete aber noch nicht. „Wieviel Zeit ist vergangen, seit ich in der Dunkelheit wandelte?“

Ansem schaute nun ebenfalls nach draußen. „Ungefähr ein Monat. Du hast in der Dunkelheit jemanden getroffen, nicht wahr?“

Mein Kopf drehte sich vorsichtig in Ansem's Richtung und ich versuchte krampfhaft nicht zu weinen. „Ansem...die Dunkelheit...sie ist die Hölle. Ich dachte, ich wäre bereit aber ich hätte beinahe den Kampf gegen mich selbst verloren. Ich bin durch diverse Welten gereist, wollte mir ein Bild von der Situation machen aber je weiter mich meine Reise führte, desto mehr verließ mich mein Mut. Ich hätte der Dunkelheit beinahe Einlass in mein Herz gewährt. Ich...ich habe gegen meine eigene dunkle Seite in meinem Herzen gekämpft und beinahe verloren.“

Meine Hand ballte sich zur Faust und ich spürte, wie die Tränen sich anbahnten. „Sie hat...etwas in mir hervorgeholt, über das ich nie geredet habe. Etwas Schreckliches, was mir passiert war, als ich selbst noch ein Kind war. Sie hat diese Risse in meinem Herzen genutzt, um mich in den Abgrund der Dunkelheit zu zerren aber...ich wusste, dass ich den Kampf nicht gewinnen konnte, habe es aber mit letzter Kraft. Ich...wollte nicht sterben. Aber ich hatte solche Angst. Die Dunkelheit zeigt uns die tiefsten Abgründe unseres Herzens auf und macht sich diese Schwächen zu nutze, um uns zu verwirren und uns zu schaden. Ich bete für all die Menschen, die in diesen dunklen Welten herumirren, dass sie ihren Verstand bewahren und sie selbst bleiben, auch wenn der Mut sie verlässt.“

Ich spürte, wie Ansem mir eine Hand auf meine zitternde Faust legte. „Ich habe solche Angst um dich gehabt. Ich weiß, dass du aus freien Stücken in die Dunkelheit gegangen bist aber ich kann nicht leugnen, dass ich mich schuldig für deine Vorhaben fühle. Eigentlich solltest du mich hassen, Laia. Auch ich bin für all das hier verantwortlich und trotzdem bist du bei mir geblieben. Ich...ich bin sehr erleichtert, dass du wieder da bist. Als Riku dich hierher zurückbrachte, warst du in einem furchtbaren Zustand. Ich sah deine Verletzungen und dachte zuerst, du wärst tot. Aber ich wusste, dass du einen starken Willen hattest. Ich hatte immer gehofft, dass du zurückkommst.“

Ich lächelte und ergriff ebenfalls Ansem's Hand. „Es gibt nichts zu verzeihen, Ansem. Wir beide haben nichts getan, als es wichtig gewesen wäre und nun müssen wir für unsere Vergehen büßen. Eure Worte erfreuen mein Herz, Ihr seid schließlich immer noch mein Meister. Ich habe mich entschieden, auch wenn ich nicht stark bin, ich werde weiterkämpfen, auch wenn ich dafür eines Tages wieder in die Dunkelheit gehen muss. Außerdem...habe ich ihn wiedergesehen...“

Ich stand auf und ging in der Eingangshalle auf und ab.“

„Das dachte ich mir schon. Ich dachte zuerst, dass deine Verletzungen von ihm herühren. Diese verdammte Verräter. Ein Wunder, dass er dir nichts angetan hat.“

Ich musste für einen Moment die Augen schließen und umarmte mich selbst. „Ich muss gestehen, ich habe mich anfangs auch gewundert. Seine Stärke hat ein unglaubliches Ausmaß erreicht, er hätte mich locker vernichten können, tat es aber nicht. Als ich ihn sah, war es wie ein Stich ins Herz. Die Dunkelheit hat ihre Spuren hinterlassen, sie hat ihn nicht nur innerlich, sondern auch äußerlich verändert. Ich frage mich, ob er jemals wieder der Braig sein wird, den ich einst so sehr...“

Wieso musste ich dauernd so weinen? Wieso weinte ich immer wieder über diesen...Mörder? Ich war doch kein guter Mensch, wenn ich um jemanden weinte, der mir alles genommen hatte! Konnte Liebe wirklich so stark sein?

„Ich weiß, dass er es nicht wert ist, dass ich immer wieder um ihn weine. Er hat uns, mir alles genommen, ich werde meine Freunde, meinen Bruder wahrscheinlich nie wiedersehen! Ich sollte mir seinen Tod, das Auslöschen seiner Nichtexistenz wünschen! Und doch...kann ich nicht leugnen, dass ich mich im Grunde meines Herzens gefreut habe, ihn wiederzusehen. Auch wenn es nur sein Niemand war, dieser eine Moment, wo er mich fand als ich in der Dunkelheit lag und weinte und er mich festhielt...dieser Moment gab mir Hoffnung. Hoffnung, dass er trotz all der Dunkelheit noch etwas Gutes in sich trägt. Er hätte mich töten können. Er hätte auch mich vernichten können und doch tat er es nicht. Er ließ mich leben und schickte mich in die Korridore der Dunkelheit zurück. Ich glaube immer noch an ihn. Auch wenn er ein Verräter ist, ich...ich...“

Ansem lächelte mich an. „Selbst im Angesicht des Bösen hast du immer noch Hoffnung für jemanden, der dem Bösen selbst anheim gefallen ist. Laia, du bist ein wundervoller Mensch und hast ein gutes Herz. Genau das wird es sein, was dich so stark macht. Du liebst Braig immer noch, nicht wahr?“

Ich nickte stumm und fuhr mir mit dem Handrücken über die Augen. „Ja, ich liebe ihn. Ich liebe ihn so sehr, dass es schmerzt. Auch wenn er mir meinen Bruder genommen hat. Auch wenn ihn alle in Radiant Garden verachtet haben. Ich habe mehr in ihm gesehen. Die Einsamkeit, die ihn umgab. Alle haben ihn immer nur gemieden und ihn verurteilt. Aber wie soll ein Mensch sich denn verhalten und Liebe zeigen, wenn er selbst nie welche erfahren hat? Er war so einsam, Ansem. Ich wollte ihm eine Freundin sein, ich wollte ihn einfach näher kennenlernen, auch wenn er mich anfangs wegstoßen wollte. Aber...je mehr ich ihn kennenlernte, desto mehr ließ er zu, mich mehr in sein Herz zu lassen und gab mir mehr von sich preis. Er war nicht von Grund auf böse. Er war einfach nur einsam. Ich wollte diesen Menschen kennenlernen und lernte ihn lieben. Ich habe sogar vor meinem Bruder, vor dem ich nie Geheimnisse hatte, meine Liebe zu Braig und was uns verband, geheim gehalten. So weit bin ich gegangen für meine Liebe. Auch mit dem Risiko, meinen Bruder zu verraten, ich wollte diesen Mann glücklich machen. Er hat mir nie viel über seine Vergangenheit erzählt. Ich weiß so gesehen fast nichts über ihn aber das war mir egal. Ich liebte ihn für den Mann, der er war.“

Ich legte meine Hand auf das Fenster und lächelte. „Ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben. Als ich in diese stechende gelbe Auge sah, sah ich die Dunkelheit in den Tiefen seines Herzens aber...ich glaube an Braig. Egal, was er tut und was er noch alles für böse Dinge tun wird, um seine eigentlichen Ziele zu erreichen, ich glaube daran, dass er eines Tages zu mir zurückkommt und ich ihn retten kann. Wenn nicht ich, baue ich auf die Kraft der Schlüsselschwertträger. Ich weiß, dass ich nicht so stark bin wie sie aber ich möchte nach wie vor helfen.“ Vorsichtig drehte ich mich zu Ansem und lächelte erleichtert.

„Vielleicht kann ich Braig und Dilan und die anderen retten. Ich möchte daran glauben. Ich möchte Braig sagen, dass ich ihn liebe und Dilan um Verzeihung bitten. Ich weiß, dass er wütend sein wird, vielleicht wird er mich sogar hassen aber ich möchte mich bei ihm entschuldigen. Die Gedanken an die Zukunft...machen mich stark und ich werde weiterhin meinem Herzen folgen.“

Ich spürte neuen Mut in mir aufsteigen und für einen Moment hatte ich das Gefühl, eine Träne in Ansem's Augenwinkel zu sehen. Ein Lächeln legte sich auf seine Lippen. „Ich glaube an dich, Laia. Du bist stark. Ich weiß, deine Entscheidung steht fest aber ich kann dich immer nur immer wieder um Verzeihung bitten. Es war nie meine Absicht, dich in all das reinzuziehen aber du bist geblieben. Du gehst deinen Weg. Ich habe Riku gebeten, in der Dunkelheit ab und an auf dich Acht zu geben. Durch die Dunkelheit, die einst sein Herz in Besitz genommen hatte, kann er sich unbemerkt in der Dunkelheit bewegen. Solltest du in Schwierigkeiten geraten, wird er da sein.“

Ich nickte zustimmend und richtete den Organisationsmantel, den ich immer noch trug. Ich warf einen letzten Blick durch das Fenster und lächelte. „Sora und Riku. Zwei Jungen, die unser Schicksal sein werden. Ich möchte an sie glauben. Das Licht ist in ihnen.“
 

Ich traf Roxas daraufhin ein einziges Mal in Twilight Town, bevor Riku und Ansem ihren Plan in die Tat umsetzten. Ich fand ihn am Bahnhofsvorplatz weinend am Boden sitzen. Die Kapuze tief ins Gesicht gezogen näherte ich mich ihm vorsichtig. Ich war verwundert über seine Erscheinung, denn im Gegensatz zu den anderen Niemanden, die ihre Gestalt wahrten, die sie bereits als Jemande hatten, hatte Roxas nicht das Gesicht von Sora sondern...ich hatte diesen Jungen schon mal getroffen. „Ventus?“ flüsterte ich leise, so dass er es nicht hörte. Ich tat ein paar Schritte auf ihn zu und wunderte mich. Ein Niemand, der weinte? War das nicht ungewöhnlich?

„Xion...“ hörte ich die Worte von seinen Lippen kommen. Hatte er gerade jemanden verloren, der ihm besonders wichtig gewesen ist? Langsam kniete ich mich vor ihn, er schien mich noch nicht bemerkt zu haben.

„Mein Junge, warum weinst du?“ Sein Blick wanderte vorsichtig an mir hoch bis er mir direkt in die Augen sah. „Wer bist du? Gehörst du zur Organisation?“ Ich hätte mich ihm so gerne zu erkennen gegeben, aus seinen Augen las ich, dass er große Schmerzen hatte und einen Verlust erlitten haben musste und der Organisation die Schuld daran gab. Ich hatte das Gefühl, dass ich ihn nicht so schnell wiedersehen würde sobald Ansem und Riku ihren Plan in die Tat umsetzen würden, deswegen lichtete ich meine Kapuze und schenkte ihm ein sanftes Lächeln.

„Nein, tatsächlich nicht. Ich bin nicht hier, um dir weh zu tun. Ich sehe in deinen Augen, dass du bereits große Schmerzen hast.“ Roxas' Augen waren voller Wut und Zorn aber auch Trauer. Ich fragte mich immer mehr, ob an der Sache, dass Niemande kein Herz haben, tatsächlich was dran war. Wie kann man weinen ohne ein Herz?

„Ich bin fertig mit der Organisation! Bitte geh und lass mich alleine! Ich werde nie wieder jemandem vertrauen!“

Dieser Junge...er tat mir so unendlich leid. Er wirkte auf mich wie ein selbstständig denkendes Wesen. Für einen kurzen Moment berührte ich seine Wange und spürte trotz seiner Nichtexistenz ein Licht von ihm ausgehen. Als er mich trotz seiner Wut verwundert anblickte, schenkte ich ihm ein warmes Lächeln. „Ich habe auch jemanden verloren, der mir sehr wichtig war. Ich kann den Schmerz und die Trauer, die du gerade empfindest, sehr gut nachvollziehen. Vielleicht hilft es dir, dass du mit diesen Gefühlen nicht alleine bist. Ich werde gehen. Vielleicht...vielleicht sehen wir uns eines Tages wieder, Roxas. Mein Name ist Laia. Vielleicht erinnerst du dich dann an mich. Bitte...pass auf dich auf.“

„Woher...kennst du meinen Namen? Wer bist du?“ Ich gab ihm keine Antwort und ließ ihn mit seiner Trauer zurück. Er rief mir nicht nach aber ich konnte nicht leugnen, dass mich der Schmerz des Jungen bis tief ins Herz erreichte.

Kurz darauf traf Riku Roxas in der Dunkelheit und besiegte ihn mithilfe der Dunkelheit, die lange in seinem Herz nistete. Er ließ sie zu, nahm die Gestalt eines anderen Mannes, den ich nicht kannte, an aber er gab sich ebenfalls als Ansem preis. Als er Roxas ins Herrenhaus brachte und...DiZ Roxas in das falsche Twilight Town schickte, was Ansem geschaffen hatte, behielt ich die kurze Begegnung mit Roxas für mich. Ich wollte dieses Licht, das von ihm ausging, in meinem Herzen bewahren. Trauriges Schicksal eines Niemands. Vielleicht...vielleicht hat Roxas ja eines Tages die Möglichkeit, selbst ein Mensch zu werden. Bis dahin würde ich warten und meinen eigenen Weg gehen.

Xiala - Bericht IV

Dieses andere Twilight Town. Eine perfekte Kopie und Abbild der Wirklichkeit. Ich beobachtete Roxas auf den Bildschirmen mit seinen „neuen Freunden“ spielen und die Sommerferien verbringen. Ich schüttelte nur mit dem Kopf. Der arme Junge. Aber Ansem's...ich meine DiZ' Entschluss stand feste. Auch Riku schien mit der Vorgehensweise nicht ganz einverstanden zu sein aber wir mussten es zulassen, damit Sora eines Tages wieder erwacht.

Die Wiederherstellung von Sora's Erinnerungen durch Naminé schien sehr gut zu funktionieren, doch wir waren nicht die einzigen, die dahinter gekommen waren, wo sich Roxas zurzeit aufhielt. Es dauerte nicht lange, da schleuste die Organisation einen Eindringling in das falsche Twilight Town. Derjenige wollte wohl Roxas zurückholen, dies konnten wir aber auf keinen Fall zulassen. DiZ erschaffte ein Abbild seiner selbst, um sich in seine Kopie von Twilight Town zu projezieren. Ich beobachtete das Treiben von den Bildschirmen aus und als ich sah, wer das war, der sich in diese perfekte Kopie eingeschlichen hatte, stockte mir der Atem.

„Das kann nicht sein. Er kann es nicht sein! Oder doch?“ Ich war mir nicht sicher aber diese Frisur und diese smaragdgrünen Augen waren unverkennbar. „Lea...bist du das?“ Ich legte mir vor lauter Schock die Hand auf die Brust. Diese verdammte Organisation! Es sind zehn Jahre vergangen, Lea war damals noch ein Kind gewesen! Selbst vor Kindern haben sie also keinen Halt gemacht! Meine Wut wurde weiter angeschürrt und ich fragte mich, ob Lea aus freien Stücken handelte. Am liebsten wäre ich persönlich in diese andere Welt gereist, um ihn auszufragen, ich behielt allerdings erst mal für mich, dass ich ihn kannte. Riku, der die Gestalt von dem falschen Ansem angenommen hatte, bemerkte, dass ich unrastig wurde und mir ansah, dass etwas nicht stimmte. Ich denke, er hätte am liebsten hinterfragt, ließ mich aber dann doch in Ruhe. Ich wusste, dass DiZ mir verboten hatte, in das falsche Twilight Town zu reisen aber ich war hin und her gerissen. Als Riku sich selbst in die falsche Welt aufmachte, um aus Roxas mit verwirrenden Worten Informationen über Sora herausfinden wollte, beobachtete ich einen Moment lang das Treiben auf den Bildschirmen, ohne mich vom Fleck zu bewegen. Ich musste es wissen, sonst ließ es mir keine Ruhe.

Ich hab meine Daten ein projezierte über DiZ' Maschine ein Abbild von mir selbst, das sich in die falsche Welt einschleuste. Irgendwie beängstigend. Obwohl mein eigener Körper noch in der Realität weilte, konnte ich mich frei bewegen. Die Luft, die Tiere, die Menschen, sie alle wirkten so echt als ob nichts davon nur Fiktion war. Ich bemerkte auf dem sogenannten Struggle Kampfplatz, wie Roxas gegen die Worte von DiZ und Lea anging und versuchte, sie zu vertreiben. Ich spürte das stetige Mitleid gegenüber dieses Jungen, er tat mir so furchtbar leid. In der Alltagskleidung, die er trug, wirkte er wie ein ganz normaler Junge, der einfach nur seine Sommerferien genießen wollte. Alle andere Menschen um ihn herum standen still und bewegten sich nicht. Als alles vorbei war und DiZ als auch Lea verschwunden waren, ging das muntere Treiben dort unten weiter.

Roxas bemerkte mich Gott sei Dank nicht und schnellstmöglich lief ich in die Richtung, aus der ich die Aura von Lea wahrnahm. Ich musste ihn finden bevor DiZ und Riku bemerkten, dass ich fort war.

Der Bahnhofsvorplatz. Genauso wunderschön wie in der realen Welt. Ich blickte nach oben und sah jemanden aus zusammengekniffenen Augen auf dem Turm sitzen. War er das? Ich hatte keine Ahnung aber ich musste es wissen.

Vorsichtig stieg ich den Turm hinauf und blickte oben angekommen um die Ecke. Die Haare waren unverkennbar. Ich trat näher heran.

„Lea? Bist du das?“ Der Rothaarige drehte sich verwundert zu mir um. Erstaunt blickte er mich an, schien mich aber nicht direkt zu erkennen.

„Wer zum...woher...wer bist du?“ Er stand auf und trat vorsichtig näher heran. „Dein Gesicht. Ich kenne dich. Wir sind uns schon einmal begegnet. Das war vor langer Zeit.“

Ich wusste nicht, ob ich ihm vertrauen konnte aber die Tatsache, dass es Lea war, erleichterte mich und dass er sich an mich erinnerte, machte mich irgendwie glücklich. Er war so ein lebhafter Junge gewesen, der zusammen mit seinem besten Freund Isa unter den wachsamen Augen von Ansem lernen wollte, anscheinend hat er nie die Gelegenheit dazu bekommen. Ob er...ob die beiden auch von Braig und Xehanort entführt und für ihre Experimente missbraucht wurden?

„Ich weiß es! Du bist seine Schwester! Du bist...“ Ich legte ihm einen Finger auf den Mund. „Bitte...ich weiß nicht, ob ich dir vertrauen kann. Du bist auch ein Mitglied der Organisation, nicht wahr, Lea? Sie dürfen nicht wissen, dass ich hier bin. Ich habe mich einmal zu erkennen gegeben. Ich bitte dich!“ Aus Lea's Reaktion heraus zu urteilen, ging ich davon aus, dass Xigbar mich bisher nicht verraten hatte. Lea blickte mich verwirrt an, dann kehrte Ruhe in sein Gesicht.

„Ich verstehe. Dann solltest du verschwinden! Ich bin im Auftrag der Organisation hier aber das kann ich dir nicht erzählen. Mein Name ist Axel. Kannst du dir das merken?“

Also lag ich doch richtig. Lea arbeitete für die Organisation. Ich schwieg einen Moment. „Axel, ich heiße Xiala. Bitte sag mir nur eins, dann verschwinde ich. Geht es Isa gut?“ Es war, als ob ich einen Nerv getroffen hätte. Lea...Axel schaute betroffen zu Boden. „Saix geht es gut. Bitte verschwinde jetzt, Xiala!“ Ich hatte noch so viele Fragen, doch stattdessen legte sich meine Hand auf seine Wange. Sie alle waren da reingezogen worden und je mehr mir diese Tatsache bewusst wurde, desto mehr legte sich die Schuld und der Schmerz auf meine Brust. Einen Moment lang blickten wir uns lange tief in die Augen als ob wir uns gerade ein inniges Geheimnis über unsere Existenzen gaben, da öffnete sich hinter mir ein Portal und ich wurde grob am Arm gepackt.

„Was tust du hier? Du solltest nicht hier sein!“ Riku! Verdammt, sie haben es herausgefunden. Ohne ein Wort ließ ich mit von ihm mitziehen bis wir wieder im Herrenhaus des realen Twilight Town ankamen.

„Was hast du dir dabei gedacht, Laia? Wenn DiZ das herausfindet...“ Ich wandte mich ruckartig zu Riku und schaute der düsteren Gestalt, die er nun war, tief in die orangefarbenen Augen. „Er wird es nicht erfahren, wenn du und ich es ihm nicht sagen! Dieser Mann wird mich nicht verraten! Sie werden denken, dass ich auch ein Niemand bin. Ich musste ihn sehen.“ Einen Moment lang schwieg Riku, dann stellte er sich neben mich, während ich das weitere Geschehen von Roxas auf den Bildschirmen verfolgte. „Du kennst ihn, oder? Den Mann mit den roten Haaren. Du scheinst einige von ihnen zu kennen.“

Ich hatte Sorge, dass mein Schweigen Riku auf falsche Gedanken bringen könnte und er denken könnte, dass ich mit der Organisation zusammenarbeiten würde. Hätte ich es ihm verübeln können? Schließlich kannte er mich kaum. Ich blickte ihn traurig von der Seite an.

„Sie waren einst...sehr wichtige Menschen für mich. Ich diene nicht der Dunkelheit, Riku. Ich bin eine Kämpferin des Lichts. Aber diese Niemande...sie sind ein Teil von mir. Man könnte sagen, sie sind meine Familie. Ist es bei dir mit Roxas nicht genauso wenn es um Sora geht?“

Betrendes Schweigen erfüllte den Raum. Dann nickte Riku. „Ich verstehe. Wir sind uns sehr ähnlich, oder Laia? Wir verfolgen dieselben Ziele und sind bereit, die Dunkelheit dafür als unseren Verbündeten zu akzeptieren.“

Mir schien, dass Sora ihm sehr wichtig war. Er ging so weit um seinem Freund zu helfen, das rechnete ihm sehr hoch an. „Sora ist dein bester Freund, nicht wahr? Ich finde es bemerkenswert, dass du so weit gehst, um deinen Freund aus dem Schlaf zu erwecken. Nicht mehr lange, dann wird Roxas wieder ein Teil von ihm sein. Was wirst du tun wenn Sora erwacht?“

Riku schaute traurig zu Boden. „Ich werde in der Dunkelheit über ihn wachen. Ich möchte nicht, dass er mich so sieht. So lange ich diese Gestalt an mir habe, möchte ich nicht, dass Sora mich findet. Ich habe bereits DiZ und König Mickey gebeten, dass sie mich nicht verraten und Sora nicht erzählen, wo ich mich aufhalte. Auch wenn ich Sora sehen möchte, ich möchte nicht, dass er mich findet. Er hat eine harte Reise vor sich. Wenn es soweit ist, werde ich mich ihm eines Tages zu erkennen geben.“

Vorsichtig nahm ich Riku's Hand. Er hatte recht, wir waren uns wirklich sehr ähnlich. Ich schenkte ihm ein Lächeln. „Du bist ein sehr guter Freund, Riku. Bestimmt wirst du Sora eines Tages wiedersehen.“ Für einen Moment hatte ich das Gefühl, den Jungen mit den grünen Augen vor mir zu sehen, der Riku einst war. Vielleicht würde eines Tages ein Wunder geschehen und er kann wieder in seiner wahren Gestalt mit seinen Freunden leben. Bis dahin würde sicher viel Zeit vergehen aber ich betete, dass dieser Tag kommen würde.
 

Es war soweit und ich war nicht darauf vorbereitet. Nachdem Roxas die Monitore von DiZ mit seinem Schlüsselschwert zerstört hatte, fand er den Raum, in dem sich Sora aufhielt. Dort kam es zu eimem hitzigen Gespräch zwischen Roxas und DiZ und ich merkte, mit welch einer Kälte DiZ Roxas entgegen trat. Es war ihm vollkommen egal, dass Roxas anscheinend fühlen konnte und dieser trotz allem darauf beharrte, ein Herz zu haben. Die Wahrheit musste sehr schmerzhaft für ihn sein, ich konnte es Roxas nicht verübeln. Nach mehreren gescheiterten Versuchen die Projektion von DiZ zu zerstören, stand er nun Sora gegenüber, der immer noch tief schlafend in der Kapsel ruhte. Als sich diese öffnete und Roxas zu Sora aufblickte, hallten Roxas' letzte Worte in meinem Kopf wider, bevor dieser sich wieder mit Sora vereinte und sie eins wurden.

„Sora...ich beneide dich. Meine Sommerferien sind wohl...vorbei.“

Es war Zeit für mich zu gehen. Als die Trauer mich überkam und ich über das Verschwinden von Roxas weinte, konnte ich nicht länger bleiben. Seine Worte brannten sich in meinen Kopf und während ich beschloss, meine Liebsten aufzusuchen, hoffte ich, dass Roxas eines Tages als Mensch wiederkommen würde. Vielleicht könnte er dann wie Sora wieder mit seinen Freunden leben. Oder wie Ventus? Ich wusste nicht, wo dieser sich befand aber ich hoffte, selbst zehn Jahre später, dass er seine Freunde, Terra und Aqua, finden konnte.

Xiala - Bericht V

Unser Held reist nun seit geraumer Zeit durch die verschiedensten Welten, um diese von den Herzlosen zu befreien und die Schlüssellöcher zu den jeweiligen Welten zu verschließen, damit die Dunkelheit dort nicht mehr anheim fallen kann. Bisher lief das alles auch recht gut. Ich für meinen Teil habe mir indessen die Kräfte der Dunkelheit insoweit zu nutze machen können, damit ich mir selbst die Korridore zwischen den Welten erschaffen kann, um schneller von einer in die andere Welt zu gelangen.

Ich verfolgte fürs erste kein bestimmtes Ziel, wollte aber entgegen jeglicher Regel meine Familie treffen. Einerseits ein wundervolles Gefühl sich frei durch die Welten zu bewegen, andererseits haben mein Bruder, Braig und ich immer wieder darüber siniert, wie es wohl sei, eines Tages mal die anderen Welten zu erkunden. Ich wollte es mir so sehr mit ihnen vornehmen, jetzt blieb ich damit doch alleine. Jegliches Entmutigen wurde mir genommen als ich das Land der Drachen betrat. Eine wunderschöne Welt, den die Bewohner China nannten. Die Wälder beherbergten meterhohen Bambus und in der Ferne erkannte ich einen Berg aus kristallklaren Eis und Schnee. Anscheinend ein Pass, den man durchschreiten musste, um in die kaiserliche Stadt zu gelangen. Intuitiv machte ich mich auf den Weg in diese sogenannte Stadt und kam schließlich auf einem riesigen Platz an, der wohl der Vorplatz des kaiserlichen Palast war. Kein Mensch war zu sehen, Totenstille herrschte dort. Doch es sollte nicht lange dauern, bis die ersten Herzlosen erschienen. Eine Schande, dass so eine wundervolle Welt von diesen Kreaturen heimgesucht wurde. Ich kämpfte mir meinen Weg ins Innere des Palastes und entdeckte auf dem Gang Sora in Begleitung seiner Freunde sowie eine junge Frau, die wohl zu dieser Welt gehörte. Ich blieb auf Abstand und beschloss mich hoch in die Dachbalken zurückziehen und den Jungen eine Weile zu beobachten. Es schien, als ob sie jemanden verfolgten und plötzlich nahm ich eine Kreatur in einem schwarzen Mantel wahr, die gerade die große Doppeltüre zum Thronsaal durchschreiten wollte. Bevor er dies tat, brüllte das Mädchen „Warte!“ und derjenige blieb zusammenzuckend stehen und drehte sich langsam zu der kleinen Gruppe um.

Sora ging vorsichtig auf ihn zu und ich hörte, wie die Worte „Riku?“ fragend über seine Lippen kamen. Gott, wollte sich Riku ihm nun doch zu erkennen geben? Doch dann gab sich der Unbekannte zu erkennen und meine Augen weiteten sich. Das Gesicht war für mich unverkennbar.

„Nein! Nie von ihm gehört!“ Xigbar. Warum auch immer er hier war, er schien nichts Gutes im Schilde zu führen. Statt sich allerdings in einen Kampf zu verwickeln, ließ er ein paar seiner Niemande in Form von Scharfschützen auf Sora und seine Truppe los und Xigbar...ja, was tat er denn da bitte? Abgelenkt von den neuen Niemanden bemerkte Sora nicht, wie sich Xigbar an der Truppe vorbeischlich. Er hätte sich wie üblich teleportieren können, stattdessen stahl er sich schnellen Schrittes an der Truppe vorbei, nur um wie ein Vollidiot auszusehen, der auf der Flucht vor seinen Häschern war und erreichte mit einem dämlichen Grinsen auf den Lippen die Doppeltüre Richtung Hauptplatz, durch die er schnellstens verschwand. Ich verschränkte mit einer hochgezogenen Augenbraue die Arme und verfolgte das Treiben mit belustigter Miene. Entweder hatte Xigbar von seinem dämlichen Humor nichts eingebüßt oder er tat nur so hohl, um Sora auf eine falsche Fährte zu locken sowie zu vermeiden, seine eigentliche Kraft zu demonstrieren. Wahrscheinlich wollte er sich diesen Part für einen besonderen Augenblick aufsparen. Ich schüttelte den Kopf, die Hand gegen die Stirn gedrückt und folgte Xigbar über die Dachbalken auf den Hauptplatz, um ihn dort abzufangen.

Etwas zu voreilig rannte ich auf den Hauptplatz ohne Sinn und Verstand, denn ich bemerkte erst den riesigen drachenartigen Herzlosen als er hinter mir in den Sturzflug ging und mich packen wollte. Sein erster Angriff hätte mich beinahe von den Füßen geholt, doch ich schaffte es mit den Stiefeln standhaft auf dem Boden zu bleiben. Ich sah auf und war wie gebannt. Gottes Willen, ich wusste nicht, dass Herzlose ebenfalls wie Unversierte solche Größe und solche Kraft erreichen konnten. Das war nicht mein Kampf, den könnte ich niemals gewinnen. Hinter mir wurde die Türe aufgestoßen und sah aus dem Augenwinkel, wie Sora und seine Freunde sich ihren Weg auf den Platz bahnten. Schnellstens schwang ich mich in die Höhe und wollte fliehen, doch der Herzlose setzte erneut zum Angriff an und stürzte genau auf mich zu. Wenn ich jetzt nicht schnell genug war, würde er mich zerschmettern. In jenem Moment spürte ich, wie ich frontal gegen jemanden rannte und mir den Kopf stieß. „Au! Was zum...?“ Erst im nächsten Augenblick bemerkte ich, dass es Xigbar war. Auch er rieb sich die Stirn, doch bevor einer von uns etwas sagen konnte, schubste er mich zu Boden, damit ich dem Angriff des Herzlosen entging. „Autsch! Hey, was sollte...“ Plötzlich packten mich allerdings zwei Hände und rissen mich hoch, bis wir auf dem Dach des kaiserlichen Palastes landeten und dort einen Moment liegen blieben. Eine Weile war es ganz still und ich bewegte mich kein Stück. Ich spürte, dass ich zitterte aber diese Umarmung war mir so vertraut.

„Ich habe dir doch gesagt, du sollst aufpassen, Sweetheart.“ Ich öffnete vorsichtig die Augen und sah auf. „Xig..Xigbar...“ Ein Grinsen entglitt ihm und er zog mich vorsichtig auf die Beine. „Das nenne ich mal einen riesigen Herzlosen! Verschwinden wir von diesem Dach. Ich denke, er ist gerade gut beschäftigt.“ Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Sora und seine Freunde gegen den Herzlosen kämpften, ich hingegen folgte Xigbar bis wir etwas abseits von der Stadt einen Bambushain erreichten.

„Danke, dass du mich gerettet hast. Schon wieder.“ Xigbar schaute durch den Bambus in Richtung Stadt bis er sich schließlich wieder mir zuwandt und mich ernst musterte. „Vergiss es, okay? Ich hätte dich auch dem Herzlosen einfach überlassen können. Für einen Moment hatte ich das sogar vor. Also bedank dich nicht zu früh.“ Ich versuchte mir mit einem Lächeln einzureden, dass das seine Art war ein Dankeschön entgegen zu nehmen aber ich wurde das Gefühl nicht los, dass er es tatsächlich ernst meinte.

„Warum bist du hier, La...Xiala? Ich wollte nicht, dass du mich suchst.“ Ich drehte mich zu ihm und blickte ihn intensiv an. „Ich wusste gar nicht, dass du hier bist. Seit ich aus der Dunkelheit zurückgekehrt bin, bereise ich die einzelnen Welten. Aber um ehrlich zu sein, ja, ich hatte gehofft, dich zu finden.“

Ich bemerkte, wie sich Xigbar umdrehen und gehen wollte, doch ich hielt ihn feste. „Bitte! Bitte bleib, Xigbar. Bitte nur diesen einen Moment. Bitte...geh nicht weg.“ Tatsächlich blieb er stehen aber ich er sah mich im ersten Moment nicht an. Schämte er sich? Nein, doch nicht er.

„Ich verstehe es einfach nicht. Nach allem, was ich dir angetan habe, suchst du mich immer noch? Oh Sweetheart, ich dachte, ich hätte dir zu verstehen gegeben, dass ich nicht mehr der wie früher bin. Ich bin ein Mitglied der Organisation XIII. Wir sollten gar nicht mehr miteinander reden.“

Vorsichtig griff ich seinen Arm und drehte ihn zu mir. Ich wollte ihm ins Auge schauen, wollte ihn ansehen. Ich spürte die Kälte, die von ihm ausging. Als ich ihm nun richtig ins Gesicht schaute, schenkte ich ihm ein sanftes Lächeln. Meine Hand glitt über die gezackte Narbe und über seine Wange. „Aber dann...verstehe ich es nicht. Wenn du ein Niemand bist und nichts fühlen solltest, warum blickst du mich dann so traurig an?“ Meine Finger ertasteten den langen Pferdeschwanz, der von den grauen Haarsträhnen durchzogen war. Ja, er war älter geworden aber deswegen nicht weniger attraktiver, vielmehr reifer und erfahrener.

„Ich sollte dich hassen, Xigbar. Für alles, was du uns angetan hast. Und ich weiß, du denkst ich bin naiv und dumm weil ich...weil ich liebe. Aber diese Liebe...hat mich stark gemacht. Vielleicht hätte Xehanort mich auch zu einem Niemand machen sollen, damit ich nichts mehr fühle. Aber diese Gefühle sind es, dir mir geholfen haben, das alles durchzustehen. Du denkst, ich bin schwach weil ich weine aber diese Tränen weine ich um deinetwillen! Für meinen Bruder und alle, die ich einst meine Familie nannte. Mein Körper ist vielleicht schwach aber mein Herz ist stark und ich glaube daran, dass wir eines Tages wieder alle zusammen sein werden. Und deswegen bin ich auch nicht schwach wenn ich dir sage, dass ich dich vermisse und dich...immer noch liebe.“

Mir war es egal, ob er mich von sich stoßen oder er mich mit seinen Waffen vernichten würde. Ich fühlte Erleichterung durch meine Körper fahren. Für einen Moment dachte ich, Xigbar würde mir etwas antun als er mich an der Kette meines Mantels packte und mich zu sich zog. Seine Hand legte sich auf meine Wange und er blickte mir tief in die Augen. Ich versuchte dem stechenden Blick seines gelben Auges stand zu halten.

„Sei verflucht, Laia! Vielleicht hätten dich die Herzlosen besser zu einem Niemand gemacht. Dann bräuchtest du diese lästigen Gefühle nicht mehr! Ich habe dich damals schon einmal verschont, nochmal werde ich das nicht tun! Auch deine Existenz habe ich geheim gehalten unter deinem falschen Namen! Soll dich die Organisation holen kommen wenn sie dich findet. Ich werde dich nicht mehr beschützen! Verschwinde, Laia!“

Grob ließ er mich los. Ich zitterte aber ich konnte ihn nicht gehen lassen. Wenn er jetzt ginge, habe ich ihn für immer verloren. Bevor er sich ein Portal erschaffen konnte, ergriff ich seinen Arm und zog ihn zu mir, bevor meine Hand schallend in seinem Gesicht landete. „Du verdammter Idiot! Denkst du, ich merke es nicht? Wieso kannst du nicht einmal ehrlich sein? Wieso kannst du es nicht akzeptieren? Ich werde es dir immer wieder sagen, auch wenn du es nicht hören möchtest! Ich liebe dich, Xigbar. Ich liebe dich. Ich werde...durchhalten. Ich werde kämpfen. Bis du...eines Tages...wieder bei mir bist. Wenn du mich so sehr hasst, dann töte mich jetzt! Nimm mir die Erinnerungen, die mir noch geblieben sind! Dann...werde ich auch nicht mehr...um dich weinen.“

Xigbar blieb wie angewurzelt stehen. Ich ging auf ihn zu bis sich meine Hände in seinem Mantel verfingen. „Ich liebe dich...Braig. Ich liebe dich so sehr. Ich habe dich so sehr vermisst. Wenn du mich so sehr hasst, dann zeig es mir. Stoß mich von dir. Lass es nicht zu, dass ich dich küssen möchte.“

Meine Lippen näherten sich seinen. Mein Herz raste wie verrückt, meine Tränen liefen unaufhaltsam, doch Xigbar stieß mich nicht weg. Ich spürte, wie seine Lippen sich vorsichtig meinen näherten. Doch dann packte er mich feste an der Hüfte und legte mir eine Hand in den Nacken.

„Wenn du doch nur mir gehören würdest! Ich möchte, dass du mir gehörst!“ Der plötzliche Druck seiner Lippen raubte mir jeglichen Verstand. Mein Herz raste unaufhaltsam, meine Hände umfassten seinen Rücken und krallten sich in seinen Mantel. Dieser eine innige Moment unserer Zweisamkeit. Er ließ mich nicht los, hielt mich fest umschlungen. Ich wollte mich in seinem Kuss gänzlich verlieren und flehte zum Himmel, dass es nicht aufhören würde. Wie lange war es her, seit ich seine Lippen so intensiv gespürt habe? Doch ich spürte die dunkle Aura, die von ihm ausging und wie sie sich auf mich auswirkte. Als seine Lippen und seine Zunge von mir abließen, sah ich schwer atmend zu ihm hoch und in einem kurzen Moment blickte Xigbar mich geschockt an. Als ob er...das Böse, die Dunkelheit selbst auf meiner Schulter sitzen gesehen hätte und leise flüsterte „Ich kann für immer dir gehören. Du musst mir nur mein Herz nehmen! Dann können wir wieder zusammen sein. Für immer!“ Vorsichtig nahm Xigbar ein paar Schritte Abstand und ich blickte ihn irritiert an. „Es tut mir leid, Laia. Du darfst nicht so werden wie ich. Ich möchte, dass du dir deine Stärke und dein Licht bewahrst. Bitte...such mich nicht mehr auf.“

Nur ein kurzer Augenblick, dann war Xigbar durch ein Portal verschwunden. Ich schaute ihm lange nach und fuhr mit dem Finger meine Lippen nach, auf denen ich immer noch seinen Kuss schmeckte. Eine eisige Kälte durchfuhr meinen Körper und ich war mir sicher, das Phantom, gegen das ich in der Dunkelheit gekämpft hatte, hatte für einen Moment meine Schwäche ausgenutzt und war wieder erschienen. Diese Macht, die Xigbar auf mich ausgeübt hat, ich hoffte, dass die Dunkelheit in mir nicht Besitz von mir ergreifen würde, doch als ich an dem Abend das Land der Drachen verließ, war ich mir sicher, dass mein schlimmster Feind, mein Phantom mit breitem Grinsen und stechenden gelben Augen über meine Schulter hinweg zu mir schaute und mir leise in die Dunkelheit verführende Worte ins Ohr flüsterte.

Xiala - Bericht VI

"Der Wind, der trägt die Tränen fort, die du mit ihm besprichst. Er hört dir bei den Sorgen zu und trocknet dein Gesicht. So lasse die Sorgen mit ihm gehen, verfliegen soll all die Last. Die Hoffnung hellt auf dein Gesicht bis im Herz die Sonne lacht."
 

Mit geschlossenen Augen stand ich nunmehr vor dem Schloß des Biests und flüsterte diese Worte durch den kalten Wind, der mir durch das Haar fuhr. Es hatte lange gedauert aber ich hatte meinen Bruder endlich gefunden. Dilan war hier oder besser gesagt sein Niemand, der er jetzt war.

Dilan fühlte sich damals als Gardist schon immer sehr mit dem Wind verbunden. Er sagte mir, wenn ich einsam wäre, sollte ich an ihn denken und an den Wind, denn der Wind würde ihn zu mir tragen. Ich war damals noch ein Kind aber dieser Gedanke festigte sich so sehr in meinem Kopf, dass ich selbst heute noch daran glaubte. Vielleicht war es dieser Glaube, der mich letzten Endes nun zu ihm hierher trug.

Ich fragte mich, während ich die hohen Zinnen des Schloßes in der kalten Nachtluft betrachtete, was seine Gründe waren, sich der Organisation XIII anzuschließen. Ich musste zugeben, ich hatte Angst die Wahrheit zu erfahren. Dilan...er war bestimmt nicht mehr der Mann, den ich einst so geliebt habe. Ob er sich überhaupt an mich erinnerte?

Ein kalter Schauer lief mir über die Schultern. Meine letzten Beobachtungen bei meinem ersten Besuch in diesem Schloß haben ergeben, dass Dilan's Niemand versucht, den Herrn des Schloßes mit Worten zu manipulieren, um ihn zu einem Herzlosen zu machen. Ich hatte es mitbekommen als Sora und seine Freunde das erste Mal diese Welt betraten. Anscheinend beherbergte der Schloßherr und sein Gefolge ein dunkles Geheimnis. Als ich mich bei meinem ersten Besuch durch die hiesigen Gänge schlich, die nur von Kandelabern, Kronleuchtern und Ritterrüstungen strotzten, fielen mir diverse Gegenstände wie eine Standuhr sowie ein Kerzenleuchter auf, die sprechen konnten. Anscheinend lastete auf den armen Bediensteten ein Fluch, der sie seinerzeit verwandelete, ebenso wie den Schloßherrn, der sein Dasein seitdem als Biest fristete. Dilan's Niemand hatte anscheinend ein Auge auf des Schloßherren kostbare, verzauberte Rose geworfen. Sobald das letzte Blütenblatt gefallen ist, wären er und seine Diener für immer dazu verdammt ihre jetzigen Gestalten beizubehalten. Der Fluch kann allerdings nur gebrochen werden, sollte jemand auftauchen, der das Biest von ganzem Herzen lieben würde. Mir fiel auf, dass seit geraumer Zeit ein junges Mädchen ebenfalls in diesem Schloß wohnte. Wie ihr Name "Belle" bereits sagte, war sie wirklich von außergewöhnlicher Schönheit, allerdings war sie auch sehr mutig wie ich herausfand als ihre Freunde von einigen Herzlosen bedroht wurden. Vielleicht sollte sie es ja sein, die den Fluch brechen sollte. Wer wusste das schon?

Ich wünschte mir, ich hätte aufhören können an die Liebe zu glauben aber würde ich damit nicht zulassen, dass die Dunkelheit mehr und mehr von mir Besitz ergreifen würde? Daran wollte ich vorerst nicht denken.

Schweren Herzens erhob ich mich in die Luft und gleitete sanft mit meinen Stiefeln in Richtung Schloß. Es war wirklich ein herausragender Anblick. Ich hatte bereits einige Schlößer gesehen aber dieses raubte mir den Atem. Vielleicht lag es aber auch an der düsteren Atmosphäre, die auf ihm lag. Als ich im Eingangsbereich des Schloßes ankam, bemerkte ich, dass die große Doppeltüre zum Baalsaal einen Spalt breit geöffnet war. Vorsichtig schaute ich hinein. Ich konnte sehen, wie das Biest und Belle sich einem romantischen Tanz hingaben, dazu stimmten Violinen mit ein und...ich erinnerte mich wieder an diesen einen Abend im Schloß als Dilan mich an die Hand nahm. Wie er mich anlächelte und mir sagte, dass er mich nie loslassen und mit mir tanzen würde, bis ein anderer käme und mich zum Tanz auffordern würde. Ich weiß, wie er das damals gemeint hatte aber seine Worte hatten mich so glücklich gemacht.

Je länger ich den Melodien lauschte, desto mehr schmerzte mir die Brust. Ich fuhr mir mit den Handrücken durch den Augenwinkel und setzte meinen Weg in den Westflügel fort, wo die besagte Rose stehen sollte. Als ich dort ankam, herrschte eine gespenstische Stille. Ich sah das zerrissene Porträit des Schloßherren an der Wand und die dämonenhaften Skulpturen, die hie und da im Raum standen. Nur die Rose...sie blühte im schönsten Schein und brachte in einem Moment so viel Wärme in diesen kahlen Raum.

Vollkommen vom Anblick der Rose eingenommen, bemerkte ich beinahe den Windhauch nicht, der sich hinter mir auftat.

„Sieh an, das Biest hat also weitere Verbündete. Es muss sehr verzweifelt sein, wenn es sich jetzt schon Mitglieder unserer Organisation zum Freund macht.“ Diese Stimme. Es war so lange her.

Gott, ich wünschte, könnte aufhören zu weinen während ich diese Zeilen auf das Papier schreibe. Mein Herz setzte für einen Moment aus. Ich wollte mich umdrehen, wollte ihn sehen aber ich blieb starr auf der Stelle stehen.

„Du erinnerst mich an jemanden. Wer bist du? Dich habe ich noch nie zuvor in der Organisation gesehen.“ Ich brauchte einen Moment, dann begann ich mich langsam zu ihm zu drehen. Ich sah vorsichtig auf, bemerkte dann erst, dass er beinahe direkt vor mir stand. Langsam glitt mein Blick aufwärts von seinem Mantel hoch bis meine Augen seine trafen. Diese amethystfarbenen Augen, die ich so geliebt habe. Dilan, er hatte sich verändert. Seine Haare waren üppiger geworden, er trug sie allerdings immer noch wie Dreadlocks und zu einem festen Zopf zusammengebunden. seine Koteletten waren gewachsen und reichten ihm sogar fast bis zu den Wangenknochen. Die Jahre haben ihn verändert aber er war es. Ich erkannte ihn sofort und jetzt gerade schaute er mit kalten Augen auf mich herab, anscheinend noch unwissend, wen er da vor sich hatte.

„Dilan...erkennst du mich denn nicht?“ Einen kurzen Augenblick später wich er anscheinend ungläubisch ein Stück zurück. Seine dunkle Stimme war kälter als die Nachtluft, die von draußen her reinwehte.

„Laia...dann ist es also wahr. Du bist tatsächlich zu einem Niemand geworden.“ Woher hatte er das gewusst? Hatte Xigbar mich doch verraten? Oder Axel? „Die Organisation hat ihre Ohren überall...geliebte Schwester...Xiala.“

Auf seinem Gesicht machte sich ein kaltes Lächeln breit. Ich merkte, wie ich anfing zu frieren. „Welch ein Jammer, dabei hatte ich eigentlich gehofft, dass sich die Organisation sich deiner schon angenommen hätte. Das Letzte, was ich wollte, war dich wiederzusehen.“

Ich spürte, wie der Riss in meinem Herz tiefer wurde. Krampfhaft versuchte ich die Fassung zu wahren. „Dilan, warum? Wieso sagst du sowas? Nach all den Jahren?“ In seinen Augen lag Verachtung als er mich ansah. „Sprich mich nie wieder mit diesem Namen an! Mein Name ist Xaldin. Gerade du, Xiala oder Laia, musst mir sagen, warum ich so reagiere? Du hast es gerade nötig große Reden zu schwingen!“

Er hatte die Arme hinter dem Rücken verschränkt und kam langsam erneut auf mich zu. Meine Augen waren vor lauter Panik weit aufgerissen. „Hatten wir uns nicht geschworen, uns immer alles zu erzählen, geliebte Schwester? Dass wir keine Geheimnisse voreinander haben? Warum hast du mir nie die Wahrheit gesagt?“

Meine Augen füllten sich mit Tränen und ich spürte die Scham und die Schuld in mir. Ich senkte den Blick. „Ja, es ist wahr. Ich habe dich angelogen, Dilan...Xaldin. Aber hättest du es verstanden? Hättest du mich verstanden? Mich und meine Gefühle? Bitte glaube mir, wenn ich dir sage, dass ich diese Schuld seit zehn Jahren mit mir rumtrage. Wenn ich könnte, ich würde es sofort wieder gutmachen. Ich wollte dich nie verletzen, Bruder. Bitte glaube mir.“

Xaldin schwieg und blickte mir nicht in die Augen. Sein Niemand war kalter als die Nachtluft, die stetig in den Raum hineinwehte. Ein Lächeln glitt mir über die Lippen. „Hattest du mir nicht immer gesagt, dass du immer bei mir bist wenn ich einsam bin? Ich sollte dem Wind lauschen. Das habe ich mir auf meiner Suche nach dir immer zu Herzen genommen und ich habe dich gefunden. Ich wollte dich so sehr wiedersehen, geliebter Bruder. Ich weiß, ich habe dir weh getan indem ich Geheimnisse vor dir hatte aber...egal, ob Niemand oder nicht...ich liebe dich und das wird sich nie ändern.“

Für einen Moment dachte ich, Xaldin wäre aufgetaut. Stattdessen ließ er ein gehässiges Lachen von sich. „Liebe? Gerade du willst mir etwas über Liebe erzählen? Woher willst du wissen, dass deine Tränen nicht auch gespielt sind? Du bist doch nichts weiter als ein Niemand! Sieh dieses Schloß und seine Bewohner als bestes Beispiel, Xiala. Dieses Biest, sein Herz ist voller Wut und Trauer und doch klammert es sich an diese einzelne Rose, die seine Existenz am leben hält, genauso wie dieses Mädchen an seiner Seite. Denkst du wirklich allen ernstes, dass jemand in der Lage ist, ein Biest zu lieben? Ich habe aus deinem Verrat gelernt, liebe Schwester. Emotionen machen einen Schwach und ich...ich habe aufgehört, an die Kraft der Liebe zu glauben. Wenn man von seinen Liebsten hintergangen wird, wieso sollte ich dann noch an die Liebe glauben?“

Ein starker Wind kam auf, ich wich ein Stück an die Wand zurück und beobachtete mit Schrecken, wie Xaldin sechs Lanzen heraufbeschwor, die durch den Wind, den er befehligte, durch die Luft wirbelte. Die gleichen Lanzen, die er bereits als Gardist trug.

„Bitte, Bruder, tu das nicht! Ich möchte nicht gegen dich kämpfen!“ Instinktiv aktivierte ich meine Stiefel aber ich wusste, dass ich gegen diese dunkle Kraft machtlos war. Mir kam der düstere Gedanke, dass Xaldin gar nicht wusste, dass ich gar kein Niemand war. Egal also ob Niemand oder Mensch, sobald er mich treffen würde, würde er mir erheblichen Schaden zufügen. Ich musste vorsichtig sein.

„Laia, Xiala, wie auch immer. Ich habe keine Schwester mehr! Die Organisation wollte sich deiner schon annehmen aber jetzt habe ich das Vergnügen, deiner lächerlichen Niemandsexistenz ein Ende zu machen! Der Wind soll mein Zeuge sein!“

Einer seiner Lanzen schoss blitzartig auf mich zu, ich schaffte es gerade so auszuweichen aber er war wahnsinnig schnell. „Bitte, Xaldin! Du begehst einen riesigen Fehler! Bitte hör auf!“

Ich spürte, wie eine Lanze genau neben mir in die Wand einschlug. Er wusste es tatsächlich nicht! Er sah mich als Verräterin. Mich, seine eigene Schwester und nun...standen wir uns im Kampf gegenüber. Was sollte ich nur tun? Ich wollte nicht gegen ihn kämpfen. Er war so furchtbar schnell, obwohl ich versuchte immer flink zu parieren, waren seine Lanzen schneller und den Wind nutzte Xaldin als eine Art Schutzschild, das ich nicht durchdringen konnte. Das sollte also mein Ende sein? Vernichtet vom eigenen Bruder? Hätte ich ihm nur die Wahrheit gesagt. Ich fragte mich, ob er überhaupt alles wusste. Ob er es jemals gemerkt hatte.

Ich war unvorsichtig. Der Wind erfasste mich, schlug mich brachial gegen die Wand, Xaldin packte mich erneut und drückte mir die Kehle zu. Ich wollte schreien, weinen und versuchte mich aus seinem Griff zu lösen. Ich hatte keine Chance.

„Wieso weinst du? Du bist doch nur ein Niemand! Du kannst nicht fühlen! Sei still und stirb einfach!“ Eine seiner Lanzen fand ihren Weg und bohrte sich durch meine Schulter. Ich konnte nicht schreien, mein Blick war starr gegen die Decke gerichtet. Der Schmerz durchfuhr meinen Körper und meine Hände umfassten die von Xaldin, die sich um meinen Hals gelegt hatten. Ich spürte Nässe, das Blut, das aus meiner Schulter quoll über meinen Mantel laufen und wie mein Blick verzweifelt auf Xaldin ruhte.

„Töte mich wenn du dich dadurch besser fühlst. Ich kann nicht wieder gutmachen, was ich getan habe. Ich habe nichts getan, Bruder. Ich habe meine Familie im Stich gelassen. Ich habe nur so lange durchgehalten weil ich meine Familie wiedersehen wollte. Ich...wollte dir so viel sagen.“ Wieso lächelte ich obwohl ich kurz davor war zu sterben? Lag es vielleicht daran, dass es mein Bruder war, der mir den Gnadenstoß versetzen wollte? Xaldin war mit meiner Reaktion eindeutig überfordert und als er sah, dass ich nicht gelöscht wurde und die rote Essenz aus meiner Schulter floss, zuckte er geschockt zusammen.

„Was soll das? Du bist ein Niemand! Wieso blutest du? Bist du etwa...bist du etwa...ein ganz normaler Mensch? Du bist nicht Xiala! Laia! Du naives, dummes Kind! Wieso bist du so töricht?“

Einen Moment hatte ich das Gefühl, sein Griff würde sich lockern. Meine Tränen liefen unaufhaltsam.

„Es tut mir so leid, Bruder. Es tut mir so leid. Es tut mir so unendlich leid. Ich liebe dich. Ich liebe dich so sehr. Bitte, ich...ich möchte nicht gegen dich kämpfen!“

Meine Gedanken rasten, ich musste an so viel denken, dachte daran, alles wieder in Ordnung zu bringen. Ich vermisste meinen Bruder so sehr.

Dann Stille. Ich spürte, wie Xaldin's Hand sich von meinem Hals löste, die Lanzen verschwanden und der Wind nachließ. Ich sackte nach Luft ringend zu Boden und spürte die Würgemale an meinem Hals. Als ich kurze Zeit später aufsah, blickte Xaldin zu mir runter. War das...Trauer in seinem Blick? Er würde doch nicht trauern.

„Laia...warum? Warum hast du nichts gesagt? Ich war bereit dich zu löschen!“ Ich hatte nicht die Kraft mich aufzurichten. Ich war erschöpft vom Kampf und wollte einfach nur ausruhen.

„Ich...konnte es nicht. Vielleicht sehe ich aus wie ein Niemand aber ich kämpfe nach wie vor für das Licht. Ich musste mich tarnen, damit ich nicht direkt auffalle. Aber...ich kann meinem Bruder nichts vormachen. Nicht noch einmal.“

Ich wollte schlafen. Ich wollte die Augen schließen und einfach ganz weit weg flüchten. Da spürte ich, wie ein sanfter Wind mich ergriff und mich auf die Beine zog. Ich schaute auf, verwirrt über diese Geste. Als sich unsere Blicke trafen, hatte ich für einen Moment das Gefühl, Schuld in Xaldin's Augen zu sehen. Vorsichtig streckte er die Hände nach mir aus und...ich konnte nicht beschreiben, wie ich mich in jenem Moment fühlte als Xaldin mich in den Arm nahm.

„Xa...Xaldin?“ Vorsichtig drückte er mich an sich. Kein Wort fiel mehr aber ich für diesen kurzen Augenblick, in dem er mich hielt, hatte ich das Gefühl wieder mit ihm im Radiant Garden zu stehen, an den Tagen, wo ich versagt habe, er mich zuerst zurechtgewiesen und dann getröstet hat. Ja, so war mein Bruder und dafür liebte ich ihn.

Ich wollte diesen Wind nicht wieder verlieren. Ich wollte ihn für immer halten. Die Wunde an meiner Schulter war fast vergessen.

„Es tut mir leid, Laia, dass ich dich diesen Gefahren ausgesetzt habe. Als ich hörte, du wärst ein Niemand und noch dazu abtrünnig, hätte ich mich am liebsten geweigert dem Auftrag des Anführers nachzugehen, um dich zu löschen. Aber ich hatte doch keine Ahnung!“

Vorsichtig löste ich mich von Xaldin und blickte erleichtert zu ihm hoch. „Bruder, es gibt nichts zu verzeihen. Du hattest allen Grund mich zu hassen. Ich weiß, dass ich keine gute Schwester gewesen war. Es gibt so viel, was du nicht weißt. Glaub mir, in mir brodelt es und ich wünschte, ich könnte dir alles sagen. Aber...ich kann es nicht. Noch nicht. Nicht so. Nur...dass ich mich verliebt habe. Und mein Herz...wird immer diesem Jemand gehören. Du hast einst zu mir gesagt, dass du immer mit mir tanzen wirst, bis eines Tages jemand kommt und an deiner Stelle mit mir tanzt. Dieser jemand kam und öffnete mir sein Herz. Aber...ich habe so viel falsch gemacht. Ich habe versagt. Ich weiß, dass ich mich dir nie hätte zeigen dürfen aber...“ Ich schaute unter Tränen mit einem gequälten Lächeln zu Xaldin auf. „Ich habe dich so sehr vermisst und auch, wenn ich wusste, dass du ein Niemand bist und auch mit dem Risiko, dass du nicht mehr der bist wie damals, wollte ich dich sehen! Ich bin die ganze Zeit stark geblieben, Bruder! Und siehst du? Auch wenn ich weine, ich lächle! Ich bin stark geworden, oder?“

Ich rang nach Luft und trocknete meine Tränen. „Ich weiß nicht, was du und die Organisation vorhaben und ich werde es nicht sein, die gegen euch antritt. Das überlasse ich dem Träger des Schlüsselschwertes. Aber ich werde weiterkämpfen und stark sein! Bis ich eines Tages meinen Frieden gefunden habe. Ich werde mein Herz nicht der Dunkelheit überlassen. Ich werde für uns stark sein und warte, bis wir eines Tages wieder alle zusammen sein können.“

Xaldin's Miene hatte sich nicht verändert. Er schaute mich mit strengem Blick an bis ich ein leises Lachen von ihm hörte. „Laia, du bist wirklich stark! Gegen die Übermacht der Organisation hättest du keine Chance aber du hast ein starkes Herz. Du hast mich verraten und ich kann dir immer noch nicht verzeihen. Aber ich möchte dich nicht töten. Deswegen verschwinde von hier. Ich habe einen Auftrag zu erfüllen und ich werde nicht zögern, ihn auszuführen. Vielleicht sehen wir uns eines Tages wieder. Vielleicht verrätst du mir dann, welcher Jemand dein Herz so gefangen hält.“

Wenn ich es ihm nur sagen könnte. Die Schuldgefühle lasteten hart auf meinen Schultern aber ich war noch nicht soweit. Xaldin und Xigbar gehörten derselben Organisation an und verfolgten dieselben Ziele. Was würde Xaldin tun wenn ich ihm die Wahrheit sagen würde? Von daher schwieg ich. Stattdessen fuhr ich mit dem Handrücken noch ein letztes Mal über Xaldin's Wange. „Egal, was passiert, egal, welchen Weg du gehst, du wirst immer mein Bruder sein. Ob Licht oder Dunkelheit, ich liebe dich. Ich möchte mit dem Wind leben. Dem Wind, den du mir geebnet hast. Ich werde gehen. Doch gebe ich dir einen guten Rat. Unterschätze den Träger des Schlüsselschwertes nicht und auch nicht die Macht der Liebe. Leb wohl...Dilan.“

Ich hielt mir die Schulter als ich zur Terrasse ging um das Schloß zu verlassen. Ein letztes Mal spürte ich den Wind, den Xaldin in meine Richtung schickte und...fühlte, wie er mich umgarnte. Plötzlich...keine Schmerzen mehr. Ich blickte auf meine Schulter, die Wunde war verschwunden.

Ich drehte mich um doch Xaldin war bereits verschwunden.

„Leb wohl, geliebte Schwester.“

Ich schloss die Augen, fühlte den Wind, der die Nachtluft durchschritt und schloss mit dem Kapitel meines Lebens ab. Ich war mir bewusst, dass es wahrscheinlich fürs erste das letzte Mal sein sollte, wo ich meinen Bruder sah. Und so sollte es sein.

Ich stand auf dem höchsten Turm des Schloßes als Sora meinen Bruder in einem erbitterten Kampf besiegte. Mein Bruder, sein Niemand, er hat tapfer gekämpft wie ein wilder, entschlossener Krieger und als er in dem Augeblick, in dem seine Existenz ein Ende fand, einen Schrei gen Himmel schickte, legte sich ein erleichtertes aber auch zufriedenes Lächeln auf meine Lippen. Denn so wie der ehrenhafte Krieger der er gewesen war, so starb er auch als Krieger ehrenvoll.

Ich spürte die letzten Tränen meine Wange benetzen, sah wie glücklich das Biest und Belle sich in die Arme fielen, denn sie hatten ihren Feind besiegt.

„Wo ist die Ruhe dieser Nacht? Der Sturm, der hat sie fortgebracht. Der Blitz, der hat sie aufgescheucht, als wenn die Ruhe niemand bräucht. Der Wind, der hat sie fortgeweht

bis dann der Sturm sich hat gelegt. Ich hoffe, deine Seele konnte nun ihren Frieden finden. Leb wohl, geliebter Bruder. Bis wir uns wiedersehen.“

Damit endete meine Reise in dieser Welt und ließ meinen ewigen Begleiter, den Wind die Tränen auf meinen Wangen verscheuchen während ich meine Reise fortsetzte.

Xiala - Bericht VII

Diese neue Welt, in der ich mich befand, alles wirkte hier so anders als in den anderen Welten, die ich bereist habe. Sie war so von außergewöhnlicher Schönheit, ich beobachtete das weite nicht enden wollende Meer mit seinen ganzen Schiffen, die am Hafen andockten als ich hoch oben auf einem Wachposten Platz genommen hatte. Und trotz allem konnte ich diesen Anblick, der sich mir von der neuen Welt Port Royal bot, nicht genießen.

Ich saß am Rand der Stadtmauer, hatte die Knie angezogen und versuchte den Verlust meines Bruders zu verarbeiten. Ich dachte, es würde mir wirklich leichter fallen aber ich hatte diese Schmerzen wohl unterschätzt. Bestand wirklich die Möglichkeit, dass ich Dilan eines Tages wiedersah? Sein Körper müsste eigentlich, wie der der anderen immer noch im Radiant Garden verweilen. Gott, ich hätte zwischenzeitlich zurückkehren sollen, oder? Ob sie noch dort waren? Vielleicht lagen die Körper nur in eine Art Koma während die Niemande hellwach durch die Welten reisten. Ich wünschte, ich hätte eine Antwort auf diese Fragen gehabt. Als ich aufschaute, verlor sich mein Blick in der Ferne. Das Mondschein, der auf dem Wasser reflektierte und glitzerte, erinnerte mich an die Seen unterhalb von Radiant Garden und machte mich wehmütig. Ich wünschte, ich könnte einfach so wieder nach Hause gehen und alles wäre wieder so wie früher.

Selbstmitleid ist ein furchtbare Empfindung, die Menschen an den Tag legen können. Es brachte mir überhaupt gar nichts, ich konnte schließlich an der jetzigen Situation nichts ändern und die Augen nur offen für die Zukunft halten. Wenn ich auf meine vergangenen Berichte, in denen ich meine Reise und Erfahrungen festgehalten habe, durchlese, ist es schon armseelig, wie oft ich der Trauer verfalle. Ich versuche mir einzureden, dass weinen und Trauer empfinden mich immer noch menschlich macht aber schaffe ich dadurch nicht gerade dann einen perfekten Zugang für die Dunkelheit?

Ich nahm mir vor mir ein Herz zu fassen und die Situation positiv anzugehen. In jenem Moment wollte ich noch trauern aber ich nahm mir vor stärker zu werden.

Eine Weile genoss noch das Geräusch der Wellen, die an der Stadtmauer abprallten und den sanften Wind, der mir sanft durch das Haar fuhr und lächelte.

"Ja, ich weiß, Bruder. Du bist bei mir. Wenn der Wind mich begleitet, weiß ich, du bist an meiner Seite. Ich fürchte mich nicht vor der Dunkelheit, denn ich weiß, du bist da! Keine Sorge, ich werde für uns beide stark sein!"

Ermutigt richtete ich mich auf und blickte erhobenen Hauptes in Richtung Meer. Einen Moment lang schaute ich noch auf das tosende Meer unter mir, dessen Wellen an der hiesigen Stadtmauer abprallten und meine Gedanken glitten weit weg in die Ferne, bis ich eine sanfte bishin zu edlen Stimme hinter mir vernahm.

„Na sowas. Ein weiteres Mitglied der Organisation? Ich wusste gar nicht, dass neben mir noch jemand beauftragt wurde, diese Welt zu erforschen. Sehr interessant. Möchtest du dich mir nicht zu erkennen geben?“

Ein Mitglied der Organisation, das hatte mir jetzt noch gefehlt. Ich wollte mich nicht umdrehen, wusste aber auch, dass flüchten keine Alternative wäre. Wahrscheinlich war er gefährlich und würde mich eh aufhalten. Also tat ich das Beste, was ich machen konnte und drehte mich vorsichtig zu ihm. Ich schien ihn ziemlich aus der Fassung zu bringen, denn ich bemerkte, wie er ein Stück zurückwich. Sein Gesicht war noch von der Kapuze eingehüllt aber seiner Stimme nach zu urteilen, musste er sehr redegewandt sein.

„Was eine außergewöhnliche Begegnung. Die Karten lagen also doch richtig. Ich war mir sicher, dass wir kein weiteres weibliches Mitglied in unseren Reihen hatten. Miss, darf ich fragen, wer ihr seid? Verzeiht, wo bleiben meine Manieren?“ Er zog vorsichtig die Kapuze von seinem Kopf und meine Augen weiteten sich als sich ein wunderschöner Mann mit platinblondem Haar und eisblauen Augen zu erkennen gab. Ein kleines platinblondes Bärtchen zierte sein Gesicht sowie diverse Piercingohrringe in beiden Ohren. Aber allgemein strahlte er mit seinem gesamten Äußeren eine Aura von Eleganz aus. Er kam langsam auf mich zu, ergriff vorsichtig meine Hand und gab ihr einen Handkuss. Ich war mehr als verwundert, ein wahrer Gentleman, so viel stand fest und er schaffte es sogar, mir die Röte ins Gesicht zu treiben.

„Mein Name ist Luxord, Nummer zehn der Organisation XIII. Darf ich fragen, wer ihr seid?“ Ich fragte mich ernsthaft, ob dieser Luxord irgendwann mal als er noch ein Mensch war in einer Zeit des Mittelalters gelebt hat. Er hatte einen unverwechselbaren Wortschatz und wirkte auf mich wie ein Prinz. Etwas verlegen zog ich meine Hand weg und musste sogar ein wenig lächeln.

„Bitte, du machst mich ja ganz verlegen. Mein Name ist Xiala. Es freut mich sehr, dich kennenzulernen, Luxord.“ Er schien gar kein so schlechter Typ zu sein oder ich hatte ihn noch nicht richtig kennengelernt aber die Hauptsache war, dass er sehr freundlich und respektvoll zu mir war.

„Xiala, ein schöner Name für einen Niemand. Ich bin zwar auf einer Mission aber ein paar Minuten könnte ich durchaus entbehren. Seid ihr...bist du alleine hier? Dein Blick schien gerade sehr gefangen zu sein.“

Ich wandte mich wieder dem Meer zu und verschränkte die Arme. „Das Meer...es hat etwas beruhigendes und vieles, was mich an meine Zeit als Mensch erinnert. Meine Gedanken sind tagein, tagaus bei meiner Familie aber ich weiß, dass ich sie sehr lange nicht wiedersehen werde. Der Anblick des glitzernen Meeres macht mich wehmütig und sentimental.“

Luxord trat näher und gesellte sich neben mich. Aus dem Augenwinkel bemerkte ich, wie er ein paar Spielkarten in die Hand nahm. „Ich bin verwundert, wie kannst du noch Trauer und Schmerz empfinden wenn du ein Niemand bist? Wir haben doch nicht mal ein Herz um zu fühlen. Aber vielleicht ist es auch besser so, bei alldem, was wir tun. Aber sei unbesorgt, eines Tages werden wir wieder vollkommen sein und ein Herz besitzen. Dann kannst du wieder zu deiner Familie zurück.“

Es fiel mir so schwer nicht laut los zu weinen aber ich konnte es nicht verhindern als mir eine Träne die Wange entlang lief. „Meine Familie...ja, meine Familie.“ Ich wandte mich ab um zu gehen, doch einen Moment später fühlte ich, wie eine Spielkarte sanft in meine Hand gleitete. Auf ihr war ein Herz abgebildet.

„Eines ist sicher, du bist jedenfalls kein Niemand, sonst würdest du nicht um die weinen, die dir wichtig sind. Du bist anders als die Menschen, die mir auf meinem Weg begegnet sind. Waurm du allerdings einen Organisationsmantel trägst bleibt wohl noch ein Geheimnis in diesem Spiel. Leider muss ich mich meiner Mission annehmen, aber...“ Ich drehte mich vorsichtig zu ihm um und spürte, wie er mit seiner Hand vorsichtig meine Tränen wegwischte. „Ich kann keine Frauen weinen sehen. Ich werde deine Hintergründe nicht hinterfragen und ich weiß auch nicht, ob du Freund oder Feind bist aber...vielleicht sehen wir uns eines Tages wieder. Der Ausgang des Spiels ist noch nicht entschieden. Bitte behalte die Karte. Vielleicht hilft sie dir deine Familie zu finden.“

Als Luxord sich zum Gehen aufmachen wollte, hielt ich ihn nochmal zurück. „Luxord, richtig? Wieso hilfst du mir? Du kennst micht gar nicht! Warum lässt du mich so leichtsinnig ziehen?“

Eigentlich hätte es mir auch egal sein können, er gehörte der Organisation XIII an und hatte bestimmt nichts gutes im Sinn. Es wunderte mich von daher umso mehr, warum er jemanden wie mich, die zudem einen Organisationsmantel trug, einfach gehen ließ.

„Ich denke, wir werden bald schon wieder aufeinander treffen, Madame. Es ist nur eine Frage der Zeit. Vielleicht...hast du ja auch in der Zeit gefunden, was du wirklich suchst. Wenn wir uns wiedersehen, gib mir die Karte wieder. Und versprich mir, nicht so viel zu weinen. Tränen stehen dir nicht. Auf bald!“

Mehr als irritiert ließ mich Luxord zurück und ich sah zu, wie er sich ein Portal erschuf und durch dieses verschwand. Waren alle Mitglieder der Organisation soo leichtsinnig? Vielleicht gab es ja noch unfähigere Leute bei ihnen. Ich schüttelte leicht mit dem Kopf, konnte mir aber ein Lächeln nicht verkneifen. Dieser Mann kannte mich nicht, er hat bemerkt, dass ich kein Niemand war und meine Trauer trotzdem nicht verurteilt. Ein Niemand, der nett zu mir war. Ich betrachtete die Karte mit dem eingravierten Herz und fuhr mit dem Finger über die glatte Oberfläche.

„Ich frage mich langsam, ob Niemande wirklich keine Herzen haben. Vielleicht sind sie gar nicht so schlecht, wie alle sagen. Oder war dieses Mitgefühl nur gespielt? Aber er war so freundlich. Ja, vielleicht sind sie nicht alle schlecht.“ Ich steckte die Karte vorsichtig in die Innentasche meines Mantels machte mich auf den Weg in die Stadt. Ich wusste, dass es leichtsinnig war, die Karte einfach so mit mir rumzutragen. Nicht, dass er mich damit immer wieder finden konnte und mich der Organisation regelrecht auslieferte. Für einen Moment wollte ich diese düsteren Gedanken beiseite schieben, wunderte mich über die Ironie, dass ein Herz auf der Karte eines Niemands abgebildet war und freute mich wiederrum über die Geste. Ich merkte, dass ich meine Gedanken beisamen halten musste, denn ich spürte, wie ich immer mehr in die Unsicherheit abdriftete. Ich hatte so viele Fragen und suchte nach so vielen Antworten. Vielleicht würden mir diese eines Tages beantwortet werden.
 

Kurze Zeit später tauchten Sora und seine Freunde in Port Royal auf, die sich auf einem Schiff, dem ich unaufällig gefolgt war, zusammen mit einem verbündeten Piraten namens Jack Sparrow einen Kampf mit Luxord boten. Er schien gewiefter zu sein als ich dachte, nicht nur weil er es kurzer Hand geschafft hatte, einen Piratenhandel platzen zu lassen und Kanonen auf Sora aufzufeuern aber ich wusste, ich würde diesen Schönling, der wie versessen auf seine Karten war, im Auge behalten. Wie die zwei Seiten einer Münze sah man sich immer zweimal wieder.

Laia - Bericht XIII

Ich sitze im Herrenhaus, trinke eine Tasse Tee und frage mich langsam, warum ich nach alldem, was ich mittlerweile erfahren habe, nicht schon längst den Verstand verloren habe. Zu viel Zeit ist vergangen. Lange irrte ich in den anderen Welten rum auf der Suche nach Antworten, die ich nach und nach bekam. Sora und Riku...sie haben sich und ihre Freundin Kairi wiedergefunden im Schloß, das niemals war. Dort, wo ich dachte, dass ihr Kampf ein Ende finden würde.

Nicht nur Lea...ich meine Axel ließ seine Nichtexistenz für Sora. Sagen wir es doch beim Namen, Niemande leben auf eine gewisse Weise doch auch, oder nicht? Er wollte Roxas sehen, seinen besten Freund. Ich frage mich, kann man weinen ohne ein Herz? Und woher ich das alles mittlerweile weiß? Ich habe zu Sora und seinen Freunden zwischenzeitlich Kontakt aufgenommen als ich es geschafft hatte, durch Twilight Town in die Welt, die niemals war zu gelangen. Ich versuchte ihm zu erklären, wer ich war, warum ich hier war und konnte ihm keine Antwort auf das ganze Geschehen hier geben. Er erzählte mir von seinen Freunden, die er suchte sowie auch ich ihm die Wahrheit über meine Familie erzählte. Ich wollte kein Mitleid von ihm als ich mich freute, dass er meinen Bruder erlöst hatte. Er fühlte sich schlecht aber Dilan...er war nun frei, oder? Zumindest dachte ich das und...viel mehr. Ich bat Sora dass, wenn er einen Mann namens Xigbar treffen würde, diesen bitte auch von der Dunkelheit zu erlösen. Auch wenn es mir schwer fallen würde. Ich ging nicht näher ins Detail aber Sora ahnte, dass ich wohl näher zu ihm stand als ich vorgab. Ich setzte meine Hoffnungen in den Träger des Schlüsselschwertes und während dieser seinen Weg zum Schloß fortsetzte, kämpfte ich in meinem Inneren gegen die immer näher kommende Dunkelheit.

Ich merke, ich werde schwächer. Ich weiß mittlerweile die Wahrheit, warum Braig sich so verändert und was es sich mit Xehanort und seinen Plänen auf sich hat aber er hat nie einen Teil seines Herzens in meins eingepflanzt. Wieso spüre ich dann aber immer wieder diese Dunkelheit dieses zweite Ich in mir, dass mir immer wieder zuflüstert, ob ich nicht mittlerweile genug gelitten hätte und aufgeben möchte. Glaubt mir, wie gerne hätte ich das. Nach allem...nach allem was ich erfahren habe. Der ganze Schmerz. Die ganzen Tränen. Alles...einfach alles.

LÜGEN! LÜGEN! ALLES LÜGEN! WIESO ERZÄHLEN SIE MIR DAS? WARUM TUN SIE MIR WEH? ES IST EINFACH NICHT WAHR! ES IST NICHT WAHR! Ich wünschte, ich könnte die Zeilen in das Papier brennen. Die Tinte verläuft als meine Tränen sich auf ihr wiederfinden. Ich würde am liebsten sofort alles aufgeben. Wieso mussten sie mir das sagen? Das einzige, an was ich mich geklammert habe. Meine Familie...die nicht meine Familie war...

Sora und die anderen waren längst auf dem Weg ins Schloß, das niemals war, während ich auf einem der Türme des Schloßes Platz genommen hatte und eine Weile diese Monströsität eines Bauwerks in Augenschein nahm. Kingdom Hearts erstrahlte in seiner ganzen Pracht hoch oben am höchsten Punkt, doch...ja, ich konnte nicht in das Schloß. Die Dunkelheit, die diese Welt von sich gab, drückte mich fast nieder und ich merkte, dass mein Herz darunter litt. Immer wieder spürte ich die dunkle Präsenz meines zweiten Ichs und ich freundete mich immer mehr mit dem Gedanken an, der Dunkelheit zu verfallen sollte es wirklich keine Hoffnung mehr für meine Freunde geben. Ich weiß, wie oft habe ich nun darüber geschrieben, dass ich Selbstmitleid hasse und dass ich schwach bin? Ich war nie stärker als mein...Bruder. Bruder. Lügen! Lügner! Alles Lügen!

Xigbar, warum konntest du nicht deinen Mund halten als du mich in der Dunkelheit fandest bevor Sora dich besiegte und deine Existenz endgültig verging? Warum lässt du mich mit dieser Erkenntnis zurück?

Ich machte mich schweren Herzens auf den Weg in Schloß, vefolgte Sora und seine Freunde auf seinem Weg, traf sogar Isa in der Gestalt seines Niemands Saix wieder, der mich beinahe attackiert hätte. Ich wollte Antworten, warum er ein Teil der Organisation war, dennoch konnte er mir keine geben. Er schien der Organisation treu ergeben zu sein, war eins mit der Kraft des Mondes und hätte mich beinahe vernichtet als er seine Waffe gegen mich richtete. War er so von der Organisation manipuliert worden? Alle, die mir einst wichtig waren, auch Lea und Isa, niemand schien verschont geblieben zu sein. Er ließ mich am Fuße der Treppe zur Halle der leeren Melodien fast bewusstlos liegen, nachdem er mich mit seiner brachialen Kraft, vergleichbar mit einem Berserker schwer verletzte. Warum er mich nicht tötete, keine Ahnung. Er ließ mich mit den Worten zurück, dass ich mich nicht in die Vorhaben der Organisation einmischen sollte und ich auch nur ein schwacher Mensch wäre, der sie eh nicht aufhalten könnte. Ich wusste, er erinnerte sich an mich, gab dies aber unter dieser Kälte nicht preis. Ich wollte schlafen, einfach die Augen schließen und sterben, da hob mich jemand schützend hoch. Ich öffnete schwach meine Augen, sah in das Gesicht von Luxord.

„Xiala, was tust du hier? Hat das einer von uns getan?“ Ich wollte ihn nicht um Hilfe bitten, ich hatte Angst. Doch instinktiv griff ich nach der Karte, die ich noch in meiner Jackentasche trug und zeigte sie ihm mit einem gequälten Lächeln.

„Sie...sie hat mir Glück gebracht aber...es hat wohl nicht für mehr gereicht. Es tut mir leid. Ich kenne dich nicht aber...vielleicht hätten wir zu einer anderen Zeit an einem anderen Ort gute Freunde werden können. Ich glaube, du bist kein schlechter Niemand.“

Ich wusste nur noch, dass ich danach das Bewusstsein verlor und Luxord's Stimme, die an mein Ohr drang, nur noch schwach wahrnahm.

Mein Kopf war voller Scherben als ich erwachte. Ich wusste nicht, wo ich mich befand aber als ich meine Umgebung besser wahrnahm, bemerkte ich, dass ich in einem Bett lag. Ein Zimmer der Mitglieder der Organisation. Mein Kopf fühlte sich so schwer an, jede Stelle meines Körpers schmerzte und hinter mir nahm ich zwei Stimmen wahr.

„Nein, wir werden sie nicht vernichten! Ich spüre eine dunkle Aura, die auf ihren Schultern lastet. Vielleicht wird sie uns eines Tages noch von nutzen sein. Lass sie hier. Es wird Zeit, dass wir uns Sora und seinen Freunden annehmen.“

Die andere Stimme, die mir mehr als vertraut war, antwortete „Wie du wünscht, Xemnas.“ und es fiel mir schwer die Augen zu öffnen. Für einen Moment muss ich wieder das Bewusstsein verloren haben. Die Schmerzen raubten mir jeglichen Verstand. Es dauerte einen Moment bis ich wieder zu mir kam und...Xigbar neben mir auf dem Bett Platz genommen hatte. Meine Stimme war zu einem leisen Flüstern geworden.

„Xigbar...wo bin ich?“ Ich spürte, wie seine Hand über meine Wange glitt und er mich mit diesem gelben Auge musterte. „Momentan in Sicherheit, Sweetheart. Du musst wirklich verrückt geworden sein, dass du dich mit dem Berserkerboy anlegst. Xiala...nein, Laia, du bist wirklich außergewöhnlich.“

Ich richtete mich vorsichtig auf. „Ich weiß nicht, warum ich überhaupt hergekommen bin. Ich wollte nicht zurück in die Dunkelheit aber...ich wollte dich unbedingt sehen. Wenigstens...noch ein letztes Mal.“

Ich spürte, wie Xigbar meinen Kopf tätschelte und sich erhob. „Oh, Sweetheart, du bist so naiv. War dir denn nicht klar, dass es hier zu gefährlich für dich ist? Wärst du wirklich ein Niemand, wäre vielleicht alles anders gekommen aber du bist ein Mensch ohne jegliche Fähigkeiten. Dieser Kampf ist nicht deiner.“

Auch ich richtete mich auf und ging zu ihm unter Schmerzen. „Dann sag mir, Xigbar oder Braig, wessen Kampf ist es dann? Ist es deiner? Ist es das, was du wolltest? Wieso sammelt ihr diese Herzen? Doch nicht nur um vollkommen zu werden! Im Labor damals, ihr wart es, die die ganzen Menschen entführt und getötet habt! Wofür braucht ihr all diese Herzen? Warum Kingdom Hearts vervollständigen? Bitte sag es mir!“ Ich krallte mich in seinen Mantel und ich wusste, dass er es mir nicht sagen würde. „Wenn ich dir das sage, wirst du mich hassen. Vielleicht sollte ich es dir sagen, damit du mich endlich hasst. Dann würde es dir sicher leichter fallen, mich zu vergessen. Aber ich kann es dir nicht sagen. Noch nicht.“ Ich hätte ihm so gerne ins Gesicht geschlagen aber mir fehlte die Kraft.

„Ich habe...Dilan...Xaldin getroffen. Er hätte mich beinahe getötet. Er war bereit gewesen, mich zu töten, Xigbar! Mich, seine eigene Schwester! Ich weiß, dass ich ihn hintergangen habe aber...würde er jemals so weit gehen? Was ist mit euch geschehen? Ihr habt euch verändert. Ihr seid nicht mehr die, die ihr einst wart. Da ist jemand...jemand, der von euch Besitz ergreift! Vielleicht ist es für dich in Ordnung, wie die Dinge gerade laufen aber ich...ich habe Angst um euch. Xaldin ist bereits fort. Ich weiß nicht, ob ich ihn jemals wiedersehen werde. Aber du bist noch hier. Bitte...sag es mir.“

Wieso konnte ich diesen Mann nicht einfach hassen? Er verletzte mich immer wieder, traf mich da, wo es am meisten weh tat und trotzdem wollte ich ihn nicht vergessen weil ich ihn im Grunde meines Herzens immer noch liebte. Der Gedanke, ihn zu verlieren, schmerzte so sehr, dass es mich verrückt machte. Vorsichtig legte Xigbar seine Hand auf meine Wange.

„Oh Sweetheart. Hat er es dir immer noch nicht gesagt? Und ich dachte, Xaldin wollte seiner Drohung wahr machen. Am Ende konnte auch er dir nicht die Wahrheit sagen, oder?“ Ich schaute Xigbar verwirrt an. „Was...was meinst du?“

Er ging an mir vorbei und kratzte sich am Hinterkopf. „Oh Liebes, ich sollte nicht derjenige sein, der dir die Wahrheit sagt aber dein „Bruder“ ist nicht mehr da, nicht wahr? Also muss ich den Part wohl übernehmen. Dabei war das letzte, was ich wollte, dir noch mehr Schmerzen zufügen.“ Er drehte sich zu mir und blickte mich ausdruckslos an. „Ich spüre die Dunkelheit in dir und wie sie versucht Macht über dich und deinen Körper zu gewinnen. Ich wollte, dass du ein Wesen des Lichts bleibst.“

Ich hielt das nicht aus. „Xigbar, was wollte Xaldin mir sagen? Sag es mir! Antworte!“ Ich spürte, wie ein Schmerz durch meinen Körper ging und ich mir die Brust hielt. Xigbar baute sich vor mir auf und sah mir tief in die Augen. „Hast du dich nie gefragt, warum Dilan und du so unterschiedlich wart? Vom äußerlichen her als auch vom Charakter? Du so zierlich und er so kraftvoll. Und warum er dich immer mit solcher Strenge aufgezogen hat? Denkst du, ein Bruder würde so mit seiner Schwester umgehen?“

Ich spürte, wie mir vom Kopf abwärts kalt wurde. Ein eiskalter Schauer glitt mir über den Rücken und hielt mich feste. „Was...was meinst du? Dilan, er war ein Gardist. Er hatte seine Aufgaben, war pflichtbewusst und loyal. Ich wollte nicht geschont werden. Er wollte mir Diziplin beibringen, damit ich eine gute Gardistin werde.“

Xigbar schüttelte den Kopf. „Laia, kannst du dich an deine Eltern erinnern?“ Meine Augen weiteten sich. „Wieso...nein, ich...ich kann mich nicht an meine Eltern...Xigbar, worauf willst du hinaus?“

Er drehte sich mit dem Rücken zu mir. „Dilan...er hat dich die ganze Zeit im Glauben gelassen, dass du seine leibliche Schwester wärst. Aber hat er dir denn nie etwas von euren Eltern erzählt? Hast du dich nie gewundert, warum ihr immer alleine wart? Ganz einfach, weil du nicht seine leibliche Schwester warst! Er fand dich eines Tages in den Gärten als du noch ein Kind warst, eingewickelt in einer Decke, wie ein Stern vom Himmel gefallen. Niemand wusste, woher du kamst aber Dilan war bereit, sich deiner anzunehmen. Er zog dich auf obwohl er selbst damals noch ein Kind war und hat dich immer im Glauben gelassen, ihr wärt beide vom selben Blute.“

Ich erinnere mich, dass ich nicht atmen konnte. Meine Augen waren aufgerissen, ich spürte, wie der Riss in meinem Herz immer größer wurde. Ich versuchte zu lächeln aber ich spürte die Verzweiflung durch meinen Körper kriechen. „Nein, nein, das ist nicht wahr! Dilan, er ist mein Bruder. Er ist mein Bruder.“

Ich sah in Xigbar's Gesicht wage ein Anzeichen von Mitleid. „Xaldin hatte mir oft genug gesagt, dass er dich für deinen Verrat an ihm leiden lassen wollte. Ich habe trotz allem versucht, ihm ins Gewissen zu reden aber er wollte nicht hören. Wir alle haben unsere Menschlichkeit zurückgelassen, Laia. Wir sind böse, agressiver, wir fühlen nicht! Aber auch ich war der Meinung, dass Xaldin nie so weit gehen würde. Anscheinend hat er aber noch so viel Menschlichkeit besessen, dich am Ende zu verschonen und dich im Ungewissen zu lassen.“

Ich brach auf den Knien zusammen und hielt mir den Kopf. „Diese ganze Wut! Deswegen hatte er mir nur so selten gezeigt, dass ich ihm was bedeute. Ja genau, ich war ihm lästig. Wahrscheinlich hat er mich von Anfang an gehasst. Er wollte mich gar nicht aufnehmen und...wahrscheinlich hatte er die ganze Zeit gewusst, was ich für dich empfand und was zwischen uns passiert ist. Ich habe ihn verraten und dafür wollte er mich töten. Das heißt...ich habe jahrelang mit einer Lüge gelebt. Ich habe keinen Bruder, ich habe keine Familie und Radiant Garden war nie mein Zuhause.“

Ich schaute auf und versuchte zu lächeln. „Wer bin ich dann, Xigbar? Wo komme ich her und wo gehöre ich hin? Warum existiere ich überhaupt? Sollte ich überhaupt existieren? Woher soll ich wissen, dass ich überhaupt ein Mensch bin? Waren diese ganzen Gefühle, all die schönen Momente, war das alles Lüge? Ist mein ganzes Leben...EINE LÜGE?“

Ich wusste, dass ich die letzten Worte schrie. Ich hielt mir den Kopf, sah die ganzen Bilder vor mir, die ganzen Augenblicke mit Dilan zusammen im Radiant Garden. All die schönen Momente. Nein, es kann nicht alles gelogen gewesen sein. Wenn es alles eine Lüge war, dann hätte Dilan mich auch sterben lassen können in jener schicksalhaften Nacht. Wieso hatte er mich gerettet? Wieso sagte er mir, dass er mit mir tanzen würde bis ein anderer käme und mit mir tanzt? Er hat mich doch geliebt, oder?

„Laia, Laia, bleib bei mir!“ Ich bemerkte nicht, als Xigbar meine Arme ergriff und mich leicht schüttelte. Mit leeren Augen blickte ich ihn an. „Also...war ich allein. Die ganze Zeit. Ich bin alleine. Ich bin ganz allein. Aber...auch wenn wir nicht im Blute verwandt waren, er ist und bleibt immer noch mein Bruder.“ Ich krallte mich in Xigbar's Mantel. „Ihr seid die einzigen, die ich habe. Ihr seid alles, was mich ausmacht. Warum, Xigbar...Braig...warum glaubst du, nehme ich das alles auf mich? Warum kämpfe ich so sehr? Weil ich eines Tages wieder mit euch zusammen sein möchte. Ich liebe euch. Ich liebe Dilan und ich liebe dich. Ich liebe euch so sehr, dass ich daran kaputt gehe. Ich weiß, dass ich schwach bin und die Dunkelheit Risse in meinem Herzen gefunden hat. Jeden Tag spüre ich sie mehr und mehr Besitz von mir ergreifen aber...ich halte durch, so lange ich kann. Ich bin bereit mich der Dunkelheit hinzugeben wenn ich damit wieder meine Familie vereinen kann. Ich werde weiterkämpfen. Auch mit dem Risiko, mich selbst zu verlieren.“

Mein Kopf sackte nach vorne und prallte gegen Xigbar's Brust. Dieser hielt mich vorsichtig feste. „Laia, nein! Du darfst der Dunkelheit nicht dein Herz öffnen! Verdammt, Sweetheart! Komm zu dir! LAIA!“
 

„Die Wahrheit ist sehr schmerzhaft, nicht wahr? Alles ist besser als diese Schmerzen zu ertragen. Willst du weiterhin so leiden? Willst du ewig so weitermachen, bis du endgültig daran kaputt gehst? Die Dunkelheit hat sich bereits Zugang in dein Herz verschafft? Warum gibst du dich ihr nicht einfach hin? Es würde alles leichter werden, du müsstest dich nicht mehr quälen. Sag mir wenn du soweit bist. Ich warte auf dich!“
 

Als ich erwachte, lag ich in der Haupthalle des Herrenhauses auf dem Boden. Ich hörte die Stimme meines Phantoms in meinen Ohren als ich mich mit verschwommenem Blick Übersicht über meine Umgebung verschaffte. War es vorbei? War der Kampf vorbei? Wo waren alle? Mein Körper schmerzte so sehr aber ich raffte mich auf und ging den Weg in den Keller hinunter. Niemand war mehr dort. Ansem war fort, er war nicht mehr da. Was war mit Xigbar? Und Sora und den anderen?

„Was ist geschehen während ich ohnmächtig war?“ In meinem Kopf hallten die Worte von Xigbar wider. Die Wahrheit schmerzte. Warum hat mir Dilan nie die Wahrheit gesagt? Wollte er mich schützen? Hat er in mir doch seine Schwester gesehen?

Ich hatte keine Ahnung, wo ich hin sollte. Außer an einen Ort, den ich unbedingt aufsuchen wollte. Radiant Garden. Mein Zuhause. Vielleicht würden sich dort die Antworten finden, die ich suchte. Ein beklemmendes Gefühl machte sich in mir breit. Sich der Dunkelheit hinzugeben war mehr als verlockend. Vielleicht...vielleicht würde ich ihr Angebot eines Tages annehmen.

Laia - Bericht XIV

Hollow Bastion. So wurde die Welt, die ich einst meine Heimat und den strahlenden Garten nannte, nun von ihren Bewohnern genannt. Als ich dort ankam, spürte ich eine Gänsehaut meinen Körper erfassen. Nichts war mehr so, wie es vorher war. Die Stadt, die Häuser, die ganze Schönheit, die Radiant Garden einst beherbergte, nichts von alldem war noch übrig. Die weiten Wälder und grünen Berge sowie die Seen, die hinter Radiant Garden lagen, waren zu endlosen Ruinen verkommen. Die Herzlosen haben während meiner Abwesenheit einen beträchtlichen Schaden angerichtet und ich fragte mich, ob diese Welt irgendwann wieder die sein könnte, die sie einst war. Während ich durch die Straßen zog, bekam ich hin und wieder Gespräche von Menschen mit, die von einem sogenannten Aufbaukomittee redeten. Anscheinend eine Gruppe von Menschen, die sich zusammen getan hatten, um Radiant Garden wieder aufzubauen. Mein Weg führte mich instinktiv in Richtung Schloß. Die verwüsteten Gänge ließen mich erschaudern. Wie schön es hier einst gewesen war. Aber deswegen war ich nicht hier. Mein Weg führte mich hinunter in die Labore, durch die man durch Ansem's Arbeitszimmer gelangte. Ich spürte, wie mein Körper immer mehr schmerzte, am liebsten wäre ich sofort wieder ohnmächtig geworden. Ob sie noch da unten waren? Ob ich endlich erlöst werden würde?

Auf halben Wege brach ich auf den Knien zusammen. Die Dunkelheit in mir, sie rebellierte. Ich bekam das Gefühl, dass sie nicht wollte, dass ich meine Freunde fand. Einen Moment blieb ich sitzen und versuchte mir Luft zu machen. Doch dann...hörte ich eine vertraute Stimme, nein, drei vertraue Stimmen aus Ansem's Arbeitszimmer.

„So, wo sind Braig und Isa? Ich habe das halbe Schloß auf den Kopf gestellt. Sind die anderen beiden immer noch bewusstlos?“ Eine weitere Stimme ertöhnte.

„Dilan und Even kommen langsam auch wieder zu Bewusstsein, scheinen aber immer noch instabil zu sein. Sie ruhen sich aus. Ich denke, du brauchst Braig und Isa nicht zu suchen. Wir hätten sie längst gefunden, wären sie hier.“ Die jüngste von allen Stimmen klinkte sich mit ein. „In einer anderen Welt werden sie aber wohl auch nicht aufgewacht sein. Wenn das Herz wieder vollkommen ist, müssten sie an dem Ort aufwachen, wo es passiert ist. Sollte diese Welt nicht mehr existieren, würden sie in einer Zwischenwelt aufwachen, sowas wie eine Zuflucht. Traverse Town oder so ähnlich.“

„Diese Stimmen...oh Gott, sind das...“ Ich raffte mich auf und schritt vorsichtig in Richtung Arbeitszimmer. Meine Sicht klärte sich und...ich glaube, mir war noch nie solch ein Stein vom Herzen gefallen.

„Lea, Ienzo, Aeleus...ihr seid hier.“ Alle Gesichter drehten sich zu mir und blickten mich mehr als erschrocken an. Ich sackte zusammen, einen Arm auf meinen Bauch gelegt. Aeleus kam auf mich zu und hob mich hoch.

„Laia...um Himmels Willen! Du bist es wirklich!“ Ich rang mir ein Lächeln ab und schaute hinauf. „Aeleus, ich freue mich so sehr dich zu sehen!“ Auch Lea und Ienzo kamen näher. „Ienzo, du bist groß geworden. Und Lea...ich wusste es. Ich habe die ganze Zeit gewusst, dass du es bist.“

Ich sah Erleichterung in den Augen meiner Freunde, nein, meiner Familie. Vielleicht war es doch gut hierher zukommen. Bevor ich allerdings noch etwas sagen konnte, verlor ich erneut das Bewusstsein.
 

Als ich zu mir kam, befand ich mich in eine Art Ruheraum des Schloßes. An meinem Bett saß Aeleus, der anscheinend die ganze Zeit meinen Schlaf bewacht hatte.

„Laia, geht es dir gut? Du sahst sehr erschöpft aus.“ Vorsichtig richtete ich mich auf. „Aeleus...das bin ich immer noch. Lass dich bitte nicht von dem Mantel täuschen, ich bin kein Niemand und bin es auch nie gewesen. Alles nur Täuschung.“

Ich konnte dem friedfertigen Riesen tatsächlich ein Lächeln abgewinnen. „Wo ist...wo ist mein Bruder, Aeleus? Wo ist Dilan? Ich möchte ihn sehen.“ Vorsichtig blickte Aeleus hinter mich, wo ebenfalls zwei weitere Betten standen. Auf dem einen lag Dilan, auf dem anderen Even.

„Sie sind wieder bei Bewusstsein, haben sich aber noch nicht erholt. Es wird noch eine Weile dauern, bis sie wieder auf den Beinen sind.“

Ich stand vorsichtig auf und ging zum Bett, auf dem mein Bruder lag. Er wirkte so friedlich, als ob er einfach nur schlafen würde. Vorsichtig berührte ich seine Wange und spürte, wie mir Tränen der Erleichterung die Wangen runterliefen.

„Geliebter Bruder, Dilan. Falls du mich hören kannst. Ich bin Zuhause. Ich bin wieder da, wo ich hingehöre.“

Ich legte die Arme vorsichtig um ihn und weinte in seine Uniform. Mir war alles egal, er war mein Bruder, ob im Blute oder nicht. Ich liebte ihn und war einfach nur froh, wieder an seiner Seite zu sein. Aeleus bemerkte, wie ich einem Nervenzusammenbruch erlag. Ganz lange bettete ich den Kopf an Dilan's Brust und weinte, bis ich nicht mehr konnte.

„Laia, du warst lange fort. Du sagtest, du wurdest nicht zu einem Niemand gemacht. Was ist in der Zeit geschehen?“ Ich richtete mich auf und begann Aeleus die ganze Geschichte zu erzählen. Er hörte mir aufmerksam zu, bemerkte aber, dass ich stetig mit der Angst zu kämpfen hatte. Ich offenbarte ihm die Ereignisse, die mir in der Dunkelheit und den anderen Welten wiederfahren waren, was Xigbar mir erzählt hatte und wie mich Dilan's Niemand beinahe getötet hatte. Als ich auf die Sache mit Dilan zu sprechen kam, ergriff Aeleus vorsichtig meine Hand.

„Das...das tut mir sehr leid, Laia. Ich habe...Dilan hat mir nie etwas davon erzählt. Ich war immer der Meinung, dass du seine richtige Schwester wärst. Das muss sehr schwer für dich sein.“

Ich schaute auf und lächelte. „Er ist mein Bruder, Aeleus. Ob im Blute oder nicht. Dilan ist meine Familie. Wenn er mich nicht gefunden hätte, vielleicht wäre ich heute nicht hier. Ich weiß, ich habe es ihm nicht immer leicht gemacht aber nichtsdestotrotz habe ich ihn über alles geliebt und bewundert. Ich möchte ihm so viel sagen, wenn er erwacht. Ich will ihm sagen, dass es mir leid tut, dass ich ihm alles, was zwischen Braig und mir passiert ist, nie gesagt habe. Ich werde ihn toben und fluchen lassen und ihm in die Arme fallen, um mich wieder mit ihm zu versöhnen. Er ist mein Bruder. Meine ganze Familie. Ihr seid meine Familie.“

Vorsichtig drückte Aeleus mich an sich. „Ich denke, Dilan hat gewusst, was zwischen dir und Braig gewesen war, bewusst aber nichts gesagt weil er sich nicht einmischen wollte. Er wollte, dass du deinen eigenen Weg gehst, dass du glücklich wirst. Auch wenn er Braig nicht ausstehen konnte. Er hatte einst zu mir gesagt, dass er dich seit langem nicht mehr so glücklich gesehen hatte wie damals. Ich denke, das war noch die Zeit, bevor das hier alles angefangen hatte. Wer hätte gedacht, dass er es sein würde, der uns in die Dunkelheit stürzt? Der, der zu nichts in der Lage war?“

Ich riss mich aus seinem Griff los und stand ruckartig auf. „Genau das ist es, Aeleus! Ihr alle, ihr habt Braig immer nur gehasst! Keiner, aber auch wirklich keiner von euch hat sich die Mühe gemacht und sich wie ich es tat näher mit ihm auseinandergesetzt. Er war so einsam und immer nur alleine. Ich wollte ihn kennenlernen. Ich konnte doch nicht ahnen, dass es so ausartet. Er war nicht perfekt, das bin ich auch nicht. Siehst du, ich weiß ja noch nicht mal, wo ich wirklich herkomme. Ich liebe diesen Mann, Aeleus! Und ich würde alles tun, nur damit er wieder zurückkommt. Ich wäre sogar bereit, mein Herz der Dunkelheit zu öffnen wenn es sein muss. Aber das könnt ihr nicht verstehen. Keiner tut das! Wir haben alle Menschen verloren, die uns wichtig waren. Ich war bereit alles aufzugeben, um für meine Familie zu kämpfen und ich tue es immer noch. Ich möchte meine Familie retten und sie wieder zusammenbringen, dass wir eines Tages wieder in Frieden leben können. Wäre dieser verdammte Xehanort hier nie aufgetaucht und wäre ich nicht so...verdammt unfähig gewesen, vielleicht hätte ich euch retten können aber ich tat es nicht! Ich kann die Vergangenheit nicht rückgängig machen aber ich kann etwas dazu beitragen, um das Schlimmste in der Zukunft zu verhindern. Und diese Liebe zu Braig, Aeleus, sie macht mich stark. Der Glaube daran, dass er vielleicht eines Tages wieder bei mir ist.“

Schweigsam blickte mich Aeleus an. Keiner sagte mehr ein Wort. Ich setzte mich erneut an das Bett meines Bruders und fuhr sanft durch seine Dreadlocks, die sich im Laufe der Jahre immer mehr verdichtet hatten. „Du bist stark, Laia. Damals schon als ich dich trainiert hatte als du Gardistin werden wolltest, habe ich das gemerkt. Dir war bewusst, dass du nicht so stark wie wir anderen warst aber du warst mutig, hattest ein starkes Herz und selbst wenn ich dich zu Boden gerungen habe, hast du nicht aufgegeben. Du bist gar nicht so schwach wie du denkst, Laia. Daran solltest du festhalten. Dein Bruder war immer streng mit dir und hat dir vielleicht nicht immer seine sanfte Seite gezeigt aber vielleicht hatte er das aus einem bestimmten Grund getan. Vielleicht wollte er dich auf die Zukunft vorbereiten.“

Meine Hand fuhr sanft über Dilan's Wange während ich meine Stirn auf seiner bettete. „Ich verdanke Dilan mein Leben. Er hat so viel für mich getan. Ich wäre bereit für ihn zu sterben wenn es sein müsste.“

Darauf sagte Aeleus nichts mehr. Ich verlor mich in dem vertrauten Duft der Haut meines Bruders und blieb so liegen. „Ich bin Zuhause, Bruder. Ich bin Zuhause.“
 

Ich ruhte mich noch eine Weile aus und nahm eine lange, heiße Dusche bis ich mich zu den anderen gesellte und mich mit ihnen über die momentane Situation austauschte. Lea erzählte mir, dass Sora und seine Freunde es geschafft hatten, die Organisation zu stürzen und Xemnas zu besiegen. Xigbar wäre dabei auch besiegt worden, doch verwunderlich war es, dass er nicht wie die anderen im Schloß aufgewacht sei. Zudem fehle zu Isa auch jegliche Spur. Die ganze Sache war dramatischer als wie ich dachte und mir war bewusst, dass dies nicht unser letzter Kampf war.

„Lea, was hat Xehanort mit den Herzen vor? Und warum hat sich Braig so verändert?“ Dieser schluckte hart auf meine Frage. „Ich denke, das solltest du Braig selbst fragen wenn du ihn findest. Ich kann dir noch keine konkreten Antworten auf deine Fragen geben weil ich selbst noch nicht alles weiß aber eine Sache ist mir klar. Momentan ist es wichtig, dass Sora in Sicherheit ist. Er legt zurzeit bei Meister Yen Sid zusammen mit Riku die Prüfung zum Schlüsselschwertmeister ab und es würde mich nicht wundern, wenn Xehanort dort auch eingreift. Ich habe vor, mich auf den Weg dorthin zu machen. Ich habe ein ganz ungutes Gefühl bei der Sache. Vielleicht sollte ich mich der Sache annehmen.“

Ich nickte zustimmend und erhob mich. „Nun gut. Wenn das so ist, werde ich mich in der Zeit auf die Suche nach dem richtigen Braig machen. Ich weiß, dass ich dafür wieder in die Dunkelheit muss aber ich bin bereit dafür.“

Nun erhob sich auch Lea und blickte zu mir runter. „Es tut mir leid, dass es so gekommen ist.“ Ich schüttelte den Kopf. „Es gibt nichts zu verzeihen, Lea. Auch du hast Menschen verloren, die dir wichtig waren. Xehanort mag übermächtig sein aber der Kampf ist noch nicht verloren. Vielleicht kommen nicht nur Braig und Isa wieder zurück, sondern...auch Roxas.“

Ich sah, wie Lea traurig zur Seite schaute und legte ihm sanft eine Hand auf die Wange. „Vielleicht kommt er eines Tages zurück.“ Vorsichtig streckte ich mich und blickte noch einmal zu meinem Bruder. „Aeleus, wenn mein Bruder erwacht, bitte sag ihm, dass ich bald zurück bin.“

Aeleus nickte, Ienzo stand neben mir und blickte mich durch die langen Strähnen an. „Vielleicht können wir eines Tages wieder zusammen ein Meersalzeis essen. Du bist so erwachsen geworden. Ansem wäre sicher stolz auf dich.“

Schweigend schaute Ienzo zu Boden. Ich hingegen öffnete mir ein dunkles Portal. Mittlerweile beherrschte ich das Öffnen der Portale sehr gut.

„Ich bin so froh, dass ihr lebt.“ Mit diesen Worten verschwand ich durch das dunkle Portal und bahnte mir meinen Weg durch die Dunkelheit. Irgendwann erreichte ich einen dunklen Tunnel, vollkommen in schwarz gehüllt und taumelte in die Tiefe. Vielleicht mein einziger Weg um in die Welt zu kommen, in der alles ihren Anfang genommen hatte. Ich schloss die Augen und hörte die Stimme des Phantoms in meinem Ohr.

„Hast du dir über mein Angebot Gedanken gemacht?“ Vorsichtig öffnete ich die Augen und blickte meinerselbst in die gelben Augen, die mich wie ein Raubtier musterte. „Ja, ich bin bereit, deine Kraft zu akzeptieren. Ich möchte meine Familie retten. Aber auch, wenn du ein Teil von mir wirst, ich habe meinen eigenen Willen und das Licht in mir wird trotz deiner Dunkelheit nicht erlöschen. Das Licht ist in mir.“

Ich spürte, wie sie meine Schultern ergriff. „Närrin, deine Entscheidung, mich zu akzeptieren, zeigt nur, wie schwach du eigentlich bist. Warum denkst du, habe ich so früh dein Herz besetzt? Du weißt nicht, wo du herkommst. Vielleicht war die Dunkelheit schon die ganze Zeit in dir und hat nur darauf gewartet auszubrechen. Glaubst du, dass du so deine Liebsten retten kannst wenn du mich in dein Herz lässt?“ Vorsichtig umarmte ich mein Phantom. „Ja, dessen bin ich mir bewusst. Wenn wir zusammenarbeiten, kann ich es schaffen. Ich bin bereit, die Dunkelheit in meinem Herzen als meinen Verbündeten zu akzeptieren. Auf meinem Weg hoffe ich die Antworten auf meine Fragen zu finden aber selbst wenn ich herausfinde, wo ich herkomme, diese Welt und diese Menschen werden immer mein Zuhause und meine Familie sein. Ein Ort, den ich meine Heimat nennen kann. Somit...lass uns eins und stärker werden. Ich bin bereit!“

Es war, als ob segende Hitze meinen Körper einnehmen würde. Einen Moment lang dachte ich, ich würde unter diesen Schmerzen zugrunde gehen. Stattdessen ließ der Schmerz nach, mein Körper war immer noch derselbe. Ich lächelte, öffnete meine Augen spürte die Macht in mir. Eine neue Laia war geboren. Ich war bereit, diesen Weg zu gehen um meine Liebsten zu retten und ließ die Dunkelheit raus. Irgendwann, wenn man nicht mehr weiter weiß, kommt man an einen Punkt, wo man bereit ist, sich komplett aufzugeben, um die zu retten, die einem wichtig sind. Selbst wenn das heißt, sein Herz einem anderen oder der Dunkelheit zu überlassen. Ich ließ es raus, ließ es zu und das stechende Gelb meiner Augen sollte mein Zeuge sein.

Laia - Bericht XV

Wenn man sich auf die Dunkelheit einlässt und ihr seinen Körper überlässt, fängt man an Eigenschaften zu entwickeln, zu denen man vorher nie in der Lage gewesen ist. Ja, die Dunkelheit machte einen agressiver, rücksichtsloser, ja, sogar bösartiger. Ich spürte eine neue, ungeahnte Kraft in mir und war sogar der Meinung, dass ich es mit allem aufnehmen könnte. Aber das Licht in mir hielt dagegen uns so schaffte ich eine perfekte Ausgeglichenheit zwischen Licht und Dunkelheit. Ich habe meinem Phantom bereits gesagt, dass ich meinen eigenen Willen habe, dementsprechend war ich immer noch Laia und niemand anderes aber das Gelb meiner Augen zeugte von der Dunkelheit in meinem Herzen. So wie es bei Braig war.

Die Dunkelheit wirft keine Schatten, dort ist nichts, nur tiefe Schwärze aber ich hatte keine Angst mehr als ich sie durchschritt und mir meinen Weg bahnte in die Welt, die ich eigentlich nie mehr vorhatte zu betreten. Die Welt, in der ich hoffentlich den echten Braig finden würde. Die Welt, die niemals war.

Während ich die Welt der Niemande erneut betrat, fragte ich mich, was genau alles im Schloß passiert war, als ich das Bewusstsein verloren hatte. Lea erzählte mir zwar, dass alle Mitglieder der Organisation von Sora vernichtet wurden, darunter auch Xigbar, Luxord, Saix und ihr Anführer. Aber...dann müssten diese doch auch wieder zu Menschen mit einem Herzen geworden sein, oder nicht? Es gab so viel, was ich nicht wusste. Als ich erfuhr, dass Xigbar ausgelöscht wurde, hatte ich Angst, ihn nie wiederzusehen aber nachdem ich meinen Bruder und die anderen in Radiant Garden wiedersah, schöpfte ich neue Hoffnung. Alles fügt sich also wieder zusammen. Braig musste also irgendwo sein.

Mein Weg führte mich Richtung Schloß der Niemande. Durch die dunkle Präsenz, die ich ausstrahlte, hoffte ich weitesgehend unentdeckt zu bleiben. Sora, ich hoffte, Lea hatte recht. Ich wusste nicht, auf welche Art und Weise Sora während seiner Meisterprüfung geprüft wurde aber wenn Lea den Verdacht hegte, die Organisation könnte sich dort einmischen, dann war es sicher durchaus berechtigt. Ich wusste es doch, Lea war ein guter Kerl und während er und Sora's Freunde von außerhalb ihn beschützten, kämpfte ich mich von innen heraus durch.

Die Erinnerungen wogen schwer als ich den riesigen Wolkenkratzer erreichte, den ich bereits in meinem Bericht erwähnte, als ich das erste Mal auf Braig's Niemand traf. Die ganze Situation stimmte mich mehr als traurig, ich wusste immer noch nicht, warum, wieso und weshalb Braig dies alles auf sich nahm. Nur wegen Macht? Was waren seine Ziele?

Wie ich bereits erwähnt hatte, hatte Braig mir zu seinen Zeiten als Jemand nie offenbart, wo er ursprünglich herkam. Ob Radiant Garden überhaupt seine Heimat war? Kam er vielleicht wie genauso von einer anderen Welt? Ich wusste es nicht und selbst wenn ich ihm begegnen würde, bezweifelte ich, dass er mir irgendetwas über sich und seine Pläne preisgeben würde. Nichtsdestotrotz machte ich mir Sorgen und setzte meinen Weg schneller fort.

Am Fuße des Schloßes, das niemals war angekommen reagierte ich schon beinahe erschrocken darüber, wie die dunkle Macht nunmehr von mir abprallte. Im Vergleich zu meinem letzten Besuch fühlte ich keine Schmerzen, die mich an den Rand der Ohnmacht trieben, auch wenn für meine Bewusstlosigkeit letzten Endes Isa's Niemand Schuld hatte. War ich so anfällig, dass mir die kleinste Dunkelheit zu Kopf stieg? Zeigte mir das, dass ich doch ein schwacher Mensch war? Ich wollte mir nicht mehr so viele Gedanken darüber machen, es würde mir nur Kopfschmerzen bereiten und die konnte ich momentan wirklich nicht gebrauchen.

Vorsichtig schritt ich den leuchtenden Pfad zum Schloß empor, bis ich den Eingangsbereich erreichte und staunte nicht schlecht als ich den weitläufigen weißen Raum sah, der sich vor mir erstreckte. In die Wände war das Zeichen der Niemande graviert, die einzigen Wege, auf denen man laufen konnte, waren fast durchsichtige Platten, die in der Luft schwebten. Es dauerte nicht lange, da zog ich die Aufmerksamkeit einiger niederer Niemande an. Ich blieb still stehen und beobachtete sie. Die Scharfschützen. Diese Niemande hatte Xigbar Sora im Land der Drachen auf den Hals gehetzt. Ob sie merkten, dass ich nun "auf ihrer Seite" stand? Sie musterten mich misstrauisch, zogen sich dann allerdings zurück und ließen mich ziehen. Ich konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen.

"Na Xehanort, wie ist es, wenn man von den eigenen Waffen geschlagen wird?" Dieser alte Mann! Für einen Moment beschlich mich der Gedanke, ihm eines Tages die Kehle abzuschnürren, so groß war mein Hass auf ihn. Wenn ich ihm irgendwann gegenüberstehen sollte, würde ich ihn dazu zwingen, mir die Wahrheit über seine Absichten zu sagen. Ich brauchte die Antworten und musste wissen, woran ich war.

Einige Zeit später betrat ich die Stufen der Hoffnung, eine Treppe, die an die Halle der leeren Melodien anschloss. Ich zog mir die Kapuze ins Gesicht und setzte meinen Weg bis in die genannte Halle fort. Ein riesiger Raum erwartete mich. Als ich in der Mitte stand, schaute ich mich konzentriert um und es war wie ein Geistesblitz als ich auf einmal die Silhouette von Sora und Xigbar sah und wie sie gegeneinander kämpften. Ein langer, heftiger Kampf entbrannte, Braig's Niemand war unfassbar schnell und ich duckte mich einmal als ich dachte, seine Geschosse würden mich treffen.

Irgendwann ging er in die Knie, seine Waffen fielen aus seinen schwachen Händen. Mit erhobenem Schlüsselschwert stand Sora vor ihm.

"Warum hast du mich Roxas genannt?" Ein Kichern entglitt Xigbar und ließ Sora vor seinem Ableben mit Unwissenheit zurück. "Das wüsstest du wohl gern." Damit verschwand er. Ich blickte nach oben als die letzten Spuren seiner Nichtexistenz sich auflösten und griff ins Leere als ich versuchte, nach ihnen zu greifen.

"Braig, warum? Egal, was passiert, ich werde dich finden und die Wahrheit erfahren!" Mein Weg führte mich weiter bis ich die oberste Plattform erreichte und nunmehr den höchsten Punkt des Schloßes, der Altar des Nichts, wo ursprünglich das Kingdom Hearts erstrahlte, allerdings war dieses nicht mehr dort.

In einer Erinnerung, die sich mir dort oben erschloss, musste ich mit Schrecken erkennen, dass Ansem der Weise sich geopfert hatte, um Kingdom Hearts zu zerstören, was ihm auch gelungen ist. Allerdings hat sich der Anführer der Organisation vor seinem endgültigen Ableben sich mit Kingdom Hearts verbündet und eine Tür erschien, die in eine verzerrte Version der Welt, die niemals war führte. Dort trugen Sora und Riku ihren Kampf gegen Xemnas aus. Xemnas verlor den Kampf und Sora und Riku kehrten auf ihre Insel zurück.

Warum sich mir auf einmal diese ganzen Erinnerungen, Namen der Mitglieder und dieser Welt erschlossen? Fragt mich etwas leichteres. Vielleicht lag es an der dunklen Macht, die nun in meinem Herzen wohnte aber erklären konnte ich es mir noch nicht.

Eine ganze Weile stand ich einfach nur da und schaute nach oben. Waren wirklich alle fort? War niemand mehr hier? Wieso war ich dann überhaupt hierher gekommen?

Bevor ich mir diese Fragen beantworten konnte, spürte ich auf einmal eine düstere Präsenz, die sich mir näherte. Eine unbeschreiblich dunkle Macht, die mir einen Schauer über den Rücken jagte und ehe ich es mir versah, spürte ich auf einmal, wie ich ergriffen wurde aber nicht von irgendwelchen Armen, sondern von Ketten. Schwarz-weiß verzerrte Ketten, die sich um meine Arme und Beine schlungen und mich festhielten. Einen Moment lang durchfuhr Angst durch meinen Körper aber ich versuchte standhaft zu bleiben.

Es dauerte nicht lange, da erschien vor mir eine Silhouette ganz in schwarz gehüllt, die Kapuze tief ins Gesicht gezogen und trat näher. Als sie genau vor mir stand, sah ich die orangeroten Augen, die mich intensiv musterten und eine tiefe, dunkle Stimme ertöhnte.

"Nun, dich habe ich hier noch nie zuvor gesehen aber...deiner Kraft zu urteilen, scheinst du eine von uns zu sein. Keine Sorge, du wirst bald alles erfahren."

War das...Xemnas? Ich hatte diese Stimme in meinen Erinnerungen gehört. Ehe ich mir diese Frage beantworten konnte, tauchte eine weitere Person auf, ein junger Mann mit grauen Haaren und den gleichen gelben Augen wie der alte Xehanort und brachte Xemnas dazu, die Ketten von meinen Gliedmaßen zu lösen. Ich sprach kein Wort, doch auf dieser jenige musterte mich argwöhnisch.

"Kommt mit mir!" Er reichte mir die Hand, ich fragte mich, ob ich mich hätte weigern sollen aber ich spürte, wie mich eine furchtbare Müdigkeit überkam und wie ich reflexartig nach seiner Hand griff. Danach wurde alles schwarz und als ich erwachte, fand ich mich in der Mitte eines riesigen kreisrunden, weißen Raum wieder, dreizehn Sitze in einem Kreis angeordnet. Etwas benommen schaute ich nach oben sah, dass die Sitze alle gefüllt waren. Eine Weile beobachteten hatte ich das Gefühl, dass sie mich beobachteten aber wie konnte das sein? Die Niemande...sie waren doch von Sora ausgelöscht worden! Doch dann...ertöhnte eine Stimme. Eine so düstere Stimme, dass ich dachte, mir würde das Blut in den Adern gefrieren.

"Sieh an, sieh an! Ein weiteres Wesen der Dunkelheit wohnt uns bei!" Ich schaute auf und erblickte...den alten Kauz, so wie Braig ihn immer genannt hatte. Nun stand er vor mir, der richtige Xehanort. Der, mit dem all das hier angefangen hatte. Er griff mir an das Kinn und schaute mir tief in die Augen. Ich versuchte so ruhig wie möglich zu bleiben, ich hatte Sorge, dass er merkt, dass ich anders bin als die anderen. Das Gelb seiner Augen bohrte sich tief in mein Innerstes.

"Hmmm...dich habe ich noch nie zuvor gesehen, geschweige kann ich mich daran erinnern, jemals dein Herz besetzt zu haben. Aber du scheinst eine außergewöhnlich starke Dunkelheit zu beherbergen. Wie ist dein Name?"

Ich schaute ihm tief in die Augen. "Mein Name...ist Xiala." Als ich das sagte, spürte ich, wie einer der Personen auf den Sitzen unruhig wurde.

"Nun Xiala...du bist ein potenzielles Wesen, das mir von nutzen sein kann. Wir werden sehen, ob du dich loyal erweisen wirst. Bald ist es soweit! Dann werden die dreizehn Dunkelheiten sich vereinen aber...noch sind wir nicht vollzählig. Xigbar, Xemnas, macht euch auf den Weg und sucht ihn! Den Träger des Schlüsselschwertes!"

Beinahe hätte ich meine Täuschung auffliegen lassen als Xigbar's Name fiel. Dieser widerrum trat zu uns hinunter und als er sich die Kapuze vom Kopf zog, wäre mir beinahe vor Freude das Herz aufgegangen. Beinahe erschrocken blickte mich "Xigbar" von der Seite an bevor er sich Xehanort zuwendete.

"Mit Verlaub, alter Mann aber vielleicht sollten wir unseren Neuankömmling erst mal in alles einweihen. Ich kümmere mich gerne persönlich um sie. Danach...werde ich mich unserer kleinen Schlafmütze zuwenden."

Ich wusste nicht, was Xigbar meinte aber im nächsten Moment willigte Xehanort mit einem Nicken ein.

"Gut, wir haben noch jede Menge Zeit. Kümmere dich um ihn sobald du mit allem fertig bist. Sorg dafür, dass unser Neuzugang einen angenehmen Aufenthalt hat." Ich war mir sicher, Xehanort war bewusst, dass ich nicht wie die anderen war und wollte mich testen. Nie würde er so leichtsinnig ein neues Mitglied aufnehmen. Ohne Wiederrede ließ ich mich von Xigbar abführen bis wir uns, nachdem er ein Portal beschworen hatte, in seinem Zimmer befanden.

Als ich vor ihm stand, hätte ich am liebsten laut angefangen zu weinen. Aus seinem Gesicht war jegliches Grinsen gewichen und Schock hatte stattdessen seinen Platz eingenommen.

"Xigbar...Braig...ich habe dich gefunden." Vorsichtig ging ich auf ihn zu und legte meine Hände auf seine Wangen. "Du bist es doch, oder Braig? Du bist nicht Xigbar! Du bist Braig. Du bist kein Niemand mehr, oder?" Doch vorsichtig nahm er meine Hände und drückte sie sanft von sich weg. "Laia...was ist geschehen? Wieso ist dein Herz von der Dunkelheit besessen? Ich wollte nicht, dass das passiert. Du solltest gar nicht hier sein!" Ich schloss die Augen und...auf einmal waren meine Augen wieder blau. Xigbar...Braig schaute mich fassungslos an. "Ich habe die Dunkelheit in meinem Herzen zugelassen, damit ich mich in eurer Welt frei bewegen kann, ohne aufzufallen und...damit ich dich finden kann. Ich hatte gehofft, dich wiederzusehen. Ich habe so viele Fragen. Willst du sie mir immer noch nicht beantworten?"

Wütend drehte Braig sich von mir weg. Es war wohl nicht das, was er sich für mich vorgestellt hatte. "Du hast das also alles auf dich genommen, um mich zu finden? Sweetheart...du bist so ein törichtes, dummes Ding! Warst es schon immer gewesen! Du hast dich nie aufhalten lassen, nicht wahr? Warum tust du das alles für mich? Du gehst sogar so weit, die Dunkelheit in deinem Herzen zuzulassen und sie zu akzeptieren und das, obwohl ich dir solche Schmerzen zugefügt und dir sogar die Wahrheit über deinen Bruder gesagt habe. Ich habe mich extra von dir ferngehalten weil ich der Meinung war, ich wäre der Auslöser für die dunkle Macht in dir gewesen und jetzt stehst du vor mir und...du dummes Ding! Wieso gibst du alles für mich auf? Ich verstehe es nicht!"

Ich blickte Braig intensiv an. "Warum tu ich das alles wohl, Braig? Warum nehme ich so viel in Kauf? Weil ich dich liebe. Ich liebe dich so sehr, dass es schmerzt. Ich war bereit, die Dunkelheit, die in meinem Herz ruhte, zuzulassen, um dich zu finden. Anscheinend...ruhte sich schon lange in meinem Körper und wartete nur auf die Gelegenheit, einen Riss in meinem Herzen zu finden. Ich habe mich mit ihr verbündet, damit ich dich finden kann und...ich habe dich gefunden...Braig. Du bist der richtige Braig. Du bist nicht sein Niemand."

Er hatte zwar schon die leicht gealterten Gesichtszüge, trotzdem sah Braig nun noch jünger aus als sein Niemand es war. Ein Grinsen entwich ihm. "Laia...du bist wirklich außergewöhnlich. Ja, ich bin der richtige Braig aber...ich bin nicht der Mann, den du sehen möchtest. Wenn ich dir die Wahrheit sage, wirst du mich hassen. Möchtest du die Wahrheit, Laia?"

Erneut ging ich auf ihn zu und fuhr mit den Fingern über seine Wangen. Ich musterte die gezackte Narbe, fuhr zärtlich mit dem Finger über sie und schaute ihm tief in das gelbe Auge. "Warum sagst du mir nicht einfach, dass ich bei dir bleiben soll? Dass du nicht willst, dass ich gehe? Wenigstens für einen Moment." Ich sah Schuld in Braig's Blick. Er konnte es nicht fassen, dass ich trotz allem so weit gegangen bin, um ihn zu finden. Ich wusste, dass die Wahrheit schmerzen würde und wer weiß, wie lange ich ihn an meiner Seite wissen konnte aber er war hier und ich wollte in diesem Moment einfach nur ihm gehören und ihm nah sein. Vorsichtig küsste ich seine Wange, atmete den Duft seiner Haut ein.

"Ich habe dich so sehr vermisst, Braig." Im nächsten Moment spürte ich, wie Braig mich packte und mir tief in die Augen schaute. Ich merkte, wie die Dunkelheit erneut sich an die Oberfläche kämpfte und meine Augen wieder das stechende Gelb annahmen. "Laia...meine Laia. Ob Dunkelheit oder nicht, du...du gehörst mir!"

Seine Lippen pressten sich auf meine und wir verschmolzen in einem leidenschaftlichen Kuss. Ich verlor mich in seinen Berührungen, grub meine Hände in seine Haare, bis sich sein Zopf löste und sich die lange Haarpracht zeigte. Ich krallte mich in seinen Mantel, riss an ihm so wie er mir meinen Mantel vom Körper riss.

"Schlaf mit mir! Bitte, ich will dich, Braig! Ich will dich! Ich habe mich so nach dir gesehnt!" Danach verloren sich unsere Körper im Rausch der Leidenschaft. Es war als ob er nie aufgehört hätte mich so innig zu lieben. Er ließ mich seine Leidenschaft spüren, ich lauschte dem Stöhnen seiner dunklen Stimme und gab mich ihm ganz hin. Vielleicht sollte es das letzte Mal sein. Ich wusste, dass die Wahrheit mir noch bevorstand aber das war mir in jenem Moment einerlei. Ich lag in Braig's Armen. Die Arme, die ich so vermisst hatte. Auch wenn es nur ein kurzer Moment war. Meine Lustschreie hallten an den Wänden seines Zimmers wider und es war mir egal, ob die anderen Mitglieder uns hören würden. Jeder Kuss brannte wie Feuer, ließ mich immer wieder aufschreien und seinen Namen rufen. Ich wusste, dass er seine Gefühle nicht offenbaren konnte, so wie ich es bei ihm tat aber er ließ es mich spüren und als ich wir zusammen den Höhepunkt erreichten, weinte ich in seine Haut vor lauter Wonne und Glück.

Laia - Bericht XVI

Ich liebe dich. Ich liebe dich. Ich liebe dich vom ganzen Herzen. Ich frage mich...ob du mich auch liebst.
 

Als ich aufwachte, ruhte meine Hand auf Braig's Brust. Ich blickte vorsichtig zu ihm hoch und er schlief. Friedlich, als ob es nie anders zwischen uns gewesen wäre. Seine Haare lagen kreuz und quer auf dem Kissen seines Bettes verteilt und ich fühlte, dass er einen Arm um mich gelegt hatte.

Wie lange waren unsere Körper so innig umschlungen gewesen? Es war viel zu lange her und ich habe ihn mit jeder Faser meines Körpers gespürt. Ich streichelte sanft mit einer Hand über seine Brust und hauchte ihm im Kopf immer wieder die Worte zu.

Ich wünschte, es hätte niemals geendet. Dieser eine gemeinsame Moment. Einmal wieder seine Nähe spüren, so wie damals. Doch ich wusste, dass ich nicht bleiben konnte. Ich richtete mich langsam auf, blickte auf sein Gesicht nieder und spürte die Tränen in meinen Augen.

"Ich liebe dich. Ich liebe dich so sehr. Ich möchte nicht gehen aber...ich kann nicht bei dir bleiben."

Die Tinte verläuft unter meinen Tränen während in diese Zeilen niederschreibe. Bis heute habe ich mich gefragt, wie ich jemanden lieben konnte, der so schlimme Dinge getan hat. Meine Familie und mich hintergangen und unzählige unschuldige Menschen auf dem Gewissen hat. Wenn ich nicht loslassen kann, muss es Liebe sein, oder? Mein Herz rast, meine Gedanken sind dauernd, jede Sekunde bei ihm und ich frage mich, was er wohl gerade macht.

Ich wollte aufstehen und gehen, da spürte ich, wie meine Hand festgehalten wurde und eine schlaftrunkene Stimme zu mir sprach.

"Wo denkst, gehst du hin?" Ich drehte mich um und sah, dass Braig wach geworden war. Ich wollte nicht weinen, wollte ihm nicht wieder diese Tränen zeigen.

"Du hast selbst gesagt, dass ich nie der Dunkelheit verfallen soll und du weißt, dass ich trotz der Dunkelheit in mir immer noch ein Wesen des Lichts bin. Ich...kann nicht bleiben. Ich muss gehen und Sora retten."

Vorsichtig zog mich Braig auf seine Brust zurück und musterte mich tief mit seinem gelben Auge. "Du weißt, dass ich dich nicht gehen lassen kann, oder? Wenn ich dich jetzt gehen lasse, wird Xehanort meinen Verrat merken und dich töten. Du bist dir nicht bewusst, welche Kraft er besitzt."

Sanft legte ich mich auf Braig's Brust und blickte ihn an während ich zärtlich mit der Hand durch seine Haare fuhr. "Braig, bitte...warum sagst du mir nicht die Wahrheit? Was habt ihr vor? Ihr wurdet doch nicht alle zu Niemande, um wieder vollkommen zu werden, nachdem Kingdom Hearts vervollständigt worden wäre. Ich sehe es doch an deinem Auge...deinen Haaren...diese grauen Strähnen...sie werden immer mehr. Bitte...ich weiß, du willst es nicht verstehen aber...ich habe Angst um dich. Ich will dich...ich will dich nicht verlieren."

Ich konnte die Tränen nicht zurückhalten. Ich wünschte mir so sehr, dass er es doch merken würde. Wieviel er mir bedeutete. Wie sehr mein Herz sich nach ihm sehnte. Mit dem Handrücken wischte er meine Tränen weg.

"Oh Sweetheart. Bitte hör auf zu weinen. Ich kann es nicht ertragen wenn du weinst." Langsam richtete er sich auf und schaute aus dem Fenster. "Du hast recht, wir sind keine Niemande geworden, um vollkommen zu werden. Wenn ich dir die Wahrheit sage, wirst du mich hassen."

Ausdruckslos blickte ich ihn starr an bis er weiter erzählte. "Xehanort verfolgte von Anfang an ein bestimmtes Ziel. Die Organisation XIII zu gründen spielte dabei eine wichtige Rolle. Es war tatsächlich so, dass unsere Niemande keine Herzen hatten, deswegen bot sich die leere Hülle auch perfekt für Xehanort's Plan an. Erinnerst du dich an den jungen Mann, der dich in den runden Raum gebracht hat? Ich traf diesen Jungen, als ich wieder ein Mensch wurde. Das ist auch Xehanort. Eine junge Version von ihm. Wie dem auch sei, wir redeten den Mitgliedern ein, dass sie unvollkommen wären und Herzen bekämen wenn Kingdom Hearts vollständig wäre, der Plan sah allerdings vor, alle Mitglieder, so leer sie auch waren, mit denselben Gedanken und Herzen zu füllen. Wird dir klar, worauf ich hinaus möchte?"

Ich bekam kein Wort heraus. Mir wurde sogar eher schlecht und ich hatte das Gefühl, dass ich kurz vor der Ohnmacht wäre, doch ich antwortete mit zitternder Stimme. "Ihr...wolltet alle Mitglieder zu Xehanort machen! Deswegen...deswegen hast du auch...also warst du die ganze Zeit schon von ihm besessen. Er hat bereits in Radiant Garden einen Teil seines Herzens in deins gepflanzt." Ein Grinsen entwich Braig. "Bingo! Genauso war es. Allerdings schlug der erste Plan fehl, denn Roxas, Axel und ein weiteres Mitglied, die Puppe namens Xion, begangen wirklich Gefühle zu entwickeln und somit war der Plan Xehanort's zunichte gemacht. Wie wir bereits bei unseren Forschungen rausgefunden hatten, war der Verlust des Herzens nur eine zeitliche Begrenzung aber die Mitglieder waren sehr leicht beeinflussbar."

Langsam richtete ich mich auf. "Braig...wieso sollen alle zu Xehanort gemacht werden? Warum das alles? Warum genau dreizehn Mitglieder?" Langsam drehte sich Braig zu mir und lächelte mich an. "Das wirst du früh genug herausfinden, Sweetheart."

Ich hätte ihm am liebsten ins Gesicht geschlagen, stattdessen rollten die Tränen meine Wangen runter. "Das heißt...das heißt, dass du irgendwann...du wirst irgendwann nicht mehr Braig sein, nicht wahr? Deswegen verändert sich deine Haarfarbe. Du...bist du bereits Xehanort?"

Er legte mir eine Hand unter das Kinn und blickte mich intensiv an. "Ich? Ich bin bereits halb Xehanort." Ich wünschte, mein Herz hätte in dem Moment aufgehört zu schlagen. Ich spürte, wie mir ein kalter Schauer den Rücken hinunterglitt und ich mich nicht bewegen konnte.

"Laia...ich weiß, dass ich dir sehr wichtig bin und verstehe es nicht. Ich wünschte mir, du würdest mich hassen. Ich werde irgendwann nicht mehr der sein, der ich einst war und wenn ich ehrlich bin, bin ich froh, dass ich nicht mehr der Braig bin, den du einst kanntest. Ich habe größeres vor. Ich habe meine eigenen Pläne, die ich verfolge. Nur deswegen bin ich so weit gegangen. Ich wollte dich nie in all das mitreinziehen weil du die erste Person warst, die nett zu mir war. Vielleicht wäre alles anders gekommen, hätten wir früher zueinander gefunden. Aber es ist zu spät, Sweetheart. Du kannst das Rad des Schicksals nicht aufhalten. Xehanort wird als nächstes Sora finden und dann wird dieser als dreizehntes Gefäß für Xehanort dienen. Du kannst es nicht mehr stoppen, Laia. Es ist zu spät."

Mir war es egal, ob er meine Tränen sah. Ich würde ihn verlieren. Ich würde Braig verlieren. "Warum hast du dich auf all das eingelassen, Braig? All das, was wir hatten, alles, was ich dir geben wollte, hat dir das nie etwas bedeutet? War ich...nur eine Ablenkung für zwischendurch? Ich muss wirklich naiv gewesen sein. Ich hatte solche Hoffnungen. Ich wollte...dich glücklich machen. Ich wollte...mit dir zusammen sein. Du warst alles für mich." Ich griff Braig bei den Schultern und drückte ihn unter mich aufs Bett. Ich spürte, wie meine Tränen auf sein Gesicht tropften.

"Du bist so grausam! Du bist ein Monster! Ja, ich wünschte mir, du wärst tot! Wenn du nicht gewesen wärst...wenn Xehanort nicht gewesen wäre, dann wäre das all nicht passiert! Das wird das letzte Mal sein, dass ich um dich weine. Ich liebe dich immer noch. Ich liebe dich so sehr und habe solche Angst dich zu verlieren! Ich will dich nicht verlieren! Ich will es nicht! Ich weiß, dass du meine Gefühle nicht verstehst. Wahrscheinlich hast du mich nie geliebt. Wie auch? Du hast es nie gelernt, du hast es mir nie gesagt. Aber eins sollst du wissen! Egal, was ihr vorhabt, auch wenn ich schwach bin im Vergleich zu dir oder diesem alten Mann...ich werde stark bleiben und kämpfen! Ich lasse nicht zu, dass ihr Sora weh tut! Und...ich werde nicht mehr weinen." Ich lächelte als sich meine Augen wieder gelb färbten und die Tränen flossen. "Bald...werden diese Gefühle auch nicht mehr weh tun. Ich werde über dich hinwegkommen. Und eines Tages wenn ich stark genug bin, werde ich dich bekämpfen."

Mit einem Lächeln auf den Lippen streichelte mir Braig über die Wange und wischte meine Tränen weg. "Gut, auf diesen Moment werde ich warten, Sweetheart. Ich kann es kaum abwarten. Und ich weiß, du bist stark. Bist es schon immer gewesen. Stärker als ich es je war. Ich habe dich wirklich nicht verdient. Du hast so ein gutes Herz. Vielleicht ist es besser, wenn du mich vergisst. Ich füge dir immer nur Schmerzen zu."

Ich wusste nur noch, dass ich meinen Kopf noch lange an seiner Brust bettete und lautstark weinte. Ich weinte so lange, bis ich nicht mehr konnte. Egal, wie sehr ich versuchen würde, ihn zu hassen. Mein Herz würde immer Braig gehören. Als ich mich beruhigt hatte, drehte er mich unter sich und küsste sanft meine Wange und meinen Hals bis er schließlich noch einmal meine Lippen mit seinem Kuss verschloß.

"Mein Sweetheart, ich wünschte, du würdest für immer mir gehören. Am liebsten würde ich dich für immer behalten. Du nennst es Liebe. Was denkst du, was es ist, was ich für dich empfinde?"

Ich konnte ihm darauf keine Antwort geben. Vielleicht war es Liebe aber...als ich mich danach ein letztes Mal in seinen Armen wiederfand, dachte ich eher...an Besessenheit.
 

Diese Ruhe. Ich genieße die Stille meines alten Zimmers, was ich wieder aufgebaut habe. Eine köstliche Tasse Tee steht neben mir auf dem Tisch und das Gefühl, wieder ein echtes Bett unter mir zu haben fühlt sich wunderbar an. Aber...ich habe es noch nicht geschafft, aufzuhören zu weinen, geschweige denn geschafft, Braig zu vergessen und mir gehen diese Worte, die Xehanort beim letzten Gefecht zu König Mickey sagte, nicht mehr aus Kopf.

Die sieben Prinzessinnen des Lichts und dreizehn Diener der Dunkelheit. Vereint erschaffen sie ein wahrlich mächtiges Artefakt, das in der Lage ist Kingdom Hearts zu öffnen und mit dem man die Kontrolle über alle Welten erlangen kann. Ein Schlüsselschwert, mit dem ein weiterer Schlüsselschertkrieg ausgelöst werden könnte. Das eine Schlüsselschwert. Die X-Klinge. Ich erfuhr, dass während des ersten Krieges die X-Klinge zerstört wurde und zwanzig Teile, sieben bestehend aus Licht und sieben aus Dunkelheit, zurückließ. Xehanort's dreizehn Diener der Dunkelheit sollten als Gefäße dienen sowie als Mittel zur Erschaffung der X-Klinge. Er brachte die dunkle Fee Malefiz dazu, die sieben Prinzessinnen des Lichts zu finden und die er zur Erschaffung der X-Klinge benötigte.

Braig war davon ausgegangen, dass ich mich der dunklen Seite anschließe aufgrund der Dunkelheit in meinem Herzen, doch als Riku und Mickey im runden Raum auftauchten und anschließend sogar Lea, der es in letzter Sekunde vereiteln konnte, dass Sora's Herz auch von Xehanort besessen wird, kämpfte ich mich hoch und stürzte mich auf Xemnas uns Ansem. Ich konnte nicht viel tun aber sie davon abhalten, dass sie den beiden etwas schlimmeres antaten bevor sie ihre Schlüsselschwerter beschworten und die beiden Kuttenträger zur Flucht zwangen. Einen Moment lang starrte ich Xehanort in die gelben Auge und erntete ein hämisches Grinsen. Auch Braig schenkte mir ein Grinsen, bis heute konnte ich allerdings nicht einschätzen, ob es Häme war oder ein Anerkenntnis meiner Stärke. Er wusste, dass ich mich niemals Xehanort unterwerfen würde und als die Zeit um war, verschwanden Xehanort und seine dreizehn Gefäße der Dunkelheit im Nichts. Ich warf einen letzten Blick auf Braig. Für einen Moment hatte ich das Verlangen meine Hand nach ihm auszustrecken und zu rufen "Warte auf mich! Ich werde dich retten!" aber ich konnte nicht.

Sora war gerettet sowie Mickey und Riku und wir kehrten in die reale Welt zurück. Ich kehrte nach Radiant Garden zurück. Zu meiner Familie, die auf mich wartete.

Ich habe sehr viel erlebt und weiß nun sehr viel. Die Wahrheit lastet auf meiner Brust und ich wünschte, ich könnte endlich aufhören, um den Mann zu weinen, der Schuld daran trägt. Aber...ich kann meine Gefühle doch nicht leugnen. Ich liebe Braig und werde es wohl immer tun.

Seit den Vorfällen ist einiges an Zeit vergangen, ich gehe seitdem meiner Aufgabe als Gardistin wieder nach und helfe biem Aufbau von Radiant Garden aber wenn ich zum Himmel schaue, sehe ich immer wieder Braig vor mir, wie wir gelacht und geweint haben und dann muss ich wieder weinen weil ich irgendwo weiß, dass er nie wieder zurückkommen wird. Braig, ich gebe nicht auf. Aufgeben lag mir nie aber ich frage mich manchmal, ob ich diesen dunklen Kräften gewachsen bin. Du hast mir die Wahrheit offenbart, ich weiß so viel und dann wieder nichts. Du hast mir Xehanort's Pläne offenbart aber welche Rolle spielst du in der Geschichte? Warum hast du dich für diesen Weg entschieden? Wenn wir uns eines Tages wiedersehen, wirst du mir dann die Wahrheit sagen?

Manchmal, wenn ich Nachts schlafe, habe ich plötzlich das Gefühl, eine Hand auf meiner Schulter ruhen zu haben. Dann nehme ich plötzlich deinen Duft wahr und bekomme das Gefühl vermittelt, dass du trotz deiner Dunkelheit über mich wachst und ich dir doch nicht egal bin. Ja, Besessenheit kam mir in den Sinn aber ist es nicht auch irgendwo Liebe? Ich denke, Liebe definiert sich für jeden anders. Vielleicht denkst du nicht, dass es Liebe ist aber deine Berührungen und deine Taten und dass es dir nicht egal ist, was mit mir passiert, sprechen für sich.

Uns steht ein schwerer Kampf bevor, wahrscheinlich sogar ein Krieg! Braig, ich werde vorbereitet sein! Ich werde stark sein und meine Familie beschützen. Ich habe die Dunkelheit in meinem Herzen gelernt zu kontrollieren. Sie wird mich niemals einnehmen. Ich bin ein Wesen des Lichts, eine Wächterin des Radiant Gardens. Wenn ich dir eines Tages gegenüberstehen sollte, werde ich nicht weinen. Ich hoffe, dass ich dann die Wahrheit über dich erfahre und vielleicht weiß ich dann auch endlich, wo ich herkomme. Aber eins weiß ich genau, egal, wo ich herkomme, Radiant Garden ist meine Heimat und ich bin bereit zu sterben, um diese Welt und meine Familie zu beschützen.
 

Ich liebe dich, Braig. Ich möchte, dass du das weißt. Ich habe die Hoffnung noch nicht aufgeben.
 

Wenn ich in den Spiegel schaue, muss ich lachen. Meine Haare sind länger geworden. Vielleicht sollte ich sie wachsen lassen. Meine Berichte sind vorerst beendet, ich werde an anderer Stelle gebraucht. Ein sanfter Wind gleitet durch mein Zimmer. Ich hoffe, Dilan erwacht bald. Ich kann es kaum erwarten, ihn wieder in die Arme zu schließen. Geliebter Bruder, ich bin Zuhause. Dort, wo ich hingehöre.

My Heartbeat - Gedankenaustausch

Laia
 

„Braig, du kannst auch absolut nichts richtig machen, oder? Am besten solltest du einfach verschwinden, du gehst deinen Aufgaben eh nicht nach! So jemanden wie dich können wir hier nicht gebrauchen!“

„Bruder, jetzt hör auf, musst du immer so fies zu ihm sein?“

„Halt dich daraus, Laia! Das geht dich überhaupt nichts an!“

„Ist schon gut, Sweetheart. Du musst mich nicht in Schutz nehmen. Ich habe deine Worte zur Kenntnis genommen, Dilan und werde sie vielleicht beherzigen. Ciao.“

Mal abgesehen von den ganzen Ereignissen, die sich auftaten, bevor und nachdem dieser Xehanort auftauchte, waren wir doch wie eine Familie, die hier und da auch mal Auseinandersetzungen hatten. Es war eigentlich nicht meine Art, dass ich mich für Braig einsetzte. Wenn man bedenkt, wie er mit mir und den anderen umging, war mein Verhalten eher fragwürdig. Vor allem bei meinem Bruder stieß ich dabei immer wieder auf Granit. Aber ich konnte halt gut zwischen den Zeilen lesen und hatte eine gewisse Menschenkenntnis. Auch wenn Braig in dem Moment sein Grinsen aufgesetzt hatte und so tat, als ob ihm das alles egal wäre, sobald er sich umdrehte und ging, spürte ich die Trauer und die Einsamkeit, die von ihm ausging. Er hatte niemanden. Am Ende war er immer alleine. Ich wollte einfach nur nett sein und ihn näher kennenlernen. War das denn so verwerflich?

Als Dilan nicht mehr hinsah und wieder an seinen Posten zurückkehrte, folgte ich Braig und als ich ihn einholte, legte ich ihm meinen Arm über die Schulter. Was er sonst immer bei mir tat wenn er mich ärgern wollte.

Etwas irritiert blickte er mich von der Seite an, doch ich schenkte ihm ein warmes Lächeln.

„Hey, lach ein bisschen! Das steht dir besser als diese Trauermiene.“ Im ersten Moment verdrehte Braig dann immer genervt die Augen und löste sich von mir aber ich wusste, dass er es irgendwie gern hatte wenn ich in seiner Nähe war.

„Sweetheart, du hast gut reden! Du brauchst dir ja keine Sorgen wegen Ärger machen, Dilan ist schließlich dein Bruder.“ Ich schüttelte den Kopf und stemmte die Arme in die Hüften. „Naja, das stimmt auch nicht so richtig. Nur weil ich seine Schwester bin, heißt das nicht, dass ich in Watte gepackt werde. Mich hat er auch schon ein paar Mal getadelt aber da muss ich drüber stehen. Aber der Unterschied zwischen dir und mir liegt darin, dass du in der letzten Zeit wirklich oft von deiner Arbeit abkommst und ihr nicht nachgehst. Ich meine, es könnte mir eigentlich auch egal sein, es ist dein Posten, nicht meiner.“

Während wir durch die Wohnviertel wanderten, drehte sich Braig beim Laufen immer wieder zu mir um. Wenn er sprach, hatte er generell die Angewohnheit viel mit den Händen zu gestikulieren. Ich kaufte bei einem Laden eine Packung Plätzchen und folgte Braig weiter.

„Tss, mir wäre es lieber, es wäre dir egal, was mich angeht. Die kleine Schwester von Dilan will mich aufmuntern. Warum läufst du mir überhaupt dauernd hinterher? Hast du nichts besseres zu tun?“

Ich holte ihn ein und knuffte ihn in die Seite. „Du weißt wirklich immer, wie man Frauen ein Kompliment macht, Braig. Sehr charmant. Und um deiner Frage eine Antwort zu geben, du verhälst dich manchmal wie das letzte Arschloch aber ich habe dich trotzdem gerne und bin trotzdem gerne in deiner Nähe. Akzeptiere es doch einfach. Plätzchen?“

Ich hielt ihm grinsend die Packung mit Keksen unter die Nase. Zuerst blickte er mich skeptisch an, dann wurde sein Blick sanfter und ich sah etwas, wie Erleichterung und vielleicht ein bisschen Freude in seinen Blick.

„Gerne.“ Wenn ich dann das Lächeln in Braig's Gesicht sah, was er so selten zeigte und wenn, dann auch nur mir, dann machte mich das glücklicher als alles andere auf der Welt. Auch wenn wir zusammen die Wache an kalten Tagen übernahmen zeigte er mir öfters seine sanfte Seite. Er musste gesehen haben, wie ich zitterte, denn es war an dem Tag sehr frisch gewesen. Ich war zu sehr damit beschäftigt, dass Zittern meines Körpers zu kontrollieren, da spürte ich auf einmal, wie mir jemand etwas um den Hals legte. Als ich die Augen öffnete, sah ich, dass es sich um Braig's Halstuch handelte.

„Da kann man ja nicht hinsehen, so wie du frierst. Hier, damit du dich aufwärmen kannst.“ Ohne eine Miene zu verziehen, stellte er sich wieder neben mich. Ich schaute zu ihm, erstaunt über diese liebevolle Geste und lächelte. Ich schloss einen Moment die Augen und atmete seinen Geruch ein, der an dem Tuch haftete. Als ich wieder zu ihm rübersah, bemerkte ich das Herzemblem, was auf seiner Uniform prankte.

„Sieh an, du hast ja doch ein Herz.“ Natürlich hatte ich das zweideutig gemeint. Braig schaute etwas verlegen zu mir rüber und kratzte sich am Hinterkopf. „Gib es mir nachher einfach wieder.“ Typisch Braig, war nie in der Lage seine Gefühle offen zu zeigen. Ich schenkte ihm ein weiteres Lächeln. „Danke.“

Ich merkte, dass er mit meiner Art, wie ich auf ihn zuging, überfordert war aber ich liebte es, wenn er mich ansah, als wüsste er nichts mit meiner Reaktion anzufangen. Selbst als wir Wache im tiefsten Schnee schieben mussten und ich ihm einen Kakao mit Marshmallows reichte.

„Ich hätte zwar lieber einen Kaffee gehabt aber trotzdem vielen Dank.“ Ich setzte mich ohne ein Wort neben ihn und kuschelte mich an seine Schulter. Natürlich musste er wieder rumnörgeln aber das kleine „Vielen Dank“ reichte mir schon. Natürlich gab es und gibt es immer noch vieles, was ich nicht über ihn weiß und vielleicht werde ich es auch nie erfahren. Dennoch bin ich mir ziemlich sicher, dass ich Braig mittlerweile besser kenne als jeder andere hier im Schloss. Sollen sie ruhig sagen, dass er immer nur Nummer zwei bleiben wird. Auch wenn ich es ihm noch nicht zeigen kann, soweit bin ich leider noch nicht aber in meinem Herzen ist er schon lange die Nummer eins. Wir bleiben für immer zusammen. Stimmt doch, oder Braig?
 

Braig
 

Niemand hat sich je für mich interessiert. Sie alle dachten immer, ich bin zu nichts in der Lage, ich würde mich immer wieder Regeln widersetzen und meinen Aufgaben nicht nachkommen. Ich sollte mehr Dankbarkeit dafür zeigen, dass mir Ansem der Weise die Gelegenheit gab, in Radiant Garden zu leben. Als ob! Andauernd höre ich sie immer hinter meinem Rücken reden, ich gehöre nicht hierher. Sie sind doch alle gleich! Sie wissen nicht, was in mir vorgeht. Ich habe andere Pläne für meine Zukunft.

Ich habe gelernt, nur mich selbst zu respektieren und nur für mich einzustehen. Alle anderen waren mir egal. Ich wäre gerne so viel mehr als das. Habe ich mich schon immer als mehr angesehen als das, was ich jetzt war. Ein kleiner Teil von etwas ganz großen. Als ob! Ich wollte Macht, ich wollte viel mehr!

Menschen sind so herrlich manipulierbar. Nur ein falsches Wort und du regst sie zum Nachdenken an. Ich war schon immer ein Meister der Worte, ich weiß, wie man Menschen brechen kann. Ich hatte meine Ziele klar vor Augen...und dann...dann kam diese Frau.

Man sagt, die Dunkelheit kann noch so sehr von den Herzen der Menschen Besitz ergreifen, solange noch ein bisschen Gutes im Herzen der Menschen lebt, wird ihr Licht auch niemals erlöschen. Genauso ging es mir wenn ich die kleine Schwester von Dilan sah. Laia...ein reineres und unschuldigeres Herz hätte ich mir nie träumen lassen. So naiv, voller Lebensfreude, ein Wesen, das in allem immer noch das Gute sah...wie in mir. Sie war das komplette Gegenteil zu ihrem Prinzipienreiter von Bruder. Kaum zu glauben, dass so ein reines Wesen Gardistin wurde. Sie war eine gute Kämpferin, flink und ihr Kampfstil hatte gewisse Eleganz.

Ab dem Tag, wo sie den Gardisten und dem Wissenschaftsteam von Ansem beitrat, veränderte sich alles.

Ich dachte, ich käme damit zurecht, immer alleine zu sein. Ich habe mich damit abgefunden, dass ich niemanden hatte, der sich um mich sorgte. Deswegen ging ich diesen Weg. Den Weg der Dunkelheit und niemand hielt mich auf. Es war mir egal, was mit den Menschen um mich herum passierte. Aber...diese Frau...wie hatte ich es geschafft, ihre Aufmerksamkeit zu erlangen?

Ich habe nie Anstalten gemacht, sie in meine Nähe zu lassen. Am Ende kam sie von ganz alleine zu mir. Ich verstand nicht, was sie dazu bewegte, in meine Nähe zu kommen. Am liebsten hätte ich sie fortgejagt. Aber egal, wie sehr ich sie mit meinen Worten verletzte, sie kam immer wieder auf mich zu und...kleine, naive Laia. Sie öffnete mir ihr Herz wie kein anderer Mensch jemals zuvor und ließ mich in ihre kleine unbekümmerte Welt. Am Anfang interessierte sie mich kein Stück. Sie war mir egal wie die anderen hier. Was sollte so ein Wesen von solcher Reinheit schon ausrichten? Ich sollte eines besseren belehrt werden.

Im Gegensatz zu den anderen von Ansem's Schülern war Laia einer der wenigen Menschen gewesen, die nett zu mir war. Als ob sie schon früh mein Wesen erkannt hatte, wich sie mir irgendwann nicht mehr von der Seite, verbrachte, wo es nur ging, Zeit mit mir und...schaffte es tatsächlich mit ihrer liebenswerten Art mir ein Lächeln auf das Gesicht zu zaubern. Ich hatte schon ganz vergessen, wie das ging.

Ich verstand es nicht. Ich verstand nicht, was sie dazu bewegte, in meiner Nähe zu bleiben. Es fiel mir schwer zu akzeptieren, dass sie gerne in meiner Nähe war und...ich musste zugestehen, dass ich ihre Nähe genoss, auch wenn ich es ihr nicht zeigte und wenn nur unterschwellig. Sie war...wieso brachte sie mich so aus dem Konzept? Wenn ich in diese blauen Augen schaute...Augen, so tief blau wie das Meer...dann sah ich etwas in ihr, was in mir schon lange verloren schien. Liebe, Wärme, Zuneigung, Vertrauen. Alles Dinge, die ich nie kannte. Was sah sie in mir, was sie immer wieder in meine Arme trieb?

Ich wollte nie einen Menschen zu nah an mich rankommen lassen. Spätestens ab dem Moment, wo dieser alte Kauz Xehanort in mein Leben trat. Er bot mir die Möglichkeit, mehr Macht zu erlangen, als wie ich es mir je erträumt hatte. Alles war mir egal, ich ließ ihn sogar einen Teil meines Herzens einnehmen, um mir Zugang zu seiner Kraft zu verschaffen. Ich war bereit alles aufzugeben nur für ein bisschen Macht. Doch Laia...sie sah viel mehr in mir als wie ich war. Sie sah...etwas Besonderes in mir. Sie sah...Familie in mir. Einen Menschen an ihrer Seite, der ihr wichtig war. Dieses dumme Kind. Als ob ich ein Teil ihrer Familie, ein Teil ihres Lebens sein könnte.

Ich hatte Macht und mein Ziel klar vor Augen. Doch sie hatte etwas, was ich niemals besitzen würde. Diese Ehrlichkeit, diesen Mut...den Mut zu sagen, dass sie mich liebte. Warum tat sie das? An dem Tag, wo sie ihre Gefühle mir offenbarte und ich das erste Mal den Geschmack ihrer süßen Lippen auf meinen fühlte, war sie ehrlicher und schöner gewesen als jeder Mensch, dem ich seit jeher begegnet bin. Unfähig ihr eine Antwort zu geben, flüchtete ich mich zurück in Schloss, umgeben von einem einzigen Gefühlschaos. Wieso tat sie das? Dann trat einmal ein Mensch in mein Leben, der nicht unauffälliger sein könnte und dann mit einem Mal berührte sie auf eine Art mein dunkles Herz, wie es noch nie ein anderer Mensch zuvor getan hatte? Ich wollte ihr nicht glauben. Ich durfte mich nicht von ihr ablenken lassen. Sie stand mir im Weg und ich konnte nicht zulassen, dass mich ihre Gefühle aus dem Konzept brachten. Ich hatte Ziele! Wollte meinen Weg gehen und sah meine Zukunft klar vor Augen! Auch wenn ich alles, mein Leben und meine Existenz aufgeben müsste und dann kam da wie aus dem Nichts dieses eine Wesen, was alles veränderte? Das war nicht fair!

Ich wünschte, ich hätte sie umgehen können. Ich wollte sie ignorieren, wollte ihr Schmerzen zufügen. Seelische Schmerzen, damit sie sich von mir losriss. Hatte sie mich durchschaut? Mich und meine Absichten? War es die Einsamkeit, die mich umgab, die sie so anzog? Was war es?

Was hätte ich dafür gegeben, wäre sie doch einfach verschwunden. Aber sie kam immer wieder zu mir. Dieses törichte, dumme Kind! Sie war doch nur ein naives, gutgläubiges Kind! Die Welt war viel grausamer und ich würde ihr eines Tages ihr reines Herz aus diesem unschuldigen Körper reißen!

Ich konnte es nicht.

An dem Abend, wo sie mich in meinem Zimmer aufsuchte und ich über vieles nachdachte, tat ich so, als ob ich schlafen würde. Als ich ihre Lippen erneut auf meinen fühlte, spürte ich etwas in meiner Brust, was keine Dunkelheit der Welt je schaffen könnte. Glück, Freude, ein süßer Schmerz, den ich packen und nie mehr loslassen wollte. Ich öffnete die Augen und sah in diese strahlenden blauen Kristalle, die auf mich herabschauten. Sie war...so wunderschön. An dem Abend...war es Schwäche? War es die Einsamkeit? Oder wollte auch ich ihr mein Herz öffnen? Gefühle, die ich tief verborgen hielt weil ich Angst vor ihnen hatte? So ein Quatsch, ich hatte vor nichts Angst! Und doch...wieso ging mir das Herz so auf wenn sie in meiner Nähe war? Ich wollte es ihr zeigen. Wollte ihr zeigen, dass sie mir auch wichtig war. Wollte, dass sie bei mir blieb.

Ich habe sie beschmutzt. An dem Abend nahm ich ihr die Unschuld aber ihr reines Herz würde immer weiter schlagen. Sie war so wunderschön. Ich wollte ihr nicht mehr weh tun. Ich wollte sie glücklich machen. Einmal in meinem Leben war ein Mensch gut zu mir und brachte mich und meine Ideale vollkommen aus dem Konzept. Während ich sie liebte, hörte ich immer wieder diese Stimme in meinem Kopf.

„Du gehörst mir! Ich lasse dich nicht mehr gehen! Bleib für immer bei mir! Ich will, dass du mir gehörst!“ Ihre Lustschreie, ihre süßen Seufzer und wie sie meinen Namen schrie entfachten in mir eine Lust, wie ich sie vorher noch nie gefühlt habe. Sie brachte in mir Gefühle hevor, zu denen ich nie dachte, in der Lage zu sein, diese zu empfinden. Ich hatte Angst. Angst, sie loszulassen. Ich wollte sie halten. Wollte gut zu ihr sein. Wollte ihr all das zurückgeben, was sie mir gab. Jede Berührung meiner Hände auf ihrer Haut glühte wie Feuer, ich spürte sie mit jeder Faser meines Körpers. So wie ich war auch ihr Körper schmächtig, ich hatte das Gefühl, etwas zerbrechliches in den Händen zu halten, was mit äußerster Vorsicht zu berühren galt. Und dennoch konnte ich meine Lust nicht kontrollieren. Wenn ich ihre Lippen verlor, suchte ich sie wieder, nur um sie wieder innig zu verschließen. Meine Hände gruben sich in ihren Rücken, hielten sie so, feste dass ich Angst hatte, sie würde sich mir entziehen wenn ich sie losließe. Ihre Beine schlungen sich um meine Hüften, ihre Nägel kratzten über meinen Rücken. Ich konnte, nein, ich wollte sie nie wieder loslassen. Wenn sie gegen meine Lippen stöhnte, verlor ich mich in der Melodie ihrer Stimme. Der Duft und der Geschmack ihrer Haut war so berauschend, ich wollte sie komplett mit meinen Lippen und meiner Zunge in mich aufnehmen.

Ich konnte ihre Worte nicht erwidern, ich wusste nicht, wie ich es tun sollte. Ich konnte es ihr nur auf die Art zeigen. Wenn ich sie so glücklich machen konnte, wenn meine Lippen sich auf ihre legten, wenn meine Hände oder meine Zunge sie an ihren empfindlichsten Punkten berührten, wenn sie sich an mich drückte und ihre Arme um mich schlung, wenn sie sich unter mir vor Lust wandt, wenn ich ihr Lächeln sah und die Tränen vor Glück in ihren Augen und ihre Stimme meinen Namen wisperte, dann war mir das mehr wert als alles andere auf dieser Welt.

Von dem Tag an änderte sich mein ganzes Leben. Nichts war mehr wie zuvor. Als wir unsere Experimente in die Tat umsetzten, unzählige Menschen aus Radiant Garden entführten, unter der Führung des neuen Schülers Xehanort, der im Körper dieses jungen Kriegers Terra nun sein Dasein fristete, und sie für unsere Experimente am menschlichen Herzen missbrauchten, tat ich alles, um Laia von mir fortzujagen. Sie sollte mich hassen. Ich hatte mich verändert, ich dachte, ich sei nicht mehr der Mann, den sie einst liebte. Aber ich hatte sie unterschätzt. Ein weiteres Mal in einer Nacht verlor ich mich in ihren Lustschreien, wollte noch einmal den Geschmack ihrer Lippen auf meinen fühlen. Nur dieses eine Mal noch...bevor alles seinen Lauf nahm und wir die Tür zur Dunkelheit öffneten.

Wieviele Jahre sind seitdem vergangen? Es müssten mittlerweile 10 sein. Wir sind nun eine Gruppe von insgesamt 13 Mitgliedern. Ich stehe am höchsten Punkt des Schlosses, das niemals war in der Welt, die niemals war. Wir sind Niemande, der Anführer und ich lassen die restlichen Mitglieder im Glauben, wir könnten nicht fühlen weil wir keine Herzen haben. Sie nennen mich nun Xigbar, Nummer II der Organisation XIII, der Freischütze. Warum? Weil wir alle ein Teil von Xehanort sind. Sobald Kingdom Hearts komplett ist, werden sie alle die exakt selben Gedanken und Herzen besitzen. Sie werden alle zu Xehanort. 13 Gefäße für den Meister. Ich bin eines davon. Ein Grinsen huscht mir über die Lippen. Ich? Ich bin nur halb Xehanort. Aber ich verfolge weiterhin meine eigenen Pläne. Irgendwann wird sich alles erschließen und meine Stunde wird kommen. Keiner wird mehr ein schlechtes Wort über mich verlieren! Dann bin ich die Nummer eins!

Ja...die Nummer eins...ohne sie. Warum denke ich immer wieder an Laia? Ein König ohne seine Königin? Ich sollte sie vergessen, sie bedeutet mir nichts mehr! Nein, wir lügen nur die anderen an, es ist nur eine zeitliche Beschränkung, wo das Herz vom Körper getrennt ist. Wir haben alle Herzen aber habe ich nicht bereits gesagt, dass ich gut darin bin, meine Mitmenschen mit Worten zu manipulieren? Das ist meine Spezialität!

Was sie gerade wohl macht? Ob sie auch von der Dunkelheit in Besitz genommen wurde? Warum juckt mich das so? Sie war nur ein gewisser Zeitvertreib, am Ende war ich es, der ihr alles genommen hat. Ihre Familie, ihren geliebten Bruder...

Warum schmerzt mich der Gedanke an sie so sehr? Was hat sie nur mit mir gemacht? Die Geschichte ist ins Rollen gekommen, sie kann die Zukunft nicht mehr aufhalten! Was sollte ein kleines, unbedeutendes Licht wie sie schon tun? Ich sollte die Reinheit ihres Herzens nicht unterschätzen. Ein Mensch kann noch so schwach sein, solange das Licht in ihm brennt, kann er zu allem fähig sein. Laia, wenn du noch lebst, wenn du irgendwo da draußen bist, du wirst mich nicht aufhalten, oder? Wahrscheinlich hasst du mich für das, was ich dir angetan habe! Vielleicht...doch, ich bin mir sicher, es ist besser so.

Warum senke ich den Blick? Sie ist mir egal. Ich muss sie vergessen. Meine Hand wandert zu meiner Augenklappe. Laia gab sie mir als ich damals durch Terra mein Auge verlor. Nein, sie bedeutet mir nichts mehr. Da ist nichts mehr.

Laia, du hast mich schwach gemacht. Ich bewundere dich für deine Stärke und deinen Mut. Du warst aufrichtiger in deinem Leben als ich es jemals war. Du hast ein gutes Herz und solltest du irgendwo da draußen sein, wünsche ich mir, dass du das Licht in dir nicht verlierst. Verzeih, ich bin nicht der Mann, der an deiner Seite sein soll. Du hast jemand besseres verdient. Vielleicht sehen wir uns auf dem Schlachtfeld wieder. Wenn du es sein solltest, die mich aufhalten sollte, dann soll es so sein. Dann stehe ich dir gerne gegenüber. Auch wenn ich deinen ganzen Zorn zu spüren bekomme. Wenn ich doch...nur noch einmal dein Gesicht sehen kann...deine blauen Augen, die mich so in ihren Bann gezogen haben. Laia, du hast dich immer unterschätzt, du bist stärker als du denkst. Ich habe dir viele Schmerzen zugefügt aber am Ende war ich nicht in der Lage gewesen, dir dein reines Herz aus der Brust zu reißen. Nein, das hätte ich nie gewollt. Du hast es nicht verdient, ein Niemand zu werden. Du solltest leben.

Ich erschaffe ein Portal, mit dem ich mich in die dunkle Stadt dieser Welt teleportiere. Ich bin auf der Suche nach eventuell neuen Mitgliedern, dabei ist es nun nicht mehr nötig. Wir sind 13 Mitglieder, für Xehanort als Gefäß mehr als genug. Es fehlen nur noch die sieben Prinzessinnen des Lichts. Doch da! Ich spüre eine Aura nicht weit vom Wolkenkratzer der Erinnerungen entfernt. Ich gehe zum dortigen Platz, das Gesicht zum Himmel gerichtet. Es fängt an zu regnen. Ich spüre, dass jemand sich mir nähert. Nein, es ist niemand! Ein neues Mitglied? Das kann nicht sein!

Ich drehe mich ruckartig um, ziehe meine beiden Waffen. Wer ist das? Eine Gestalt kommt auf mich zu, die schwarze Kapuze des Organisationsmantels tief ins Gesicht gezogen. Etwas ist anders als sonst. Wieso wird mir auf einmal so komisch? Die Gestalt kommt näher auf mich zu. Warum kann ich nicht schießen? Wer ist das?

Eine Weile halte ich meine Waffen noch auf dieses Wesen gerichtet, es ist, als ob es mir unter der Kapuze bis tief in meine Seele schaut und mich angrinst. Auch nachdem es sich direkt vor dem Abzug meiner Waffe aufgebaut hat, ich sehe keine Anzeichen von Furcht oder Zeichen eines geplanten Angriffs. Seine Fingerspitzen legen sich auf den Abzug meiner Waffe und drücken sie leicht herunter. Dann ertönt diese Stimme. Die Stimme, die mir einen Schauer abwärts meinen Rücken laufen lässt. Meine Vergangenheit holt mich ein! Das kann nicht sein!

„Braig...lange nicht mehr gesehen.“

Langsam schiebt sie die Kapuze ihres Mantels nach hinten. Sie öffnet ihre Augen und ich sehe wieder dieses strahlende Meerblau umgeben von einer Mähne aus ungebändigten schwarzen Haar. Ihre Züge sind härter, sie ist älter, reifer, erwachsener geworden. Ihre Lippen, so üppig und füllig wie vor zehn Jahren schon, legen sich zu einem Lächeln. Als ich meine Fassung zurückgewinne, lasse ich meine Waffen verschwinden und nehme einen Schritt abstand.

„Laia, wie kann das sein? Was tust du hier?“

Sie schaut auf, ihr Blick feste und gerade auf mich gerichtet. „Braig, du hast dich verändert, alter Mann.“

Das beantwortet nicht meine Frage. Ich werde nervös.

„In dieser Welt heiße ich Xigbar. Und ich frage dich nochmal, was möchtest du hier? Bist du...ein Niemand?“

Alle meine Hoffnungen haben sich innerhalb von wenigen Sekunden in Luft aufgelöst. Ich habe mir das nie für sie gewünscht aber in mir keimt der Gedanke, dass sie es sein wird, die meiner Existenz eines Tages ein Ende setzen wird und wenn es der Fall ist, dann soll es so sein.

Ihr Lächeln wird breiter als sie mich aus diesen strahlenden blauen Augen ansieht und die Worte ausspricht, die ich nie hören wollte.

„Ich weiß, Xigbar. Mein Name ist Xiala. Beantwortet das deine Frage?“



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