A Medieval Night von Aphrodi ================================================================================ Kapitel 3: Loving Him --------------------- Sie standen mit ihren Getränken da und schwiegen. Es war immer schwierig mit Lucz, weil er kein großer Redner war. Dann hieß es in der Regel sehr viel selbst zu reden, um die Stille fern zu halten, doch momentan suchte auch Will hartnäckig nach einem Gesprächsthema. Er fand keins. Noch einmal nippte er an seinem Bier, das er gar nicht so gerne mochte, aber er wollte nichts sagen, wo ihm Lucz das Getränk doch besorgt hatte. Alkohol war nicht so sein Ding, doch auf diesem Fest schien es kaum etwas Anderes zu geben und wenn, dann war es für die Kinder, die ganz kleinen. Sie würden ihn sicher auslachen, würde er das trinken. So ohne jeglichen Wortwechsel kam es ihm vor, als würden sie schon Stunden dastehen, dabei mochten es Minuten sein. Es war erdrückend. Die Musik, die zu spielen begann, machte es etwas angenehmer, wie er fand. Sie war heiter und stimmungsvoll, vor allem aber schneller als die, die er von seinen Festen gewohnt war. Ein paar Kinder liefen hastig und lachend an ihnen vorbei, kreischten vergnügt. Er stolperte ein wenig zur Seite und stieß unabsichtlich gegen Lucz, schaute ihnen dann aber mit einem Lächeln nach, als der erste Schreck verflogen war. „Tut mir leid“, sagte er vorsichtig und machte einen Schritt zur Seite. „Macht nichts“, offenbarte Lucz, dann herrschte wieder Stille. Es war unfassbar unangenehm, doch er fand nichts, was er sagen konnte, ohne zu lügen. Und sich über das Bier zu unterhalten klang ohnehin nach einem furchtbaren Gesprächsthema.   „Lucz!“ Der Ausruf des Namens reichte, um böses zu verkünden. Es waren zwei Mädchen, die auf sie zu kamen. Will dachte im ersten Moment, es wären die jungen Frauen, die er vorher gesehen hatte, aber sie waren es nicht. Stattdessen sahen sie noch jünger aus. „Tanz mit uns!“, forderte eine von ihnen und die andere nickte freudestrahlend. An Lucz' Blick konnte Will keine Regung feststellen, aber das schien die Mädchen nicht davon abzuhalten, die Hand des Bauers mit beiden Händen zu ergreifen und ihn mitzuziehen. Sein kleiner Alptraum war eingetreten, nun würde er mit irgendwelchen Mädchen tanzen, die um seine Gunst buhlten und er konnte nichts dagegen machen. Eifersucht stieg in ihm auf, aber er wollte sie einfach nur verdrängen. Nicht, weil es ein unangenehmes Gefühl war – oder zumindest nicht nur deswegen. Er kam sich dabei noch so albern und ekelhaft vor, so einer wollte er gar nicht sein. Abstellen ging aber nicht, da hatte er jedenfalls noch kein Rezept für gefunden. „Du kommst auch mit!“, beschloss das andere Mädchen und zerrte ihn am Arm mit, den anderen hinterher zu einem großen Kreis tanzender Leute. Da war sie, seine kleine Katastrophe. „Aber ich kann nicht-“, wollte er protestieren, doch dann fand er sich schon in der Mitte wieder und stand verloren da, während alles um ihn herum tanzte, im Takt hüpfend, Schrittfolgen, die er noch nie gesehen hatte. „Keine Angst, es ist ganz leicht!“ Es war nicht leicht. Hilflos sah er sich um, suchte Lucz, fand ihn. Er tanzte tatsächlich. Er konnte es, auch wenn er nicht so aussah, als hätte er Spaß dabei. „Du musst den anderen zusehen, schau, was sie machen“, sagte seine Tanzpartnerin, die vor ihm hin und her hopste. Immer noch überfordert sah er zu seinen Nachbarn. Die Schritte der Männer waren tatsächlich ruhiger, einfacher. Manchmal wurde er angerempelt, wenn er nicht schnell genug wusste, was er als nächstes tun musste, oder dann, wenn sich plötzlich unvorhersehbar das Muster änderte. Er musste ein klägliches Bild abgeben und dann war der Tanz auch noch mit Partnertausch. So blamierte er sich also nicht nur vor seiner Tanzpartnerin, die zugegeben selbst Schuld war, sondern auch vor allen anderen, die das Pech hatten, mit ihm tanzen zu müssen. Peinlich berührt und hilflos wie ein Rehkitz blickte er ihnen in die Augen, sobald er patzte.   Es war eine dumme Idee gewesen.   Will musste auf die harte Tour lernen, wie unterschiedlich die Art zu tanzen war – die der Bauern und die seines Standes. Ihre Tänze waren ruhig, behäbig, die Bewegungen waren langsam und würdevoll. Es war einfach ihnen zu folgen, solange man wusste, wo man hingehen musste. Im zweifel folgte man eben seinem Nebenmann. Aber das hier... Hier war es alleine schon schwierig sich auf die flotten Schrittfolgen zu konzentrieren, dann noch darauf, wo man hingehen musste, mit wem man gerade tanzte. Es war sicherlich die Art zu tanzen, die mehr Lebensfreude versprühte, das sah Will an den anderen Gesichtern, sie waren alle heiter und voller Spaß.   Er wünschte sich, dass er auch einmal so mit Lucz tanzen könnte...   Ein alberner Wunsch, der nicht zu erfüllen war. Dieses hier würde sein einziges Bauernfest werden, ein kleines Abenteuer, das er spontan angetreten war – so wie damals. Beim Anblick der Leute um ihn herum, wie sie tranken, hemmungslos, wie sie aßen, feierten, wie sie tanzten. Ihm wurde nur noch einmal stärker bewusst, dass sie in zwei völlig unterschiedlichen Welten lebten, in die der jeweils andere nicht gehörte. Der Gedanke stach in seiner Brust. Er gehörte hier nicht hin und Lucz gehörte nicht zu ihm. Warum dann fühlte es sich so richtig an, wenn er mit ihm zusammen war? Warum könnte er ihn nicht einfach mitnehmen, zu einem seiner Feste, ihn allen anderen vorstellen, so wie ihm immer die Verlobten und Ehepartner seiner Bekannten vorgestellt wurden. Er wollte auch eingehakt mit ihm den Saal betreten und als Paar entlang schreiten. Will wollte, dass es jeder wusste, dass alle sie sahen, wie sie glücklich waren. Umso mehr schmerzte das Wissen, dass er diese Momente im Leben nie bekommen würde, nicht bekommen könnte in dieser Gesellschaft, in der sie lebten. Hinzu kam die Angst, dass Lucz irgendwann heiraten würde, dass er selbst heiraten müsste.   Die Musik hatte aufgehört, hatte ihn aus dem wilden Tanz befreit, die trübseligen Gedanken allerdings blieben. Zurück am Tisch, wo er sein Bier abgestellt hatte, suchte er nach Lucz, doch der kam nicht vom Tanzen los – sicher nicht, weil er unbedingt tanzen wollte, aber die jungen Damen und Mädchen schienen Schlange zu stehen. Einen Tanz lang stand Will ganz alleine mit seinem Bier in der Hand, von dem er kaum etwas getrunken hatte. Sein Magen knurrte. Er holte sich alleine etwas zu essen, probierte das Fleisch, das Brot. Appetit hatte er nicht so sehr. Am Tisch nebenan wurde fürchterlich gegrölt, als ein Mann den anderen im Armdrücken niedergerungen hatte. Mittlerweile fühlte er sich auch mit seiner traurigen Miene fehl am Platz. „Was ist denn, Jungchen, schmeckt dir das Essen nicht?“, fragte ihn eine ältere, füllige Dame. Will senkte den Blick kurz, schüttelte den Kopf dann. „Es schmeckt sehr gut.“ „Hast du etwas auf dem Herzen?“ Will fühlte sich ertappt. Er war scheinbar wirklich schlecht darin, etwas geheim zu halten. Schon als Kind hatte seine Mutter immer alles von seinem Gesicht ablesen können, egal ob er Kummer oder etwas Ausgefressen hatte. Schwach lächelte er. Es war Antwort genug für die Dame. „Die Liebe ist schon eine aufregende Reise“, kommentierte sie beiläufig und drückte ihm einen gegrillten Spieß in die Hand. „Hier, iss das. Gutes Essen macht glücklich. … Ich kann dir einen Rat geben, falls du einer alten Frau zuhören möchtest.“ „Natürlich“, bestätigte er höflich und warf einen Blick auf den Grillspieß. Er sah wirklich lecker aus und duftete so gut. „Wenn du das Glück hast, wahre Liebe zu erleben, dann darfst du sie nicht einfach loslassen. Du musst hartnäckig bleiben, denn sie ist ein seltenes Gut. Die Grenzen setzen wir uns selbst.“   Will lauschte ihren Worten aufmerksam. Natürlich klangen sie gut und er wollte ihnen Glauben schenken. Die Frau wusste sicher, wovon sie sprach. Sie hatte die Lebenserfahrung und auch, wenn sie keine Gelehrte war, so sprach sie in dieser Hinsicht wie eine. Manche Dinge lehrte einem eben nur das Leben selbst und die Liebe war eines davon. „Vielen Dank, ich werde mir ihre Worte zu Herzen nehmen“, bedankte sich Will und schenkte ihr noch ein Lächeln, drehte sich dann um, um nach Lucz zu sehen. Er erblickte ihn nirgends. Sein Magen wurde flau.   Mit dem Spieß in der einen Hand und dem Brot in der anderen ging er ein Stück, wohin, das wusste er selbst nicht genau. Er war verloren auf diesem Fest ohne Lucz, ebenso wie in seinen Gefühlen. „Da bist du“, sprach es plötzlich von hinten. Will erkannte die Stimme sofort, es war Lucz. Er drehte sich zu ihm um und sah in seine tiefbraunen Augen. Lucz sah überraschend heiter aus, ein Anblick, den er selten gesehen hatte. Und er hatte keine Ahnung, warum er es war. „Tanzen liegt dir nicht so“, stellte Lucz fest und Will senkte den Blick, lief rot an und wollte am liebsten im Erdboden versinken. Dieses Mal war er es, der schweigsam war. „Komm mit“, forderte Lucz schließlich und ging voran, vorbei am Essen, um etwas davon mitzunehmen. Sie landeten schließlich etwas ab vom Geschehen an einen Baum gelehnt sitzend und essend. Noch immer schwiegen sie, aber Will war wieder glücklicher. Er war mit Lucz alleine. Für diesen Moment gehörte er ganz ihm. „Es ist so anders“, bemerkte Will schließlich und sah über seine Schulter zurück zum Fest. Lucz sah ihn an, als er den Kopf zurückdrehte, irgendwie fragend. So als wollte er ihm sagen: „Das war doch klar, was hast du erwartet?“ „Ich meine...ich wusste, dass es anders wird, aber...“, versuchte er sich zu erklären. „Ich gehöre hier nicht her. Werde ich nie. Das ist mir jetzt so richtig klar geworden.“   „Dann willst du also aufgeben?“   Die Frage ließ Wills Herz rasen. Nein, natürlich wollte er nicht! Wie könnte er Lucz aufgeben wollen, so sehr wie er ihn liebte? Es war schwer, aber es würde sich ein Weg finden. Sie mussten nur intensiv danach suchen.   „Ich könnte dich niemals aufgeben.“   Stille. Gewohnte Stille, die bei Lucz schon irgendwie so etwas wie Bestätigung war. Will biss ein Stück Brot ab, nur um sich daran im nächsten Moment fast zu verschlucken. „Dann tu es nicht.“ Er hustete, sah mit großen Augen zu Lucz, spürte eine Hand an seiner Wange. Und schon hasste er sich dafür, dass er Brot im Mund hatte. Will drehte das Gesicht weg, griff seine Hand, kaute. Er hätte einen Kuss bekommen können, aber dahin war der Moment – fast. Will spürte Lucz' Lippen an seiner Hand, sie küssten seinen Handrücken, seine Finger. Hastig schluckte er den Brotklumpen herunter, drehte das Gesicht wieder zu ihm, schaute ihm zu. Er wurde ein wenig rot um die Nase, verlegen.   „Ich liebe dich“, sagte Will leise. Lucz' Antwort folgte in Form von feuchtwarmen Lippen auf seinen eigenen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)