Schatten über Kemet von Moonprincess ================================================================================ 30. Kapitel ----------- Jono hatte sich auf der Ruheliege ausgestreckt, die Decke über seine Brust hochgezogen, und lauschte dem Prasseln des Regens auf die steinerne Veranda. Unter anderen Umständen hätte er das sehr beruhigend gefunden und wäre schnell eingeschlafen, aber die aktuellen Umstände waren ungewöhnlich.   Sein Blick glitt zu der Tür gegenüber, hinter der der General und Anzu verschwunden waren. Auch wenn er nicht hatte spannen wollen, er hatte sehr viel nackte Weiblichkeit gesehen. Und sein Kopf spielte ihm gerade vor, was die beiden Damen jetzt vielleicht genau hinter dieser Türe taten. Sehr nackt, mit funkelnden Wassertropfen, die zarte Brüste, flache Bäuche und feste Schenkel hinunterliefen.   Jono stöhnte und legte sich auf die Seite, die Tür im Rücken. Er sollte wirklich besser schlafen als sich so was zusammenzuspinnen. „Reiß dich am Riemen, Mann“, murmelte er sich selbst zu und seufzte dann. Falsche Ausdrucksweise… Er erinnerte sich an den kalten Regen draußen, an den Sturz und den Dreck. Er warf einen Blick zur Tür, die hinaus in den Garten führte, auf den Boden davor. Alles sauber. Eine Dienerin mußte sich darum gekümmert haben, während er versucht hatte, nicht vom General ausgezogen zu werden.   Nur die Peinlichkeit dieses Moments hatte ihn wohl davor bewahrt, zu deutlich zu zeigen, wie sehr ihm die beiden nackten… Argh! Jono klatschte sich eine Hand ins Gesicht. Oh Mann, oh Mann, oh Mann! Er konnte doch nicht hier und jetzt aufstehen und sich… Und dann noch zu einer Tempeltänzerin und einer Prinzessin! Er war ja so erledigt!   Stöhnend legte er sich erneut anders hin, bis er sein Krummschwert sah, daß auf seiner Kopfhöhe noch immer am Schemel lehnte. Immer griffbereit… Jono dachte an morgen. Hoffentlich war es morgen auf dem Übungsplatz kühler und…   Es knirschte von draußen und Jono saß aufrecht, eine Hand am Schwertknauf, die Haare im Nacken aufgestellt. Er atmete tief durch, lauschte dann mit angehaltenem Atem in die Nacht. Regentropfen klopften aufs Dach, an die Wände und Tür. Es plätscherte sanft. Dann krachte es und Jono griff sein Schwer so fest, daß seine Handfläche schmerzte. Heiße Feuchtigkeit lief seinen Nacken hinunter, als er langsam einen, dann auch den anderen Fuß auf den glatten Steinboden setzte.   Er stand auf. Langsame, tiefe Atemzüge, wie er es gelernt hatte, lange Schritte. War das Donner gewesen? Oder hatte jemand einen Stein an die Palastwand geschleudert? Jono lockerte seinen Griff um den Knauf etwas, seine Augen verengten sich. Die wenigen Schritte zu der Tür aus dünnem Holz hatten sich wie eine Ewigkeit angefühlt. Vorsichtig schob Jono sie mit der Schulter Millimeter für Millimeter auf, lauschte hinaus in die Nacht, sein Schwert schützend vor die Brust haltend.   Die Tür vibrierte auf einmal und Jono sprang einen halben Schritt zurück, starrte das Holz an, das sich nun nicht mehr rührte. Scheiße! War er wirklich so durch den Wind? Er starrte angestrengt durch den dünnen Spalt. Da flog etwas Weißes durch sein Blickfeld! Statt erneut zurück zu springen, biß Jono die Zähne zusammen und schob sich vor, durch den Türspalt. Vor ihm öffnete sich der Blick auf die Veranda mit ihrer kunstvoll aus Marmor gehauenen Umrandung. Blaßes Licht spiegelte sich im Wasser, das die Unebenheiten des rauen Steinbodens gefüllt hatte.   Jono brachte die Tür, dann die Wand hinter seinen Rücken. Er krallte seine Zehen in den Stein unter sich. Ein neuer Wind kam auf und peitschte den Regen direkt  zu Jono. Keuchend wandte er den Kopf ab, schüttelte sich, um das Wasser aus den Augen zu bekommen. Da raste etwas Weißes auf ihn zu! Jono hob das Schwert um einen Zentimeter, dann hörte er ein gräßliches Heulen, wie von einem verendenden Tier. Etwas dickeres als Wasser, klebrig und nach Kupfer stinkend, lief über Jonos verkrampfte Hände.   Jono riß die brennenden Augen auf. Vor ihm stand Ryou. Das Gesicht seines Kameraden war noch blaßer als er es in Erinnerung hatte, fast eine Einheit mit den zerrauften Haaren. Ryou hatte mit einer knochigen Hand sein Schwert umklammert. Aber das Entsetzlichste waren Ryous Augen. Schwärzer als der Himmel über ihnen, selbst das Mondlicht schien sie nicht aufzuhellen können. Die Schwärze triefte, sie rann über Ryous Wangen in einen ebenso schwarzen Mund.   „Du bist nicht mein Freund!“ schrie Jono und stieß die Kreatur zu Boden. Diese zischte und riß das Maul weit auf. Lange, dolchartige Zähne, verfault und schwarz zeigten sich. Die Kreatur sprang vor wie ein tollwütiger Hund, direkt auf Jonos Kehle zu.   Jono schloß die Augen. Er spürte den Luftzug, hörte das ekelhafte Geräusch aus der Kehle des Monstrums, fühlte die Bewegung. Mit einer Genauigkeit, die man nicht erlernen konnte, schlug Jono zu und polternd fiel etwas Schweres zu Boden. Warme Feuchtigkeit spritzte auf sein Gesicht und seine Brust. Jono öffnete die Augen.   Die Kreatur vor ihm hatte im Tode alle Ähnlichkeit mit einem Menschen verloren. Die schwarzen Glieder ragten verdreht in den Himmel wie die morschen Äste eines Baumes. Die Haut war vor langer Zeit verwelkt und in den Augenhöhlen saß nicht mehr als ein Schatten dessen, was einmal Gefühle hatte zeigen können. Jono bückte sich und hob den abgetrennten Kopf hoch, starrte auf die einst scharfen Zähne, das einst edle Gesicht, dann schleuderte er den Schakalschädel mit einem Würgen von sich. Auf einmal fühlte Jono ein Zittern. Nur mit Mühe kam er auf die Beine, schwankend. Es mußte ein Traum sein, ein Traum…   Er taumelte hinaus auf den Rasen, stöhnend wandte er dann sein Gesicht dem Regen zu, ließ diesen verdorbenes, totes Blut und Angstschweiß von seiner Haut waschen. Der Traum war nur ein Alptraum. Nur ein Alptraum…   Jono wandte sich um, starrte den Kadaver an und wußte nur eines: Die Dämonen hatten den Schutzwall überwunden. Niemand mehr war sicher. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)