Star Trek - Timeline - 01-02 von ulimann644 (Kadettenjahre - Teil-2) ================================================================================ Kapitel 1: Hals über Kopf ------------------------- 1. Hals über Kopf Lieutenant Junior-Grade Christina Carey war am Ende ihrer nervlichen Kräfte angelangt, als sie endlich auf Sternenbasis-1 angekommen war. Inmitten der weiten Ringhalle, die zu den unteren Anlegedocks des gewaltigen Innenhangars der Pilzsektion führte, stellte sie ihr Gepäck ab um sich zu orientieren. Ihr Vorgesetzter, im Hauptquartier der Sternenflotte, hatte ihre ohnehin knappe Vorbereitungszeit über Gebühr beansprucht, so dass sie das Sternenflottenraumschiff verpasst hatte, mit dem ihr Team nun bereits nach Andoria unterwegs war. Das einzige andere Raumschiff, das in den nächsten Tagen nach Andoria flog, war ein Passagierraumschiff, die ESTRELLA VESPERTINA, und das startete in knapp zehn Minuten. Ohne dass sie bisher herausfinden konnte, von wo genau. Darüber hinaus würde sie mit dem Captain des Raumschiffes noch eine harte Verhandlung führen müssen damit er sie auch mitnahm, denn natürlich hatte sie so kurzfristig keine Passage für dieses Raumschiff mehr buchen können. Ihre blau-grauen Augen blickten sich in der weiten Halle nach einem der zahlreichen Hinweisschilder um, als ihre Aufmerksamkeit abgelenkt wurde. Zwischen all den relativ entspannt wirkenden Wesen, die von den verschiedensten Welten der Föderation stammten, wobei hier Menschen eindeutig die Mehrheit ausmachten, fiel der hochgewachsene, athletische Andorianer, der mit geschulterter Reisetasche durch das weite Rund hetzte, aus dem Rahmen. Er trug die rot abgesetzte Uniform eines Kadetten der Sternenflotte und spontan beschloss die junge Wissenschaftlerin, ihn anzusprechen. „Hey, Kadett, vielleicht können Sie mir...“ Der Andorianer hielt kurz an und erklärte mit bedauernder Miene: „Tut mir leid, Lieutenant, aber ich bin wirklich spät dran. Die ESTRELLA VESPERTINA startet bereits in knapp zehn Minuten nach Andoria. Bis dann.“ Fassungslos beobachtete Christina Carey den Andorianer dabei, wie er wieder Tempo aufnahm und in der Menge verschwand. Normalerweise gutmütig bis ins Mark, spürte sie ihr irisches Blut aufwallen und wütend rief sie ihm nach: „Ja – lauf, Barry!“ Die junge Frau wusste nicht, wie alt dieses geflügelte Wort war, für Leute, die es über Gebühr eilig hatten, noch warum der Name Barry dabei eine Rolle spielte, doch es hieß, dass dieser Ausruf aus der Prä-Warp Ära stammte. Dann sammelte sie sich wieder und rief sich in Erinnerung, welchen Schiffsnamen der Andorianer ausgesprochen hatte. Er wollte offensichtlich ebenfalls zur ESTRELLA VESPERTINA. Sie bekam gerade noch mit, in welchen Verbindungsgang er verschwand. Schnell nahm sie ihre schweren Taschen auf und beeilte sich, dem ungehobelten Andorianer zu folgen. Dem würde sie etwas erzählen, falls sie ihm an Bord des Passagierschiffes erneut begegnen sollte. Während sie durch die Halle hastete dachte sie wütend daran, dass dieser kräftige Andorianer ihr außerdem gut beim Tragen der schweren Taschen hätte helfen können. Das brachte sie zusätzlich in Fahrt. Etwas atemlos kam Christina Carey schließlich am Verbindungsgang an und strich sich mit gespreizten Fingern das lange, schwarze Haar zurück, bevor sie den Steward ansprach, der an der Schleuse die Unterlagen der Passagiere kontrollierte. Tief durchatmend sprach die Wissenschaftlerin den Mann an. „Entschuldigen Sie, Mister, Mein Name ist Christina Carey. Ich habe zwar keine Passage, aber ich muss dennoch an Bord dieses Raumschiffes um nach Andoria fliegen. Es handelt sich um einen dringenden, wissenschaftlichen Auftrag.“ „Nun, Miss, ich weiß nicht, ob...“ „Aber ich weiß es!“, fauchte Christina Carey aufgebracht. „Rufen Sie den Captain an und lassen Sie mich mit ihm reden.“ Der Steward setzte eine neutrale Miene auf. „Einen Moment, Miss.“ Sein Armband-Gerät aktivierend und es vor den Mund führend, sagte er: „Captain Valosan, hier spricht Karman. Eine Wissenschaftlerin der Sternenflotte, mit Namen Christina Carey, bittet darum, mit Ihnen zu sprechen.“ Zur Überraschung der beiden Menschen an der Schleuse des Verbindungsganges, kam durch den Kommunikator zurück: „Das geht in Ordnung, Karman. Ein gewisser Commander Mick L. Angelo, von der Forschungsabteilung der Sternenflotte, hat mich eben kontaktiert. Ich war im Begriff, Sie zu informieren. Lassen sie die Dame an Bord und bringen Sie sie in mein Quartier, sobald wir abgelegt haben. Ich kümmere mich dann persönlich um diese Angelegenheit. Valosan, Ende.“ Der Steward bestätigte und wandte sich dann zu Christina Carey, deren Haltung sich spürbar entspannt hatte. „Sie scheinen Glück zu haben, Miss Carey.“ Die junge Wissenschaftlerin nickte und meinte entschuldigend: „Tut mir leid, dass ich Sie eben so angefahren habe. Aber dieser Tag hat irgendwie chaotisch angefangen.“ „Kein Problem, Ma´am.“ Der Steward wartete, bis das Zeichen kam, dass das Schiff ablegen sollte. Wortlos nahm er Christina Carey zwei der drei großen Taschen ab und setzte sich in Bewegung. Erst nachdem sie den Verbindungsgang hinter sich gelassen, und sich das Schott des Passagierschiffes hinter ihnen geschlossen hatte, ergriff der Steward wieder das Wort. „Das Schiff ist bis zum letzten Quartier ausgebucht. Ich fürchte, ihre adäquate Unterbringung wird nicht ganz einfach sein.“ „Wird schon werden“, erwiderte die Wissenschaftlerin leichthin. „Der Flug nach Andoria dauert ja nicht länger als dreißig Stunden. Das werde ich irgendwie überstehen.“ Sie erreichten das Quartier des Captains und der Steward stellte eine der Taschen ab um den Kontaktgeber des Schotts zu betätigen. Einen Moment später teilte sich das Schott vor ihm und Christina Carey, und der Steward ließ der Wissenschaftlerin höflich den Vortritt, bevor auch er eintrat. Ein ergrauter Mittfünfziger saß hinter dem Schreibtisch des kombinierten Arbeits-Wohnraumes und erhob sich, als Christina Carey näher kam. Karman hielt sich einen Schritt hinter ihr, und stellte die Taschen zu Boden. „Guten Morgen, Miss Carey. Ich bin Captain Lornem Valosan. Leider hat mich Ihr Commander erst im letzten Moment darüber informiert, dass wir sie nach Andoria bringen sollen. Bis Andoria sind wir leider komplett ausgebucht, so dass ich sie bei einem der anderen Gäste einquartieren muss. Am unkompliziertesten lässt sich dies bei einem Passagier bewerkstelligen, der ebenfalls auf Andoria von Bord geht. Noch dazu gehört er zur Sternenflotte, also sollte es kein Problem sein, dass Sie beide sich arrangieren.“ „Ich danke Ihnen, Captain, und ich bin sicher, dass das kein Problem werden wird.“ Der Captain fuhr sich mit der linken über seinen Rauschebart, der ihm eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Weihnachtsmann verlieh, wie Christina Carey fand. Er umrundete den Schreibtisch. Dabei meinte er: „Ich bringe Sie nun zu dem Quartier dieses Passagiers, und werde ihm bei dieser Gelegenheit die Situation erklären.“ Sich zu Karman wendend befahl er: „Sie können wegtreten, Karman. Die Taschen der jungen Dame nehme ich.“ „Aye, Captain.“ Sie verließen das Quartier des Captains. Während sich Karman nach Links wandte um seinen normalen Dienst aufzunehmen, schritten der Captain und die Wissenschaftlerin nach Rechts, den Gang hinunter, zum Turbolift. Drei Decks tiefer verließen sie die Liftkabine und gingen etwa zehn Meter in den Gang hinein, bevor sie nach Links abbogen. Wenig später hielt der Captain des Passagierschiffes an und kramte kurz in der Brusttasche seines Kombination, bevor er eine Code-Karte hervorholte und sie Christina Carey übergab. „Die Karte ist bereits codiert. Sie können also jederzeit dieses Quartier problemlos betreten.“ Damit betätigte Lornem Valosan den Kontaktgeber des Quartiers. Einen Moment später erklang auf der anderen Seite des Schotts eine sonore Stimme, die durch das Kommando Herein, die Automatik dazu veranlasste, das Schott zu öffnen. Valosan und Christina Carey betraten das Quartier und für einen Moment schloss Christina Carey ihre Augen. Sie fragte sich, welche übernatürliche Entität sie wohl verärgert haben mochte, dass sie so bestraft wurde, als sie realisierte wer da vor ihr stand. * * * Es ist immer dasselbe mit diesen verdammten Jungoffizieren, die meinen, dass Kadetten ihre persönlichen Diener sind, dachte Tar´Kyren Dheran frustriert, nachdem er diese lästige Jungwissenschaftlerin kurz und schnell abgewimmelt hatte. Die schleppen ständig zu viel mit sich herum, und irgendein unschuldiger Kadett soll dann darunter leiden. Aber er kannte die Sternenflottenvorschriften. Darum wusste er, dass die Regelung für Befehlsbefugnis aufgrund des höheren Ranges in diesem Fall nicht griff. Denn die galt nur für reguläres Sternenflottenpersonal. Die Kadetten der Sternenflotte waren, außerhalb von geschlossenen Einrichtungen die der Ausbildung der Kadetten diente, und Schulschiffen der Sternenflotte, von dieser Regelung ausgenommen. Diese Regelung war bereits vor Jahrhunderten, zum Schutz der Kadetten gegen Vorgesetztenwillkür, eingeführt worden. Dabei wäre der Andorianer gar nicht abgeneigt gewesen der jungen Frau, mit dem apart wirkenden Gesicht, zu helfen. Zumal sie ziemlich attraktiv aussah, mit ihren, für ihn sehr exotisch wirkenden, schwarzen Haaren. Außerdem war sie hochgewachsen; vielleicht gerade mal eine Handbreit kleiner gewachsen als er, obwohl er immerhin 1,87 Meter maß. Doch an diesem Morgen war er spät dran gewesen, und seinen Flug nach Hause wollte er dann doch nicht verpassen. Auch nicht für diese hübsche Dame. Von hübschen Mädchen hatte er ohnehin momentan die Nase gestrichen voll, wie es sein Freund Valand Kuehn wohl formuliert hätte. Nach dessen erfolgreichen Abschluss und seinem Abgang von der Akademie, im Sommer des Jahres 2358, hatte die persönliche Pechsträhne, in Bezug auf Beziehungen, für ihn seinen Anfang genommen. Dabei schien das zweite Jahr an der Akademie für ihn ebenso erfolgreich zu beginnen, wie das erste Jahr geendet hatte. In seinem zweiten Jahr an der Akademie hatte er das Fach Fechten belegt. Valand Kuehn hatte ihm zu seinem Geburtstag einen kostbaren Degen geschenkt, und ihn, bevor er im Sommer die Akademie verlassen hatte, darum gebeten, es wenigstens mal zu versuchen. Schon bald hatte sein Ausbilder in diesem Fach, Commander Luigi Menotti, erkannt, dass Dherans kämpferische und taktische Fähigkeiten sich bei Weitem nicht nur auf den Fechtunterricht beschränken. Im Laufe der Zeit wurde Menotti eine Art Mentor für ihn und der Commander konnte ihn schließlich davon überzeugen, seiner wahren Bestimmung zu folgen, und eine Laufbahn als Kommandooffizier einzuschlagen. Dabei hatte Luigi Menotti ihm mit auf den weiteren Lebensweg gegeben, dass er wider allem streiten könne, aber nicht wider seiner Natur. Im Herbst des Jahres wurde ihm, aufgrund seiner überdurchschnittlichen Leistungen angeboten, der RED SQUAD beizutreten. Er hatte dies jedoch rundheraus abgelehnt. Seine Freundin, die Rigelianerin Alev Scenaris, die zu dieser Einheit gehörte, hatte darin einen persönlichen Affront gesehen. In der Folgezeit war es dann immer öfter zum Streit zwischen ihnen gekommen, was bis zum Frühsommer des Jahres 2359 schließlich zum Bruch zwischen Alev und ihm führte. Nach einem hitzigen Streit trennte sich Alev schließlich von ihm. Im Herbst des Jahres hatte er dann eine Liaison mit Inari Taran, einer andorianischen Kadettin im zweiten Jahrgang, begonnen. Schon bald galten sie beide als unzertrennlich. Die immer noch platonische Freundschaft zu Alev Scenaris kühlte in der Folgezeit ebenfalls ab. Im Spätsommer des Jahres 2360 schließlich ging auch die Beziehung mit Inari in die Brüche, da sie sich im Laufe der Beziehung immer enger an ihn geklammert hatte, und er ihre, völlig unbegründete, Eifersucht auf seine platonische Freundin, Elisabeth Dane, und andere Mädchen in seinem Umfeld nicht länger ertragen konnte und wollte. Nach dem persönlichen Desaster mit Inari Taran hatte Tar´Kyren Dheran eine Weile ernsthaft darüber nachgedacht, ob es nicht vielleicht besser für ihn war, ganz die Finger von den Damen zu lassen. Doch diese Phase war schnell vergangen und zurückgeblieben war die Einsicht, dass Verliebtheit nicht dasselbe war wie Liebe, und dass es gar nicht einfach war, die passende Partnerin fürs Leben zu finden. Der Andorianer war froh, als er die Kontrolle am Andock-Tunnel hinter sich hatte und auf der ESTRELLA VESPERTINA durch die Gänge zu seinem Quartier schritt. Er war bereits einmal mit diesem Raumschiff von Andoria zur Erde geflogen – im Spätsommer des Jahres 2357, kurz bevor er seine Ausbildung an der Akademie angetreten hatte. Darum kannte er sich bereits etwas auf diesem Raumschiff aus und fand zügig sein Ziel. Er freute sich auf das Wiedersehen mit seiner Familie, und besonders mit seiner kleinen Schwester, die ihn beinahe vergötterte. Um so mehr, seit er an der Sternenflottenakademie studierte, und sie sich darum seitdem nur noch zweimal im Jahr sahen, wenn er zu den Semesterferien nach Andoria zurückkehrte. Guter Dinge benutzte er den Codeschlüssel, den ihm der Steward am Schott übergeben hatte, betrat seine Unterkunft und verstaute er seine Reisetasche im Schlafraum. Danach begutachtete er das Quartier, ließ sich zuletzt zufrieden in einen der Sessel des Wohnraumes sinken und schloss seine Augen. Tar´Kyren Dheran wusste nicht zu sagen, wie lange er so da gesessen hatte, als der Türsummer erklang. Etwas überrascht erhob er sich und gab, mit sonorer Stimme, das akustische Kommando: „Herein.“ Das Schott öffnete sich und ein älterer Mann betrat den Wohnraum des Quartiers. Gefolgt von einer schwarzhaarigen Frau in blau abgesetzter Uniform der Sternenflotte. Sie trug die Insignien eines Lieutenant Junior-Grade am Kragen und Tar´Kyren Dheran fragte sich, wie viele Sternengötter er verärgert haben musste, dass ausgerechnet diese grimmig dreinschauende, junge Frau nun in seinem Quartier auftauchte. Kapitel 2: Feuer und Eis ------------------------ 2. Feuer und Eis „Ich bin Captain Lornem Valosan“, stellte sich der Grauhaarige dem Andorianer vor und deutete dann auf die Uniformierte an seiner Seite. „Das Sternenflottenkommando hat mich kurzfristig kontaktiert. Diese junge Frau muss dringend nach Andoria reisen, doch das Schiff ist ausgebucht. Darum bin ich dazu gezwungen, sie für die Passage nach Andoria bei Ihnen einzuquartieren. Da Sie beide auf Andoria aussteigen und zudem beide zur Sternenflotte gehören ist dies die beste Lösung des Problems. Ich entschuldige mich für diese kleine Unannehmlichkeit.“ Tar´Kyren Dheran, der mit wachsendem Unglauben zugehört hatte, war drauf und dran Widerspruch gegen diese Maßnahme des Passagierschiff-Captains einzulegen. Doch aus einem ihm selbst nicht verständlichen Grund hörte er sich sagen: „Kein Problem, Captain.“ Valosan nickte zufrieden. „Dann lasse ich Sie beide mal allein, damit Sie sich miteinander bekanntmachen können.“ Nachdem der Captain der ESTRELLA VESPERTINA das Quartier verlassen hatte blieb es für einen langen Moment so still, dass die normalerweise kaum vernehmbaren Geräusche der anlaufenden Schiffsaggregate unnatürlich laut zu hören waren. Mit einem leicht fragenden Blick, wobei sich ein flüchtiges Lächeln auf seine Lippen stahl, musterte der Andorianer die schwarzhaarige Frau. Endlich stellte Christina Carey ihre Tasche ab und meinte giftig: „Na, wenn das mal nicht der unhöflichste Kadett der gesamten Sternenflotte ist.“ Die Antennen des Andorianers, der sich zu unrecht angegriffen fühlte, bogen sich nach Innen als er konterte: „Ach, und was war das, was Sie mir hinterher gerufen haben? Was soll dieses Lauf Barry überhaupt heißen? Sehr höflich klang das auch nicht gerade.“ „Das ruft man ungehobelten Andorianern hinterher, die davonrennen, statt einem vorgesetzten Offizier zu helfen, wenn er darum bittet.“ Dheran schüttelte grimmig den Kopf. „Oh nein, Lieutenant. Sie sind nicht meine Vorgesetzte, und mir gegenüber damit auch nicht weisungsbefugt, denn weder die Sternenbasis, noch dieses Passagierraumschiff dient primär der Ausbildung von Kadetten der Sternenflotte. Ich kenne die Vorschriften.“ „Das ist doch völlig ohne Belang, Mister!“, fauchte Christina Carey wütend. „Sie hätten es ja aus Höflichkeit tun können. Aber wie ich bereits eingangs bemerkte: Damit scheint es bei Ihnen nicht allzu weit her zu sein, nicht wahr?“ „Zumindest werde ich nicht so unhöflich sein, Sie weiter anzuranzen, ohne mich Ihnen vorzustellen, Lieutenant. Mein Name ist Tar´Kyren Dheran.“ Die Antennen des Andorianers richteten sich wie Dolche auf die Schwarzhaarige. „So, und jetzt sind Sie dran, Lieutenant.“ Gereizt stemmte Christina Carey ihre Hände in die Hüften und funkelte den Andorianer, der sie auch ohne Antennen um eine Handbreit überragte, aufgebracht an. Sie hasste solche Konfrontationen und sie spürte, dass dieser sture, blaue Klotz nicht bereit war, auch nur um einen Deut nachzugeben. Sie schloss ihre Augen, atmete tief durch und schluckte die scharfe Erwiderung, die ihr bereits auf der Zunge lag hinunter. Sie würde diesem jungen Burschen nicht die Bestätigung seiner Behauptung liefern, sondern ihm beweisen, wer von ihnen beiden klüger und abgeklärter war. Als Christina Carey den Kadett wieder ansah hatte sie sich soweit unter Kontrolle, dass ihre Stimme fest und ruhig klang, als sie sagte: „Mein Name ist Christina Carey, Kadett. Da wir die Vorstellung nun hinter uns haben, sollten wir uns bemühen, das Beste aus dieser unangenehmen Situation zu machen, schlage ich vor.“ Mit einer gewissen inneren Genugtuung bemerkte die Wissenschaftlerin dass ihr nun ruhiges und beherrschtes Auftreten diesen selbstgefälligen Kadett überrascht zu haben schien. Erst jetzt bemerkte sie dabei, dass die Augen dieses Andorianers eine, für sie exotisch wirkende, bläulich-violette Färbung aufwiesen. Was ihr ebenfalls erst jetzt auffiel war der leicht heisere Ton in seiner Stimme, als er entgegnete: „Sie haben Recht, Lieutenant Carey. Es ist ja nur für knapp dreißig Stunden.“ Die junge Wissenschaftlerin nickte zufrieden, wobei ihr Blick durch das geöffnete Schott in den Schlafraum auf das bequem aussehende Bett fiel. Einen schnellen Blick auf die etwas kurz geratene und zudem recht schmale Couch werfend entschloss sie sich dazu, die wichtigste Frage sofort anzuschneiden. Nämlich, wer von ihnen beiden, heute Nacht, auf der Couch schlief. Sie war hier nur zu Gast, also würde sie sich selbstverständlich anbieten auf der Couch zu schlafen, was der Kadett natürlich ablehnen, und ihr großzügig das Bett überlassen würde. So bekam sie ihren Willen und trotzdem wurde der Schein gewahrt. „Ich schlafe natürlich auf der Couch“, bot Christina Carey dem Andorianer an und deutete dabei auf das Möbelstück. Zu ihrer maßlosen Überraschung nickte der Kadett, wobei sich seine Antennen leicht spreizten. „Ist in Ordnung für mich, Lieutenant.“ Damit wandte sich der Andorianer ab und die Schwarzhaarige konnte so sein breites Grinsen nicht sehen. „He, wie meinen Sie das?“ Der Andorianer riss sich zusammen und machte ein ernstes Gesicht, bevor er sich zu der etwas konsterniert wirkenden Frau umwandte. „Sie wollen diese unbequeme Couch, daran werde ich Sie ganz bestimmt nicht hindern, Lieutenant. Unter uns: Ich, an Ihrer Stelle, hätte mich für das Bett entschieden. Sie entschuldigen mich nun, Lieutenant, ich würde mich nun gerne umziehen.“ Damit verschwand Tar´Kyren Dheran in den Schlafraum und schloss das Schott, da er wusste, dass Menschen, in Bezug auf Nacktheit, nicht dieselbe Ungezwungenheit besaßen wie Andorianer. Dabei grinste er erneut ziemlich breit. Draußen starrte Christina Carey sprachlos auf das Schott des Schlafraumes und fragte sich in Gedanken: Was ist da jetzt gerade passiert? * * * Nachdem der Andorianer im Schlafraum verschwunden war, hatte Christina Carey fast fluchtartig das Quartier verlassen und eine der Holosuiten gemietet. Sie verspürte den Drang sich austoben zu müssen, sonst wäre sie geplatzt, wegen des Verhaltens dieses völlig verrückten andorianischen Kadetten. Dabei wusste sie nicht einmal zu sagen, was genau sie so gegen ihn aufbrachte, und das sorgte für nur noch mehr Frustration bei ihr. Stunden über Stunden hatte sie damit zugebracht, an fast senkrechten Wänden aus simuliertem Fels und Eis hinauf zu steigen oder daran herab zu klettern. Als Vorbereitung für das, was ihr auf Andoria vermutlich schon sehr bald bevorstehen würde, war die Zeit dafür vermutlich viel sinnvoller genutzt, als sie in der Nähe dieses anmaßenden Andorianers, namens Tar´Kyren Dheran, zu verschwenden. Verdammt, sogar sein Name verfolgt mich bereits. So ein Mist. Mit neu erwachendem Grimm seilte sich die Irin weiter an der steilen Eiswand ab, an der sie zuletzt geübt hatte. Danach warf sie einen Blick auf ihre anachronistisch anmutende Armbanduhr – eine Hinterlassenschaft ihres bereits vor Jahren verstorbenen Großvaters – und stellte dabei verwundert fest, dass sie beinahe zehn Stunden hier zugebracht hatte. Erst jetzt spürte sie auch die Anstrengungen der letzten Stunden, und die bleierne Müdigkeit in jedem ihrer Knochen. Christina Carey beendete das Programm und verließ die Holosuite mit dem Vorhaben, sich zu Bett zu begeben, wobei ihr die letzte Unterhaltung mit Kadett Dheran wieder in den Sinn kam, und die Beschaffenheit der Couch im Wohnraum ihres gemeinsamen Quartiers. Bei diesen Gedanken fiel ihr ein, dass sie vorhin im Wohnraum nirgends eine Decke gesehen hatte, also würde sie überdies vermutlich in ihrer Uniform schlafen müssen, denn splitternackt würde sie sich nicht auf die Couch legen und den Blicken eines fremden, jungen Mannes ausliefern, der gerade erst dem Teenager-Alter entwachsen war. Wenn überhaupt. Die Irin seufzte leise, während sie durch die fast unbelebten Gänge des Raumschiffes schritt. Dabei überlegte sie, ob sie Dheran nicht wenigstens die Bettdecke abschwatzen konnte. Oder besser: Sie überzeugte ihn, ihr das Bett zu überlassen. Wäre doch gelacht wenn ich dieses andorianische Bürschchen nicht einwickeln könnte, überlegte sie und ballte entschlossen die Hände zu Fäusten, als sie in den Gang abbog, an dessen Ende ihr Quartier lag. Ein gewinnendes Lächeln, ein verführerischer Blick, und Peng… die Nacht ist gerettet. Die junge Wissenschaftlerin förderte ihren Codeschlüssel zutage und benutzte ihn um das Schott zu entriegeln. Als sie eintrat und sich das Licht aktivierte stellte Christina Carey fest, dass das Quartier scheinbar leer war. Denn das Schott zum Schlafraum war geöffnet und das Bett wirkte unberührt. Zumindest lag kein Andorianer darin. Für einen Moment lang blieb die Frau unentschlossen mitten im Wohnraum stehen. Dann kam ihr ein Gedanke, und sie grinste zufrieden. Sie würde sich schnell entkleiden und einfach in das Bett legen, dann blieb diesem Andorianer gar nichts anderes übrig, als selbst auf der Couch zu schlafen. Zufrieden mit der gegenwärtigen Entwicklung der Dinge schritt Christina Carey in den Schlafraum, dessen indirekte Lichtquellen sich bei ihrem Eintreten aktivierten und einen angenehmes, goldgelbes Dämmerlicht verbreiteten. Sie zog flink ihre Schuhe aus, öffnete die Verschlüsse ihrer Uniform und entkleidete sich. Ein Nachthemd trug sie im Bett prinzipiell nicht. Schnell schlüpfte sie auch aus ihrem Slip und warf ihn auf den Hocker, auf den sie auch ihre Uniform gelegt hatte. In dem Moment, als sie einen Schritt auf das bequem aussehende, breite Bett zu machte, öffnete sich überraschend das Schott zum Sanitärbereich und Tar´Kyren Dheran, nur mit einem Badetuch in den Händen, mit dem er seinen athletischen Körper abtrocknete, betrat den Raum. Völlig überrascht von der Anwesenheit der Irin blieb der Andorianer stehen und starrte mit großen Augen auf den makellosen Körper der jungen Wissenschaftlerin. Seine Antennen bewegten sich unruhig in alle Richtungen, während sein Blick am Körper der Frau hinunter wanderte. Offensichtlich war das Schwarz ihrer langen Haare natürlichen Ursprungs. Die Irin spürte fast körperlich, wie der Blick des andorianischen Kadetten über ihren nackten Körper strich, und erst jetzt reagierte sie. Mit beiden Händen ihre Blöße bedeckend fuhr sie den immer noch sprachlosen Andorianer wütend an: „Hey, Kadett, hier oben hingucken, verstanden? So ist es richtig, immer schön in die Augen gucken!“ Der Andorianer folgte der scharfen Aufforderung von Christina Carey, ohne damit aufzuhören sich weiter abzutrocknen. Als Andorianer, der ein ganz natürliches Verhältnis zur Nacktheit besaß, verstand er nicht, welches Aufheben Menschen mitunter darum machten. Als er damit fertig war, hängte er sich das Badetuch einfach über die rechte Schulter und fragte mit hochgezogenen Augenbrauen: „Was, bei der farblosen Kreatur des Mysteriums, haben Sie, völlig unbekleidet, in meinem Schlafraum zu suchen?“ Der Anblick des nackten Andorianers, der so rein gar keine Scham dabei zeigte, unbekleidet vor ihr zu stehen, zog Christina Carey im Moment so in den Bann, dass sie ihn nur anstarren konnte. Gegen ihren Willen strichen ihre Blicke dabei über seinen blauen Adonis-Körper; betrachteten interessiert das Muskelspiel und wanderten dabei automatisch immer tiefer. Dem Andorianer blieb dies nicht verborgen und mit dem gespreiztem Zeige- und Mittelfinger der Linken auf seine Augen deutend konterte er heiser: „He, wie war das? Hier oben hin gucken, Lieutenant!“ Leicht errötend sah die Irin in die bläulich-violetten Augen ihres Gegenübers und sammelte sich, bevor sie etwas vage erklärte: „Ich wusste nicht, dass Sie hier sind. Da dachte ich, dass ich...“ „Da dachten Sie, dass Sie sich das Bett schnappen, bevor ich wieder hier bin, richtig?“, beendete der Andorianer für die Frau den Satz. „Nun, ich für meinen Teil habe nicht vor auf der unbequemen Couch zu schlafen. Aber das Bett ist ja breit genug für uns beide, nicht wahr? Falls Sie keine Angst haben, neben mir im Bett zu liegen, dann müssen Sie nicht mit der Couch vorlieb nehmen.“ Damit warf der Andorianer, anzüglich grinsend, das Badetuch auf den Hocker, der auf seiner Seite des Zimmers stand stieg ins Bett und schlüpfte aufreizend langsam unter die Bettdecke, wobei er Christina Carey nicht aus den Augen ließ. Zufrieden stellte er fest, dass die Röte ihrer Wangen dabei noch eine Steigerung erfuhr. Fest die Lippen aufeinander pressend erwiderte sie finster den herausfordernden Blick des Kadetten. Hin und her gerissen, sein Angebot einfach auszuschlagen, entschied sie sich schließlich doch dazu, es anzunehmen. Grimmig drein blickend zog sie Dheran eins der Kissen unter dem Kopf weg, zerrte die Decke ein gutes Stück auf ihre Seite hinüber und wickelte sich darin ein, entschlossen darum zu kämpfen wie eine Löwin. Ihm den Rücken zu wendend knurrte sie: „Gute Nacht, Kadett. Licht – aus.“ In der entstandenen Finsternis auf dem Rücken liegend wandte Dheran seinen Kopf in Richtung der Irin und sah eine ganze Weile über die Silhouette ihres Körpers. Anders als Menschen konnte er als Andorianer einen Teil des Infrarotbereiches erfassen. Dabei umspielte ein amüsiertes Lächeln seine Lippen. Natürlich hatte er nie wirklich vorgehabt, die junge Frau neben sich auf der Couch schlafen lassen. Immerhin wusste er, was sich gehörte. Aber das schien diese schwarzhaarige, hübsche Frau gar nicht ins Kalkül zu ziehen. Offensichtlich glaubte sie wirklich, dass Andorianer so ungehobelt waren, wie sie es sich in ihrer Vorstellung ausmalte. Was vermutlich darin begründet lag, dass sie bisher nie mit Andorianern zu tun gehabt hatte. Er selbst hatte andererseits die Menschen ganz gut kennenlernen können, während seiner dreieinhalb Jahre an der Akademie. Mit einer ganzen Reihe von ihnen hatte er sich in dieser Zeit angefreundet. So schlimm, wie diese Christina Carey es sich vorstellte, konnte er also nicht sein. Sie hatten lediglich beide einen etwas holprigen Start miteinander erwischt. Aber das konnte man korrigieren. Tar´Kyren Dheran versuchte seiner Stimme einen warmen Klang zu geben, als er leise sagte: „Gute Nacht, Lieutenant Carey.“ Doch dann ritt ihn der Teufel, wie es Valand einmal bezeichnet hatte, und er fügte süffisant hinzu: „Und behalten Sie im Schlaf gefälligst Ihre Hände bei sich.“ „Also, das ist doch...“, zischte Christina Carey prompt in die Dunkelheit des Raumes. „Ich kann mich ganz gewiss bremsen, aber falls sich Ihre Hände, rein zufällig, in meinen Bereich des Bettes verirren sollten, dann befördere ich Sie mit einem kräftigen Tritt in Ihren blauen Hintern vor das Bett, damit Sie klarsehen, Mister Dheran.“ Der Andorianer drehte sich im Bett auf die Seite und stützte seinen Kopf auf der Hand des angewinkelten linken Armes ab. Irgendwie fing es an ihm Spaß zu machen, diesen hübschen aber kratzbürstigen Lieutenant zu foppen. Darum sagte er leise: „Ihren nackten Körper von hier aus anzusehen ist ein Genuss, Lieutenant.“ Ein spöttisches Schnauben kam von Christina Carey. „Wollen Sie mir einreden, sie könnten durch die Bettdecke sehen? Das ist ja lächerlich.“ „Sie denken also wirklich, dass die Antennenorgane von Andorianern nur so etwas, wie ein Zierde sind?“ Natürlich konnten Andorianer nicht durch feste Objekte sehen, auch wenn sie noch so dünn waren, aber Tar´Kyren Dheran vertraute darauf, dass die Details der andorianischen Physiologie nicht ausgerechnet das Spezialgebiet dieser Frau waren. Das hätte ihm den kleinen Spaß verdorben, den er sich gerade mit ihr machte. Offensichtlich hatte der Andorianer richtig kalkuliert, denn einen Moment später fuhr die schwarzhaarige Frau im Bett herum und richtete ihren Oberkörper auf, wobei die dünne, glatte Bettdecke an ihrer schlanken Hüfte hinab rutschte. Zwar konnte der Andorianer nicht durch feste Objekte sehen, doch was nun für seine infrarotempfindlichen Sinnesorgane sichtbar wurde, war schlicht atemberaubend, und ein wenig schämte er sich nun dafür, sich diesen Scherz mit ihr erlaubt zu haben. Christina Carey, die von alldem nichts bemerkte, fuhr ihn gefährlich leise an: „Sie drehen sich augenblicklich auf die andere Seite, Kadett, oder ich garantiere für gar nichts mehr. Ich hoffe, wir haben uns verstanden.“ Dheran lächelte im Dunkeln verlegen: „Aye, Ma´am.“ Tatsächlich drehte er sich nun rasch im Bett herum und bettete seinen Kopf auf das weiche Kissen. Doch Schlaf fand er erst nach einer ganzen Weile, denn dieser bezaubernde Anblick von gerade eben wollte ihm einfach nicht mehr aus dem Kopf gehen. Kapitel 3: Waffenstillstand --------------------------- 3. Waffenstillstand Tar´Kyren Dheran erwachte nach gut sieben Stunden Schlaf. Sich völlig entspannt fühlend ließ er seine Augen geschlossen und atmete einige Male tief durch. Dabei dachte er mit Vorfreude an seine Familie, die er bald schon auf Andoria wiedersehen würde. Erst nach einigen Augenblicken registrierte er, dass er nicht mehr auf der Seite lag, wie am Abend als er eingeschlafen war, sondern auf dem Rücken. Erst jetzt bemerkte er auch den weichen Druck in der linken Seite, am Oberkörper und über der Brust. Ahnungsvoll öffnete er seine Augenlider etwas und blinzelte hindurch, an seinem Körper hinab. Christina Carey musste einen noch unruhigeren Schlaf haben, als er, denn sie lag eng an ihn gekuschelt und hatte ihren Kopf auf seine Schulter gebettet. In seinem linken Arm liegend ruhte ihr linker Arm nun quer über seiner Brust. Erst jetzt bemerkte der Andorianer, dass er selbst, unter der Decke, seine rechte Hand auf ihre Hüfte gelegt hatte. Ganz vorsichtig, beinahe Millimeter um Millimeter, hob er sachte seine Rechte an und zog sie in Zeitlupe zurück, damit die Frau nicht vorzeitig erwachte. Wenn sie, nach ihrem gestrigen kleinen Zwist, nun aufwachte und ihn wach vorfand, in dieser etwas peinlichen Situation, dann konnte keiner wissen wie sie reagieren würde. Tar´Kyren Dheran hatte es gerade eben geschafft, seinen rechten Arm auf seiner Seite des Bettes auf die Matratze zu legen, als Christina Carey die ersten Anzeichen von sich gab, zu erwachen. Schnell schloss der Andorianer seine Augen und atmete so flach er konnte. Nach seiner Ansicht war es das Beste, sie offiziell zuerst erwachen zu lassen. Dann musste ihr diese Situation nicht peinlich sein. Diese Frau etwas zu ärgern, für ihr gestriges Verhalten, war für ihn in Ordnung gewesen, aber beschämen wollte er sie wirklich nicht. Im Grunde gefiel sie ihm sogar, abgesehen von ihrem etwas aggressiven Verhalten, am Vortag. Mit einem hellen Schnurren erwachte Christina Carey und der Andorianer glaubte förmlich zu spüren, wie sich ihr Körper verspannte, als sie die Situation realisierte. Fast hätte er sich verraten und gelächelt, als sie sich, so wie er vor wenigen Augenblicken, in Zeitlupe von ihm zurückzog. Ein leises Rascheln verriet dem Andorianer, dass sie die Bettdecke zurückschlug und ganz behutsam das Bett verließ. Offensichtlich wollte sie ihn nicht wecken. Dheran entschloss sich dazu, so zu tun, als hätten ihn ihre Bewegungen aus dem Schlaf geholt und geräuschvoll reckte er sich mit noch immer geschlossenen Augen, wobei ein leises, schnelles Tappen von Füßen an seine Ohren drang. Der Kadett vermutete, dass sie rasch ins Bad gelaufen war. Er gab ihr noch einige Sekunden, bevor er sich etwas aufrichtete und seine Augen öffnete. Er schien richtig vermutet zu haben, denn ihr Slip und ihre Uniform waren vom Hocker verschwunden. Zufrieden mit der Entwicklung an diesem Morgen legte er sich wieder zurück, wobei er die Finger seiner Hände hinter dem Kopf verschränkte, und blickte zur Zimmerdecke hinauf, ohne sie wirklich zu sehen. Noch immer glaubte er ihren warmen, weichen Körper auf seinem zu spüren. Vor seinem geistigen Auge entstand ihr Abbild, so wie er sie kurz vor dem Einschlafen gesehen hatte. Dabei war sie ihm beinahe vorgekommen, wie ein überirdisches Wesen. Einer Sternengöttin gleich. Als Christina Carey nach geraumer Weile wieder den Schlafraum betrat und bemerkte, dass der Andorianer wach im Bett lag, warf sie ihm einen missbilligenden, kühlen Blick zu und meinte: „Sie können nun das Bad benutzen. Falls Sie es morgens benutzen, heißt das.“ Tar´Kyren Dherans Tagtraum zerplatzte in demselben Moment, wie eine Seifenblase. Jetzt geht das schon wieder los, dachte er frustriert. Die schenkt einem nichts. Dabei war sie es gewesen, die sich gestern Abend, ohne zu duschen zu Bett begeben hatte. Er beschloss jedoch, diesmal nicht darauf einzugehen. Wortlos blickte er ihr nach, bis sie im Wohnraum verschwunden war, bevor er sich ins Bad begab um zu duschen. Als der Andorianer fünfzehn Minuten später, vollständig bekleidet, den Schlafraum verließ, stellte er fest, dass Christina Carey das Quartier bereits verlassen hatte. Vermutlich hatte sie sich zum Speisesaal des Raumschiffes begeben um zu frühstücken. Auch er verspürte Hunger und so machte er sich auf den Weg dorthin. Vielleicht war ein gemeinsames Frühstück mit dem Lieutenant eine gute Gelegenheit, ihr angespanntes Verhältnis zu einander etwas zu verbessern. Als Tar´Kyren Dheran den Saal betrat stellte er fest, dass er nur mäßig besucht war. Da die Mitreisenden aus den verschiedensten Zeitzonen der Erde an Bord gekommen waren, und die unterschiedlichsten Essgewohnheiten besaßen, wunderte er sich nicht darüber. Er entdeckte die schwarzhaarige Frau an einem der Tische entlang der Fenster. Sich zunächst zum Replikator begebend, wo er sich eine Andorianische Knollenwurzelsuppe, und ein Altairwasser bestellte, steuerte er schließlich auf den Tisch zu, an dem Christina Carey Platz genommen hatte. Er räusperte sich unterdrückt und fragte mit gedämpfter Stimme, als sie überrascht zu ihm aufsah: „Ich hoffe, Sie hatten einen angenehmen Schlaf, Lieutenant Carey. Gestatten Sie, dass ich mich zu Ihnen setze? Wir hatten gestern einen wirklich unglücklichen Start, und ich würde sehr gerne Frieden mit Ihnen schließen, für die restliche Zeit dieses Fluges.“ Christina Carey schien mit allem anderen gerechnet zu haben, als mit diesem Friedensangebot des Andorianers, denn sie blickte ihn für einen langen Moment sprachlos an, bevor sie auf die bequeme Bank gegenüber ihres Platzes deutete. „Von mir aus.“ Die ist ja noch sauer, überlegte der Kadett missmutig bei ihrer kühlen Reaktion, nahm aber nichts desto trotz ihr gegenüber am Tisch Platz. Das Tablett mit dem Wasserglas und der Suppenschüssel vor sich auf den Tisch stellend registrierte er erst jetzt, dass die junge Frau von der Erde tatsächlich einen gesunden Appetit zu haben schien, denn sie hatte sich ein recht umfangreiches Menü zusammengestellt. Er nahm einen Schluck von seinem Altairwasser und hob erneut an. „Ich möchte nicht, dass Sie ein falsches Bild von mir bekommen, Lieutenant. Ich hätte Sie gestern Morgen, auf der Sternenbasis, wirklich nicht im Regen stehen gelassen, wenn ich nicht selbst so verdammt knapp dran gewesen wäre. Und alles was danach passierte hat sich dann irgendwie unglücklich aufgeschaukelt. Natürlich war ich selbst nicht unbeteiligt daran. Für meine kleinen Sticheleien, gestern Abend, möchte ich mich entschuldigen.“ Christina Carey blickte in das Gesicht des Andorianers, während sie einen Bissen von ihrem Rührei mit Speck zu sich nahm. Schließlich rang sie sich durch zu sagen: „Also schön, Kadett. Ich habe gestern auch nicht gerade meinen besten Tag gehabt, also vergessen wir das besser und vertragen uns.“ Dheran atmete erleichtert auf und begann zufrieden damit, seine Knollenwurzelsuppe zu löffeln. Um einen Bissen herum erkundigte er sich bei Christina Carey: „Der Captain des Schiffes sagte, sie verlassen es ebenfalls auf Andoria. Besuchen Sie Freunde dort?“ Zunächst schien die Schwarzhaarige keine große Lust zu haben, auf seine Frage zu antworten. Doch dann erwiderte sie zögernd: „Nein, ich leite dort ein kleines Forschungsteam der Sternenflotte. Das Sternenflottenraumschiff, das sie nach Andoria brachte, flog leider ohne mich ab. Sie halten mich vielleicht für verrückt, Mister Dheran, aber ich glaube ernsthaft einen entscheidenden Hinweis gefunden zu haben, der auf die exakte Position der Verlorenen Eisstadt, Kharon-Dhura, hinweist.“ Die junge Wissenschaftlerin schien mit einer anderen Reaktion gerechnet zu haben, denn sie hob etwas verwundert ihre Augenbrauen, als Tar´Kyren Dheran sie begeistert ansah, und hastig erklärte: „Halten Sie wirklich für möglich, dass sie kein Mythos ist? Mich fasziniert dieses Thema, und ich glaube, dass unsere andorianischen Historiker seit Jahrhunderten an der falschen Stelle gesucht haben. Die haben nämlich, aufgrund alter Schriften, diese Stadt immer im Bereich der nördlichen Eiswüste gesucht. Ich denke aber, dass die schlicht einige ähnlich klingenden Namen von Gebiets- und Orts-Angeben falsch übersetzt haben. Ich selbst vermute daher, dass sich diese Stadt, falls es sie je gegeben hat, unter dem Eis der südlichen Eiswüste von Thlanek zu suchen ist.“ „Exakt zu demselben Schluss bin ich ebenfalls gelangt, Kadett.“ Die irdische Wissenschaftlerin schien den vorangegangenen Zwist mit dem Andorianer vollkommen vergessen zu haben, als sie ihn mit leuchtenden Augen ansah. „Ich konnte herausfinden, dass der alt-andorianische Name der Provinz Clorisev, Agrona lautete. Später wurde dieser Name scheinbar mit der Region um Agrana verwechselt. Seitdem wird die Verlorene Eisstadt dort oben vermutet, statt südlich von Clorisev.“ Tar´Kyren Dheran ließ sich von ihrer Begeisterung anstecken. „Das wäre absolut möglich. Wissen Sie, zu Beginn meiner Ausbildung wollte ich Wissenschaftler werden, weil mich das Thema Archäologie begeistert hat. Und es ist immer noch so. Ich betreibe meine Studien auf diesem Gebiet allerdings sein zwei Jahren mehr privat. Zu meiner Schulzeit habe ich mit den Legenden rund um die Verlorene Eisstadt intensiv beschäftigt. Ich habe mir aus allen Hinweisen Karten zusammengestellt, mit möglichen Orten, an denen Kharon-Dhura existiert haben könnte. Dabei haben sich drei Orte, südöstlich von Clorisev, tief im Gebiet der südlichen Eiskappe, herauskristallisiert. Später, als ich meine zivile Shuttle-Ausbildung auf Andoria absolvierte, bin ich oft in dieses Gebiet hinein geflogen. Ich kenne mich dort also gut aus, Lieutenant. Wenn Sie meine Hilfe annehmen möchten, würde ich mich sehr freuen. Ich könnte Ihnen die Karten mitbringen und sie übersetzen. Damals habe ich alles auf Andorianisch darauf notiert, und meine Schrift ist nicht die Beste.“ „Das wäre toll, Mister Dheran“, gab die Frau erfreut zurück. Doch dann fiel ihr etwas ein und ein wenig nachdenklich erklärte sie: „Ich bin mir jedoch nicht sicher, was das Oberkommando der Forschung dazu sagen wird. Ich hätte die Verantwortung für Sie, und wenn Ihnen etwas passiert, dann fällt es auf mich zurück.“ Der Andorianer lächelte unmerklich. „Dann lassen Sie das, mit dem Oberkommando. Ich mache Urlaub daheim, und wo ich mich während des Urlaubs aufhalte, das geht das Oberkommando der Forschung nun wirklich nichts an. Wir könnten...“ „Uns zufällig getroffen haben“, beendete Christina Carey verstehend den Satz ihres Gegenübers und grinste augenzwinkernd. „Gar keine dumme Idee, Kadett Dheran. Aber hatten Sie denn in Ihrem Urlaub nicht etwas anderes vor?“ Ein Schatten überflog das Gesicht des Andorianers und seine Antennen bogen sich leicht nach hinten. „Doch, ich besuche meine Familie. Ein paar Tage werde ich auch mit ihr verbringen, Lieutenant. Aber die Aussicht darauf, vielleicht die Verlorene Eisstadt zu finden, ist zu verlockend. Meine Familie wird das verstehen. Außerdem ist meine Ausbildung Ende Mai des folgenden Jahres beendet, und dann werde ich sie bereits wiedersehen.“ Christina Carey nickte zustimmend. „Das würde perfekt passen. Ich brauche auf Andoria ohnehin mindestens drei Tage Vorbereitungszeit, schon um das Basislager einzurichten, von dem wir unsere Exkursionen starten wollen. Wenn Sie dann zu uns stoßen wäre das der ideale Zeitpunkt, Kadett. Ich werde Ihnen nachher die Koordinaten geben, wo Sie unser Lager finden werden.“ Begeistert stimmte Tar´Kyren Dheran zu, wobei ein beinahe fiebriger Glanz in seine Augen trat. „Haben Sie, bei all dem Krempel, den Sie mitgeschleppt haben, auch die Unterlagen über den vermutlichen Standpunkt? Ich könnte ja schon einmal einen Blick darauf werfen und Ihnen dann etwas zu der betreffenden Gegend sagen. Ich habe einige der unterirdischen Tunnel dort erkundet. Vielleicht liegt einer davon in dem fraglichen Gebiet.“ Unterdrückt lachend bremste Christina Carey etwas den überbordenden Elan ihres Gegenübers, indem sie meinte: „Der Krempel ist meine wissenschaftliche Ausrüstung. Und ja, ich habe die Unterlagen dabei. Aber ich muss Ihnen wohl ganz klar sagen, dass die Aussicht auf einen tatsächlichen Erfolg fraglich ist. Immerhin gibt es nur Aufzeichnungen, in denen Kharon-Dhura erwähnt wird. Vielleicht ist sie wirklich ein Mythos.“ Dherans Miene sagte nur zu deutlich, dass er dies nicht recht glauben wollte. Die Wissenschaftlerin deutete schließlich mit ihrer Gabel auf ihn und schlug vor: „Wissen Sie was? Zuerst frühstücken wir in aller Ruhe zu Ende, und danach sehen wir in aller Ruhe die Unterlagen an. Wir landen erst in etwa elf Stunden. Zeit genug also.“ Tar´Kyren Dheran stimmte erfreut zu: „Klingt sehr gut, Lieutenant.“ * * * Sechs Stunden lang hatten Christina Carey und Tar´Kyren Dheran im Quartier die Köpfe zusammengesteckt und eine gegenseitige Achtung vor einander war in diesen Stunden gewachsen. Die Wissenschaftlerin war erstaunt über das umfassende archäologische Fachwissen des Andorianers, das dem ihrer Teammitglieder in keinster Weise nachstand. Tar´Kyren Dheran seinerseits staunte darüber, was die schwarzhaarige Frau über die Geschichte seines Volkes im allgemeinen, und über die Legenden und Sagen in Bezug auf die Verlorene Eisstadt im Besonderen, wusste. Immer wieder beobachtete er zwischendurch die junge Wissenschaftlerin, wenn sie gerade nicht darauf achtete. Er nahm wahr, wie sie sich zwischendurch immer wieder die langen Haare aus dem Gesicht strich, das zusammenkneifen ihrer Augenlider, wenn sie sich konzentrierte, das auf ihn seltsam wirkende Kräuseln der Haut auf ihrer Nase wenn sie lachte, und den Schwung ihrer Lippen. Wenn sie sprach dann klang ihre Stimme glockenrein und nicht zu hell, für seinen Geschmack. Auch dieser Gegensatz zu seiner stets etwas rauchig, heiser klingenden Stimme gefiel dem Andorianer über alle Maßen gut. Er mahnte sich zur Ordnung, als sie von dem Daten-PADD in ihren Händen aufsah und fragte: „Wissen Sie, warum die Eisstadt aufgegeben worden ist, Kadett? Ich habe versucht das herauszufinden, aber keinen Hinweis finden können, was der Auslöser dafür gewesen sein könnte. Es heißt in den historischen Aufzeichnungen lediglich, dass die Stadt etwa 2500 Jahre nach ihrer Errichtung aufgegeben wurde. Also vor rund 4500 Jahren. Gab es auf Andoria, in der Vergangenheit, vielleicht größere Krankheits-Epidemien?“ Der Andorianer, jetzt wieder ganz bei der Sache, erwiderte: „Das schon, aber keine so tödlichen, wie in der Vergangenheit der Erde. Auf Andoria wurden nie tausende oder gar Millionen Leben von einer Krankheit gefordert. Zu keinem Zeitpunkt in unserer Geschichte, soweit sie bekannt ist. Wenn die Stadt aufgegeben wurde, so muss das andere Gründe haben, denke ich. Immer vorausgesetzt, dass diese Stadt wirklich kein Mythos ist. Oder aber unsere historischen Aufzeichnungen sind unvollständig.“ „Möglicherweise wurde sie gar nicht verlassen“, sinnierte Christina Carey leise, wobei sie offen ließ, was sie damit genau meinte. Sie räusperte sich und fuhr fort: „Aber vielleicht werden wir das bald erfahren.“ „Sofern die Eisfee und der Schneeprinz auf unserer Seite stehen“, bemerkte Dheran in Gedanken, was ihm erst bewusst wurde, als Christina Carey ihn überrascht ansah. Tar´Kyren Dheran beeilte sich zu erklären: „Kumari – die Eisfee, und Rakari – der Schneeprinz gehören zur andorianischen Mythologie. Ursprünglich, so die Legende, war Andoria eine tote Welt. Die Lebenssporen der Sternengötter waren zwar auch auf dieser Welt gelandet, aber sie konnten sich nicht entfalten. So ruhten sie über Äonen im ewigen Eis von Andoria. Dann, in ferner Vergangenheit, erschienen zwei Wesen im Andor-System, die seit dem Anbeginn der Zeit, bis zum Ende der Zeit, ruhelos durch das Universum reisen: Kumari und Rakari; in ewiger Liebe einander verbunden. Der Legende nach berührte beide das Schicksal des Mondes Andoria, der niemals Leben tragen würde, so sehr, dass sie um sein Schicksal weinten. Die Tränen waren von solch heißer Leidenschaft, dass sie sich in blaue und goldene Flammen verwandelten, noch bevor sie die Oberfläche Andorias berührten. Sie drangen in den toten Kern des Mondes ein und heizten ihn, mit der in ihnen eingehüllten Kraft von Liebe und Leidenschaft, soweit auf, dass sich eine atembare Atmosphäre bildete und die Sporen aus dem All sich entwickeln konnten. Auf diese Weise, so der Legende nach, entstand das Volk der Andorianer, und auch heute noch spüren wir Andorianer, durch die Kraft der Ewigen Flammen im Kern unserer Heimatwelt, Liebe und Leidenschaft stärker in uns brennen als jedes andere Gefühl.“ Als der Andorianer geendet hatte, schimmerten die Augen der Wissenschaftlerin feucht, und ergriffen schluckte sie, bevor sie leise sagte: „Das ist eine sehr romantische klingende Legende. Ich kannte sie bisher nicht.“ Dheran, der den Gemütszustand der Frau erahnte, erwiderte ablenkend: „Ich vermute, dass es auf der Erde ähnliche Legenden gibt.“ Abrupt das Thema wechselnd, um sie nicht in Verlegenheit zu bringen, fragte er: „Wann haben Sie Ihren Abschluss an der Akademie gemacht, Lieutenant. Wäre Ihr Rang nicht, ich würde Sie kaum älter schätzen, als mich selbst. „Sie sind ein Charmeur, Kadett Dheran“, spöttelte die Irin. „Ich habe meinen Abschluss im Sommer des Jahres 2358 gemacht.“ „Dann waren Sie in demselben Jahrgang, wie mein Freund Valand Kuehn“, stellte Dheran sinnend fest. Die Wissenschaftlerin hob leicht ihre Augenbrauen und schnippte mit den Fingern. „Dieser Name sagt mir etwas. War Ihr Freund zufällig bei der RED SQUAD?“ „Ja, das war er.“ „Dann weiß ich jetzt, warum Sie mir die ganze Zeit über so bekannt vorgekommen sind, Mister Dheran.“ Die Wissenschaftlerin sah in die Ferne. „Wenn ich mich nicht täusche, dann waren Sie damals oft in der Begleitung dieses besagten Kadetten, und zweier Mädchen, die ebenfalls der RED SQUAD angehörten. Mich hat nur die gesamte Zeit über das Rot an Ihrer Uniform verwirrt, da Sie damals eine blau abgesetzte Uniform getragen haben, wenn ich mich richtig erinnere. Offensichtlich hat es bei Ihnen, am Ende, dann für eine Mitgliedschaft bei diesen Elite-Kadetten nicht gereicht, so wie bei mir.“ Der Andorianer schüttelte schmunzelnd den Kopf. „Nicht, wie bei Ihnen. Man hat mir, kurz nach Beginn meines zweiten Jahres an der Akademie, angeboten der RED SQUAD beizutreten. Ich lehnte es ab weil mir eine Organisation innerhalb einer Organisation stets suspekt gewesen ist. Die Beziehung zu meiner damaligen Freundin, eines der beiden von Ihnen erwähnten Mädchen, zerbrach daran, da sie das seinerzeit als Affront aufgefasst hat.“ „Das kann ich mir gut vorstellen“, entfuhr es Christina Carey prompt. Einen Moment später lächelte sie entschuldigend und fügte hinzu: „Es tut mir leid, für Sie.“ Dheran nickte nur etwas abwesend. Er erinnerte sich in diesem Moment an den ersten Abend auf dem Campus, als er mit seinem Kommilitonen John McTiernan unterwegs gewesen war. John hatte ihn seinerzeit auf eine hochgewachsene Schwarzhaarige mit blau-grauen Augen und apartem Gesicht hingewiesen. Nach seiner Aussage soll sie ihn damals interessiert angesehen haben. Er selbst hatte zu der Zeit nicht darauf geachtet, doch die Beschreibung des Freundes passte zu Christina Carey. Sollte das wirklich sie gewesen sein? Er konnte sich dies momentan kaum vorstellen, doch die Hinweise waren da. Tar´Kyren Dheran wurde abgelenkt, als Christina Carey ihn ansprach. „Ist etwas?“ Dheran konzentrierte sich wieder auf das Hier und Jetzt. „Nein, ich musste nur kurz an den ersten Tag an der Akademie denken.“ Forschend in die Augen der Frau blickend wechselte er erneut abrupt das Thema, indem er rau sagte: „Ich möchte mich nochmal dafür entschuldigen, dass ich Sie, gestern Abend, beim zu Bett gehen, so gereizt habe. Natürlich können Andorianer nicht durch feste Objekte sehen. Tut mir leid, Lieutenant.“ Bei der irgendwie trotzdem vergnügt wirkenden Miene Dherans erwiderte die Irin ironisch: „Ja, klar, so sehen Sie aus. Vergessen wir das lieber ganz schnell.“ Der Andorianer nickte zustimmend, eine Geste, die er sich während der letzten Jahre auf der Erde angeeignet hatte. Dabei bemerkte er, dass die Finger ihrer Rechten mit einem goldenen Kreuzsymbol spielten, das sie an einer dünnen Kette um den Hals trug. Zuvor hatte er darauf nicht geachtet. Neugierig erkundigte er sich: „Was bedeutet dieses Symbol?“ Es dauerte einen Moment, bis die Irin erkannt hatte, was er meinte. „Oh, das Kreuz. Im christlichen Glauben steht es für jenes Kreuz, an das man den Sohn Gottes geschlagen hat. Er starb daran, um die Menschheit zu retten.“ „Sie glauben daran?“ Die Irin wand sich etwas, bevor sie zugab: „Nun, im Grunde nicht. Ich trage es mehr als eine Art Glücksbringer.“ Der Andorianer blickte die Frau verständnislos an. „Als Glücksbringer? Weil das Kreuz diesem Sohn Gottes so viel Glück gebracht hat?“ Verblüfft starrte Christina Carey den Andorianer an. Seine irgendwie berechtigte Frage brachte sie aus dem Konzept. „Nun ja… Ich meine, nein… Verdammt, Sie können wirklich komische Fragen stellen, Mister. Dem Glauben nach, wäre heute übrigens sein Geburtstag. Der sogenannte Heilige Abend.“ Dheran nickte ernsthaft. „Verstehe. Dann hatten wir, als wir erwachten, den Heiligen Morgen, und haben jetzt den Heiligen Nachmittag.“ „Nein, der gesamte Tag heißt Heiligabend.“ Die Antennen des Andorianers begannen, sich unruhig in alle Richtungen zu bewegen. „Heiligabend – morgens früh im Bett. Das ergibt für mich keinen Sinn.“ Die Irin seufzte schwach. „Ich werde es Ihnen erklären, falls in den nächsten Tagen Zeit dazu sein sollte. Aber bitte nicht jetzt. Ich schlage vor, dass wir später weitermachen und erst einmal etwas zu Mittag essen. Ich sterbe sonst vor Hunger.“ Dheran, dem diese Redewendung nicht unbekannt war, machte eine zustimmende Geste. „In Ordnung, essen wir etwas.“ Kapitel 4: Das Wiedersehen -------------------------- 4. Das Wiedersehen Tar´Kyren Dheran hatte sich, nach der Landung der ESTRELLA VESPERTINA, am Raumhafen von Denas vorläufig von Christina Carey verabschiedet. Sie waren so verblieben, dass Tar´Kyren Dheran, am Morgen des 28. Dezember nach föderaler Standard-Zeitrechnung, am Basislager erscheinen würde. Nach drei erholsamen und sehr harmonischen Tagen bei seiner Familie brach er, mit dem privaten Shuttle seines Vaters, von Li Mi´She aus auf, in Richtung Thlanek. Mit etwas gemischten Gefühlen saß der Andorianer hinter den Kontrollen des Shuttles und sah, durch die Frontscheibe hinüber zum aufziehenden Schneesturm. Seine jüngere Schwester, nach irdischer Zeitrechnung nun fast dreizehn Jahre alt, war natürlich enttäuscht gewesen, zu erfahren, dass er nur so kurze Zeit blieb. Andererseits nicht so enttäuscht, wie Tar´Kyren es insgeheim befürchtet hatte. Seine Mutter hatte ihm, unter dem Siegel der Verschwiegenheit, anvertraut, dass sie heimlich für einen zwei Jahre älteren Jungen an ihrer Schule schwärmte, was sie momentan etwas von allen anderen Dingen ablenkte. Er hatte im ersten Moment, eingedenk seiner eigenen Erfahrungen der letzten dreieinhalb Jahre, nicht gewusst, ob ihn das wirklich beruhigen oder eher wütend machen sollte. Seine kleine Schwester, Tia´Lynara, zum ersten Mal verliebt. Kaum zu fassen. Vor wenigen Augenblicken hatte er die Südspitze des Dharan-Hochlandes hinter sich gelassen und flog nun über das vereiste La´Vor-Meer der südlichen Halbkugel von Andoria. Dabei war er tief mit dem Shuttle heruntergegangen, als er eine Herde Andorianischer Stiere entdeckt hatte. Diese Tiere, etwas größer als ihre irdischen Äquivalente, wurden von einem weißen, dicken Fell geschützt und waren durch ihre farbliche Tarnung gar nicht so leicht auszumachen. Sie lebten überwiegend in den Küstengebieten der beiden zentralen andorianischen Sub-Kontinente. Mit ihren messerscharfen, stahlharten Hufen schnitten sie sich Löcher in die Eisdecke der flachen Küstengewässer um an die nahrhaften, eiweißreichen Wasserpflanzen zu kommen, von denen sie sich hauptsächlich ernähren, und die dort überall wuchsen. Ihre leicht gebogenen Hörner wurden bis zu einem Meter lang. In früherer Zeit, galt es auf Andoria als besondere Mutprobe, einen Stier einzufangen und dann auf ihm zu reiten. Besonders, da schon der kleinste Anlass genügt um die Tiere in einen Zustand von wilder Raserei zu versetzen. Ein wenig bedauerte der Andorianer, dass er noch nie die Gelegenheit zu dieser Mutprobe erhalten hatte, während er das Shuttle weiter in südwestlicher Richtung auf Kurs hielt. Seine Heimatstadt Li Mi´She lag ziemlich zentral unter der Oberfläche des östlichen Sub-Kontinents Ka´Thela, wo es weit und breit keine Stierherden gab. Dheran bemerkte die ersten Ausläufer des aufziehenden Sturmes, als das Shuttle von den ersten heftigen Windböen erfasst und leicht durchgeschüttelt wurde. Der Andorianer blickte nach Links zu der breiten Wolkenwand und beschloss dem Sturm auszuweichen, indem er das Shuttle nach Rechts herum schwang und eine weite Linkskurve beschreiben ließ. Bereits nach wenigen Minuten wurde der Flug wieder ruhig. Zufrieden las der Andorianer vom Navigations-Display ab, dass er, bis zu seinem Eintreffen am Basislager, auf Thlanek, vor dem Sturm bleiben würde. Nach der Landung jedoch würde er das Fluggerät relativ schnell sichern müssen, bevor die Wetterfront heran war. Tar´Kyren Dheran wusste, mit welch heftigen Fallwinden solche Sturmfronten aufwarten konnten. Christina Carey und ihr Team hatten sich nicht gerade eine optimale Jahreszeit ausgesucht, für ihre Exkursionen. Aber zumindest dieser Sturm würde nicht Tage toben, sondern innerhalb eines halben Tages über die fragliche Gegend hinweg ziehen, da er sie nur streiften würde. Aber auch das würde sie bereits für eine Weile im Lager festhalten. Während er der nordöstlichen Küste von Thlanek entgegen flog, dachte er an Christina Carey. Sie war ihm nicht aus dem Kopf gegangen, seit sie sich am Raumhafen getrennt hatte, und er fieberte förmlich vor Erwartung, sie wiederzusehen. Zum letzten Mal hatte ihn ein vulkanisches Mädchen innerlich so sehr aufgewühlt. T´Rian, in die er sich, gleich in der ersten Woche an der Akademie, bis über beide Antennen verliebt hatte. Natürlich waren seine Gefühle für Alev Scenaris und danach für Inari Taran gleichfalls von aufrichtiger Natur gewesen, doch bei beiden hatten seine Gefühle nicht jene Intensität erfahren, wie bei der Vulkanierin. Und nun war dieser irdische Lieutenant in sein Leben gekracht und brachte seine Gefühlswelt ebenso durcheinander wie T´Rian, vor drei Jahren. Dheran seufzte schwach. Dabei waren diese beiden Frauen so unterschiedlich, wie sie einander überhaupt nur sein konnten. Und doch verband sie irgendetwas, das sich der Andorianer nicht erklären konnte. Weitaus mehr, als nur eine gewisse äußerliche Ähnlichkeit. Vielleicht war es das, was er als Berührungsempath gespürt hatte, als Christina Carey in seinem Arm erwacht war. Nur wenige Nicht-Andorianer wussten, dass zwei bis drei von einer Million Andorianern und Andorianerinnen dazu in der Lage waren, ihre Gedanken gegenüber telepathisch begabten Wesen abzuschirmen. Er gehörte zu diesem geringen Prozentsatz seines Volkes. Andorianische Männer und Frauen, die so veranlagt waren wie er, konnten darüber hinaus bei körperlichem Kontakt zu anderen Wesen deren Emotionen mitempfinden, und die Emotionen von Christina Carey waren, an besagtem Morgen, ziemlich intensiv gewesen. Sie hatten sich zudem nur wenig von T´Rians Emotionen, vor drei Jahren, kurz vor deren erstem Pon-Farr, unterschieden. Eine andere Frau vielleicht aber dasselbe emotionale Chaos, grübelte Dheran und blickte hinaus auf das Grau des Himmels, der wie eine schwere Bleiplatte über dem Shuttle zu schweben schien. Weit hinter ihm gesellten sich dunklere Grautöne und schwache Streifen von Schwefelgelb hinzu. Der Himmel schien sich seiner Stimmung anzupassen. Doch je näher das Shuttle der Küste von Thlanek kam, desto mehr besserte sich die Stimmung des Andorianers wieder. Daran konnten auch die ersten Schneeflocken, die gegen die Scheiben des Shuttles trieben, nichts ändern. Als das Shuttle, in einer Höhe von knapp fünfhundert Metern, über die Küstenlinie der südlichen Eiskappe hinweg raste, hatte Dheran bereits wieder jene angespannte Aufregung erfasst, die er schon beim Aufbruch verspürt hatte. Der Kadett warf einen kurzen Blick auf seine Reisetasche, die neben ihm auf dem zweiten Sitz des Cockpits lag. Neben seiner Uniform und einigen persönlichen Dingen, hatte er darin diesmal gleichfalls seine persönlichen Aufzeichnungen bezüglich Kharon-Dhura dabei. Außerdem ein kleines, mühevoll selbst in eigens dafür repliziertes Geschenkpapier eingewickeltes Päckchen. Von seinen menschlichen Freunden kannte er die Gepflogenheit der Menschen, sich zu Weihnachten zu beschenken, und das Päckchen enthielt ein, wenn auch etwas verspätetes, Weihnachtsgeschenk für Christina Carey. Er hoffte inständig, es würde ihr gefallen, auch wenn Andorianer selbst auf solche Dinge normalerweise nichts gaben. Ein, an Tar´Kyren Dheran selten zu sehendes, gelöstes Lächeln lag bei diesem Gedanken auf seinem Gesicht. Ein leises, akustisches Signal brachte den jungen Andorianer zurück in die Wirklichkeit. Er näherte sich dem Basislager. Trotz der schlechter werdenden Sichtverhältnisse konnte er das Basislager, nur wenige Augenblicke später, auch optisch ausmachen. Es bestand aus sieben Zelten, die widerstandsfähig genug waren um auch extremsten Wetterverhältnissen standzuhalten. In den letzten zweihundert Jahren hatten die Ingenieure der Sternenflotte diese Zelte für den Einsatz auf Welten, die weitgehend zu Minshara-Klasse gezählt werden konnten, optimiert. Einige Messinstrumente hatten die Forscher der Sternenflotte etwas abseits aufgebaut und in der Eisdecke verankert, soweit Tar´Kyren Dheran das bei der Landung erkennen konnte. Drei kleinere Bodenfahrzeuge mit Kettenantrieb standen in ihrer Nähe. Zwei Menschen traten aus dem größten der Zelte heraus, als das Shuttle den Boden berührte. Dheran vermutete, dass das Summen der Aggregate sie neugierig gemacht hatte. Natürlich würde Christina Carey ihrem Team seine Ankunft angekündigt haben, aber Menschen waren nun einmal von Natur aus sehr wissbegierige Lebewesen. Vielleicht war das auch der maßgebliche Grund dafür, dass die Menschheit so viele ausgezeichnete Forscher hervorgebracht hatte. Nachdem Tar´Kyren Dheran das Shuttle neben einer bodengebundenen Messstation, auf schweren Gleisketten, zu Boden gebracht hatte, deaktivierte er den Antrieb. Einer der beiden Menschen lief auf das Shuttle zu und an der Statur glaubte der Andorianer, zu wissen um wen es sich handelte. Schnell öffnete er die Seitenschleuse. Während Dheran seine Sachen zusammensuchte, betrat die vermummte Gestalt das Innere des Shuttles und schlug die Kapuze der dicken Felljacke zurück. Er hatte sich nicht geirrt, denn es war Christina Carey, die dort vor ihm stand und vergnügt meinte: „Wir haben Sie bereits erwartet, Kadett Dheran. Sie bringen ein lausiges Wetter mit.“ „Ich habe es nicht dazu aufgefordert mir zu folgen“, gab der Andorianer trocken zurück und amüsierte sich über den Gesichtsausdruck der Wissenschaftlerin. Er schloss das Schott wieder, bevor er die Konsole sicherte und erklärte, während er kurz in seiner Reisetasche kramte: „Ich habe Ihnen etwas mitgebracht. Quasi ein verspätetes Weihnachtsgeschenk, Lieutenant Carey. Zwar feiern Andorianer weder Weihnachten, noch Geburtstage, doch ich dachte mir, Sie freuen sich vielleicht darüber.“ Damit reichte Dheran der Irin das etwas unbeholfen verpackte Geschenk. Zunächst zu überrascht um etwas zu sagen, sagte die Frau nach einem langen Moment: „Vielen Dank, Kadett. Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Was ist es denn?“ „Machen Sie es auf“, schlug der Andorianer vor. Interessiert beobachtete er, wie Christina Carey das Päckchen auswickelte und eine schwarze, etwa Trinktassen große Schachtel zutage förderte. Sprachlos starrte sie auf den Inhalt, nachdem sie den Deckel hochgeklappt hatte. Auf einem dunkelblauen Samt-Kissen lag ein filigranes, Weißgoldarmband, in dessen Mitte, nebeneinander, fünf blaue, geschliffene Steine eingelassen waren. Noch nie hatte die Wissenschaftlerin Steine mit einem solchen Feuer gesehen. Sie glühten im Halbdunkel des Shuttles von Innen heraus. Ungläubig sah die Irin Dheran an und sagte mit kratziger Stimme: „So etwas Schönes habe ich noch nie gesehen. Das kann ich nicht annehmen.“ „In diesem Fall muss ich Sie auf ein Ushaan-Duell auf Leben und Tod fordern, Lieutenant, um meine Ehre wiederherzustellen“, erwiderte Dheran düster. „Die Steine besitze ich seit sieben Jahren, als ich mit einem Schulfreund tief in das Höhlensystem unter meiner Heimatstadt hinabgestiegen bin. Andorianer nennen Sie Kumaris Tränen. Sie erinnern sich an die Legende, die ich Ihnen auf dem Passagierschiff erzählt habe? Ich habe einen Bekannten meines Vaters gebeten sie zu schleifen, und dieses Armband für Sie anzufertigen.“ Die Wissenschaftlerin sah Tar´Kyren Dheran mit leuchtenden Augen an. Spontan umarmte sie ihn, und der Andorianer wurde von der Wucht ihrer Emotionen fast überwältigt. Aber das konnte die Frau natürlich nicht ahnen. „Vielen Dank, Kadett. Aber Sie beschämen mich, denn ich habe gar nichts für Sie.“ „Wie ich bereits sagte, auf Andoria sind Weihnachtsgeschenke nicht Sitte“, erwiderte Dheran leichthin, wobei ihm ihre aufrichtige Freude über das Geschenk Dank genug war. Christina Carey schob die Ärmel von Jacke und Uniform an ihrem rechten Arm nach oben und legte das begrenzt biegsame, unten offene, Armband um das Handgelenk. „Das Armband passt perfekt zu Ihrem Typ“, bemerkte Dheran, während die Irin ihr Handgelenk vor ihren Augen in verschiedene Richtungen drehte. „Und es passt, wie angegossen“, stellte die Frau strahlend fest. „Sie haben ein gutes Augenmaß, Kadett Dheran. Diese Steine sind doch sicherlich schwer zu finden, nicht wahr?“ „Sie leuchten im Dunkeln“, schmunzelte Tar´Kyren Dheran. „Oh, Mann. Natürlich.“ Tar´Kyren Dheran, der sich mittlerweile seine Kälteschutzjacke angezogen hatte, schulterte seine Tasche, begab sich zu ihr und öffnete das Schott mit Hilfe des Schalters daneben. „Wir sollten die Mitglieder Ihres Teams nicht länger warten lassen, Lieutenant.“ Sie nahm ihren Blick endlich von dem Armband und strahlte Dheran, mit dem Kopf nickend, an. Schon dafür hatte sich der Weg hierher für ihn gelohnt, befand der Andorianer. Draußen hatte es inzwischen heftig zu schneien begonnen. Der Wind hatte mächtig aufgefrischt und erzeugte bereits ein leises Heulen. „In den nächsten Stunden wird der Wind noch schlimmer werden!“, schrie Tar´Kyren Dheran gegen den Sturm an, als er sich zusammen mit Christina Carey zu dem Zelt begab, aus dem sie mit ihrem Begleiter gekommen war. Ihr Mitarbeiter hatte es offensichtlich inzwischen vorgezogen wieder im Innern zu verschwinden, denn der Platz zwischen den Zelten war leer, als sie dort ankamen. Durch eine kleine Zwischenschleuse, die als zusätzlicher Hitze oder Kälteschutz eingebaut war, ganz davon abhängig auf welcher Welt das Zelt eingesetzt wurde, gelangten sie endlich ins Innere des Zeltes, wo sich ein Ensign, ein Chief-Petty-Officer und zwei Crewmen aufhielten. Christina Carey begab sich mit dem Andorianer zu ihnen und begann damit, sie der Reihe nach miteinander bekannt zu machen. Beginnend mit dem weiblichen Chief-Petty-Officer sagte sie: „Chief Kim Ai-Kairi, dies ist Kadett Tar´Kyren Dheran.“ Den Ensign stellte sie als Olan Kuznow vor. Die beiden Crewmen als Lasse Jarolin und Trevor Harlan. Nachdem Tar´Kyren Dheran der Frau und den drei Männern die Hand gereicht hatte, übernahm es die zierliche Koreanerin dem Andorianer zu erklären, wie weit ihre Forschungen in Bezug auf die Verlorene Eisstadt bisher gediehen waren. Ensign Kuznow und die beiden Crewmen begaben sich indessen zum Kartentisch, an dem sie zuvor Koordinaten eingetragen hatten, während Christina Carey das Zelt verließ. Kaum dass Dheran seine Jacke ausgezogen hatte, erschien sie bereits wieder und entledigte sich ebenfalls ihrer wärmenden Kapuzenjacke. Bei einem schnellen Blick zu der Irin fiel dem Andorianer auf, dass sie das Armband abgenommen hatte. Schnell konzentrierte sich Tar´Kyren Dheran wieder auf die Koreanerin, die ihm gerade bis zur Schulter reichte, als sie erklärte: „Wir konnten den vermutlichen Standort auf drei Punkte eingrenzen, die nach Sichtung aller Unterlagen, die wahrscheinlichsten sind. Zwei von ihnen liegen in unmittelbarer Nähe, der Dritte etwa eine Meile von hier, in exakt südlicher Richtung. Dorthin wollen wir zuerst aufbrechen, sobald der Sturm vorüber ist.“ Die Antennen des Andorianers richteten sich in voller Aufmerksamkeit auf die zierliche Frau. „Ich habe meine privaten Aufzeichnungen mitgebracht, Chief Kim. Wir könnten sie inzwischen mit Ihren Berechnungen abgleichen. Vielleicht ergeben sich ja Übereinstimmungen dabei.“ Die Asiatin nickte lächelnd und wechselte einen Blick mit ihrer Vorgesetzten, die ihr ein zustimmendes Zeichen gab. „In Ordnung, fangen wir am besten gleich an.“ Kapitel 5: Die Suche -------------------- 5. Die Suche Nachdem der Sturm abflaute waren die fünf Menschen und der Andorianer in drei Gruppen aufgebrochen. Müde und erfolglos waren sie an diesem ersten Tag, bei Eintritt der momentan kurzen Nacht auf der südlichen Halbkugel Andorias, wieder zum Lager zurückgekehrt. Einer der Punkte in Dherans Aufzeichnungen hatte sich als am geringsten Deckungsgleich zu den ermittelten Koordinaten des Teams erwiesen, darum war er vorerst zurückgestellt worden. Zudem lag dieser Punkt etwas abgelegen, in einer Sperrzone, die dem Team von den andorianischen Behörden vor drei Tagen erst, genannt worden war. Da die übrigen Punkte in Dherans Unterlagen mit den Koordinaten des Forschungsteams annähernd übereinstimmten, hatten sie beschlossen, diesen Punkt vorerst unberücksichtigt zu lassen. Auch der zweite Tag hatte keine Erfolge gebracht, weshalb die drei Teams am Morgen des 30. Dezember Föderationsstandard relativ ernüchtert losgezogen waren. Nur noch drei Koordinaten, und jene in der Sperrzone, waren nicht überprüft worden. In einem der drei Kettenfahrzeuge rumpelten Christina Carey und Tar´Kyren Dheran durch die eisige Landschaft. Die übrigen Teammitglieder hatten sich auf das zweite und dritte Fahrzeug verteilt und waren in entgegengesetzte Richtungen davongefahren. Die draußen vorbeiziehende Landschaft hatte, in ihrer einheitlich bläulich-weißen Färbung, besaß noch immer etwas unwirkliches für Christina Carey. Auf sie wirkte diese Umgebung bedrohlich, und vermutlich war sie es mehr, als sie ahnte. Weite, im ersten Moment flach wirkende, Ebenen wechselten sich ab mit schroff aufragenden Felsnadeln, die sie vorsichtig umfuhr. Die seit dem Sturm permanent geschlossene Wolkendecke über Thlanek war heute zum ersten Mal wieder aufgerissen und blasses Blau schimmerte hier und da durch das etwas hellere Grau der Wolken. Ein seltsam weiches, goldenes Licht fiel auf die weiße Totenstarre der südlichen Eiskappe und verlieh ihr fast etwas Mystisches. Dort wo das einfallende Licht vom Eis hätte reflektiert werden müssen war die kalte Oberfläche, durch die Wucht tausender Stürme so weit aufgeraut und zerschürft worden, dass sie fast das Vermögen zur Reflexion verloren hatte. Diese weiße zerklüftete Landschaft hatte etwas Ungreifbares, fast Flüchtiges. In der einen Minute grell, mit harten Kontrasten und Konturen, wirkte die Landschaft, im nächsten Moment weich und verschwommen. Letzteres war keine Sinnestäuschung, sondern das Ergebnis einer über den Boden dahin rasenden Eisdrift, deren Wirbel stiegen und fielen ganz nach dem Willen des eisigen Windes, der heute mal stärker mal schwächer wehte, jedoch nie ganz nachließ und zuweilen wieder Sturmstärke erreichte. Er jagte eine wirbelnde Masse aus Milliarden winziger Eiskristalle vor sich her. Mit jeder Böe trommelten diese Kristalle dämonisch gegen die Außenhaut des Fahrzeuges. Dann wiederum legte sich der Wind fast ganz und eine seltsam anmutende Stille, in der nur das Summen der Aggregate zu hören war, entstand in diesen Phasen. „Das mit dieser ominösen Sperrzone finde ich wirklich seltsam“, sinnierte Tar´Kyren Dheran zum wiederholten Mal. Er beobachtete Christina Carey dabei, wie sie das Fahrzeug durch die schemenhaft erscheinende Schneelandschaft steuerte. Dabei stellte er zu seiner Freude fest, dass sie heute wieder das Armband trug, das er ihr geschenkt hatte. „Ja“, bestätigte die junge Wissenschaftlerin nachdenklich. „Als die Sternenflotte mit der Andorianischen Regierung die Verhandlungen wegen der Forschung nach der Eisstadt führte, war von einer solchen Sperrzone nie die Rede gewesen. Können Sie...“ Die Irin unterbrach sich und blickte für einen Moment zu ihrem rechten Handgelenk. Dann meinte sie bestimmt: „Jetzt reicht es mir aber. Ich finde es albern, dass wir beide uns, wenn auch unfreiwillig, nackt gesehen, und gemeinsam in einem Bett übernachtet haben, und wir uns immer noch siezen. Nenn mich Christina, und ich werde Tar´Kyren zu dir sagen. Falls du keine Einwände hast, heißt das.“ Die Antennen des Andorianers spreizten sich. „Ich würde mich darüber sehr freuen, Lieu… ich wollte sagen: Christina.“ Die Wissenschaftlerin lächelte zufrieden. „Dann ist das geklärt, Tar´Kyren.“ Draußen ließ die allgemeine Windstärke etwas nach. Dafür schwebten vereinzelte, glitzernde Schneeflocken vom Himmel herab. In der nun wieder schärfer abgegrenzt wirkenden Leere der Eisebene wirkten sie irgendwie verloren und sorgten bei Christina Carey für eine leicht melancholische Stimmung. Sie war fast erleichtert, als sie sich endlich, am frühen Nachmittag lokaler Zeitrechnung, ihrem Zielpunkt näherten, an dem sie ihre heutigen Tiefenmessungen vornehmen wollten. „Noch etwa fünf Minuten, bis wir die angepeilten Koordinaten erreichen“, gab die Wissenschaftlerin Auskunft. Danach nahm sie das angeschnittene Thema wieder auf und fragte nachdenklich: „Wozu hat deine Regierung eine Sperrzone in dieser gottverlassenen Einsamkeit errichtet? Was findet dort statt?“ Der Andorianer machte ein ratloses Gesicht. „Das kann ich mir offen gestanden nicht vorstellen. Dort gibt es weder irgendwelche Ansiedlungen, noch militärische Stützpunkte. Wenn es anders wäre, so hätte mein Vater mich darauf hingewiesen, bevor ich von Zuhause aus hierher aufgebrochen bin.“ „Verrückte Geschichte.“ Wenig später hielt die Wissenschaftlerin inmitten einer gewaltigen Ebene, die sich wie ein abgeräumtes Tablett in überwältigender Leere und Einsamkeit vor ihnen erstreckte. Sie deaktivierte den Antrieb und wandte sich zu ihrem Begleiter. „Ich bohre hier die Sonde ins Eis hinunter. Bitte beobachte die eingehende Telemetrie auf deiner Konsole. Wenn du ungewöhnlich große Hohlräume, sehr tief reichende Spalten oder Schächte entdeckst, dann sag bitte umgehend Bescheid und speichere die Koordinaten.“ Der Andorianer gab konzentriert zurück: „Aye, ich bin bereit.“ Zwanzig Minuten lang arbeiteten beide so intensiv, dass kein einziges Wort zwischen ihnen fiel. Endlich gab Christina Carey ein enttäuschtes Seufzen von sich und meinte, wenig Hoffnungsvoll: „Ich habe gar nichts, was ist mit dir? Sind dir irgendwelche Unregelmäßigkeiten oder auffällige Gangsysteme unter der Oberfläche aufgefallen?“ „Nein, tut mir leid“, erwiderte Dheran mit ehrlichem Bedauern in der Stimme. „Vielleicht hatten die zwei anderen Teams ja mehr Glück?“ „Danke für den Versuch mich aufzumuntern, Tar´Kyren. Aber die hatten die kürzeren Wege und hätten sich bestimmt längst gemeldet, wenn sie erfolgreich gewesen wären.“ „Kri´Turonn“, entfuhr es dem Andorianer. Er bemerkte den fragenden Blick der Irin und erklärte schnell: „Ich habe nur meinem Unmut Ausdruck verliehen. In deiner Sprache bedeutet es Verdammt, oder So ein Mist.“ „Wahrscheinlich ist das noch die vornehme Umschreibung, dem Klang nach zu urteilen.“, vermutete Christina Carey grinsend und atmete tief durch und fuhr die Eissonde ein. „Komm, fahren wir zurück zum Basislager.“ Noch während sie das Fahrzeug in die Richtung wendete, aus der sie gekommen waren, fiel Tar´Kyren Dheran etwas ein. „Was hältst du davon, wenn wir einen kleinen Umweg fahren, und uns, Sperrzone hin oder her, trotzdem mal da umsehen. Vielleicht ist ja niemand vor Ort.“ Die Irin nickte und ein besonderer Glanz erfüllte ihre Augen. „Ein Versuch kann bestimmt nicht schaden. Was soll schon großartig passieren. Schlimmstenfalls wird man uns von dort wegschicken. Allerdings werden wir auf dem letzten Stück der Rückfahrt aufpassen müssen, da wir dadurch erst nach Eintritt der Dämmerung das Basislager erreichen werden.“ Dherans Antennen richteten sich steil auf. „Das werden wir schon schaffen.“ Sie blickten sich in die Augen und sie schlossen in diesem Moment wortlos einen Pakt miteinander. Die Abenteurer-Ader war ihnen beiden gleich stark zu eigen, wie die Irin in diesem Augenblick erkannte. „Okay, fahren wir also hin.“ * * * Sie kamen unbehelligt bis dicht vor die Sperrzone, und sowohl Tar´Kyren Dheran als auch Christina Carey waren zuversichtlich, dass sie niemand aufhalten würde. Doch plötzlich meldete die Irin: „Der Scanner zeigt zwei Luftfahrzeuge an. Die müssen ganz in der Nähe aufgestiegen sein, denn sie waren fast übergangslos auf der Anzeige. Schnell, schalte deine Instrumente auf Aufnahme, bevor die uns von hier vertreiben.“ Der Andorianer an der Seite der Irin kam der Aufforderung wortlos nach. Bereits einen Moment später krachte eine harsche, tiefe Stimme aus dem Funkempfänger. „Unbekanntes Fahrzeug, hier spricht Commander Rhy´Dar Keren von der Andorianischen Garde. Stoppen Sie unverzüglich. Sie sind im Begriff in eine Sperrzone einzudringen. Ich wiederhole: Stoppen Sie unverzüglich - Kommen.“ „So viel zum Thema: Niemand ist vor Ort“, knurrte Christina Carey missmutig und hielt das Vehikel an. „Verdammter Mist.“ Sie öffnete einen Audiokanal und meldete sich. „Commander Keren, hier spricht Lieutenant Christina Carey von der Sternenflotte. Wir haben unser Basislager, mit dem Wissen Ihrer Regierung, auf Thlanek errichtet. Ich bin durch einen zeitweiligen Ausfall der automatischen Navigation vom Kurs abgekommen und korrigiere ihn umgehend - Kommen.“ Die Wissenschaftlerin ließ ihren Worten Taten folgen. Mit mürrischem Gesicht lenkte sie das Fahrzeug herum, so dass es nun direkten Kurs zum Basislager einschlug. Erneut klang die tiefe Stimme des andorianischen Commanders auf. „Verstanden, Lieutenant Carey. Meine Leute verfolgen den Kurs Ihres Fahrzeuges. Keren, Ende.“ Christina Carey bestätigte und wandte sich zu Tar´Kyren Dheran. „Misstrauischer Haufen. Was treibt bloß ein andorianischer Commander der Garde in dieser Einöde?“ Dheran machte eine nachdenkliche Miene. „Ich kann mir das nicht erklären. Ich kenne diese Gegend und hier gibt es wirklich weit und breit nichts von Interesse.“ „Außer das, was wir vermuten, Tar´Kyren. Hoffentlich haben die Instrumente etwas aufgezeichnet, das uns weiter bringt.“ Der andorianische Kadett verstand in derselben Sekunde und fragte überrascht: „Du glaubst, die sind wegen dir und deines Teams hierher beordert worden? Das würde ja bedeuten, dass sie mehr wissen, als wir.“ Die Frau nickte bedeutungsvoll. „Zumindest scheinen sie neuerdings in etwa zu wissen, wo die Verlorene Eisstadt zu suchen ist. Ich weiß nicht, Tar´Kyren. Mir scheint es fast so, als würden sie...“ Dheran blickte fragend in die Augen seiner Begleiterin, als sie sich selbst mitten im Satz unterbrach. Einen Moment später erfasste er, was sie hatte andeuten wollen und etwas ungläubig erwiderte er: „Du glaubst doch nicht, dass die da draußen sind, um die Arbeit von dir und deinem Team nicht zu einem erfolgreichen Ende kommen zu lassen.“ Die Wissenschaftlerin biss sich auf die Unterlippe, bevor sie leise überlegte: „Ich bin mir nicht sicher. Aber die Beamten, hier auf Andoria, haben die Genehmigung des Antrages der Sternenflotte, hier in dieser Gegend zu forschen, immer wieder verzögert. Mein Vorgesetzter auf der Erde, Commander Angelo, hielt einige der Gründe für ziemlich fadenscheinig, wie er es nannte.“ Tar´Kyren Dheran wollte nicht so recht an die Theorie der Terranerin glauben. Dann fiel sein Blick auf die Anzeigen des Fahrzeuges. Die Scanner zeigten an, dass eines der Shuttles ihnen in einigem Abstand folgte. Grübelnd erwiderte er schließlich: „Nach dem, was ich aufzeichnen konnte, gibt es, unweit der Stelle an der sie uns aufgespürt haben, einen tiefen Canyon. Mit einem Bodenfahrzeug können wir den nicht befahren. Außerdem ist die Energiesignatur des Fahrzeuges zu stark. Aber mit dem Shuttle, mit dem ich hergekommen bin, könnte man in diesen Canyon einfliegen. Ich könnte vorher dafür sorgen, dass die Energiesignatur des Shuttles sich zerstreut. Mit Minimalleistung sollte es vielleicht möglich sein, dass sie uns nicht bemerken. Der Canyon mündet, nach diesen Aufzeichnungen, an einer tiefen Spalte im Eis, und ich wüsste zu gerne, was sich darunter befindet.“ Christina Carey blickte den Andorianer mit neu erwachender Hoffnung an. „Du meinst, wir sollten es nochmal versuchen?“ Dheran nickte grimmig. „Nach meinen Anzeigen wird für heute Nacht ein Gewitter vorhergesagt. Die dabei entstehenden elektromagnetischen Störungen könnten uns vor einer Entdeckung schützen, wenn ich das Shuttle dicht über dem Boden halte, bis wir den Canyon erreicht haben.“ Die Augen der Irin blitzten förmlich auf vor Unternehmungslust. Dabei erklärte sie eindringlich: „Aber wir werden uns vermutlich aus dem Lager heraus stehlen müssen. Mein Stellvertreter, Ensign Kuznow, ist einer von diesen übergenauen Typen. Der stimmt unserem Vorhaben bestimmt nicht zu und würde vermutlich alles daransetzen um diese Exkursion zu verhindern, und darüber hinaus sofort die andorianischen Behörden kontaktieren.“ „Das klingt langsam nach einem Plan“, erwiderte Dheran in gespannter Erwartung. „Seile und alles Andere, was man für eine Kletterpartie unter der Oberfläche braucht, habe ich im Shuttle mitgebracht. Für alle Fälle. Du musst nur meine Unterlagen aus dem Arbeitszelt holen, sobald wir wieder im Lager sind.“ Die Wissenschaftlerin nickte zustimmend. „Ich werde trotzdem einen Versuch starten, mein Team für dieses Unternehmen zu gewinnen. Falls sie nicht mitmachen, dann hole ich dich in deinem Zelt ab, sobald alle anderen schlafen, und wir brechen allein auf. Aber wenn die Garde uns erwischen, dann kommen wir bestimmt in Teufels Küche.“ „Wohin kommen wir?“ Christina Carey lachte humorlos. „Die Sternenflotte schmeißt uns achtkantig raus.“ „Ich verstehe, was du meinst. Ich nehme es in Kauf.“ Die Irin lachte, diesmal aus vollem Herzen. „Wenn wir zwei das Paradebeispiel für den Nachwuchs an verantwortungsbewussten Sternenflotten-Offizieren sind, dann sehe ich aber schwarz für die Sternenflotte.“ Tar´Kyren Dheran fiel in ihr Lachen mit ein und in bester Laune fuhren sie weiter dem Basislager entgegen, wo bisher noch niemand ahnte, zu welch gefährlichen Unternehmen sie schon bald aufzubrechen gedachten. Kapitel 6: Gefangen im Eis -------------------------- 6. Gefangen im Eis Tar´Kyren Dheran wartete ungeduldig, nachdem sich die Mitglieder des Forschungsteams zur Ruhe begeben hatten. Die Irin hatte mit ihrem Team über die Sperrzone geredet und dabei herausgefunden, dass ihre Leute an keiner Exkursion in der Sperrzone teilnehmen würden. Also mussten sie es, wie erwartet, zu zweit versuchen. Die Zeit schien sich endlos zu dehnen, bis Christina Carey endlich bei ihm im Zelt auftauchte. Sie reichte dem Andorianer das Daten-PADD, das er am Tag seiner Ankunft zur Verfügung gestellt hatte und erkundigte sich leise: „Wozu brauchen wir das überhaupt?“ Der Andorianer lachte leise. „Ich habe Chief-Petty-Officer Kim nichts davon erzählt, dass dieses PADD einen Text enthält, der eine Art Wegbeschreibung darstellt. Auf Andorianisch natürlich. Ich habe mir das aus verschiedenen Quellen zusammengesucht, und ich kann nicht sagen, in wie weit sie brauchbar ist. Aber wenn die Verlorene Eisstadt nicht nur eine Sage meines Volkes ist, dann könnte auch an dieser Beschreibung etwas Wahres sein. Ich konnte lediglich nie ermitteln, wo der dort beschriebene Weg beginnt.“ „Okay, ob dieser Text uns weiterhilft werden wir vielleicht später erfahren. Jetzt sollten wir lieber aufbrechen. Das Gewitter zieht bereits herauf.“ Dicht hintereinander verließen sie das Zelt und schritten zu dem abseits abgestellten Shuttle des Andorianers. Im Cockpit nahm Christina Carey neben dem Andorianer platz und beobachtete ihn dabei, wie er die Konsolen aktivierte. Die Symbole und Anzeigen konnte sie dabei nur zu einem Teil entziffern und verstehen. Dheran drückte eine Kombination von Sensortasten, und einen Moment später erschienen auf der Konsole des Co-Piloten sämtliche Anzeigen auf Föderation-Standard. Dabei erklärte der Andorianer verschmitzt grinsend: „Wir leben zwar auf einem Mond, aber nicht hinter dem Mond.“ Die Augenbrauen der Frau hoben sich leicht. „Wer hat dir denn dieses Wortspiel beigebracht, mein Lieber?“ Der Andorianer verzichtete auf eine Antwort und sagte stattdessen: „Bitte achte auf die Anzeige des Passiv-Scanners. Ich starte das Shuttle jetzt.“ Von einem Moment auf den anderen war die junge Frau voll konzentriert. Sanft, wie eine Feder, hob das Shuttle von der eisigen Ebene ab und entfernte sich, fast lautlos, vom Basislager. Durch das Seitenfenster warf Christina Carey einen Blick in die Tiefe, doch unten im Lager blieb alles ruhig. Nichts rührte sich dort. Dann sah sie noch vorne, in die Nacht hinaus. Auf der Seite des Piloten zuckten die ersten Blitze auf und überzogen die kalte Eislandschaft mit schwachen, gespenstisch wirkenden Reflexionen. Schwarze Konturen zeichneten sich in diesen Momenten ab. Sie hatte erwartet, die Eisflächen würden im Blitzlicht des Gewitters leuchten, funkeln und glitzern, wie Millionen Sterne. Doch sie blieben schwarz, wie die Nacht selbst. „Diese bizarre Eiswelt ist so ganz anders, als ich es erwartet hätte“, murmelte sie leise, während das Shuttle über der finsteren Oberfläche dahin glitt. „Die Ewigkeit selbst scheint darin eingeschlossen zu sein.“ „So ähnlich habe ich empfunden, als ich zum ersten Mal auf der Erde über die weite des Meeres geblickt habe“, drangen Tar´Kyren Dherans Worte in die Gedanken der Irin. Dabei galt seine volle Aufmerksamkeit den Instrumenten, mit deren Hilfe er das Shuttle dicht über dem Boden hielt. Da Dheran mit der geringstmöglichen Energieabgabe arbeitete wurde das Shuttle dabei von jeder stärkeren Windböe durchgerüttelt. Kurz auf das Armband an ihrem Handgelenk sehend fragte Christina Carey ablenkend: „Das Armband ist eine Einzelanfertigung, nicht wahr?“ „Ja“, bestätigte der junge Andorianer neben ihr. „Nur die Wenigsten meiner Spezies tragen Schmuck. Darum verstehen sich auch nur sehr wenige Andorianer auf die Herstellung von Schmuckstücken. Es ist reiner Zufall, dass mein Vater einen solchen Andorianer kennt.“ Die Irin nickte lächelnd. „Was hat dich und deinen Schulfreund veranlasst, in die Tiefen Andorias hinab zu steigen und nach Kumaris Tränen zu suchen, wenn sie üblicherweise nicht zur Herstellung von Schmuck verwendet werden?“ Ein leises Lachen kam von dem Andorianer. „Es war eine Mutprobe, denn dieser Abstieg war nicht ganz ungefährlich. Abgesehen davon gelten diese Steine als Glücksbringer, so wie dein goldenes Kreuz.“ „Und du verschenkst diese Steine einfach so?“ Erneut lachte der Andorianer. „Schon zu Schulzeiten stellte sich heraus, dass ich ein vom Glück Begünstigter bin, wie meine Mutter es formulieren würde. Weil alles, was ich beginne, sich am Ende stets zum Guten wendet. Das war auch schon so, bevor ich diese Steine gefunden habe. Im Übrigen besteht das eigentliche Glück darin, sie zu finden, und nicht, sie zu besitzen, Christina. Überdies kannst du bei der Suche nach der Verlorenen Eisstadt jedes Glück dieses Universums gebrauchen, also sind sie bei dir gut aufgehoben.“ Die Irin legte in einer sanften Geste ihre Linke auf den Unterarm des Andorianers und erwiderte leise: „Es ist etwas ganz Besonderes und ich werde es in Ehren halten.“ Die Emotionen, die von Christina Carey ausgingen rissen Tar´Kyren Dheran für einen Moment aus der Konzentration, und die rechte Seite des Shuttles touchierte spürbar einen Felsenvorsprung, als es in den Canyon einflog, den der Andorianer am Nachmittag erwähnt hatte. Sie wurden kurz durchgeschüttelt und mit einem verlegenen Grinsen sah der Andorianer kurz zu seiner Begleiterin. Dann erforderte die Steuerung des Shuttles wieder seine gesamte Aufmerksamkeit. Das Gewitter wurde heftiger und die Blitze leuchteten jetzt beinahe im Sekundentakt. Christina Carey verfolgte ihre Anzeigen und fragte: „Wie hoch ist die Chance, dass sie uns jetzt noch anmessen werden?“ Dheran ließ des Shuttle immer tiefer in den Canyon absinken. „Nahe Null, würde ich sagen. Ich habe ja selbst Schwierigkeiten mit den Anzeigen. Die atmosphärischen Störungen haben beinahe das Maximum erreicht. Der Andorianer deutete mit der Hand zur Frontscheibe hinaus. „Dort vorne, in etwa einem Kilometer Entfernung, gibt es eine etwas größere Höhle, in die das Shuttle hinein passt. Im hinteren Teil dieser Höhle habe ich den Eingang zu einem verzweigten Gangsystem angemessen. Wir sollten einen der Gänge benutzen und im Innern einige Messungen mit der tragbaren Sonde vornehmen.“ Das Gesicht der Irin wirkte im schwachen Licht der Instrumente angespannt. „Glaubst du wirklich, dass die Spalte im Eis, die ganz in der Nähe liegt, der Eingang zum Weg nach Kharon-Dhura sein könnte?“ „Wäre nicht unmöglich“, gab Tar´Kyren Dheran knapp zurück, da er sich nun voll auf die Steuerung konzentrierte. Das Shuttle flog, sich auflehnend und bockend in die Höhle ein, und für einige Momente sah es so aus, als würde der Andorianer eine Bruchlandung hinlegen. Doch endlich beruhigte sich der Flug wieder, als das Shuttle, mit einer geringen Restgeschwindigkeit in die, von Dheran erwähnte Höhle hinein glitt. Einige Augenblicke später fuhr ein leichter Ruck durch das Shuttle, als es etwas unsanft auf dem Boden der Höhle aufsetzte. „Na bitte, das hätten wir“, grinste der Andorianer. Fast in demselben Moment, als er die Aggregate des Shuttles deaktivierte, drang ein leises Knacksen an die Ohren der beiden Insassen, und sie sahen sich an. Christina Carey meinte mit rauer Stimme: „Ich bin bestimmt nicht ängstlich, wenn kein Grund dazu vorliegt, aber klingt das für dich normal?“ Der junge Kadett öffnete den Mund, doch bevor er zu einer Antwort kam drang ein vernehmliches Krachen an ihre Ohren, und gleich darauf glaubten sie, ihre Mägen würden, in ihren Körpern, nach oben steigen. Entsetzen spiegelte sich auf ihren Mienen, und Christina Carey schrie: „Wir stürzen ab!“ Dheran und die Wissenschaftlerin spürten den Fall in die Tiefe des Planeten fast überdeutlich. Sie wurden aus ihren Sitzen herausgeschleudert, bevor ihre Hände einen festen Halt fanden. Im nächsten Moment erfolgte ein fürchterlicher Schlag und löschte das Bewusstsein der irdischen Frau und des Andorianers. * * * Das Erste, was Tar´Kyren Dheran wahrnahm, als er das Bewusstsein wiedererlangte, war ein metallischer, etwas süßlicher Geschmack im Mund. Außerdem spürte er einen stechenden Schmerz auf seiner Zunge. Offensichtlich hatte er sich darauf gebissen, beim Sturz in die Tiefe. Erst danach wurde ihm bewusst, dass er, ziemlich unbequem, in der Ecke, an der zwei Wände des Shuttles zusammenliefen, ruhte. Etwas Schweres lag auf seinem Oberkörper. Etwas, das sich bewegte und ein Stöhnen von sich gab. „Was, zur Hölle, ist passiert?“ Die Frage kam von Christina Carey, die das Glück gehabt hatte, nicht gegen eine der Innenwände geprallt zu sein, sondern auf den Andorianer. Allerdings waren dabei ihre Köpfe ziemlich heftig miteinander kollidiert und hatte ihnen das Bewusstsein genommen. „Dein Eisenschädel wäre beinahe mein Ende gewesen“, brummte der Andorianer und tastete dabei mit den Händen über ihren Körper. „An deinem Holzkopf dürfte dabei kein nennenswerter Schaden entstanden sein“, gab die Irin grob zurück. „Hilf mir lieber mal runter von dir.“ „Was denkst du denn, was ich hier gerade versuche?“ Selbst in der fast vollkommenen Finsternis konnte der Andorianer das anzügliche Grinsen der Frau erkennen, als sie erwiderte: „Wer weiß?“ Der Andorianer packte Christina Carey fest in den Hüften und hob sie zur Seite. „Dir scheint nichts Ernsthaftes passiert zu sein, aber ich bin mir nicht sicher, ob in meinem Körper noch alle Knochenplatten da sitzen, wo sie hingehören.“ Er ließ die Frau los und spannte die Muskeln in Armen und Beinen an. Danach befand er: „Unser Absturz scheint noch einigermaßen glimpflich ausgegangen zu sein. Jetzt müssen wir erst einmal einen Weg hier heraus finden. Ach - hatte ich schon erwähnt, dass mein Vater mich umbringen wird, wenn wir das hinter uns haben? Das Shuttle gehört nämlich ihm.“ „Ich komme dann zu deiner Beerdigung“, spottete die Irin und erhob sich, mühsam ihren Körper auf den Schrägen der Innenwände ausbalancierend, ohne dabei auf den Andorianer zu treten. Geräuschvoll erhob sich Dheran und stand endlich ebenfalls unsicher auf seinen Füßen. Gleich darauf rutschte er weg, und mit den Armen durch die Luft rudernd landete er unsanft wieder auf dem Hosenboden. Die Wissenschaftlerin lachte schadenfroh auf und die Antennen des Andorianers bogen sich deutlich nach Innen, während er sich ächzend erneut aufrichtete. Diesmal blieb er auf den Beinen und sah sich um. Schräg über ihm befand sich die Frontscheibe, die den Aufprall nicht ganz unbeschadet überstanden hatte. Deutlich erkennbare Risse durchzogen das transparente Material. Nur im Infrarotbereich konnte Dheran undeutlich die gezackte Öffnung über sich erkennen, durch die sie hinabgestürzt waren. Die atmosphärischen Störungen, die das Shuttle vor einer Entdeckung geschützt hatten, hatten gleichzeitig verhindert, dass die Instrumente den Hohlraum unter der dünnen Eisdecke angezeigt hatten. Seiner Schätzung nach, lag das Shuttle gute zwanzig Meter unterhalb der eingebrochenen Eisdecke. Die Spalte im Eis schien sich offensichtlich bis zu diesem Punkt unterirdisch fortzusetzen. Und nun steckte das Shuttle in ihr fest. Dheran deutete nach oben und sah sich zu Christina Carey um. „Da werden wir kaum wieder hinauf kommen. Die Wände sind sehr glatt und neigen sich im oberen Bereich zum Durchbruch hin. Da ist, mit unserer Ausrüstung, wenig zu machen.“ Es gab einen trockenen Knall und ein Funkenregen kam auf sie herab. Tar´Kyren Dheran lachte humorlos auf und fügte seinen Worten hinzu: „Und wenn ich das richtig sehe, haben die Bordsysteme sich gerade eben verabschiedet. Ein Notruf kommt damit also nicht mehr in Frage.“ „Dann bleibt uns nur die Hoffnung, dass es unterhalb der Eisspalte ein Gangsystem zu einem anderen Ausgang gibt“, stellte die Irin nüchtern fest. „Oder, im Idealfall, einen Weg zur Verlorenen Eisstadt. Denn von dort aus gibt es sicherlich noch andere Wege, die an die Oberfläche des Mondes führen.“ Dheran wollte bereits zu bedenken geben, dass die Eisstadt möglicherweise gar nicht existierte, doch noch rechtzeitig fiel ihm eine Lektion seiner Ausbilder ein. In Situationen, wie dieser, war eine positive Einstellung ratsam. Außerdem hielt er ihre Lage noch lange nicht für Hoffnungslos. Darum meinte er: „Das ist wahrscheinlich.“ Inzwischen hatte Christina Carey, im allgemeinen Durcheinander, die Rucksäcke mit ihrer Ausrüstung und Notverpflegung zutage gefördert. Sie kramte in ihrem Gepäck und fluchte leise. Mit frustriertem Tonfall sagte sie: „Ausgerechnet den Tricorder hat es beim Absturz erwischt. Das Ding ist hin. Und die Sonde bringt uns auch nichts, da die über die Aggregate des Shuttles hätte versorgt werden müssen. Die Wissenschaftlerin suchte weiter und hielt endlich zwei Arm-Scheinwerfer in den Händen, von denen sie ihrem Begleiter einen reichte. Dabei erklärte sie: „Dein privates Gepäck lässt du am besten hier. Wenn das Shuttle geborgen wird kommt es ohnehin mit nach oben. Und falls wir es nicht schaffen, dann brauchst du es ohnehin nicht mehr.“ Da hat wohl jemand eine wichtige Lektion der Akademie vergessen, ging es dem Andorianer durch den Sinn, während er seine Kälteschutzkleidung und den Rucksack anlegte, und diesen zurecht rückte. Danach aktivierte er den Doppelscheinwerfer an seinem linken Arm und leuchtete zum Schott. Christina Carey, die es ihm nach tat, beobachtete Tar´Kyren Dheran dabei, wie er das Schott per Notentriegelung, Zentimeter für Zentimeter, öffnete bis der Spalt breit genug war, um sie durchzulassen. Der Andorianer blickte hindurch und rief missmutig nach Innen: „Wir haben Pech gehabt, das Schott befindet sich mindestens zwanzig bis dreißig Meter über dem unteren Ende der Spalte. Darunter scheint es einen Höhlengang zu geben, wenn meine Augen mich nicht betrügen. Wir müssen uns also nach unten abseilen.“ Seine Stimme hallte seltsam, wie Christina Carey fand. Der Andorianer band eines der vier Seile an eine Öse, in der Nähe des Schotts und warf das andere Ende hinab in die Finsternis. Dumpf schlug das Ende unten auf. „Klingt nach festem Grund“, bemerkte Dheran erleichtert. „Ich klettere zuerst hinunter und gebe Bescheid, wenn ich unten bin. Zieh du dann das Seil rauf und lasse anschließend unser Gepäck hinunter, bevor du nachkommst. Ich werde Unten sichern. Vor den Augen der Irin verschwand Tar´Kyren Dheran in die Finsternis, und sie hörte ihn nach einer geraumen Weile unten aufkommen. Schnell zog sie das Seil herauf und sicherte ihr und sein Gepäck daran. Sie ließ es mit mäßiger Geschwindigkeit zu dem Andorianer hinunter und wartete darauf, dass er ihr mitteilte, dass sie nachfolgen konnte. Als der Ruf ihres Begleiters aus der Tiefe zu ihr herauf drang trat sie an das Schott und blickte in die Tiefe. Trotz eines mulmigen Gefühls in der Magengegend seilte sie sich geschickt ab – tiefer und tiefer die Eisspalte hinunter. So, wie sie es oft auf diversen Holodecks geübt hatte. Als sie endlich den Boden erreichte war der Andorianer unter ihr bereits einige Schritte zurückgetreten und beleuchtete den Boden des Felsenganges, damit sie sehen konnte, wo sie landen würde. Ohne zu zögern ließ sie sich das letzte Stück hinunter und landete, in den Knien abfedernd, sicher auf dem Felsboden. Ein Stück auf Dheran zu gehend leuchtete sie das Shuttle, hoch über sich, an und meinte: „Oh, je, da wird dein Vater wirklich nicht begeistert sein, fürchte ich.“ Ihre Stimme hallte leise in dem Gang und der Eisspalte nach. Tar´Kyren Dheran knurrte nur etwas Unverständliches. Er hatte ein paar Schritte in den Gang hinein gemacht und leuchtete an den vereisten Wänden entlang. Der unregelmäßig geformte Kanal schien sich in weiter Ferne zu verlieren. Sie erkannten, dass er sich leicht nach unten neigte, und Christina Carey, die neben den Andorianer trat, meinte lakonisch: „An die Oberfläche führt der nicht gerade.“ „Nach unten ist es angenehmer zu gehen“, erwiderte ihr Begleiter trocken. „Da wir keine Alternative habe, sollten wir nicht länger hier herum trödeln. Außerdem sind wir aufgebrochen, um Kharon-Dhura zu finden, oder etwa nicht?“ „Immer mit der Ruhe, du Heißsporn“, mahnte die Irin schmunzelnd. „Wir werden früh genug in die nächste Krisensituation schlittern.“ Damit schritt sie, in den Gang hinein leuchtend, forsch an Dheran vorbei. Der Andorianer schaltete seinen Scheinwerfer aus und folgte der Wissenschaftlerin. Niemand konnte wissen, wie lange sie in diesem Höhlensystem unterwegs sein würden, deshalb hielt er es für eine gute Idee, die Energiequelle seines Scheinwerfers zu schonen. Einer der Doppelscheinwerfer reichte im Moment vollkommen aus. Gemeinsam machten sie sich auf den Weg in die unerforschten Tiefen Andorias. Kapitel 7: Die Brücke der Kriegsgöttin -------------------------------------- 7. Die Brücke der Kriegsgöttin Zwei Stunden lang folgten Tar´Kyren Dheran und Christina Carey dem Gang in die Tiefe, bevor er zum ersten Mal in eine andere Richtung schwenkte. Mittlerweile hatte Eis den Felsen unter ihren Füßen abgelöst und es knackte und knirschte bei jedem ihrer Schritte. Dabei war die Qualität der Luft, in den letzten Minuten, langsam aber stetig immer schlechter geworden. Den Grund dafür entdeckten sie, als sie nach einer weiten Linkskurve, einen etwas größeren Höhlendom betraten und die Kadaver mehrerer Eisstiere entdeckten. Sie machten einen Bogen um die vereisten Tierleichen und Dheran erklärte: „Andorianische Gelehrte haben immer vermutet, dass sich diese Tiere zum Sterben in die Tiefen Andorias zurückziehen, da man nie Leichen dieser Tiere an der Oberfläche entdeckt hat. Der Gestank wird von dem Blut erzeugt, das auch lange nach dem Tod der Tiere flüssig bleibt und sich dabei langsam zersetzt, wobei der Gestank abgesondert wird.“ „Sehr interessant“, keuchte die Wissenschaftlerin würgend. „Trotzdem hätte ich gut und gerne auf diese Erfahrung verzichten können.“ „Dabei steht dir die grüne Gesichtsfarbe wirklich gut“, stichelte der Andorianer. Danach wurde er schnell wieder ernst. „Ein Gutes hat dieser Fund für uns aber doch. Er beweist, dass es noch einen anderen Weg hier herunter geben muss. Denn diese Eisstiere müssen es ja schließlich irgendwie hierher geschafft haben, und als Kletterkünstler sind die bei uns nicht gerade bekannt.“ „Verdammt noch mal, du hast Recht“, rief Christina Carey aus. „Vermutlich liegt der Zugang, den diese Tiere genommen haben, noch tiefer in der Sperrzone.“ Dheran bemerkte ihre nun wieder aufkeimende Zuversicht, und auch spürte eine gewisse Erleichterung. Es gab einen Ausweg und sie mussten ihn nur finden. Schnell durchschritten sie diesen Höhlendom und verließen ihn durch einen Gang auf der anderen Seite. Einige Male wand sich der Gang nun in engen Kurven, mal nach Linkes, mal nach Rechts und Tar´Kyren Dheran war froh darüber, dass er, dank der primären Funktion seiner Antennenorgane, nicht die Orientierung verlor. In diese Überlegung hinein murrte Christina Carey missmutig: „Wir werden uns hoffnungslos hier unten verirren.“ „Das werden wir nicht“, erwiderte Dheran bestimmt. „Du vergisst wohl, dass du mit einem Andorianer hierher gekommen bist. Meine Antennenorgane auf dem Kopf besitzen primär die Aufgabe, den dreidimensionalen Raum um mich herum wahrzunehmen. Mit anderen Worten, Andorianer besitzen die Fähigkeit sich auch in komplexen Labyrinthen nicht zu verirren, da sie jederzeit ihre Position innerhalb geschlossener Gangsysteme kennen. Sei es nun in weitläufigen Gebäuden oder, so wie hier, in einem unterirdischen Gangsystem. Dabei können Andorianer bis auf wenige Meter Toleranz sagen, wie weit wir uns von einem bestimmten Punkt entfernt haben. Ich würde also zumindest jeden Ort, an dem wir bisher waren, inklusive des Absturzortes, wiederfinden. Kein Grund zur Panik also.“ Christina Carey gab einen leisen Laut der Überraschung von sich. Erst einige Herzschläge später erwiderte sie: „Das wusste ich bisher nicht. Was, zum Teufel, kannst du denn noch alles anstellen, mit diesen verdammten Antennen. Kannst du damit etwa auch noch Subraumnachrichten empfangen?“ „Nichts dergleichen“, gab der Andorianer erheitert zurück. „Jetzt kennst du alle ihre Funktionen, Christina.“ „Das beruhigt mich außerordentlich.“ Die Irin schlug kurz die Kapuze ihrer Jacke zurück, band sich ihren Schal um Mund und Nase und setzte die Kapuze wieder auf. Dumpf klang ihre Stimme auf: „Hier unten hat es bestimmt minus hundert Grad.“ „Eher um die minus dreißig bis minus vierzig“, versetzte Dheran schmunzelnd. Sie kamen an eine Stelle, ab der sich dieser Gang wieder geradlinig vor ihnen erstreckte. Für eine Weile blieb es still zwischen ihnen und nur das Knirschen ihrer Stiefelsohlen auf dem eisigen Fels, und ihr leiser Widerhall war zu hören. Nach einer Weile glaubte Christina Carey noch etwas Anderes in der Stille zu vernehmen. Sie hielt an und packte ihren Begleiter am Unterarm. „Bleib mal kurz stehen und verhalte dich ruhig“, bat sie ihren Begleiter. „Ich glaube, ich habe da gerade ein Geräusch gehört, dass sich von denen unterscheidet, die wir verursachen, Tar´Kyren.“ Sie blieben stehen und lauschten in die Finsternis. Zuerst hörte der Andorianer rein gar nichts, doch dann drang ein leises Rauschen und Plätschern an seine Ohren. Dheran wandte das Gesicht zu Christina Carey und flüsterte heiser. „Ja, jetzt höre ich es auch. Ein unterirdischer Fluss, wie mir scheint. Hm, ich glaube fast...“ Er unterbrach sich, und nachdem er auch nach einigen Sekunden den Satz nicht zu Ende gebracht hatte, fragte die Wissenschaftlerin raunend: „Was glaubst du?“ „Ich bin mir nicht sicher, aber in der vagen Wegbeschreibung meiner Aufzeichnungen kommt auch ein unterirdischer Fluss vor, und eine Brücke, die ihn überspannen soll. Komm, lass uns nachsehen, ob es wirklich ein Fluss ist, oder ob wir uns das nur einbilden.“ Der Andorianer aktivierte jetzt seinen eigenen Doppel-Scheinwerfer, leuchtete voraus und zog die Wissenschaftlerin mit sich, indem er ihre rechte Hand in seine nahm. Ungezählte Male war er auf dieselbe Art und Weise mit seiner kleinen Schwester durch die Eiskanäle rund um Li Mi´She gestreift. Christina Carey ging mit ihm, ohne Einwände zu erheben. Sie schritten schneller durch den Gang, der sich langsam verbreiterte. Dabei wurde das leise Rauschen und Gluckern lauter und sie waren sich sicher, keiner Täuschung zum Opfer gefallen zu sein. Ohne Vorwarnung traten die Felswände auf beiden Seiten des Ganges zurück und vor ihnen lag eine gewaltige Felsenhalle. Erst hier zog die Wissenschaftlerin ihre Hand zurück und spöttisch fragte sie: „Bist du immer so vertraulich, in der Nähe weiblicher Offiziere?“ Tar´Kyren Dheran bemerkte seinen Fauxpas erst jetzt und sich leise räuspernd erwiderte er zögerlich: „Nein. Es tut mir leid, für einen Moment lang habe ich mich in die Zeit zurückversetzt gefühlt, in der ich mit meiner kleinen Schwester durch die Eiskanäle, rund um Li Mi´She gestreift bin.“ „Kein Problem“, entgegnete die Frau, deutlich amüsiert. „Aber merk dir für die Zukunft, dass ich nicht deine kleine Schwester bin.“ „Gut, dass du mich darauf hingewiesen hast“, antwortete Dheran ironisch. Erst dann bemerkte er den schwach bläulichen Schein auf dem Gesicht seiner Begleiterin. „Schnell, mach bitte den Scheinwerfer aus.“ Die Irin kam seiner Aufforderung nach und bemerkte, dass auch er den seinen deaktivierte. Im Normalfall hätte es nun stockfinster sein müssen, doch sie konnte den Andorianer vor sich in einem blassen Blauton erkennen. Irgendetwas hier unten sorgte für dieses Licht. Verwundert fragte sie: „Was ist denn das?“ Sie sahen nach vorne, wo sie nun ganz deutlich einige bläulich leuchtende Punkte entdeckten. Ahnungsvoll dachte die Wissenschaftlerin an das Armband, das ihr Tar´Kyren geschenkt hat und sie fragte leise: „Sind das etwa Kumaris Tränen?“ „Ich vermute es“, gab der Andorianer zurück. Damit aktivierte er wieder seinen Scheinwerfer und leuchtete über den Boden. Christina Carey tat es ihm nach. Etwa zwanzig Meter vor ihnen verschwand der Boden abrupt, über die gesamte Breite des Felsendomes. Außer an einer Stelle. Sie leuchteten daran entlang und stellten fest, dass diese etwa fünf Meter breite Stelle den Beginn eines Brückenbogens bildete. Er wurde von Statuen und einer hohen Brüstung zu beiden Seiten des Bogens gesäumt, die aus purem Eis zu bestehen schienen. Dabei entdeckte Tar´Kyren Dheran nun, dass das bläuliche Glühen von den Augen der andorianischen Männer und Frauen ausging, welche die Statuen darstellten. Christina Carey nahm ihren Rucksack vom Rücken. „Wir sorgen dann mal für etwas mehr Licht.“ Damit förderte sie zwei leichte, dünne Stative hervor, an deren Enden starke Lichtquellen installiert waren, die von einer Energiequelle im Stativ selbst gespeist wurden. Sie reichte Dheran eins davon. „Stell es am besten ein Stück außen, neben der Statue, auf.“ Nachdem sie die Stative aufgestellt hatten aktivierten sie die Lichtquellen, die sich stufenweise erhellten. Als sie die volle Leistung erreichten starrten die Wissenschaftlerin und der Kadett gleichermaßen sprachlos auf das, was sich vor ihren Augen erstreckte. Sie sahen jetzt ganz deutlich, dass der eigentliche Brückenbogen aus gewachsenem Fels bestand. Die beiden Statuen zu beiden Seiten des Bogens besaßen eine Höhe von mindestens sieben Metern und stellten Andorianische Krieger dar, wie sie zu der Zeit der Clan-Kriege ausgesehen haben mochten. Durch das Einsetzen von Kumaris Tränen in die Augenhöhlen der Eisstatuen wirkten sie irgendwie lebendig und unheimlich auf die beiden Beobachter. Weitere Statuen, etwa halb so groß, standen entlang der Brüstungen. Das jenseitige Ende der Brücke lag mindestens fünfzig Meter von ihnen entfernt, auf der anderen Seite der Schlucht. Es war der Andorianer, der zuerst die Sprache wiederfand und feststellend sagte: „Alles spricht dafür, dass dies die Brücke der Kriegsgöttin ist, die in meinen Aufzeichnungen den Beginn des Weges nach Kharon-Dhura markiert. Sie muss es sein, denn sie entspricht den vagen Beschreibungen, die ich davon zusammengetragen habe.“ Dheran kramte sein PADD aus dem Rucksack und machte ein paar Eingaben, bevor er es wieder im Rucksack verstaute. Christina Carey deutete aufgeregt auf die Mitte der Brücke. „Es fehlt ein Teil des Brückenbogens. Mindestens auf einer Länge von zehn Metern. Da kommen wir nicht rüber.“ „Zumindest nicht ohne sportlichen Einsatz“, gab Dheran zu. „Bist du schwindelfrei?“ Christina Carey sah ihren Begleiter fragend an. „Was hast du vor?“ Der Andorianer ging zum Rand der Schlucht und blickte hinunter. Der Grund, von dem ein leises Gluckern und Rauschen zu ihm herauf drang, war nur zu erahnen. „Mindestens einhundert Meter, vielleicht noch mehr“, stellte er fest. Erst dann beantwortete er die Frage der Irin, indem er hinzufügte: „Wir werfen ein Seil um eine der Statuen, binden es auf dieser Seite, ebenfalls an einer der Statuen, fest und arbeiten uns dann hinüber auf die andere Seite.“ „Ja, klar. Was denn sonst.“ Es war der Wissenschaftlerin deutlich anzumerken, wie wenig sie der Gedanke begeisterte, ihr Leben einem, wenn auch sehr widerstandsfähigen, Kunststoffseil anzuvertrauen, und sich über diesen mörderischen Abgrund zu hangeln. Andererseits war sie nicht bereit, die Suche nach Kharon-Dhura aufzugeben. Gerade jetzt nicht, da sie einen ersten Hinweis auf die Existenz der Verlorenen Eisstadt entdeckt hatten. Christina Carey nahm das fingerdicke Seil, das sie außen an den Rucksäcken befestigt hatte, von ihrem Gepäck und suchte im Innern ihres Rucksacks nach einem der Duranium-Haken. Behände verband sie ihn mit einem Ende des Seiles und legte es dann zur Seite. Zuerst wollte sie einen Blick über den Abgrund werfen. Tar´Kyren Dheran war ihr ein Stück voraus. Offensichtlich hatte er dieselbe Idee gehabt, wie sie. Als die Irin noch zwei Schritt von ihrem Begleiter entfernt war, drang ein unheilvolles Knacken an ihre Ohren. Im nächsten Moment krachte es und der Andorianer begann, in die Tiefe zu stürzen. Ohne darüber nachzudenken hechtete die junge Wissenschaftlerin vorwärts und griff verzweifelt nach einem der Arme, die Dheran instinktiv nach oben ausgestreckt hatte. Sie bekam ihn am linken Handgelenk zu packen und hielt es mit geradezu übermenschlicher Anstrengung fest, während sie, am Rand des abgebrochenen Brückenbogens, zu Boden ging. Dabei stieß sie ächzend die angehaltene Luft aus. Sämtliche Muskeln ihres Körpers anspannend hielt sie den unter ihr, über dem Abgrund, baumelnden Andorianer fest und stöhnte angestrengt: „Bleib bloß bei mir. Wenn du mich hier unten allein lässt dann bringe ich dich nämlich eigenhändig um.“ Damit zerrte sie ihn mit aller Muskel- und Willenskraft ein Stück nach oben, und der Andorianer bekam mit seiner rechten Hand den Rand des Felsens zu greifen, an dessen Stelle ein Teil des Brückenbogens eben in die Tiefe gestürzt war. Mit vereinten Kräften gelang es dem Andorianer schließlich, sich auf den Brückenbogen hinauf zu hangeln, und für eine Weile blieben sie, schwer atmend, nebeneinander auf dem Boden liegen. Erst nach einer ganzen Weile blickte Dheran zu der Irin und sagte ernst: „Du hast mir das Leben gerettet, Christina. Ich stehe in deiner Schuld.“ Damit erhob sich der Andorianer und half Christina Carey ebenfalls vom Boden auf, die ihn ansah. Der eben erst überstandene Schrecken stand ihr noch ins Gesicht geschrieben, während sie ihr rechtes Handgelenk massierte und dabei grob zurückgab: „Ein Elefant wiegt die Hälfte.“ „Diese Einlage war nicht geplant“, entgegnete Tar´Kyren Dheran und sah hinüber zur anderen Seite des Brückenbogens. „Jetzt sollten wir aber endlich zusehen, dass wir ein Seil hinüber spannen. Am besten, wir werfen es um eine der Eisstatuen, auf der anderen Seite des Brückenbogens und verbinden es dann mit einer der Statuen auf dieser Seite.“ Christina Carey blickte den Andorianer zweifelnd an: „Glaubst du wirklich, dass die Eisstatuen unser Gewicht aushalten werden?“ „Das wird sich zeigen. Wenn du mich mit einem der beiden Seile aus meinem Gepäck zusätzlich sicherst dann kann nicht viel passieren.“ Christina Carey nickte zustimmend und griff sich das Seil. „Dann werde ich mich mal als Cowgirl versuchen.“ Die Irin ignorierte den fragenden Blick ihres Begleiters und trat vorsichtig zum Rand des Brückenbogens, wobei sie einen gewissen Sicherheitsabstand zum Abbruch hielt. Sie wirbelte das Ende des Seiles, an dem sie den dreizackigen Haken angebracht hatte, über ihrem Kopf und ließ es dann nach vorne schnellen. Der Haken flog gute drei Meter außen an der anvisierten Statue vorbei, und mit einem enttäuschten Knurren zog die Irin das Seil wieder zu sich herauf. Als sie es erneut, auf dieselbe Art und Weise, versuchen wollte, hielt Dheran sie davon ab und meinte: „Lass es mich mal probieren. Ich habe da gewisse Erfahrungen.“ Mit einem herausfordernden Blick überließ Christina Carey dem Andorianer das Seil und beobachtete ihn dabei, wie er, anders als sie, das Seil nicht über seinem Kopf wirbeln ließ, sondern vertikal, seitlich neben seinem Körper. „Was für eine Technik ist das denn?“ Dheran visierte die linke Statue, auf der anderen Seite des Brückenbogens an. Dann ließ er das Seil los. Im hohen Bogen flog es schräg hinüber, flog dicht neben der Statue über die Brüstung und wickelte sich, außen wieder herauf wirbelnd einmal um die Statue. Dabei verhakte sich einer der drei Haken mit dem Seil, als Dheran es spannte. „Eine Technik die funktioniert“, erwiderte der Andorianer trocken, während er das Seil auf Spannung hielt und um die Statue rechts von sich wickelte. Er verknotete es mehrfach und zog probehalber kräftig daran. „Das sollte halten.“ „Wollen wir es hoffen“, gab die Irin gespielt finster zurück. Nachdem sich Tar´Kyren Dheran das Ende des zweiten Seiles um den Leib geschlungen, und sicher befestigt hatte, wartete er ab, bis Christina Carey ebenfalls soweit war. Falls er abstürzte konnte sie ihn notfalls halten und wieder nach oben ziehen, was hoffentlich nicht erforderlich sein würde. Interessiert beobachtete Christina Carey den Andorianer dabei, wie er sich, am Rand des Abbruchs, auf das gespannte Seil legte. Dabei ließ er sein linkes Bein, auf der linken Seite des Seiles herunter hängen, um seinen Körper auf dem Seil auszubalancieren. Den Oberschenkel des anderen Beines ließ er, angewinkelt und den Fuß quer über das Seil legend, auf der rechten Seite hinunter. Nachdem er sich ausbalanciert hatte sah er seitlich zu Christina Carey und erklärte: „Diese Technik ist kraftsparender, als sich hängend am Seil hinüber zu hangeln. Außerdem ist sie sicherer.“ Damit zog er sich mit den Armen, immer übergreifend, an dem Seil entlang, wobei ihn der rechte Fuß, mit dem er sich dabei gleichzeitig ein Stück nach vorne schob, um ihn dann nachzuziehen, unterstützte. Christina Carey gewann dadurch fast den Eindruck, dass sich eine große Raupe über das Seil schob, zumindest was die hintere Körperhälfte des Andorianers betraf. Tar´Kyren Dheran hob den Kopf gerade so weit wie nötig, um nach vorne zu schauen, während er sich, auf dem schwankenden Seil Zentimeterweise vorwärts bewegte. Dabei gab er sich Mühe, das permanente Gefühl jeden Moment vom Seil zu fallen und abzustürzen, zu ignorieren und sich nur auf sein Ziel zu konzentrieren. Nach einer gefühlten Ewigkeit erreichte er endlich das andere Ende des Abbruchs und erleichtert stieg er vom Seil, wobei er die Festigkeit des Bodens prüfte, indem er vorsichtig sein Gewicht darauf verlagerte. Der Boden unter ihm hielt. Nachdem er sicher war einen festen Stand zu haben, rief der Andorianer zu Christina Carey hinüber: „Binde unser Gepäck an dein Ende des Seiles und werfe es über den Abgrund. Ich ziehe es dann zu mir herauf. Danach werfe ich dir das Seil zu und du sicherst dich wieder damit.“ „Einverstanden!“, rief die Irin zurück und band ihre Rucksäcke an das Seil. Nachdem das Gepäck heil bei Tar´Kyren Dheran angekommen war, warf er das Seil wieder zu Christina Carey hinüber und sie sicherte sich gewissenhaft. Dann machte sie es dem Andorianer nach und zog sich in derselben Weise, wie er, über das Seil. Dheran hörte sie dabei einige Male unterdrückt fluchen, doch endlich hatte sie den Abgrund überwunden. Der Andorianer half ihr beim letzten Stück, und als sie sicher vor ihm stand und sie sich von dem Seil löste, lag echte Anerkennung im Blick des Andorianers. „Das hätte die Kriegsgöttin selbst nicht besser gemacht.“ Damit wandte sich Dheran ab um sich selbst von dem Seil zu lösen und es danach aufzuwickeln und wieder an seinem Rucksack zu befestigen. Christina Carey war ganz froh darüber, denn so bemerkte ihr Begleiter nicht, dass sie bei seinem unverhofften Kompliment errötete. Gleichzeitig schalt sie sich eine Närrin, weil es dieser Teenager auf einfachste Weise geschafft hatte, so einfach eine derart intensive, emotionale Reaktion bei ihr auszulösen. Nicht zu fassen. Froh darüber, sich wieder im Griff zu haben, als Dheran sich ihr wieder zuwandte, deutete sie auf einen Durchgang auf dieser Seite des Felsendoms, um den herum eine Figur aus dem Felsen geschlagen worden war. Erst jetzt erkannte sie, dass es sich dabei um eine kniende Andorianerin, mit beinahe perfekten, weiblichen Rundungen, handelte. Lediglich die Hüften der Statue empfand sie als etwas zu breit, aber dahingehend unterschied sich offensichtlich das andorianische Ideal einer Frau vom irdischen Ideal. Die Irin hatte den Durchgang von der anderen Seite aus nicht erkannt, weil er sich direkt zwischen den gespreizten Oberschenkeln der Statue befand, und sie die Öffnung des Ganges für einen Schatten gehalten hatte. Die Hände der erhobenen Arme dieses Abbildes der Kriegsgöttin, hielten den Griff eines Schwertes umklammert. Das leicht nach oben geneigte Gesicht der, in den Fels geschlagenen, Statue hatte etwas Erhabenes an sich. Ein eindrucksvoller Beleg für die hohe Kunst der damaligen andorianischen Steinmetze. Tar´Kyren Dheran beleuchtete mit Hilfe seines Arm-Scheinwerfers eine Inschrift, hoch über dem Kopf der Statue. „Dies ist tatsächlich die Brücke der Kriegsgöttin. Diese Inschrift dort oben beweist es.“ Christina Carey legte den Kopf in den Nacken. „Was steht denn da?“ „Meine Liebe ist kalt, wie erfrorener Stahl, mein Herz schlägt für den Kampf. Ich bin der Klingen Silberglanz – ich bin der Kriege Todestanz.“ Tar´Kyren Dheran sprach die Worte mit einer Andacht aus, die Christina Carey davon abhielt etwas darauf zu sagen. Sie beobachtete lediglich die Haltung und das Gesicht ihres Begleiters, der ihr plötzlich härter, entschlossener und gleichfalls irgendwie männlicher vorkam. Als er sich ihr wieder zuwandte lag ein Feuer der Begeisterung und der Leidenschaft in seinen Augen, wie sie es bisher an noch keinem Wesen hatte beobachten können. Mit heiserer Stimme sagte er bestimmt: „Wir sind auf dem richtigen Weg. Wir werden Kharon-Dhura sehen – als erste Lebewesen seit über viertausendfünfhundert Jahren.“ In einer ersten Reaktion wollte die Irin den überbordenden Enthusiasmus des Andorianers bremsen, doch seine Leidenschaft steckte sie an und sie hörte sich sagen: „Ja, das werden wir, Tar´Kyren.“ Kapitel 8: Am Blauen See ------------------------ 8. Am Blauen See Vor einer halben Stunde hatten sie Rast gemacht und etwas von ihren Rationen gegessen, wobei sie sich die Aufzeichnungen auf Dherans PADD ansahen. Doch die vagen Aussagen hatten sie nicht wirklich weitergebracht. Seit einem halben Tag irrten sie durch die unterirdischen Gänge, wobei sie, nach einer Weggabelung, eine ganze Stunde sinnlos einem blind endenden Gang gefolgt waren. Vor zehn Minuten hatten sie dann den nächsten Hinweis auf den Weg zur Verlorenen Eisstadt entdeckt – eine Treppe im Felsen, die sich, durch einen engen Kanal im Fels, im Zickzack, nach unten wand. Nun standen sie enttäuscht und verbittert an dem verschütteten Ende der Treppe und sahen auf die schweren Felsen, die den weiteren Weg nach unten versperrten. Christina Carey sprach endlich aus, was sie beide dachten. „Das ist das Ende unserer Suche nach der Verlorenen Eisstadt. Da kommen wir nicht hindurch.“ Als könne er dadurch etwas bewirken, schlug der Andorianer mit der Faust auf einen der Felsen. „Verdammt, das darf nicht das Ende sein! Es muss einen anderen Weg geben!“ Christina Carey blickte in das wütende Gesicht des Andorianers, sagte jedoch nichts. Momentan war sie selbst zu deprimiert dazu. Erst nach einer ganzen Weile meinte sie: „Hierbleiben scheint keinen Sinn zu haben. Wenn es überhaupt eine Alternative gibt, dann finden wir sie weiter oben.“ Tar´Kyren Dheran lag eine heftige Erwiderung auf der Zunge, als er die Hoffnungslosigkeit in der Stimme der Irin bemerkte. Doch bevor er reagierte, sagte er sich, dass Unbeherrschtheit es nur schlimmer machte. Mühsam beherrscht erwiderte er deshalb: „Du hast vermutlich Recht. Steigen wir wieder hinauf und sehen uns oben um.“ Wieder in der geräumigen Felsenhöhle angekommen, von dem aus der Weg zur Treppe abgezweigt war, leuchteten sie jeden Winkel ab. Doch sie fanden keinen weiteren Durchgang und ein leises Seufzen von Christina Carey sagte deutlich, wie es um ihre Laune bestellt war. Im Hintergrund der Höhle stampfte Tar´Kyren Dheran mit dem rechten Fuß wütend auf den Boden. Einen Moment später gab er einen überraschten Laut von sich, als der Boden unter dem Fuß nachgab. Mühsam auf dem linken Fuß balancierend leuchtete er den Boden ab und stellte fest, dass er am Rand einer schmalen Spalte im Boden stand. Im nächsten Moment hörte er den Fels, der in die Tiefe gestürzt war, unter sich mehrmals an Felsen krachen, bevor es schließlich vernehmlich Plutsch machte. Christina Carey wirbelte zu dem Andorianer herum, der vorsichtig einen Schritt zur Seite machte, bis er wieder mit beiden Füßen auf dem Boden stand. „Was war das?“ Der Andorianer deutete auf die Felsspalte, die breit genug war, um sich, selbst mit Gepäck bequem hinunter zu lassen. „Da wäre ich fast hinein gefallen. Unter uns scheint es einen Gewässer zu geben.“ Christina Carey spürte neue Hoffnung in sich aufsteigen. „Könnte das dieser ominöse Blaue See sein, von dem in deinen Aufzeichnungen die Rede war?“ „Das werden wir feststellen“, gab der Andorianer mit neuer, innerer Energie zurück. „Wir können, wie in einem Felskamin, hinunterklettern.“ „Und unten landen wir in eiskaltem Wasser“, ergänzte Christina Carey verstimmt. „Vermutlich liegt seine Temperatur, wegen des Salzgehaltes der Felsen, sogar deutlich unter null Grad. Für einen Andorianer ist das vielleicht nichts, doch Menschen können bei einer solchen Wassertemperatur bestenfalls drei Minuten überleben, Tar´Kyren.“ Tar´Kyren Dheran überlegte. „Ich klettere zuerst hinunter und sehe mich um, sobald ich das Ende der Felsspalte erreicht habe. Wenn die sichere Möglichkeit besteht, dass ich dich deutlich innerhalb dieser Zeit aus dem Wasser ziehen kann, sage ich dir Bescheid, baue unten das Notzelt auf und sage danach Bescheid, dass du nachkommen kannst. Falls nicht komme ich wieder nach oben. Aber auch wenn der erste Fall zutrifft wäre es ein sehr großes Risiko, dem ich dich nicht gerne aussetzen würde.“ „Ich werde es in dem Fall eingehen“, entschied die Irin entschlossen. „Du musst mich nur schnell genug aus dem Wasser ziehen und mir danach die nassen Sachen ausziehen. Damit es aber nicht allein für mich peinlich wird, und weil wir darüber hinaus hier unten auch gar keine andere Möglichkeit haben, musst du danach, mit deiner Körperwärme die Kerntemperatur meines unterkühlten Körpers langsam wieder auf normale Werte bringen.“ „Das klingt nach einem Risiko.“ „Es ist ein Risiko, doch ich bin bereit es einzugehen.“ Der Andorianer blickte in die entschlossene Miene der Wissenschaftlerin und sagte schließlich: „Einverstanden, ich klettere hinunter.“ Christina Carey sah den Andorianer in der Felsspalte verschwinden, und gleich darauf überfiel sie ein Gefühl der Unruhe. Erst jetzt wurde ihr bewusst, wieviel Sicherheit der Andorianer, die gesamte Zeit über, allein durch seine Anwesenheit, verströmt hatte. Sie begab sich an den Rand der Spalte und beobachtete Tar´Kyren Dheran dabei, wie er sich behände in der Felsspalte tiefer und tiefer hinunter ließ. Leider gab es hier oben keinerlei Vorsprünge um ein Seil oder einen der Haken sicher befestigen zu können. Ihr Begleiter schien eine solche Kletterpartie schon öfter absolviert zu haben, bei seinen angedeuteten Exkursionen in den Tiefen Andorias. Zumindest deutete sein flotter Abstieg darauf hin. Minute um Minute verstrich, bis endlich die Stimme des Andorianers hohl zu ihr herauf klang. „Ein Teil der Höhle hier unten liegt über der Wasseroberfläche! Ich denke, es ist tatsächlich der Blaue See, denn überall hier unten schimmern Kumaris Tränen durch das kristallklare Wasser und färben es bläulich ein! Hohle dein Gepäck und wirf es herunter, sobald du es platschen hörst!“ „Verstanden, ich rufe dir zu, wenn ich dazu bereit bin!“ Die Irin erhob sich, holte ihren Rucksack und öffnete ihn. Geschwind einen länglichen Gegenstand darin stoßfest mit allem Umwickelnd, was ihr zur Verfügung stand, schloss sie ihn endlich wieder und rief in die Tiefe: „Ich bin soweit!“ Einige Herzschläge später hörte sie es platschen und umgehend warf sie, ein kleines Stoßgebet hinterher schickend, ihren Rucksack in die Spalte. Ein weiteres Platschen, diesmal schwächer drang an ihre Ohren und gleich darauf hörte sie die hohle Stimme des Andorianers. „Ich habe dein Gepäck! Warte oben, bis ich dir Bescheid gebe, dass du herunter kommen kannst!“ „Verstanden!“ Die Zeit schien sich für Christina Carey ins Unendliche zu dehnen, während sie auf das Zeichen des Andorianers wartete. Für einen Moment wurde ihr dabei bewusst, dass sie dabei war, ihr Leben einer ihr weitgehend fremden Person anzuvertrauen. Gleichzeitig stieg in ihrem Innern ein Gefühl absoluter Gewissheit auf, dass sie das bedenkenlos tun konnte, wobei sie nicht hätte sagen können, warum sie sich dessen so sicher war. Sie war diesem jungen Andorianer doch erst vor wenigen Tagen zum ersten Mal begegnet. Dennoch schien es ihr gegenwärtig so, als würde sie ihn schon sehr viel länger kennen. Vor einige Tagen hatte sie Tar´Kyren gefragt, ob sie an Jesus, beziehungsweise an Gott, glaubte. Sie war sich nach wie vor sicher, dass das nicht der Fall war, doch sie glaubte an Schicksal, und vielleicht war es Schicksal, dass sie das Raumschiff ihres Teams verpasst hatte, um Tar´Kyren zu begegnen. Sie wurde in ihren Überlegungen unterbrochen, als der Andorianer, gerade eben noch vernehmlich rief: „Du kannst herabsteigen!“ „Na, dann“, sagte die Irin zu sich selbst und schob sich rücklings in die Felsspalte hinein. Die Sohlen ihrer Stiefel fanden schließlich Halt an einer der gegenüber liegenden Felswand und sie rutschte mit dem Po über die Kante der Felsspalte, um sich mit dem Rücken dagegen zu lehnen. In dieser Haltung schob sie sich nun Stück für Stück tiefer, wobei sie deutlich länger brauchte, als der Andorianer, um das Ende der Spalte zu erreichen. Christina Carey bemerkte dabei das blaue Leuchten des Sees unter sich immer stärker, und sie war froh darüber, weil sie dadurch besser sehen konnte, wohin sie kletterte. Die Felsspalte endete an der Decke einer ausgedehnten Höhle und die Irin bekam feuchte Hände in ihren Handschuhen, als sie sah, wie tief es von hier aus hinab ging. Mindestens fünfzehn Meter würde sie hinabstürzen, bevor sie im Wasser landete. Sie spürte, wie ihre Beine, unterhalb der Knie, jämmerlich anfingen zu zittern und leise stieß sie aus: „Ach du meine Fresse, was mache ich hier eigentlich.“ Dann fasste sie sich ein Herz, stieß sich zuerst leicht mit den Füßen ab und dann mit den Händen. In dem Moment, in dem ihr bewusst wurde, dass es kein zurück mehr gab, glaubte sie, ihr Herzschlag würde aussetzen. Gleichzeitig schien ihr Magen zu rebellieren. Instinktiv die Arme über den Kopf schlagend wartete sie auf das Eintauchen im Wasser.“ Der Fall schien nicht enden zu wollen, und als sie im eiskalten Wasser eintauchte, da war ihr, als würden unzählige Nadeln in ihren Körper gestochen. Sie war versucht gequält aufzuschreien, doch sie hielt eisern die Luft an. Orientierungslos begann sie panisch ihre Arme und Beine zu bewegen und strampelte wie wild. Christina Carey spürte kaum, dass eine Hand ihren Kragen packte und sie endgültig an die Wasseroberfläche zog. Mechanisch bewegte sie sich im eiskalten Wasser, wobei sie sich dagegen an stemmte das Bewusstsein zu verlieren. Sie glaubte noch, eine undeutliche Stimme in ihrem Bewusstsein zu hören, bevor sie eine ungewisse Finsternis umfing und ihr endgültig die Sinne schwanden. * * * „Ich habe dich!“, keuchte Tar´Kyren Dheran, als er Christina Carey im eiskalten Wasser des Sees endgültig zu fassen bekam und so schnell er nur konnte mit ihr zum Ufer zurück schwamm. Dort hatte er in unmittelbarer Nähe das Zelt aufgebaut und bereits seinen Kälte abweisenden Schlafsack ausgebreitet. In diesem Moment war er unendlich dankbar dafür, dass der Schwimmunterricht zum festen Bestandteil der sportlichen Ausbildung, an der Sternenflottenakademie, gehörte, und dass er sich in dieser Disziplin von einem Nichtschwimmer, vor mehr als drei Jahren, bis zu einem mittlerweile ganz ordentlichen Schwimmer gemausert hatte. Die Angst um Christina Carey trieb ihn in diesem Moment zu Höchstleistungen an und knapp zwei Minuten nach ihrem Eintauchen ins Wasser erreichte er mit ihr das Ufer des Sees. Schnell packte er sie unter den Achseln und zog sie ins Innere des kleinen Zwei-Personen-Zeltes. Schnell dichtete er es hinter sich ab. Zunächst kontrollierte er schnell den Puls der Frau, indem er zwei Finger an ihre Halsschlagader legte. Ohne weiter Zeit zu verlieren öffnete Tar´Kyren Dheran dann die Verschlüsse ihrer Wärmejacke und befreite sie davon. Die Stiefel, ihre Uniform, der Schal und der Pulli folgten. Nachdem er auch die Socken von ihren eiskalten Füßen gezogen, und ihre Unterwäsche ausgezogen hatte, rubbelte er ihre Haare und ihren Körper mit einem Handtuch trocken. Im Anschluss daran entkleidete er sich selbst, so schnell er konnte. Danach hob er die bewusstlose Frau in den Schlafsack, legte sich neben sie und schloss ihn wieder. Im Innern legte er sich auf die Seite, zog den wie leblos scheinenden Körper der Irin zu sich heran und wand sich, mit der linken Hand, ihren Arm um den Körper. Zur Sicherheit hielt er seinen Handrücken unter ihre Nase und spürte erleichtert, dass sie noch atmete. Christina Carey enger zu sich heran ziehend bettete er ihren Kopf auf seinen rechten Oberarm und strich sacht mit den Händen über ihren Rücken um die Durchblutung der Haut anzuregen. Dabei dachte er: Verdammt, das Risiko hätte sie nicht eingehen dürfen. Bei der Roten Kreatur der Unterwelt, ich hätte das verhindern müssen. Ich wusste doch, dass sie nicht dieselbe Widerstandsfähigkeit gegen Kälte besitzt, wie eine Andorianerin. Mit der linken Hand ihre noch immer recht kalte Wange streichelnd schickte er ein schnelles Gebet zu Kumari, mit der Bitte an die Eisfee, Christina möge schnell das Bewusstsein wiedererlangen. Gerade so, als habe Kumari seine Bitte vernommen, begann die Frau in seinen Armen sich schwach zu bewegen und gab eine leises Seufzen von sich. Erleichtert nahm der Andorianer diese ersten Anzeichen von Leben bei Christina Carey zur Kenntnis und flüsterte auf Andorianisch einen leisen Dank, an die Adresse der Eisfee. Noch bevor die Irin endgültig das Bewusstsein wiedererlangte umschlangen ihre Arme den Andorianer und sie kuschelte sich eng an ihn. Fast unhörbar flüsterte sich schließlich: „Mir ist so kalt, Tar´Kyren.“ Ungewohnt sanft raunte der Andorianer zurück: „Das wird schon bald besser werden. Ich bin froh, dass du am Leben bist.“ „Ich versteh es nicht.“ Für einen Augenblick war der Andorianer sprachlos. Dann fragte er verwundert: „Du verstehst nicht, warum ich froh darüber bin, dass du...“ „Nein, doch nicht das“, unterbrach die Irin ihn leise. „Ich meine den Spruch über der Statue der Kriegsgöttin. Meine Liebe ist kalt, wie erfrorener Stahl... Stahl kann nicht erfrieren, und wenn er noch so sehr abkühlt.“ Dheran seufzte schwach. „Ich bin glücklich, dass dich gerade keine anderen Probleme beschäftigen, Christina.“ Die Frau in seinen Armen seufzte nur leise. Im nächsten Moment war sie eingeschlafen, und der Andorianer, der mittlerweile die Anstrengungen der vergangenen Stunden ebenfalls spürte, beschloss dass es ein guter Zeitpunkt war, sich etwas zu erholen. Eine Weile den regelmäßigen Atemzügen der Irin lauschend schloss er seine Augen und war kurz darauf selbst eingeschlafen. * * * Tar´Kyren Dheran erwachte, als etwas Warmes seine Wange berührte. Erst einen Moment später wurde ihm bewusst, was es war und er öffnete seine Augen. Das Erste, was er sah war das Gesicht von Christina Carey, dicht vor seinem. Sie lächelte sanft und blickte ihm direkt in die Augen, während ihre Finger sich sacht über seine Wange bewegten. Unsicher, wie er reagieren sollte, blieb der Andorianer einfach still liegen und erwiderte dabei fragend den Blick der Irin. Seine Antennen richteten sich dabei auf sie. Christina Carey lachte leise, bevor sie raunte: „Das ist bereits das zweite mal, dass ich splitternackt in deinen Armen liege. Aber das weißt du ja.“ Ertappt blickte Tar´Kyren Dheran die Wissenschaftlerin an und erklärend fuhr sie fort: „Ich habe dich, bevor du eben wach wurdest, eine ganze Weile im Schlaf beobachtet. Deine Antennen waren in der gesamten Zeit leicht in Bewegung, was am Morgen, auf der ESTRELLA VESPERTINA, nicht der Fall gewesen ist. Da verhielten sich deine Antennen ganz ruhig, daran erinnere ich mich ganz deutlich.“ „Ja“, brachte der Andorianer schließlich heiser hervor. „Ich wollte dich nicht beschämen, darum habe ich so getan, als würde ich noch schlafen. War übrigens gar nicht so leicht, meine Hand von deiner Hüfte zu nehmen, ohne dass du dabei aufwachst.“ Überraschend gab ihre Rechte ihm einen leichten Klaps auf die Wange, bevor sie ihr sachtes Streicheln fortsetzte. „Das war die Strafe für das kleine Täuschungsmanöver.“ Ihre Hand fuhr sacht an seinem Kopf entlang nach oben, bis ihre Fingerspitzen ganz eben seine linke Antenne berührte, die unwillkürlich zur Seite zuckte. Mit einem leisen Kichern fuhren ihre Finger vorsichtig über den hinteren Ansatz der Antenne, und einen Augenblick später sahen ihre Augen ihn überrascht an. „Halli-Hallo, junger Freund, was ist das denn jetzt?“ Nur allzu deutlich spürte der Andorianer eine Erregung, die er nicht verhindern konnte, denn die Finger der Irin fuhren weiterhin über den hinteren Antennenansatz. Und da die Wissenschaftlerin dicht an ihn gedrängt lag, spürte sie es gleichfalls. Deutlich verlegen erwiderte er: „Deine Finger berühren eine der erogensten Zonen am Körper eines Andorianers. Was hattest du denn gedacht, was daraufhin passieren würde?“ Christina Carey sah ihr Gegenüber ungläubig an, ohne dass die Finger ihrer Linken mit ihrer Tätigkeit aufhörten. Stärker als zuvor spürte sie, dicht an ihn gedrängt, seine Erregung und ihr wurde klar, dass er sich keinen Scherz mit ihr erlaubte. Ihre Finger stellten die Bewegung ein. Jedoch nur für einen Augenblick. Dann lächelte die Irin auf eine besondere Weise und begann erneut mit dem Spiel ihrer Finger. „Bereits an dem Morgen auf der ESTRELLA VESPERTINA habe ich es gespürt, Tar´Kyren. Dieses seltsame und nicht zu erklärende Gefühl, wenn man einem Fremden über den Weg läuft, und sofort weiß, dass er bestimmend sein wird, für das weitere Leben. Ich kann es nicht besser erklären.“ Im nächsten Moment spürte der Andorianer die Lippen der Frau auf seinen. Sie war nicht die Erste, die ihn küsste, doch so sanft, geradezu vorsichtig war es noch nie zuvor gewesen. Er erwiderte den Kuss ebenso sanft und seine Zurückhaltung löste sich in Nichts auf. Besitzergreifend zog er Christina enger zu sich heran. Zur Überraschung des Andorianers übernahm die Irin das Kommando und hielt seine fordernde Leidenschaft in Schach. Und er überließ es ihr, ohne darüber nachzudenken. Eine Ewigkeit schien zu vergehen, bis sie sich endlich mit ihm vereinigte – und auch jetzt ließ sie keinen wilden Ausbruch seiner Leidenschaft zu. So etwas hatte Tar´Kyren bisher noch nie erlebt, und gleichzeitig genoss er es über alle Maßen. Sie atmeten heftig, und Schweiß überzog ihre Körper, als sie sich schließlich wohlig entspannten und eng umschlungen zur Ruhe kamen, ohne sich von einander zu trennen. Im schwachen Schein der fünf Steine des Armbandes, das Christina trug, hielt Tar´Kyren Dheran ihr Gesicht in seinen Händen und blickte in ihre Augen. „Wie wird es weitergehen? Ich meine, mit uns beiden, sofern wir je wieder an die Oberfläche gelangen sollten.“ „Möchtest du denn, dass es weitergeht?“ Die Antennen des Andorianers spreizten sich. „Ja, das möchte ich, und ich habe bereits auf der ESTRELLA VESPERTINA gespürt, dass du das ebenso sehr möchtest.“ Bei seinen Worten hob die Irin fragend ihre Augenbrauen. „Wie darf ich denn das verstehen, Tar?“ Tar´Kyren Dheran horchte dem Klang ihrer Worte nach, und ihm wurde bewusst, dass sie ihn zum ersten Mal genauso genannt hatte, wie es sonst nur sein bester Freund Valand tat. „Nun ja, da ist wohl etwas, das du noch nicht über mich weißt. Unter Andorianern gibt es einen sehr kleinen Prozentsatz, vielleicht zwei oder drei, von einer Million, welche die Gabe haben, ihre Gedanken vor Telepathen abzuschirmen. Zudem entwickeln Andorianer mit dieser Befähigung eine gewisse Gabe der Empathie. Jedoch funktioniert dies nur bei direktem Körperkontakt zu anderen Wesen.“ „Du meinst, du weißt, was ich gerade empfinde?“ Der Andorianer blickte Christina Carey unsicher an, da er nicht wusste, wie sie auf seine Worte reagieren würde. „Ja, das stimmt. So, wie ich gefühlt habe, was du gefühlt hast, auf dem Raumschiff, das uns hierher brachte.“ Neugierig fragte die Irin: „Kannst du das steuern?“ Der Andorianer schüttelte schwach den Kopf. „Nur bedingt. So starke Gefühle, wie gerade eben, oder auf der ESTRELLA VESPERTINA, nehme ich bei Körperkontakt ganz automatisch auf. Da habe ich keine Wahl. Leider gilt das in demselben Maß auch für Gefühle, wie Trauer, Kummer und Schmerz. Nur die Liebe zu teilen wäre einfach, aber den Schmerz, den Kummer, oder schlimmstenfalls den Hass, teilen andere Wesen ebenfalls mit mir, und das ist nicht so einfach zu verkraften.“ Christina Carey blickte mitfühlend in die Augen des Andorianers. „Trotzdem möchtest du dich darauf einlassen, all das mit mir zu teilen?“ „Ja“, antwortete Dheran einfach. Ein Kuss der Irin war die Antwort darauf, bevor sie leise antwortete: „Dann sollst du zuerst einmal dies mit mir teilen. Über den Rest sprechen wir später.“ Kapitel 9: Die Verlorene Eisstadt --------------------------------- 9. Die Verlorene Eisstadt Nach einer ausgiebigen Mahlzeit brachen Tar´Kyren Dheran und Christina Carey wieder auf. Hand in Hand schritten sie durch einen breiten Höhlengang, der hinter dem Ufer des Blauen Sees aus der Höhle heraus führte. Dabei senkte sich der Gang, mal stärker, mal weniger stark vor ihnen ab und mehr als einmal rutschten sie mehr durch den Gang, als dass sie hindurch schritten. Bereits einen halben Tag lang waren sie unterwegs, als der Boden ebener wurde und die Wände gerade nach oben anstiegen. Sie blieben stehen und leuchteten an den Wänden entlang nach oben., wo sich die Wände im oberen Drittel nach Innen neigten, bevor sie die, ebenfalls ungewöhnlich gerade Decke erreichten, die halb so breit war, wie der Boden. „Dieser Gang ist zweifellos bearbeitet worden“, stellte Christina Carey fest. „Sieh dir nur die Regelmäßigkeit dieses Ganges an.“ „Dann kommen wir unserem Ziel wohl näher“, stimmte der Andorianer zu. „Die Frage ist nur: Was machen wir, wenn wir dort sind? Auf demselben Weg kommen wir nicht zurück an die Oberfläche, dafür müssten wir zur Felsspalte über dem Blauen See fliegen.“ „Darüber können wir uns dann Gedanken machen, wenn es soweit ist. Ich könnte mich in den Hintern beißen, dass der Tricorder zu Bruch gegangen ist.“ Tar´Kyren Dheran lachte leise. „Zumindest besitzt mein Daten-PADD eine Aufnahmefunktion. Damit haben wir wenigstens ein paar 3D-Bilder von der Brücke der Kriegsgöttin und dem Blauen See.“ Christina Carey blickte ihren Begleiter überrascht an. „Das sagst du mir erst jetzt? Jetzt wird mir klar, warum du an der Brücke so hektisch auf dem Ding herumgetippt hast. Ich dachte, du hättest in deinen Aufzeichnungen Details zu der Brücke abgerufen.“ Der Andorianer grinste beinahe verschmitzt. „Du hattest doch nicht angenommen, dass ich auf die Suche nach Kharon-Dhura gehe, ohne dafür zu sorgen, hinterher einige sensationelle Bilder für meine private Sammlung mitzubringen.“ Die Irin schüttelte den Kopf und meinte: „Komm, lass uns weitergehen.“ Tar´Kyren Dheran nickte kurz, und gemeinsam setzten sie sich wieder in Bewegung. Sie hatten beide jenen Punkt erreicht, an dem sich bei langen Märschen das Gefühl einstellte, ohne Pause noch stundenlang so weitermachen zu können. Allerdings kamen sie nun etwas weniger schnell voran, da sie ihre Umgebung gründlicher mit ihren Arm-Scheinwerfern ausleuchteten, als bisher. Etwa eine weitere halbe Stunde lang waren sie unterwegs, als die Wände des Ganges zurücktraten. Gleichzeitig erzeugten ihre Stiefel, bei jedem ihrer Schritte, ein hallendes Geräusch. Sie blieben stehen und leuchteten ihre Umgebung genauer ab. Vor ihnen lag eine breite Treppe, die von zwei Absätzen unterbrochen wurde, bis sie auf einer Ebene, etwa zehn bis fünfzig Meter über ihrer jetzigen Position mündete. Rechts und links der Treppe standen ähnliche Eisstatuen, wie auf der Brücke. Diese jedoch besaßen eine Höhe von mindestens zwanzig Metern und endeten dicht unterhalb der behauenen Felsendecke, über ihnen. Christina Carey befand, dass diese Halle eine auffallende Ähnlichkeit mit irdischen, sakralen Gebäuden besaß. Sie beobachtete ihren Begleiter dabei, wie er sein PADD hervor holte und diverse Eingaben tätigte, bevor er es wieder im Rucksack verschwinden ließ. „Zu dumm, dass es hier unten stockfinster ist“, knurrte der Andorianer missgestimmt. „Bei voller Beleuchtung wäre der Anblick sicherlich atemberaubend.“ „Das ist er für mich auch so schon“, erwiderte Christina Carey mit einem leichten Vibrieren in der Stimme. „Aber ich bin vollkommen erledigt, nach diesem Gewaltmarsch. Lass uns hier in der Halle das Lager aufschlagen. Ich brauche dringend Schlaf.“ Der Andorianer stimmte zu. Nach einer schnellen Mahlzeit begaben sie sich zur Ruhe und sie schliefen traumlos und ruhig beinahe acht Stunden durch. Nachdem sie erwacht waren frühstückten sie ausgiebig und als sie endlich wieder marschbereit waren, nahm die Irin Tar´Kyren Dheran an die Hand und zog ihn mit sich, wobei sie sagte: „Jetzt will ich aber wissen, wohin diese Treppen führen.“ Ruhig und gleichmäßig schritten sie die Stufen hinauf, und oben angekommen ächzte Christina Carey: „Falls du mal vergessen solltest wozu Turbolifts da sind, dann denk einfach an diesen Aufstieg zurück.“ Damit wollte sie bereits weiter gehen, doch der Andorianer an ihrer Hand blieb unverrückbar stehen und drehte sich um. „Moment mal, Christina. Bemerkst du das auch?“ „Was soll ich bemerken?“ Für eine Weile blieb es still, bevor Tar´Kyren Dheran meinte: „Ich bin mir sicher, dass es nun heller hier drin ist, als eben noch, als wir unten gestanden haben.“ „Wie sollte das denn möglich sein“, erkundigte sich die Irin zweifelnd. Wir befinden uns wieviel Meter unter der Oberfläche?“ „Wäre die Gegend über uns eine Ebene, dann würden wir uns etwas mehr als einhundert Meter unter der Oberfläche befinden“, antwortete der Andorianer. „Doch wenn mich meine Orientierungsgabe nicht trügt, so befinden wir uns hier unter einem Ausläufer der flachen Gebirgskette, nahe des Canyons. Eine Gegend, die durch die Corioliskraft-Strömungen in dieser Region stets ohne Niederschläge bleibt. Deshalb gehört die Gegend über uns zu den wenigen auf Andoria, die seit Millionen von Jahren eisfrei ist und an der blanker Felsen die Oberfläche bildet.“ Christina Carey, die aufmerksam zugehört hatte, blickte die Treppe hinab, die sie gerade erst hinaufgestiegen waren. Fast flüsternd sagte sie dann: „Tar, ich kann die Konturen der Eisstatuen erkennen. Du hast Recht, hier wird es heller. Aber wie kann das sein?“ Dheran ließ die Hand der Frau los und deaktivierte die Scheinwerfer an seinem Arm. Unterbewusst nahm er wahr, dass Christina es ihm nach tat. Dabei stellte er fest, dass sie beide sich nicht geirrt hatten. Obwohl er es sich nicht erklären konnte wurde es langsam heller in dieser Halle. Die ersten Konturen zeichneten sich nun deutlich vor seinen Augen ab. „Da oben, unter der Decke!“, entfuhr es der Irin, und der Andorianer folgte ihrem Blick nach oben. „Lichtschächte!“ Dheran blickte fasziniert in die Höhe. „Wenn mich meine Augen nicht trügen, dann hat jemand Prismen aus reinem Eis dort oben angebracht. Sie brechen und verteilen das Licht der aufgehenden Sonnen.“ Der Andorianer blickte zur Seite und erkannte deutlich das Gesicht seiner Begleiterin, die beinahe andächtig da stand und das überwältigende Schauspiel beobachtete. Erste Lichtfinger, in allen Farben des Regenbogens, tasteten hinunter zum Boden. Sie blickten, wie auf ein geheimes Kommando hinter sich. Nicht weit von ihnen lag ein breiter Durchgang. Auch durch diesen fiel nun ein erstes, schwaches Licht. Wortlos nahm Tar´Kyren Dheran die Irin an die Hand und schritt forsch mit ihr durch den monumental wirkenden Eisbogen – hinein in einen riesigen Felsendom, dessen Abmessungen kaum abzuschätzen waren. Auch hier fielen die ersten, farbigen Lichtstrahlen, durch zehn Lichtschächte, von der mindestens fünfzig Meter hohen Decke herab. Aber das war längst nicht alles, denn vor ihnen erhob sich eine reich verzierte Mauer aus beinahe durchsichtigem Eis. Dahinter lagen, im heller werdenden Lichtschein, Gebäude, massive Hallen, und Türme von quadratischer Grundfläche, die sich sacht nach oben hin verjüngten. Auch sie schienen aus purem Eis zu bestehen. Erst bei näherem Hinsehen erkannten die beiden Sternenflottenangehörigen, dass es lediglich handbreite Eisplatten waren, die über den Außenwänden massiver Steinbauten geschichtet, das Licht reflektierten. Die beiden einsamen Sucher schritten beinahe demütig weiter in den Felsendom hinein. Beim Annähern an den gewaltigen Eingangsbogen der Stadt, der sich über eine Lücke in der Mauer von mindestens zehn Metern Breite spannte, bemerkten Tar´Kyren Dheran und Christina Carey dass das Eis fast so glatt wie Glas poliert worden war. Die Eisprismen unter der Decke des Felsendomes verteilten nun das Licht in breiten bunten Lichtstreifen über die Stadt, deren Gebäudewände nun ihrerseits das farbige Licht teils reflektierten, teils brachen. Der Eindruck entstand, als würde die Stadt damit beginnen von Innen heraus zu leuchten. Sprachlos hielten sie an und der Andorianer machte Aufnahmen mit Hilfe von seinem PADD. Die gesamte Zeit über sagten beide kein Wort. Als Dheran sein PADD wieder verstaute und sich erhob, da nahm Christina Carey ihn wortlos in die Arme und sah ihn an. Tränen rannen über ihre Wangen, als sie flüsternd sagte: „Ich habe noch nie in meinem Leben so etwas Wunderschönes gesehen, Tar. Diesen Anblick werde ich niemals vergessen, und wenn ich zweihundert Jahre alt werden sollte.“ Sie küssten sich, lang und ausdauernd. Als sich die Irin endlich von ihrem Begleiter löste, blickte sie zu der Eisstadt, und fragte nach einer Weile: „Sollen wir sie betreten?“ Der Andorianer erwiderte bestimmt: „Glaubst du etwa, ich riskiere meinen Hals, um dann wenige Meter vor dem Ziel umzudrehen?“ Er nahm die Irin an die Hand und zog sie einfach mit sich. * * * Etwa zur gleichen Zeit stand Commander Rhy´Dar Keren am Rande des Blauen Sees und blickte nachdenklich zum Durchgang. In seiner Begleitung befanden sich zwei Dutzend Elitesoldaten der Andorianischen Garde und drei Wissenschaftler der Akademie von Andoria, eine von ihnen eine Frau, deren Fachgebiet Archäologie und Andorianische Geschichte war. Seit sie das abgestürzte Shuttle, eindeutig andorianischer Bauart, in der Eisspalte gefunden hatten, fragte sich der lang gediente, andorianische Commander, was sich in diesem darunter befindlichem Höhlensystem abspielte. Er wusste zwar von dem Forschungsteam der Sternenflotte, doch woher kam dieses andorianische Privat-Shuttle? Natürlich kannte Keren die Legende von der Verlorenen Eisstadt. Sollten die Forscher von der Sternenflotte sie möglicherweise entdeckt haben? Nach seiner Kenntnis lag diese Stadt auf der anderen Halbkugel seiner Heimat. Oder etwa nicht? Jedenfalls hatten sich mysteriöse Andeutungen und Hinweise seiner direkten Vorgesetzten bei der Garde gehäuft. Er und seine Einheit, beinahe einhundert Männer und Frauen der Garde, waren kurzfristig nach Thlanek verlegt worden, kaum dass die Forscher der Sternenflotte ihr Basislager bezogen hatten. Warum diese Geheimniskrämerei? Sie hatten unterwegs eine verfallene Brücke gefunden, und zurückgelassene Hinweise darauf, dass die Insassen des abgestürzten Shuttles sie überquert hatten. Waren die etwa auf der Suche nach Kharon-Dhura? Im ersten Moment erschien Keren dieser Gedanke etwas abwegig, doch die Hinweise darauf waren nicht wegzureden. Er blickte hinüber zu den begleitenden Wissenschaftlern, die ihm vom Oberkommando zugeteilt worden waren. Sie redeten leise miteinander, als sich Keren näherte und ungeduldig forderte: „Ich will endlich wissen, warum meine Leute und ich mit Ihnen durch dieses Labyrinth schleichen! Was ist so wichtig, hier unten?“ Der angesprochene Andorianer wollte zunächst eine ausweichende Antwort geben, doch die bedrohliche Haltung von Keren, und die Tatsache, dass es ohnehin bald kein Geheimnis mehr für den Commander sein würde, veranlasste ihn dazu, die Wahrheit preiszugeben. „Ich nehme an, Sie kennen die Legende von Kharon-Dhura, der Verlorenen Eisstadt. Nun, es ist dem Oberkommando unangenehm. Leider kamen andorianische Forscher erst auf die Idee, wonach das Forschungsteam der Sternenflotte hier wirklich sucht, nachdem die Erlaubnis an die Sternenflotte bereits ergangen war. Ein Zurücknehmen der Erlaubnis hätte Fragen aufgeworfen. Darum wurden Sie, und Ihre Leute nach Thlanek befohlen. Um das zu verhindern, was der Besatzung des eingebrochenen Shuttles offensichtlich gelungen ist.“ Die Antennen des Commander zuckten vor. „Dann suchen die also wirklich die Verlorene Eisstadt? Und sie könnte wirklich existieren?“ Der andorianische Gelehrte räusperte sich. „Sie haben doch selbst die Brücke gesehen. Nach den ersten Analysen zweifele nicht mehr daran, dass es sich tatsächlich um die Brücke der Kriegsgöttin handelt, die der Legende nach, den Beginn des Weges nach Kharon-Dhura markiert.“ „Ach“, machte der Commander finster. „Und was daran erfordert diesen Einsatz?“ Die andorianische Gelehrte, die sich bisher im Hintergrund gehalten hatte, war zu dem Commander und ihrem Kollegen getreten. Sie sprang ein und erklärte: „In den höchsten Kreisen unserer Regierung ist man nicht erbaut davon, dass Außenstehende vielleicht bald schon da erfolgreich sein sollen, wo unsere Forscher, bereits seit vielen Jahrhunderten, vergeblich gesucht haben. Wie stünden wir da? Es ist Ihre Aufgabe sicherzustellen, dass die Entdeckung der Eisstadt andorianischen Wissenschaftlern zugestanden wird.“ Die Antennen des Commanders bogen sich, als Zeichen höchster Verärgerung, deutlich nach innen. Er war ein recht geradliniger Soldat, kein Ränkeschmied, und er hasste solche Verschleierungen wie die Pest. Leider hatte das Oberkommando der Garde ihn den drei Wissenschaftlern unterstellt, für die Dauer dieser Aktion. Abwechselnd sah er die beiden Wissenschaftler an und meinte dann finster: „Können wir dann weitergehen?“ Beide Gelehrte gaben ihr Einverständnis, und Keren befahl den sofortigen Aufbruch. * * * Nichts in der Stadt gab einen Hinweis darauf, dass sie jemals bewohnt gewesen war. Entweder, so überlegte Tar´Kyren Dheran, waren alle Gebrauchsgegenstände beim Verlassen der Stadt mitgenommen worden, oder sie hatten schlicht die Jahrtausende nicht überstanden. Dicht neben Christina Carey gehend betraten sie, nachdem sie einige kleinere Gebäude am Rand der Stadt inspiziert hatten, eine größere Halle, nahe des Zentrums der Eisstadt. Sie fanden keinen Hinweis darauf, welchem Zweck sie ursprünglich gedient haben mochte, doch dann stupste Christina ihn aufgeregt am Arm und deutete zu einer der beiden langen, hohen Seitenwände. „Dort, in den ovalen Vertiefungen, sind Schriftzeichen eingeschlagen worden. Kannst du sie entziffern?“ Dheran erwiderte ihren fragenden Blick mit beinahe beleidigtem Gesichtsausdruck. Gemeinsam mit der Wissenschaftlerin näherte er sich der Wand und leuchtete über die Symbole. Dabei erwiderte er: „Es ist alt-andorianisch. Ganz oben wird die genaue Zeit angegeben, zu der die Stadt entstanden ist. Auf die irdische Zeitrechnung umgerechnet etwa vor 7013 Jahren. Darunter wird ausführlich erklärt, wie wohlhabend die Stadt gewesen ist. Doch nach mehr als zwei Jahrtausenden begann der Niedergang. Eine besondere Unterspezies von Höhlenfledermäusen fiel massenhaft in die Eis- und Felsen-Kanäle rund um die Stadt ein. Sie brachten einen Krankheitserreger mit, der die Bewohner der Stadt sterilisierte und gegen den sie kein Mittel fanden. Sie verließen daraufhin die Stadt, etwa 2500 Jahre nach der Gründung.“ Erschrocken blickte Christina Carey zu dem Andorianer. „Was ist, wenn diese Fledermäuse noch hier unten sind?“ Tar´Kyren Dheran lächelte beruhigend. „Nach unseren Geschichtsaufzeichnungen wüteten diese Fledermäuse auch in den Provinzen Clorisev und Sheras, bis vor etwa dreitausend Jahren. Dann starben sie aus. Gleichfalls fanden Mediziner dieser Tage ein Heilmittel gegen den von ihnen übertragenen Erreger. Seit dieser Zeit haben Andorianer nichts mehr vor ihnen zu befürchten, und für Menschen ist dieser Erreger vermutlich ohnehin harmlos, da er sich im andorianischen Blut vermehrt hat. Andorianisches Blut besitzt jedoch eine vollkommen andere Zusammensetzung, als das der Menschen.“ Christina Carey atmete hörbar auf. „Das klingt beruhigend.“ Der Andorianer nickte abwesend und fragte nachdenklich: „Was wird passieren, wenn du der Sternenflotte von diesem Fund berichtet hast? Bleibst du noch vor Ort oder kehrst du zurück auf die Erde?“ „Ich werde wohl noch für geraume Zeit auf Andoria bleiben.“ Die Frau ahnte, warum der Andorianer gefragt hatte und fügte hinzu: „Aber zwischendurch werde ich die Zeit finden, dich an der Akademie zu besuchen. Sag mal, unterrichtet Cunningham immer noch Taktik und Strategie dort? Sein Unterricht war ziemlich ermüdend. Einmal wäre ich in einer seiner Vorlesungen fast eingeschlafen.“ Der Andorianer nickte. „Ja, Lieutenant John Jakob Cunningham hatten wir auch als Dozent. Sein Humor ist zwar fürchterlich, doch ich fand den Unterricht nicht wirklich schlimm. Vielleicht, weil mir die Laufbahn als Taktischer Offizier wirklich mehr liegt.“ Christina Carey erwiderte zweifelnd den Blick des Andorianers. „Na, ich weiß nicht. Bringt er bei Gastdozenten immer noch den Spruch: Bilder dieses Offiziers hängen im Kriegszimmer des Tal´Shiar, um ihn anzupreisen?“ „Ja, aber darüber hat bei uns keiner gelacht.“ Christina Carey grinste verschmitzt, als sie zurück gab: „Oh, bei uns schon. Wir wurden nämlich vorgewarnt. Als Cunningham dann mit seinem verstaubten Spruch um die Ecke kam, da blieb es erst einmal einen Augenblick lang still, bevor die zweite Reihe anfing schallend zu lachen. Da freute sich Cunningham natürlich. Einen Augenblick später lachte die vorletzte Reihe, und da freute sich Cunningham gleich nochmal. In diesem Moment lachte die erste Reihe, und Cunningham verzog leicht das Gesicht. Einen Moment später lachte die hinterste Reihe, und da wurde Cunningham rot im Gesicht. Als dann einen Moment später die mittlere Reihe lachte, da stand Cunningham kurz vor einem Wutanfall.“ Der Andorianer lachte amüsiert. „Aber wie konntet ihr dem armen Mann das denn antun? Wenn der nicht an der Akademie wäre, dann wüssten die Kadetten doch gar nicht, was sie an den anderen Dozenten haben.“ „Wohl wahr“, stimmte die Frau zu. „Ich finde, dass Cunningham als Offizier ansonsten keine besonderen Talente besitzt. Kein Wunder, dass er Lehrer wurde.“ Dheran nahm sie grinsend an die Hand. „Komm, lass uns den Turm, im Zentrum der Stadt, hinaufsteigen. Von dort oben haben wir bestimmt einen tollen Blick auf die Stadt.“ Sie verließen die Halle und erreichten über eine breite Allee den Platz im Zentrum der Stadt. Er war quadratisch und mochte an die hundert Meter Kantenlänge besitzen. Auf der gegenüber liegenden Seite erhob sich der Turm, dessen offenes Portal dunkel gähnte. Als sie, Minuten später, die oberste Turmkammer erreicht hatten, traten sie an eines der hohen, schmalen Fenster und blickten hinunter auf die Stadt. Von hier oben wirkte sie beinahe noch eindrucksvoller, als von unten. Gleichfalls wurde erst jetzt ersichtlich, dass sie ein längliches Oval bildete, das sich der natürlichen Form des Felsendomes anpasste. Christina Carey setzte ihr Gepäck ab, blickte auf ihre Armbanduhr und fragte: „Welche Tageszeit haben wir nach Föderationsstandard?“ Tar´Kyren Dheran holte sein PADD hervor und blickte bedeutungsvoll zu seiner Begleiterin, nachdem er die Standardzeit abgerufen hatte. „He, das neue Jahr hat vor einer Minute begonnen. Frohes neues Jahr, Christina.“ Damit gab er der Irin einen langen Kuss. Als sie sich nach einer Weile voneinander lösten, meinte die Frau lächelnd: „Auch dir ein frohes Neues. Wie gut, dass ich vorbereitet bin.“ Die Irin ignorierte den fragenden Blick ihres Begleiters und begann in ihrem Gepäck zu kramen. Endlich förderte sie, aus einem mehrfach umwickelten Kühlbehälter, eine Flasche Champagner zutage. „Die habe ich seit meinem Aufbruch von der Erde dabei. Glücklicherweise haben wir gleich zwei Anlässe damit anzustoßen.“ Tar´Kyren Dheran blickte Christina Carey an, wie ein Wundertier. Da hatte diese Menschenfrau doch tatsächlich, während der gesamten Zeit über, eine Flasche Alkohol mit sich herumgeschleppt. „Einige menschliche Angewohnheiten werde ich wohl nie verstehen“, bemerkte Dheran humorig, während die Irin die Flasche öffnete. Etwas vom Inhalt sprudelte dabei heraus und lief über ihren imprägnierten Handschuh. Sie reichte die Flasche dem Andorianer, der einen ordentlichen Schluck nahm. Danach reichte er die Flasche zurück, und Christina Carey trank ebenfalls. „Puh, das kribbelt aber.“ Noch einmal setzte sie die Flasche an, bevor sie diese vorsichtig zur Seite, auf den Boden stellte und den Andorianer umarmte. Sich eng an ihn schmiegend, blickte sie zu ihm auf und sagte leise: „Du hattest Recht. Ich möchte auch, dass es mit uns beiden weitergeht, Tar. Ich frage mich nur, ob wir das auch schaffen. Sobald du mit der Akademie fertig bist wirst du vermutlich erst einmal die Erde verlassen. Ich fürchte, dass wir uns nicht sehr oft sehen werden.“ „Damit werden wir schon zurechtkommen“, entgegnete der Andorianer zuversichtlich. Lass es uns einfach versuchen, und sehen, was daraus wird.“ Nicht ganz so zuversichtlich, wie der Andorianer, nickte die Frau. Momentan war sie glücklich, und fühlte sich vollkommen zufrieden. Sie überlegte eine Weile, bevor sie antwortete: „Ja, lass uns sehen, wohin das führt, Tar.“ * * * Nachdem sie die Flasche geleert hatten, verpackte Christina Carey sie sorgfältig und sie machte sich mit ihrem Begleiter auf den Rückweg. Als sie den Turm schließlich heruntergestiegen waren, und auf den Platz hinaus traten, erwartete sie dort eine Überraschung. Gut zwei Dutzend Andorianer, bis auf drei von ihnen alle in Uniformen der Andorianischen Garde gekleidet, waren dort, schwer bewaffnet, angetreten. Offensichtlich hatten sie dort auf ihr Erscheinen gewartet, denn der Andorianer, mit den Insignien eines Commanders am Kragen der Uniform, wirkte nicht sonderlich überrascht. Ganz im Gegenteil, er schritt entschlossen auf sie zu, nachdem sie den Turm verlassen hatten. Mit finsterer Miene blickte der Commander die beiden Sternenflottenangehörigen an und eröffnete ihnen mit tragender Stimme: „Sie beide sind widerrechtlich in eine Sperrzone eingedrungen. Wir haben das abgestürzte Shuttle gefunden.“ Damit wandte sich Keren direkt an Tar´Kyren Dheran und um eine Spur unfreundlicher meinte er: „Ich vermute wohl richtig, dass das Shuttle Ihnen gehört?“ „Meinem Vater, Den´Lyran Dheran“, erwiderte der andorianische Kadett kühl. „Er ist General Vierter Verbandsgröße bei den Kommandotruppen.“ „Ach, dann sind Sie also der Sohn von General Dheran.“ Mit neugieriger Miene musterte der Commander den jungen Mann vor sich. „Ich kenne den General, und ich wundere mich darüber, dass er Sie nicht von dieser Exkursion abgehalten hat.“ Tar´Kyren Dheran erwiderte nichts darauf. Nach einem langen Moment fragte er, innerlich etwas beunruhigt: „Wir haben die Verlorene Eisstadt entdeckt. Was geschieht nun?“ Einer der andorianischen Wissenschaftler trat zu dem Commander und donnerte unfreundlich: „Sie zwei haben gar nichts entdeckt, mein Junge.“ Der Commander unterbrach ihn mit einer herrischen Geste. „Das besprechen wir später, wenn wir in meinem Büro in Ivari angekommen sind. Jetzt verlassen wir diesen Ort, und zwar umgehend.“ Widerspruch lag in den Augen der Irin, bei den harschen Worten des andorianischen Commanders, doch der feste Griff von Tar´Kyren an ihrem Unterarm, unterband dass sie die Worte aussprach, die ihr bereits auf der Zunge lagen. Stattdessen sah sie zu dem Kadett und bemerkte den warnenden Blick, den er ihr zuwarf. Sie beschloss sich zunächst zu fügen, doch dieser andorianische Commander konnte sich auf etwas gefasst machen, sobald sie sein Büro in der Hauptstadt Andorias erreicht hatten. Dank tragbarer Traktorstrahl-Generatoren, die von den Soldaten der Andorianischen Garde bereits auf dem Hinweg eingesetzt worden waren, gestaltete sich der Rückweg um einiges einfacher für Christina Carey und Tar´Kyren Dheran, als der Hinweg. Zuvor hatten Soldaten der Garde sie durchsucht, und ihnen ihr Gepäck abgenommen. Auch dabei hatte Dheran die Irin mit Blicken davon abgehalten laut zu protestieren. Als sie, nach mehr als einem Tag wieder am Ort des Einbruches, des Shuttles waren, stellten Tar´Kyren Dheran und Christina Carey fest, dass das Shuttle bereits, vermutlich durch die Andorianische Garde, geborgen worden war. Wie bereits am Blauen See wurden sie, mit Hilfe von Traktorstrahlen durch die Eisspalte nach oben befördert, wo bereits mehrere Transport-Shuttles der Garde warteten. Der Flug nach Ivari verlief beinahe schweigend zwischen Dheran und der Irin. Erst gegen Ende des Fluges raunte Christina Carey Tar´Kyren zu: „Bei der Durchsuchung hat der Commander ziemlich merkwürdig drein geschaut, als er das Armband gesehen hat. Ich wundere mich, dass er es nicht kassiert hat.“ Der Kadett grinste finster. „Das hätte er wohl nur zu gerne getan. Doch es bedeutet großes Unglück, Kumaris Tränen zu berühren, wenn sie bereits im Besitz einer anderen Person sind. In dieser Hinsicht ist der andorianische Aberglaube, der aus den Tagen der Clan-Kriege herrührt, immer noch sehr stark.“ Christina Carey hob erstaunt ihre Augenbrauen. „Das finde ich erstaunlich.“ „Ruhe jetzt!“, donnerte der Commander, der ihnen beiden in dem Transport-Shuttle gegenüber saß. „Kein Wort mehr, bis wir Ivari erreicht haben!“ Zornig funkelte Christina Carey den Commander der Andorianischen Garde an und presste die Lippen zusammen. Der sollte in Ivari noch sein blaues Wunder erleben. Kapitel 10: Zum Wohl der Allgemeinheit -------------------------------------- 10. Zum Wohl der Allgemeinheit Commander Rhy´Dar Keren hatte die beiden Sternenflottenangehörigen, die er aus Kharon-Dhura mitgebracht hatte, fast eine Stunde lang im Vorzimmer seines Büros, unter der Bewachung von vier Soldaten seiner Einheit warten lassen. Zusammen mit dem Rest des Forschungsteams der Sternenflotte. In dieser Zeit hatte er mit dem Kanzler der Regierung, einigen Spitzen der Akademie von Andoria und dem Oberkommando der Sternenflotte gesprochen. Zum Schluss hatte er ein kurzes Gespräch mit General Den´Lyran Dheran geführt. Nachdem er schließlich den Befehl gegeben hatte, das Forschungsteam und Tar´Kyren Dheran in sein geräumiges Büro zu führen, nahm er vor seinem Schreibtisch Aufstellung. Streng blickte er jeden der Menschen und den jungen Andorianer an, bevor er das Wort ergriff. „Meine Damen und Herren, ich bin nachdrücklich von der Andorianischen Regierung dazu angehalten worden, Ihnen den Ernst der Lage zu verdeutlichen. Zwei von Ihnen werden sich vielleicht etwas mehr über meine Vorgehensweise wundern, als der Rest. Mir ist gestattet worden, Ihnen die hauptsächlichen Gründe dafür mitzuteilen, warum sie zu absolutem Stillschweigen über die Ereignisse der letzten Tage, vergattert werden.“ Christina Carey, in der es brodelte, seit sie Ivari erreicht hatten, konnte nun nicht mehr länger an sich halten. Laut fuhr sie den Commander an: „Das ist doch Quark, Commander. Kadett Tar´Kyren Dheran und ich haben die Verlorene Eisstadt entdeckt, und Ihre Pseudo-Wissenschaftler wollen dafür die Lorbeeren einstreichen! Das ist es doch, oder nicht?“ Während der Commander auf eine Antwort warten ließ, wandte sich Tar´Kyren Dheran an Chief Kim Ai-Kairi, die links neben ihm stand. „Was hat Lieutenant Carey denn eben gemeint, mit Quark?“ Kim erwiderte den Blick des Andorianers, und erwiderte einsilbig: „Käse.“ Nicht schlauer, als zuvor, hob der Andorianer seine Augenbrauen. Bei Kims Geste, die er in den letzten Jahren auf der Erde kennengelernt hatte, stellte er jedoch keine weitere Frage. Vermutlich würde sie ihm später eingehend erklären, was sie gemeint hatte. Die Antennen des Commanders hatten sich deutlich nach innen gebogen, als er mit scharfer Stimme anhob: „Ich weiß, was Sie beide gefunden haben, Lieutenant Carey! Meine Leute und die Wissenschaftler der Akademie von Andoria wissen, was Sie gefunden haben! Der Kanzler Andorias, und mit ihm die gesamte andorianische Regierung wissen, was sie gefunden haben! Aber niemand wird das zugeben! Soweit es mich, und jeden Andorianer auf diesem Mond betrifft, haben Sie beide nicht einmal die kleinste Flügelspitze einer toten Fledermaus gefunden!“ Christina Carey wandte ihren Kopf nach diesen Worten zu Tar´Kyren Dheran, und Keren fuhr sie mit schneidender Stimme an: „Den Blick geradeaus, Lieutenant Carey, ich bin noch nicht fertig! Was ich persönlich von der Vorgehensweise meiner Regierung halte, steht nicht zur Debatte. Als Außenstehende können Sie nicht ermessen, wie sensibel das Thema Kharon-Dhura und seine Entdeckung bei uns Andorianern ist. Sie verstehen vermutlich nicht, welche Auswirkungen es für die andorianische Gesellschaft hätte, wenn bekannt würde, dass die Sternenflotte die Verlorene Eisstadt wiederentdeckt hat, und nicht ein andorianisches Forschungsteam. Vermutlich können Sie nicht begreifen, wie heilig uns diese Stadt ist.“ Damit blickte er kurz zu Tar´Kyren Dheran und fuhr etwas lauter und ärgerlicher fort: „Aber ein gewisser, andorianischer Kadett hätte das sehr wohl wissen müssen, Lieutenant Carey, und er hätte Sie nachhaltig davon abhalten müssen, nach dieser Stadt zu suchen, anstatt dabei mitzumachen. Auch wenn dieser besagte Kadett in den letzten Jahren, an der Sternenflottenakademie, vergessen zu haben scheint woher er kommt, hätte er sein eigenes Volk über alle anderweitigen Interessen stellen sollen.“ Tar´Kyren Dherans Antennen bogen sich nach hinten. Ein Zeichen dafür, dass er unangenehm berührt war, von den Worten des Commanders. Sie hatten einen wunden Punkt berührt, denn sein Schulfreund, Hat´Meran Teron, hatte sich von ihm abgewandt, als er ihm, kurz vor Beendigung der Schule, mitteilte er wolle zur Sternenflotte gehen, und nicht zur Andorianischen Garde, wie Teron. Andererseits hatte er das Ansinnen von Christina, die Verlorene Eisstadt zu finden, als legitim erachtet. Und dies war noch der Fall, weshalb er momentan einen inneren Kampf mit sich selbst ausfocht. Noch während Dheran vor sich hin grübelte, drangen erneut die Worte des Commanders in seine Gedanken. „Ich habe mich sowohl mit dem Leiter der Akademie der Sternenflotte, als auch mit dem Sternenflottenkommando in Verbindung gesetzt, und ich bin dazu beauftragt worden, Sie alle zu unverbrüchlichem Schweigen zu vergattern. Sollte einer von Ihnen jemals über die Ereignisse der letzten Tage, gegenüber Dritten, ein Wort verlieren das nicht im Einklang mit den demnächst erfolgenden, offiziellen Verlautbarungen steht, so werden Sie mit einigen, empfindlichen Strafen zu rechnen haben. Diese Übereinkunft gilt für die nächsten zehn Jahre. Bis dahin wird sich die offizielle Verlautbarung, über die Wiederentdeckung von Kharon-Dhura so weit manifestiert haben, dass anderweitige Behauptungen keine Rolle mehr spielen werden. Man wird es in zehn Jahren schlicht nicht mehr glauben.“ Es war Christina Carey deutlich anzusehen, dass sie kurz davor stand, zu explodieren. Doch sie beherrschte sich eisern und funkelte Commander Keren in ohnmächtigem Zorn an. Der andorianische Commander der Garde erwiderte den Blick kalt. „Ich bitte Sie nun, bis auf Lieutenant Carey und Kadett Dheran, mein Büro zu verlassen.“ Der Offizier der Andorianischen Garde wartete ungeduldig, bis er allein mit den beiden jungen Sternenflottenangehörigen war, bevor er wieder das Wort ergriff. Ungewohnt leise, aber betont, sagte er eindringlich: „Damit Sie beide wirklich verstehen, wie ernst die Lage ist, möchte ich Ihnen sagen, dass Sie jetzt nicht vor mir stehen würden, wenn General Dheran nicht ein durchaus einflussreicher Offizier der Andorianischen Kommandotruppen wäre. Sie zwei wären in dem Fall, auf dem Rückweg von Kharon-Dhura, vermutlich einem bedauerlichen Unfall zum Opfer gefallen.“ Fassungslos sah Christina Carey den Commander an. Rhy´Dar Keren setzte sich hinter seinen Schreibtisch und faltete die Hände, wobei sich seine Antennen nach vorne richteten. „Ich denke, dass ich nicht mehr zu dieser Angelegenheit sagen muss. Ach, eins noch. Ich konnte den Kanzler dazu bewegen, bei der noch ausstehenden, offiziellen Verlautbarung, über die Wiederentdeckung der Eisstadt, Sie zwei namentlich als Unterstützer, bei der Suche nach Kharon-Dhura, zu erwähnen. Damit stehen Sie offiziell zumindest in Verbindung mit dieser Entdeckung. Zudem wird man Sie, Lieutenant, und Ihr Team, in einigen Tagen als Spezialisten der Sternenflotte, hinzuziehen. Gestatten Sie mir persönlich anzumerken, dass ich diese Vorgehensweise nicht gutheiße. Aber sie dient dem Wohl der Allgemeinheit, das muss Ihnen beiden bewusst sein. Natürlich habe ich das nie gesagt, und Sie zwei haben es nie gehört. Ich hoffe, Sie verstehen mich.“ Tar´Kyren Dheran, der zwischen den Zeilen gelesen hatte, nahm die Hand der Irin, neben sich, und drückte sie spürbar. „Was gesagt, Commander?“ Die Antennen des andorianischen Offiziers spreizten sich. „Sehr gut. Sie beide können nun gehen, aber erinnern Sie sich stets an meine Worte.“ Tar´Kyren Dheran machte auf dem Absatz kehrt und zog Christina Carey nachdrücklich mit sich. Erst, nachdem sie das Büro verlassen hatten ergriff er das Wort und raunte der Irin leise zu: „Nicht hier.“ Auf dem Gang zu den Turbolifts trafen sie auf den Rest von Christina Careys Team. Ensign Olan Kuznow empfing seine Vorgesetzte mit den Worten: „Die von der Garde haben nicht nur uns, sondern auch unsere komplette Ausrüstung, hierher gebracht. Sie lagert in einem Depot am Rand des Raumhafens, Lieutenant. Unsere Forschungsergebnisse haben sie dabei einbehalten. Man versicherte mir, dass Ihr Gepäck, und das des Kadetten ebenfalls dorthin gebracht worden ist.“ „Vermutlich wird dabei mein Daten-PADD auf mysteriöse Weise abhanden gekommen sein“, ergänzte Dheran düster. „Wir wurden in einem Gebäude ganz in der Nähe des Depots einquartiert“, ergänzte Chief-Petty-Officer Kim. „Sehr geräumig und behaglich.“ Christina Carey nickte abwesend wirkend. Dann meinte sie knapp: „Gehen wir.“ * * * Für ein paar Tage hatte sich Tar´Kyren Dheran von Christina Carey getrennt, um seiner Familie nochmal einen Besuch abzustatten, und um die unangenehme Pflicht zu erledigen, seinem Vater zu erklären, weshalb er dessen Shuttle zu Bruch geflogen hatte. Zu seiner Überraschung hatte er sein Daten-PADD in seinem Gepäck gefunden. Allerdings hatten Computer-Spezialisten der Andorianische Garde die von ihm aufgenommenen Daten verschlüsselt. Mit einem Code, der die Daten in exakt zehn Jahren freigeben würde. Oder aber sie vernichtete, sollten sich Unbefugte an den Daten zu schaffen machen. Dheran vermutete, das dieser Commander Keren dabei seine Finger im Spiel gehabt hatte. Einen Tag vor seinem Abflug zur Erde war Tar´Kyren Dheran wieder in Ivari aufgetaucht, um diesen letzten Tag mit der Christina Carey zu verbringen, die sein Herz so schnell und intensiv erobert hatte. Gemeinsam mit der Irin war er gegen Mittag losgezogen und hatte ihr die wichtigsten Orte der Hauptstadt Andorias gezeigt. Dabei besuchten sie auch ein Museum, das Artefakte aus der Zeit der letzten Clan-Kriege auf Andoria ausgestellt hatte. Zu seiner Freude verbesserte sich die anfangs mäßige Laune der Irin, im Verlauf des Museumsbesuches deutlich. Besonders, als er sie zu einem Ausstellungsstück führte, das ihr besonderes Interesse erregte, als Tar´Kyren Dheran ihr erklärte: „Dieses beidseitig geschliffene Kurzschwert nennen wir auf Andoria Nelaan-tor. In die flache Blutkehle ist der Name des Clans eingeätzt. Dieses gehörte einem Vertreter des Clan der Klen´Taroh. Meine Familie stammt von Vertretern der Hauptlinie dieses Clans ab. Er gehört zu den ältesten und einflussreichsten andorianischen Clans.“ „Ich dachte, dass die Clans keine große Rolle mehr spielen, auf Andoria.“ Etwas verwundert sah Christina Carey zu Tar´Kyren Dheran. Der Andorianer machte eine zustimmende Miene. „Das ist auch so. Allerdings werden die Angehörigen eines so alten und ehrwürdigen Clans immer noch von den meisten Andorianern instinktiv mit einem gewissen Respekt behandelt. Auf der Erde würde man sie wohl am ehesten als Adelige bezeichnen.“ „Ha, Prinz Tar´Kyren Dheran von Li Mi´She“, lachte die Irin. „Zieh das bitte nicht ins Lächerliche“, erwiderte der Andorianer verstimmt. „Hier auf Andoria achtet man immer noch auf die Abstammung.“ Christina hakte sich bei ihm unter und gab ihm einen schnellen Kuss auf die Wange. „War nicht böse gemeint. Komm, lass uns weiter gehen.“ Erst spät am Abend kehrten sie zu Christina Careys Quartier zurück, und vor dem Schott angekommen meinte die Irin verführerisch lächelnd: „Ich hoffe doch, dass wir die letzte gemeinsame Nacht auf Andoria gemeinsam verbringen werden.“ Die Antennen des Andorianers richteten sich steil auf. „Ich hatte gehofft, dass du das sagen würdest.“ Die Irin öffnete das Schott und zog Dheran, leise lachend, mit sich. Drinnen angekommen umarmte sie ihn und blickte in seine Augen, deren Färbung immer noch einen gewissen, exotischen Reiz auf sie ausübte. „Hättest du, während des Fluges hierher, gedacht, dass du am Ende deiner Semesterferien eine neue Freundin haben würdest?“ „Nein“, antwortete der Andorianer rau. „Aber du hättest wohl auch nicht vermutet, auf dieser Reise einen andorianischen Freund zu finden?“ Christina küsste Dheran flüchtig. „Nein, wirklich nicht. Dass ich jemanden so schnell und so intensiv ins Herz schließe ist mir überhaupt noch nie passiert. Wenn ich ehrlich bin dann macht mich das immer noch etwas unsicher, Tar. Dich etwa nicht?“ Der Andorianer schien für einen Moment in sich hinein zu horchen. „Nein, nicht mehr, seit wir am Blauen See waren. In früherer Zeit glaubten Andorianer fest daran, dass man bei der Geburt nur zur Hälfte geboren wird, und dass die zweite Hälfte in einer anderen Person ruht. Nach diesem Glauben muss jeder Andorianer und jede Andorianerin dieser Person im Laufe des Lebens zwangsläufig begegnen, weil man erst mit dieser Begegnung zu einem vollständigen Wesen wird. Angeblich besteht eine unsichtbare Verbindung zwischen diesen zwei Wesen.“ „Und falls das nicht geschieht?“ „Dann bleibt man sein Leben lang innerlich zerrissen und unvollständig.“ Der Andorianer nickte ernsthaft. „Das ist ein schrecklicher Gedanke, oder besser gesagt, das war ein schrecklicher Gedanke. Für mich hat er seinen Schrecken nämlich verloren, denn ich bin mir ganz sicher, dass du meine zweite Hälfte in dir trägst.“ „Ja klar, und zuvor warst du dir dessen jedes Mal bestimmt auch bei allen Anderen, die vor mir waren, sicher“, spöttelte die Irin und blickte den Andorianer dabei fragend an. Tar´Kyren Dheran erwiderte ruhig: „Ein andorianisches Sprichwort sagt: Es gibt nur einen direkten Weg zum Herzen eines Andorianers – den einer scharfen Klinge. Alle anderen sind also zwangsläufig komplizierter.“ Ein gespielt verzweifeltes Lachen war die Antwort. „Du bist ja so romantisch, Tar. Und jetzt sag gar nichts mehr und komm mit, bevor du unsere vorläufig letzte, gemeinsame Nacht völlig ruinierst.“ Das Zwinkern ihrer Augen nahmen ihren Worten die Spitze, als sie den Andorianer an beide Hände nahm und ihn mit sanfter Gewalt mit sich, in den Nebenraum, zog. * * * Sie hatten sich bis in die frühen Morgenstunden leidenschaftlich geliebt und waren danach, eng umschlungen, in einen tiefen, traumlosen Schlaf gefallen. Als Tar´Kyren Dheran erwachte blickte er in das friedlich aussehende Gesicht der Irin, deren Blut mitunter ebenso schnell in Wallung geriet, wie das einer Andorianerin. Doch trotzdem war sie gleichzeitig auch so auffallend anders. Irgendwie verband sie etwas mit den drei Mädchen, in die er sich bisher verliebt hatte. Sowohl mit der Vulkanierin T´Rian, als auch mit der Rigelianerin Alev Scenaris. Dass er zwischenzeitlich auch einmal mit einem Mädchen seiner eigenen Spezies zusammengekommen war grenzte wohl schon fast an ein Wunder. Und nun war es diese Menschenfrau. Sie verkörperte seltsamerweise sowohl einen Teil von T´Rian, als auch von Alev und von Inari. Das war verwirrend für ihn. Der Andorianer fragte sich kritisch, ob das, was er Christina am Vorabend gesagt hatte, die Wahrheit war. Er konzentrierte sich auf seine Emotionen und ein so inniges Gefühl, wie er es noch nie zuvor gespürt hatte, stieg in ihm auf. Ja, er war sich sicher, dass diese Frau in seinen Armen anders war, als seine bisherigen Freundinnen, und dass seine Gefühle für sie gleichfalls anders waren. Intensiver – deutlicher – sicherer. Fast übervorsichtig strich er eine Strähne ihrer schwarzen Haare aus ihrer Stirn wobei er jede Einzelheit ihres hübschen Gesichts in sich aufnahm. Doch das war es nicht, was ihn an ihr faszinierte. Es war etwas anderes, nicht greifbares. Im Schlaf verzogen sich die Winkel ihrer geschwungenen Lippen zu einem zufriedenen Lächeln und es schien das Herz des Andorianers zu durchbohren, wie die Klinge eines Nelaan-tor Kurzschwertes. In einem Moment der völligen Klarheit erahnte Dheran, das diese Frau für Immer ein Teil seines Schicksals sein würde. Seines Lebens – bis er irgendwann sterben würde. Oder sie. Die Irin bewegte sacht ihren Kopf und öffnete verschlafen die Augen. Ihr Lächeln vertiefte sich, als sie in Dherans Gesicht blickte und sie flüsterte mit leisem Seufzen: „Guten Morgen, mein großer, Blauer.“ Die Antennen des Andorianers bewegten sich unruhig. „Kuri´Fe Na tarin, Christina.“ Der fragende Blick der Irin veranlasste Tar´Kyren dazu, zu erklären: „Das bedeutet: Ich liebe Dich, auf Andorianisch.“ Die Irin drückte Dheran einen schnellen Kuss auf die Lippen, bevor sie ihrerseits sagte: „Kuri´Fe Na tarin, Tar´Kyren.“ Der Andorianer lachte unterdrückt. „Seltsame Betonung. Aber mit der Zeit wird das bestimmt besser werden.“ „Ja, wenn du es mir oft genug sagst.“ Christina Carey schmiegte sich eng an Tar´Kyren und schloss die Augen. „Wann startet das Raumschiff zur Erde?“ Tar´Kyren Dheran warf einen Blick auf den Chronometer, der auf dem Nachttisch stand. In knapp zwei Stunden.“ Die Irin seufzte erneut. „Dann halt mich bitte noch für einen langen Moment in deinen Armen, bevor wir aufstehen. Was hältst du von einem gemeinsamen Frühstück?“ „Gute Idee.“ Sich enger an den Andorianer schmiegend erwiderte Christina: „Und danach bringe ich dich zum Raumhafen. Übrigens: Falls wir jemals diesen Captain Valosan wiedersehen, dann sollten wir ihm dafür danken, dass er mich auf seinem Schiff bei dir einquartiert hat.“ „Das scheint mir fast zu wenig zu sein“, stimmte Dheran zu. „Merkwürdig, welche Auswirkungen so scheinbar nebensächliche Entscheidungen haben können. Übrigens bin ich mir sicher, dass du ihn, als er mit dir in meinem Quartier erschien, am liebsten ermordet hättest, statt ihm zu danken.“ Widerstrebend löste sich der Andorianer schließlich aus Christinas Umarmung und gemeinsam mit ihr stand er auf und zog sie mit sich, hinüber ins Bad. Nach einer ausgiebigen, gemeinsamen Dusche kleideten sie sich an, wobei der Andorianer nun die Kadetten-Uniform der Sternenflotte wählte. Ein unterschwelliges Zeichen dafür, wie sehr ihn die kritischen Worte von Commander Keren immer noch beschäftigten. Sie frühstückten gemeinsam und schließlich war es Christina Carey, die aufgewühlt meinte: „Auch wenn wir nicht mit Dritten darüber reden können, Tar. Wir beide wissen, wer die Verlorene Eisstadt wirklich entdeckt hat. Wir haben sie mit unseren eigenen Augen gesehen, nachdem sie über viertausendfünfhundert Jahre lang niemand zu Gesicht bekam. Das kann uns keiner mehr nehmen, und vermutlich wird zu unseren Lebzeiten niemand einen ähnlich bedeutsamen, archäologischen Fund machen.“ Die Antennen des Andorianers spreizten sich. „Ja, du hast Recht. Die Garde hat zwar die Daten auf meinem PADD verschlüsselt, aber sie sind noch da und werden in zehn Jahren zugänglich sein. Außerdem: Meine Erinnerungen konnten sie nicht verschlüsseln.“ Tar´Kyren Dherans Blick fiel auf den Wandchronograph des Wohnraumes und schweren Herzens sagte er: „Komm, Christina, es wird Zeit aufzubrechen.“ Mit einem der öffentlichen Transporter ihrer Unterkunft, ließ sich Christina Carey mit dem Andorianer zur Abflughalle des Raumhafens von Ivari beamen. Hand in Hand schritten sie durch einen abwärts geneigten Tunnel zum unterirdisch gelegenen Hangar, in dem bereits das Passagierschiff wartete, mit dem Tar´Kyren Dheran zur Erde zurückkehren würde. An der Rampe des Raumschiffs blieben sie stehen und Dheran stellte seine Reisetasche auf den Boden. Er umarmte Christina und blickte in ihre Augen. „Ich freue mich bereits jetzt auf den Moment, in dem wir uns wiedersehen.“ „Ich auch, Tar.“ Ihre Augen schimmerten feucht. „Diese letzten zwei Wochen kommen mir vor, wie ein Traum. Haben wir das wirklich erlebt, Tar, oder hat sich das alles bloß, hier oben, bei mir abgespielt?“ Die Irin deutete bedeutsam mit dem Zeigefinger an ihre Stirn, und der Andorianer lachte unterdrückt. „Nein, wir haben das Abenteuer unseres Lebens hinter uns, Christina. Darüber hinaus haben wir unser zweites Ich gefunden.“ Christina blickte wehmütig auf ihre Uhr. Dann fiel ihr etwas ein, das Tar´Kyren ihr gestern Nachmittag verraten hatte. Sie öffnete den Verschluss des altertümlichen Zeitmessers, und reichte dem Andorianer die Uhr. „Gestern sagtest du, dass heute dein Geburtstag sei, nach Föderation-Standard. Ich möchte dir deshalb das hier mitgeben. Als Geschenk und gleichzeitig als Erinnerung daran, was uns verbindet. Und bevor du auf die Idee kommst es abzulehnen, gibst du mir besser einen Kuss, und verabschiedest dich von mir.“ Die Antennen des Andorianers richteten sich steil auf. Dann küsste er seine Freundin, sanft und ausdauernd. Als Tar´Kyren Dheran schließlich seine Reisetasche aufnahm und die Rampe des Raumschiffs hinauf schritt, da schien sich das Herz der Irin zusammenzukrampfen. Sie winkte lächelnd zu ihm hinauf, als er sich oben nochmal zu ihr umdrehte. Erst mit dem Signal, das den bevorstehenden Start des Raumschiffs ankündigte, wandte sich der Andorianer ab und verschwand im Innern des Schiffes. Christina Carey schluckte mehrmals bevor sie sich umdrehte und langsam zum Aufgang zurückkehrte. Dabei tastete sich ihre Linke zum rechten Handgelenk und ein glückliches Lächeln überflog ihr apartes Gesicht. Kapitel 11: Epilog ------------------ EPILOG   Nach der letzten Unterrichtsstunde, am ersten Tag des abschließenden Semesters an der Sternenflottenakademie, schritt Tar´Kyren Dheran, zusammen mit seinem Freund, John McTiernan durch den weitläufigen Park des Campus. Am liebsten hätte der Andorianer dem hageren, beinahe schon dürren, Australier all das erzählt, was er nicht durfte. Doch er unterließ es und beschränkte er sich auf das, was nicht der Geheimhaltung unterlag. Als Dheran auf seine erste Begegnung mit Christina Carey zu sprechen kam, erkundigte er sich im Anschluss bei John: „Sag, erinnerst du dich noch an den ersten Abend hier, als wir gemeinsam über den Campus schritten, und du mich auf ein schwarzhaariges Mädchen aufmerksam gemacht hast?“ Der rothaarige Australier strich sich mit der Rechten über den Kopf. „Nur vage. Ich erinnere mich an den Abend, aber nicht mehr so genau an das Mädchen.“ „Du meintest damals, sie habe ein apartes Gesicht.“ Plötzliche Erkenntnis spiegelte sich in den wasserblauen Augen des Rothaarigen. „Ja, jetzt ergibt sich ein etwas klareres Bild. Langes Haar, grau-blaue Augen, dabei schlank und hochgewachsen? Eine Augenweide?“ Der Andorianer nickte. „Ja, genau dieses Mädchen. Nun, ich denke, dass sie es ist, die ich auf meinem Flug nach Andoria kennengelernt habe. Der Captain des Passagierschiffes, nach Andoria, hatte Order erhalten, sie mitzunehmen, und er hat sie bei mir einquartiert. Nach anfänglichen Missverständnissen haben wir uns dann auf Andoria besser kennengelernt.“ John McTiernan, der den Glanz in den Augen des Freundes bemerkte, hob ahnungsvoll seine Augenbrauen. „Wieviel besser kennengelernt?“ Die Antennen des Andorianers begannen einen wilden Tanz aufzuführen und der Australier grinste bereits, noch bevor Dheran antwortete: „Wir sind fest zusammen, John. Du hältst mich vielleicht für wahnsinnig, aber ich glaube fest daran, dass sie es ist, die das Schicksal für mich bestimmt hat.“ Das zunächst fröhliche Gesicht des Hageren wurde zu einer Maske des Erstaunens. „Du meinst, im Sinne von: Immer und Ewig? Ist das nicht etwas voreilig, mein Freund? Und wie war das damals gleich mit: Im Vergleich zu uns beiden uralt?“ „He, das mit uralt kam aber von dir.“ John grinste schief. „Ja, aber du hast nicht gerade heftig widersprochen, wenn ich mich da recht erinnere. Oder, Tar´Kyren. Um genau zu sein, gar nicht widersprochen.“ „Okay, vergiss das, mit zu alt. Sie ist die Richtige, John. Das habe ich ganz genau gespürt. Nicht nur bei mir, sondern auch bei ihr.“ John McTiernan, der um die empathischen Fähigkeiten des Freundes wusste, wiegte nachdenklich den Kopf und meinte: „Es hat dich diesmal anscheinend wirklich nicht bloß aus reiner Leidenschaft erwischt, scheint mir. Das freut mich für dich, Tar´Kyren, und ich wünsche dir von ganzem Herzen, dass es diesmal wahrhaftig funktioniert. Wird sie dich in der nächsten Zeit mal besuchen?“ „Verabredet haben wir es.“ Der Australier lächelte zufrieden. „Dann werde ich sie hoffentlich bald kennenlernen. Was hältst du davon, wenn ihr, bei der Gelegenheit, mit T´Rian und mir dieses Restaurant besuchen würdet, wo deine Familie und du damals, nach dem Fahneneid, mit T´Rian wart. Gelegentlich schwärmt T´Rian davon, und sie liegt mir schon eine ganze Weile damit in den Ohren, dass wir mal gemeinsam hingehen. Das wäre eine gute Gelegenheit.“ „Ja, gar keine schlechte Idee.“ stimmte der Andorianer zu. „Aber wenn du dann von mir ein Zeichen bekommst, dann verkrümelst du dich, zusammen mit deiner Freundin, ganz diskret. Wenn du verstehst was ich meine.“ „Das sind noch ungelegte Eier“, versetzte John den Freund. „Zu schade, dass von der alten Gang nur noch wir drei übrig sind. Valand hätte dazu sicherlich einiges zu sagen gehabt, schätze ich mal.“ „Ja“, erwiderte Tar´Kyren gedankenverloren und tastete dabei unbewusst nach seinem linken Handgelenk, an dem er das Geschenk von Christina trug. „Das hätte er wohl. Besonders jetzt, da er selbst mit einer Andorianerin verheiratet ist.“ „Als du mir davon erzählt hast, da dachte ich zuerst, du würdest mich verulken“, gab John zurück. „Der bringt mit seiner Ruhe doch selbst einen Vulkanier aus dem Konzept, und dann das. Seine Frau muss eine außergewöhnliche Person sein, das steht mal fest.“ „Vielleicht liegt das daran, dass auch sie ein paar Jahre älter ist, als er.“ John McTiernan verzog spöttisch die Lippen. „Das wird es sein. Nicht nur dass ihr euch blind versteht, jetzt fangt ihr bei den Frauen auch noch so ein gemeinsames Ding an. Jetzt komm aber, ich habe T´Rian und Tearena versprochen, dass wir pünktlich zum Beginn des Springball-Finales bei ihnen in der Sporthalle sein werden.“ Gemeinsam schritten sie zu den hellen Gebäuden des Akademie-Komplexes zurück, wobei Tar´Kyren Dheran ununterbrochen daran denken musste, was Commander Keren gesagt hatte. Zwar würde er das Geheimnis um Kharon-Dhura John gegenüber wahren, doch Valand würde er davon erzählen. Er musste ihm davon erzählen, wenn sie sich das nächste Mal trafen, oder er würde platzen. Dabei war er sich ganz sicher, dass Valand danach kein Wort darüber verlieren würde, nicht einmal seiner Frau gegenüber, während er sich bei John nicht sicher war, ob er nicht seine Freundin T´Rian ins Vertrauen ziehen würde. Und er würde Valand gleichfalls von Christina Carey erzählen. Der Andorianer dachte dabei unwillkürlich an die hochgewachsene, hübsche Irin, die manchmal so seltsam andorianisch sein konnte, und ein unmerkliches Lächeln stahl sich dabei auf sein Gesicht.     ENDE Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)