Kaleidoskop - Facetten einer Liebe von dreamfighter ================================================================================ Kapitel 3: Die Farbe Grün - Was wäre wenn ----------------------------------------- Michiru bildete zwei Schalen mit ihren kleinen Händen und ließ kaltes Wasser hineinlaufen. Mit einer kurzen Bewegung landete das kühle Nass in ihrem bleichen Gesicht und sie schloss schnell die Augen. Sie schaute in den von Kalkflecken benetzten Spiegel der Mädchentoilette. Entgegen ihrer verwirrten Gefühle, strahlten ihr zwei große leuchtend blaue Augen entgegen. Ein Leuchten das Michiru bei sich selbst seit Monaten nicht mehr gesehen hatte. Sie stützte sich an dem Waschbeckenrand ab und atmete tief durch. Haruka war gerade mal ein paar Stunden an ihrer Schule und sie war bereits Gesprächsthema Nummer 1! Abgesehen von den Faktoren dass sie a) aus Japan kam, b) eine gefeierte Rennfahrerin war und c) man sie mit einem gelben Porsche hatte vorfahren sehen… sagte man ihr ein gutes Aussehen nach. Eines welches Männer und Frauen gleichermaßen die Sprache verschlug?? Die junge Frau mit den türkisen Locken seufzte leise. Die ganze Schule war in Aufruhr. Sie schüttelte den Kopf und ihre langen Haare wirbelten in weichen Locken umher. „… das hat nichts zu bedeuten… du darfst Haruka NICHT verfolgen.. du wirst sie NICHT ansprechen...du wirst...“ sie verharrte in ihrer Bewegung und starrte in ein weiteres Augenpaar. Ein gehässiges und hasserfülltes Gesicht starrte ihr mit rehbraunen Augen entgegen: Julia. „Wen haben wir denn da?“ kam es bittersüß von ihr. Michiru versuchte den Impuls zu unterdrücken nicht sofort das Weite zu suchen und stafte ihre Schultern. Julia war das beliebteste Mädchen der Schule: reich, wunderschön, Schulsprecherin und Klassenbeste...alles was Michiru nicht war. „… hallo Julia.“ kam es leise von Michiru - sehr viel piepsiger als sie wollte. Die wunderschöne Brünette mit den endlosen Beinen und dem sinnlichen Mund, verzog diesen zu einem gespielt freundlichen Lächeln:“Hallo Michiru. Du siehst ja wieder wundervoll aus heute… hast du diesen Pullover aus der Müllkippe in deinem Kiez gezogen?“ Michiru ballte die Hände unbewusst zu Fäusten:“Ich muss jetzt gehen..“ antwortete die Violinistin knapp und wollte sich gerade an der Schulsprecherin vorbeischieben, als diese ihr den Weg blockierte: “Was hast du da eben gefaselt Brillenschlange? DU willst Haruka ansprechen? VER..GISS..ES!“ zischte sie Michiru leise ins Ohr und packte sie an ihrem verwaschenen Strickpullover und drückte sie unsanft gegen das Waschbecken. Die braunen Augen der Schönheit funkelten belustigt, als sie Michirus vor Schreck geweitete Augen sah. „Oh Michiru...kleine süße Brillenschlange. Du bist es doch noch nicht mal wert, dass dich unser neuer Schulstar dich mit dem Rücken beachtet...sieh dich an...dreckig, klein und hässlich. Nicht mal die dreckigsten Penner sind auf einer Stufe mit dir.“ Sie ließ Michiru bei diesen Worten unsanft fallen. Diese konnte sich gerade noch am Waschbeckenrand festhalten und richtete sich ungeschickt wieder auf. Julia überragte die zarte junge Frau um fast einen Kopf. „...ich...wollte nicht...“ stammelte sie und ihre Wangen röteten sich vor Wut und Scham. Julia trat neben sie an den anderen Spiegel und zog sich die kirschroten Lippen nach:“Ich weiß Brillenschlange. Und nun da das geklärt ist… einen schönen Tag noch...“ mit einem boshaften Grinsen lief sie extra nah an Michiru vorbei und stieß sie unsanft mit der Schulter zur Seite. Mit bebenden Lippen stürmte Michiru in die Toilette und ließ ihren Tränen freien lauf. Wie konnte sie nur ernsthaft daran denken, dass ausgerechnet sie: die dreckige Brillenschlange mit Haruka befreundet sein könnte. Wenige Stunden nach dem Vorfall in der Schultoilette verließ Michiru nach der letzten Stunde das Schulgebäude. Die Sonne strahlte über Berlin und der verheißungsvolle Geruch des Frühlings ließ Michiru kurz innehalten und lächeln. Sie liebte die Kirschblütenzeit… all die bunten Farben und das Neuerwachen des Lebens, ließen sie ihre Sorgen kurz vergessen. Ein seltsames Gefühl der Wärme in ihrem Herzen ließen sie die Augen öffnen und nach Rechts blicken. Ihre Augen weiteten sich, als sie Haruka mit einem Jungen über den Schulhof laufen sah. Von weitem hätte niemand vermutet das diese eigentlich ein Mädchen ist: hochgewachsen, androgyn und mit kurzen blonden Haaren lief sie mit einer selbstbewussten Eleganz neben dem Jungen her. Ein verträumtes Lächeln umspielte die Lippen der Geigerin und sie stellte sich vor, wie sie selbst neben der Rennfahrerin laufen würde und… Schnell schüttelte sie den Kopf und die geröteten Wangen und das schlagende Herz verrieten dass sich andere Gefühle in ihr anbahnten. Doch warum? Weil Haruka der erste Mensch war, der sie so vollkommen Anders wahrnahm als die Anderen? Vermutlich. Doch wenn Haruka sie erst sehen würde..was dann? Abgesehen davon: Haruka durfte nicht sehen, dass Michiru eine kleine Brillenschlange aus den schlechtesten Verhältnissen war...Julia hatte Recht. Sie machte sich auf den Weg zum Alexanderplatz und spulte innerlich immer wieder das Bild der Rennfahrerin vor sich ab. Das Lächeln in ihrem Gesicht verschwand auch nicht, als sie sich mit ihrer besten Freundin und Produzentin Elsa in einem Café auf dem Alexanderplatz traf. „Michiru? Michiru!“ ihre Freundin mit dem feuerroten Haaren wedelte mit der Speisekarte vor Michirus Nase herum. „HALLO!!“ Erschrocken rutschte der jungen Frau die Brille von der Nase. Nervös schob sie die Brille wieder auf ihren Platz zurück:“Es ist alles okay Elsa! Entschuldige. Ich bin so in Gedanken, weil Haruka nun in Deutschland ist und ich keine Ahnung habe wie lange sie sich mit einem Treffen hinhalten lässt“ Elsa lehnte sich in den Korbsessel zurück und legte die Karte auf den Tisch:“Das kann nicht dein Ernst sein Michiru! Erst bist du vollkommen ausgeflippt dass sie hier nach Deutschland kommt und nun traust du dich nicht sie zu treffen! Wenn es an der Kleidung liegt, dann leihe ich dir etwas aus!“ Michiru legte die Karte ebenfalls auf den Tisch zurück und entgegnete mit fester Stimme:“… das ist es nicht. Du weißt, dass ich jeden Cent für mein neues Leben spare. Etwas zum Anziehen könnte ich mir schon leisten. Aber dann würde meine Mutter vielleicht misstrauisch und du weißt dass wir uns nun keinen Fehler mehr erlauben dürfen.“ Elsa zog eine rote Augenbraue in die Höhe und bestellte Erstmal ein deftiges Mittagessen für Beide, sie nahmen eh immer das Gleiche: Fisch mit selbstgemachten Kartoffelbrei und Dillsoße. „Mal im ernst! Du redest seit MONATEN von nichts anderem als Haruka! Und anscheinend mögt ihr Beide euch wirklich… denkst du nicht, dass du sie in dein Geheimnis einweihen kannst? Gerade weil es nur noch wenige Monate vor dem Abschluss sind? Ich bin deine Managerin und Produzentin! Und als diese kann ich dich verstehen.. aber vorallem bin ich eines: Deine beste Freundin!" sie hielt kurz inne um dann mit ernsterer Stimme fortzufahren: "Aber es ist doch verrückt dass du sie meidest nur weil du Angst vor deiner eigenen Kurage hast! Sie wird deine Lebensumstände sicher verstehen und was du durchmachst!“ Elsa war bereits Studentin im 2. Semester der Wirtschaftswissenschaften hier in Berlin. Neben ihrem Studium managte sie den Youtube Kanal für Michiru und organisierte unter verdeckter Identität Räumlichkeiten für die Aufnahmen und Proben. Michiru und sie kannten sich seit der Grundschule und waren seither unzertrennlich gewesen. „… wenn ich nur so mutig wäre wie du Elsa...“ kam es kleinlaut von Michiru. Während sie das Essen zu sich nahmen, hörte Michiru mehrmals ihr Handy in der Tasche klingeln. Das warme Gefühl in ihrer Brust schien ihr Herz zu verbrühen. Elsa redete noch weiter auf Michiru ein und ermutigte sie zumindest auf Harukas Mails zu reagieren! Nach dem Essen machte sich Elsa noch über ihren geliebten Berliner Schokokuchen her und beobachtete ihre Freundin wie sie zittrig das Handy in Händen hielt. "Ich kann nicht Elsa... was ist wenn sie mich nicht mag? Was ist wenn ich sie verscheuche! Ich bin vielleicht selbstbewusst im Internet! Aber das ist nicht das Internet... das ist ... sie mich an." endete Michiru ihren 10. Versuch Haruka zu antworten. „LOS JETZT!“ drängte die beste Freundin genervt die zittrige Michiru und riss der verdatterten Schönheit mit Brille das alte Ding letztlich aus der Hand: „Das kann man ECHT nicht mit ansehen!“ Michiru sah sie geschockt an und versuchte ihr Backsteinhandy aus den frühen 2000dern zurück zu erobern. „ GIB HER ELSA GREY!!“ schrie Michiru fast. Doch Elsa tippte schnell eine Nachricht in das Telefon und drückte auf SENDEN. Vornüber gelehnt bemerkte Michiru nicht, dass sie halb den Schokokuchen zerdrückte und Elsa fast mit dem Stuhl umkippte um sich von Michiru nicht erwischen zu lassen. „MIST!! Doppelmist!!“ schimpfte Michiru und starrte auf den zermatschten Kuchen und den fetten braunen Fleck auf ihrem alten Pullover. Elsa schob ihr grinsend das Telefon über den Tisch zurück. Zitternd und fluchend griff das Mädchen mit den zarten Gesichtszügen danach und starrte auf die noch offene SMS: Hallo Haruka, hier ist Michiru. Danke für deine vielen lieben Mails. Ich kann es kaum erwarten dich zu treffen! Hast du morgen Abend schon etwas vor? Wir könnten uns hier im Café Bömmel treffen! Ich zeige dir Berlin wie du es nur von mir kennen lernen kannst! Deine Michiru!“ Kreidebleich sank Michiru in sich zusammen und ließ den Kopf auf die Tischplatte fallen, leider stellte sich die gewünschte Ohnmacht nicht sofort ein und die Welt würde auch nicht aufhören zu sein… das konnte die Violinistin ahnen. Elsa lachte nur und aß den zermatschten Schokokuchen. Wiedermal würde sie ihre Freundin zum Glück zwingen müssen. Sei es auch mit Gewalt. Spät am Abend, der Mond stand hell und rund über Berlin, ertönte das Telefon leise in Michirus Schultasche. Mit zitternden Händen fischte sie das Telefon aus dem vorderen Fach und öffnete die Nachricht von Haruka: Geht klar! Ich freue mich auf dich! Um 15 Uhr nach der Schule! Ich warte am Eingang vom Hinterausgang. Haruka“ Nun war sie wirklich aufgeschmissen. Sie sank auf ein Knie und zitterte leicht vor Aufregung und Panik. Was sollte sie tun? Nun würde sie um ein Treffen mit der Sportlerin nicht herumkommen… Obgleich Michiru Angst hatte, war da auch der innere Wunsch dieser unbekannten Freundin zu begegnen und sich ihr anzuvertrauen. Er brannte stärker als ihre Angst… mit langsamen Schritten durch das verkommene Viertel machte sie sich auf den Nachhauseweg. Die Wohnung würde wieder leer sein, nur erfüllt von dem Geruch alter Zigaretten und Alkohol. ... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)