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Eine Welt - Zwei Pole

Und wir dazwischen
von

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Winterling

Ich sitze gerade im Hörsaal und starre auf das weiße Blatt Papier vor mir. Ich war bisher nicht in der Lage, auch nur eine Notiz aufzuschreiben. Warum bin ich überhaupt hergekommen? Ich hätte genauso gut zuhause bleiben können. Nur wäre mir dort irgendwann die Decke auf den Kopf gefallen.

Es ist einfach nicht fair. Warum ist Valentin so gemein? Er sollte lieber direkt mit mir Schluss machen, anstatt sowas vor mir zu verheimlichen! Schlecht gelaunt kritzele ich eine Art Karikatur von ihm auf mein Blatt. Na ja, es wäre wohl keine Karikatur, wenn ich zeichnen könnte. Seufzend schreibe ich seinen Namen und male einen Teufel daneben. Ich bin momentan einfach stinksauer!

„Geht’s dir gut?“, fragt mich Simon, mein Banknachbar und Unifreund. Ich sehe auf und kratze mich am Kinn. „Ja, hab nur nicht viel geschlafen. Kann ich mir nachher deine Aufzeichnungen abfotografieren?“ Ich sehe ihn flehend an und er grinst. „Klar!“ Dann wirft er einen Blick auf mein Blatt. „Und wer ist diese Schönheit da?“ Grinsend deutete er auf das Bild von Valentin. Ich murre. „Mein Mitbewohner.“ Ich traue mich wirklich noch nicht, mich einfach zu outen. „Du scheinst sauer auf ihn zu sein?“ Ich zucke mit den Schultern. Simon meint es sicher nicht böse, aber er kann ja auch nicht wissen, dass mehr dahintersteckt. „Was ist denn passiert?“ Ich zögere. Es würde mir bestimmt gut tun, mal mit jemandem darüber zu reden, aber das ist nicht so einfach. „Er lügt mich ständig an und kommt nur noch spät nach Hause, auch wenn ich für ihn mitkoche. Das nervt. Stattdessen hängt er mit so einer dummen Tusse ab“, versuche ich es so gut wie möglich zu umschreiben, was gar nicht mal so einfach ist.

Simon sieht mich abschätzend an. Was ist sein Problem? „Du magst ihn, oder?“ Ich werde von jetzt auf gleich rot. Mist, das mit der Tusse hätte ich nicht sagen dürfen! Das verrät doch jeden Schwulen schon zehn Meter gegen den Wind! Simon lächelt. „Keine Sorge, man merkt es dir nicht wirklich an. Aber ich bekomme schnell mit, wenn Wind vom gleichen Ufer herweht~“ Ich verstehe erst nicht was er meint. „Hä?“, frage ich dann also einfach nach. Ohne zu zögern gibt mir Simon einen Kuss auf den Mund. Jetzt bin ich wirklich knallrot! Röter geht es nicht mehr! Und ich würde am liebsten vom Erdboden verschluckt werden. Simon lächelt mich nur an und sieht wieder nach vorne, um sich Notizen zu machen. Was sollte das?! Gut, wir sitzen in der letzten Reihe alleine, uns wird schon niemand gesehen haben. Aber was soll ich darein interpretieren?! Steht er auf mich, oder was?

„Keine Sorge“, sagt Simon plötzlich. „Du bist nicht mein Typ.“ Das kratzt jetzt an meinem Ego, auch wenn es mich erleichtern sollte. „Mach das nie wieder!“, fauche ich ihn an und streiche dann das Bild von Valentin durch. „Und ich mag ihn gar nicht!“, nuschele ich dann undeutlich vor mich hin, ehe ich meinen Kopf auf die Tischplatte fallen lasse.
 

Es ist schon einige Monate her, als wir zusammengekommen sind. Aber an diese Zeit will ich eigentlich gar nicht denken. Wie kam es nochmal, dass wir in eine Wohnung gezogen sind? Ach ja, die Stellenanzeige. Wir waren beide verzweifelte Studenten auf Suche. Ich hatte mich bei ihm gemeldet, ihm gesagt, dass wir uns mal treffen könnten, um dann auszumachen, ob eine gemeinsame Wohnung möglich wäre. Als ich ihn dann im Café das erste Mal sah, war ich direkt hin und weg. Klar, sein Emostyle hat mich echt genervt, aber er ist einfach ein hübscher Junge. Und für solche habe ich was übrig.

Seine Laune war an diesem Tag wirklich im Keller. Wieso hatten wir uns eigentlich geeinigt? Weil ich mit seiner Laune klarkam? Und er mit meiner Homosexualität? Diese Karten hatte ich direkt offen auf dem Tisch gespielt. So etwas zu verheimliche brachte immer nur Probleme mit sich. Bevor er irgendetwas sagen konnte, ergriff ich das Wort. „Bevor Missverständnisse auftreten oder wir über die Wohnangelegenheit sprechen, möchte ich erstmal loswerden, dass ich schwul bin. Also wenn du damit Probleme hast, dann können wir direkt wieder gehen.“ Ich war schon immer sehr direkt, im Gegensatz zu Val. Er sah mich zwar verdattert schweigend, aber ebenso ruhig an. Dann zuckte er mit den Schultern und setzte sich.

Wir redeten gute drei Stunden, verstanden uns sogar irgendwie ein bisschen. Wobei es an unser beider Nerven zerrte, da wir nicht viel gemeinsam hatten. Trotzdem entschlossen wir uns dazu, die Wohnung zu mieten, die er im Blick hatte. Ich dachte mir damals nur „so schlimm kann es ja nicht werden“. Das war wohl ein Fehler. Nach wenigen Wochen merkte ich schon, wie anstrengend Valentin sein konnte. Wenn er mies drauf war, dann hörte er immer überlaut seinen blöden Emocore-Müll. Und wenn ich Typen mit nach Hause brachte, beschimpfte er mich und warf sie teilweise sogar wieder heraus. Er hatte nie wirklich Besuch, das fiel mir ebenso auf. Das einzige, worüber wir uns nicht stritten, war die Haushaltsführung. Ich kümmerte mich mehr um das Putzen, er sich eher um die Einkäufe. Es war in Ordnung und alles gut geregelt.

Aber irgendwann kam der Tag, an dem ich merkte, dass ich mehr von Valentin wollte, als nur sein Mitbewohner zu sein. Und zu dem Zeitpunkt hätte ich uns nicht einmal als Freunde bezeichnet. Das war zu der Zeit, als ich das erste Mal von ihm träumte. Und zwar wirklich träumte! Als ich danach aufwachte, waren nicht nur meine Shorts und meine Decke feucht, ich schwitzte auch wie sau und keuchte erschöpft vor mich hin. So einen intensiven Sextraum hatte ich noch nie gehabt!

Das ist wirklich schon eine Weile her. Verdammt, so lange stehe ich schon auf ihn? Auch wenn es anfangs nur sein Körper war, der mich wirklich interessiert hat.

Nach diesem Traum habe ich versucht, Valentin aus dem Weg zu gehen. Aber das ist mit einer gemeinsamen Wohnung leichter gesagt, als getan. Es war ein neues Semester und wir hatten häufig zur gleichen Zeit Uni, was dazu führte, dass wir zuhause immer aufeinander hockten. Ich bin dann meistens in meinem Zimmer verschwunden. Gegessen haben wir dennoch zusammen. Wir waren auch gemeinsam einkaufen. Generell hatten wir damals mehr gemeinsame Zeit, als jetzt. Und als ich merkte, dass ich ihm nicht aus dem Weg gehen konnte, habe ich mich an seine Fersen geheftet. Ich war freundlich zu ihm, habe ein paar typische Tricks angewendet, damit er auf mich hereinfällt. Aber nichts hat funktioniert. Und je frustrierter ich wurde, desto mehr Typen brachte ich nach Hause. Das führte dazu, dass Valentin immer böser mit mir wurde und irgendwann meine Nähe mied. Ich verstehe immer noch nicht, warum er sich vor ein paar Monaten so merkwürdig verhalten hat, dass er versuchte, mir aus dem Weg zu gehen, obwohl er irgendwie auf mich stand. Oder steht? Vielleicht wollte er es schon damals nicht wahrhaben und versucht jetzt alles Mögliche, um mich wieder zu vergessen. Ich seufze leise auf.

Die Vorlesung ist vorbei und Simo packt seine Tasche zusammen, ehe er sich erhebt. „Kann ich noch mit zu dir kommen, Teo? Dann können wir die Vorlesung durchsprechen.“ Ich denke gar nicht weiter darüber nach und nicke. Moment, Simon hat mich eben geküsst! Ich schiele misstrauisch zu ihm. Aber ich kenne ihn schon länger und er ist wirklich nett. Wird er irgendetwas versuchen, wenn wir zuhause sind? Aber er weiß ja, dass ich nicht alleine wohne und dass ich irgendwie auf Valentin stehe. Also wird er sich hoffentlich zusammenreißen. Und ich bin nicht sein Typ! Ich verziehe leicht meine Lippen. Das will man eigentlich von niemandem hören, aber gut.

„Ich kann uns Pizza in den Ofen schieben“, schlage ich vor, als wir den Nachhauseweg antreten. Simon nickt. „Gerne.“ Er grinst mich an und aus irgendeinem Grund fühle ich mich unwohl unter seinem Blick. Er schätzt mich ab, oder? Ich räuspere mich und deute nach einer Weile auf ein Haus die Straße herunter. „Da wohne ich.“ Simon wirft einen Blick zurück und nickt. „Ist ja echt ein gechillter Weg zur Uni.“

Ich nicke. „Ja, daran haben wir gedachtet, als wir eingezogen sind. Wir studieren beide hier.“ Simon schaut mich schon wieder so komisch an. „Seid ihr richtig zusammen oder stehst du nur auf ihn und hast keine Chance?“ Ich weiß ehrlich nicht, wie ich darauf antworten soll. Zögerlich kicke ich einen Stein vom Fußweg. „Eigentlich sind wir irgendwie zusammen.“ Was für eine ausschlaggebende Antwort. „Eigentlich und irgendwie?“ Er hat es erfasst. Ich habe wirklich keine Ahnung. „Na ja, er weiß, wie ich fühle und er geht mit mir ins Bett, obwohl er nicht offenkundig schwul oder bi ist. Aber er hat mir nie gesagt, dass er mich liebt. Ich erwarte es auch nicht wirklich. Es reicht mir, dass er mich nicht von sich stößt. Aber in letzter Zeit lügt er wie gesagt und unternimmt ständig irgendwas mit einer jungen Frau. Er ist spät zuhause, verpasst unser gemeinsames Abendessen und erzählt mir dann, dass er so viel lernen musste. Das nervt mich wirklich.“ Ich seufze gefrustet auf. Simon legt mir einen Arm um die Schulter und tätschelt meinen Kopf. Was soll das?

„Lächle mal wieder ein bisschen mehr, das würde dir besser stehen. Er scheint nicht gerade ein netter Typ zu sein. Vielleicht solltest du es lieber gleich beenden, anstatt es weiter hinauszuzögern? Wenn er nicht einmal schwul ist und du nicht weißt, ob er auf Männer steht, dann kann es auch sein, dass er nur herumexperimentiert und dich als Versuchskaninchen missbraucht. Er hat ja scheinbar nicht einmal mehr Zeit für dich.“ Simon bringt es so genau auf den Punkt, dass ich das Gefühl habe, er würde in meinen Gedanken herumkriechen. Ich löse mich von ihm, indem ich etwas schneller laufe. „Rede keinen Unsinn! So etwas würde Valentin nicht machen. Und er ist längst aus dem Alter des Experimentierens raus!“, murre ich angesäuert. Warum bin ich so sauer? Doch eigentlich nur, weil er ausspricht, was ich denke. Und das macht mir Sorgen. Ich will so nicht über Valentin denken!

„Ich wollte dir nur helfen, Teo. Ich finde dich echt nett und wenn du Single wärst, dann könnten aus uns wenigstens eine Bettgeschichte werden, findest du nicht? Du bist zwar nicht mein Typ für Beziehungen, aber du siehst schon heiß aus. Ich wäre jedenfalls nicht abgeneigt.“ Mich durchfährt ein unangenehmer Schauer. Das war ein eindeutiges Angebot. „Nein, danke!“, meine ich direkt und bleibe vor der Haustür stehen, um sie zu öffnen. Im Treppenhaus riecht es nach Essen. Ich rümpfe die Nase und betrete die Wohnung. Ich hasse es, wenn die Essensdünste aller Bewohner auf einmal in der Luft stehen. „Komm rein.“ Ich lasse Simon eintreten und ziehe Schuhe und Jacke aus. Simon tut es mir gleich und folgt mir in die Küche. Ich schaue in den Kühlschrank und strecke ihm ein Bier entgegen, das er dankend ablehnt. Ich zucke mit den Schultern und stelle es zurück, ehe ich eine Wasserflasche holen und zwei Gläser aus dem Schrank krame. „Dann eben Wasser. Willst du stilles Wasser oder-“ Als ich mich zu Simon umdrehe, steht er auf einmal so dicht hinter mir, dass ich mich erschrecke. Er presst mich gegen den Tisch und erschrocken lasse ich die Flasche fallen. Sie platzt auf und die Flüssigkeit verteilt sich auf dem Fußboden. „Simon!“, knurre ich ihn an. „Was soll der Mist?!“ Er grinst lediglich und zuckt mit den Schultern, während er sich rechts und links von mir abstützt. „Ich meinte doch, ich wäre nicht abgeneigt.“ Er beugt sich zu mir herunter und ich höre gerade noch, wie die Wohnungstür zuschlägt.
 

In dem Moment kann ich nicht darüber nachdenken, was Valentin so mag.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  tenshi_90
2017-02-05T18:06:22+00:00 05.02.2017 19:06
Und nun kommt Action in die Story :) ... Da kommt also so ein Wirbelwind namens Simon und bringt alles durcheinander...

Jetz bin ich aber richtig gespannt, wies weitergehen wird ^^
Antwort von:  Chibi-Neko-Chan
06.02.2017 10:41
Danke dir für dien Kommi! <3
Er bringt noch mehr durcheinander als vorher. XDDD

Nächste Woche gehts weiter. :*
Von:  YumeKahoko
2017-02-05T14:06:43+00:00 05.02.2017 15:06
Oh je und schon geht das Drama los. Hoffentlich hat Val noch gehört, wie Teo das eigentlich nicht mochte. Wobei wenn die Tür grade zugeht muss er das eigentlich noch gehört haben...oder?
Jedenfalls bin ich schon riesig gespannt wies weitergeht!
Und sehr passendes Ende. Wer könnte da schon nachdenken XD

LG Yume
Antwort von:  Chibi-Neko-Chan
05.02.2017 15:08
Dam dam daaa xD Wie es weitergeht, erfahrt ihr dann wohl nächste Woche im kommenden Kapitel :P haha
Aber ob er es noch gehört hat? Gute Frage~ hrr hrr
Freut mich, dass ich das Ende gut abgerundet habe, bei diesem Kapitel! Und vielen lieben Dank für dein Kommentar! <33
Von:  Inan
2017-02-05T03:40:25+00:00 05.02.2017 04:40
Oh. Blödes Timing, schätze ich.
Hoffentlich reden sie jetzt doch mal richtig miteinander und die Sache geht nicht schlecht aus.
Schönes Kapitel :)
Antwort von:  Chibi-Neko-Chan
05.02.2017 15:07
Hey! Danke erneut für dein Kommentar. <3
Na das mit dem schlecht ausgehen werden wir ja noch sehen... xD
Es werden ja noch ein paar Kapitel folgen. O:)
Freut mich, dass es dir gefällt. <3


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