Soulmates - Seelenverwandte von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 4: To Belong Together Forever ------------------------------------- Hi!! Sorry, dass es einen Tag länger gedauert hat, als versprochen, aber mein Vater war gestern, entgegen meiner Erwartung, nicht weg und ich konnte nicht an seinen Computer. Aber jetzt ist es da! Dies ist bereits das vierte Kapitel und es ist diesmal ein besonders langes! Also, macht euch bereit auf die ultimative Erklärung für das seltsame Verhalten meiner immer recht seltsamen Charaktere! Yep, viel Spaß beim Lesen, mehr gibt's im Nachwort! Soulmates - Seelenverwandte Kapitel 4: To Belong Together Forever Yano sah perplex auf den braunhaarigen Jungen hinab, der sich an ihn schmiegte, die Augen fest geschlossen und einen leichten Rotschimmer auf den Wangen. Verzweifelt sah er zu seinen Freunden auf, die ihn anschauten, als wäre er schuld an allem. Dabei konnte er doch nichts dafür! "Ich..." >Ich habe damit nichts zu tun!<, wollte er sagen, doch kein weiterer Laut entwich seiner auf einmal sehr trockenen Kehle. Plötzlich wandten seine beiden Kameraden sich einander zu, Kleo ernst wie immer und Uriko mit einem breitem Grinsen, das er in dieser merkwürdigen Situation nicht verstand. "Glaubst du, es ist das, was ich denke, das es ist?", fragte Uriko kichernd. Kleo warf Hyuniri nur einen prüfenden Blick zu und nickte dann zustimmend in die Richtung des Rothaarigen. "Eindeutig!" "Was ist hier los?!", schrie Yano frustriert. Er wusste, er sollte den Brünetten von sich stoßen, doch er konnte es nicht. In seiner Wut zog er ihn nur näher an sich heran, ja, er wollte ihn nah bei sich wissen. Aber warum?! "Merkst du es nicht?", fragte Uriko glücklich. Hyuniri schien aufmerksam zu lauschen, jedenfalls hatte er seine Augen halb geöffnet und schaute verwirrt und erschrocken über seine Schulter in die Runde. Dennoch schien auch er nicht in der Lage zu sein, auf Abstand zu gehen. "Seelenverwandt!" Kleo lächelte ein für ihn sehr seltenes, warmes Lächeln und Yano fragte sich, wie dumm sein eigener Gesichtsausdruck wohl gerade sein musste. Der kleine brünette Junge mit den tiefblauen Augen sollte sein Seelenverwandter sein? Er sollte die Person sein, die er schon so lange suchte, nach dem sein ganzes Sein sich sehnte? Seine andere Hälfte?! "Kann nicht sein!", rief er geschockt aus. "Wieso nicht?", grinste Uriko schalkhaft und klopfte ihm kräftig auf die Schulter. "Ähm... Hyuniri?" Der Rotschopf hatte sich an den Kleinen gewandt, die Stimme zögerlich. "Hm?", fragte der Brünette gedämpft und versteckte sich tief in Yanos Kleidung. "Ist dir zufällig in den letzten Tagen etwas Ungewöhnliches aufgefallen?" Uriko lehnte sich hoffnungsvoll vor. "Ein komisches Gefühl vielleicht?" Hyuniri blinzelte aus ängstlichen Augen zu seinem Mitschüler herauf, nickte jedoch kaum merklich. "Ich wusste es!!", platzte der Rothaarige lachend heraus, sprang vom Bett auf und tanzte ausgelassen durchs Zimmer. "Endlich, endlich! Wir haben es geschafft!!" "Uriko, du weißt doch noch gar nicht sicher, ob...", begann Yano, doch der Chaot hörte offensichtlich nicht zu und sang aus vollem Hals weiter, die Beschwerderufe aus dem angrenzenden Raum ignorierend. Hyuniri erschreckte sein Geschrei scheinbar, denn er rückte wimmernd noch näher an den Blonden heran, der sich das mit einem kleinen Lächeln gefallen ließ. "Er ist es." Eine klare Feststellung von Kleo, der die Ausgelassenheit ihres grölenden Freundes offenbar nicht teilte, sondern sich im Stillen freute und zugleich sehr nachdenklich wirkte. "Sonst würde er nicht so an dir hängen, sondern eher weglaufen!" "Meinst du?" Yano sah an sich herunter und betrachtete das warme Bündel, das halb auf ihm lag. Das kam für ihn alles so plötzlich und doch klang es so plausibel. Er konnte ihn berühren, ohne, dass dem Kleinen etwas geschah. Wenn es wirklich stimmte... dann... ja... was dann? Er war ratlos. Was würde er dann tun? "Hyuniri, ich muss dir etwas erklären..." Yano seufzte und strich dem Brünetten über den Rücken, was dem jedoch nicht zu gefallen schien, denn er versteifte sich dagegen. Also stoppte er in der ohnehin unbeabsichtigten Bewegung und erzählte weiter. "Meine Familie unterliegt einem Fluch, der alle männlichen Mitglieder dazu zwingt, ihren Seelenverwandten zu finden, um ein normales Leben führen zu können. Bis sie ihn gefunden und das Band zwischen ihnen aufgebaut ist, können sie niemanden berühren, ohne, dass diese Person dem Wahnsinn verfällt. Das ist mein Schicksal, sowie das meiner Brüder und es war auch das meines Vaters und meines Großvaters. Wie weit das zurückgeht, weiß ich nicht. Ich selbst habe schon lange gesucht und wäre nicht hier, wenn es sich vermeiden ließe. Ich bin eine Gefahr für alle Menschen hier. Aber du..." Yano stockte, da die Erkenntnis ihn traf, dass all das jetzt vorbei sein konnte, dass er endlich wieder in Ruhe leben würde... vielleicht... wenn nur... Kitaya hatte zu Reden aufgehört und Shina, dem allein schon vom Zuhören der Kopf schwirrte, versuchte, zu verarbeiten, was der Blonde ihm gesagt hatte. "Du kannst... niemanden hier berühren?", fragte er ungläubig und mit unsicherer Stimme. Die Frage war spontan gewesen und keineswegs hatte er beabsichtigt, zu sprechen. "Niemanden außer Uriko und Kleo." Kitaya lächelte leicht, als er einen Blick hinauf in sein Gesicht riskierte. "Sie sind beide entfernt mit mir verwandt und die Verwandtschaft neutralisiert die Wirkung des Fluches. Allerdings geht der Fluch nur auf die direkten Vorfahren meiner Familienlinie zurück und sie sind nicht beeinträchtigt. Wäre auch schlecht für Uriko und seine Knuddelmanie!" "Hey!", rief Uriko empört, hörte auf, Freudentänze aufzuführen, kam zurück an das Bett heran und setzte seine grausamste Attacke ein: Er riss Kitaya und somit auch Shina in eine deftige Umarmung. Der Brünette quietschte panisch auf und flüchtete sich aus dem Griff, ohne von seinem blonden Mitschüler abzulassen. "Knuddelmane!", spottete Kleo mit einem schiefen Grinsen und sah sehr glücklich aus, nicht auch gedrückt worden zu sein. "Das hättest du nicht sagen dürfen...", stellte Shina automatisch und ohne nachzudenken fest. Für ihn war es einfach logisch, dass man in so einer Situation nicht die Aufmerksamkeit auf sich zog. Kaum, dass er die unbedachten Worte gesprochen hatte, verzog er sich wieder in Kitayas Kleidung. "Der Kleine hat recht..." Uriko hatte ein düsteres Grinsen auf den Lippen, die Augen halb von seinen roten Strähnen überschattet. Shina bekam es mit der Angst zu tun und klammerte sich schutzsuchend an Kitaya, der ihm als Antwort beruhigend mit einer Hand durchs Haar fuhr. Der Rothaarige stürzte sich auf Kleo und schon landeten beide auf dem Boden, da die Wucht des Aufpralls beide vom Bett gerissen hatte. "Idiot!!", hörte Shina den Dunkelhaarigen aufgebracht rufen. "Ha, kommt davon!! Lass dich drücken!!" "Drücken heißt nicht Erdrücken!!" Shina hörte eine Weile den Beschimpfungen mit halbem Ohr zu, doch innerlich versuchte er jeden Fetzen Mut aufzubringen, den er besaß, um sich an Kitaya zu wenden. "W-was heißt das denn... Seelenverwandt?", fragte er bange. "Das heißt, wir sind... na, ja... auf eine gewisse Weise von unserer Geburt an füreinander bestimmt." Kitaya zuckte verlegen die Schultern. "Wie?!", keuchte Shina entsetzt. Doch nicht etwa...?! "Nicht so wie du denkst!!" Kitaya wurde puterrot im Gesicht, ein befremdender Anblick für den Brünetten. "Mein Vater und meine Mutter haben sich ineinander verliebt, das stimmt schon, aber die Seelenverwandtschaft schließt das nicht mit ein. Mein älterer Bruder hat auch seinen Seelenverwandten gefunden und sie können sich nicht ausstehen! Es ist wirklich manchmal lustig mit anzusehen, wenn sie sich streiten, aber sich nicht einmal verbal weh tun können..." Kitaya schwieg nach dem Wortschwall, noch immer das auffällige Rot auf seinen Wangen. Shina fand es auf eine verrückte Weise beruhigend. Es zeigte seine menschliche Seite und dass Kitaya überhaupt dazu bereit war, sie ihm zu offenbaren, musste ein gutes Zeichen sein. Das hieß, er war ihm nicht böse für das Eindringen in sein Leben. Er hatte eine Art Vertrauen in ihn, das ihm erlaubte, seine innere Verteidigung fallenzulassen. Shinas Gedanke stockte an dieser Stelle. Kitaya schenkte ihm Vertrauen...? "Ähm..." Der Blonde schien sich langsam wieder zu fangen, doch das sollte wohl nicht lange halten. Noch ehe seine Gesichtsfarbe sich normalisieren konnte, vertiefte das Rot sich noch weiter und er sah peinlich berührt zur Seite. "Da gibt es allerdings noch ein kleines Problem... Wir kommen nicht voneinander weg, bevor das Band nicht mit unserem Familienritual geschlossen worden ist. Du weißt, was ich meine?" "Was?" Shina starrte ihn ungläubig an. "Das Ritual können wir nur bei mir zu Hause vollziehen.", erklärte Kitaya weiter und schüttelte verzeihungsheischend den Kopf, als er aufsah. "Tut mir wirklich leid... ich kann das nicht ändern. Selbst, wenn du versuchtest, mir fern zu bleiben, du würdest schon bald daran verrückt werden." Der Brünette ließ den unbemerkt angehaltenen Atem langsam ausströmen, als sein Blick sich von Kitayas Gesicht löste und die Wand hinter ihm fixierte. "Das heißt... ich muss dich berühren... die ganze Zeit?" Er konnte den verletzten Ausdruck auf dem Gesicht des Blonden nicht sehen, aber er fühlte ihn, als würde er seine Empfindung teilen. Das war alles so verwirrend. "So schlimm bin ich auch nicht...", lachte der Schläger leise. Es klang aufgesetzt. Es war aufgesetzt. Shina konnte es spüren, in jeder Faser seines Körpers. "Es... es ist nicht... nicht wegen dir..." Sein Versuch war kläglich, das wusste er. Aber Kitaya schien ein wenig besänftigt. "Ich... habe Berührungsangst." Er sah dem Blonden wieder in die Augen, in deren heller Klarheit Überraschung und Verstehen schwammen. "Jetzt kapiere ich das erst!", rief er aus. "Deshalb weichst du immer jedem aus, der dir zu nahe kommt. Ja, das macht Sinn..." "Ich kann dagegen nichts machen, ich habe es wirklich versucht." Shina wich Kitayas Blick wieder aus. "Selbst jetzt ist es mir unangenehm." Er sah zurück in die braunen Augen, die nachdenklich und leicht abwesend waren. Kitaya schien mit sich zu ringen, als müsste er eine Entscheidung fällen, die ihm nicht gefiel. Shina blieb ruhig sitzen und wartete auf eine Reaktion. Schließlich schien er sich durchgerungen zu haben, denn er sah ihn geradewegs an, das Braun der Augen leicht überschattet. "Dann müssen wir es so versuchen..." Er rückte etwas ab und nahm die Arme, die er um Shina gelegt hatte, langsam weg. Der Brünette spürte den Druck auf seine Nerven zurückkehren, doch strengte sich an, seine Miene nicht zu verziehen. Es gelang ihm nicht. Als der Körperkontakt unterbrochen wurde, kehrte das Ziehen mit einer Stärke zurück, die es zuvor nicht ein einziges Mal gehabt hatte. Shina krümmte sich unter Schmerzen und warf sich verzweifelt nach vorn, eine instinktive Handlung. Er schlang seine Arme um den Blonden und drückte sich gegen ihn. Je näher er ihm war, desto besser ging es ihm. Diesmal war es ihm egal, ob er ihn dafür berühren musste. Unangenehm blieb es zwar, aber das war eindeutig immer noch die bessere Lösung. Das Nervenfeuer war viel schlimmer als die Berührung eines anderen Menschen. Er schien wirklich an Kitaya gebunden zu sein, denn jetzt konnte er ihn ja nicht einmal mehr loslassen, ohne dabei den Verstand zu verlieren. "Hyuniri?", fragte Kitaya gedämpft. Shina zuckte leicht zusammen, doch rührte sich ansonsten nicht. Er konnte nicht. Das alles war so... fremd. Beängstigend. Er war an einen auf der ganzen Schule bekanntem und berüchtigten Schläger gefesselt. Er war... ja, er war abhängig von ihm. Er brauchte seine Berührung, um klar denken zu können. Und die Konsequenz all dessen wurde ihm mit ihrer ganzen Tragweite plötzlich vollkommen bewusst. Kitaya konnte ihn einfach fallenlassen. Ihn von sich stoßen und seinem Schicksal überlassen. Er würde das nicht überleben, das wusste Shina. Sein ganzes Dasein lag in der Hand eines als kalt und rücksichtslos geschimpften Schlägers. Und Kitaya war unleugbar ein Schläger! Jemand, der sich nur um sein eigenes Glück kümmerte. Was sollte es ihm schon bedeuten, einen kleinen schmächtigen Jungen hinter sich zu lassen, für den sowieso niemand aufstehen und kämpfen würde, wenn er doch schon so viele Stärkere besiegt hatte? Er fühlte sich so verdammt schwach! Bisher hatte er es doch auch immer allein geschafft, wieso denn jetzt nicht?! Wieso konnte er sich nicht einfach losreißen und davonrennen? Wieso? Wieso konnte er nicht verhindern, dass Kitaya ihn zerstörte? Wieso hatte er keine Kontrolle mehr über sein Leben? Und wieso nur hielt Kitaya ihn so fest an sich gedrückt, als hätte er Angst, er könnte ihn aus seinem Griff verlieren? Seelenverwandt... Wieso durfte ein grausamer Mensch wie er einen so schönen, warmen Begriff mit einer solch starken Ausdruckskraft in den Mund nehmen? Was stand für ihn hinter diesem Begriff? Was bedeutete ihm dieses Wort? "Du zitterst..." Shina schrak aus seinen Gedanken. Ihm schwirrte der Kopf vor lauter Fragen, die sich ihm nicht beantworten wollten. Aber er traute sich nicht, auch nur eine von ihnen auszusprechen. Sein ganzer Mut, der ohnehin nicht viel gewesen war, hatte ihn verlassen, nachdem die Erkenntnis, dass er nun jemandem so schutzlos ausgeliefert war, ihn mit aller Wucht getroffen hatte. Sie hatte ihn noch mehr geschwächt und er war sich dessen nur allzu bewusst. Er fühlte sich hilflos. Sein Leben lang war er geflohen, hatte zumindest immer die Hoffnung auf Flucht gehabt. Aber diesmal... keine Chance zu entkommen... "Was ist denn nun mit ihm?" Das war Urikos Stimme. Shina drehte den Kopf leicht zur Seite und schielte an der Kleidung, in der er sein Gesicht vergraben hatte, vorbei und in Richtung der beiden besten Freunde Kitayas. Beide hockten noch halb auf dem Boden, auf den sie gefallen waren. Kleo hatte sich mit den Ellenbogen auf das Bett gestützt und sah neugierig zu ihm herüber. Uriko hingegen lugte nur scheu über die Bettkante hinweg und wartete mit halb ängstlichem, halb hoffnungsvollem Gesichtsausdruck auf eine Antwort. "Er muss erst einmal verarbeiten, was er gehört hat.", hörte Shina Kitaya leise murmeln. "Könnt ihr beide bitte eine Weile rausgehen? Ich meine, ich würde ihn selbst jetzt in Ruhe lassen, aber das wird nicht möglich sein..." Er schwieg einen Moment, ehe er fast unhörbar weitersprach. "Und ich würde es nicht wollen..." Die letzten geflüsterten Worte, die wohl für niemandes Ohren bestimmt gewesen waren, ließen Shina verwirrt in allen Gedanken innehalten, die ihn plagten. Warum wollte Kitaya ihn nicht in Ruhe lassen? Was sollte das heißen? Nur schwerlich hörte er die sich entfernenden Schritte, eines der Paar Füße hastig und unbekümmert, das andere gemäßigt und genau kontrolliert. Kein Wort fiel mehr zwischen Kitaya und seinen Mitschülern. Dann schloss sich die Tür mit einem leisen Klicken und es wurde völlig still. Nur Atemgeräusche durchbrochen das eiserne Schweigen. "Seelenverwandt..." Shina merkte erst, dass er das Wort laut ausgesprochen hatte, nachdem es seine Lippen verlassen hatte. Erschrocken riss er die Augen auf, auch, wenn er gegen die Kleidung des anderen Jungen nichts sehen konnte und wünschte sich, die Erde mochte sich auftun und ihn verschlucken. "Hm?", fragte Kitaya und bewegte sich leicht, wie um eine bequemere Position zu finden. "Verwandte Seelen...", murmelte Shina. Ihm war, als müsste er weitersprechen. Er konnte den Anfang nicht offen in der Luft hängen lassen. "Was genau bedeutet das jetzt für uns?" "Für mich bedeutet es... wieder ein geregeltes Leben führen zu können..." Shina spürte ein Lächeln in den Worten und die Freude, die mit ihnen verbunden war, ließ keinen Zweifel an ihrer Glaubwürdigkeit zurück. "Und für dich bedeutet es..." Kitaya zögerte unsicher. Er hatte geklungen, als würde er genau wissen, was er sagen wollte, aber im letzten Augenblick hatte er sich unterbrochen. "Was?" Shina horchte bange, der ganze Körper gespannt wie ein Drahtseil, an dem ein zu schweres Gewicht hing. "Sicherheit." Die Stimme des Blonden klang auf einmal fest. "Ich beschütze dich." Er sagte das, als sei es eine Tatsache, nicht bloß eine wage Möglichkeit, die er in Betracht zog. War es ihm etwa ernst?! "Du... du lässt mich nicht...?" Shina hob ungläubig den Kopf. Das konnte nicht wahr sein. Nein, warum denn? Warum sollte es Kitaya interessieren, ob es ihm gut ging, oder nicht? Er hatte sogar die beste Gelegenheit, ihn selbst zu verprügeln, da er ihm nicht einmal ausweichen konnte. Was war nur in ihn gefahren? War das alles bloß eine Vorbereitung für die richtige Folter? Hyuniri hatte den Satz offen gelassen, doch das Misstrauen, das aus seinen Augen sprach, beendete ihn besser als alles, das er hätte sagen können. Tatsächlich schien der kleine Brünette in der festen Überzeugung zu leben, alle Menschen wollten ihn ausnutzen und betrügen. Sah er denn keinen Funken Gutes in ihnen?! Nicht einmal ein Glimmen von Hilfsbereitschaft oder von... wie sollte man es anders bezeichnen, als mit Menschlichkeit? Erwartete er denn wirklich immer nur das Schlechteste von jeder Person, die er traf? Das machte Yano wütend, doch er zwang sich zur Ruhe. Jetzt, wo Hyuniri wenigstens schon einmal mit ihm sprach, wollte er das bisschen Zutrauen nicht verlieren, das er gewonnen hatte. "Ich werde dich nicht hängen lassen, auch, wenn du ein fast Fremder für mich bist.", sagte er bestimmt und funkelte Hyuniri entschlossen an. Ja, er würde ihn vor der Welt beschützen, die ihn zu dem gemacht hatte, was er jetzt war! "Du... was?" Der Kleinere hatte längst aufgehört zu zittern und endlich, endlich sah Yano den kleinen unbewussten Funken Hoffnung in seinen tiefblauen Augen aufblitzen, die vor Erstaunen groß wie Untertassen sein mussten. Yano unterdrückte ein Kichern bei dem Gedanken und lächelte Hyuniri versichernd an. "Warum?" Das war die Schlüsselfrage, die den Brünetten verfolgte. Yano war sich dessen bewusst und hatte darauf gewartet, dass er sie stellen würde. Er legte den Kopf leicht schief, das Lächeln noch breiter und den Blick auf die kleine Person in seinen Armen fixiert. "Weil du etwas ganz Besonderes bist.", murmelte er und strich Hyuniri eine vorwitzige Haarsträhne aus dem Gesicht, die sich dort hartnäckig hingelegt hatte und sich weder durch unbewusstes Rucken des Kopfes, noch durch das Pusten des Kleinen entfernen ließ. Er hatte die Arme eng um ihn gelegt und schien nicht zu wagen, sie auch nur einen Millimeter zu bewegen, um die lästige Strähne selbst wegzuschieben. "Ich hätte dir auch geholfen, wärst du nicht mein Seelenverwandter...", sprach er weiter zu dem erstaunten und noch immer hauptsächlich misstrauischen Mitschüler. "Denn es ist ganz normal, dass man anderen hilft, besonders, wenn sie diese Hilfe so nötig haben wie du." Er sah ihn eine Zeit lang schweigend an, ehe er fortfuhr. "Du bist ganz allein, nicht wahr?" "Allein?" Hyuniri klang verwirrt, als verstände er nicht, wovon er sprach. "Wieso allein? Du bist doch hier?" "Ich meine einsam. Du bist einsam." Jetzt war es an Yano, verwirrt zu sein. Noch immer schien der Brünette nicht zu verstehen, worauf er hinauswollte. "Du hast keine Freunde, oder?" "Nein." Hyuniri sah nicht ein bisschen traurig aus. Er sagte es mit einem Schulterzucken, als würde es ihm nichts bedeuten. "Nicht alle Menschen haben Freunde." "Aber..." Yano schüttelte in Unverständnis den Kopf. "Macht dir das denn nichts aus?" "Nein, warum?" "Macht dich das überhaupt nicht traurig?" Yano war verzweifelt. Was war nur mit diesem Jungen los, dass er so dachte? Oder irrte er sich und sie sprachen von zwei verschiedenen Dingen? "Ich habe keine Freunde." Hyuniris Blick wurde erstaunt und er schien seine Angst für einen Moment vergessen zu haben. "Sollte ich denn welche haben?" "Ja, verdammt!" Yano packte den Brünetten bei den Schultern und zog ihn in eine enge und warme Umarmung, um sein entsetztes Gesicht verbergen zu können. Hyuniri brauchte dringend Hilfe. Shina verstand Kitaya nicht. Seine Empfindungen wechselten so rasend schnell, dass er sich einfach nicht vorher auf sie einstellen konnte. Er konnte wirklich nicht mit Menschen umgehen. Er war es ja nicht einmal gewohnt, so viel mit jemanden auf einmal geredet zu haben. Und da kam Kitaya an, mit seinen ganzen Stimmungsschwankungen und schaffte es doch zugleich, ihn immer irgendwie aus der Reserve zu locken und ihn zum Sprechen zu bringen. Wieso fühlte er sich jetzt wohler als vorher? Wieso konnte ein Gespräch ihn innerlich so auflockern? "Was machen wir jetzt?", fragte er unsicher im Flüsterton. "Wir müssen zu meinem Onkel.", erklärte Kitaya leise. "Er ist der Schuldirektor und der Grund, warum ich auf diese Schule gekommen bin. Ich sollte eigentlich auf eine Privatschule, weißt du..." "Was wird er tun?" Ängstlich lehnte Shina sich zurück und sah in die hellen Augen Kitayas. "Er wird unsere Fächer so legen müssen, dass wir zusammen Unterricht haben." Der Blonde grinste leicht, mit einem Aufblitzen von warmen Gold in seinem Blick. "Außerdem muss er in der Schule offiziell bekannt geben, dass es alles seine Ordnung hat, dass wir... na, ja... nicht voneinander wegkommen." Kitaya schaute kurz zur Seite, doch sah ihn direkt wieder an, leichte Nervosität in seiner Miene. "Und noch eine weitere Sache gibt es, die er regeln muss. Und die wir regeln müssen..." "Und die wäre?" Shina erstarrte. Er hatte doch gewusst, dass da ein Haken sein musste! Es gab immer einen und jetzt offenbarte Kitaya ihn. Jetzt, wo es zu spät war. "Wie es aussieht, müssen wir wohl in einem Bett schlafen..." Der Blonde wurde rot und grinste schief. Shina schluckte schwer. Es war nicht die Art von Haken, die er erwartet hatte, aber immer noch ein sehr großer Haken. Keiner, der Betrug, Spott oder Verachtung beinhaltete, aber immer noch... ein Haken. Wenn das so weiter ging, würde er sich noch in seinen verstrickten Gedanken verhaken... oh, welche Ironie... Seit wann dachte er ironisch? Absolut mit allem überfordert, blinzelte Shina ein paar Mal und nickte dann lahm. "Okay...?" "Okay?!" Kitaya sah mehr als überrascht aus. "Du hast also kein Problem damit...?" "Äh... nein." Eigentlich schon, aber er konnte es ja eh nicht vermeiden, deshalb schüttelte er schnell den Kopf. Ein bisschen zu schnell vielleicht. Kitaya seufzte tief und schloss die hellen braunen Augen, um mit der Handfläche über sie streichen zu können. "Ich wusste, du würdest Probleme damit haben...", meinte er müde. "Aber ich sagte doch gerade...", begann Shina zögernd. Kitaya lachte leise und strich mit einem Zeigefinger sanft an seiner Wange entlang. Shina erschrak leicht bei der kitzelnden Berührung, wehrte sich jedoch nicht dagegen. "Ich sehe doch, dass du nicht meinst, was du sagst!", murmelte Kitaya lächelnd. "Aber wie...?" Shina war durcheinander. Ihm fehlte eindeutig Erfahrung mit anderen Menschen. Nur seine Tante hatte ihm immer ansehen können, wie er sich fühlte, nicht jedoch ein Fremder. Oder lag das bloß an der Seelenverwandtschaft? "Könntest du dich selbst sehen, wüsstest du, was ich meine!" Kitaya grinste frech und er zog ihn mit sich auf die Füße, als er aufstand. Der Brünette folgte ihm gezwungenermaßen. Er wäre lieber sitzengeblieben, denn seine Bauchschmerzen schienen bei dem Körperkontakt mit dem Blonden nicht verschwunden zu sein wie das Ziehen, sondern meldeten sich mit einem Stechen zurück. Shina schnappte nach Luft und lehnte sich Halt suchend an Kitaya, bis der Schmerz zu einem dumpfen Pochen abgeflaut war. "Was ist?", fragte sein Gegenüber mit besorgter Stimme. "Wieder dein Bauch?" "Ja...", antwortete Shina gepresst. "Aber ist schon gut..." Er richtete sich wieder ganz auf und griff rasch nach Kitayas Arm, um den Kontakt nicht zu verlieren. "Dann lass uns jetzt zum Direktor gehen." Shina war dem Blonden dankbar dafür, dass er das Thema so einfach fallen ließ, hörte er doch die Sorge aus seinen Worten. Es erschien ihm unverständlich. Warum sollte er sich um ihn kümmern? Er hatte keinen Grund und doch hatte er ihm versichert, er würde ihn beschützen, egal, wer er war. Das war unglaublich, schien aber wahr zu sein. Er hoffte, dass es wahr war. Konnte es denn sein? "Okay." Er schaffte es sogar, ein schwaches Lächeln zustande zu bringen, als er in die sorgenvollen braunen Augen sah. "Lass uns gehen..." Es war ein seltsames Gefühl, das Wort ,uns' zu gebrauchen. In Gedanken jemanden zu sich zu zählen, war befremdlich. Diesmal war es ,er und jemand anders' und nicht wie sonst immer ,er gegen jemand anders'. Doch es war ein schönes Gefühl. Seltsam, aber schön. Schüchtern sah er zu Kitaya hinauf. Er konnte nicht anders, er glaubte ihm, dass er ihm nicht weh tun würde. Aus irgendeinem ihm unbekanntem Grund glaubte er ihm. Vertrauen? Nein. Das war etwas, das er nur mit seiner Tante in Verbindung brachte. Mit ihr und nur mit ihr! Mit niemandem sonst... Kitaya führte ihn zur Tür und er folgte ihm ohne Zögern. Sein Blick ruhte auf dem blonden Schopf Haar, der beim Gehen leicht auf und ab wippte. Vertrauen... Was war denn Vertrauen eigentlich? Yano klopfte an die schwere hölzerne Tür des Direktorenzimmers. Es war still auf dem Flur. Die Schüler hatten sicher gerade Mittagspause und saßen im Café oder auf dem Schulhof, unter anderem auch Uriko und Kleo, die sich verabschiedet hatten. Uriko war einfach unmöglich. Wie konnte er in so einer Situation ans Essen denken? Heute war Samstag und alle freuten sich auf das baldige Ende des Unterrichts. Aber ihm war mulmig zumute. Was würde sein Onkel zu dem kleinen Hyuniri sagen? Würde er den Jungen akzeptieren? Dulden musste er ihn auf jeden Fall, soviel stand fest, denn es gab nur einen Seelenverwandten auf der ganzen Welt für ihn. Nur eine andere Hälfte. Aber würde er ihn auch akzeptieren? Hyuniri war nicht reich und hatte auch keinen guten Ruf an der Schule. Er hatte nichts Besonderes vollbracht, das seine Familie beeindrucken würde. Würden sie etwa bloß verächtlich auf ihn herabsehen, weil er ihnen nicht gut genug war? Nein, das würde er nicht zulassen! Das war einfach nicht richtig! Er würde Hyuniri beschützen! Koste es, was es wolle! Er umklammerte den dünnen Arm an seiner Seite fester bei dem Gedanken und öffnete mit finsterer Miene die Tür, als sie hinein gerufen wurden. Bei ihrem Eintreten entdeckte er den Direktor in seinem riesigen ledernen Bürostuhl sitzend, mit gerunzelter Stirn über einige Dokumente gebeugt. Erst jetzt sah er auf und sein ohnehin schon frustrierter Gesichtsausdruck verdunkelte sich noch um ein paar Stufen, als er seinen Neffen erblickte. "Yano?!" Die Stimme seines Onkels klang warnend. "Was hast du jetzt schon wieder angestellt?!" "Nichts, Onkel Izumi." Yano schob sich halb vor Shina, der sich ängstlich duckte, als hätten die harschen Worte des älteren Mannes ihm gegolten. Er knurrte warnend. Ihm gefiel das nicht. Sein Onkel durfte Hyuniri keine Angst machen. Das würde er nicht erlauben. "Wer ist das da?", fragte Direktor Katora, sich vorbeugend, Strenge noch immer in den Worten spürbar. Er stockte dann jedoch erschrocken und zuckte zurück. "W-was?!" Ihm entgleisten die Gesichtszüge. "Das ist Hyuniri Shina.", erklärte Yano grollend. Er stellte sich rasch ganz vor den Brünetten, um ihn vor dem suchenden Blick seines Onkels zu schützen. Hyuniri hatte Angst und Yano hasste es, diese Angst zu fühlen. Der Kleine wollte nicht im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen. Er wollte sich verstecken, wollte davonrennen. Yano spürte diesen Wunsch, als wäre es sein eigener, doch er unterdrückte das düstere Gefühl, das seinen Geist zu überwältigen drohte. "Und warum kannst du ihn...?" Sein Onkel hob langsam eine leicht zittrige Hand und fuhr sich durch das wenige Haar, das sein Alter ihm noch gelassen hatte. "Du kennst die Antwort." Yano lächelte finster. "Er ist mein Seelenverwandter. Er gehört zu mir. Er ist der, den ich mein ganzes Leben lang gesucht habe." "Dann zeig ihn mir." Izumi Katoras Stimme hatte einen festeren Klang angenommen und er schien sich allmählich wieder zu fangen. "Ich will ihn sehen!" Yano rümpfte widerwillig die Nase. Hyuniri hatte Angst. Er wollte nicht dem Blick seines Onkels ausgesetzt sein und der Blonde wollte ihn am Liebsten in Sicherheit bringen. Einfach weglaufen. Ihn dorthin bringen, wo niemand sonst war. Auf einen hohen Baum vielleicht, der viele große Blätter hatte, zwischen denen sie sich verstecken konnten. Innerlich musste er sich dann jedoch zur Ordnung rufen. Er musste Hyuniris Gefühle abschütteln. Hier waren sie nicht in Gefahr. Das war bloß das Zimmer des Direktors und nicht der Vorhof zur Hölle. Er durfte sich nicht von den Empfindungen des Brünetten beeinflussen lassen. Mit einem Seufzer griff er nach hinten, legte seine Hand auf Hyuniris schmalen Rücken und schob ihn nach vorn. Der Schreck, der seinen Körper durchfuhr - Hyuniris Schreck - ließ ihn beinahe innehalten, doch er hielt sich unter Kontrolle. Er zog den zitternden Jungen vor sich und drückte ihn schützend an seine Brust, die Augen warnend auf den Auslöser der Furcht gerichtet. "Alles in Ordnung.", wisperte er leise an Hyuniris Ohr, ohne den Blick von dem älteren Mann abzuwenden. "Ich passe auf dich auf." Der Gefahreninstinkt wurde schwächer. Tatsächlich schienen die beruhigenden Worte ihre Wirkung zu erzielen und dem Brünetten zu helfen. Yanos Geist klärte sich mit dem Schwund des übermächtigen Gefühls. Konnte er jetzt endlich wieder klar denken? War es denn wirklich wahr, dass der Seelenverwandte besonders starke Empfindungen des anderen durch ihre Verbindung mitfühlen konnte? "Also hast du deinen Seelenverwandten endlich gefunden." Erleichterung und Unmut zeichneten sich auf dem Gesicht des Direktors ab. "Er ist nicht das, was ich mir erhofft habe... aber es ist wohl nicht zu ändern..." Yano verzog wütend die Mundwinkel. Wie konnte er es wagen...?! "Sprich nicht so von Hyuniri, als wäre er nicht da!", knurrte er aufgebracht. "Ich weiß, du bist unzufrieden, aber ich bin froh... froh, dass es jemand wie er ist. Jemand, der sich nicht wie du und deine ganze reiche Gesellschaft vor anderen verstellen muss. Jemand, der keine falschen Spiele spielt..." Er wandte sich dem Kleineren zu. "Jemand, dem ich vertrauen kann..." Hyuniris Gesicht strahlte vor Erstaunen und milder Ungläubigkeit. Yano spürte das Lächeln fast mehr, als er es sah, doch die sonst dunklen blauen Augen leuchteten vor Freude hell auf und alles, was an Angst noch zurückgeblieben war, verschwand spurlos. "Onkel Izumi, du solltest einfach froh sein, dass du dich nicht mehr darum kümmern musst, mich von anderen Menschen fernzuhalten.", murmelte Yano, unfähig, den Blick von dem Gesicht seines Seelenverwandten abzuwenden. "Denn bald ist alles vorbei. Wenn unsere Seelen erst richtig verbunden sind, bin ich frei von dem Fluch..." Grummelnd stand der Direktor auf und begann, in einer Schublade zu kramen. "In welcher Stufe ist dein kleiner Freund?", fragte er mit unverhohlenem Spott und ignorierte die Worte seines Neffen einfach. Yano ballte die Fäuste, die Arme noch immer um Hyuniri gelegt. Er hätte sich auf seinen Onkel gestürzt, hieße das nicht, den Körperkontakt zwischen ihnen zu brechen. Doch der ältere Mann schien auch so zu merken, dass der Brünette ein empfindliches Thema war, denn er schwieg daraufhin nervös. "Vierte Stufe, in meiner Parallelklasse...", presste Yano mit mühsam unterdrückter Wut hervor. "Ich habe zwei Kurse mit ihm, die restlichen musst du ändern." Kitaya und Direktor Katora arbeiteten an einem Ordner, immer wieder strich der ältere Mann etwas durch, um es mit einem hastig gekritzeltem Wort zu ersetzen. Shina hatte es aufgegeben, dem Gespräch zu folgen. Es ging ohnehin nur um Fächer und Kurse. Sein Bauch tat weh und das war eine unangenehme Ablenkung. Er wünschte, er könnte sich irgendwo hinsetzen und ausruhen. Der Blonde warf ihm immer wieder kurze Seitenblicke zu, die braunen Augen versichernd und warm. Das war das Einzige, das ihn auf den Beinen hielt. Er wollte Kitaya zeigen, dass er das hier durchhalten konnte. Er schaffte das! "So, das wär's.", murmelte der Direktor schließlich und ließ den Ordner mit einem leisen, aber endgültigen Knall zuschnappen. "Und ihr geht gleich zurück in den Unterricht. Jetzt ist noch Mittagspause, ich werde also den Lehrern Bescheid geben." Shina sah Kitaya daraufhin nur nicken, ehe er sich ihm zuwandte. "Lass uns gehen..." Sie erreichten die Cafeteria und traten gemeinsam durch die große Doppeltür. Lautes Geschnatter füllte den Raum, doch einige der lautstarken Gespräche verstummten bei ihrem Eintreten und die Geräuschkulisse nahm augenblicklich ab. Shina fühlte sich unwohl und versteckte sich so tief in der Kleidung des Blonden wie er konnte. Aber jeder Versuch, sich unsichtbar zu machen, schlug fehl. Die Blicke, die auf das Paar gerichtet waren, wurden nur noch eindringlicher. Er hasste es, wenn Leute ihn anstarrten, er hasste es wirklich. Plötzlich fühlte er einen schützenden Arm um seiner Schulter, der ihn vor den starrenden Augen abschirmte. Er schrak leicht vor der unnötigen Berührung zurück, spürte den bekannten Drang, den Arm wegzuschieben, doch zugleich wollte er sich noch mehr hinter ihm verbergen. Und wieso eigentlich nicht? Er blinzelte leicht zu Kitaya hoch, der seinen Blick durch den Raum schweifen ließ. War es der günstige Lichteinfall oder waren seine Augen tatsächlich leuchtend golden? Und warum sah er so wütend aus? Ratlos umklammerte Shina den warmen Körper fester und folgte dem Beispiel des Größeren, indem er seine eigenen Blicke auf Wanderschaft schickte. Tatsächlich. Alle starrten sie an. Es war beinahe ganz still in der großen Cafeteria, bis auf eine Gruppe schwatzender Schüler und ein paar Jungen, die scheinbar absichtlich ihre Stimmen zu heben begannen, damit man sie bis hierher hörte. "Sieh mal, Kitaya scheint jetzt Schutzengel zu spielen!", höhnte einer von ihnen. Er hatte braunes Haar, das zu allen Seiten wild abstand und trug seine blaue Schuluniform unordentlich, ebenso wie seine Kumpanen. "Ja, sieht ganz so aus." Die zweite Stimme erkannte Shina. Erschrocken schnappte er nach Luft. Das war der bullige Typ, der ihm zusammen mit Hiroshi Takashi aufgelauert war. Der, der die Tür und somit seinen Fluchtweg blockiert hatte. Mit angsterfüllten Augen schaute er zu Kitaya auf. Sein Gesichtsausdruck hatte sich verändert. Er war nicht mehr bloß wütend. Das war keine Wut mehr. Das, was er da an die Oberfläche seiner Seele kommen sah, war blanker Hass. Grundloser, kalter Hass. Der innere Teufel, dem Shina bisher nur einmal begegnet war, schien wieder in seine Augen zurückgekehrt zu sein und machte sie zu dunklen, schwarzen Sümpfen. Er hatte Angst vor diesem Kitaya. Vor diesem Dämon in ihm. Er wollte sich losreißen und davonlaufen, sah sich doch zugleich nicht dazu in der Lage, wenigstens eines von beidem zu tun. Der Griff um seine Schulter schien von einem Stahlarm auszugehen und er hatte keine Chance, sich ihm zu entwinden. Und er wollte es nicht. Er konnte nicht, weil er an ihn gebunden war. Und er wollte nicht. Er wollte einfach nicht. Innerlich zerrissen sah er den Blonden an, in der Hoffnung, seine menschliche Seite zu entdecken. Sie musste doch da sein. Warum passierte das bloß? Was war mit Kitaya geschehen? Er wollte sie zerfetzen, niederreissen, büßen lassen für die Beleidigungen, die sie seinem Seelenpartner zugefügt hatten. Das waren Takashis Leute. Die gehörten zu dem Jungen, der den Kleinen geschlagen und verspottet hatte. Er verachtete sie, verabscheute sie mit jeder Faser seines Körpers, seiner Seele, seines ganzen Seins. Er wollte nichts lieber tun, als ihnen zurückzahlen, was der hilflose Brünette, sein hilfloser Freund, hatte durchmachen müssen. Sie sollten den dreifachen Preis für jede Wunde, jeden Kratzer und jede Schramme bezahlen, die Hyuniri erlitten hatte. Und sie *würden* diesen Preis zahlen. Dafür würde er schon sorgen. Er wollte sie leiden sehen. Sie sollten den Schmerz fühlen, der in den blauen Augen Hyuniris gestanden hatte, sollten seine Angst fühlen, die er in gerade diesem Augenblick durch seinen Körper rauschen spürte, als wäre es seine eigene. "Glaubt ihr, ich weiß nicht, zu wem ihr gehört und was euer lieber ,Boss' getan hat?" >Natürlich wisst ihr das. Sonst würdet ihr nicht so spotten. Ihr wisst es so gut wie ich...< "Glaubt ihr, ich sehe nicht, dass das alles ein faules Spiel ist?" >Und ihr wisst doch sicher, dass ich nicht für solche Spiele zu haben bin, oder?< "Wie sieht's aus? Hat Takashi euch dazu angestiftet?" Er grinste verächtlich, als er die unsicheren Gesichter seiner Mitschüler sah. >Na, jetzt seht ihr sicher, dass man sich mit mir nicht anlegt. Aber jetzt ist es wohl zu spät für euch. Ihr habt mehr als verdient, was mit euch passiert...< Einer der beiden, der bullige Junge, kam auf ihn zu, eine Maske der Selbstsicherheit aufgelegt und die Hände lässig in den Taschen seiner Uniform vergraben. Der schmächtigere mit der Wirbelfrisur folgte ihm mit etwas nervöseren Schritten, schien es jedoch seinem Kumpanen gleichtun zu wollen. "Ja, Takashi hat uns aufgetragen, dem Kleinen da eine Nachricht zu überbringen." Der Bullige zuckte mit den Schultern. "Und? Was dagegen? Und jetzt zisch ab, damit ich die Sache erledigen kann!" Eine der breiten Hände schnellte vor und griff nach Hyuniris Arm. Der Brünette schrie auf, die Stimme schrill vor Panik, als der Fremde ihn nicht bloß berührte, sondern gewaltsam an seinem Arm riss. Yano spürte eine Welle der Angst über sich hinweg rollen und etwas tief in seinem Innern zerbrach mit einem kalten Schnappen. Die letzte Rücksicht war geschwunden, jede Hemmschwelle überwunden. Er ließ dem Wahn in ihm, der sich mit dem Fluch in seiner Familie festgesetzt hatte, freien Raum und überließ bereitwillig alle Kontrolle dem finsteren Ungeheuer, das nun mit einem Grollen durch die Oberfläche der tiefen braunen Seen seiner Seele brach. Das finstere Grinsen, das seine Lippen umspielt hatte, wurde breiter, als er mit einem Krachen seine Faust auf das Kinn des muskulös gebauten Jungen treffen ließ. Die ganze Masse des schweren Bulligen landete mit einem dumpfen Laut auf dem Fliesenboden, als er zu Boden ging. Mit einem sadistischen Funkeln in den schwarzen Augen sah Yano auf den erschrockenen Schüler herab, mit einem Arm Hyuniri fest an seine Seite drückend. "Du bist das Letzte.", schnaubte er, den Blick an den Augen seines Gegenspielers festgesaugt, als wollte er ihm bis in die tiefsten Tiefen seines Wesens sehen. Er wollte nicht nur, er tat es auch. Sein breit gebauter Mitschüler war nicht mehr als ein bemitleidenswertes Nichts mit Gesicht und Körper. "Etwas Niedrigeres als dich habe ich schon seit langem nicht mehr erblicken müssen..." >Warte nur, bis ich dich in der Luft zerreisse. Hast du Angst? Nein? Die solltest du haben...< Denn er wollte Blut sehen. *Niemand* fasste seinen Seelenverwandten an. Nicht, wenn es in seiner Macht lag, das zu verhindern. Und die beiden gehörten zu dem, der ihm weh getan hatte. Hyuniri hatte gelitten. Und er litt immer noch! Allein wegen ihnen! "Kitaya, du bist verrückt!" Die entsetzten Jugendlichen wichen leicht zurück. Die Fassaden der Selbstsicherheit waren geschwunden und hatten den wahren Feiglingen Platz gemacht, die sie wirklich waren. Yano lachte leise. Es würde ein Spaß werden, die beiden Stück für Stück auseinanderzunehmen. "Verrückt?" Er trat auf den Bulligen zu und beugte sich zu ihm herunter, um ihm mit einem gespielt unschuldigem Lächeln, das so offensichtlich von Gift getränkt war, dass es selbst derjenige im hintersten Teil des Raumes sehen musste, nach dem knittrigen Kragen der Schuluniform zu greifen, die sein erstes Opfer trug. "Ich glaube eher, du bist verrückt. Du hast es gewagt, Hyuniri anzupacken und das wirst du bereuen. Ja, ich schwöre dir, dass du es zehntausendfach bereuen wirst, wenn ich erst einmal mit dir fertig bin! Das heißt, wenn du dann überhaupt noch kannst..." "Mann, Alter..." Das Gesicht des Jungen zeigte blankes Entsetzen. Yano grinste düster und hielt Hyuniri vorsichtig ausser Reichweite des Bulligen, als er noch näher an ihn herantrat. Konnte sein Gegenüber den Wahnsinn schon spüren, der in ihm hauste? Er wusste, würde er ihm noch näher kommen, würde der Wahn auf ihn übergehen und mit seiner tödlichen Präzision sein Hirn durchstoßen, dann dort einen irreparablen Schaden anrichten, der ihn auf ewig zu einem Zombie machen würde. Der Fluch machte keine Ausnahmen. >Kannst du den Wahnsinn spüren? Spürst du ihn? Spürst du ihn? Er kratzt schon an deiner Seele, er wartet schon darauf, dich zu einem sabbernden Irren zu machen, der nicht mehr weiß, wo oben und wo unten ist. Kannst du ihn spüren?< Kalt lächelnd trat Yano einen winzigen Schritt zurück. Nein, noch nicht. Das war alles viel zu harmlos. Das ging alles viel, viel zu schnell. Er wollte ihn erst richtig leiden sehen, bevor er ihn zu einem Sklaven seiner selbst machte. Er wollte die Macht ausnutzen, die er über ihn hatte. Er sah zwar die Furcht, doch das befriedigte die enorme Rachsucht in ihm nicht. Er wollte sein Gesicht in ein schmerzverzerrtes Wrack schrumpeln sehen, wollte ihm unter die Haut fahren und ihn innerlich zerfleischen, ihm die Folter bereiten, die sein nun von Furcht geplagtes Herz verdiente. "Du widerst mich an." Seine düstere Stimme klang laut in der Stille des großen Raumes, obwohl er fast flüsterte. "Willig befolgst du jeden schmutzigen Befehl, den Takashi dir gibt. Doch du solltest demnächst vielleicht mal vorher überlegen, welchen Preis dich seine Drecksarbeit kostet... och, warte..." Er kicherte sarkastisch und ließ den Kragen los, um seine Hand an die Wange des bulligen Jungen zu heben. "Es wird ja kein nächstes Mal geben..." Und somit krümmte er seine Finger wie die Krallen einer Raubkatze und zog eine blutige Spur vier paralleler Kratzer bis hinab zum Kinn. Er genoss das schmerzerfüllte Wimmern, das sich der Kehle des Handlangers Takashis entrang. "Du hast Hyuniri angefasst." Sein Grinsen war zu einem Zähnefletschen geworden. Mit der blutverschmierten Hand hielt er das Kinn des Bulligen fest, als der zurückweichen und davonrennen wollte. "Damit kommst du nicht durch. Und wenn du schon denkst, diese paar Schrammen seien schlimm, dann solltest du erst einmal genau hinschauen, was ich noch mit dir vorhabe..." Er hob den Blick und starrte den zweiten der beiden an, der die Szene fassungslos wie alle umstehenden beobachtete. "Ein gebrochener Arm als Anfang? Ober lieber ein Bein?" Shina wusste nicht, was er tun sollte. Kitaya schien wirklich völlig verrückt geworden zu sein. So hatte er ihn noch nie gesehen. Auch nicht, als er Takashi verprügelt hatte. Da schien er wenigstens noch Kontrolle über sich gehabt zu haben. Aber jetzt... diese fremde, eiskalte Kitaya ängstigte ihn. Doch er vermochte nicht zu fliehen. Er konnte sich nur fester an ihn drücken, in der Hoffnung, er käme zur Vernunft und würde dieses grausame Spiel beenden. Der Blonde würde ihm nicht weh tun, zumindest das wusste Shina mit Sicherheit. Aber trotzdem... Plötzlich passierte etwas. Ein Aufblitzen von rotem Haar. Das war Uriko. "Es reicht!!", schrie der Rotschopf und stellte sich breitbeinig zwischen Kitaya und dem bulligen Jungen auf, der wie erstarrt auf dem Boden hockte und das Blut achtlos von seinem Kinn auf den Boden tropfen ließ. Stille trat ein. Selbst das Auftreffen der kleinen roten Tropfen war zu vernehmen, die ungehindert weiter fielen. "Geh mir aus dem Weg..." Kitayas Stimme war bedrohlich ruhig und kein Zögern zeigte sich in ihr, als er sprach. "Nein, jetzt ist Schluss!" Uriko schüttelte wild den Kopf und breitete die Arme in einer Geste des Schutzes aus. "Kleo sagte mir die ganze Zeit, ich sollte warten, bis du von selbst wieder klar denkst, aber ich halte das nicht mehr aus! So extrem war es noch nie! Hör auf mit dem Unfug!!" "Unfug?! Welcher Unfug?!" Kitaya ballte eine seiner Fäuste, die in unterdrückter Wut zitterte, als müsste er sich mit aller Kraft zurückhalten, um sich nicht auf seinen langjährigen Freund und Verwandten zu werfen. "Hyuniri fürchtet sich vor ihm! Der Mistkerl hat ihn angefasst! Niemand, hörst du, *niemand* fasst ihn an! Er gehört zu mir!! *Er gehört zu mir* !!" "Yano, du machst mir Angst..." Verzweiflung spielte auf dem Gesicht des Rothaarigen. Er ließ die Arme sinken. Shina spürte, wie sein nervöser Blick seinen suchte und wandte rasch die Augen ab. Er sollte nicht so flehend schauen! Er konnte doch auch nichts tun! Was sollte er denn schon erreichen können? Er fühlte sich beschämt von Kitayas Worten. Es mochte ja sein, dass sie zusammengehörten, sie waren schließlich seelenverwandt... aber musste er denn gleich so tun, als würde er ihm ganz und gar gehören? Mit Haut und Haar? Mit Körper und Seele? War es denn wirklich so? "Uriko...", knurrte Kitaya nach einigen Sekunden, die sie geschwiegen hatten. Shina sah zu ihm auf, die Arme noch immer eng um ihn gelegt, und entdeckte denselben haßerfüllten Gesichtsausdruck, nur gemildert durch ein Stirnrunzeln, das eine Spur Unsicherheit verriet. "Ich möchte dich nicht verletzen..." Shina spürte mit einem Mal einen Ruck, als Yano nach vorne sprang, wurde jedoch sicher durch den Arm gehalten, der noch immer um seinen schmalen Körper lag. "...aber wenn es sein muss, tue ich auch das!!" Er hörte einen erstickten Schrei und sah den Rothaarigen zu Boden purzeln. "Uriko!", rief er erschrocken aus, worauf Kitaya innehielt und ihn verwirrt ansah. "Was sagtest du?", fragte der Blonde mit einem fast panischen Unterton und seine schwarzen Augen verengten sich in etwas, das aussah wie Schmerz. "Ich will nicht, dass du ihn schlägst!" Shina krallte seine Finger in die Kleidung seines Seelenverwandten, während er weiter über seine Worte stolperte. "Das ist doch Uriko..." "Hyuniri..." Der Rotschopf richtete sich halb wieder auf, die Augen in Überraschung weit aufgerissen. Kitayas Kopf fuhr zu ihm herum und er musterte ihn feindlich. "Er gehört zu mir!" Sein zweiter Arm fand seinen Weg in den Nacken des Brünetten und drückte ihn noch näher an ihn heran. Shina keuchte leise auf. Was sollte denn das jetzt wieder bedeuten? "Zu mir! Und nicht zu dir! Er ist *mein* Seelenverwandter! Meiner, nicht deiner! Wag es ja nicht, ihn anzurühren! Er gehört zu mir, zu mir!" Seine Worte steigerten sich in eine defensive Tonlage und Shina spürte sich von dem Rothaarigen weggezogen. Was hatte Kitaya denn jetzt? Würde er denn gar nicht mehr normal werden? Woher kam dieser Ausbruch an Wahnsinn?! "Du kannst ihn mir nicht wegnehmen!", sprach der Blonde weiter. "Du hast nämlich keinen Seelenverwandten. Nein, nein, Hyuniri gehört zu mir, du kannst nicht einfach..." Ein Knall ertönte. Ein Klatschen wie von einer Peitsche. Ihr Rückzug stoppte und verwirrt schaute Shina sich um. Kleo. Sein Auftritt war unerwartet gewesen. Der Dunkelhaarige stand plötzlich einfach da, die Hand noch immer erhoben, die soeben auf Kitayas Wange niedergesaust sein musste, was das Klatschen offensichtlich ausgelöst hatte. "Kommst du endlich mal zu dir?!", fragte Kleo in seiner üblichen ruhigen Art. "Das ist ja nicht zum Aushalten! Die Leute hier wollen essen und du verdirbst ihnen den Appetit!" Shina schluckte ängstlich. Kleo war wirklich ein seltsamer Mensch. Was dachte er sich denn bloß? Kitaya war wie vom Wahnsinn befallen! Wie konnte er da vom Essen reden?! Er verstand die Welt nicht mehr... verfolgte er ein gewisses Ziel oder dachte er wirklich in solch obskuren Wegen...? Yano starrte seinen dunkelhaarigen Kumpanen ungläubig an. Er... hatte ihn geschlagen... Der Blonde fasste sich an die brennende Wange und rückte ein Stück weiter von Kleo ab, seinen Seelenpartner immer dicht an seiner Seite. Dann sanken die Worte in seine mit einem Mal sehr schwerfälligen Gedanken... Andere Leute wollten essen... er verdarb ihnen den Appetit...? Er sah sich um. Seine Mitschüler wirkten entsetzt und verängstigt, viele liefen davon, kaum, dass sein Blick sie streifte. "Wir sind hier in der Cafeteria!", fuhr Kleo streng fort und unterstrich das Gesagte mit einem kleinen abwertenden Kopfschütteln. "Halt dich etwas unter Kontrolle, ja? Damit ich essen kann." Er wandte sich um und verschwand in Richtung seines Tisches. Die ungläubigen Blicke der Schüler folgten ihm. Yano knurrte leise, doch sah beschämt zu Boden. Er verdarb den Leuten den Appetit und hielt sie vom Essen ab. Und Kleo war böse auf ihn. Das war nicht gut. Mit gesenktem Kopf schlich er hinter dem Dunkelhaarigen her, sah aus dem Augenwinkel, wie die anderen Schüler ihm auswichen und flohen. Das war ihm egal. Hauptsache Hyuniri war bei ihm. Das war das Wichtigste. Mehr zählte nicht. Als er Uriko passierte, dessen Augen mit etwas wie Erleichterung auf ihm ruhten, machte er einen extra großen Bogen um ihn und schoss ihm einen warnenden Blick zu. "Meins.", murrte er, so dass nur der Rothaarige es hören konnte. "Okay!", kam die Antwort mit einem Grinsen. "Deins!" Fürs Erste war Yano damit zufrieden, doch sein Misstrauen war noch immer vorhanden. Sollte Uriko auch nur eine falsche Bewegung machen, würde er ihn mit bloßen Händen erwürgen. Und das meinte er durchaus ernst. Die ganze Welt musste Kopf stehen. Kitaya war zwar ruhiger geworden und schien nicht mehr darauf aus zu sein, alle anderen Menschen in seinem nächsten Umfeld umzubringen, aber der Wahnsinn lauerte immer noch in ihm. Kleo hatte ihn erfolgreich zurück auf den Boden der Tatsachen geholt und inzwischen verstand Shina, was er mit seinen Worten beabsichtigt hatte. Er hatte Kitaya behandelt wie ein trotziges Kind und der Blonde hatte darauf anders reagiert als auf die Angst und Verzweiflung, die ihm der bullige Typ und Uriko gezeigt hatten. Als seine Gedanken zu dem Bulligen kamen, wandte er sich automatisch im Gehen um und betrachtete den Jungen. Er wirkte gebrochen. Als hätte Kitaya ihn in Stücke gespalten. Zersplittert. Vergeblich versuchte sein Kumpan zu ihm vorzudringen, doch sein Blick blieb starr auf die schmutzigen Fliesen der Cafeteria geheftet und eine seiner Hände strich wiederholt über die verletzte Wange. Mitleidig betrachtete Shina die traurige Szene. Sein Mitschüler würde eine ganze Weile brauchen, um allein den Schock zu verarbeiten. Kitaya hatte aber auch wie ein Mörder gewirkt. Er war schon froh, nicht in seiner Position gewesen zu sein, auch, wenn es ihm irgendwie grausam erschien, erleichtert zu sein. Sie kamen an Kleos und Urikos Tisch an und der Dunkelhaarige wies ihnen zwei Plätze ihm gegenüber. "Setzt euch.", sagte er kühl und begann ohne Umschweife zu essen. "Ihr könnt euch von mir etwas nehmen. Ich habe mir schon gedacht, dass euer erster Auftritt Probleme bringen würde..." Ein strafender Blick traf Kitaya und er schien tatsächlich beschämt zur Seite zu blicken. "Yano, ich hatte wirklich gehofft, du würdest niemanden anfallen, aber es war wohl verschwendete Müh. Hier, putz dir die Hand ab." Kleo seufzte und hielt dem Blonden ein feuchtes Tuch hin, damit der das nun getrocknete Blut von seiner Hand wischen konnte. Als Kitaya getan hatte, was ihm aufgetragen worden war, reichte Kleo ihm und Shina jeweils ein Croissant, das mit Schokolade gefüllt zu sein schien. Diesen Augenblick nutzte Uriko, um zu ihnen zu stoßen und ließ sich vorsichtig auf seinen Platz neben dem Dunkelhaarigen gleiten. "Hallo...", murmelte er und wurde mit einem Grollen aus Kitayas Richtung begrüßt, das verdächtigt nach >Meins< klang und Shina wurde demonstrierend umarmt. Der Brünette ließ seine Stirn auf die Tischplatte sinken und atmete tief ein und aus. Hatte das denn kein Ende? Wurde Kitaya denn nicht endlich mal wieder normal? Als er Takashi verprügelt hatte, ging es doch auch ganz schnell. Wieso waren seine Augen immer noch so verdammt dunkel, dass es ihm fast weh tat? "Keine Sorge, Hyuniri." Kleo biss von einem Brötchen ab und kaute bedächtig, ehe er weitersprach. "Das ist Teil des Fluches und ist spätestens morgen wieder ganz weg. Es ist selten, aber manchmal, wenn etwas ihn sehr wütend macht, kommt diese Seite von ihm zum Vorschein. Wenn erst einmal das Ritual durchgeführt worden ist, passiert das nicht mehr. Aber jetzt bräuchte er Ruhe. Im Schlaf legt sich der Wahnsinn von allein, aber im Wachzustand braucht er seine Zeit. Schon die kleinste Reizung kann ihn zum Ausflippen bringen..." "Bist du bald mal fertig?!" Kitaya sprang halb auf und zischte den Dunkelhaarigen wütend an, der dies nur mit einer erhobenen Augenbraue registrierte, als hätte der Blonde eben etwas unpassendes gesagt. Knurrend fiel Kitaya in seinen Sitz zurück und kuschelte sich mit einem schmollenden Verziehen der Mundwinkel an Shinas Seite. "Also geht das wieder weg?", fragte der Brünette und legte das halb angeknabberte Croissant zur Seite. Er fühlte sich nicht danach, zu essen. Die Situation war einfach viel zu verwirrend. "Iß weiter...", schnurrte da Kitaya neben ihm und sah ihn mit funkelnden Augen an. Ein Lächeln zierte seine Lippen und hellte sein Gesicht auf. Doch das war noch immer nicht der Kitaya, den er kannte. Dieser Kitaya wirkte wie ein kleines Kind. Er erkannte den Unterschied und wünschte sich, der Wahn hinter den dunklen Augen würde bald schwinden. "Na, los." Der Blonde grinste liebevoll und schnappte sich das Croissant, das auf dem Tisch lag. "Mund auf." Shina zögerte kurz, tat dann jedoch, wie ihm geheißen und beobachtete, wie Kitaya einen Happen von dem Brötchen löste und in seinen Mund schob. Damit rechnend, dass der andere seine Hand direkt zurückziehen würde, schloss er ihn wieder und riss erschrocken die Augen auf, als er den Daumen und Zeigefinger bemerkte, die noch zwischen seinen Lippen steckten. Er schmeckte die Schokoladencreme auf ihnen, als er unbewusst mit der Zunge an ihnen entlang strich und zog schnell seinen Kopf zurück. Oh, je, wie peinlich... Kitaya betrachtete ihn nur fasziniert und legte den Kopf leicht schief, das leichte, unbekümmerte Lächeln noch immer auf dem Gesicht. Er war momentan ein Mensch, der keine Probleme hatte. Ein glücklicher Mensch. Doch es brauchte nur jemand etwas falsches zu sagen oder tun und die Wut beherrschte sein Denken und Handeln. Er wollte das verhindern, denn er war nicht dazu bereit, noch einmal einer Situation wie der von eben gegenüberzustehen. Er hatte genug für einen Tag. Er würde versuchen, ihn in diesem Zustand zu halten, vielleicht blieb ihm dann weiteres Unglück erspart. Er schien ja irgendwie in der Lage zu sein, ihn zu beeinflussen. Und wenn das hieß, etwaige peinliche Dinge tun zu müssen... Na, ja... wenn es nicht *zu* peinlich war... "Hyuniri..." Ein Zupfen am Ärmel ließ ihn aufschrecken. Uriko schaute ihn fragend an. "Sag mal, hat der Direktor das mit den Kursen denn jetzt schon... ahh!!" Sein Satz war abrupt unterbrochen worden, als Kitaya ihn rüde von seinem Stuhl und auf den Boden geschubst hatte. "Rühr' ihn nicht an!!", schrie er und die einzelnen Schüler, die sich noch trauten, im Café zu sitzen, sahen ängstlich herüber. "Meins! Meins!" Shina konnte sich einer leichten Röte im Gesicht nicht erwehren. Musste er denn so laut rufen, wenn er in diesen >Meins<-Modus geriet?! Das war ja schrecklich. "Hey, Yano..." Uriko hielt die Handflächen offen vor sich und stand langsam auf. "Schon in Ordnung. Ich möchte ihn dir nicht wegnehmen!" Shina fühlte sich plötzlich gepackt und besitzergreifend an Kitaya gedrückt. "Ganz genau!" Unter dem strengen Blick von Kleo wurde der Blonde wieder etwas ruhiger und schließlich schien Kitaya es zu wagen, seinen forschenden Blick, mit dem er den Rothaarigen zuvor festgenagelt hatte, Shina wieder zuzuwenden. Der atmete beruhigt auf. Kein großer Ausbruch. Er sah seinen Seelenverwandten direkt an und lächelte versichernd. "Wir gehören zusammen.", sagte er leise. Er mochte es zwar nicht bestätigen, aber er musste sichergehen, dass Kitaya sich nicht wieder auf Uriko stürzte, der leider Gottes wohl sehr gedankenlos war. Wie kam er auf die Idee, ihm am Ärmel zu zupfen oder gar anzusprechen, nachdem er mitbekommen hatte, wie empfindlich der Zustand seines Freundes war?! "Zusammen." Kitaya nickte mit einem schelmischen Grinsen. "Hyuniri, ich..." "Sag ruhig Shina zu mir." Der Brünette fühlte sich unsicher unter dem nun eindringlichen Blick des Schlägers. Was hatte er da gerade gesagt? Nur seine Tante sprach ihn mit seinem Vornamen an. Niemand sonst. Aber... "Dann nenn du mich Yano!" Sein Gedankengang wurde abgerissen, als er in eine fröhliche Umarmung gezogen wurde und er konnte nicht anders, als sich entspannen. Vielleicht würde dieser Tag noch ein gutes Ende nehmen. Ein gutes Ende... Wann hatte er das letzte Mal auf ein gutes Ende hoffen können? Für den Moment glücklich, schloss Shina die Augen und genoss die Sicherheit, die Kitaya... halt... *Yano* ausstrahlte. Ja, vielleicht nahm der Tag nach langer Zeit einmal wieder ein gutes Ende... To Be Continued... Ein gutes Ende? Ja, das war doch mal ein gutes Ende! Und kein Cliffy, oder? Ich hörte schon Leute munkeln, ich würde dauernd Cliffys bringen... Nun, gut, diesmal gibt es viel zu sagen und ich wette, es gibt eine Menge Fragen. Ich versuche, einfach noch einmal eine komplette Zusammenfassung der Situation zu machen: Yanos Familie steht unter einem Fluch. Alle männlichen Mitglieder der Familie sind von diesem Fluch belastet (unter welchen Umständen das alles passiert ist, werde ich noch nicht verraten) und Yano darf keinem anderen Menschen zu nahe kommen. Schlagen kann er sie sicher noch, aber viel näher zu kommen, wäre schlecht für denjenigen, der Yano gegenübersteht. Der wird vom Wahnsinn befallen, also schlichtweg verliert er den Verstand, verliert einen großen Teil seiner Erinnerung und er wird einfach... verrückt. Yano hat übrigens noch zwei ältere und einen jüngeren Bruder! Oh, oh... Und da kommt Shina ins Spiel. Shina wurde von dem Fluch beeinträchtigt seit Yano ihn das erste Mal berührt hat. Im Gegensatz zu Yano bekommt er die Folgen des Fluchs also auf seine eigene Weise zu spüren. Er muss Yano berühren, damit er selbst *nicht* den Verstand verliert, also... sozusagen umgekehrt. Der Fluch bindet ihn an Yano. Noch Fragen? Bei Shina ist das mit dem Fluch besonders schlimm, nicht nur wegen seiner Berührungsangst. Er ist so misstrauisch und so verängstigt. Er kennt sich wirklich nicht mit Freundschaft und überhaupt mit anderen Menschen aus. Er hat einfach keinen Kontakt zu ihnen. Und da wird er einem wildfremden Jungen, den alle für einen gemeinen Schläger halten, einfach mal eben in die Arme geworfen und ist von ihm abhängig. Das gibt natürlich Schwierigkeiten für ihn... Öh... ja... Soviel dazu. Mein Dank geht wie immer an die Leser und an die Kommi-Schreiber. Wer war diesmal so dabei? Ich danke: Marn, Jenny-chan und Tinemine! Danke, danke, danke!! Ich finde es toll, dass ihr meine Story lest! Also, Veröffentlichung immer freitags, der nächste Teil kommt bis dahin auch raus! Was sagte meine beste Freundin nicht noch, als sie an dieser Stelle der Geschichte war...? "Oh, je, was wird wohl erst abends, wenn sie ins Bett müssen?!" Sie hat recht... In dem Zustand, in dem Yano sich befindet... Au, weia... Ciao Tara Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)