Soulmates - Seelenverwandte von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 3: Hiroshi Takashi -------------------------- Yeah! Und schon der nächste Part von Soulmates! Diesmal war ich sehr schnell und werde wohl jetzt einen Rhythmus vorgeben: Immer Freitags! Da ist nämlich mein Vater regelmäßig weg und ich habe den Compi! Also könnt ihr wohl damit rechnen, dass die Story immer am Freitag da ist, wenn nicht etwas dazwischenkommt oder ich mit dem Schreiben nicht nachkomme! Zu euren Kommentaren sage ich im Nachwort etwas und beantworte auch Fragen! So, das wär's! Viel Spaß beim Lesen!! Shina quälte sich in seine Schuluniform. Es war noch fast dunkel draußen und seine Mitschüler schliefen fest. So wie jeden Morgen. Er stand immer vor ihnen auf, damit er nicht mit ihnen konfrontiert werden musste. Er hasste es. Er hasste es, dass sie immer genau zu wissen schienen, dass sie ihm überlegen waren. Dass sie so viel besser waren als er. Also ging er ihnen aus dem Weg. Er fürchtete sich vor ihrem Spott und ihrer Verachtung. Anfangs hatte er es schweigend über sich ergehen lassen, bevor er begonnen hatte, ihnen vollkommen auszuweichen. Es war feige. Aber er konnte nicht anders. Und an diesem Tag ging es ihm auch noch so schlecht, dass er sich am Liebsten einfach zurück ins Bett gelegt hätte. Wären seine Mitschüler nicht hier, hätte er das sicherlich auch getan. Dann hätte er sich verkrochen. Er war müde. Die ganze Nacht hatte er gelesen und wäre sicherlich über dem Buch eingeschlafen, hätte das unerträgliche Ziehen in ihm ihn nicht wach gehalten. Was in dem Buch genau gestanden hatte, wusste er jetzt nicht mehr so genau, aber es war ihm auch nicht wichtig. Hauptsache, die Nacht war endlich vorbei und er konnte sich in die Schularbeit stürzen. Dann konnte er nur hoffen, dieses unangenehme Gefühl von Leere würde während des Tages verschwinden, am Besten seine Bauchschmerzen gleich dazu, dann würde er vielleicht die nächste Nacht ruhig schlafen können. Beim Anziehen hatte er gerade seinen Bauch untersucht. Die betroffene Stelle war ganz blau und lila verfärbt und die Verletzung wurde in den nächsten Tagen wohl nicht aufhören, höllisch weh zu tun. Seine Hoffnung war also schon jetzt vergebens. Shina schnappte sich seine Schultasche und sein dickes Buch und machte sich leise auf den Weg in die Cafeteria, die um diese Uhrzeit sicher noch leer war. Er schob die Tür auf und trat ein. Das Buch fest an sich gedrückt, sah er sich um. Er schien allein zu sein. Shina wollte schon erleichtert seufzen, als eine wütende Stimme ihn plötzlich aufschrecken ließ. Er drehte sich erschrocken um und sah auf den Gang hinaus, von dem das Geräusch gekommen war. "Mistkerl!" Die Stimme kannte er doch? Aber das konnte nicht sein. Nein, das war nicht möglich! Entgegen seinen eigenen Willen trat er näher an die Geräuschquelle heran und lugte um die Ecke. Tatsächlich. Es war Kitaya. Mit offenem Mund betrachtete Shina die Szene. Kitaya hatte Hiroshi Takashi am Kragen hochgerissen. Sein Gesicht zeigte eine Empfindung, die Hass schon fast gleichkam und seine Augen zeigten nicht mehr dieses warme Braun, das er kannte, sondern waren jetzt dunkel. Schwarze Tiefen, die einen mit ihrer Intensität erstickten. Er hatte auf einmal Angst. Was war, wenn Kitaya ihn entdeckte? Wenn sich dieses Schwarz gegen ihn richtete und ihn erdrückte? Er sah die Furcht in Takashis Augen und Verwirrung. "Was hast du getan?!", schrie Kitaya nun und Shina klingelten die Ohren. Er wich zurück, als hätten die Worte ihm gegolten. Aber er wusste, hätten sie ihm gegolten, hätten sie ihn zerschmettert. "Los, spuck's aus!!" "Ich..." Takashi war eindeutig zu einem zitternden Nervenbündel zusammengeschrumpft. "...ich... ich glaube, du bist hier nicht der, der Forderungen ste-..." Die Faust, die sein Kinn traf, riss ihm den restlichen Satz von den Lippen. Shina wimmerte unterdrückt, hatte jedoch gelernt, leise zu sein, wenn es darauf ankam. Zu oft hatte er sich verstecken müssen. Takashi taumelte rückwärts und fiel zu Boden. Sein Blick war gesenkt und sein ganzer Körper war verkrampft vor Angst. Shina erkannte dieses Verhalten sofort. Er hätte wetten können, Takashi bat jetzt innerlich darum, einfach im Nichts zu verschwinden, oder der Boden möge sich unter ihm auftun und ihn in seine rettende Tiefe ziehen. "Ich stelle Forderungen!", bellte Kitaya in einer beißend haßerfüllten Tonlage. In einer schnellen, geübten Bewegung trat er vor und beugte sich zu Takashi hinab. Er packte ihn am Haar und riss ihn auf die Füße. Shina konnte den Oberklässler leise aufheulen hören. War er etwa so schwach? Würde man nicht von ihm erwarten können, dass er stark und mutig war? Immerhin war er doch der Anführer seiner Gruppe... Takashi wurde grob gegen die Wand geschleudert und dort von Kitaya festgenagelt. "Los, sag mir: Wer stellt hier die Forderungen?" Der Blonde strahlte Gefahr aus, etwas mörderisches, das die Luft irgendwie zum Flirren zu bringen schien. Shina spürte diese Gefahr und wäre weggerannt, hätte er seine Beine gefühlt. Er fürchtete sich. "Du...", gab der dunkelhaarige Oberklässler keuchend zur Antwort. "Schön." Kitaya holte aus und boxte Takashi in die Magengrube, so dass der andere Junge trotz des festen Griffes nach vorne sackte. "Dann verlange ich von dir, dass du meine Schwester und Hyuniri in Ruhe lässt! Hast du mich verstanden?" Shinas Augen weiteten sich, als er seinen Namen hörte. Hatte Kitaya da eben wirklich gesagt, was er gehört hatte?! "Ja, ich versprech's...", wimmerte Takashi mit kratziger Stimme. "Ich hoffe es doch!" Kalter Triumph sprach aus Kitayas Augen. "Denn gesetzt dem Fall, du lügst mich an, werde ich dir auch ein Versprechen machen, das ich allerdings einzuhalten gedenke. Solltest du oder einer deiner Jungs irgend jemanden angreifen, der auch nur annäherungsweise etwas mit mir zu tun hat, komme ich und bringe dich um!" Die Grabeskälte in den Worten ließ keinen Zweifel an ihrer Glaubwürdigkeit. Ein Schauer lief durch Shinas Körper und die Panik lähmte ihn. Gebannt beobachtete er, wie Takashi versuchte, zurückzuweichen und zu fliehen, aber er war immer noch gegen die Wand gepresst und entkam dem Griff nicht. "Denk daran!", setzte Kitaya nach, riss den Älteren von der Wand weg und schubste ihn in den Gang. "Ich kriege dich!" Takashi stolperte beinahe, als er in den dunklen Flur taumelte. Shina sah dem humpelnden Oberklässler ängstlich nach. Seine einst stolze, nun geschlagen gekrümmte, Figur verschwamm mit der Düsternis des noch aufkommenden Morgens und ließ Kitaya und ihn allein zurück. Der Blonde stand mit dem Rücken zu ihm und ein zweites Mal, seit sie sich kannten, überlegte Shina, ob er es schaffen würde, sich unbemerkt davonzuschleichen. Er wollte sich nicht den schwarzen Tiefen, die Kitayas Augen bildeten, gegenübersehen. Nein, das würde er nicht verkraften. Zitternd machte er einen Schritt rückwärts, aber schon dort war seine Aktion zum Scheitern verurteilt, denn in der Stille des Morgens, in der noch kaum jemand wach war, konnte das Geräusch seiner Sohlen nur allzu deutlich vernommen werden. Kitaya drehte sich zu ihm um, nicht schnell wie das letzte Mal, sondern langsam und gemächlich, als wüsste er schon längst, dass er hier stand. Shina erstarrte in seiner Bewegung und spürte einen Schauer seinen Körper durchlaufen. Kitayas Augen waren so schwarz wie die Nacht, besonders in der Dunkelheit, die ein stilles Bündnis mit ihm geschlossen zu haben schien, denn sie ließ seine Gestalt noch unheimlicher wirken. "H-hyuniri...?!" Mit einem Male erhellten sich die Augen seines Gegenübers mit einem überraschten Aufblitzen aus Braun und Gold. All das Unheimliche und Beängstigende entwich seiner Erscheinung und er sah wieder aus wie ein normaler Mensch. Tatsächlich hatte er zuvor wie ein Ungeheuer ausgesehen. Seine Aura hatte etwas ausgesandt, das jedem, der sich in seine Nähe wagen würde, eine Warnung entgegen schrie. Ein lautes >Komm bloß nicht näher!< Wer würde da noch so verwegen sein, zu bleiben? "Was machst du hier?" Kitaya kam näher und Shina trat automatisch zurück. Der Blonde ignorierte seine ruckartige Bewegung und trat noch näher. "Es ist früh, niemand ist sonst aufgestanden!" "Ich..." Shina fühlte sich plötzlich schwindelig und kniff blinzelnd die Augen zusammen. "Ich konnte... n-nicht schlafen..." Das Ziehen, das ihn in der Nacht neben den Bauchschmerzen treu begleitet hatte, explodierte zu einem reißenden Schmerz. Wie zuvor war er nicht körperlich. Seelischer Schmerz. "Was ist los?" Als Shina seine Augen wieder öffnete und seine Sicht sich klärte, schaute er geradewegs in die braunen Augen Kitayas. Er wollte zurückweichen, doch wie er feststellen musste, befand er sich gar nicht mehr auf den Füßen und das Ausweichen endete als schwaches Zappeln. Er lag in Kitayas Armen. "Du bist plötzlich umgefallen...", hörte er den Blonden leise sagen. Shina starrte ihn nur fassungslos an. Das passierte wahrscheinlich im Moment auch gar nicht wirklich, sagte er sich in Gedanken. Immerhin hatte er die ganze Nacht nicht geschlafen und da konnte es schon einmal sein, dass eine Halluzination ihn auffing und sicher in ihren Armen hielt. Eine durchaus schöne Vorstellung, von jemandem gehalten zu werden, aber das hatten solche Träume schon mal an sich. Warum sie also nicht genießen, solange, bis sie endgültig verschwand? Hauptsache, das unangenehme Ziehen war zu einem sachten Drücken geworden und würde erträglich sein. So erträglich, dass er endlich schlafen konnte... Yano betrachtete das leichte Bündel in seinen Armen. Hyuniri hatte einfach seine Augen geschlossen und war eingeschlafen. Einfach so, ohne ein Wort, ohne eine Geste. Einfach so. Vielleicht war er krank? Jetzt, nachdem das Licht des Morgens so langsam durch die Fenster hinein gekrochen war, konnte er erkennen, wie blaß und müde der Kleine wirkte. Selbst im Schlaf noch. Und Menschen fielen nicht ohne Grund um. Yano seufzte und betrat, den Jungen sicher in seinen Armen, die Cafeteria. Er ließ sich auf seinen üblichen Platz fallen, wobei er Hyuniri auf seinen Schoß bettete. Er ließ ihm schließlich keine andere Möglichkeit, da er zum einen nicht wusste, wo sein Zimmer war und er ihn zum anderen nicht einfach auf einen der Stühle oder Tische legen konnte. Also machte er es ihnen beiden so bequem wie möglich und wartete, dass Uriko und Kleo kamen. Sein Blick schweifte von der Tür zu Hyuniris Gesicht. Im Schlaf wirkte es völlig entspannt. Es war das erste Mal, dass er es ohne die ganzen Mauern aus Misstrauen sah, die der zierliche Junge zum Selbstschutz um sich herum aufgebaut hatte. So sah er noch viel jünger aus, viel schutzloser und unschuldiger. Doch er musste schon vieles, grausames gesehen haben, wenn es stimmte, was Kleo erzählt hatte. Hatte Hyuniri tatsächlich seine Eltern vor seinen eigenen Augen sterben sehen? Plötzlich flog die Tür auf und Uriko platzte in die Cafeteria, dicht gefolgt von Kleo. Der Rotschopf setzte gerade dazu an etwas sehr wütendes zu sagen, als er innehielt und ein leises Aufkeuchen die Worte ersetzte. Kleos Reaktion fiel ähnlich aus. Er trat neben Uriko und seine Augen weiteten sich erschrocken, als er Yano erblickte. "Was in aller Welt...?!", begann er, doch Uriko unterbrach ihn. "Was ist denn mit Hyuniri passiert?!", kreischte er erschrocken. "Wer hat ihm das angetan?!" "Was viel wichtiger ist...", mischte sich Kleo ebenfalls ein und ließ seinen Blick über die regungslose Gestalt des Brünetten wandern. "Warum hast du ihn..." "Genau, was soll das werden, alter Trottel?!", schnitt Uriko dem Dunkelhaarigen erneut das Wort ab. Er kam mit wenigen schnellen Schritten zu Yano heran und baute sich vor ihm auf, was gelang, da der Blonde saß. "Weißt du eigentlich, was du da gerade tust?!" Er deutete auf Hyuniri und Yano wusste sofort, was er meinte. "Was hätte ich denn machen sollen?!", fauchte er mit gesenkter Stimme, um den Brünetten nicht zu wecken. "Er ist umgefallen und da habe ich ihn aufgefangen! Hätte ich ihn einfach fallen lassen sollen?" "Das wäre gar keine schlechte Idee gewesen..." Das kam von Kleo, der ebenfalls zu ihm herangetreten war und auf ihren schlafenden Mitschüler herabsah. "Du weißt, dass du sein Leben mit dieser Aktion ruiniert haben könntest?" Yano senkte den Blick auf Hyuniri und betrachtete das junge, fast engelsgleiche Gesicht. "So gut dein Wille, ihm zu helfen, auch war..." Kleo zog eine Grimasse. "...es wäre vielleicht wirklich besser gewesen, ihn nicht aufzufangen!" "Mag sein..." Yano löste seinen Blick nicht von Hyuniris Gesicht und strich mit einem Finger vorsichtig über die leichte Blessur, die Takashi ihm beschert hatte. "...aber er ist schon verletzt genug! Er kann nicht einmal normal laufen, ohne zu humpeln! Am Liebsten würde ich Takashi gleich noch einmal verprügeln!" "Hey, es ist schon genug, dass wir nichts von ihm abbekommen haben!", beschwerte Uriko sich. "Also, gib Hyuniri mal rüber, ich glaube, das ich sicherer!" Yano verspürte einen starken Widerwillen gegen den Vorschlag, unterdrückte das Gefühl jedoch. Uriko hatte schon Recht. Vielleicht hatte er zuvor nur Glück gehabt, als Hyuniri unbeschadet davongekommen war und jetzt war die Gefahr einfach zu groß, um Gefühlen nachzugeben, die nicht einmal plausibel waren. Uriko beugte sich herunter und hob den schmächtigen Jungen von Yanos Schoß. Hyuniri jedoch wimmerte leise, als der Körperkontakt unterbrochen wurde und wand sich in Urikos Griff. "Was ist denn jetzt los?", fragte der Rothaarige und hielt das zappelnde Bündel mit einiger Mühe fest. "Weg!" Hyuniri riss die Augen auf. "Geht weg!!" Die Panikattacke ließ alle in stutzigem Schweigen versinken. Hyuniri wehrte sich gegen den festen Griff des Rothaarigen, als wollte dieser ihn bei lebendigem Leib auffressen. Letztendlich gab Uriko nach und brachte sich vor den Hieben und Tritten in Sicherheit, die der kleine Junge austeilte, ohne es zu merken. Als er losgelassen wurde, wich Hyuniri an die hintere Wand des Raumes zurück und presste sich mit von Angst überschatteten Augen gegen die kalten Ziegel. "Was... hat er denn?", fragte Uriko mit schwacher Stimme. Yano sagte nichts dazu, sondern näherte sich dem verschreckten Jungen vorsichtig. "Hey...", murmelte er in einer beruhigenden Tonlage. "Wir sind's nur..." Hyuniris Augen fixierten ihn und erhellten sich leicht mit dem Erkennen. "Ihr?" Der Brünette klang schwach, gequält beinahe, als hätte er unerträgliche Schmerzen und Yano wäre am Liebsten hingelaufen und hätte ihn umarmt. Aber das ging nicht. Er wollte ihn nicht verletzen. Und zudem schien es schlimmer zu werden, je näher er ihm kam und deshalb trat er schnell etwas zurück, was Hyuniris Leiden ein wenig zu lindern schien. Er verstand es nicht, aber wenn es ihm half, würde er es, ohne weiter zu fragen, tun. "Ihr... seid es?", fragte der Kleine noch einmal. Seine Augen nahmen einen glasigen Ausdruck an und schlossen sich daraufhin langsam. Ein Seufzer entwich seinen Lippen. Erschrocken beobachteten die drei Jungen, wie Hyuniri einfach in sich zusammensackte. Er schien ohnmächtig geworden zu sein. "Oh, Gott!", rief Uriko aus und war mit wenigen hastigen Schritten an der Seite ihres Mitschülers. Diesmal erwachte er nicht wieder, obwohl der Rothaarige ihn an den Schultern packte und durchrüttelte. "Was ist mit ihm?!", fragte er in unsteter Stimmlage. "Das war wohl einfach zu viel für ihn...", erklärte Kleo sachlich. "Yano, was ist denn eigentlich vorhin passiert, dass er umgekippt ist?" "Tja...", Yano zuckte die Schultern und sah beschämt zu Boden. "Ich habe Takashi zurückgezahlt, was er meiner Schwester und Hyuniri angetan hat und habe nicht bemerkt, dass der Kleine daneben stand..." Uriko stöhnte gequält auf, als er das hörte. Er hatte Hyuniri in eine sicherere Position aufgerichtet und stützte ihn vorsichtig. Das hielt ihn jedoch nicht davon ab, Yano einen finsteren Blick zu schicken. "Dann ist es ja kein Wunder, dass Hyuniri in einem ausgewachsenen Schockzustand war!", bemerkte er mit tragischem Unterton. "Als ich dich das erste Mal jemanden verprügeln gesehen habe, ging es mir genauso!" "Ach, Klappe..." Yano wand sich verlegen unter den strafenden Blicken seiner Freunde. "Was machen wir jetzt mit ihm?" Kleo ruckte seinen Kopf in Richtung Hyuniri. "Ähm..." Alle drei starrten den kleinen Jungen ratlos an. "Was ist denn hier los?!", durchdrang eine schrille Stimme das nachdenkliche Schweigen. Eine der Köchinnen kam angelaufen, eine große Schüssel mit Essen in den Armen. Sie sah erschrocken von einem zum anderen, bis ihr Blick an Yano hängen blieb. "Du schon wieder?", fauchte sie. Dann wandte sie sich an den Rothaarigen. "Uriko, was hat das hier zu heißen?! Was habt ihr mit dem Jungen gemacht?" Kleos Blick streifte Uriko, der eine stille Frage enthielt: >Woher kennst du sie?!< "Was ist denn?" Eine zweite Köchin kam hinzu und entdeckte sofort den bewusstlosen Schüler. "Oh, nein! Ist das nicht der arme Kleine, der beim Essen immer ganz alleine ist?" "Wir wollen ihm helfen!", versuchte Uriko zu erklären, jedoch sprach Yano weiter und unterbrach ihn somit. "Er ist ohnmächtig geworden und wir müssen ihn zur Krankenstation bringen!", sagte er resolut. "Wir haben keine Zeit für große Erklärungen!" Er schickte sich an, Hyuniri hochzuheben, wurde aber von Kleo abgehalten, der ihn unsanft zur Seite schob. "Du solltest ihn nicht mehr als nötig berühren!", erklärte er nur für ihn hörbar und mit einem strengen Blick. "Ich nehme ihn schon!" Somit bückte er sich und nahm Hyuniri mit für ihn sehr ungewohnter Vorsicht hoch, die im krassen Gegensatz zu seiner sonstigen Gleichgültigkeit stand. Die Köchinnen wirkten etwas beruhigt. "Mensch, ist der leicht!", murmelte Kleo, scheinbar ehrlich beunruhigt. "Er isst viel zu wenig!", nickte die Köchin, die zuerst gekommen war, besorgt. "Er ist jeden Tag hier, aber sein Essen rührt er selten an!" "Ihr wollt ihm wirklich helfen?", setzte die andere Köchin direkt nach und kramte in dem Korb herum, den sie unter dem Arm trug. "Dann gebt ihm das hier!" Sie drückte Uriko zwei belegte Brötchen in die Hand. Der Rotschopf betrachtete das Essen mit großen Augen, was den Blick der Köchin streng werden ließ. "Wehe, du isst auch nur einen Bissen davon!", warnte sie und wandte sich ab. "Ich hole noch einen Tee, den gebt ihr ihm, wenn er aufwacht!" Sie spürten noch die sorgenvollen Blicke der Köchinnen im Rücken, als sie den Flur entlang in Richtung Krankenstation liefen. "Hoffentlich sagen sie den Lehrern wirklich Bescheid!", sagte Yano dumpf und schob die heiße Teetasse von einer Hand in die andere. "Sonst bekommen wir ganz schön Ärger!" "Ach, ich kenne die beiden!", lachte Uriko abwinkend, während er den Brötchen einen hungrigen Seitenblick schenkte. "Sie machen das ganz sicher!" "Was mich zu der Frage bringt, woher du die Köchinnen kennst!" Kleo sah Uriko prüfend an, drehte sich dann jedoch wieder nach vorne um. "Aber eigentlich kann ich es mir schon denken." "Ich wette, du hast dich abends in die Küche geschlichen!", lachte Yano leise. "Das würde dir nur zu ähnlich sehen!" "Was soll man denn machen, wenn man so einen Hunger bekommt, dass man das Gefühl hat, man stirbt?!" Uriko heulte melodramatisch auf. "Also tatsächlich?" Yano blinzelte überrascht, doch Kleo schien es nicht zu überraschen, dass die Vermutung stimmte. Uriko hingegen grinste nur unverschämt und widmete seine Aufmerksamkeit dann wieder den beiden belegten Brötchen, die er mit tiefer Sehnsucht anschmachtete. "Du bist unmöglich!" Yano rollte mit den Augen und wechselte die Teetasse ein weiteres Mal in die andere Hand. Sie erreichten die letzte Biegung zur Krankenstation und Uriko, der einzige unter ihnen, der eine Hand frei hatte, klopfte laut an. "Hallo?", rief er ungeduldig. Die Tür öffnete sich einen Spalt und eine ältere Frau mit weißer Haube schielte zu ihnen hinaus. "Ruhe hier!", beschwerte sie sich ungehalten, nichtsdestotrotz flüsternd. "Patienten schlafen!" "Aber Hyuniri ist ohnmächtig geworden!", Uriko sah die Ärztin flehend an. Bei dem Namen zuckte die Frau zusammen und zog rasch die Tür auf. "Hyuniri krank?", fragte sie in ihrer gebrochenen Sprache. "Reinbringen, schnell!" Die Schüler beeilten sich, einzutreten. Yano fragte sich, warum die Ärztin den Brünetten kannte und so besorgt war, kaum, dass sie hörte, dass es ihm schlecht ging. "Jungen hinlegen!", forderte sie Kleo brüsk auf und wartete mit grimmiger Miene darauf, dass der Dunkelhaarige gehorchte. "Was ihm passiert? Wer ihr seid?" "Wir sind in seiner Jahrgangsstufe...", erklärte Yano und wich der kleinen Frau panisch aus, als sie an ihm vorbeirauschte, um ihre Instrumente zu holen. "Er hatte einen Schock und ist bewusstlos geworden. Da haben wir ihn hergebracht!" "Ihr Freunde?" Sie deutete auf Hyuniri. Ihre Augen funkelten misstrauisch. "Wenn nicht, dann ihr gehen!" "Natürlich sind wir seine Freunde!", rief Uriko empört aus. "Wir haben ihm schließlich geholfen!" Die Ärztin schwieg kurz und betrachtete die kleine Gruppe forschend. Dann wandte sie sich ab und ignorierte sie, während sie den kleinen Jungen auf dem Bett zu untersuchen begann. Yano sog scharf die Luft ein, als sie Hyuniri das Hemd der Schuluniform öffnete. Uriko schrie leise auf und hielt sich die Hände vor die Augen. Selbst Kleo schnappte erschrocken nach Luft. Der Bauch des Brünetten war dunkelblau und violett verfärbt. Die verletzte Stelle sah schrecklich aus. Nur die Ärztin wirkte unbeeindruckt, als hätte sie nichts anderes erwartet und das war es, was Yano noch mehr entsetzte. War Hyuniri etwa öfter wegen solchen Verletzungen hier? Das konnte doch nicht sein! Das durfte nicht sein! Was für eine Schule war das hier, wenn jemand so zu Schaden kam und niemand ihm half?! "Wer das war?", fragte die Schulärztin und sah mit Bitterkeit in ihrem faltigen Gesicht auf. "Hiroshi Takashi!" Uriko schien es nichts auszumachen, den Mitschüler zu verraten und keiner der beiden anderen hielt ihn auf oder sah ihn dafür böse an. Yano fühlte im Gegenteil einen finsteren Triumph bei dem Gedanken, dem Oberklässler noch eins auswischen zu können. Er hatte es verdient. Nach dem, was er Hyuniri angetan hatte... Er fühlte Rachsucht. Pure Rachsucht. Wenn er die Verletzung sah, krümmte sein Geist sich in Qual und dem Drang nach Vergeltung. Er wünschte, er könnte Takashi bis ans andere Ende der Welt jagen und ihn dort zur Strecke bringen. Langsam und schmerzhaft... Er sollte leiden. Sollte um Gnade winseln. Sollte um Vergebung betteln, wenn er ihm letztendlich zu Füßen lag. Ja, er hatte es verdient... Ein Rucken an seinem Ärmel riss ihn aus seinen finsteren Gedanken. Er wandte sich dem Störenfried ärgerlich zu, um seinen Frust an ihm abzulassen, doch als er das Gesicht von Uriko vor sich sah, der ihm angstvoll entgegensah, verrauchte sein Zorn sofort. "Was ist?", fragte er müde und strich sich über die Stirn. "Deine Augen waren so düster...", gab Uriko offen zu. "Ich dachte schon, du..." "Nein, mir geht es gut...", beruhigte Yano seinen rothaarigen Freund und lächelte matt. "Na, hoffentlich!" Kleo tauchte plötzlich neben ihm auf und legte eine schwere Hand auf seine Schulter. "Denn ansonsten müssten wir deinem Onkel Bescheid geben und das wollen wir alle nicht!" Er wirkte nervös und die Furcht stand tief in seine Augen geschrieben. Ein Fremder hätte sie nicht gesehen, aber Yano erkannte sie, ebenso wie Uriko, der diese Furcht teilte. "Nein, mit mir ist alles in Ordnung!", versicherte Yano mit einem weiteren Lächeln. "Ich war nur in Gedanken dabei, Takashi eine Lektion zu erteilen!" Das schien die Stimmung etwas aufzulockern. Uriko wuschelte sich erleichtert durch die Haare und lief dann zu dem Krankenbett, in das die Ärztin den kleinen Jungen nach ihrer Untersuchung gesteckt hatte. "Ist er denn gesund?" fragte der Rotschopf die alte Frau mit einem Blick zu Hyuniri. "Zu wenig gegessen, zu wenig geschlafen!", erklärte sie krächzend. "Schock ihn umgeworfen. Sonst gesund." Erleichterte Seufzer gingen durch den Raum und die Spannung löste sich langsam. Allerdings hinterließ die Information, dass er nicht genug aß und schlief, einen unangenehmen Nachgeschmack. "Ihr bleiben?", fragte die Ärztin mit erhobener Augenbraue. "Ja, natürlich!", sagte Uriko bestimmt. Einstimmiges Nicken folgte. "Wir haben auch was zu Essen und Tee für ihn!" Der Rothaarige schenkte den Brötchen noch einen hungrigen Blick, beherrschte sich aber auffällig, indem er sie auf den Tisch am Krankenbett legte und einen großen Schritt Abstand nahm. "Gut!" Die Schulärztin schien erfreut über das Essen und die Anteilnahme und ihr finsteres Gesicht wurde etwas sanfter. Sie trat an das Bett heran, richtete die Decken fast liebevoll und verließ den Raum schließlich, ohne ein weiteres Wort zu verlieren. Weder eines des Dankes, noch eines der Erklärung. Aber die war auch nicht nötig. "Er scheint oft hier zu sein!", brach Kleo das eingetretene Schweigen, als sie es sich bequem machten und sprach somit das aus, was alle für sich schon aus der Situation erschlossen hatten. "Die Alte behandelt Hyuniri wie eine Glucke ihre Küken!" Uriko lachte gezwungen, doch sein Versuch, die Stimmung weiter aufzuheitern, misslang kläglich. "Ich meine... ähm... Tja..." "Schon gut, Uriko..." Yano lächelte leicht und strich sich gähnend ein paar störende Haarsträhnen aus dem Gesicht. "Mensch, bin ich müde!" "Geht mir genauso!" Der Rotschopf schloss sich seinem Gähnen an. "Weicheier!" Kleo setzte sich auf einen der vier Stühle und überschlug die Beine. "Dann warten wir mal, bis Hyuniri aufwacht!" Das Licht war grell, fast unerträglich. Es blendete ihn und trieb Tränen in seine Augen. Dabei hatte er gedacht, sie wären längst ausgeweint. Personen liefen auf ihn zu, doch gegen das Licht waren sie nur schwarze, undeutliche Schemen. Sie riefen Namen. Die Namen seiner Eltern. Aber sie würden nicht antworten. Er wandte sich in den Armen seiner Mutter um, die ihn noch immer hielt. Er versuchte, seine brennenden Augen in ihrer Kleidung zu verstecken und atmete den vertrauten Geruch, der in dem Stoff haftete, tief ein. Zwar konnte er die Personen nicht mehr sehen, aber er konnte sie hören. Sie riefen noch immer die Namen seiner Eltern. Aber sie würden nicht antworten. Er bat darum, dass sie endlich aufhören würden zu rufen. Dass sie ihr sinnloses Vorhaben doch bitte endlich einstellen mochten, damit er seine Ruhe hatte. Doch sie riefen. Sie riefen die Namen seiner Eltern. Immer wieder. Aber sie würden nicht antworten. Er selbst hatte zu lange nach ihnen gerufen, ohne eine Antwort bekommen zu haben. Sie würden nicht mehr antworten. Nie mehr... Wieder Stimmen. Es waren Stimmen, die Shina aufweckten. Doch sie riefen nicht die Namen seiner Eltern. Sie riefen nicht seinen Namen. Sie riefen niemanden. Es war ein beruhigender Fluss an Worten, der über ihn hinweg schwamm. Sie redeten nicht mit ihm. Nicht über ihn. Sie sahen ihn sicher nicht. Und das war gut so. Niemand sollte ihn sehen. Die Personen, die nach seinen Eltern gerufen hatten, hatten ihn gesehen und ihn seiner Mutter und seinem Vater entrissen. Hätten sie ihn nicht gesehen, hätte er für alle Zeit bei ihnen sein können. In den Armen seiner Mutter, die Hand seines Vaters haltend. Sie hätten ihm nicht geantwortet, wenn er nach ihnen gerufen hätte. Aber das war unwichtig... Er hätte bei ihnen sein können... Die Reste seines Traumes verflogen und mit ihrem Verschwinden kam sein Bewusstsein zu ihm zurück. Und die Bauchschmerzen, sowie das Ziehen, das in seinem Innern wühlte, das alles durcheinander wirbelte mit seinem Wunsch nach Erfüllung. Wohin wollte es ihn ziehen? Er öffnete langsam die Augen. Eine weiße Decke war über ihm. Etwa wieder die Krankenstation? Aber wie kam er hierher? Sonst war er immer allein hierher gekommen und nun...? Was hatte er überhaupt geträumt? Er konnte sich nicht mehr genau erinnern, aber es musste etwas mit seinen Eltern zu tun gehabt haben. Er musste sie doch endlich vergessen können! Wieso verfolgten seine verstorbenen Eltern ihn noch immer im Traum? Wenn er so recht überlegte, wollte er gar nicht wissen, was genau er geträumt hatte... Denn das hieße, sich an den Tag zu erinnern, an dem sie gestorben waren. Und er war froh, dass er es nicht konnte. Plötzlich tauchte ein Gesicht über seinem auf. "Tee?", fragte die Person mit einem Grinsen. Shina schrie auf und wich, von aufflammender Panik erfasst, zurück. Die Schwere des Schlafes fiel mit der kommenden Angst von ihm ab und sein Herz, das ohnehin wegen des Traumes schon rasend schnell geschlagen hatte, machte einen erschrockenen Sprung in seiner Brust. Kaum, dass sein eigener Schrei ertönt war, hörte er den anderen Jungen auch aufschreien und sah ihn mit einem Ruck vor ihm zurückweichen. Die Tasse in seiner Hand schwankte gefährlich und ihr Inhalt drohte, verschüttet zu werden. Ein Gerangel entstand, als sich die zweite Person in dem Raum auf den mit der Tasse stürzte und versuchte, sie ihm zu entreißen. Jetzt erkannte er sie. Das waren Kitayas Zimmerkameraden. Der seltsame Uriko war es gewesen, der ihm die Tasse entgegengehalten hatte und der Dunkelhaarige, er glaubte, er hieß Kleo, war derjenige, der sie ihm nun erfolgreich abgenommen hatte, ohne, dass auch nur ein Tropfen an den Boden verschwendet worden war. Bloß... wo war Kitaya? Die Tür öffnete sich mit einem Mal und Besagter stürzte in den Raum. "Was ist los?", fragte er besorgt. "Ich habe Schreie gehört!" "Er ist aufgewacht..." Der Rothaarige war ganz blass um die Nasenspitze. "Ich glaube, ich gehe jetzt doch aufs Klo..." Er verschwand durch die kleine Tür in das Badezimmer der Krankenstation, aus der Kitaya gerade gekommen war und es wurde still in dem Zimmer. Was war nur mit diesem Uriko? "Na, gut geschlafen?" Der Dunkelhaarige hielt ihm vorsichtig den Tee hin und deutete ihm mit den Augen, ihn anzunehmen. Shina ignorierte die Aufforderung und starrte den Mitschüler misstrauisch an. Er konnte doch nicht einfach diese Tasse nehmen und ihnen ohne weiteres vertrauen... da konnte Gift drin sein. Oder eine Droge. Oder sie hatten hinein gespuckt. Alles war möglich. Nein, sicher war immer noch sicher und sie sollten das Zeug einfach selbst trinken, wenn es genießbar war... Warum sollten sie ihm auch ohne Grund Tee anbieten? Da MUSSTE eine versteckte Absicht hinter stecken. Niemand verschenkte etwas, ohne etwas anderes im Gegenzug haben zu wollen. Es war ein einfaches Konzept. Wer etwas nahm, musste etwas geben und wer etwas gab, wollte etwas zurückbekommen. Der einzige Mensch, der anders war, war seine Tante. Nur sie verstand, was Fürsorge bedeutete. Sie war seine Familie, sie gab und verlangte dafür nichts. Und er schämte sich, ihr nichts geben zu können, außer seiner ganzen Zuneigung. "Du kannst den Tee wirklich trinken!", versicherte der Dunkelhaarige ihm ungeduldig. Shina fürchtete sich vor der Kälte, die er ausstrahlte. Warum sah er so gleichgültig aus? Warum konnte er ihm nicht einfach seine wahren Gefühle zeigen, anstatt diese unheimliche Maske aufzusetzen? Spott? War da Spott? Verachtung? War da Verachtung? Er wusste es nicht. Er hasste Ungewissheit. "Hey, du..." Kitaya war an das Bett herangetreten und sah ihn mit seinen warmen, braunen Augen an. "Der Tee ist sicher gut. Wir haben auch etwas zu Essen." Shina sah den Blonden erstaunt an und unterdrückte eine Grimasse des Schmerzes. Das Ziehen in ihm war stärker geworden, seit er richtig wach war und es hatte inzwischen wieder eine Intensität erreicht, die ihm die Ruhe rauben würde, bis die Erschöpfung ihn nieder riss. Woran lag das? War er wirklich krank? Immerhin lag er auf der Krankenstation und erinnerte sich nicht mehr, wie er hierher gekommen war. Ob er wohl aufstehen und gehen konnte, damit er hinterher vor sich selbst behaupten konnte, es wäre nichts gewesen? Kitaya setzte sich plötzlich auf die Bettkante und nahm dem Dunkelhaarigen die Tasse aus der Hand. "Trink.", verlangte er sanft und hielt sie ihm an die Lippen. Shina wagte es nicht, den Augenkontakt zu brechen. Die kühle Flüssigkeit des Tees benetzte seine Lippen, doch er öffnete sie nicht. Er wollte zurückweichen, doch die Wand in seinem Rücken ließ das nicht zu. Mit großen Augen betrachtete er das ernste Lächeln des Blonden. "Sag mal..." sprach Kitaya gedehnt. "Was würdest du jetzt am Liebsten tun?" Verwirrt blinzelte Shina. Was sollte denn das heißen? Er öffnete den Mund, um zu einer Antwort anzusetzen, spürte jedoch statt dessen einen süßen Geschmack auf seiner Zunge und die Flüssigkeit des Tees in seinem Mund. Er schickte Kitaya einen Blick, der >Betrüger< schrie, denn die Frage war pure Absicht gewesen, damit er trank. Dann jedoch setzte die vertraute Angst wieder ein. Eine Falle? Kitaya schien die Veränderung zu bemerken, denn er zog die Tasse sofort zurück. Shina hustete, da er sich vor Schreck verschluckt hatte und prüfte den Geschmack in seinem Mund nach, ob er bitter war oder ähnliches. Er war normal. Tee. Früchtetee, um genau zu sein. Es war der Tee, den es Samstags immer gab. "Du musst nicht immer so ängstlich sein...", murmelte Kitaya traurig. "Weißt du... niemand hier will dir etwas Böses..." Shina rutschte rastlos hin und her. Sein Körper schien zu brennen. Das Ziehen raubte ihm den letzten klaren Verstand. Was hatte Kitaya eben gesagt? Sie wollten ihm nichts Böses? Warum ging es ihm dann so schlecht? Wieso sollten sie ihm nichts Böses tun wollen? Es gab keinen Grund für selbstlose Gesten! Es gab einfach keinen Grund!! "Ich muss gehen..." Shina schob sich rasch vom Bett und duckte sich unter dem Arm des Dunkelhaarigen hindurch, der ihn zurück in die Kissen drücken wollte. Glücklicherweise kannte er sich hier aus und würde sofort die Tür finden. Er stolperte in Richtung Ausgang, die erschrockenen Ausrufe seiner Mitschüler im Rücken. Doch er sollte dort nie ankommen, denn er rannte in jemanden hinein. "Wah!", rief Uriko perplex aus und Shina spürte zwei feste Hände seine Oberarme umschließen, als er zu fallen drohte. "Hyuniri!" "Er sollte besser im Bett bleiben!", hörte er Kleos Stimme. Der Rothaarige brachte ihn zurück zu den anderen und Shina war viel zu erschöpft, um sich wehren zu können, selbst, wenn seine Berührungsangst gegen den Griff an seinen Armen aufbegehrte und er am Liebsten davongerannt wäre. "Warum soll ich dableiben?", fragte er verzweifelt und blickte zur Ausgangstür. "Weil es dir nicht gut geht!", sagte Kitaya ernst. "Aber mir geht es gut!", protestierte Shina schwach. "Mir geht es gut..." "Eben nicht!", grummelte der große Dunkelhaarige und gemeinsam brachten er und Uriko ihn zurück unter die warmen Decken. Er wollte hier nicht sein. Auf der Krankenstation zu liegen, bedeutete, man war schwach. Das bedeutete, man konnte nicht allein mit seiner Situation fertig werden und war von anderen, fremden Menschen abhängig, vor denen er sich fürchtete. Das durfte nicht sein. "Guck nicht so verschreckt und iß das hier lieber!" Kleo hielt ihm ein Brötchen unter die Nase, doch der Geruch verursachte ihm nur Übelkeit. Er zwang sich zwar immer dazu, wenigstens ein paar Bissen hinunterzuwürgen, aber im Moment war ihm überhaupt nicht danach. Also schüttelte er den Kopf und rümpfte die Nase. "Hör mal..." Kitaya hatte sich wieder auf die Bettkante gesetzt, ebenso wie Kleo und Uriko. "Wenn du nichts isst, wird es dir ganz bestimmt nicht besser gehen! Wenn man isst, wird man schneller gesund!" "Warum sollte euch interessieren, ob ich gesund bin oder nicht?!", fragte Shina mit schriller Stimme und versuchte, aufzuspringen, doch Kitayas Hand auf seiner Brust hielt ihn unten. Das Ziehen in seinem Innern nahm auf einmal ab und wurde zu einem dumpfen Pochen, das nur noch schwach auf seine Nerven trommelte. Überrascht hielt Shina inne und starrte in die hellen, braunen Augen des Blonden. Was war das? Warum...? Kitaya sah nach unten auf seine Hand und Entsetzen zeichnete sich in den braunen Tiefen ab, die Shina mit ruhigem Erstaunen betrachtete. Er fühlte sich hin und her gerissen zwischen dem Drang, der Berührung zu entkommen und dem Wunsch, sie beizubehalten, wenn das bedeutete, der seelische Schmerz würde verschwinden. Doch die Entscheidung musste getroffen werden. Spätestens, als Kitaya seine Hand zurückriss und die Pein mit aller Macht zurückkam. Automatisch streckte Shina sich und hielt die Hand fest, woraufhin die Schmerzwelle erneut abebbte und ein nur noch dumpfes Pochen zurückließ. "Was-...", keuchte Kitaya und Fassungslosigkeit bildete sich in den Mienen der beiden anderen Jungen. Selbst in Kleos Gesicht, das sonst emotionslos war, zeigte sich die Verwunderung und leichtes Entsetzen, ähnlich dem, das er in Kitayas Augen hatte sehen können, als dieser ihn berührt hatte. Doch es interessierte ihn in diesem Moment nicht mehr. Angst, ja, die hatte er. Aber er war so verdammt müde. Er war seiner ganzen Situation nicht mehr gewachsen und hatte keine Lust auf immer neue Herausforderungen, die er nicht annehmen konnte. Das ganze Leben war ein Kampf, der ihn überforderte. War es denn verboten, dass er sich mal für eine Weile ausruhte? Und wenn er noch näher an Kitaya herankäme... würde der seelische Druck dann ganz verschwinden? Würde mehr Kontakt ihm auch mehr Linderung bringen? Innerlich krümmte er sich zusammen bei dem Gedanken an Körperkontakt mit einem fremden Menschen, aber wenn es doch so angenehm war, geistige Ruhe zu verspüren und das Nervenfeuer endlich loszuwerden? Shina setzte sich auf und ließ sich seufzend gegen den Blonden sinken, der nur versteift dasaß und ins Leere sah. "Yano, was soll das...?", hörte er Urikos Stimme zögerlich sprechen. Shina überhörte den erstickt klingenden Einwurf geflissentlich, konnte jedoch nicht vermeiden, dass sich auch ihm diese Frage stellte. Was tat er hier eigentlich?! To Be Continued... Oh, je, das nenne ich einen Cliffy... Tut mir leid, aber es musste einfach sein, weil jetzt kurz danach die Sache aufgeklärt wird und ich vorher ein Bonus-Chapter veröffentlichen will! Und das wären die Tagebucheinträge von Kleo und Uriko!! Ja, die beiden haben etwas Nettes für euch und mir hat es wirklich Spaß gemacht, mal in ihre Haut zu schlüpfen. Uriko war der Schwierigste, was ich ja seltsam fand. Kleos Eintrag hingegen ging mir ganz leicht von der Hand. Ich habe auch noch zwei ganz kurze Sachen von Yano und Shina, wenn ihr die also auch irgendwann einmal lesen wollt, sagt Bescheid! Und jetzt einen riesigen Dank an meine Leser und an die, die Kommentare geschrieben haben! Und das wären: Assassin, Shiruy, herminegranger, Jenny-chan, access_jep, claudikai und Marn! Danke, danke, danke! Kommis bauen immer wieder neu auf!! ^^ Ich freue mich auch immer wieder, eure Meinung zu hören, weil ich dann erfahre, wie jemand die Story sieht, der mich nicht direkt kennt. Also neutral ist. Einfach klasse! Ich beantworte wohl hier mal Fragen, die ihr gestellt habt: 1) Was hat Hiroshi Takashi jetzt eigentlich getan? Takashi hat Yanos Schwester nicht entführt... ^^ Er ist zwar hinterhältig, aber es würde doch auffallen, wenn ein Schüler einer Jungenschule im Schrank ein geknebeltes Mädchen versteckt... Oh, je, das ist übertrieben... Aber man muss immer im Hinterkopf behalten, dass das auch nur Schüler sind. Er wird ihr die Kette wohl geklaut haben! ^^ Aber das war eine berechtigte Frage! 2) Ist Hyuniri krank? Ja, was ist mit ihm los? Das werdet ihr im nächsten Kapitel genauer erfahren, aber ich kann schon verraten, dass es etwas mit dem Plot zu tun hat... ist in diesem Part ja recht offensichtlich geworden. Ich find's klasse, dass du das bemerkt hast, Marn! ^^ *froi* Ich war mir nicht ganz sicher, ob man es gleich merkt! 3) Was ist mit Yano los? Oi, da fällt es mir ganz schwer, etwas zu sagen... Yano ist... ähm... ja... Ich sage soviel: Yano darf andere Menschen nicht berühren. Warum... ist noch geheim! Äh... Er kann sie schon berühren, es kommt aber auf das Ausmaß der Berührung an. Er kann jemanden verprügeln, um sich einen schlechten Ruf aufzubauen, damit andere ihm fernbleiben. Schlagen kann er sie, umarmen sollte er sie besser nicht! Versteht ihr, wie das gemeint ist? Gut, das war's! Bis zum nächsten Chapter! Ciao Tara Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)