Das Licht, das ich dir gebe von Bara_no_Uchiha (Die Liebe eines Bruders) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- I – What if I wanted to break? Laugh it all off in your face. What would you do? Zum ersten Mal in seinem Leben war seine Welt in vollkommener Dunkelheit versunken. Er hatte es kommen sehen, jedes Mal, wenn er die Mangekyou-Sharingan benutzt hatte, war ihm das Licht ein Stückchen weiter entglitten, ein weiterer Funken Dunkelheit hinzugekommen. In letzter Zeit hatte es immer länger gedauert, bis eine dünne Lichtreflektion in seine Augen gefallen war und schließlich war der Tag gekommen, an dem das Licht Madara vollständig verlassen hatte. Er fürchtete die Dunkelheit nicht – er hatte sein ganzes Leben in den Schatten verbracht, wurde geachtet und gefürchtet gleichermaßen und die ganze Welt erzitterte allein bei der Erwähnung seines Namens. Er stand an der Spitze der Uchiha, dem stärksten Clan, den die Ninja-Welt jemals gesehen hatte – sogar stärker noch als die Senju, mochte Hashirama auch so sehr etwas Anderes behaupten. Doch dies war stets eine andere Schwärze gewesen, diese Schwärze kannte er, sie war ihm vertraut wie sein eigener Schatten – ganz anders als die Schwärze, die ihm nun die Sicht geraubt hatte. Er hatte sein Augenlicht verloren. Er hatte die Sharingan verloren. Genauso gut hätte er auf dem Schlachtfeld bleiben können – sobald die anderen Uchiha davon erfuhren, dass ihr Anführer blind war, hatte er ohnehin keine Chance mehr. Die Uchiha folgten der Stärke, das hatten sie schon immer und er war stets der Stärkste seines Clans gewesen, stets der Beste und das allein war der Grund, aus dem sie ihm gefolgt waren, sie seine Befehle ohne Hintergedanken akzeptierten und ausführten. Sein Todesurteil war unterzeichnet. „Madara?“, eine vertraute, leise Stimme erklang neben ihm und er streckte die zitternden Finger aus, bis er die warme Hand seines Bruders spürte, sie fest umschloss und am liebsten nie wieder loslassen würde. Er spürte Izunas Finger, die ihm sanft durch die Haare strichen, sein über alles geliebter kleiner Bruder, der letzte, der ihm noch geblieben war… Was würde er alles dafür geben, nur noch einmal, nur ein einziges Mal, Izunas Lächeln zu sehen! Noch einmal zu sehen, wie sein kleiner Bruder ihn den Krieg, der um sie tobte, vergessen lassen konnte, weil er ihm die Schönheit der Welt um ihn herum zeigte – einen Schmetterling oder irgendeine seltene Blume, die er gefunden hatte. Seine Schultern bebten, während er den Körper seines kleinen Bruders an sich drückte, das Gesicht in seinen dunklen Strähnen vergraben, um das leise Schluchzen zu dämpfen und seine Tränen in Izunas Haaren versickerten. Madara hatte sich niemals irgendwelche Schwäche eingestanden, weder auf dem Schlachtfeld noch sonst irgendwo, er blieb stets gefasst, denn nur solange er sich selbst beweisen konnte, blieb er auch der Anführer der Uchiha. Für Schwäche hatte der Clan keine Verwendung – und Tränen waren das wohl größte Zeichen der Schwäche. Selbst als Kind hatte Madara niemals geweint. Doch Izuna verurteilte ihn nicht. Izuna tat überhaupt nichts; er hielt den schluchzenden Leib des Älteren nur an sich gedrückt und strich ihm sanft durch die langen Haare, wie ihre Mutter es früher bei ihnen gemacht hatte, wenn sie sich verletzten. „Sh… Aniki…“, flüsterte sein Bruder ihm zu, „es ist gut… Alles ist gut, Madara… Wir finden einen Weg… Ganz sicher…“ Zitternd hob Madara die Hand, strich über dieses so geliebte Gesicht, ehe er seine Stirn gegen Izunas lehnte und tief den vertrauten Geruch einatmete. „Wie?“, krächzte er heiser, „wir haben nicht viel Zeit, Izuna… Wenn der Clan davon erfährt-“ „Du bist immer noch ihr Anführer“, unterbrach Izuna ihn, „sie werden dir die Zeit geben, die du zum Erholen benötigst und bis dahin werden wir eine Lösung gefunden haben. Sie respektieren dich.“ „Sie fürchten mich“, korrigierte Madara den Jüngeren bitter, „es ist Furcht, nicht Respekt, den sie für mich empfinden, Zu.“ „Nenne es, wie du willst. Aber diese Furcht wird uns die Zeit verschaffen, die wir brauchen. Ich werde eine Lösung finden, Madara. Vergiss nicht – ich habe auch das Mangekyou-Sharingan.“ Madara packte den Arm seines kleinen Bruders und hielt ihn fest. „Izuna… Benutz es nicht mehr. Die Mangekyou sind für das verantwortlich, das weißt du ebenso gut wie ich. Ich kann dich nicht beschützen, wenn du blind wirst, Otoutou – nicht in meinem momentanen Zustand.“ Er spürte, wie der Jüngere unter seiner plötzlichen Berührung zusammenzuckte, doch Izuna wand sich nicht aus seinem Griff. Stattdessen strichen die sanften Finger seines Bruders durch die langen, dunklen Strähnen. „Vielleicht…“, hörte er Izuna flüstern, „vielleicht bin nun ich an der Reihe, dich zu beschützen, Nii-san.“ Die Liebe, die in der Stimme seines Bruders mitschwang, zerschnitt Madara das Herz. Fest schlang er die Arme um den Jüngeren und zog ihn an sich. Er hatte Izuna immer beschützt, er hatte immer alles für Izuna getan – jede Schlacht, in die er seinen Clan geführt hatte, jedes Einsetzen der Sharingan war für ihn gewesen. Um Izuna zu beschützen, um den letzten Bruder zu retten, der ihm noch geblieben war. Und nun… Nun war er derjenige, der auf den Schutz des Jüngeren angewiesen war. Ein befremdliches Gefühl, zumindest für ihn. Es waren die älteren Geschwister, welche auf die Jüngeren aufpassten, dafür sorgten, dass ihnen kein Leid zugefügt wurde und nicht anders herum. Und ganz besonders Madara hasste es, auf irgendwelche anderen Menschen angewiesen zu sein. „Izuna…“, flüsterte er und vergrub das Gesicht in Izunas Schulter, „es hat keinen Sinn… Sobald die Sonne untergeht, werde ich das Lager verlassen; ich werde mich schon irgendwie durchschlagen. Sag dem Clan, dass ich tot bin, Izuna – und tritt meine Nachfolge an. Du wirst ein großer Anführer werden, kleiner Bruder, noch größer als ich es jemals war… Sie werden deinen Namen in die Geschichtsbücher schreiben, alle Welt wird deinen Namen kennen und allein bei seinem Klang erzittern…“ „Was, wenn sie deine Leiche sehen wollen?“, Izuna klang nicht sonderlich einverstanden mit dem Plan, den sein älterer Bruder gefasst zu haben schien, „was soll ich ihnen dann sagen, Madara? Sie werden deinen Leichnam verbrennen – und außerdem wissen sie, dass du nicht tödlich verwundet wurdest. Man hat dich bereits untersucht, bevor du wieder wach geworden bist. Die Option steht dir nicht zur Verfügung, Madara.“ „Erzähl ihnen irgendetwas!“, unwirsch fuchtelte Madara mit einer Hand in der Luft herum, „sag ihnen, dass es innere Blutungen waren, sag ihnen, dass ich das Lager verlassen habe, um mich zu rächen und führe sie zu einem Bunshin – was weiß ich, lass dir etwas einfallen. Aber lass mich nicht in Schmach und Schande sterben. Denn sobald die Uchiha davon erfahren-“ „Die einzige Person, die um den Verlust deines Augenlichts weiß, bin ich“, unterbrach Izuna ihn, „und ich weiß es schon lange. Ich kann selbst spüren, wie immer weniger Licht zurück kehrt, je öfter ich es benutze.“ „Wie… wie schwach ist deine Sehkraft?“, Madara musste mit sich selbst ringen, um die Worte auszusprechen. Er hatte Izuna nie erzählt, dass ihm ihr Kekkei Genkai langsam, aber sicher das Licht geraubt hatte und Izuna hatte es ebenso wenig getan. Die Uchiha zeigten keine Schwäche. Nicht einmal voreinander. Doch Izuna hatte schon immer meisterhaft verstanden, ihm direkt ins Herz zu blicken – er ließ sich nicht von der Kälte und Arroganz täuschen, die sein Bruder um sich herum aufbaute und traf jedes Mal den einen Punkt in ihm, den der Ältere so sorgsam vor allen neugierigen Augen verschloss und versteckte. Alle Ängste, alle Zweifel, jedes Anzeichen von Furcht – die Gefühle, die man ihm bereits im Kindesalter ausgetrieben hatte, da ein Shinobi keine Gefühle zeigte, unter keinerlei Umständen, ganz gleich, welches Leid er auch erfuhr. Gefühle schwächten den Menschen. Ein Werkzeug brauchte keine Gefühle. Und wenn ein Werkzeug nicht mehr funktionierte, wurde es ersetzt oder ausgetauscht. Das war die Welt, in welcher er großgeworden war, das Leben, das er von Anfang an geführt hatte. Das auch Izuna geführt hatte. Sein geliebter kleiner Bruder strich ihm nur durch die Haare und gab keine Antwort. Madara musste Izunas Gesicht nicht einmal sehen, um zu wissen, dass der Jüngere den Blick abgewandt hatte, er es nicht ertrug, seinem Bruder in die Augen zu sehen – selbst wenn das Licht Madara schon lange verlassen hatte. Izuna wich ihm immer aus, wenn er log oder er Madara eine Frage nicht beantworten wollte. „Hör auf, es zu benutzen“, sagte er, mit aller Sorge, die man als älterer Bruder für seinen noch letzten verbliebenen jüngeren aufbringen konnte, doch er sprach nicht nur als Izunas Bruder, sondern auch als sein Clanoberhaupt – und Izuna wusste, dass das Wort des Oberhaupts Gesetz im Uchiha-Clan war. So war es immer und so würde es immer sein, selbst wenn die Würmer Madaras und auch Izunas Leichnam zerfressen hätten. Izuna ignorierte ihn. „Ich werde Hikaku bitten, deine Augen zu untersuchen“, sagte er, strich ihm mit der Hand durch die dunklen Haare, als wäre er und nicht Madara der Ältere von ihnen beiden, als müsste er Madara Trost und Sicherheit spenden. „Er wird nichts verraten.“ Madara schnaubte verächtlich. Er wusste um die Freundschaft zwischen den beiden Uchiha, Hikaku und sein Bruder standen sich nah, auch wenn es niemals jemand geschafft hatte, Kenji zu ersetzen. Kenji – der beste Freund seines Bruders, den Izuna getötet hatte, um das Mangekyou-Sharingan zu erhalten. Trotzdem… Er hasste es, seine Schwäche vor anderen Leuten, ganz besonders jedoch vor anderen Uchiha, zu zeigen. Die Schmach, dass ihn irgendjemand außer Izuna in dieser hilflosen Lage sehen würde, verätzte ihm regelrecht den Mund, bitter wie Galle. Aber was blieb ihnen für eine andere Wahl? Hikaku war mit den medizinischen Nin-Jutsu vertraut, wenn es irgendjemand schaffen konnte, ihm zu helfen, dann wohl Hikaku. Mit einem tiefen Seufzen nickte er, krallte die Finger in den dünnen Stoff seines Lagers. Es roch nach Schweiß und Blut. Izunas Lippen berührten sanft seine Stirn und er klammerte sich an die Finger des Jüngeren, wie ein Kind, das unter Fieber litt und nicht allein gelassen werden wollte. Erbärmlich, wie unglaublich hilflos ihn der Verlust seiner Sehkraft gemacht hatte. Orientierungslos. Verzweifelt. Aus dem ehemals stolzen und unbezwingbaren Falken war ein kaum flügges aus dem Nest gefallenes Küken geworden, das nun hilflos am Boden saß, seinen Jägern schutzlos ausgeliefert und auf die Gnade irgendwelcher Passanten angewiesen. Ein abscheuliches Gefühl für jemanden, der nie irgendwelche Hilfe akzeptierte, der stets hocherhobenen Kopfes seinen eigenen Weg ging und dabei auf niemanden hörte außer sich selbst. Er hörte das leise Klirren der Glöckchen neben sich, befestigt an den Lederbändern um den Krallen seiner Falken. Die Vögel waren unruhig, es überraschte ihn nicht. Sie waren so viel sensibler als Menschen. Und außerdem waren sie schon viel zu lange auf ihren Stangen festgekettet, sie waren es nicht gewohnt, dass er sie mehrere Tage lang festband. Jeden einzelnen Tag ritt er aus, ließ sie ihre Flügel strecken und beobachtete ihre Anmut und Geschicklichkeit, wenn sie dem Himmel trotzten, hoch über der Erde kreisten. Er liebte es, sie zu beobachten, seine Herrscher der Lüfte, deren scharfen Augen keine Beute entging, er liebte den Moment, in welchem sie die Flügel anlegten und wie ein Pfeil auf den Boden zurasten, direkt auf die ahnungslose Beute hinab, den Triumphschrei, der durch den ganzen Wald gellte, wenn sie die Beute geschlagen hatten. Etwas rann seine Wange hinab; unwirsch wischte er sich mit dem Handrücken über die Augen. Tränen. Eine vollkommen nutzlose und überflüssige Reaktion des menschlichen Körpers auf Trauer. Er leckte den einzelnen Tropfen auf – warum schmeckten sie salzig? Was brachte es, dass Tränen salzig waren? Man konnte sie nicht einmal sammeln und als Trinkwasser benutzen, ebenso wenig wie Schweiß. Es wunderte ihn nicht, dass man das Weinen in der Welt der Ninja nicht tolerierte. Die Gesellschaft der Shinobi beurteilte schließlich jedes Glied seiner Kette nach dem Nutzen. Und er… Er hatte seinen Nutzen verloren. Was brachte ihm seine Liebe für den Kampf und seinen Clan, wenn er nicht in der Lage war, sie einzusetzen? Das Sharingan war das Auge, welches das Herz widerspiegelte; das Herz war das Organ, das den Menschen am Leben erhielt, dafür sorgte, dass der Mensch funktionierte. Herz und Sharingan war bei jedem Uchiha untrennbar miteinander verbunden – er könnte sich genauso gut das Herz herausreißen und versuchen, auf das Schlachtfeld zurückzukehren. Er war tot. Erneut glitt etwas Nasses über seine Wangen und Madara biss sich mit aller Gewalt in den Handrücken, hoffte, dass der Schmerz den Tränenfluss versiegen lassen würde, doch natürlich war dies nicht der Fall. Er biss so fest in die eigene Haut, dass er Blut schmeckte, doch die Tränen flossen weiter, während seine Schultern zu beben begannen. Ein unterdrückter Laut entwich seiner Kehle und er versenkte die Zähne nur noch tiefer im eigenen Fleisch. Hör auf. Hör auf. Seine freie Hand krallte sich in den Stoff der Bettdecke, verkeilte sich regelrecht darin. Ein Werkzeug hat keine Gefühle. Sie haben keinen Nutzen. Egal, welches Leid sie auch erfahren, ein Ninja zeigt seine Gefühle nicht, ein Ninja erträgt jeden Schmerz. Er erträgt ihn und er verwandelt ihn in seine Stärke, er verwandelt ihn in Hass, gegen jene, die ihm diesen Schmerz zugefügt haben. Der Hass wird aus dem Leid geboren, das wir erdulden, um die zu beschützen, die wir lieben. Schritte nährten sich seinem Zelt und Madara hob den Kopf, löste die Umklammerung seiner Finger und wischte sich die Spuren der Tränen von seinem Gesicht. Selbst jetzt würde er keine Schwäche zugeben, sie nicht nach außen dringen lassen, sie niemandem zeigen. Es waren zwei Paar Füße, welche sich seinem Zelt nährten – offensichtlich hatte Izuna Hikaku gefunden. Er zwang sein Gesicht zu seiner üblichen, gefühlskalten Maske, als die Zeltplane beiseite schlug und er neben Izunas Stimme auch die von Hikaku vernehmen konnte. Ganz gleich, welche Nachrichten sein Vasall ihm auch nun überliefern mochte – Madara würde es ertragen, ohne irgendwelche Regungen zu zeigen. So wie auch Izuna niemandem zeigte, dass ihn das Augenlicht ebenfalls verließ. Schließlich… war das Definition des Wortes ‚Ninja‘. Ein Mensch, der ertrug. II - Look in my eyes. You're killing me, killing me. All I wanted was you „Es ist unmöglich, Eure Sehkraft wieder herzustellen, Madara-sama.“ Hikaku musste sich ducken, als ihm das Oberhaupt der Uchiha eine mit Suppe gefüllte Holzschale entgegen schleuderte, die eine der Frauen Madara gebracht hatte. Der Uchiha hatte sie nicht angerührt, den ganzen Tag hindurch nicht, und somit konnte Hikaku von Glück reden, dass die Suppe mittlerweile abgekühlt war, als sich der Inhalt der Holzschale über ihn ergoss. Izuna lief hastig zu seinem Bruder hinüber, packte Madaras Hände mit seinen eigenen, bevor dieser noch mit anderen Sachen werfen konnte, und strich ihm beruhigend durch die Haare. Madaras Körper bebte vor Wut und Zorn, er wusste selbst nicht, warum er die Schale nach Hikaku geworfen hatte. Was konnte Hikaku dafür, dass die Wahrheit so hässlich war? Was konnte er dafür, dass Madara diese Wahrheit nicht akzeptieren wollte, sie nicht akzeptieren konnte? „Gibt es wirklich keinen Weg?“, die Verzweiflung in Izunas Stimme zerschnitt Madara das Herz. Wenn es Izuna wäre, der nun an seiner Stelle sitzen würde – Madara hätte genauso reagiert. Er hätte nichts unversucht gelassen, jede Möglichkeit, jede Hoffnung in Betracht gezogen – er hätte alles aufgegeben, was er besaß, wenn er dadurch nur Izunas Augenlicht zurück bringen könnte. Hikaku seufzte tief. „Der Sehnerv ist vollkommen zerstört, Izuna. Der Blinde Fleck hat sich über die gesamte Iris ausgedehnt – es ist ausgeschlossen, es zu heilen. Diese Augen… Sie sind vollkommen wertlos.“ Madara spürte den Blick des Uchiha auf sich ruhen, als Hikaku das Wort an ihn richtete. „Ihr werdet keine Chance haben, jemals wieder zu sehen, Madara-sama. Das einzige, das Euch zumindest Euer Augenlicht wieder zurückgeben kann, wäre eine Transplantation anderer Augen. Es gibt keinen anderen Weg.“ Wieder zuckten Madaras Finger zu irgendetwas, das er Hikaku an den Kopf werfen konnte, doch Izuna hielt seine Hände noch immer fest. „Du würdest immerhin wieder sehen können“, flüsterte er dem Älteren zu und legte seine Stirn gegen Madaras. „Ich würde mein Kekkei Genkai verlieren“, entgegnete Madara tonlos, „ich würde die Sharingan vollkommen verlieren.“ Einen Moment kam keine Antwort. Schließlich war jedem der hier Anwesenden klar, was genau das bedeutete. Madara würde seine Stellung als Oberhaupt der Uchiha verlieren. Im besten Fall – im schlimmsten Falle würde ihn sein Nachfolger töten, um zu verhindern, dass Madara sich für den Verlust seiner Macht rächen würde. Kein Wort musste gesprochen werden, sie alle wussten, was auf dem Spiel stand und es war nicht nur Madaras Leben, um das es ging – wenn es nur seins wäre, hätte er keinerlei Problem damit, das Schicksal des Clans zu akzeptieren. Madara fürchtete den Tod nicht. Er war bereit dafür, er sah selbst ein, dass er versagt hatte. Ein Uchiha ohne Sharingan besaß schließlich keinen Wert mehr für den Clan. Wenn er Glück hatte, würden sie ihn ins Exil schicken – immerhin war er blind und stellte somit keine eigentliche Gefahr mehr da, aber er war immer noch Uchiha Madara. Früher war er stolz auf die Angst und den Schrecken gewesen, den sein Name verbreitet hatte, aber nun, in diesem Moment, würde ihm sein Name zum Verhängnis werden. Die Uchiha würden es nicht riskieren, ihm die Chance zu einem Racheakt zu geben, nein, sie würden ihn töten, denn sie wussten, dass er sich keineswegs kampflos ergeben würde. Madara spürte die Blicke seines Bruders und seines Vasallen auf sich, sie brannten sich regelrecht in seine Haut hinein. Sie schmerzten noch mehr als die Wunden, die er im Kampf davon getragen hatte. Die äußeren Wunden waren nebensächlich – es waren die inneren Verletzungen, die ihn nun umbrachten, ihm langsam, aber sicher die Luft zu atmen nahmen und ihm die Kehle zusammenschnürten. Es fühlte sich an als würde er ertrinken – ertrinken war immer die Todesart, die er am Meisten verabscheute. Das Wasser konnte man schließlich nicht besiegen, das Wasser konnte man nicht Brand setzen und es mit sich in die Hölle nehmen – das Wasser selbst war die Hölle für jeden Uchiha, für einen Clan, dessen ganze Natur so vom Feuer beherrscht wurde… Vermutlich hasste er Senju Tobirama deswegen so sehr. Weil es diesem so unglaublich leicht fiel, über seinen Tod zu gebieten. Wasser tötete Feuer. „Hikaku…“, die Stimme seines Bruders drang wie durch eine schwere Wasserwand zu ihm, brachte ihn langsam wieder zurück in die Gegenwart, riss ihn aus seinem inneren, feuchten Grab. „Würde… es funktionieren, wenn man ihm andere Sharingan transplantieren würde? Augen, welche auf dem selben Level sind, wie es Madaras waren?“ Es dauerte ein paar Sekunden, bis Madara begriff, was sein kleiner Bruder gerade gesagt hatte, bis die Worte, ihre Bedeutung wirklich bei ihm angekommen waren und er ihren Sinn verstand. Für einen Moment hatte er das Gefühl, dass sein Herz stehen blieb und einfach nicht mehr weiterschlagen wollte; sein Körper war wie paralysiert und er konnte sich nicht mehr bewegen. Er wollte Izuna anschreien, ihm verbieten, den Plan, den sein Bruder offensichtlich gefasst hatte, in die Tat umzusetzen – doch obwohl sein eigener Schrei ihm innerlich in den Ohren gellte, verließ nicht ein Laut seine Lippen, kein Ton, kein Geräusch. Er konnte nur dasitzen, mit pochendem Herzen, und auf Hikakus Antwort lauschen. Doch Hikaku schien noch nicht wirklich begriffen zu haben, was Izuna meinte. „Rein… theoretisch“, sagte er langsam, „aber wer wäre in der Lage dazu? Welcher Uchiha würde freiwillig seine Augen aufgeben?“ Ein Uchiha, der es lieber riskiert, den Rest seines Lebens in Finsternis verbringen zu müssen, als mitanzusehen, wie sein Bruder weiterhin leidet…, beantwortete Madara die Frage stumm und sein Herz zog sich zusammen. Izuna war tatsächlich bereit, seine Augen für ihn aufzugeben… Er spürte, wie ihm Izunas Finger ein weiteres Mal sanft durch die dunklen Strähnen fuhren und erkannte anhand des erschrockenen Luftholens neben sich, dass nun auch Hikaku Izunas Plan begriffen hatte. „Izuna!“, stieß er aus. „Sag nichts“, bat Izuna leise, „du hast gefragt, welcher Uchiha freiwillig seine Augen aufgeben würde. Ich habe eine Antwort für deine Frage: Ein Uchiha, der seinen Bruder über alles liebt und alles dafür tun würde, dass er ihm erhalten bleibt. Madara ist alles, was ich noch an Familie habe. Der Verlust meiner Augen ist ein kleiner Preis, wenn es bedeutet, dass ich meinen Bruder weiterhin bei mir haben darf, ich weiterhin seine Nähe spüren, sein Lachen hören kann. Niemand im Clan steht Madara näher als ich – und ich bin bereit, alles dafür zu tun, um ihn nicht zu verlieren.“ Madara spürte, wie sich der Brustkorb des Jüngeren schwer hob und senkte. „Ich möchte, dass du meine Augen dazu nutzt, um Madaras Licht wieder herzustellen. Transplaniere sie. Bitte.“ Madara packte die Hand des Jüngeren, quetschte sie so fest, dass er Izunas Knochen knacken hören konnte. „Weißt du eigentlich, was du da tust?! Du verschreibst dich einem Leben in der Finsternis, Otoutou! Ich kann nicht-“ „Nii-san“, unterbrach Izuna ihn, schlang die Arme um den Hals des Älteren und drückte sich an ihn, wie er es als Kind immer getan hatte, „vom Moment ihrer Erweckung haben uns die Mangekyou-Sharingan immer tiefer in die Finsternis geführt, bis sie dich letztendlich vollkommen verschlungen hat. Du hast mich immer beschützt, du hast immer auf mich aufgepasst – du warst immer das Licht, das mir den Weg aus der Finsternis gewiesen hat, ganz egal, wie schwarz sie auch sein mochte. Und nun… Lass mich dein Licht sein. Alles, was du siehst – wirst du mit meinen Augen sehen. Und selbst wenn ich sterben sollte, Madara, selbst wenn es mich in den Tod führt, meine Augen aufzugeben – so werde ich dennoch niemals wirklich sterben, denn ein Teil von mir wird immer in dir weiterleben. Solange du lebst, Nii-san… Werde auch ich weiterleben.“ Er küsste den Älteren leicht auf die Wange. „Seit ich denken kann, warst du für mich da. Seit ich denken kann, habe ich mein Leben immer bedenkenlos in deine Hände gelegt, weil ich wusste, dass du mich beschützt, vor allem, was mir irgendwie gefährlich werden konnte.“ Madara schlang die Arme um Izuna, es war ihm egal, dass Hikaku unweit von ihnen stand und sie beobachtete, es war ihm egal, was die Ninja-Vorschriften sagten. Seit ihrer Kindheit hatten sie miteinander konkurriert, waren gemeinsam immer stärker geworden – und heute… Heute war der Tag gekommen, an dem Izuna seinen Bruder übertroffen hatte. Er vergrub den Kopf in Izunas Haaren, strich ihm wieder und wieder mit den Fingern über den Rücken. Ja… Izuna war stärker als er. So viel stärker als er selbst… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)