Seelenschatten von Maclilly (HPYGO) ================================================================================ Kapitel 8: Die Großinquisitorin von Hogwarts -------------------------------------------- Die Großinquisitorin von Hogwarts   *   Es war kurz vor fünf, als Harry zu seinem letzten Nachsitzen in dieser Woche aufbrach. Ron befand sich bereits auf dem Weg zum Quidditch-Feld, wo er am Auswahlspiel für die Quidditch-Mannschaft Gryffindors teilnahm. Harry hatte ihm noch »Viel Glück« zugeraunt, bevor sie in der Eingangshalle getrennte Wege gegangen waren. Hermine dagegen hatte sich entschlossen, Harry zu begleiten. Harry wünschte, sie hätte es nicht getan, denn unablässig sprach sie davon, dass es Unrecht war, was Professor Umbridge tat … als ob Harry das nicht wüsste. »Du solltest wirklich zu Dumbledore gehen«, sagte sie, während sie die Stufen einer weiten Treppenflucht hinaufstiegen. Das Büro von Professor Umbridge lag im dritten Stock. »Das, was sie da tut, verstößt gegen das Gesetz.« »Nein«, sagte Harry knapp. Am Vortag hatte er dieses Gespräch bereits mit Ron geführt. Harry wollte dem Schulleiter nichts davon erzählen. Nachdem Professor Dumbledore seit Juni nicht mehr mit ihm gesprochen hatte, sträubte er sich, ihn nun um Hilfe zu bitten. Er brauchte nicht die Unterstützung von jemanden, der nur seine Pflicht tat. Aber Hermine wollte davon nichts wissen.  »Ich weiß, dass du dich gekränkt fühlst, aber-« »Ich bin nicht gekränkt!«, brauste Harry zornig auf.  »Oh doch, das bist du«, hielt Hermine verbissen dagegen. »Ich kenne dich, Harry. Du bist sauer auf Dumbledore genauso wie du auf Ron und mich wütend warst, weil du den ganzen Sommer bei den Dursleys schmoren musstest. Du fühlst dich ungerecht behandelt.«  Harry öffnete den Mund, um ihr zu widersprechen, doch sie ließ ihn nicht zu Wort kommen. »Ich verstehe dich ja. Mir ginge es genauso.« Harry bezweifelte dies ernsthaft. Hermine hatte sich nie in einer Lage wie er befunden. Seine Zweifel mussten ihm aufs Gesicht geschrieben sein, denn Hermine argumentierte nicht weiter in dieser Richtung.  »Aber, Harry, bitte begreif doch«, flehte sie weiter, »es geht nicht nur darum, dass sie es dir antut. Verstehst du denn nicht, sie könnte es auch bei anderen machen.« Harry blieb stehen, gerade als sie den nächsten Treppenabsatz erreichten. Daran hatte er noch nicht gedacht. So zornig er auf Dumbledore auch war und so sehr er dessen Hilfe auch ablehnte, er konnte nicht zulassen, dass anderen ein ähnliches Schicksal widerfuhr. Und Harry hielt Professor Umbridge für widerlich genug, um diese Bestrafung jeden aufzuhalsen, der nicht ihrer Meinung war. Er stellte sich vor, wie Hermine und Ron mit aufgeschlitzten, blutenden Handrücken vor ihm standen und dabei drehte sich ihm beinahe der Magen um.  »Ich könnte mit Sirius reden«, meinte Harry schließlich vage. Hermine sah ihn überrascht an. »Sirius?«, fragte sie, woraufhin Harry mit den Schultern zuckte.  »Ich könnte ihm schreiben.« Hermine biss sich auf die Unterlippe. Sie schien nicht viel von diesem Vorschlag zu halten. »Hältst … Hältst du das wirklich für eine gute Idee?«  »Ja, allerdings«, trotzte er sofort. Er verschränkte die Arme und sah Hermine zornig an. »Hör zu, Hermine, entweder ich sage es Sirius oder niemanden!« »Aber … Na schön«, seufzte Hermine schließlich geschlagen, »Nur versprich mir, vorsichtig zu sein. Briefe könnte abgefangen werden … « Es kostete Harry einiges an Anstrengung, ihr nicht vor den Kopf zu stoßen, in dem er ihr mitteilte, dass er sich dessen bewusst war. Stattdessen brummte er nur zustimmend. Sie stiegen den letzten Treppenabsatz gemeinsam empor, dann verabschiedete sich Hermine, wobei sie Harry erneut einen sorgenvollen Blick versetzte. Dieser überging ihn jedoch weitestgehend, obwohl ein unangenehm nagendes Gefühl zurückblieb; bog in den Korridor linker Hand ein und bereitete sich auf das hoffentlich letzte Mal Nachsitzen bei Professor Umbridge vor.   *   »Milch?« Professor Umbridge schenkte Yugi ein Lächeln, welches so zuckrig war, dass er nur vom Hinsehen bereits Zahnschmerzen bekam. Wortlos schüttelte er den Kopf. Das krötenhafte Lächeln auf dem Gesicht von Professor Umbridge blieb davon unangetastet. Sie reichte Yugi eine Teetasse. Der Tee darin war so wässrig, dass man bis zum Tassengrund sehen konnte. Darauf war ein Kätzchen abgebildet, das – wie es für magische Bilder anscheinend üblich war – ausgesprochen lebhaft war. Es tollte mit einem Wollknäuel herum. Yugi starrte das Tier unverwandt an und spürte, wie Atemu es ihm gleichtat. Beiden fehlten die Worte.  Professor Umbridge kehrte auf ihren Stuhl zurück, welcher hinter ihrem Schreibtisch stand. Auch sie hatte sich eine Tasse Tee eingeschenkt. Mit geschürzten Lippen nippte sie daran. Ihre hervorquellenden Augen waren durchgehend auf Yugi gerichtet. Yugi fühlte sich in ihrer Gegenwart unwohl. Er wünschte sich, dass dieses Gespräch alsbald vorbei war.  »Nun«, sprach Professor Umbridge und stellte die Tasse zurück. Sie lächelte süßlich. »Wie hat Ihnen Ihre erste Woche in Hogwarts gefallen?« »Ganz gut, denke ich.« »Keine Probleme mit den Schülern?« »Nein«, sagte Yugi und war leicht überrascht, da Professor Umbridge zweifelnd eine Augenbraue hob.  »Wirklich?« Als Yugi ihr erneut bestätigte, dass es keine Zwischenfälle gegeben hatte, schien sie nicht besonders zufrieden. Sie verkniff leicht die Lippen.  »Sie muss mit Ärger gerechnet haben«, bemerkte Atemu. Yugi gab ihm im Stillen recht. Er hätte gerne gewusst, weshalb sie dies erwartet hatte, doch Professor Umbridge ließ das Thema kommentarlos fallen. Stattdessen begann sie, ihre Unterlagen zu sortieren. Das Lächeln, welches sie dabei zur Schau stellte, war nicht unbedingt beruhigend. Yugi wappnete sich mental. Nachdem Professor Dumbledore so etwas angedeutet hatte, hatte er zum Glück ausreichend Vorbereitungszeit gehabt.  Doch bevor Professor Umbridge auch nur dazu ansetzen konnte, eine Frage zu formulieren, klopfte es unerwartet an der Tür. Professor Umbridge ließ von ihren Papieren ab und sah zur Tür. Sie blinzelte überrascht mit ihren gewaltigen Krötenaugen. »Ja?«, fragte sie gebieterisch.  Die Türklinke wurde heruntergedrückt und zu Yugis größter Überraschung trat Harry Potter ein.  »Guten Abend, Prof-«, leierte er hinunter, unterbrach sich jedoch, als er Yugi erblickte. Er schien nicht weniger überrascht über dessen Anwesenheit wie es umgekehrt der Fall war.  In einem Anflug identischer Ratlosigkeit suchten sie gleichzeitig den Blickkontakt mit Professor Umbridge. Yugi spürte Atemus gehässige Zufriedenheit durchsickern, als die aufgerissenen Krötenaugen verständnislos zwischen ihm und Harry Potter hin und herglitten.  »Mr Potter«, murmelte sie abwesend. Es war offensichtlich, dass sie ihn hier nicht erwartet hatte. »Sie haben mir für heute Nachsitzen gegeben, Professor«, sagte Harry, der offenbar zum gleichen Schluss gekommen war.  »Nachsitzen«, wiederholte Professor Umbridge lahm und blinzelte heftig.  Yugi hatte Mühe, sich ein Lachen zu verkneifen und erstickte es notdürftig in seinem Handrücken. Er glaubte, dass Harry ihn dabei ertappt hatte, störte sich aber nicht daran, weil er Atemu in seinem Kopf quasi grinsen hören konnte.  »Ja«, sagte Professor Umbridge schließlich, die sich nur langsam wieder fasste. »Ja, richtig.« Sie zog eine Schublade auf und kramte durch dessen Inhalt; hielt jedoch fast augenblicklich wieder inne. Plötzlich taxierte sie Yugi mit merkwürdig verkniffenen Augen, als müsste sie etwas Entscheidendes abwägen. Yugi, der das Gefühl nicht loswurde, dass ihm etwas entgangen war, sah sie fragend an. Dies schien ihre Entschlusskraft deutlich zu beschleunigen, denn sie zog die Hand so schnell aus der Schublade, als hätte sie sich verbrannt, und schloss sie wieder. Dann fasste sie Harry ins Auge.  »Nun, worauf warten Sie?«, blaffte sie ihn an und gestikulierte wedelnd zu einem einsamen Schreibpult, das in der Nähe des Fensters stand, »Holen Sie Ihr Schreibzeug hervor und setzen Sie sich gefälligst. Sie wissen, was Sie zu schreiben haben.« Damit wandte sie sich von Harry ab und widmete sich wieder ihren Unterlagen. Yugi entging nicht, dass Harry deutlich zögerte, bevor er sich setzte und aus seiner Tasche Pergament, Federkiel und Tinte auspackte. Aus den Augenwinkeln warf er Professor Umbridge immer wieder Blicke zu, deren Intention Yugi nicht deuten konnte. Dann war nur noch das Kratzen der Federspitze auf dem Pergament zu hören.  »Irgendetwas geht hier vor sich, was wir nicht wissen sollen«, sprach Atemu das aus, was auch Yugi dachte. Gerne hätte er darüber sinniert, was dies wohl war, da räusperte sich Professor Umbridge vernehmlich.  »Also«, sagte sie mit einem gefährlichen Lächeln, das ihre scharfen Zähne entblößte, »Sie sagten mir, Sie interessieren sich für das antike Ägypten, weil Ihr Großvater sich bereits damit beschäftigt hat. Dürfte ich wohl fragen, womit?« »Spiele«, antwortete Yugi. Professor Umbridge sah ihn verdutzt an.  »Spiele«, wiederholte sie ungläubig.   »Die Ägypter pflegten eine ausgeprägte Spielkultur. Vor allem in den höheren Schichten dienten Spiele dazu, Streitereien zu beenden und Entscheidungen zu fällen«, erklärte Yugi, »Außerdem bauten sie viele Rätsel in ihre Grabkammern ein, die oftmals auf ihren Spielen beruhten. Großvater sagt, wenn er dieses Wissen nicht gehabt hätte, wäre er gestorben, als er At- … eine der Grabkammern auf eigene Faust erkundete.« Ihm gelang es gerade noch rechtzeitig, sich zu korrigieren. Glücklicherweise bemaß Professor Umbridge seinem Versprecher keinerlei Beachtung.  »Er hat also auch die Gräber besucht? Nein, wie aufregend. Und Sie haben es ihm gleichgetan? Ich nehme an, das ist ein Mitbringsel Ihrer Reisen?« Professor Umbridge zeigte auf das Millenniumspuzzle. Ihre Augen waren dabei ganz schmal und gierig geworden.  »Nein«, sagte Yugi nach einem kurzen Blick auf das Artefakt, »Mein Großvater hat es mitgebracht und mir anvertraut.  Aber es war der Grund, warum ich auch nach Ägypten wollte.« »Verstehe.«  Irgendwie bezweifelte Yugi das, aber äußerte diese Vermutung nicht.  »Sie haben also die letzten Jahre in Ägypten verbracht. Warum haben Sie sich entschieden, nach Hogwarts zu kommen, um zu unterrichten?« Das war eine so unerwartete Frage, dass Yugi Professor Umbridge für einen Moment ahnungslos anstarrte, bevor er eine Antwort formulieren konnte.  »Professor Dumbledore hat mich gefragt, ob ich bereit wäre, die Stelle zu übernehmen.« Er zuckte mit den Schultern. »Vor einen Monat kam er nach Ägypten, um mir das Angebot zu unterbreiten. Ich fand es interessant und habe es angenommen.« Das war keine vollständige Lüge.  »Das heißt, sie kannten einander vorher nicht? Sie sind sich zuvor nie begegnet?«, erkundigte sich Professor Umbridge, der zweifelnde Unterton in ihrer Stimme war nicht zu verkennen.  Yugi wurde nun klar, worauf Professor Umbridge mit diesem Gespräch abzielte. Es ging hier nicht um seine Geschichte oder ob er geeignet war, Schüler zu unterrichten, sondern ausschließlich darum, ob er einer von Dumbledores „Anhängern“ war.  »Nie.« »Aber Sie haben zweifellos zuvor schon von Professor Dumbledore gehört?«, fasste sie mit hochgezogenen Brauen nach. Nun wurde es knifflig für Yugi, möglichst nah an der Wahrheit zu bleiben.  »Japan ist sehr weit entfernt«, meinte er vage, »Nicht alles, was hier große Wellen schlägt, wird dort der gleichen Wichtigkeit beigemessen. Japan hat seine eigene Geschichte.« »Trotzdem«, beharrte Professor Umbridge, »Sicherlich kennt man aber auch in Japan Albus Dumbledore – zumal wenn man sich primär mit Geschichte auseinandersetzt.« »Ich weiß, welche Rolle er im Kampf gegen-« »Gegen den Unnennbaren. Ja, das war damals in der Tat eine … eine große Leistung«, sagte Professor Umbridge widerwillig, »Aber die Zeiten ändern sich und auch Professor Dumbledore ist bloß ein Mensch, der sich dem … nun … dem Alter beugen muss.« Sie kicherte. Yugi wusste, worauf sie anspielte, und er hatte eine ziemlich konkrete Ahnung, was sie von ihm nun erwartete. Ihm missfiel der Gedanke, Professor Dumbledore als senilen Schwachkopf zu bezeichnen. Sogar Atemu, der Professor Dumbledore nicht unbedingt positiv gegenüberstand, sträubte sich davor. Aber der Schulleiter hatte Yugi nahegelegt, keine Auseinandersetzung mit Dolores Umbridge zu suchen. »Ich weiß, was Sie meinen«, sagte er daher steif.  Auf Professor Umbridges Gesicht breitete sich ein abgrundtief hässliches, unpassendes Lächeln aus. »Sehr schön, sehr schön. Allerdings frage ich mich, warum Sie dann seiner Einladung gefolgt sind, obwohl Sie doch von seinem sehr zweifelhaften Ruf wussten.« »Wie gesagt, Japan und Ägypten sind weit entfernt. Als Professor Dumbledore mir die Einladung anbot, wusste ich nichts über … seinen aktuellen Stellenwert. Das habe ich erst erfahren, nachdem ich sein Angebot angenommen hatte.« Dass es Professor Dumbledore selbst gewesen war, der ihn darüber unterrichtet hatte, verschwieg er ihr. Stattdessen genoss er ihren leicht dümmlichen Gesichtsausdruck.  »Richtig«, sagte sie leicht bedröppelt, »Natürlich, ja… Das heißt, ich gehe doch richtig in der Annahme, dass Sie nichts auf die Spinnereien dieses alten Mannes geben?« Als das Kratzen der Feder einen Moment lang aussetzte, wusste Yugi, dass zwei Ohrenpaare seine Antwort abwarteten.  »Ich denke«, begann Yugi behutsam und wog jedes Wort ganz genau ab, »dass es nicht klug ist, alles zu glauben, was man hört.« Atemu schnaubte belustigt. »Eine sehr diplomatische Antwort.« Diplomatisch oder nicht, dachte Yugi, Hauptsache Professor Umbridge bekam sie nicht in den falschen Hals. Zu seiner Erleichterung klatschte sie erfreut in die Hände.  »Hervorragend«, urteilte sie und warf einen unübersehbar gehässigen Blick in Harrys Richtung, der stumm seine Strafarbeit fortsetzte. Nur die zur Faust geballte linke Hand gab Aufschluss darüber, wie wütend er tatsächlich war.  Bei diesem Anblick fühlte sich Yugi elend. Er konnte sich vorstellen, was Harry durchmachte. Es musste grausam sein, zu wissen, dass dort draußen irgendwo ein bösartiger Magier lauerte, und man nichts weiter gegen ihn zu unternehmen vermochte, als die anderen zu warnen … und diese schenkten ihm keinen Glauben.  Aber Yugi konnte es sich nicht erlauben, es sich mit Professor Umbridge zu verscherzen. Jetzt noch nicht. Denn er musste daran denken, warum er hier war. Er half Atemu nicht, wenn er auch noch ständig auf Professor Umbridge achtgeben musste.  Der Rest des Gespräches war eine fürchterliche Erörterung der angeblichen Spinnereien Albus Dumbledores. Es war schrecklich. Sogar Yugi hatte Mühe, seine Beherrschung nicht zu verlieren. Atemu, der deutlich konfliktfreudiger war, suchte Beruhigung darin, durch den Raum zu streunen. Dabei bemaß er dem überwiegend rosafarbenen, zuckersüßen Dekor verächtliche Blicke. Letztendlich blieb er neben Harry stehen. Interessiert spähte er über dessen Schulter.  Yugi, der Atemu aus den Augenwinkeln beobachtete, musste ein Lachen zurückbeißen. Er wusste genau, dass Atemu sich die ganze Zeit gewundert hatte, was für eine Strafarbeit Harry wohl zu leisten hatte. Yugi war es genauso ergangen. Atemus Augen überflogen den Text … und seinem Gesichtsausdruck nach zu schließen, gefiel ihm das, was er dort las, genauso wenig wie es ihn überraschte. Verächtlich schüttelte er den Kopf.  In diesem Moment geschahen mehrere Dinge gleichzeitig. Atemu stutzte, als ihm etwas auf Harrys linken Handrücken auffiel. Er lehnte sich nach vorn, um es zu inspizieren. Zur selben Zeit hob Harry den Kopf, um aus dem Fenster zu sehen. Sie „kollidierten“ … sofern man es so nennen konnte, denn Harrys Kopf schoss durch Atemus Oberkörper.  Schlagartig überkam Yugi ein elektrisierendes Gefühl. Als hätte ihm jemand einen Stromstoß versetzt. Er keuchte überrascht auf. Im gleichen Augenblick riss Harry einen Arm hoch und presste sich den Handballen gegen seine Narbe. Sein Gesicht war schmerzverzerrt. Dabei stieß er mit dem Ellenbogen gegen sein Tintenfass und beförderte es vom Tisch. Es fiel zu Boden, wo es mit einem lauten Klirren zersprang. Tinte ergoss sich in einer großen Pfütze über den Boden. Atemu, der direkt neben Harry gestanden hatte, machte einen Satz nach hinten. Aber es war zu spät. Seine Schuhe waren bereits blaugefärbt und die weiße Tunika mit Tinte bespritzt.  Bevor Yugi auch nur darüber nachdenken konnte, welche Reaktion jetzt angebracht war, war Professor Umbridge bereits auf den Beinen. Wütend taxierte sie Harry. Von ihrer aufgesetzten Freundlichkeit fehlte jede Spur. »Mr Potter«, verkündete sie in einer unheilvollen Tonlage.  »Professor …« Harry erwiderte ihren Blick. Er gab sich Mühe, seine Gefühle zu maskieren. Doch in den grünen Augen war eine Spur Nervosität zu identifizieren. Er wusste genau, was ihm blühte. Und Yugi tat es auch. Sie würde Harry erneut bestrafen. Dabei war es nicht seine Schuld. Yugi wusste genau, wie unangenehm es war, versehentlich durch Atemu zu fallen. Er brauchte nicht mehr als einen flüchtigen Blick in Atemus Richtung, um eine Entscheidung zu fällen.   »Ich bin mir sicher, es war ein Versehen«, warf er ein, gerade als Professor Umbridge ihren breiten Mund öffnete. Sie hielt inne und starrte Yugi mit ihren gigantischen Krötenaugen an.  Yugi schluckte leer, schreckte aber nicht zurück. »Das stimmt doch, nicht wahr?«, versicherte er sich.  »Ich …« Harry zögerte. Dann nickte er. »Ja, es war keine Absicht.« »Na also«, sagte Yugi und bemühte sich, möglichst unbeschwert zu klingen. »Dann gibt es doch kein Problem, oder?« Die letzten Worte richtete er an Professor Umbridge. Diese schien kurzzeitig um Fassung zu ringen. Ihre aufgerissenen Augen glitten zwischen Yugi und Harry hin und her. Schließlich blieben sie bei Yugi hängen und sie lächelte geziert.  »Oh, ich fürchte, da täuschen Sie sich, Yugi«, sagte sie und ihre Stimme war wieder honigsüß. Sie schlackerte unwirsch mit einer Hand zur sich ausbreitenden Tintenpfütze. »Wie Sie unschwer erkennen können, hat Mr Potters Missgeschick, sofern es denn ein solches war, meinen Boden ruiniert und daher…« »Aber Sie sind doch eine Hexe des Zaubereiministeriums«, entgegnete Yugi, bevor sie ihren Satz beenden konnte, »Ich nehme an, da sollte es doch kein Problem sein, dies zu bereinigen …?« »Gewiss, doch, gewiss«, sagte Professor Umbridge und klang geschmeichelt, »Aber Sie werden mir sicherlich zustimmen, dass es durchaus zur Charakterbildung eines jungen Zauberers beiträgt, wenn er den Schaden, den er angerichtet hat – selbst wenn es  versehentlich geschah – eigenständig und ohne den Gebrauch von Magie beseitigt.« Bevor sich Yugi dazu äußerte, hatte sich Dolores Umbridge bereits an Harry gewandt. »Mr Potter«, verkündete sie süßlich, »Ob es nun absichtlich geschah oder nicht, ich werde Sie erst gehen lassen, wenn Sie hier aufgeräumt haben. Haben Sie das verstanden?« »Ja, Professor«, sagte Harry ohne Professor Umbridge anzusehen.  Yugi wollte erneut einschreiten. Aber Atemu schüttelte den Kopf. »Mit Worten wirst du sie nicht umstimmen können«, meinte er grimmig, »Du hast erreicht, was du konntest, ohne ihr Misstrauen zu wecken.« Am liebsten hätte Yugi widersprochen. Denn es war ungerecht. Harry hatte nichts falsch gemacht. Aber er wusste auch, dass Atemu mit seiner Einschätzung richtiglag. Und er durfte einfach nicht auf Umbridges Radar erscheinen.  Deswegen schloss er unverrichteter Dinge den Mund wieder. Und fühlte sich für den Rest des Tages hundeelend.   *   Harry stutzte, als er die Fußabdrücke zum ersten Mal entdeckte.  Im ersten Moment glaubte er, sie sich eingebildet zu haben. Doch als er erneut hinsah, waren sie immer noch da. Tintenblaue Fußabdrücke auf dem Holzboden.  »Ist etwas nicht in Ordnung?«, fragte Professor Umbridge süßlich. Sie hatte bemerkt, dass er innegehalten hatte. Ihr Lächeln war zuckrig.  »Nein«, antworte Harry knapp und täuschte vor, den Boden weiter aufzuwischen. Professor Umbridge machte einen mädchenhaften Laut und wandte sich wieder einigen Aufsätzen zu, die sie mit spitzer Feder fraglos schlecht bewertete.  Harry widmete sich erneut den unerklärlichen Fußabdrücken, die von seinem Platz bis dorthin führten, wo Professor Mutou gesessen hatte, bevor er vor einer Viertelstunde gegangen war. Das war wirklich eigenartig, dachte er. Er hatte keine Ahnung, wer sie verursacht haben könnte. Er war es nicht gewesen, denn seine Schuhsohlen waren sauber. Das hatte er bereits überprüft. Aber weder Professor Mutou noch Professor Umbridge waren je in seine Nähe gekommen. Sie konnten es also auch nicht gewesen sein.  Vielleicht eines der Schulgespenster? Sie waren in der Lage, sich unsichtbar zu machen, und kurz bevor seine Narbe zu schmerzen begonnen hatte, war Harry das einzigartige Gefühl überkommen, das einen immer ereilte, wenn man versehentlich durch einen Geist rauschte. Es war, als hätte ihn jemand mit Eiswasser übergossen. Aber Harry war nicht vollkommen überzeugt. Eventuell hatte er es sich aufgrund seiner Narbenschmerzen nur eingebildet. Denn ein Schulgespenst hatte keinen physischen Körper und konnte daher keine physischen Spuren hinterlassen – mit Ausnahme vielleicht von Peeves. Aber der hätte sicher eher noch einen Spaß daraus gemacht, die Tinte im gesamten Büro zu verteilen.  Außerdem, so überlegte Harry schließlich, hatte er bereits genug Probleme. Angefangen bei dem, was er während des Gesprächs aufgeschnappt hatte, bis hin zu seiner plötzlich schmerzenden Narbe. Er hatte keinen Nerv, sich auch noch mit fragwürdigen Abdrücken zu beschäftigen.  Daher wischte er sie schließlich wie die restliche ausgelaufene Tinte auf, warf den dreckigen Lappen achtlos in einen Papierkorb, als Professor Umbridge nicht hinsah, und stand auf.  »Ich bin fertig, Professor«, sagte er steif. Professor Umbridge sah ihn blinzelnd an. Dann rutschte sie von ihrem Stuhl – was keinen großen Unterschied machte, da sie im Stehen kaum größer war als im Sitzen – und inspizierte den gereinigten Boden.  »Na also, es geht doch«, sagte sie lieblich und bevor er es sich versah, hatte sie seinen Arm ergriffen und begutachtete die Worte, die sich am Vortag in seine Haut geschnitten hatten:  Ich soll keine Lügen erzählen.  »Sehr schön.« Ein Lächeln verzerrte ihren breiten, schlaffen Mund. »Ich hoffe, Mr Potter, dass sich die Botschaft eingeprägt hat. Sie dürfen gehen.« Ohne jede weitere Höflichkeit auszutauschen verließ Harry das Büro. Als er die Tür hinter sich geschlossen hatte, sprintete er die Treppen zum Gemeinschaftsraum hinauf. Er mahnte sich zur Ruhe. Bloß nichts überstürzen. Es war nicht das erste Mal, dass seine Narbe geschmerzt hatte. Aber ausgerechnet in der Gegenwart von Professor Umbridge und Professor Mutou, die offensichtlich beide nicht glaubten, dass Lord Voldemort zurückgekehrt war … Harry wollte nicht an einen Zufall glauben.  Vor dem Porträt der fetten Damen keuchte er hastig das Password – Mimbulus mimbeltonia – woraufhin das Bild zur Seite schwang und den Gemeinschaftsraum der Gryffindors freigab. Der ohrenbetäubende Lärm einer ausgewachsenen Feier schlug Harry entgegen. Er war kaum durch das Loch geklettert, da kam Ron auf ihn zugeeilt. Er strahlte über das ganze Gesicht. In seiner Hand hielt er einen Kelch Butterbier.  »Ich hab’s geschafft, Harry. Ich bin dabei, ich bin Hüter!« »Was? Oh – klasse!«, sagte Harry zerstreut. Er versuchte, ungezwungen zu lächeln, war aber mehr als froh, als Katie Bell, eine Jägerin der Quidditch-Mannschaft, Ron zu sich rief, um nach einem passenden Umhang zu suchen. Harry wollte ihm wirklich nicht den Tag verderben, aber er wollte auch mit jemanden darüber reden, was er erlebt hatte. Also suchte er nach Hermine. Er fand sie in der Nähe des Kamins, in dem ein behagliches Feuer loderte. Sie hatte sich auf einem Sessel zusammengerollt; einen schnurrenden Krummbein auf ihrem Schoss. Als Harry seine Tasche abstellte und sich in den nächstgelegenen Sessel setzte, schreckte sie aus dem Schlaf. Harry verlor keinen Moment, ihr alles zu erzählen. Hermine hörte ihm genau zu. Am Ende seines Berichts fragte sie: »Und nun glaubst du, sie könnten … etwas mit Du-weißt-schon-wen zu tun haben?« »Das wäre doch möglich.« Harry war der zweifelnde Unterton in Hermines Stimme nicht entgangen. Es ärgerte ihn ein wenig. »Ja, schon«, gab sie zu, »aber deine Narbe hat schon vorher geschmerzt, richtig? Und sagte Professor Dumbledore da nicht, es hätte damit zu tun, was Du-weißt-schon-wer in diesen Momenten fühlte? Ich meine, vielleicht hat das alles nichts mit Umbridge oder Professor Mutou zu tun. Es könnte ein Zufall gewesen sein.«  Harry räumte ein, dass dies stimmen konnte. Aber er weigerte sich, ihr das zu gestehen. Also lenkte er auf ein anderes Thema. »Trotzdem«, sagte er daher entschieden grimmig, »Sie arbeiten zusammen.« »Also da wäre ich mir gar nicht so sicher«, meinte Hermine schlciht. Sie setzte sich in ihrem Sessel auf, um Krummbein hinter den Ohren zu kraulen, der daraufhin laut schnurrte. »Was, wenn er dieser Umbridge nur das erzählt hat, was sie hören wollte?« Harry sah sie ungläubig an. »Hältst du das für möglich?« »Durchaus«, sagte Hermine, »Die anderen Professoren, wie McGonagall, Flitwick oder auch Snape« - Harry machte ein verächtliches Geräusch, welches Hermine würdevoll überging - »sind bereits seit Jahren hier in Hogwarts. Diese Umbridge wird wissen, dass sie Professor Dumbledore gegenüber loyal sind. Deswegen wird sie auf sie ganz besonders ein Auge werfen. Aber Professor Mutou kam erst in diesem Jahr. Sie wird nicht gewusst haben, wie sie ihn einordnen soll. Also hat sie ihn befragt und er …« »… hat sie angelogen«, beendete Harry nachdenklich ihren Satz.  »Genau«, bestätigte Hermine. Sie streckte sich, hob Krummbein von ihrem Schoss und platzierte dort stattdessen ihre Schultasche, die neben dem Sessel gestanden hatte. Daraus zog sie mehrere unförmige, wollene Elfenhüte hervor. Sie platzierte die Hüte an strategischen Stellen, wo arglose Hauselfen versehentlich auf sie stoßen konnten und begutachtete ihr Werk kritisch.  Harry beachtete es kaum. Er ließ sich ihre Vermutung noch einmal durch den Kopf gehen. Nach einer Weile fragte er: »Findest du das nicht ein wenig weit hergeholt?« »Ganz und gar nicht«, antwortete Hermine resolut. Offenbar zufrieden mit ihrem Werk, schulterte sie ihre Tasche und hievte Krummbein in ihre Arme, der dieses Prozedere nur äußerst widerwillig über sich ergehen ließ. Dann sah sich nach Ron um. Sie entdeckte ihn immer noch umgeben von der übrigen Quidditch-Mannschaft Gryffindors. Sie runzelte die Stirn. »Glaubst du, es macht ihm etwas aus, wenn ich zu Bett gehe?«, fragte sie Harry unsicher, »Ich freue mich wirklich für ihn. Aber ich habe die ganze Woche Elfenhüte gestrickt und bin einfach zu müde.« »Denke nicht«, sagte Harry, der mit leerem Blick Ron beobachtete. »Dann gute Nacht, Harry«, verabschiedete sie sich. Harry erwiderte ihren Gruß bloß teilnahmslos. Zu sehr war er seine eigenen Gedanken vertieft. Konnte Hermine recht haben? Ihre Erklärung jedenfalls hatte äußerst logisch geklungen. Vielleicht, so überlegte Harry, war das etwas, was es sich lohnte, Sirius zu fragen. Und er nahm sich fest vor, am nächsten Morgen einen Brief an seinen Paten zu schreiben.   *   Das Wochenende nutzte Yugi vor allem dazu, einen freien Kopf zu bekommen. Und um sich bei seinen Freunden und seiner Familie zu melden. Also war er am frühen Samstagmorgen in das nahegelegene Hogsmeade aufgebrochen. Professor Dumbledore hatte die These geäußert, sein Handy könnte dort wieder funktionieren. Dies hatte sich bewahrheitet. Kaum war Yugi durch das Schultor getreten, welches von zwei steinernen, geflügelten Ebern flankiert wurde, war sein Handy angesprungen und hatte ihn mit einer Flut verpasster Anrufe und Nachrichten überhäuft. Es hatte ihn den gesamten Weg bis zum Dorf gekostet, um alles durchzugehen. Dabei hatten Anzus Nachrichten herausgestochen, die damit gedroht hatte, sich ins nächstbeste Flugzeug zu setzen und ihn auf eigene Faust zu suchen. Tatsächlich war es Yugi wohl nur knapp gelungen, sie davon abzuhalten.  Es war eine ziemlich mühselige Angelegenheit gewesen, alle davon zu überzeugen, dass er nicht schon wieder bis zum Halse in Schwierigkeiten steckte. Als es ihm schließlich gelungen war, war es bereits weit nach Mittag gewesen und so hatte er beschlossen, gemeinsam mit Atemu das Dorf zu erkunden, welches in seiner Skurrilität auf einem ähnlichen Level rangierte wie die Winkelgasse. Es gab zahlreiche Läden, die Dinge des magischen Bedarfs verkauften, mehrere Wirtshäuser und mit der heulenden Hütte sogar so etwas wie eine lokale Touristenattraktion. So war der Abend bereits längst hereingebrochen, als Yugi das Schloss erneut betrat. Aus der Großen Halle kam der unverkennbare Lärm hunderter Schüler, die dem Abendessen frönten. Er hörte das Klappern von Besteck auf Tellern und ihr fröhliches Geschwätz. Entschieden ging er an der Flügeltür vorbei.  »Du gehst wieder nicht essen?«, fragte Atemu.  »Nein«, sagte Yugi und stieg die große Marmortreppe empor. Er hörte, wie Atemu besorgt die Stirn runzelte.  »Du warst selten beim Essen«, stellte er fest. Er hatte damit nicht Unrecht. Seit dem Festessen zum Schuljahresbeginn war Yugi nur jeweils zum Frühstück und gelegentlich zum Mittagessen in die Große Halle gegangen. Ansonsten hatte er sie gemieden. »Das Essen hier ist merkwürdig.« Das war nicht einmal eine Lüge. Die englische Küche war in der Tat etwas … ungewöhnlich.  Atemu machte einen langgezogenen, gedankenverloren Laut. Er glaubte Yugi nicht. Oder er machte sich Sorgen. Vermutlich beides. So sehr Yugi es auch genoss, dass Atemu ständig bei ihm war, manchmal war er eine schlimmere Glucke als Yugis eigene Mutter. »Außerdem nervt es, ständig beobachtet zu werden. Ich kann dann überhaupt nicht mit dir reden.« Dies ließ Atemu für einen Augenblick verstummen. Yugi schaffte es bis ins zweite Stockwerk, bevor die Stimme in seinem Kopf erneut sprach.  »Vielleicht sollten wir in Betracht ziehen, weniger miteinander zu reden. Professor Dumbledore war bereits äußerst misstrauisch.« »Aber es ist für mich völlig normal, mit dir zu reden«, protestierte Yugi.  »Stimmt«, gab Atemu zu, »Aber nur für uns. Ich bin mir ziemlich sicher, dass es sogar in der magischen Welt nicht normal ist, sich mit einer Stimme im Kopf zu unterhalten, die nicht die eigene ist. Und ich glaube, dass deine regelmäßige Abwesenheit bei den Mahlzeiten genauso viel Aufmerksamkeit erregt wie unsere Unterhaltungen.« »Du meinst, ich sollte lieber öfter zum Abendessen gehen?« Als Atemu bejahte, seufzte Yugi unweigerlich. »Na schön, ab morgen gehe ich zum Essen, versprochen«, setzte er hinzu, weil er Atemus Skepsis spürte. »Aber für heute bin ich versorgt.« Er klopfte auf seine Tasche, in der neben den Millenniumsgegenständen nun auch eine Auswahl von Süßigkeiten aus dem Honigtopf steckten.  Dafür musste Yugi den Rest des Weges hinauf in sein Zimmer eine Belehrung über ungesunde Lebensmittel über sich ergehen lassen.   *   Sirius‘ Antwort ließ nicht lange auf sich warten. Harry hatte seinen Brief erst am Samstagmorgen abgeschickt. Es hatte ihn viel Mühe gekostet, seine Nachricht zu formulieren, denn jeden Satz hatte er sorgfältig wählen müssen, damit, falls jemand den Brief abfing, er nichts damit anzufangen wusste. Der Postweg war längst nicht mehr sicher.  Sirius schien ähnlich zu denken. Denn seine Antwort kam nicht postalisch. Stattdessen tauchte sein Kopf am Sonntagabend – es ging bereits auf Mitternacht zu – im Kamin im Gemeinschaftsraum der Gryffindors auf.  Es war ein Glück, so dachte Harry, dass ihn niemand gesehen hatte und insgeheim musste er Hermine recht geben, die Sirius vorwarf, wie unvorsichtig sein Handeln war.  Aber das alles spielte keine Rolle, als Sirius ihn für die Verschlüsselung des Briefes lobte und auf seine Fragen antwortete. Wie Hermine so bezweifelte auch Sirius, dass Harrys Narbenschmerzen etwas mit Professor Umbridge zu tun hatten.  »Und was diesen Mutou betrifft …«, sagte Sirius mit gerunzelter Stirn. Sein langes, schwarzes Haar umrahmte sein Gesicht. »… Ich weiß nicht viel über ihn. Seine Einstellung war eine ziemlich geheime Angelegenheit. Dumbledore hat dem Orden fast nichts darüber erzählt.« »Wie meinst du das?«, fragte Harry. Er, Ron und Hermine, allesamt auf dem Boden vor dem Kamin knieend, lehnten sich weiter nach vorn.  Sirius schüttelte den Kopf. »Ich kann euch nicht viel sagen. Nicht weil ich nicht möchte …«, setzte er rasch hinzu, weil ihm Harrys enttäuschter Gesichtsausdruck nicht entgangen war, »… sondern weil ich nicht mehr darüber weiß. Nach allem, was ich gehört habe, ist Dumbledore Ende Juli nach Ägypten gereist, um ihm die Stelle anzubieten und offensichtlich hat er sie angenommen.« Er zuckte mit den Schultern.  Harry, Ron und Hermine tauschten vielsagende Blicke aus. Sie alle kamen zum gleichen Schluss: Das war nicht nur »nicht viel« … im Grunde war es gar nichts.  »Wie ist er so?«, wollte Sirius wissen. Entweder hatte er den stummen Austausch nicht bemerkt oder ihm keine Beachtung beigemessen.  »Keine Ahnung«, meinte Ron achselzuckend. Fragend sah er die anderen an. »Ich dachte, er sei in Ordnung. Ich meine, verglichen mit Binns ist fast alles eine Verbesserung. Außer vielleicht Snape und diese verdammte Umbridge.«  Sirius nahm dies zum Anlass, bellend aufzulachen. Harry mochte das an seinen Paten. Er teilte seine Abneigung zu Snape.  »Was denkst du, Sirius …«, begann Hermine, um das Thema zu wechseln. Auch sie mochte Snape nicht unbedingt leiden, hatte aber Skrupel, über ihn herzuziehen, wenn es nicht unbedingt notwendig war. »Arbeitet er mit Umbridge zusammen?« »Also ich bezweifle es«, sagte Sirius und schüttelte den Kopf, »Dumbledore würde niemanden einstellen, der ihn noch mehr Ärger macht. Hat bereits genug Scherereien am Hals. Vermutlich hat er diesem Mutou geraten, ihr das zu erzählen, damit sie ihn in Ruhe lässt.«  »Vielleicht hatte er keine andere Wahl«, gab Ron zu bedenken, »Diese Umbridge hat er ja schließlich auch eingestellt.« Sein Gesicht verdüsterte sich angesichts seiner letzten Worte.  »Aber das geschah nicht ganz freiwillig. Es gab sonst niemanden, der die Stelle wollte. Verteidigung gegen die dunklen Künste war schon immer schwierig zu besetzen gewesen. Soweit ich mich erinnere, hat sich keiner länger als ein Jahr auf diesem Posten gehalten.« »Und hoffentlich bleibt das so«, bemerkten Harry und Ron wie aus einem Munde. Sirius Mundwinkel zuckten verräterisch.  »Doch Geschichte der Zauberei wurde schon immer von Binns unterrichtet«, fuhr er fort, »Wenn dieser Mutou abgesagt hätte, hätte Dumbledore also auf ihn zurückgreifen können.« Hermine sah ihn mit großen Augen an. »Willst du damit sagen, Professor Dumbledore hat Professor Binns rausgeworfen?« »Habt ihr etwa geglaubt, Binns wäre freiwillig gegangen?« Sirius grinste schief, als er ihre fragend dreinblickenden Mienen sah. »Natürlich nicht! Aber Dumbledore hat ihn vorübergehend beurlaubt, solange dieser Mutou das Fach unterrichtet.« Harry, Ron und Hermine sahen sich mit hochgezogenen Augenbrauen an. Nun, das war doch mal eine Neuigkeit.   *   »Also gehört Professor Mutou nicht zum Zaubereiministerium. Und er arbeitet auch nicht mit dieser Umbridge zusammen.« Hermine richtete sich energisch auf und klopfte sich etwas Ruß von ihrem Umhang. Sirius‘ Kopf war nur Augenblicke zuvor aus den tänzelnden Flammen verschwunden.  »Scheint so«, sagte Harry und stand ebenfalls auf. Seine Kniee schmerzten. Ehrlich gesagt war er erleichtert darüber. Denn es bedeutete, dass es ein Problem weniger gab, mit dem er sich herumschlagen musste. »Allerdings frage ich mich«, fuhr Hermine gedankenverloren fort, die ihn offenbar gar nicht gehört hatte, »… warum Professor Dumbledore ihn ausgerechnet jetzt eingestellt hat? Denn wie Sirius gesagt hat, er hat bereits genügend Ärger mit dem Ministerium.« »Vielleicht wollte er jemanden haben, der Umbridge bespitzelt?« Hermine dachte kurz darüber nach, schüttelte schließlich jedoch den Kopf. »Nein, das passt nicht«, sagte sie, »Professor Dumbledore hat Professor Mutou eingestellt, bevor diese grauenhaft Umbridge die Stelle bekommen hat.« »Dann keine Ahnung«, entgegnete Harry und konnte nicht verhindern, dass seine Stimme bitter klang. Er war es überdrüssig, darüber nachzudenken, was den Schulleiter dazu bewegte, gewisse Entscheidungen zu fällen oder Dinge zu tun.  Er ging hinüber zu dem Tisch, an dem sie gesessen und ihre Hausaufgaben gemacht hatten, bevor Sirius erschienen war, und packte den von Hermine korrigierten Aufsatz über die Monde des Jupiters in seine Schultasche. Währenddessen sah Hermine auf ihre Uhr. Erschrocken keuchte sie auf. »Es ist fast halb zwei«, sagte sie, »Wir sollten langsam wirklich zu Bett gehen.« Auch sie packte ihre Stricksachen – da Hermine so pflichtbewusst war, hatte sie ihre Hausaufgaben bereits vor dem Wochenende erledigt und sich stattdessen dem Stricken weiterer Elfenkleidung gewidmet – ein. Allerdings hatte sie neben Harrys Aufsatz auch den von Ron korrigiert. Sie entdeckte ihn noch auf dem Tisch liegend und nahm ihn.  »Ron, vergiss bloß nicht, ihn einzustecken … Ron?« Als sie keine Antwort erhielt, sah sie sich nach ihm um. Erst jetzt fielen sowohl ihr als auch Harry auf, dass Ron noch immer vor dem Kamin kniete. Er hatte sich nicht gerührt. Mit glasigem Blick starrte in die lodernden Flammen. »Ron?«, fragte Hermine behutsam.  »Meint ihr, ich sollte Bill einen Brief schreiben?« »Wie bitte?« Harry und Hermine sahen ihn gleichermaßen verdutzt an.  »Soll ich Bill einen Brief schreiben?«, wiederholte er seine Frage ohne sich ihnen zu zuwenden.  »Weswegen?« »Na, weil…« Endlich drehte er sich vom Feuer weg. Er hatte einen sehr nachdenklichen Gesichtsausdruck aufgesetzt. »Bill war auch in Ägypten. Ich meine, ich habe keine Ahnung, wie viele Zauberer sich da bei den Pyramiden rumtreiben, und inzwischen ist er ja auch wieder hier. Aber vielleicht kennt er diesen Mutou ja dennoch. Oder hat wenigstens schon mal von ihm gehört … Das wäre doch möglich, nicht?«, setzte er leicht verunsichert hinzu.  Harry öffnete den Mund, doch ihm fehlten die Worte. Sogar Hermine wirkte ehrlich überrascht.  »Ron, das ist …«, begann sie. »Brilliant«, sagte Harry.  »Findest du?«, fragte Ron ungläubig. »Natürlich«, bestätigte Harry prompt. Erwartungsvoll sah er Hermine an, die sich auf die Lippe biss. Harry ahnte, was in ihre vorging. Ihre Neugierde rang mit ihrem Pflichtgefühl und Anstand.  »Also ich weiß nicht recht«, sagte sie schließlich, »Denkt ihr nicht, das geht zu weit?« »Warum?«, fragte Ron ein wenig verstimmt. »Wir fragen Bill doch nur, ob er etwas weiß. Was ist schon dabei? Schlimmstenfalls sagt er uns, dass wir diesen Mutou nicht trauen sollten. Aber dann sind wir wenigstens vor ihm gewarnt, oder?«  »Ja, schon«, räumte Hermine ein. Sie sah zermürbt aus.  »Gut«, sagte Ron entschieden, stand auf und marschierte entschlossen zum Tisch hinüber, wo sein Schreibzeug lag. Er setzte sich und griff nach Feder, Tinte und Pergament. Ohne Umschweife begann er zu schreiben. Dabei fiel sein Blick erneut auf den Kamin, wo noch die vor sich hin kohlenden Reste von Pergament zu erkennen war. Ein Ausdruck grimmigen Vergnügens trat auf sein Gesicht. »Dann kann ich Bill nämlich auch gleich mitteilen, was für ein gewaltiges Arschloch Percy ist.« Bereits am nächsten Morgen hatten sie Pigwidgeon mit einer an sein winziges Bein gebundenen Rolle Pergament losgeschickt.   *   Vielleicht hatten die vielen lebensgefährlichen Situationen, in die er im Laufe seines Lebens schon geraten war, seine Sinne geschärft. Oder es lag daran, wie glimpflich er davongekommen war, als er es endlich geschafft hatte, sich bei seiner Familie und seinen Freunden zu melden. Bis auf die übliche Predigt von Anzu und seiner Mutter, die beide festgestellt hatten, wie verantwortungslos er war, war alles erstaunlich glatt gelaufen. Möglicherweise, so überlegte Yugi später, war dies bereits ein Omen für den bevorstehenden Ärger gewesen.  So oder so.  Jedenfalls wusste Yugi, als er am Montagmorgen die Große Halle betrat, dass sich etwas verändert hatte.  Dabei wirkte auf den ersten Blick alles wie immer.  Die Schüler saßen verteilt an den vier langen Haustischen; unterhielten sich über vergessene Hausaufgaben oder Neuigkeiten von ihren Familien. Die Stimmung war einigermaßen gut, wenn man bedachte, dass es Montag war. Über ihren Köpfen zeigte die verzauberte Decke ein trübes, aber beständiges Wetter.  Am Lehrertisch herrschte dagegen eine dermaßen frostige Stimmung, dass Yugi unwillkürlich schauderte. Obwohl er erst seit einer Woche an dieser Schule war, hatten es sich Professor Sprout und Professor Flitwick bereits zur Angewohnheit gemacht, ihn fröhlich winkend zu begrüßen. Yugi war dies oftmals ziemlich peinlich gewesen, weil es zu viel unerwünschte Aufmerksamkeit auf ihn lenkte. Doch bei seiner heutigen Ankunft hatten beide gerade mal einen abwesenden Gruß übrig, bevor sie sich wieder in ihre Tagespropheten vertieften.  Professor Snape hingegen hatte Yugis Anwesenheit bisher höchstens mit einem verächtlichen Schnauben und gekräuselten Lippen bedacht. Yugi hatte bereits begriffen, dass Severus Snape nicht unbedingt eine Frohnatur war, und sich damit arrangiert. Aber heute schien seine Laune ein neues Rekordtief erreicht zu haben. Er schenkte Yugi keinerlei Beachtung. Stattdessen starrten seine schwarzen Augen die vor ihm liegende Tageszeitung mit einer solchen Intensität an, als wollte er sie jeden Moment in Brand stecken.  Auch Professor McGonagall hatte sich dem Tagespropheten gewidmet. Mit hinter den Brillengläsern verengten Augen und zusammengezogenen Brauen studierte sie ihn. Allerdings sah sie auf, als Yugi sich neben sie setzte.  »Das sollten Sie lesen, Yugi«, sagte sie forsch und reichte ihm, bevor er überhaupt ein »Guten Morgen« formuliert hatte, mit spitzen Fingern ihre Zeitung.  »Danke«, sagte Yugi und nahm sie verdutzt entgegen, woraufhin Professor missbilligend schnaubte.  »Seien Sie da bloß nicht zu voreilig.« Yugi wollte fragen, was los sei, doch Professor McGonagall warf bloß einen verächtlichen Blick entlang des Lehrertisches. Yugi folgte ihm. Und sah Professor Umbridge. Erstaunlicherweise war sie die einzige Person am Tisch, die guter Laune war. Erhobenen Hauptes und selbstzufrieden lächelnd blickte sie auf die schwatzenden Schüler hinab, während sie an ihrem Tee schlürfte. Der Anblick hatte etwas von einem Wolf, der eine ahnungslose Schafsherde beobachtete. Yugi lief ein kalter Schauer über den Rücken. »Das sieht nicht gut aus«, bemerkte Atemu besorgt. Yugi spürte ihn ebenfalls in Umbridges Richtung starren. »Irgendwas ist vorgefallen, was ihr in die Karten spielt.« Yugi nickte unmerklich. Er bedankte sich erneut bei Professor McGonagall für die Zeitung, die es grimmig zur Kenntnis nahm, und las die Schlagzeile. Sofort wurde ihm schlecht.   MINISTERIUM STREBT AUSBILDUNGSREFORM AN DOLORES UMBRIDGE IN DAS NEU GESCHAFFENE AMT DER GROẞINQUISITORIN BERUFEN   Yugi ließ die Zeitung sinken. Auch ohne den langen Artikel zu lesen, der unter der Überschrift stand, war ihm klar, dass dies nichts Gutes zu bedeuten hatte.  Erneut sah er zu Professor Umbridge, welche diesmal seinen Blick auffing und erwiderte. Ihr breiter Mund verzog sich zu einem noch unheimlicheren Lächeln.   * Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)