Seelenschatten von Maclilly (HPYGO) ================================================================================ Prolog: Prolog -------------- »‘Ich wurde aus meinen Körper gerissen, ich war weniger als ein Geist, weniger als das kläglichste Gespenst … und doch, ich lebte. […] Nur ein Vermögen war mir noch geblieben. Ich konnte mich der Körper anderer bemächtigen.‘« - Lord Voldemort, Harry Potter und der Feuerkelch   * Prolog   An diesem Abend, einem tristen Mittwoch, der sich nur langsam dazu entschied, dem Donnerstag zu weichen, hatte die kleine Taverne am zur ägyptischen Wüste hinneigenden Stadtrand von Luxor gleich zwei merkwürdige Besucher. Einer von ihnen saß wie üblich – längst hatten sich die Einheimischen und der Wirt an seine groteske Erscheinung in der Schankwirtschaft gewöhnt, denn er zahlte gut – an einem der in tiefen Schatten liegenden Tische und beugte sich über eine beträchtliche Sammlung von Papieren, Ordnern und Büchern. Eine Ölfeuerlaterne stand kippelig auf einem besonders schrägen Bücherstapel und brannte flickernd. Ihr Lichtschein schimmerte gerade so weit, dass es neben den Schriften nur knapp den jungen Mann erreichte. Schwach illuminierte es dessen fantastisch anmutende Haarpracht, die an einem zusammengerafften, schwarzen Stern erinnerte, dessen Spitzen mit Purpur getränkt waren. Seine Haut war ungewöhnlich hell für jemanden, der in dieser Gegend von Luxor verkehrte. Doch da er die vergangenen Jahre zu größten Teilen unter der sengenden Sonne Ägyptens verbracht hatte, um im Schatten der Pyramiden die Überlieferungen der Antike zu studieren, war er längst nicht mehr so blass und kümmerlich wie noch zu seinen schlimmsten Highschool-Zeiten. Lediglich mit seiner zu geringen Körpergröße haderte er noch. Allerdings hatte er die Hoffnungen diesbezüglich eigentlich aufgegeben.   Neben dem jungen Mann wartete auf dem ohnehin schon überladenen Tisch eine Schüssel, deren Inhalt an eine schleimige, grüne Grütze erinnerte und laut gewisser ägyptischer Experten eine echte Delikatesse sein sollte. Bisher hatte es Yugi Mutou jedoch noch nicht einmal gewagt, auch nur seinen Löffel in sein Abendessen zu tauchen. Und wenn es nach ihm ginge, würde er das auch niemals tun. Stattdessen lehnte er sich tiefer über einen besonders klobigen und antik anmutenden Wälzer und begann, mit zusammengekniffenen Augen die fremdartigen Zeichen zu entschlüsseln, die sich auf den Seiten winzig klein aneinanderreihten. Rasch überflog er die einzelnen Texte, doch ab und zu hielt er inne, um eine besonders vielversprechende Passage aufmerksam zu lesen.      »Es nennt sich Molokhia«, meinte plötzlich eine Stimme in seinem Kopf. Yugi, der sich längst daran gewöhnt hatte, zuckte nicht einmal zusammen. Er blinzelte lediglich und hob den Kopf, um besser zu lauschen, während die Stimme fortfuhr: »Es ist gesund.« Yugi warf der Spinatsuppe einen angeekelten Seitenblick zu.   »Ja, so sieht es auch aus«, erwiderte er leise murmelnd und versteckte sich tiefer hinter seinen Büchern, um die Bewegungen seiner Lippen vor zu neugierigen Blicken zu verbergen. Obwohl er längst Stammgast in der Taverne war und jeden Abend seinen Platz im hintersten Winkel belegte, hatte er es bisher vorgezogen, niemanden davon zu erzählen, dass in seinem Kopf der Geist eines dreitausend Jahre alten Pharaos lebte, mit dem er sich regelmäßig austauschte. Erfahrungsgemäß reagierten die Menschen nicht allzu wohlwollend auf diese Art von Neuigkeit.   Atemus Lachen hallte spöttelnd in Yugis Verstand wieder und seine transparente Form platzierte sich mit majestätischer Eleganz auf einem benachbarten Schemel. Ein zweiter junger Mann saß nun am Tisch, der dem ersten Mann sehr ähnlich sah, doch nicht gänzlich sein Spiegelbild war. Seine Haut war viel dunkler, so als hätte er sein ganzes Leben unter gleißendem Sonnenlicht verbracht, und seine Garderobe war nicht die eines Touristen oder Forschers oder Grabräubers. Stattdessen trug er Gewänder, die einem Monarchen der Antike gebührten: Eine weiße Tunika, einen purpurnen Umhang, der trotz absoluter Windstille prächtig flatterte, und so viel goldenen Schmuck, dass sich das Licht der Laterne darauf hätte brechen müssen und den jungen König in einen goldenen Glanz hätte tauchen müssen. Doch das Licht fiel durch seine Kleider und Körper, ohne auf der Wand dahinter einen Schatten zu malen. Seine Gestalt war nicht von fester Konsistenz. Stattdessen schimmerte und flirrte sie wie eine Fata Morgana. Ein Anflug von Traurigkeit und des Bedauerns huschte über Yugis Züge, als er beobachtete, wie der Laternenschein durch den Körper seines Freundes glitt, doch war bereits wieder verschwunden, als der Pharao sich ihm zuwandte. »Außerdem …«, begann der Geist, wobei Schelm in seinen Augen glitzerte, und blickte sich verstohlen um, um sicher zu gehen, dass niemand sie beobachtete. Dann hob er eine Hand und krümmte den Zeigefinger. Sogleich sprang der Löffel, der neben der Schüssel mit Schleim lag, auf, schwebte einen Moment in der Höhe, bevor er geräuschlos in die Suppe glitt. »… wird es dich im Gegensatz zu diesen desaströsen Hamburgern« – Der Pharao verzog allein ob der Erwähnung dieser Speise angewidert das Gesicht – »nicht umbringen.«   »Außer wenn ich mich weigere, es zu essen, und daraufhin am Hungertod sterbe«, erwiderte Yugi und beobachtete vergnügt, wie der Pharao absolut unköniglich mit seinen blutroten Augen rollte und ein mürrisches »Wohl wahr« murmelte, gleichzeitig jedoch zufrieden lächelte. Dann wanderte sein Blick hinüber zu der schwerfälligen Lektüre, mit der sich bereits Yugi plagte – der Teller mit weichgekochtem Molokhia für einen Augenblick vergessen. Mit zusammengezogenen Brauen scannte er die Abschnitte und mit jedem Satz, den er las, schrumpfte sein Lächeln. Schließlich stieß er ein mentales Seufzen aus, als ihm der Inhalt endgültig klar wurde. Das Lächeln verflog zur Gänze von seinen Lippen und tiefe Besorgnis legte sich auf seine Gesichtszüge. Das war sehr alte und sehr, sehr gefährliche Literatur, die sich mit den dunkelsten Aspekten der Schattenmagie befasste.   »Yugi, habe ich dir nicht bereits erklärt, dass dein Vorhaben nicht möglich ist?« »Mehrmals, ja«, antwortete Yugi gleichgültig, bevor er – durchaus etwas verärgert – ergänzte: »Und nicht nur du. Warum ist eigentlich jeder der Meinung, mir sagen zu müssen, dass alles immer unmöglich oder nicht machbar ist?« »Weil es die Wahrheit ist«, erwiderte Atemu entschieden, »Es ist nicht möglich, diesen Zauber zu brechen, denn er war für die Ewigkeit angedacht. Er sollte Zorc, dessen zerstörerische Bosheit und die Schattenmagie, die erst seine Existenz verschuldet hatte, für immer im Lot« – er gestikulierte in Richtung des Millenniumspuzzles, das transparent und an einer Lederkordel gebunden um seinen Nacken hing – »versiegeln. Und meine Seele – und mein Name waren dafür bestimmt, den Bann zu bewachen.« »Aber schlussendlich wurde Zorc doch vernichtet«, entgegnete Yugi und klang nicht minder entschieden als sein anderes Ich, »Somit müsste das Siegel doch hinfällig sein. Es gibt nichts mehr, dass du bewachen musst. Warum sollte es dann nicht möglich sein, deine Seele vom Puzzle zu lösen?« »Weil es für diese Art von Zauber keine Gegenzauber gibt. Es ist nicht angedacht, sie umzukehren. Sonst wäre ihr gesamter Sinn ja hinfällig. Es-« Eine erhobene Hand wehrte jedes weitere Wort ab. Der Pharao verstummte sofort. »Diskussion sinnlos«, gab Yugi eisern zurück und vertiefte sich erneut in sein Buch. Inzwischen schmerzten ihm die Augen und er kämpfte damit, die Lider geöffnet zu halten. Die Müdigkeit saß ihm tief in den Knochen und die Tatsache, dass er hier in einem dürftigen Lichtschein saß und über Schriften brütete, die uralt und nur schwer zu übersetzen waren, half nicht sonderlich, dagegen anzukämpfen. Außerdem waren die Debatten, die er regelmäßig mit seinem anderen Ich führte, erschöpfend, aber nicht minder motivierend. Tatsächlich waren sie ein Ansporn für ihn geworden. Sie bestätigten ihm, dass er genau das Richtige tat – ganz gleich, was sein anderes Ich darüber dachte. Unwillkürlich legten sich seine Finger auf das goldene Artefakt – eine umgedrehte Pyramide mit dem Auge des Wadjet –, das immer noch an einer schweren Eisenkette um seinen Nacken hing und gelegentlich gegen seine Brust schlug.   Der Pharao öffnete erneut den Mund, um zu widersprechen. Doch die Worte erstarben in seiner nicht-materiellen Kehle. Er überlegte. Die Zeit, die er bereits mit Yugi verbracht hatte – und das waren inzwischen genügend Jahre – hatte ihm gelehrt, dass sie einander in ihrem Starrsinn viel zu ähnlich waren. Jedes Widerwort wäre nur ins Feuer gegossenes Öl. Yugi hatte ein Ziel. Der Pharao schloss den Mund und langsam – und ein wenig widerwillig – nickte er.   Yugi schenkte ihm ein besonders zufriedenes Lächeln. »Wir sind Freunde«, sagte er überzeugt und schüttelte den Kopf, als er sich wieder den Schriften vor seiner Nase widmete. Eifrig schlug er die nächste Seite auf. Ein ausgestreckter Zeigefinger glitt schnell über die Zeilen. »Ich habe versprochen, einen Weg zu finden, um dich zu befreien. Und ich halte meine Versprechen!«   Der Miene des Geistes war eine unergründliche Maske. Er presste die transparenten Lippen aneinander. Dann schüttelte er majestätisch sein Haupt, wobei seine goldenen Ohrringe klimperten. Eindrucksvoll erhob er sich. Obwohl er von ähnlicher Statur wie Yugi war – unterdurchschnittlich klein für jemanden seines Alters und nur bedingt muskulös – war der Eindruck, den er hinterließ doch ein gänzlich anderer. Sein Auftreten war stets pompös und beeindruckend. Seine gesamte Körperhaltung zeugte von dem, was er einst gewesen und immer noch war: Ein Herrscher und die weltliche Verkörperung eines Gottes. Jemand, der dazu geboren und erzogen worden war, ein gesamtes Volk zu führen und blutige Schlachten zu schlagen.   »Überanstrenge dich nicht. Und iss deinen Schnodder«, sagte er schließlich und ein nahezu diabolisches Lächeln kroch gefährlich über seine transparenten Gesichtszüge, als er mit dem Kopf hin zur Molokhia deutete, »Es hilft dir, groß und stark zu werden.« Der Pharao zog sich gerade noch rechtzeitig zurück, denn ein Reflex hätte Yugi beinahe dazu verlockt, die Schüssel zu greifen und sie samt Inhalt durch den Kopf seines anderen Ichs zu pfeffern. Doch der Geist war bereits verschwunden und Yugi meinte, sein überhebliches Grinsen im hintersten Winkel seines Verstandes zu spüren. Frustriert warf sich der junge Mann in seinem Stuhl zurück. Die Arme verschränkte er vor der Brust, um gedankenversunken zu schmollen, als plötzlich ein nicht minder dreckiges Lächeln auf seine Lippen kroch.  »Oh ja«, sagte er leise zu sich selbst und blickte zu seinem Puzzle hinab, »Weil es bei dir ja auch so viel genützt hat.« Das Grinsen des Pharaos verstummte prompt.   *   Albus Dumbledore war in vielerlei Hinsicht anders als Yugi Mutou.   Er war hochgewachsen, sehr alt, hatte langes, silbergraues Haar, welches über seine Schultern und seinen Rücken fiel, und eine lange Adlernase, die man ihm mindestens einmal gebrochen hatte und auf der eine silberrahmige Brille saß. Hinter den halbmondförmigen Brillengläsern leuchtete ein Paar weiser und hellblauer Augen. Der Saum seiner purpurroten Robe streichelte über den schmuddeligen Boden, als er sich von einem Tisch erhob, und seine silbernen Schnallenstiefel klackten melodisch auf den Dielen.  Ja, Albus Dumbledore gehörte wirklich nicht hierher.   Und trotzdem hatte auch er sich an diesem Abend in der Taverne am Rand von Luxor eingefunden. Denn Albus Dumbledore hatte wirklich einige höchstinteressante Geschichten gehört, die sich allesamt um jenen jungen Mann sponnen, der in der schattigsten Ecke der Wirtschaft saß. Und seine Natur, die es ihm gewissermaßen gebot, närrischen Sagen grundsätzlich mehr Glauben zu schenken als dem, was die Allgemeinheit als Wahrheit proklamierte, hatte ihn auch dieses Mal dazu verleitet, jenen Gerüchten nachzugehen. Wobei, dachte Professor Dumbledore und schmunzelte vergnügt, er nicht nur hier war, um Mythen nachzujagen.   »Guten Abend«, sagte er höflich, als er den Tisch erreicht hatte, und nickte gemächlich mit dem Kopf. Gleichzeitig glitten seine wachsamen Augen über die diversen Wälzer, die sich vornehmlich mit der antiken ägyptischen Kultur beschäftigten. »Nani?«   Yugi Mutou blickte verdattert auf. Seine violetten Augen, im Grunde immer noch unnatürlich groß und unschuldig, musterten mit absolut konträrem Argwohn den ungewöhnlichen Mann. Albus Dumbledore dagegen lächelte. Mit einer eleganten Handbewegung wies er auf einen Stuhl am Tisch. »Würde es Sie stören, wenn ich mich zu Ihnen setzen? Ich habe im Laufe meines Lebens bereits häufiger die Erfahrung gemacht, dass Gesellschaft – selbst die eines Fremden – eine willkommene Ablenkung sein kann, wenn die Arbeit einen bis in die tiefste Nacht verfolgt, Mr Mutou«, fügte Dumbledore amüsiert hinzu und schenkte den Büchern auf dem Tisch einen vielsagenden Blick. »Sie kennen meinen Namen?«, erkundigte sich Yugi interessiert, wobei der Ausdruck des Misstrauens nicht wich. Augenblicklich klappte er den schweren Wälzer, in dem er eben noch eifrig gelesen hatte, zu und schob ihn hastig hinter einen Wall anderer Bücher. Er wusste, wie gefährlich der Inhalt der Bücher war, die er studierte. Nicht wenige befassten sich mit dem Opfern von Seelen. Er konnte nur inständig hoffen, dass sein Besuch nicht zu sehr im Studium historischer Texte bewandert war, obgleich er eigentlich so aussah, als wäre er ein eigenes historisches Relikt. Yugi hatte noch nie jemanden gesehen, der tatsächlich so alt aussah. »Gewiss doch, gewiss«, antwortete Professor Dumbledore derweil und hinter seinen halbmondförmigen Brillengläsern funkelten blaue Augen verschwörerisch. Natürlich war ihm die Reaktion des jungen Mannes nicht entgangen. Aber er besaß genügend Taktgefühl, um sie nicht anzusprechen, sondern fuhr fort, als hätte er nichts bemerkt: »Immerhin eilt Ihnen ein beeindruckender Ruf voraus, Mr. Mutou. Ich muss sagen, ich bin noch nicht vielen jungen Männern begegnet, die Anfang zwanzig das Studium antiker Schriften den Freuden und den Abenteuern der Jugend vorziehen. Und das, wie ich gehört habe, auch noch ausgesprochen erfolgreich.«   »Oh, mein Bedarf an Abenteuern ist ganz bestimmt gedeckt«, erwiderte Yugi und lehnte sich zurück. Flüchtig huschten seine Augen zu einem leeren Platz neben einem besonders imposanten Bücherstapel hinüber, dann fixierten sie wieder den ungewöhnlichen Fremden. »Eigentlich habe ich bereits genügend Abenteuer für zwei Leben erlebt. Ich bin nur hier um … um einen Freund zur Seite zu stehen.« »Ich verstehe. Ja, die Freundschaft – noch so eine wunderbare Errungenschaft der Jugend, die jedoch glücklicherweise auch den Alten nicht vorenthalten bleibt«, sagte Dumbledore weise und nahm auf eine einladende Handbewegung hin auf einem freien Stuhl elegant Platz. Er faltete die Hände ineinander. »Nun gewiss fragen Sie sich, warum ich Sie an einem so ausgesprochen schönen Abend aufgesucht habe. Aber bevor ich dies weiter ausführe, sollten wir zunächst für gleiche Voraussetzung sorgen.« Er zwinkerte leichthin. »Wenn mich meine Erinnerungen nicht trüben, hatten schon die alten Ägypter in ihren Spielen einen ausgeprägten Sinn für Fairness. So war es doch, nicht?« Yugi Mutou blinzelte perplex und schwieg. Professor Dumbledore tat es ihm gleich. Offensichtlich rannen dem jungen Mann ganz unterschiedliche Gedanken durch den Kopf und er besaß genügend Anstand, um jene nicht zu unterbrechen. Jedoch beobachtete er wachsam jede Regung Yugis. Manchmal schüttelte er den Kopf oder nickte, um seine Gedankengänge besser einzuschätzen. Mehrmals murmelte er Worte in einer Sprache, die Professor Dumbledore selbst nicht verstand. Schließlich, als Yugi offensichtlich seine Gedanken geordnet hatte, fuhr Professor Dumbledore fort. »Professor Albus Dumbledore, Schulleiter von Hogwarts«, sagte er und neigte den Kopf zum Gruß. »Sehr erfreut.« »Ebenso«, erwiderte Yugi knapp, »Also, was kann ich für Sie tun, Professor?« »Ich bin hier, um Ihnen ein Angebot zu unterbreiten. Doch zunächst, möchte ich Ihnen eine sehr wichtige Frage stellen und ich hoffe, Sie können mir darauf eine ehrliche Antwort geben.« Eine tiefe Falte grub sich zwischen Yugis Augenbrauen. Dieses Gespräch war mehr als ungewöhnlich – sogar für seine ohnehin schon sehr geringen Standards. Doch genau dieser Umstand wusste sein Interesse zu wecken. Er hatte einen Hang für die ungewöhnlichen Dinge des Lebens. Professor Dumbledore schien es ebenso zu ergehen, denn er fragte unverblümt: »Mr Mutou, glauben Sie an Magie?«   Yugi lachte.   *   »Er ist … ungewöhnlich.«   Schweigend lauschte Yugi dem Urteil der Stimme in seinem Kopf, während er Professor Dumbledore nachsah, der mit ungewöhnlich leichten Schritten die Taverne verließ. Er wartete, bis der letzte Zipfel der wehenden, purpurnen Robe aus der Tür verschwand und jene klappernd zufiel, bevor er zustimmend nickte.   Oh ja, Albus Dumbledore war wirklich ein eigenartiger Mann. Aber er hatte Yugi Mutou auf einen sehr interessanten Gedanken gebracht.  »Meinst du, es ist wahr?«, fragte er leise, als er den Blick schließlich von der Tür abwandte. Der Pharao saß inzwischen wieder am Tisch, wobei er nachdenklich ein Stück Papier betrachtete, das Professor Dumbledore zurückgelassen hatte und dem Yugi keinerlei Beachtung schenkte. »Gibt es die Magie wirklich noch?«   »Natürlich«, antwortete Atemu unwirsch und blickte konfus zu ihm. Er zog eine Grimasse, als wäre allein die Vorstellung, dass die Magie nicht die vergangenen dreitausend Jahre überlebt hätte, komplett absurd. Yugi war erstaunt. »Ich dachte, du hättest die Schattenmagie damals versiegelt? Wie kann sie dann noch existieren?« Der Geist des Puzzles schenkte ihm ein wissendes Lächeln. »Die Schattenmagie ist nur eine Ausprägung der Magie«, erklärte er mit verschränkten Armen, sein Blick heftete sich fanatisch auf ein nahegelegenes Fenster. Ein Meer aus Sternen haftete im dunkelblauen Firmament. »Eine besonders gefährliche Form, die gebannt werden musste, bevor ihr Unheil den Weltuntergang heraufbeschworen hätte. Aber die anderen Magiearten …«   »Was für Arten gab es denn noch?«, erkundigte sich Yugi, der inzwischen einen Stapel Bücher zu sich herangezogen hatte, die Arme darauf verschränkte und seinen Kopf auf ihnen bettete. Der Pharao sah ihn stirnrunzelnd an. Er schien zu überlegen, denn er hatte eine Hand an sein transparentes Kinn gelegt. »Die Hethiter waren sehr bewandert in der Meteorolomagie … Wettermagie«, fügte er auf Yugis fragende Miene hinzu und machte eine nichtssagende Handbewegung. »Regenbeschwörungen, Stürme und ähnliches. Doch sie waren nie besonders erfolgreich damit gewesen. In Mesopotamien hat man sich auf Divination und Bildzauber spezialisiert – Weissagungen und Voodoo. Und in Europa …« Atemu zögerte. Die Falten auf seiner Stirn gruben sich tiefer in seine Form. Dann zuckte er plötzlich unbestimmt mit den Schultern. Ganz offensichtlich hatte er keinen blassen Schimmer, was für eine Magieform im frühen Europa betrieben worden war. Yugi seufzte schwermütig. Bisher hatte er sich primär nur mit der altägyptischen Magie beschäftigt, weil sie ihm der Schlüssel zu seinem Ziel erschienen war. Doch wenn es nun auch andere Magiearten gab … War es möglich, eine jener Formen zu gebrauchen, um das Ritual zu brechen, das Atemu einst durchgeführt hatte, um seine Seele zusammen mit Zorc an das Lot zu binden?   Er dachte nach. Dabei fiel sein Blick endlich wieder auf die Mitte des Tisches. Ein schwerer Brief eingeschlagen in dickes Pergament lag neben einen Papierschnipsel, der mit gedruckten Lettern verkündete:     London – Hogwarts 1. September – 11 Uhr Hogwarts-Express, Kings Cross (London), Bahnsteig 9 ¾  Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)