Jeden verdammten Sonntag von Aphrodi ================================================================================ Eiszeit ------- Durch das große Schaufenster fiel Licht in den Innenraum der Eisdiele. Die Sonne gab sich seit Wochen deutlich mehr Mühe als die vielen Monate zuvor und strahlte ungehalten stundenlang, denn kein noch so kleines Wölkchen wagte es, sich vor sie zu drängen. Die Muster und Buchstaben, die sie so auf den Boden zwischen den Tischen zauberte, war nur ein kleiner Nebeneffekt. Bedeutender war die enorme Hitzewelle, die mit der fast schon aggressiven Sonne einherging. Die Menschen in Inazuma Town hatten verschiedene Arten, sich in diesen Tagen zu erfrischen. Manche gingen ins Schwimmbad, andere halfen mit kühlenden Getränken und Speisen nach. Eis stand ganz weit oben auf der Beliebtheitsskala von Groß und Klein und so herrschte reges Treiben in der kleinen Eisdiele. Die Außenterrasse war voll besetzt – fast im fliegenden Wechsel lösten die neuen Besucher die alten ab, die sich gerade aufmachten, um weiterzuziehen. Auch im Innenraum hinter der Theke war es hektisch.   Midorikawas Augen verfolgten interessiert das Geschehen, lagen auf Kellnerinnen, die akrobatisch versiert eine Bestellung nach der anderen auf Tabletts oder ihren Unterarmen ans Ziel balancierten. Immer mal wieder landete ein Löffel Eis in seinem Mund. Er lächelte vergnügt und hatte beste Laune – ganz im Gegenteil zu seinem Begleiter. Es war offensichtlich, dass Suzunos hängender Kopf, welcher schwer auf seinem aufgestützten Unterarm gelehnt wurde, der Hitze zu verdanken war. Der Junge mit dem eisigen Charakter vertrug Wärme einfach viel schlechter als seine Freunde und litt stumm vor sich hin, während er sich immer mal wieder aufraffte, um an seinem Milchshake zu nippen.   Warum hatte die Eisdiele doch gleich nochmal keine Klimaanlage? Wahrscheinlich, um das Geschäft anzuregen.   „Nagumo hat ziemlich blöd geguckt, als wir gegangen sind“, erwähnte Midorikawa eher beiläufig zwischen zwei Löffeln Eis. Nichts zu sagen und damit still vor sich hin zu essen war ihm unangenehm, doch Suzuno war nicht gerade als Mr. Gesprächig bekannt – erst recht nicht, wenn sogar reden wie eine unnötige Energieverschwendung erschien. Dass dieses Gesprächsthema bei dem Blauhaarigen allerdings noch weniger gut ankam als der übliche Smallstalk, mit dem ihn Midorikawa die letzte halbe Stunde zugetextet hatte, zeigte der dunkle, ganz und gar nicht freundliche Blick unter den vielen Strähnen heraus, die Suzuno ins Gesicht hingen.   Midorikawas Grinsen wurde gequälter, aber alles in allem war er immer noch gelassen genug, um seine Heiterkeit nicht zu verlieren. Manchmal fragte er sich, wie es wohl wäre, wenn er stattdessen mit Nagumo hier sitzen würde. Es wäre auf jeden Fall um einiges lauter und lebendiger mit ihm. Bei Suzuno dagegen kam er sich oft vor wie ein Alleinunterhalter. Und im Gegensatz zu Hiroto, der auch ein ruhiges Wesen besaß, harmonierte es mit dem Blauhaarigen nicht wie von Midorikawa gewünscht.   Dennoch waren sie wieder hier – wie jeden Sonntag seitdem der Sommer begonnen und sie auf der Suche nach Abkühlung hier her gelockt hatte. Zusammen.   „Ich glaube ja, er ist eifersüchtig.“   Wieder eine Aussage über Nagumo und wieder kam sie nicht so gut an. Suzuno schnaufte kurz, ertränkte dann doch jede aufkommende Beleidigung mit einem großen Schluck vom Milchshake. Begeisterungslos blickte er zu Midorikawa hinauf.   „Willst du nicht lieber über Hiroto reden? Sonst hast du das Thema doch auch nicht über.“   Peinlich berührt fing Midorikawa an zu lachen, ein roter Schimmer machte sich auf seinen Wangen breit.   „Hiroto sieht es genau so wie ich.“   „Natürlich tut er das. Er würde zu allem Ja und Amen sagen, was du erzählst.“   Suszuno sah unbeeindruckt zu seinem Begleiter. Es war offensichtlich, dass der und Hiroto sich gut verstanden und wenn man nicht völlig blind war – so wie Nagumo –, dann war es ein leichtes zu sehen, dass sie miteinander anbändelten. Er selbst hatte es längst erkannt. Dass sie lediglich umeinander herum scharwenzelten, weil sie beide sich noch zu keinem weiteren Schritt getraut hatten, war in Suzunos Augen wahnsinnig uncool. Wenn er selbst Gefühle in diese Richtung hätte, würde er Nägeln mit Köpfen machen. Doch die hatte er für Nagumo auf keinen Fall! Der Tulpenkopf war nervig und schaffte es immer wieder, ihm das Blut zum Kochen zu bringen.   „Weil ich recht habe!“, konterte Midorikawa und sah Suzuno unbeirrt an, während er sich einen weiteren Löffel Eis in den Mund schob. Kurz ließ er es auf seiner Zunge schmelzen, bevor er weitersprach. „Schon bevor die Aliea Academy geschlossen wurde, habt ihr angefangen miteinander auszukommen und aufeinander einzugehen. Das hätte ich ja vorher nie für möglich gehalten! Und das hat sich während der Football Frontier International gefestigt. Ich glaube nicht, dass dich Nagumo wirklich immer noch anfeindet. In seinem Verhalten hat sich was geändert. Er benimmt sich längst wie ein kleiner Junge, der seine Gefühle nicht offen zeigen kann und es mit ärgern versucht, um deine Aufmerksamkeit zu bekommen.“   Für einen Moment war Suzuno still und es sah sogar so aus, als ob er über Midorikawas Worte nachdenken würde. Völlig zufrieden mit sich selbst kratzte er die letzten – schon stark geschmolzenen – Reste aus der verzierten Glasschale. Als er aufblickte, sah er direkt in das verzogene Gesicht von Suzuno. Okay, ganz überzeugt war er wohl noch nicht. Oder war die Erkenntnis so fürchterlich?   „Das ist Quatsch.“   „Sei nicht so stur. Nur weil du es nicht einsehen willst, heißt das nicht, dass es nicht stimmt.“   „Du schließt einfach nur von dir auf andere. Komm erst mal selbst mit deiner großen Liebe klar, bevor du mich da mit reinziehst“, gab Suzuno ruhig – verdächtig ruhig – zurück, das Gesicht verdunkelt und längst nicht so gelassen, wie er wirken wollte. Schließlich wendete er sich wieder seinem Milchshake zu – der war plötzlich viel wichtiger!   Midorikawa allerdings ließ sich davon nicht beirren und hob die rechte Hand, den Zeigefinger in die Luft gestreckt, während ein altkluger Blick sein Gesicht zierte.   „Die Liebe und der Husten lassen sich nicht verbergen, heißt es.“   Suzunos Blick lag nichtssagend auf Midorikawa, die Lippen noch immer um den Strohhalm geschlossen. Auch das heitere Grinsen seines Gegenübers, das breiter und breiter wurde, führte zu keinerlei Regung in seinem Gesicht.   „Kaum zu glauben, dass Hiroto auf diesen Sprichwörter-Kram steht.“   Ein verlegenes Kichern war alles, was Midorikawa zu Stande brachte, während sich von ihnen unbemerkt zwei rote Schöpfe hinter dem Gebüsch auf der gegenüber liegenden Straßenseite erhoben. Neugierige Augen visierten sie an – auf die Entfernung war das Zanken der beiden Spanner lediglich durch die Schaufensterscheibe zu sehen, der allerdings weder Suzuno noch Midorikawa ihre Aufmerksamkeit schenkten.   Sie hatten längst mehr gemeinsam, als man aufgrund ihrer unterschiedlichen Charaktere annehmen konnte. Eine Gemeinsamkeit, die sie zusammenschweißte.   Einen rothaarigen Spanner, der sie auch in 10 Jahren noch lieben würde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)