A Myriad Of Feelings von Puppenspieler ================================================================================ Of All The Words Of Mice And Men, The Saddest Are, "It Might Have Been.” ------------------------------------------------------------------------ Wenn.   Wenn ich mehr trainiert hätte. Wenn ich härter gekämpft hätte. Wenn ich nicht aufgegeben hätte. Wenn ich auf eine andere Schule gegangen wäre.   Ikejiri Hayato sah kopfschüttelnd hinunter auf sein Abschlusszeugnis, auf das Kirschblütenblatt, das hinabgerieselt war und sich dort niedergelassen hatte. Drei Jahre. Es hatte drei Jahre gedauert, bis er seine Entscheidungen in Frage gestellt hatte. Und jetzt, wo er darüber nachdachte, stellte er fest, dass er eigentlich jede einzelne seiner Entscheidungen aus Bequemlichkeit getroffen hatte. Tokonami war die Schule gewesen, die seinem Zuhause am Nächsten lag, also hatte er ganz selbstverständlich beschlossen, Tokonami zu besuchen, obwohl das hieß, einen großen Teil seiner Mittelschulfreunde und seinen wichtigsten Teamkameraden zu verlieren. Es war ihm  nicht einmal als Verlust vorgekommen, damals.   Und wenn er ehrlich zu sich selbst war – ein bisschen war er froh gewesen. Er spielte gerne Volleyball. Er hatte gern an Sawamuras Seite gespielt. Aber Sawamura, in seinem unbeirrbaren Enthusiasmus, in seiner unbeirrbaren Stärke und Willenskraft, war anstrengend gewesen, war immer schon in einem Tempo vorangeprescht, mit dem Hayato nicht einmal mithalten wollte, geschweige denn konnte. Zumindest war es das, was er geglaubt hatte.   (Heute wusste er, es war reine Bequemlichkeit gewesen. Angst vor der Anstrengung, die damit einhergehen würde, Schritt mit Sawamura zu halten. Angst vor der Enttäuschung, die unweigerlich kommen würde, wenn er verlor, und sich vorher wirklich bis aufs Letzte angestrengt hatte. Angst vor der Hoffnung.)   Nicht härter zu trainieren war auch nur eine Frage von Bequemlichkeit gewesen. Warum sollte ich, wenn keiner der anderen es tut? Der Captain gibt das Tempo vor, nicht ich. Es hatte tatsächlich die Erkenntnis gebraucht, dass es vorbei war, damit Hayato begriff, dass diese bequeme Einstellung nicht das war, was er eigentlich gewollt hatte.   Drei Jahre, die er nicht halb so viel trainiert hatte, wie er hätte trainieren sollen. Drei Jahre, in denen er sich eingeredet hatte es ist okay, zu verlieren, du kannst es eh nicht ändern. Drei Jahre, die er gut gelebt hatte, nur um dann schlussendlich, am Ende dieser drei Jahren, vor einem Trümmerhaufen zu stehen, der sein High-School-Leben war und sich zu fragen war es das wert?   Jetzt konnte er die Zeit nicht mehr zurückdrehen. Vielleicht wäre es dann besser gewesen. Vielleicht hätte er Sawamura folgen sollen, auch wenn das hieß, dass er viel länger zur Schule unterwegs gewesen wäre. Vielleicht hätte er einfach sein eigenes Team mitreißen sollen, zu mehr Training ermutigen, und das schon seit Jahren. Vielleicht wären sie weitergekommen. Hätten sie jemals Chancen auf irgendeinen Titel gehabt? Die bequeme Antwort war nein – die tatsächliche wohl eher ich weiß es nicht.   „Heeey, wo bleibst du denn?“   Hayato drehte sich um, fand Sakurai und Tamagawa in der Nähe stehend. Sakurai winkte mit seinem Abschlusszeugnis, Tamagawa hatte die Hände in den Hosentaschen und die Augenbrauen abwartend erhoben. Der Anblick seiner Teamkameraden – Ex-Teamkameraden, ab heute – trieb ihm ein Lächeln auf die Lippen und Tränen in die Augen, und alles, woran er denken konnte, war, dass sie verloren hatten, noch im ersten Spiel der Vorrunde, dass niemand außer ihm so recht gefrustet gewesen war, und dass danach einfach alles weitergegangen war wie zuvor. Und wie sehr er es bereute.   „Wenn du nicht bald kommst, dann kannst du unser Essen zahlen!“ Hayato lachte, aber es klang nur halbwegs glücklich. Er schüttelte den Kopf, schüttelte die Kirschblüte von seinem Zeugnis und verfrachtete es in seine Tasche, ehe er zu Sakurai und Tamagawa aufschloss. Nach ein paar Schritten nur blieb er wieder stehen, zwischen den Kirschbäumen, deren Blüten lautlos wie rosafarbener Schnee zur Erde segelten.   Drei Jahre. Die sich jetzt im Nachhinein am besten zusammenfassen ließen, mit wenn ich doch nur… – Hayato fühlte sich, als hätte er ein ganzes Leben weggeworfen. „Gewinnt für uns mit!“ hatte er von Sawamura gefordert, eine Bitte, die im Nachhinein kindisch und dumm gewesen war, hatte er doch am Ende nur seine eigenen Wünsche und Bedürfnisse auf diesen alten Freund abgewälzt, damit er sich nicht damit herumschlagen musste, dass er ihre Erfüllung versaut hatte. Er straffte die Schultern. Tamagawa und Sakurai würden auf seine Universität gehen. Sie würden teilweise die gleichen Kurse belegen, und den gleichen Campus besuchen, und sie würden zusammenbleiben. Er holte tief Luft.   „Ich werde weiter machen“, verkündete er, laut und selbstbewusst, zumindest wollte er selbstbewusst klingen, aber seine Stimme kam nur erstickt und brüchig heraus. Seine beiden Kameraden drehten sich zu ihm herum, Augenbrauen fragend erhoben.   „Volleyball. Ich werde weitermachen.“ Er schluckte. „Und gewinnen. Deshalb–“   Noch ein tiefes Luftholen, dann verneigte Hayato sich tief vor Tamagawa und Sakurai.   „Bleibt bitte an meiner Seite!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)